Bundesministerium für

Wirtschaft und Arbeit

Stubenring 1

1011 Wien

 

 

 

 

 

 

 

Ihr Zeichen

Unser Zeichen

Bearbeiter/in                   

Tel

501 65

Fax

Datum

33.500/0004-I/7/2007

SP-GSt

Mag Schneller

DW  2419

DW 2478

27.02.2007

 

 

 

 

 

 


Entwurf eines Bundesgesetzes,

mit dem das Öffnungszeitengesetz 2003 geändert wird

 

Die Bundesarbeitskammer (BAK) nimmt zu obigem Gesetzesentwurf wie folgt Stellung.

 

Die grundsätzliche Position der BAK:

 

Die BAK bekennt sich voll und ganz zu der Einigung der Sozialpartner im Papier „Wachstum und Vollbeschäftigung“ (Dezember 2006), wonach eine wöchentliche Gesamtzeit der Ladenöffnung von 72 Stunden (durch Ausnahmeregelungen der Landeshauptleute auf 66 Stunden reduzierbar) in Kombination mit einem Nahversorgungssicherungspaket vorgesehen ist.

 

Insoferne kann die BAK der geplanten Ausweitung des Öffnungszeitenrahmens auf 72 Stunden pro Woche grundsätzlich zustimmen, verlangt jedoch die Integration einer solchen Regelung in einen größeren arbeitsweltbezogenen Gesamtzusammenhang: Die Novellierung des Öffnungszeitengesetzes sollte zusammen mit gesetzlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des organisierten Sozialbetruges, mit der Modernisierung des Arbeitszeitrechts einschließlich des gesetzlich fixierten Zuschlags für Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten und mit der umfassenden sozialen Absicherung der freien DienstnehmerInnen nach entsprechender Begutachtung der parlamentarischen Behandlung zugeführt werden. Zusätzlich sollten der von der Bundesregierung gewünschte Generalkollektivvertrag über 1.000,- € Mindestlohn (samt Begleitregelungen für die von einem Generalkollektivvertrag nicht erfassbaren Branchen) und kollektivvertragliche Begleitregelungen erweiterter Ladenöffnungszeiten zugunsten der Beschäftigten im Handel Bestandteil eines solchen gleichsam zwischen Arbeit und Wirtschaft vertrauensbildenden Pakets sein. Die Verankerung der Erweiterung der Ladenöffnungszeiten in einen solchen größeren Kontext erscheint auch dahingehend stimmig, als sie nach dem Regierungsprogramm erst mit 1.1.2008 in Kraft treten soll, also genügend Zeit für die geforderte umfassendere Behandlung wichtiger Arbeitsweltthemen vorhanden ist.

 

Zusätzlich wird die geplante Beseitigung der jetzt geltenden Ermächtigung der Landeshauptleute kritisiert, den gesetzlichen Öffnungsrahmen an den Abenden von Montag bis Freitag bis 21:00 Uhr zu verkürzen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die schwierige Situation von im Handel beschäftigten Frauen und Männern mit Betreuungspflichten zu verweisen, die bei einer systematischen Ladenöffnung bis 21:00 Uhr vor schwere Probleme im Zusammenhang mit diesen Betreuungspflichten und dem Aufrechterhalten des Familienlebens insgesamt gestellt würden. Den Landeshauptleuten ihre regulatorischen Möglichkeiten in Abwägung der regionalen Einkaufsbedürfnisse auf der einen Seite und des Kinderbetreuungsangebots, der Verkehrsverbindungen, der öffentlichen Sicherheit und der regionalen Lebensgewohnheiten der Handelsbeschäftigten und ihrer Familien auf der anderen Seite zu nehmen, erscheint nicht zielführend, und zwar umso weniger als auch noch keine begleitende kollektivvertragliche Berücksichtigung der genannten Problemlagen vorliegt.


