Nationalrat, XXII.GP Stenographisches Protokoll 9. Sitzung / Seite 14

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Keine Sekunde lang kann man sich das vorstellen. (Abg. Dr. Stummvoll: Bei uns spaltet sich niemand ab!) Ich sehe Ihren Gesichtern ja an, dass Sie mir diesbezüglich zustimmen. Das ist undenkbar! Genau das, meine Damen und Herren von der ÖVP, zeigt die Willkür bei dieser Entscheidung.

Drittens: Der österreichische Verfassungsgerichtshof, Herr Molterer von der ÖVP, betrachtet meiner Meinung nach zu Recht diese Spielerei mit Kurzbezeichnungen keineswegs als preis­werte Unterhaltung von Krähwinkler – sagen wir es so – ÖVP-Funktionären, sondern als eine ernste Sache. (Abg. Scheibner: Von wo sind die?) Ich empfehle Ihnen dringend, die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage nachzulesen. Dieser geht eindeutig und nach­vollziehbar davon aus, dass freie Wahlen, die den so genannten wahren Wählerwillen erkennen lassen sollen, voraussetzen, dass eine Verwechselbarkeit von politischen Parteien nicht besteht, nicht bestehen darf.

Dazu gibt es einschlägige Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes sowohl zu den Langbe­zeichnungen als auch zu den Kurzbezeichnungen der Parteien.

Meine Damen und Herren! Der Verfassungsgerichtshof hat in solchen Fragen schon in weniger heiklen Fällen zugunsten einer Aufhebung von Wahlen entschieden. Wir streben eine Anfech­tung der Wahl und eine anschließende Aufhebung nicht an, überhaupt nicht. (Abg. Dr. Stumm­voll: Sie hätten auch keine Chance! Sehr klug!) Aber die Volkspartei und die FPÖ scheinen es darauf anzulegen, und das ist meiner Meinung nach ein unwürdiges Verhalten in einer funktio­nierenden Demokratie. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Mich würde interessieren, worin Sie in dem Antrag, den die Grünen heute eingebracht haben, Probleme sehen.

Wir würden ersuchen, über Folgendes zu diskutieren: Der Verfassungsgerichtshof möge eine Art Recht erhalten, so etwas Ähnliches wie eine Einstweilige Verfügung schon im Vorfeld einer Wahl erlassen zu können, um nicht erst im Nachhinein tätig werden zu müssen, wenn es zu spät ist, wenn es zu einer Anfechtung und zu einer Aufhebung von Wahlen kommt. Im Zivilbe­reich ist so etwas schon längst üblich: Wenn ein Unternehmer auf die Idee kommt, ein Coca- Cola-ähnliches Getränk anzubieten, und auf die Etikette „Koca Kola“ – mit zwei K – schreibt, dann hat er binnen Sekunden eine Millionenklage am Hals. (Abg. Scheibner: Sie machen aber eine ordentliche Werbung!) Nur politische Parteien sollen sich den genau analogen Fall gefallen lassen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Molterer.) – Sehr lustig, Herr Kollege Molterer!

Wir schlagen weiters vor, dass die Nationalrats-Wahlordnung in mehreren Punkten klarer ge­fasst wird beziehungsweise geändert wird. Erstens muss es eine Regelung geben, die die Ver­wechselbar­keit von politischen Parteien ausschließt. Zweitens halten wir es für überflüssig, dass drei Abge­ordnete für andere politische Parteien Unterschriften abgeben und abgeben können. Das führt nur zu takti­schem Missbrauch, wie insbesondere jetzt der Fall Niederösterreich wieder zeigt. Drittens regen wir an, dass die Landtage mittels eines Bundesverfassungsgesetzes ange­halten werden, ihre Wahlordnungen entsprechend dieser Regelung klarer zu fassen, damit derartige Vorgangswei­sen wenigstens in Zukunft nicht mehr vorkommen können, wenn sie auch für dieses Mal nicht mehr verhinderbar sind.

Ich glaube, meine Damen und Herren, insbesondere jene von der ÖVP, es gibt hier einen demokratiepolitischen Handlungsbedarf, und ich ersuche Sie sehr, unsere Bedenken ernst zu nehmen und diesem Dringlichen Antrag heute zuzustimmen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerk­samkeit. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

14.52


Präsident Dr. Andreas Khol: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel zu Wort gemeldet. Seine Redezeit soll 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Bundeskanzler.

14.52


Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Professor Van der Bellen, Sie haben heute einen Dringlichen Antrag eingebracht,


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