9/SBI XXIII. GP
Eingebracht am 25.10.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
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Stellungnahme zu Bürgerinitiative

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Parlamentsdirektion
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1017 Wien
Wien, am 16.10.2007
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17020.0025/18-L1.3/2007 BMLFUW- Renate Schmidl
LE.4.2.6/0110-1/3/2007 6653
Ressortstellungnahme zur Bürgerinitiative Nr. 12
Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erlaubt
sich zur Bürgerinitiative Nr. 12 nachfolgende Stellungnahme zu übermitteln:
Der derzeit geltenden Rechtslage nach § 33 Abs. 1 und 3 des Forstgesetzes 1975, wonach jede über das „Betreten und Aufenthalten zu Erholungszwecken" hinausgehende Benutzung des Waldes, wie auch das Befahren mit Fahrrädern der Forststraßen bzw. -wege, an die Zustimmung des Waldeigentümers gebunden ist, liegt die Intention des Gesetzgebers zugrunde, in gleicher Weise sowohl der Erholungsfunktion des Waldes Geltung zu verschaffen als auch Eingriffe in das Waldeigentum und Bewirtschaftungsbeeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten.
Eine gesetzliche und damit generelle Öffnung der Forststraßen bzw. -wege zu dem in der vor- liegenden Bürgerinitiative angesprochenen Zweck oder für Radfahrer schlechthin, unabhängig von der Zustimmung der betroffenen Waldeigentümer, erscheint nicht geeignet, einen anzustrebenden, ausgewogenen und damit gerechten Ausgleich der Interessen der Beteiligten, wie insbesondere den Waldeigentümern bzw. Wegehaltern und Radfahrern aber auch anderen Erholungsnutzer des Waldes (z.B. Wanderer) sowie des Tourismus und der Ökologie herbei- zuführen.
Denn die gesetzliche Verpflichtung der Waldeigentümer zur Duldung des Radfahrens auf Forststraßen - somit die Ausweitung der derzeit auf das „Betreten und Aufenthalten zu Erholung" beschränkten Legalservitut - würde nicht nur eine weitere Einschränkung des Eigentumsrechtes bedeuten, sondern darüber hinaus zu einer einseitigen Abwälzung der damit verbundenen Nachteile auf die Waldeigentümer führen.
Im Besonderen ist in diesem Zusammenhang das zivilrechtliche Haftungsrisiko durch die nach § 176 Abs. 4 ForstG auch für Forststraßen geltende Wegehalterhaftung gemäß § 1319a ABGB hervorzuheben. Demnach ist der Halter eines Weges - und damit auch der Halter einer Forststraße - für den ordnungsgemäßen Zustand verantwortlich (Verkehrssicherungspflicht) und kann für alle Schäden haftbar gemacht werden, die aus dem mangelhaften Straßenzustand resultieren, sofern dem Wegehalter Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Ebenso haften der Waldeigentümer, sonstige an der Waldbewirtschaftung mitwirkende Personen und deren Leute auch für Schäden auf Wegen, die durch den Zustand des danebenliegenden Waldes verursacht werden.
In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich bei Forstwegen um forstbetriebliche Einrichtungen handelt. Demzufolge ist davon auszugehen, dass deren Zustand entsprechend den forstgesetzlichen Bestimmungen der §§ 59 und 60 ForstG (nur) auf die Erfordernisse der forstlichen Bewirtschaftung ausgerichtet ist und keinen für ein gefahrloses Radfahren erforderlichen Zustand aufweist. Aufgrund der den Waldeigentümer treffenden Verkehrssicherungspflicht müssten daher vor einer Freigabe der Forststraßen diese erst in einen radfahrgerechten Zustand gebracht und auch in einem solchen erhalten werden. Dies und die zusätzlichen Bewirtschaftungserschwernisse (Einschränkungen bei der Fällung, Bringung und Lagerung des Holzes, Absicherungsmaßnahmen) würden vielfach zu einer deutlichen Erhöhung der Betriebskosten und zu erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen für die Waldeigentümer führen.