Zu den Rahmenbedingungen und Begleitmaßnahmen für eine Ausdehnung der Gesamtoffenhaltezeit im Einzelnen:

 

Abgesehen von der in der grundlegenden Positionierung geforderten Einbettung der Öffnungszeitengesetznovelle in das dort dargestellte größere arbeitsweltbezogene Gesamtpaket führt die BAK zu den unmittelbar ladenöffnungsbezogenen Rahmenbedingungen folgendes aus.

 

1. Beibehalten der VO-Kompetenz nach § 4 Abs 2 ÖZG 2003 (Festsetzung eines engeren Öffnungszeitrahmens an den einzelnen Wochentagen)

 

Mit Ausnahme des Landeshauptmanns von Niederösterreich haben alle Landeshauptleute für die Mehrzahl der Wochentage die abendliche Offenhaltezeit bis 19.30 Uhr eingeschränkt. Sie haben diese Entscheidung nach sorgsamer Abwägung der familiären Bedürfnisse und der Freizeitinteressen der Beschäftigten mit den Konsumentenbedürfnissen getroffen. Beschwerden von KonsumentInnen über zu restriktive Öffnungszeiten sind nach den Erfahrungen der Arbeiterkammern (etwa im Zuge von Service- und Unterstützungsleistungen im Rahmen unserer konsumentenpolitischen Aufgaben) in den dreieinhalb Jahren seit Geltung dieser Verordnung so gut wie nicht zu verzeichnen.

 

Gemäß den gesetzlichen Regelungen wurden die gesetzlichen Interessenvertretungen vor Verabschiedung dieser Verordnungen angehört,   ebenso andere bedeutende repräsentative Gruppierungen (vgl etwa die Miteinbeziehung von Kirchenvertretern durch den oö Landtag).

 

Die Rechtslage stellt sich auf Basis der geltenden gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen Verordnungen der Landeshauptleute derzeit folgendermaßen dar:

 


Tabelle: Allgemeine Öffnungszeiten in den Bundesländern

Bundesland

Montags bis Freitags

Samstags

wöchentliche Offenhaltezeit

Wien

6.00 bis 19.30;

2 Wochentage bis 21.00 Uhr

6.00 bis 18.00

66 Stunden

Niederösterreich

5.00 bis 21.00

5.00 bis 18.00

66 Stunden

Burgenland

6.00 bis 19.30

1 Wochentag bis 21.00 Uhr

6.00 bis 18.00

66 Stunden

Vorarlberg

6.00 bis 19.30

1 Wochentag bis 21.00 Uhr

6.00 bis 17.00

66 Stunden

(in Kerngebieten 72 Stunden)

Oberösterreich

6.00 bis 19.30

6.00 bis 17.00

66 Stunden

Salzburg

6.00 bis 19.30

6.00 bis 17.00

66 Stunden

Tirol

6.00 bis 19.30 (an Do bis 21:00 befristet bis 1.3.2008)

6.00 bis 17.00

66 Stunden

Steiermark

6.00 bis 19.30

6.00 bis 17.00

66 Stunden

Kärnten

6.00 bis 19.30

6.00 bis 17.00

66 Stunden

Quelle: eigene Recherchen und WKÖ (Stand 2007)

 

Nach dem vorliegenden Entwurf würden nun mit einem Schlag in Österreich flächendeckend Öffnungszeiten bis 21 Uhr von Montag bis Freitag zulässig sein. Das würde gravierende Nachteile für die Beschäftigten mit sich bringen und die ohnehin schon prekäre Situation vieler Nahversorgungsbetriebe weiter verschärfen. Dass negative Beschäftigungs- und Einkommensauswirkungen des geplanten Entfalls der familien- und standortpolitisch so wichtigen Kompetenz des LH zur Reduktion des täglichen Endes der Offenhaltezeit nicht auszuschließen sind, legt folgende Datenlage nahe: Während die Zahl der geringfügig Beschäftigten im Einzelhandel zwischen 2003 und 2006 bundesweit um 4,1 % zunahm, stieg sie in Niederösterreich um 7,5 %!

