Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 33. Sitzung / Seite 95

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Noch dazu geht auch die internationale Entwicklung in eine völlig andere Richtung: Mit der Aarhus-Konvention wurde ein erster Schritt getan, um die Bürger verstärkt einzubinden! – Was Sie machen, ist das genaue Gegenteil davon. Sie sperren die Bürgerinitiativen aus, weil Sie in einer pseudowirtschaftsfreundlichen Aktion versuchen, das Gesetz von lästigen Bürgerbeteiligungen zu befreien. Und das lehne ich vehement ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Völlig rätselhaft ist mir übrigens, warum Sie auch die Schwellenwerte derart drastisch angehoben haben. Ein Schwellenwert besagt, ab wann ein Projekt umweltverträglichkeitsprüfungspflichtig ist. Sie haben die Schwellenwerte so hoch angesetzt, dass kaum ein Projekt in Österreich noch UVP-pflichtig sein wird. Ich möchte ein paar Beispiele dafür bringen.

Ein erstes Beispiel sind die Gentechnikanlagen. Diese müssen bei Arbeiten ab der Sicherheitsstufe 3 im großen Maßstab in einem vereinfachten UVP-Verfahren geprüft werden. Wissen Sie, Kollege Kopf, was Sicherheitsstufe 3 ist? – Das sind HI-Viren, Pest oder Cholera.

Meines Wissens gibt es Gott sei Dank niemanden in Österreich, der mit Organismen der Sicherheitsstufe 3 in großem Maßstab arbeitet. (Abg. Ing. Westenthaler: Na Gott sei Dank!) Ich glaube, das ist auch ganz gut so. Aber das bedeutet, dass alle anderen Gentechnikanlagen überhaupt nicht UVP-pflichtig sind. Sie sind nicht mehr UVP-pflichtig! (Abg. Kopf: Es wird bald überhaupt niemanden mehr in der Biotechnologie geben in Österreich! – Abg. Öllinger: Man sollte es umtaufen in ÖVP-Verfahren!) Das halte ich für einen absoluten Skandal, gerade in Anbetracht dessen, dass sich die Freiheitlichen immer gegen die Anwendung der Gentechnik ausgesprochen haben und die Bürger einbeziehen wollten. Jetzt plötzlich wird das Niveau des Schwellenwertes bei Gentechnikanlagen dermaßen hinaufgesetzt, dass die Bürger überhaupt nicht mehr mitreden können. Das ist doch absurd! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kopf: Das ist ja nicht wahr!)

Es ist sehr wohl wahr! Die Einzigen, die noch mitsprechen können, sind die Nachbarn, und zwar die unmittelbaren Nachbarn, die aber nur ihre Nachbarschaftsrechte einbringen können. Wir haben im Ausschuss schon zur Genüge darüber diskutiert, dass es zwischen den Interessen einer Bürgerinitiative, die allgemeine Umweltinteressen vertritt, und den spezifischen Nachbarsinteressen große Unterschiede gibt.

Beispiel Nummer zwei betrifft organische Grundchemikalien. Ab 150 000 Tonnen im Jahr muss eine UVP im vereinfachten Verfahren durchgeführt werden – wieder ohne Beteiligung der Bürgerinitiativen! Die weltgrößte Anlage, Kollege Westenthaler, hat 180 000 Tonnen. Was glauben Sie, wie viele solcher Anlagen es in Österreich geben wird? – Es werden also nicht besonders viele unter dieses Gesetz fallen.

Nächstes Beispiel ist die Massentierhaltung. Diesbezüglich haben Sie zwar auf Grund von massivem Druck von unserer Seite den Schwellenwert etwas abgesenkt, er liegt aber immer noch weit über jenem im jetzigen Gesetz. So muss etwa ab 2 500 Schweinen – also ziemlich viel! – eine UVP im vereinfachten Verfahren durchgeführt werden, wieder ohne Beteiligung der Bürgerinitiativen! Wenn jetzt jemand einen Schweinestall beziehungsweise eine Massentierhaltung mit 2 400 Schweinen errichten will, dann muss es kein UVP-Verfahren geben. Er hat außer einem Baurechtsverfahren nichts, keine anderen Verfahren zu absolvieren. Also die Bürger sind da auf keinen Fall eingebunden!

Vielleicht dringen zu Ihnen keine Telefonanrufe durch, aber mich rufen, seit dieses UVP-Gesetz in Debatte ist, sehr viele von Massentierhaltung betroffene Bürger aus den verschiedensten Dörfern Österreichs an. Das ist ein Thema, das sehr viele Bürger bewegt, und ich verstehe nicht, warum Sie gerade in diesem wichtigen Bereich die Bürgerinitiativen in ihren Rechten beschneiden. Ich halte das für einen Skandal! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Das nehmen Sie aber zurück!)

Vor allem die Kombination dieser beiden Maßnahmen – einerseits werden Bürgerrechte beschnitten, andererseits werden Schwellenwerte hinaufgesetzt –, dieses Zusammenspiel ist natürlich besonders perfid, weil es dadurch nur mehr sehr wenige Umweltprüfungen geben wird, bei denen Bürger überhaupt nicht mehr mitreden können. Außerdem schaffen Sie mit diesen


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