473 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP

 

Bericht

des Umweltausschusses

über die Regierungsvorlage (416 der Beilagen): Protokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz

Das Protokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz hat  gesetzändernden und  gesetzesergänzenden Charakter und bedarf daher gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG der Genehmigung durch den Nationalrat. Es enthält keine verfassungsändernden oder verfassungsergänzenden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen  Rechtsbereich zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Da durch das Protokoll keine Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG.

Das Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz, BGBl. Nr. 565/1990 idF BGBl. III Nr. 123/1997, regelt den Austausch von Informationen und Erfahrungen über nukleare Sicherheit und Strahlenschutz.

Zur Angleichung an die neuen staatspolitischen Gegebenheiten (Tschechische Republik statt CSSR) sowie in Umsetzung der Zielsetzungen der Präambel des Abkommens zwischen Österreich und der Tschechischen Republik betreffend Schlussfolgerungen des Melker Prozesses und Follow-up, BGBl. III Nr. 266/2001, dem sog. „Brüsseler Abkommen“, bei dem es sich ebenso wie beim Nuklearinformationsabkommen um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag handelt, stimmten die Tschechische Republik und Österreich überein, Expertengespräche zur Änderung des bilateralen Abkommens abzuhalten.

Diese seit 2002 geführten Expertengespräche mit der Tschechischen Republik konnten Anfang 2006 mit der Paraphierung des  Protokolls zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz abgeschlossen werden. Im Rahmen der Verhandlungen verfolgte Österreich das Ziel, den Informationsaustausch über nukleare Sicherheit und Strahlenschutz zu verbessern.

Die wichtigsten Änderungen, die durch das Protokoll in das Abkommen aufgenommen werden, sind:

Ausweitung der Informationspflicht auf Ereignisse, bei denen es notwendig ist, dem Informationsbedürfnis der Bevölkerung einer der Vertragsparteien Rechnung zu tragen, sowie Berechtigung, von der anderen Vertragspartei weitere Erläuterungen und ergänzende Informationen zu verlangen,

Zusammenarbeit im Bereich des Notfallschutzes,

Anpassung des regelmäßigen und automatischen Datenaustausches von Messwerten der automatischen Messnetze zur Radioaktivitätsüberwachung und von Ergebnissen der Entscheidungshilfesysteme zur Prognose der Ausbreitung radioaktiv kontaminierter Luftmassen an den Stand der technischen Entwicklung,

erhebliche Erweiterung des Informationsaustausches über Kernanlagen durch ausdrückliche Einbeziehung großer Veränderungen (Leistungssteigerung, Erneuerung oder Erweiterung der Betriebsbewilligung) sowie von Stilllegung und Rückbau von Kernanlagen,

Schaffung einer Rechtsgrundlage für umfangreiche Konsultationen in Einzelfällen.

Hingegen konnte die Streitbeilegungsbestimmung des bestehenden Abkommens (Art. 11) trotz nachhaltiger österreichischer Bemühungen nicht verbessert werden.

 

Der Staatsvertrag ist in deutscher, englischer und tschechischer Sprache abgefasst, wobei jeder Text gleichermaßen authentisch ist.

 

Der Umweltausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 04. März 2008 in Verhandlung genommen. An der Debatte beteiligten sich außer der Berichterstatterin Abgeordnete Petra Bayr die Abgeordneten Karlheinz Kopf, Werner Neubauer, Walter Schopf, Veit Schalle, Dr. Ruperta Lichtenecker, Lutz Weinzinger sowie der Bundesminister Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll.

 

Bei der Abstimmung wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

 

Ein von den Abgeordneten Karlheinz Kopf und Petra Bayr eingebrachter Entschließungsantrag betreffend das KKW Temelín in der Tschechischen Republik wurde mit Stimmenmehrheit beschlossen. Diesem Antrag war folgende Begründung beigegeben:

„ Am 14. Dezember 2006 wurde mit Zustimmung aller Parteien die Entschließung 24 A/(E) betreffend Kollaudierung des tschechischen AKW Temelin angenommen, mit der die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ersucht wurden

-       an die Regierung der Tschechischen Republik als Vertragspartnerin des Melker Protokolls heranzutreten und einzufordern, dass mit der erfolgten Kollaudierung umgehend der Nachweis der Umsetzung aller offenen Sicherheitsmaßnahmen betreffend das AKW Temelin wie im Anhang I (BGBl. 2001/266) festgelegt, erbracht wird,

-       umgehend alle verfügbaren internationalen Rechtsschritte, insbesondere eine Völkerrechtsklage gegen die Tschechische Republik wegen Bruchs des zwischen der Tschechischen Republik und der Republik Österreich geschlossenen internationalen und völkerrechtlich verbindlichen Vertrages (Melker Protokoll - Brüsseler Fassung) einzuleiten, sollte dieser Nachweis durch die Tschechische Republik nicht umgehend erbracht werden können.