 

Die durch die geplante Beseitigung dieser Verordnungsermächtigung zu erwartende Ausdehnung der österreichweiten Öffnungszeiten auf 21:00 Uhr zwischen Montag und Freitag wäre zudem familienfeindlich. Eltern von Klein- und Schulkindern stehen für die Zeiten vor 7:30 und nach 17:00 Uhr österreichweit nur sehr teilweise Betreuungseinrichtungen zur Verfügung. Darüber hinaus führt die absehbare Zersplitterung bzw Ausdehnung der Arbeitszeiten in die frühen Morgen- bzw späten Arbeitsstunden zu längeren Abwesenheiten von der Familie.

 

2. Beibehalten einer VO-Kompetenz nach § 4 Abs 4 ÖZG 2003 (Festsetzung eines engeren Öffnungszeitenrahmens pro Woche)

 

Nach dem Sozialpartnerübereinkommen vom Dezember 2006 sollte die Gestaltungsmöglichkeit der Landeshauptleute bezüglich der Gesamtoffenhaltezeit grundsätzlich weiterhin bestehen, allerdings gegenüber der derzeitigen Rechtslage in umgedrehter Form: Können sie bisher von 66 Stunden auf 72 Stunden ausdehnen, sollen sie in Zukunft von den neuen 72 Stunden auf 66 Stunden reduzieren können. Zu berücksichtigen sind gemäß § 4 Abs 4 ÖZG idgF die Einkaufsbedürfnisse der Bevölkerung und der Touristen sowie regionale oder örtliche Gegebenheiten.

 

Bei unveränderter Umsetzung des Entwurfs würde diese für sozial- und familienpolitische Sicherungsmaßnahmen aber auch für den Schutz von Nahversorgungseinrichtungen so wesentliche Möglichkeit einer regionalen Regulierung beseitigt.

 

3. Faire Arbeits- und Entgeltbedingungen sowie eine adäquate Infrastruktur für die im Handel Beschäftigten

 

Die Bundesarbeitskammer steht dem vorliegenden Entwurf aber auch deswegen sehr kritisch gegenüber, weil -  ebenso wie im Vorfeld der Verabschiedung des Öffnungszeitengesetzes 2003 – kein Bestreben des Gesetzgebers erkennbar ist, die Arbeits- und Einkommensbedingungen der Handelsangestellten zu verbessern. Die BAK hat bereits im Frühjahr 2003 in ihrer Stellungnahme zum ÖZG 2003 darauf hingewiesen, dass mehr als zwei Drittel der Beschäftigten im Einzelhandel Frauen sind und die Beschäftigungsstruktur in dieser Branche seit den 1990er-Jahren durch ein hohes Maß an atypischer Beschäftigung geprägt ist. Rund 94 % der auf Teilzeitbasis im Handel Beschäftigten sind Frauen. Im Jahr 1997 brachte die damalige Ausweitung der Ladenöffnungszeiten einen Anstieg der geringfügigen Beschäftigung im Handel um 22 % innerhalb eines Jahres (1996/1997) mit sich. Die Ausbreitung dieser keinesfalls existenzsichernden Beschäftigungsform verfestigte sich im Lauf der Zeit; so waren rund 41 % jener ArbeitnehmerInnen, die im Jahr 2000 geringfügig beschäftigt waren, dies auch noch im Jahr 2002
(WIFO-Studie „Beschäftigung im Handel“, 2004).

 

Handelsbeschäftigte müssen neben der Atypisierung ihrer Beschäftigung auch häufig Arbeitszeiten in Kauf nehmen, die an die Tagesränder, also zu den Beginn- und Schlusszeiten der Läden und Verkaufsstellen verlagert sind. Dies erfolgt oft sogar an ein und demselben Tag, wobei die Zeiten zwischen den erforderlichen Anwesenheiten nicht auf die Arbeitszeit angerechnet werden. Diese Zersplitterung der Arbeitszeiten in kurze Arbeitsphasen, die durch längere „Freizeitphasen“ (welche jedoch wegen ihrer ungünstigen zeitlichen Lage für die Wahrnehmung privater und familiärer Bedürfnisse kaum genutzt werden können) unterbrochen werden, würde mit einer Ausweitung der Öffnungszeiten weiter zunehmen.

