Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 161. Sitzung / 196

Denn, meine Damen und Herren, wenn ich jetzt einmal von der Strafandrohung als solcher absehe, würde mich doch sehr interessieren, was passiert – Herr Kollege Schieder, Sie schütteln den Kopf? (Abg. Schieder: Das tue ich!) –, wenn dann, wenn es hier um die schwere Schuld geht, das Argument kommt: Bitte, das ist eben üblich im Kulturkreis des Täters und nicht in dieser Weise, nach unseren strafrechtlichen Kriterien, zu sehen.

Wir wissen, daß es schon bisher keine einzige Ahndung in diesem Bereich gegeben hat. Das sind also alles Platitüden, die Sie in der Öffentlichkeit vorbringen. Heute geht es wieder in die genau gegenteilige Richtung. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Schieder: So ein Stuß! Das ist ein Wahnsinn!)

Herr Kollege Jarolim, noch ein weiterer Punkt – und Präsident Steininger hat uns darin sogar recht gegeben –: Sie sind ja nicht einmal in der Lage gewesen, dieses Gesetz formal richtig zu erstellen. Sie haben einen § 90a beschlossen, in dem steht, der Staatsanwalt hat nach diesem Hauptstück vorzugehen und von der Verfolgung einer strafbaren Handlung zurückzutreten, wenn diese Punkte, wie Zahlung eines Geldbetrages und so weiter, eintreten. – Das heißt, der Staatsanwalt hat davon abzugehen. Er hat kein Ermessen. Es heißt nicht, "er kann" oder "er soll", sondern er hat davon abzugehen. – Soviel zu § 90a.

Wenn man dann einige Paragraphen weiter nach vor geht, dann findet man dort den § 34 Strafprozeßordnung, der schon lange in Geltung ist. Und darin heißt es in Abs. 1: Die Staatsanwälte haben alle strafbaren Handlungen, die zu ihrer Kenntnis kommen, der Bestrafung zuzuführen und zu ahnden. – Also, was gilt jetzt, Herr Kollege Schieder, weil Sie mich so ansehen? Gilt jetzt der § 34, das Legalitätsprinzip, gemäß dem der Staatsanwalt alle strafbaren Handlungen zu verfolgen hat, oder stimmt jetzt der § 90a, der besagt, der Staatsanwalt hat nicht zu verfolgen, wenn gewisse Bedingungen eintreten? In einem Gesetz gibt es also zwei einander widersprechende Paragraphen! (Abg. Schieder: Mit "verfolgen" meinen Sie, daß er ihm nachrennt und ihn straft, oder?)

Da hat es dann geheißen: Nun, das seien eben die Ausnahmebestimmungen. Aber Präsident Steininger hat dazu ausdrücklich gesagt, Herr Kollege Kukacka, daß man dabei aufpassen müsse, denn wenn diese Ausnahmen mehr Fälle betreffen als die Regel, dann wäre es bedenklich.

Herr Justizminister! Es ist zwar schwierig, die genauen Zahlen zu bekommen, aber laut unseren Informationen – und dabei muß man ja von den theoretisch möglichen Fällen ausgehen, und nicht von Ihren Schätzungen – ist die überwiegende Mehrzahl der Deliktsfälle von dieser Ausnahme des § 90a erfaßt. Selbst Präsident Steininger hat gesagt, rechtstechnisch vernünftig und richtig wäre es gewesen, sich zumindest die Mühe zu machen und § 34 zu ändern, anstatt diese Widersprüche im Gesetz zu belassen.

Noch einmal, meine Damen und Herren von der Volkspartei: Sie haben sich damit von den Sozialdemokraten über den Tisch ziehen lassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Sie haben mit diesem Beschluß, wenn Sie ihn heute mitvollziehen, einen großen Schritt hin zu einem alten sozialistischen Ideal, zur gefängnislosen Gesellschaft, gesetzt! Das haben Sie dann zu verantworten!

Treten Sie aber dann, wenn es um Ihre Gemeinderatswahlen oder sonstiges geht, vor der Bevölkerung nicht wieder als die großen Beschützer der Opfer auf! Sie sind es nicht, sondern Sie sind die Erfüllungsgehilfen der linken Ideologen in diesem Haus! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Mag. Stadler: Deshalb: Namentliche Abstimmung!)

22.26

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Dr. Konrad. – Bitte.

22.26

Abgeordnete Dr. Helga Konrad (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich schließe mich mit meinem Redebeitrag den Befürworterinnen und Befürwortern der gesetzlichen Grundlage für die Diversionsmaßnahmen, insbesondere für den außergerichtlichen Tatausgleich, an.


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