Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 22

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über die Kompetenzen der Europäischen Union und der Nationalstaaten nicht nur nachdenken, sondern auch die Kompetenzen der Europäischen Union, die heute oft sehr weit gefasst sind, die manchmal Generalklauseln zu Gunsten der EU enthalten, enger fassen und damit zu einer klaren Aufgabenteilung zwischen EU und Nationalstaaten kommen. Das ist ganz entscheidend, und ich glaube, wir alle sollten uns darum bemühen, dass wir das bei der nächsten Vertragsreform erreichen.

Ich möchte einen letzten Punkt ansprechen: die Einbindung der nationalen Parlamente. Nationale Parlamentarier sind näher am Bürger als Europaparlamentarier, weil es weniger davon gibt. Nationale Parlamentarier haben auch ein besseres Feeling dafür, wo Bürger Ängste und Sorgen drücken, darum sollten wir ihnen auch eine Möglichkeit geben, im europäischen Prozess mitzubestimmen. Ich persönlich denke daran, dass wir auch eine Kommunikationsschiene zur Kommission legen müssen, etwa in Form eines Interpellationsrechts der nationalen Parlamentarier zur Kommission, damit Argumente, die vielleicht aus europäischer Sicht anders aussehen als aus österreichischer Sicht, unmittelbar vermittelt werden können.

Ich glaube, dass wir in Österreich auf einem guten Weg sind, denn dieser Dialog hat jetzt gut begonnen, und ich bin zuversichtlich, dass wir in dieser Art und Weise die Österreicher von diesem Erweiterungsprozess überzeugen können. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

9.15

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zur Abgabe einer Stellungnahme zum Gegenstand der Aktuellen Stunde gelangt der Herr Bundeskanzler zu Wort. Die Redezeit soll auch 10 Minuten nicht überschreiten. – Herr Bundeskanzler, Sie haben das Wort.

9.16

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Göteborg war aus österreichischer und auch aus europäischer Sicht ein guter, aber zugleich auch sehr beunruhigender Gipfel; beunruhigend deshalb, weil es zum ersten Mal, seit ich mit dabei bin – das sind jetzt auch schon 30 oder 35 europäische Gipfel –, in einem Ausmaß zu Ausschreitungen von EU-Gegnern, von Anti-Globalisierungs-Aktivisten gekommen ist, wie es sie in der jüngeren europäischen Geschichte noch nicht gegeben hat. Die Antwort darauf, meine Damen und Herren, kann nicht sein, dass sich Europa einbunkert, dass man sich in Sitzungssälen, hinter Stacheldraht und Polizeischildern verbirgt, sondern die Antwort darauf muss sein, dass man hinausgeht. Das erfordert aber auch einen Konsens derer, die für eine gute europäische Idee eintreten und auch klar zum Ausdruck bringen, dass Gewalt – in welcher Form auch immer, bei welchem Gipfel auch immer, ob in Göteborg, Salzburg oder Genua – nicht erwünscht ist, sondern von uns allen verurteilt wird. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Gipfel war gut, denn er hat die Zukunftsdiskussion Europas zum ersten Mal im Konsens auf eine offene Plattform gestellt. Es war eine nachhaltige Forderung aller vier Parlamentsparteien im österreichischen National- und Bundesrat, dass man zunächst, bevor es zu einer Regierungskonferenz kommt, in einer breiten Öffentlichkeit, in einer europäischen und nationalen Öffentlichkeit, die Themen, die für Europa wichtig sind, diskutiert. Dies ist in den Schlussfolgerungen festgehalten, und das scheint mir auch ein ganz wesentlicher Erfolg dieses Gipfels in Göteborg zu sein. Da hat sich eine österreichische Position gemeinsam mit anderen letztlich durchgesetzt, und das finde ich gut. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Göteborg war auch deshalb gut, weil das irische Referendum ernst genommen wurde. Es ist nicht angenehm, das habe ich auch hier schon einmal gesagt, aber den peinlichen Ausrutscher eines österreichischen Europaparlamentariers, der erklärt hat – wörtlich –: Dieser Volksentscheid Irlands ist das politisch wichtigste Ereignis seit dem Mauerfall 1989!, wollen wir am besten mit Schweigen übergehen. Gott sei Dank wurde dieser Ausrutscher in Europa nicht allzu sehr gehört. Ich hoffe, dass er in diesem Haus nicht auf Zustimmung stößt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Umso wichtiger wird die österreichische Antwort darauf sein: dass wir den Vertrag von Nizza – einem Konsens der österreichischen Parlamentarier folgend – zügig ratifizieren, denn dieser


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