 

Hinzuweisen ist auch auf den Effekt, dass durch die Zunahme an atypischen Beschäftigungen (Teilzeit, geringfügige Beschäftigung) die Einkommen im Einzelhandel stagnieren. Nach der oa WIFO-Studie verdienten im Jahr 2000 mehr als die Hälfte der Einzelhandelsbeschäftigten weniger als € 1.150 brutto monatlich. Die Ausweitung der Öffnungszeiten könnte unter Umständen zu etwas mehr Beschäftigung im Einzelhandel führen, würde ohne die erforderlichen Begleitregelungen aber mit ziemlicher Sicherheit eine weitere Verschlechterung der Einkommens- und Arbeitssituation der Beschäftigten mit sich bringen.

 

Für zahlreiche ArbeitnehmerInnen werden länger dauernde Arbeitswege in Kauf zu nehmen sein, da die öffentlichen Verkehrsmittel in den späten Abendstunden aber auch vor 7:00 Uhr morgens nur geringere Frequenzen aufweisen.

 

Die starke Zunahme an Eigentumsdelikten, insbesondere Straßenraub, die aus den Sicherheitsberichten der letzten Jahre hervorgeht, stellt insbesondere für weibliche Handelsangestellte ein zunehmendes Problem dar. Umfragen der Gewerkschaft in Einkaufszentren ergaben, dass ein subjektives Gefühl großer Unsicherheit auf dem Heimweg in den späten Abendstunden stark zunimmt - nach Abschluss der letzten Kundenbedienungs- und Instandhaltungsarbeiten kann eine Filiale bei einer Öffnungszeit bis 21.00 Uhr oft erst um ca 21:30 Uhr verlassen werden.

 

Aus dem Gesagten ergibt sich, dass vor einer Ausdehnung der Öffnungszeiten eine sorgfältige Auseinandersetzung mit den folgenden Problemlagen und Bedürfnissen erforderlich ist:

 

·         In ausreichender Frequenz verfügbare und sichere öffentliche Verkehrsverbindungen, die der zunehmenden Verlagerung von Arbeitszeiten in die späten Abendstunden Rechnung tragen;

 

·         leistbare Kinderbetreuungseinrichtungen mit entsprechenden Öffnungszeiten;

 

·         Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Handelsangestellten: etwa häufigere Polizeistreifen nach 21:00 Uhr bzw zwischen 21:00 und 22:00 Uhr im Umfeld von Einkaufszentren und Einkaufsstraßen bzw Stationen öffentlicher Verkehrsmittel in diesen Regionen;

 

·         gesetzliche Festlegung des im Regierungsprogramm vorgesehenen Mehrstundenzuschlags, der sich am Überstundenzuschlag des § 10 AZG zu orientieren hat;

 

·         Anspruch von Teilzeit-ArbeitnehmerInnen und von geringfügig Beschäftigten auf Ausweitung ihrer Arbeitszeit anstelle der Begründung neuer Teilzeit-Arbeitsverhältnisse durch den Arbeitgeber im Sinne der EU-Teilzeitarbeits-Richtlinie;

 

·         Festlegung der Fünftagewoche auch für Handelsbeschäftigte sowie weitere Regelungen zur Vermeidung zersplitterter Arbeitszeiten (Verankerung täglicher Mindestbeschäftigungszeiten etc);

 