Im Zuge der Bemühungen des BMLFUW nach einer sachgerechten Lösung des Themas Rad- fahren im Wald wurde auch das Bundesministerium für Justiz mit der Frage konfrontiert, in- wieweit die Frage der Wegehalterhaftung in Bezug auf das Radfahren auf Forststraßen einer besonderen, den Waldeigentümer entlastenden Regelung zugeführt werden kann. Die diesbezüglichen Gespräche mit Vertretern dieses Ressorts haben zu dem Ergebnis geführt, dass die Schaffung einer derartigen Sonderregelung für Forststraßen nicht möglich sei, da dies zum einen den haftungsrechtlichen Grundsätzen des Schadenersatzrechts widerspreche und zum anderen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht im Hinblick auf den Gleichheitssatz bedenklich
sei. Als weiteres Argument wurde ins Treffen geführt, dass die Wegehalterhaftung nach § 1319a ABGB ohnehin schon eine Erleichterung zugunsten des Wegehalters dadurch vorsehe, als im Gegensatz zum allgemeinen Schadenersatzrecht für „leichte Fahrlässigkeit" ohnehin nicht gehaftet werde.
Neben dem Haftungsrisiko als Wegehalter besteht dieses für den Waldeigentümer bzw. der an der Waldbewirtschaftung mitwirkenden Personen auch bei Unfällen, die sich aus dem Neben- einander von Wirtschafts- und Fahrradverkehr ergeben können. Die Straßenverkehrsordnung gilt auch auf Forststraßen und dieses Schutzgesetz bedingt, dass die Beweislast den Schädiger und nicht den Geschädigten trifft (Beweislastumkehr). Demnach wäre mit der gesetzlichen Freigabe der Forststraßen zum Radfahren eine beträchtliche Erweiterung des Haftungsrisikos der Wegehalter bzw. Waldeigentümer verbunden.
Ein entscheidender Nachteil einer gesetzlichen Öffnung der Forststraßen bzw. -wege zum Mountainbiken oder Radfahren liegt auch in seiner generellen Wirkung. Es würden alle Forst- straßen bzw. -wege ohne Rücksicht auf ihre Eignung einbezogen, sodass sich das besagte Haftungsrisiko der Waldeigentümer bzw. Wegehalter sowohl auf Grund des vielfach untauglichen Wegezustands und des auf diesen Wegen erfolgenden Wirtschaftsverkehrs beträchtlich erhöhen würde. Zudem würden zwischen den verschieden im Wald Erholung suchenden Gruppen, wie etwa Radfahrern und Fußgängern, bei einer nicht vom Waldeigentümer bzw. Wegehalter ordenbaren, undifferenzierten Erholungsnutzung des Waldes, Konflikte bzw. Un- fälle und daraus folgende Streitfälle provoziert.
In diesem Zusammenhang ist auch die Argumentation des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 27.2.1992, Slg. Nr. 12998, anzuführen, wonach es nicht unsachlich sei, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmungen des § 33 Abs. 1 und 3 ForstG der Erholungsnutzung des Waldes Geltung verschaffen wollte, aber die Beschränkung des Waldeigentums, wie durch die Nichtöffnung der Forststraßen zum Radfahren (einschließlich der so genannten Mountainbikes laut VwGH 30.4.1992, 92/10/0072; OGH 29.8.1995, 1 Ob 625/94), so gering wie möglich halte.
Auch das Anliegen des Gesetzgebers, die Erweiterung der Haftung des Wegehalters zu vermeiden, sei ein Grund für die sachliche Rechtfertigung dieser Bestimmungen.
Weiters sei dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn dieser auch das Ziel im Auge habe, den Erholungswert des Waldes insgesamt möglichst hoch zu halten und durch adäquate Mittel, wie etwa des generellen Ausschlusses der Radfahrer von der Benützung von Forststraßen, eine gegenseitige Beeinträchtigung der verschiedenen Gruppen von (potentiellen) Forststraßenbenützern (etwa Fußwanderer, Radfahrer) vermeide.
Zudem ist aus ökologischen Gründen eine gesetzliche bzw. allgemeine Öffnung der Forstwege zum Radfahren abzulehnen. Nur durch eine Lenkung des Freizeitverkehrs („sanfter Tourismus") können Störungen und Beeinträchtigungen der natürlichen Ressourcen, insbesondere der Tierwelt, vermieden oder auf ein umweltverträgliches Maß reduziert werden. Insofern ist auch auf die bekannte Tatsache, dass durch die Beunruhigung des Wildes, welche auf Grund der schnelleren und damit überraschenden Annäherung der Radfahrer und den daraus folgenden größeren Fluchtdistanzen, durch den Radfahrverkehr in erhöhtem Maße gegeben ist, vermehrte Wildschäden am Wald verursacht werden.
