Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 179

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

21.13

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der österreichische Gesetzgeber heute die Strafprozeßnovelle 1999 beschließt, so unternimmt er damit – und auch ich möchte das betonen – einen bemerkenswerten, außerordentlichen Schritt der Innovation.

Mit dem außergerichtlichen Tatausgleich und den anderen Formen der Diversion wollen wir den österreichischen Richtern und Staatsanwälten die Möglichkeit in die Hand geben, im unteren – quantitativ durchaus nicht unbeachtlichen – Kriminalitätsbereich (Abg. Haller: Darüber hat sich Frau Kollegin Fekter schon Gedanken gemacht!) auf strafbares Verhalten flexibler, einzelfallbezogener, zugleich rasch und wirksam – ich betone: und wirksam! – zu reagieren. Was sich im Jugendstrafrecht und im Suchtmittelstrafrecht sowie im Rahmen des Modellversuches "Außergerichtlicher Tatausgleich für Erwachsene" seit Jahren bewährt hat, soll mit Beginn nächsten Jahres nunmehr auf einer gesetzlichen Grundlage im allgemeinen Strafrecht stattfinden.

Dieser Innovationsschritt, meine Damen und Herren, ist zugleich ein wirklich entscheidender Schritt voran bei der Wahrung und Durchsetzung der Interessen des Verbrechensopfers, und ich kann da wirklich die Einschätzung von Herrn Abgeordneten Dr. Ofner nicht verstehen. Während der durch eine strafbare Handlung Geschädigte im traditionellen Strafverfahren neben der Zeugenrolle nur die Möglichkeit des Anschlusses als Privatbeteiligter hat – was allzu oft nicht weiter führt als bis zur Verweisung auf den Zivilrechtsweg (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner) und selbst bei erfolgtem Zuspruch eines Entschädigungsanspruches dessen Einbringlichkeit beim Täter offenlassen muß –, können wir im Rahmen der Diversion im Interesse des Opfers einen anderen Weg gehen: Wir können dem Verletzten rascher, leichter, unbürokratisch zu Schadenersatz und Tatfolgenausgleich – also insbesondere Entschädigung – verhelfen.

Sie müssen doch sehen, daß mit einer Übernahme der Verantwortung für die Straftat und ihre Folgen durch einen Täter in einem frühen Stadium – ich sage immer, sozusagen unter dem Damoklesschwert eines ansonsten stattfindenden Strafverfahrens und einer Verurteilung und Vorbestrafung – viel eher damit gerechnet werden kann, daß er sich diesem Schadensausgleich unterzieht, und viel mehr davon zu erwarten ist als in einem formellen Strafverfahren oder in einem sich diesem dann noch anschließenden zivilrechtlichen Auseinandersetzungsverfahren, das ja letzten Endes dem Geschädigten erst wieder – zunächst jedenfalls einmal – Kosten verursacht. (Abg. Dr. Ofner: Aber er bekommt einen Schadenersatz in angemessener Höhe!)

Ja, das wird man auch bei der Diversion haben. Es geht uns jetzt nicht so sehr um eine in diesem frühen Stadium des Verfahrens unter Umständen auch noch gar nicht mögliche zivilrechtlich präzise Schadensbemessung – diese kann auch noch in einem späteren Stadium stattfinden –, sondern uns geht es dabei vor allem um eine grundsätzliche Wahrung der Interessen des Opfers und um dessen aktive Einbeziehung in das Verfahren und in die Ausgleichsbemühungen, aber letzten Endes auch darum, Genugtuung zu verschaffen – auch das weiß man, daß das den Opfern sehr wichtig ist – und insgesamt eben die immateriellen und materiellen Tatfolgen festzustellen und so weit wie möglich auszugleichen.

Dabei kann sich das Opfer – das haben wir schon x-mal festgestellt – nicht nur irgendeiner Vertrauensperson bedienen, sondern auch eines Rechtsvertreters, eines Rechtsanwaltes, und schließlich kann es den außergerichtlichen Tatausgleich auch ablehnen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Ofner. – Abg. Haller: Und was passiert dann?) Der außergerichtliche Tatausgleich kommt nur mit Zustimmung des Betroffenen, mit Zustimmung des Opfers zustande. Es kann dabei überhaupt keine Rede davon sein, daß das Opfer über den Tisch gezogen wird oder auf der Strecke bleibt.

Freilich, meine Damen und Herren, sind dem Streben nach Ersatz und Tatfolgenausgleich Grenzen gesetzt, und zwar nicht nur im Anwendungsbereich überhaupt, sondern auch in der Leistungsfähigkeit des Beschuldigten. Sinkt diese Leistungsfähigkeit oder Leistungswilligkeit des


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