·         die bis 31.7.2003 geltende Regelung (die mit dem Öffnungszeitengesetz 2003 abgeschafft wurde), wonach bei Beschäftigung an einem Samstag-Nachmittag (nach 13.00 Uhr) für die/den betroffenen Beschäftigte/n der folgende Samstag zur Gänze arbeitsfrei zu bleiben hat, muss gesetzlich wieder verankert werden. Eine Kontrolle durch die Arbeitsinspektion muss wieder möglich sein; 

·         gesetzliche Maßnahmen zur Vermeidung der Behinderung oder gar Verhinderung von Betriebsratswahlen. Die demokratische Wahl innerbetrieblicher ArbeitnehmerInnenvertretung muss ein öffentlich-rechtliches Anliegen sein und dementsprechend durch (Verwaltungs)Strafdrohungen effektiviert werden;

 

·         Ermöglichung einer für Einkaufszentren und Handelsketten adäquaten innerbetrieblichen Vertretungsstruktur (etwa betriebsrätliche Sprecher oder Vertrauenspersonen für Einkaufszentren; Erleichterung von Betriebsratswahlen in filialisierten Unternehmen etc);

 

·         Angemessene, abschreckende und wirkungsvolle Strafen für den Fall der Verletzung des Arbeitszeit- und Arbeitsruherechts sowie eine Verbesserung der Rechtsdurchsetzung, da beispielsweise gerade im Handel eine erschreckend hohe Zahl von Beschäftigten ihre Überstunden nicht abgegolten bekommt; das Nicht-Aufzeichnen der Arbeitszeit darf für Unternehmer nicht billiger sein, als das korrekte Führen von Aufzeichnungen über Arbeitszeitübertretungen! Aufgrund des „Kumulationsprinzips“ des Verwaltungsstrafrechts ist jede Übertretung gesondert zu ahnden; das Nichtaufzeichnen wird nach geltendem Recht aber nur als eine Übertretung gewertet, unabhängig von der Zahl der betroffenen ArbeitnehmerInnen!

·         Das Arbeitsinspektorat sollte, wie es vor der ArbIG-Novelle 1997 der Fall war, wieder zur Kontrolle kollektivvertraglicher Arbeitszeitbestimmungen ermächtigt werden.

 

4. Sicherung der Nahversorgung

 

Der Druck, der von einem längeren Offenhalten – das bekanntlich von großen Unternehmen mit vielen Beschäftigten mit Schichtsystemen am ehesten genützt werden kann – auf die kleinen Handelsunternehmen und die dort bestehenden Arbeitsplätze ausgehen kann, soll laut Sozialpartnervorschlag vom Dezember 2006 durch ein Nahversorgungssicherungspaket kompensiert werden.

 

Alle bisherigen empirischen Studien zeigen, dass überwiegend große, filialisierte Handelsunternehmen und Einkaufszentren erweiterte Öffnungszeiten nutzen. Diese Unternehmen sind aufgrund ihrer Größen- und Verbundvorteile in der Lage, die mit längeren Öffnungszeiten verbundenen höheren Betriebskosten zu tragen, beziehungsweise können sie diese nicht – wie Großunternehmen – auf die oftmals regionalen Zulieferbetriebe abwälzen.

 

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass eine generelle Verlängerung der Öffnungszeiten kaum zu Mehrumsatz führt, sondern vorwiegend zu einer Umsatzverlagerung hin zu jenen Geschäften, die über attraktive Standorte verfügen und länger offen halten (Einkaufszentren und großen Handelsketten). Ökonomisch betrachtet ist der private Konsum primär vom verfügbaren Einkommen und den Preisen abhängig und nicht so sehr von den (Abend)Öffnungszeiten, die zum Einkaufen zur Verfügung stehen.

