Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 5. Sitzung / Seite 145

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Sie schreiben in Ihrer Anfragebeantwortung auch, dass die Forderungslisten von der Euro­päischen Kommission auf Basis ihrer Kontakte zur Öffentlichkeit, zur europäischen Dienst­leistungsindustrie und so weiter, konzipiert wurden. Wissen Sie, wie diese „Kontakte zur Öf­fentlichkeit“ ausgesehen haben? – Kommissar Lamy hat im November oder Dezember dazu aufgerufen, dass Anregungen per Mail oder per Post an die Kommission geschickt werden sollen, und danach hat die Kommission entschieden, was in die Forderungslisten aufgenommen wird und was nicht.

Die Einbindung der Öffentlichkeit stelle ich mir aber etwas anders vor, als dass einfach Mails geschickt werden und dann entschieden wird, was hineinkommt und was nicht. Das ist nicht die Art und Weise, wie öffentlich informiert werden soll, Herr Minister!

Sie geben in Ihrer Anfragebeantwortung auch bekannt, Sie hätten durchgesetzt, dass die EU den Zugang zu der Ressource Wasser, die Privatisierung der Wasserversorgung, den grenz­überschreitenden Transport von Wasser, explizit ausnehmen soll, dass das auch tatsächlich so sein wird.  Das mag stimmen, aber wissen Sie, was andererseits mittlerweile passiert ist? – Die EU hat zwar gesagt, für den eigenen Bereich werde sie das nicht anbieten, sie möchte aber ihrerseits diese Liberalisierung von den Entwicklungsländern, die sollen liberalisieren.

Im britischen „Guardian“ stand erst vor wenigen Tagen, die EU verlange zum Beispiel, dass Bolivien ausländische Wasserfirmen und -konzerne ins Land lassen soll – ein Land, in dessen größter Stadt es erst vor kurzem einen öffentlichen Aufruhr und Widerstand gegeben hat, da dort die Wasserpreise um 200 Prozent gestiegen sind, weil dort schon eine ausländische Firma war; eines der ärmsten Länder der Welt, Herr Minister!

Das verlangt die EU jetzt von zahlreichen Ländern! Und da sagen Sie uns, Sie wollen das nicht im Parlament diskutieren und Sie schließen sich allem an, was die Europäische Kommission vorhat?

Herr Minister! Sie bekommen diesbezüglich nicht nur von Seiten der Grünen Kritik. Sie erhalten sie auch in Ihren eigenen Reihen. Erst letzte Woche stand in der Wiener Stadtzeitung „Falter“ ein langer Artikel über Engerwitzdorf in Oberösterreich, wo der ÖVP-Bürgermeister dieses Ortes den Aufruf der „Stoppt GATS“-Kampagne mit unterzeichnet und an Sie geschickt hat. Er sagt nämlich: Wir Gemeindepolitiker haben eben das Ohr dort, wo man hört, was die Bürger denken.

Herr Minister! Sie und andere sagen immer: Keine Panikmache, es ist alles in Ordnung, wir tun eh nichts, was die Daseinsvorsorge irgendwie in Gefahr bringen könnte! – Herr Minister! Wenn es tatsächlich so ist, dann machen Sie es öffentlich! Diskutieren Sie öffentlich hier im Parla­ment darüber! Dann sollen die Entscheidungen hier getroffen werden und nicht einfach von der Europäischen Kommission ohne Einbindung der Parlamente. Diese Entscheidungen haben hier stattzufinden, denn sie betreffen die Menschen in diesem Land, in der EU und auch in anderen Ländern der Welt. Diese Einbindung fordern wir! (Beifall bei den Grünen.)

17.52


Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Zu Wort gelangt nunmehr Herr Bundesminister Dr. Bartenstein. – Bitte, Herr Bundesminister.

17.53


Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Dr. Martin Bartenstein: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Lunacek, Ihre einleitenden Sätze waren aus meiner Sicht in vielem eine klare Befürwortung von GATS und dem Interesse Österreichs, aber auch dem Interesse der Entwicklungsländer, Dienstleistungen weiter zu liberalisieren. (Abg. Mag. Lunacek: Das interpretieren aber Sie!)

Sie haben gesagt, dass in den OECD-Ländern – und Österreich liegt diesbezüglich ziemlich genau im Schnitt – 65 Prozent des Bruttoinlandsproduktes mit Dienstleistungen erwirtschaftet werden, in den Entwicklungsländern aber erst 38 Prozent. Es ist natürlich die Liberalisierung von Dienst­leistungen im Sinne von GATS auch ein Weg, den Dienstleistungsanteil und damit die Wert­schöpfung in Entwicklungsländern zu erhöhen. Genau das ist ja ein Grund dafür, dass


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