Am 21. März 2007 wurde in einer parlamentarischen Temelín-Konferenz der Stand der Umsetzung der Sicherheitsmaßnahmen von österreichischen Experten präsentiert. Weiters haben die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung zahlreiche Initiativen ergriffen, um von tschechischer Seite den Nachweis der Umsetzung aller offenen Sicherheitsmaßnahmen zu erhalten. Diese Bemühungen waren nicht erfolgreich.

Schließlich hat die Bundesregierung am 16. Mai 2007 u.a. beschlossen,

-       wie im Gutachten [Stellungnahme des Verfassungsdienstes und des Völkerrechtsbüros hinsichtlich völkerrechtlicher Möglichkeiten im Hinblick auf eine allfällige Nichterfüllung der im Anhang 1 der Vereinbarung von Brüssel enthaltenen Ziele durch die Tschechische Republik] festgehalten, die notwendigen weiteren Schritte einzuleiten. In diesem Zusammenhang wolle sie angesichts der staatspolitischen Relevanz des Themas den Bundeskanzler und den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft beauftragen, der Tschechischen Republik in einer klaren und unmissverständlichen Aussage mitzuteilen, dass die tschechische Seite ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht erfüllt.

-       die zwischen den beiden Parlamenten eingerichtete Kommission bei der Bewertung des Standes der Umsetzung der im Anhang 1 der Vereinbarung von Brüssel angeführten Sicherheitsmaßnahmen für das KKW Temelin zu unterstützen.

Erwähnte Mitteilung erfolgte mit gemeinsamem Schreiben von Bundeskanzler Gusenbauer und Umweltminister Pröll an Prime Minister Topolánek am 4. Juni 2007. Das diesem Schreiben angeschlossene technische Dokument führt auch jene Punkte an, die zum Zeitpunkt der Kollaudierung (=kommerziellen Inbetriebnahme) im November 2006 noch nicht vollständig erfüllt waren, auch wenn deren vollständige Erfüllung im Juni 2007 absehbar war.

Die Tschechische Republik hat dann mit gemeinsamem Schreiben vom Prime Minister Topolánek und Außenminister Schwarzenberg am 3. Juli 2007 eine Fachstellungnahme aus tschechischer Sicht übermittelt. Die „Materialien“ beider Seiten bilden die Diskussionsgrundlage für die gemischte parlamentarische Kommission.

Die Kommission nahm im Juli 2007 ihre Tätigkeit auf und hat bislang dreimal getagt. Gegenstand der gemischten parlamentarischen Kommission ist eine aktuelle Bewertung des Standes der Umsetzung der im Anhang I zur „Vereinbarung von Brüssel“ angeführten Sicherheitsmaßnahmen für das KKW Temelín. Die erste Tagung dieser Kommission hat am 11. Juli 2007 in Prag stattgefunden. Bei der zweiten Tagung am 17./18. September 2007 in Wien wurden Experten beider Seiten zu allen Punkten des Anhang I zur „Vereinbarung von Brüssel“ angehört. Auf Grund der Berichte der Experten meinte die Kommission, sich mit insgesamt vier Punkten nicht weiter beschäftigen zu müssen. Zu zwei Punkten schlug sie Treffen auf Expertenebene vor. Diese beiden Expertentreffen (Workshops) haben im November 2007 stattgefunden.

Bei ihrem dritten Treffen, das am 17. Dezember 2007 in Česky Budejovice stattgefunden hat, begrüßte die Kommission die Fortschritte, die bei den Expertentreffen erzielt wurden. Auf Basis dieser Fortschritte schlug sie zwei weitere Treffen auf Expertenebene zu den beiden umstrittensten Punkten vor. Diese Expertentreffen finden in diesen Tagen statt. Die Kommission selbst wird ihr viertes Treffen voraussichtlich Ende Mai 2008 abhalten. Die bisher erzielten Ergebnisse rechtfertigen die Einsetzung dieser gemischten parlamentarischen Kommission. Allerdings hat sich die Tschechische Republik bislang nicht zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit der „Vereinbarung von Brüssel“ bekannt.“

 

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Umweltausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

1.      Der Abschluss des Staatsvertrages: Protokoll zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechischen Republik zur Änderung des Abkommens zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung von Fragen gemeinsamen Interesses im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit und dem Strahlenschutz (416 der Beilagen) wird genehmigt.

2.      Die angeschlossene Entschließung wird angenommen.

Wien, 2008-03-04

                                     Petra Bayr                                                         Dr. Eva Glawischnig-Piesczek

                                 Berichterstatterin                                                                           Obfrau