2334/J XXII. GP
Eingelangt am 17.11.2004
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Dringliche Anfrage
gem. § 93 Abs. 1 GOG
der Abgeordneten Dr. Erwin Rasinger,
Barbara Rosenkranz
Kolleginnen und Kollegen
an die Frau Bundesministerin für Gesundheit
und Frauen
betreffend Sicherstellung einer erstklassigen Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen
Seit Wochen beherrscht die Diskussion über gesundheitspolitische Maßnahmen heimische und internationale Medien sowie die Bevölkerung. Gestern, Dienstag, hat der Ministerrat wichtige Weichenstellungen für die grundsätzlichen Ziele, künftigen Strukturen und deren Finanzierung beschlossen. Unabhängig von der bevorstehenden parlamentarischen Behandlung dieser Gesetzesvorlagen im Gesundheitsausschuss und im Plenum des Nationalrates soll durch diese dringliche Anfrage eine erste Erörterung des wichtigsten Reformpaketes im Bereich der Gesundheitspolitik seit Jahren erfolgen.
Gesundheitspolitik – und daher jede Form der Gesundheitsreform – darf sich nie allein auf die Frage von Kosten und Technik beschränken. Gesundheit bedeutet auch mehr als nur Abwesenheit von Krankheit. Die WHO definiert Gesundheit daher als Zustand eines vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur als das Freisein von Krankheit und Gebrechen.
Aufgabe des Gesundheitssystems ist es, die Menschen umfassend bei der Erhaltung ihrer Gesundheit zu unterstützen und im Krankheitsfall rasch und effektiv zu helfen. Es ist notwendig diese Vorgaben zu operationalisieren und ihre Erfüllung an konkret messbaren Fakten zu überprüfen.
Der notwendige technische Fortschritt und die Forschung in der Medizin, die Strukturreformen im Gesundheitswesen sowie die Diskussion über Gesundheitskosten verstellen uns den Blick nicht darauf, dass es letztlich um eine höhere Lebensqualität für den einzelnen geht. Wobei kranke Menschen selbstverständlich erwarten, dass ihre subjektiven Ängste und Sorgen ernstgenommen werden.
Der Wandel vom passiven zum aktiven Gesundheitsbegriff schließt ein, dass der einzelne für sein eigenes Wohlergehen auch selbst Mitverantwortung trägt. Zur künftigen Grundeinstellung gegenüber dem reinen Abrufen von medizinischen Leistungen gehört die persönliche Verantwortung zur gesunden Lebensführung und damit eine aktive Gesundheitsförderung. Moderne Gesundheitsförderung wird dabei darauf zielen, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen. Darüber hinaus sind auch entsprechende Vorsorgeprogramme anzubieten.
Ein wirksames und zeitgemäßes Gesundheitssystem für die Menschen wird vor allem zwei Dinge erfüllen müssen:
In diesem Verständnis ist Gesundheitsreform immer innerhalb von fünf konkreten Handlungsfeldern zu verstehen:
- Gesundheitsförderung
- Qualitätssicherung
- Innovationen
- Strukturreformen
- Finanzierung
Im internationalen Vergleich finanzieren wir eine auf höchstem Niveau stehende medizinische Versorgung: Wir haben im Hochtechnologiebereich mit 26,7 Computertomographen auf 100.000 Einwohner/innen einen echten Spitzenwert. Deutschland hat 13,3, die Schweiz 17,6 und die USA 12,8 auf jeweils 100.000 Einwohner im Einsatz.
Bei den Magnetresonanz-Tomographen ist es ganz ähnlich: Österreich hat 13, 4, Deutschland 5,5, die Schweiz 12,9 und die USA 8,2 im Einsatz.
Wir führen gemeinsam mit Spanien innerhalb der OECD die meisten Herztransplantationen durch, wir haben mit Abstand die meisten Lungentransplantationen und stehen bei den Lebertransplantationen an dritter Stelle.
Wir erhalten diese medizinische Spitzenversorgung zu einem relativ günstigen Preis: Mit knapp über 9 Prozent am BIP liegen wir innerhalb der OECD im Mittelfeld des Benchmark-Vergleichs. Eine nachhaltige Gesundheitspolitik verlangt, dass man im Interesse der Patienten zur langfristigen Sicherstellung der Versorgung rechtzeitig Koteneinsparungspotentiale erkennt und Kosten dämpfende Maßnahmen setzt.
Wir sind aber in der Komplexizität der
Planung und Finanzierung unserer beiden Säulen - der extra- und intramuralen
Versorgung – mit Sicherheit Weltmeister: Österreich unterscheidet sich in
diesem zentralen Punkt von anderen Gesundheitssystemen:
·
Bei
uns wird das Angebot des niedergelassenen Bereichs durch die soziale
Krankenversicherung gesteuert und finanziert.
·
Der
intramurale Bereich hingegen ist im Rahmen der Krankenanstaltenfinanzierung
weitgehend den Ländern übertragen, die dafür Gelder der Sozialversicherung, des
Bundes, der Länder und Gemeinden aufwenden.
Alle wissenden
Expert/innen stimmen darüber ein, dass genau diese Situation zu einem Dualismus
im System geführt hat, das heißt, der intra- und extramurale Bereich haben
divergente Interessenslagen entwickelt, womit sich auch die Angebotsdichte
auseinander entwickelt hat. Der zentrale Schwachpunkt des Systems ist die Doppelgleisigkeit in
der Versorgung.
Die
Finanzierung einer der beiden Säulen des Gesundheitssystems ist vertraglich
zwischen Bund und Ländern geregelt. Diese bisher geltende Vereinbarung gemäß
Art. 15a B-VG über die Neustrukturierung des Gesundheitswesens und der
Krankenanstaltenfinanzierung tritt mit 31. Dezember 2004 außer Kraft. Bei
keiner Einigung zwischen Bund und Ländern wäre die Rechtslage zum 31. Dezember
1977 am 1. Jänner 2005 in Kraft getreten. Das wäre mit massiven
Verschlechterungen für die Patientinnen und Patienten verbunden.
Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesministerin für Gesundheit und Frauen nachstehende
Anfrage:
In formeller Hinsicht wird gem. § 93 Abs. 1
GOG verlangt, diese Anfrage vor Eingang in die Tagesordnung dringlich zu
behandeln und dem Erstunterzeichner Gelegenheit zur Begründung zu geben.