Somit würde der von der gegenständlichen Bürgerinitiative angestrebte Lösungsansatz einer im Interesse der Waldeigentümer, der verschiedenen Gruppen der im Wald Erholungssuchenden, der Ökologie aber auch des Tourismus unbedingt anzustrebenden sinnvollen Lenkung der Freizeitnutzungen zuwiderlaufen.
Eine sachgerechte, partnerschaftliche und faire Lösung des Problems wurde durch das auf Initiative des BMLFUW entwickelte „Vertragsmodell" bereits gefunden. Mit diesem ist es möglich geworden, eine einseitige wirtschaftliche und rechtliche Belastung der Waldeigentümer hintanzuhalten und darüber hinaus eine individuelle, den jeweiligen regionalen Verhältnissen und Besonderheiten gerecht werdende Lösung anzubieten. Durch diesen erfolgreichen Weg, werden schon derzeit ca. 20.000 km (überwiegend im Wald verlaufende) Mountainbikewege in Österreich zur Verfügung gestellt, hievon von der Österreichischen Bundesforste AG mehr als 2200 km. Die Anzahl der insofern dem Radfahrverkehr geöffneten Forstwege ist weiter im Steigen begriffen. Dem Begehren der Tourismuswirtschaft bzw. des Radsportes wird somit im hohen Maß, dies bei Berücksichtigung auch der Interessen der anderen Beteiligten, nachgekommen, und das Urlaubsland Österreich wird laut Umfragen der Österreich-Werbung von den Radurlaubern (samt den Mountainbikern) als insgesamt sehr positiv wahrgenommen.
Dieser partnerschaftliche, den verschiedenen angeführten Zielsetzungen gerecht werdende Lösungsansatz, welcher in der Regel mit entsprechenden Haftpflichtversicherungen verbun-
den ist, sollte fortgesetzt werden. Auf diese Weise werden von allen Beteiligten akzeptierte Radwege und ein entsprechend professionelles Angebot (z.B. durch einheitliche Beschilderung und zweckmäßiges Marketing) an die Radfahrer ermöglicht. Damit wird insbesondere auch der Entschließung des Nationalrates vom 31.1.2002 (954 d.B., XXI. GP) entsprochen.
Auch die Verknüpfung einer gesetzlichen Freigabe von Forststraßen für das Radfahren mit der Frage der Förderung kann einer sachlichen und seriösen Beurteilung dieser Problematik nicht standhalten. Denn dass im Rahmen der forstlichen Förderung zugunsten des Forststraßenbaus öffentliche Finanzmittel eingesetzt werden, ist die logische Konsequenz aus dem Umstand, dass mit der forstlichen Förderung im öffentlichen Interesse gelegene und im Forstgesetz ausdrücklich verankerte Ziele verfolgt werden. Dies sind insbesondere die Erhaltung und Verbesserung der Wirkungen des Waldes sowie die Verbesserung der Betriebsstruktur, der Produktivität und der Produktionskraft der Forstwirtschaft zur Sicherstellung der Holzversorgung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Forstwirtschaft. Dass die Erreichung dieser Ziele natürlich auch das Vorhandensein entsprechender betrieblicher Einrichtungen und Anlagen - ausschließlich als solches sind Forststraßen definiert und auch ausgestaltet - voraussetzt, kann wohl außer Streit gestellt werden.
Gesetzliches Förderungsziel ist es jedenfalls nicht, „Allgemeingebrauch" an geförderten forstlichen Betriebseinrichtungen zu begründen. Dies sollte im Hinblick auf die Forstwirtschaft in gleichem Maße akzeptiert werden, wie dies beispielsweise bei Förderungen zugunsten der gewerblichen Wirtschaft, der Industrie oder kultureller Angelegenheiten ganz selbstverständlich der Fall ist.
Die Forderung der gegenständlichen Bürgerinitiative ist somit aus Sicht des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft abzulehnen.
Für den Bundesminister: Dr. Franz Jäger
Eletronisch gefertigt.