Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 8. Sitzung / Seite 45

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Sanktionen jedweder Art unsere Probleme löst. Selbstverständlich ist es unsere Aufgabe, Probleme zu lösen, die wir uns zum großen Teil auch selbst geschaffen haben.

Wir sind derzeit in einer innenpolitisch äußerst heiklen Situation, und ich kenne keine vergleichbare politische Krise der Zweiten Republik. Eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung spürt, dass es kein Zurück zu den alten Zuständen mehr gibt. Ich treffe eigentlich fast niemanden mehr, der sagt: Eigentlich war es wunderschön vor dem 3. Oktober, in einem Land des Proporzes und der Parteibuchwirtschaft! – Die Sehnsucht zurück gibt es nicht mehr.

Es gibt die Sehnsucht nach einem politischen Wechsel und nach Veränderung, aber plötzlich stellen die Menschen in dieser Republik fest: Dieser Wechsel hat binnen weniger Tage größten wirtschaftlichen Schaden verursacht, er hat Österreich außenpolitisch in eine vollkommene Isolation geführt und handlungsunfähig gemacht. Sie müssen das nicht uns als Opposition erklären, sondern Sie müssen den Beschäftigten bei Steyr-Daimler-Puch oder den Besitzerinnen und Besitzern kleiner und mittlerer Fremdenverkehrsbetriebe in Tirol erklären, warum diejenigen, die nichts für diese Regierungsbildung können, jetzt die Rechnung für diese Regierungsbildung zahlen müssen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Dr. Puttinger. )

Herr Dr. Schüssel! Das einzige Argument, das Sie noch ins Treffen führen könnten, wäre: Ich hatte keine Ahnung, ich bin vollkommen überrascht, dass es so gekommen ist. Es tut mir fürchterlich Leid.

Auch wenn das stimmt, sage ich gleich dazu, müssten Sie hier und heute erklären – und Sie haben das bis jetzt nicht getan –, wie Österreich aus dieser Sackgasse herauskommen soll. Sie müssten erklären, warum gerade Sie und Ihre Außenministerin, die international in Europa unter Quarantäne stehen, in der Lage sein sollten, mit den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union über eine Aufhebung der Sanktionen zu verhandeln. Sie sind der Einzige, der das nicht kann, neben einigen anderen Regierungsmitgliedern und Jörg Haider. Sie sind die Einzigen, die das nicht können! Alle anderen haben zumindest theoretisch diese Chance.

Wenn Sie sagen, Sie werden mit allen reden, dann stelle ich mir diese Telefonate vor: Pariser Vorwahl, Büro Jacques Chirac: Ja, hier Wolfgang Schüssel, ich wollte mit Jacques geschwind diese Sanktionsgeschichte besprechen. – Bum, tut-tut-tut, keine Verbindung. (Heiterkeit.)  – Das ist die außenpolitische Zukunft dieser Bundesregierung!

Ich sage nicht, dass mir das gefällt. (Abg. Dr. Puttinger: Ein Wunsch! – Abg. Schwarzenberger: Aber Ihr Wunsch ist es!) Normalerweise könnte ich mich als Opposition hier herausstellen und sagen: Wunderbar, eine gemähte Wiese für uns! Aber für die Republik Österreich ist das zwar keine hoffnungslose, aber eine sehr, sehr ernste Situation. (Abg. Schwarzenberger: Der Pilz glaubt, er kann mit Benzin Feuer löschen!)

Herr Dr. Schüssel! Sie sind uns als Bundeskanzler eine Erklärung darüber schuldig, wie Sie da aus den eigenen Kräften der Bundesregierung herauskommen wollen. Sie verweisen darauf, dass Sie morgen ein Regierungsprogramm vorlegen werden. Glauben Sie, dass Gerhard Schröder dann anrufen und sagen wird: Herr Dr. Schüssel, das ist ein tolles Programm, Sie haben mich wirklich völlig überrascht, auf Basis dieses Programms müssen wir natürlich sofort die Sanktionen aufheben!?

Glauben Sie, dass es hier um ein Programm geht? – Hier geht es um eine einzige Frage. (Abg. Dr. Rasinger: Sollen wir jetzt ...?) Ein Politiker und Vorsitzender einer demokratischen Partei, die Teil eines Nachkriegs-Konsenses in Österreich ist, hat als Erster die Machtübernahme in Regierungsfunktionen durch eine rechtsextreme Partei in der Europäischen Union ermöglicht. Zu Recht sagen Staats- und Regierungschefs und Hunderttausende Menschen in Österreich – das ist ja keine Meinung des Auslands allein –: Da machen wir uns Sorgen, das wollten wir nicht, und das können wir so nicht akzeptieren! (Abg. Mag. Schweitzer: Herr Präsident! – Abg. Ing. Westenthaler: Rechtsextrem?)


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