Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 166. Sitzung / 26

ableisten lassen zu können. Dieser Mehrbedarf wird im heurigen Jahr vom Finanzminister genehmigt.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke. – Ich darf Frau Abgeordnete Stoisits einladen, die nächste Frage zu formulieren.

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Geschätzter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

257/M

Werden Sie sich dafür einsetzen, daß im Zusammenhang mit dem Krieg in Jugoslawien Deserteuren und Stellungsflüchtigen Asyl gewährt wird, wenn sie in Österreich einen Asylantrag stellen?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Frau Abgeordnete! Ich möchte sehr ausführlich darauf eingehen und möchte Ihnen auch die entsprechende derzeitige Rechtslage darlegen.

Grundsätzlich, so glaube ich, ist festzuhalten, daß in jedem Asylverfahren der konkret an die Behörde herangetragene Einzelfall unter Würdigung der individuellen Situation des jeweiligen Asylwerbers im Lichte der anzuwendenden Rechtsvorschriften zu prüfen ist. Im Zusammenhang mit der von Ihnen gestellten Frage besteht eine langjährige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, die die Voraussetzungen, unter denen die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes beziehungsweise die Desertion asylrechtliche Relevanz haben können, festschreibt.

So hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung an sich keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstellt. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wäre. – Das ist ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1993, das ich zitiert habe.

Es gibt zu diesem Fragenkomplex auch ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994. Damals lag als Anlaßfall die Beschwerde eines Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation albanischer Nationalität zugrunde, der in seinem Asylantrag vorgebracht hatte, daß er wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehls mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe oder gar mit der Todesstrafe rechnen müsse.

In diesem Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die maßgebliche Frage darin besteht, ob die Behörden des Heimatstaates betreffend die Einberufung von Wehrpflichtigen albanischer Nationalität im Vergleich zur Einberufung von Angehörigen anderer Volksgruppen, insbesondere der serbischen, eine andere Praxis verfolgen, und zwar sowohl hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst an sich als auch hinsichtlich der Umstände, unter denen dieser abzuleisten ist, und ob sich seitens der Behörden die im Heimatstaat verhängten Sanktionen gegen Wehrdienstverweigerer und Deserteure in bezug auf die Angehörigen der albanischen Nationalität im Vergleich zu Angehörigen anderer Volksgruppen unterscheiden.

Diese Parameter beziehen sich nicht nur auf allfällige Ungleichbehandlungen der verschiedenen Volksgruppen, sondern auch auf jede aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgende Differenzierung der Wehrpflichtigen.

Aus diesem Grund ist es für mich klar, daß der Bundesasylsenat und das Bundesasylamt in erster Instanz verpflichtet sind, auf Grundlage dieser Entscheidungen die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Bitte.


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