Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 75

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geräumt. Und der Einfluss der Peer-Group, also der Gleichaltrigen oder auch der etwas Älteren, auf das Verhalten und auf die Wertebildung von Jugendlichen fehlt ja nicht zufällig auch in der Erziehungsvereinbarung. Das, was Sie als Erziehungsvereinbarung deklarieren und suggerieren – da gibt es einen gleichberechtigten Vertrag zwischen gleichberechtigten Partnern –, das entspricht ja nicht der Realität. Das hat nicht im Geringsten etwas mit der Realität zu tun oder etwa mit einer Schulordnung, so wie ich sie vorliegen habe. In dieser Schulordnung beziehungsweise Hausordnung dieser Hauptschule heißt es: Wir betreten das Schulgebäude durch den Haupteingang. – "Wir" – wer ist "wir"? Die Eltern? Die Lehrer? (Abg. Dr. Brinek: Die, die das vereinbart haben!)

Ist das Verbot des Kaugummigenusses sowie des Alkoholgenusses bindend für Eltern, für Lehrer und für Schüler? Wer ist das "Wir"? Das "Wir" ist verlogen, das "Wir" ist falsch in dieser Vereinbarung. Natürlich ist nur gemeint: "die Schüler". (Beifall bei den Grünen. – Abg. Dr. Fekter: Und die Lehrer müssen durch die Hintertür kommen? Das ist doch skurril, Herr Kollege Öllinger!) Aber das freundschaftliche "Wir" täuscht darüber hinweg, dass die Schülerinnen und Schüler nichts zu vereinbaren hatten, sondern dass ihnen etwas angeordnet wurde, und zwar etwas offensichtlich Widersinniges, was pädagogisch absolut im 19. Jahrhundert anzusiedeln wäre oder meinetwegen in jenen Jahren, als Lehrer tatsächlich noch glauben konnten, der Kaugummi, das ist das "böse Amerikanische". (Abg. Dr. Fekter: Nein! Nein! Kaugummikauen fördert die Durchblutung! Das ist an und für sich etwas Gutes! Aber auf den Bänken soll er nicht picken!)

Frau Kollegin Fekter! Da steht nichts davon, dass er nicht auf den Bänken picken soll, sondern da steht: Alkohol- und Kaugummigenuss sind untersagt. "Untersagt" nennt sich das in einer Vereinbarung. Das ist die Art und Weise, wie Sie mit Jugendlichen arbeiten wollen, wie Sie Jugendliche zu etwas verhalten wollen, meinetwegen dazu, dass sie nicht die Kaugummis unter ihre Bänke picken. Ich werde dann gleich durch die Reihen der ÖVP und FPÖ gehen und schauen, wie viele Kaugummis da unter den Bänken picken. Und dann schließen wir, Frau Kollegin Fekter, vielleicht da herinnen auch eine Erziehungsvereinbarung ab. (Abg. Dr. Fekter: Ja, das würde manchen Kollegen gut tun, besonders Kollegen Pilz und Öllinger!)

Nehmen Sie das, was Sie von Jugendlichen, von Kindern verlangen, doch auch für sich etwas ernst! Nehmen Sie das etwas ernst! Mehr verlange ich nicht, Frau Kollegin Fekter. (Beifall bei den Grünen.)

Ich meine, eine Erziehungsvereinbarung, die so tut, als ob Jugendliche gleichberechtigt wären, sie aber gleichzeitig ignoriert und sie nicht dazu animiert, dass sie selbsttätig in der Schule – so wie das schon gesagt wurde – auch Konflikte aufarbeiten, gemeinsam mit Lehrern, mit Eltern (Abg. Wochesländer: Das ist das, was geplant ist!), eine Erziehungsvereinbarung, die nicht dazu animiert, sondern verordnet und bei der die Jugendlichen, Schülerinnen und Schüler keine gleichberechtigten Partner sind, hat nichts in unseren Schulen zu suchen. Und es ist wirklich schwarze Pädagogik, die Sie da betreiben. (Beifall bei den Grünen.)

13.06

Präsident Dr. Werner Fasslabend: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Dr. Brinek. – Bitte.

13.06

Abgeordnete Dr. Gertrude Brinek (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Ich muss mich jetzt zügeln, damit ich nicht meine Redezeit verbrauche, um den Herrn Kollegen Öllinger zu korrigieren, aber so viel möchte ich schon sagen: Die wahrscheinlich marktfeindlichen Alt-68er haben mit dem amerikanischen Kaugummi ein Problem gehabt, aber nicht die Gruppen, die Sie jetzt genannt haben und bei denen Sie versuchen, ein Gesamtpolitikum daraus zu machen.

Zu Ihrer zweiten Bemerkung, die Peer-Groups seien nicht in die Erziehungsverantwortung, in den Erziehungsvertrag mit einbezogen. Was sind denn die Schulpartner, was sind denn die Schüler? Sie vertreten die Interessen der Gleichaltrigen, sprechen die Sprache der Gleichaltrigen und nehmen die Lebensweisen, die Sozialisationserfahrungen in diesen Vertrag mit hinein. Also Entschuldigung: Haben Sie mit einer repräsentativen Demokratie ein Problem, Herr Öllinger? (Abg. Dr. Fekter: Ja, hat er!) Die Vertreter der Schüler unterschreiben diesen Vertrag, und


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