In Österreich findet  bereits seit Jahren ein Strukturwandel im Handel statt, bedingt durch Konzentration und Flächenexpansion, va durch Einkaufszentren in peripheren Lagen: Schon jetzt teilen sich in der umsatz- und beschäftigungsintensivsten Branche, dem Lebensmitteleinzelhandel, die drei größten Marktteilnehmer (Rewe, Spar und Hofer) drei Viertel des Marktes, ebenso im Drogerie- und Parfümeriehandel. Im Möbeleinzelhandel lukrieren die drei größten Marktteilnehmer (Kika/Leiner, Lutz, Ikea) zwei Drittel des Gesamtumsatzes. Vor diesem Hintergrund sind flankierende Maßnahmen zu treffen, insbesondere zur Sicherung der Nahversorgung. Neben dem Einsatz wettbewerbsrechtlicher Instrumente (Fusionskontrolle) könnten durch eine bundesweite, koordinierte  Raumplanung negative Entwicklungen schon im Planungsprozess verhindert werden. Voraussetzung hierfür wäre eine Verlagerung und Vereinheitlichung der  derzeit unterschiedlichen Regelungen in den Landesraumordnungen auf Bundesebene (Bundesraumordnung). 

 

Verlängerte Öffnungszeiten bewirken keine Umsatzsteigerung, sondern bloß eine Umsatzverschiebung von den kleinen Handelsbetrieben zu den großen Han­delsketten und Einkaufszentren. Der durch die Erweiterung der Öffnungszeiten von einzelnen, insbesondere großen Handelsunter­nehmen erwartete höhere Gewinn, geht zu Lasten der regionalen Nahversorger, der in die­sen Betrieben beschäftigten Mitarbeiter und nicht zuletzt auch der öffentlichen Hand, die bei­spielsweise öffentliche Verkehrsmittel für den Arbeitsweg und zusätzliche Kinderbetreuungsein­richtungen zur Verfügung zu stellen hat.

 

Das heißt, dass entsprechend dem eingangs erwähnten Sozialpartnerübereinkommen auch geeignete (zB raumordnungspolitische) Maßnahmen zur Sicherung der Nahversorgungsstruktur im Zusammenhang mit einer Ausweitung der Öffnungszeiten zu diskutieren sind. Für diesbezügliche Gespräche steht die Bundesarbeitskammer bzw stehen die Arbeiterkammern wie schon bisher im Zuge von Gesetzgebungsverfahren und Verordnungserlassungsverfahren gerne zur Verfügung.

 

Zu Detailfragen:

 

Abschließend weisen wir noch auf drei Details hin, die neben dem oben Gesagten berücksichtigt werden sollten:

 

Zu Punkt 1 - § 2 Z 3: Auf ein Redaktionsversehen ist hinzuweisen: Es soll wohl lauten „nach Maßgabe des § 157 Abs 2 GewO“.

 

Zu Punkt 2 - § 3: Wenngleich die Einschränkung bzw Verlagerung des Beginns der Rahmenöffnungszeit auf 6:00 Uhr grundsätzlich begrüßt wird, sollten zur Deckung des typischen frühmorgendlichen Einkaufsbedarfs von PendlerInnen und SchichtarbeiterInnen neben den in § 4 Abs 2 geregelten Bäckereibetrieben auch Lebensmittel- und Zeitschriften-Verkaufsläden ab 5.30 Uhr geöffnet werden dürfen.

 

Zu Punkt 3 - § 4 Abs 5: Die Zulassung unbegrenzter Ladenöffnung in den späten Abendstunden und Nachtstunden für „bedeutende örtliche Veranstaltungen“ in besonders wichtigen Tourismusorten oder –ortsteilen ist nach unserem Dafürhalten zu unbestimmt. Eine zeitliche Begrenzung der Öffnungszeiten sowie eine vorherige Anhörung der (Landes)Sozialpartner und eventuell weiterer Interessenvertreter ist nach Ansicht der Bundesarbeitskammer unbedingt erforderlich.

 

Wir hoffen, dass die vorgebrachten Argumente im weiteren Gesetzwerdungsprozess Berücksichtigung finden.

 

 

 

 

 

Herbert Tumpel                                                                                    Christoph Klein

Präsident                                                                                                   iV des Direktors