Bundesministerium für Finanzen

Abteilung III/5

Himmelpfortgasse 4-8

1015 Wien

 

 

 

 

 

GZ: BMSK-90170/0026-III/3/2007

Wien, am 25.04.2007

 

 

 

Betreff:  Begutachtungsverfahren über die Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/39/EG („MiFID“), GZ. BMF-090103/0003-III/3/5/2007;

               Stellungnahme des BMSK

 

 

 

Das Bundesministerium für Soziale Sicherheit und Konsumentenschutz kann dem vom BMF zur Begutachtung versandten Gesetzentwurf über die Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/39/EG aus der Sicht des Verbraucherschutzes nur dann zustimmen, wenn die Bestimmungen des § 62 Absatz 1 und 2 WAG-E zur Gänze entfallen und der Anwendungsbereich des § 63 Absatz 1 WAG-E um Veranlagungen iSd § 1 Absatz 1 Z 3 KMG erweitert wird.

 

Dazu im Einzelnen:

 

1.      § 62 Absatz 1 WAG-E

 

Gemäß § 38 WAG-E hat der Rechtsträger bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen im bestmöglichen Interesse seiner Kunden zu handeln und insbesondere den §§ 36 bis 51 zu entsprechen.

 

Sämtliche Bestimmungen der §§ 36 bis 51 WAG-E dienen also zweifellos auch dem Schutz des einzelnen Anlegers, legen sie doch Interessenwahrungspflichten fest, die der Rechtsträger in seiner Eigenschaft als Geschäftsbesorger oder Anlageberater bei der Entgegennahme und der Ausführung von Kundenaufträgen oder bei der Beratung des Anlegers einzuhalten hat. Eine Verletzung einer der in den §§ 36 bis 51 WAG-E enthaltenen Bestimmungen würde somit den Rechtsträger nach den allgemeinen Regelungen des Schadenersatzrechtes jedenfalls haftbar machen.

 

Im Widerspruch dazu wird jedoch im § 62 Absatz 1 WAG-E angeordnet, dass der Anleger nur bei einer Verletzung der §§ 40, 41 und 43 WAG-E Schadenersatz verlangen kann. Im Umkehrschluss bedeutete dies, dass eine Verletzung aller anderen Bestimmungen der §§ 36 bis 51 WAG-E keine Haftungsfolgen auslösen würde, was aus der Sicht des Konsumentenschutzes in keinem Fall akzeptable wäre.

 

§ 62 Absatz 1 WAG-E wäre daher ersatzlos zu streichen, da es sich ohnehin aus dem jeweiligen Schutzzweck der einzelnen Bestimmungen des WAG-E ergibt, ob deren Verletzung gegebenenfalls Haftungsfolgen auslösen kann oder nicht.

 

Bei den Regelungen der §§ 36 bis 51 WAG-E versteht sich das (aus den bereits dargelegten Gründen) ebenso von selbst wie bei sämtlichen Bestimmungen der Abschnitte III. und IV. (§§ 29 bis 37 WAG-E), da auch eine Verletzung gesetzlicher Regelungen, die das Vermögen des Kunden schützen oder die vorrangige Wahrung des Kundeninteresses gewährleisten sollen und die insofern auch unmittelbar das jeweilige Geschäftsbesorgungsverhältnis betreffen, Haftungsfolgen auslösen müsste.

 

Dass die Verletzung einer Bestimmung, deren Zweck es ist, auch den einzelnen Anleger zu schützen, auf der Ebene des Zivilrechtes Haftungsfolgen auslöst, ist aus der Sicht des Verbraucherschutzes naturgemäß von grundsätzlicher Bedeutung, wenn man die regelmäßige Einhaltung des Gesetzes in der Praxis so weit als möglich sicherstellen will. Die Kundenschutzbestimmungen des WAG-E sind nunmehr erheblich umfangreicher und vielfältiger als im WAG aF. Es wäre daher kaum mehr möglich, wie derzeit im § 15 Abs 1 WAG aF alle denkbaren Regelungen, deren Verletzung den Rechtsträger schadenersatzpflichtig machen kann, in einer eigenen Haftungsregelung taxativ aufzuzählen, ohne bereits im Gesetz schwierige Abgrenzungsfragen lösen zu müssen. Es ist somit letztendlich sinnvoller, diese Abgrenzung den Gerichten vor dem Hintergrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vorzubehalten.

 

2.      § 62 Absatz 2 WAG-E (und § 75 Absatz 2 Z 7 Satz 2 VAG)

 

§ 62 Absatz 2 WAG-E entspricht der Regelung des § 15 Absatz 2 WAG aF. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass die Haftung des Rechtsträgers für eine leicht fahrlässige Verletzung der Wohlverhaltensregeln auch dann zur Gänze ausgeschlossen werden kann, wenn der Haftungsausschluss in AGB oder Vertragsformblättern enthalten ist. Für die Wirksamkeit des Haftungsausschlusses ist es nämlich lediglich notwendig, dass sich die Klausel in einem vom Verbraucher unterschriebenen Vertragswerk befindet und dass die Klausel dort deutlich hervorgehoben wird.

 

§ 15 Absatz 2 WAG aF hat in der Praxis dazu geführt, dass die Haftung des Unternehmers für eine leicht fahrlässige Verletzung der Wohlverhaltensregeln regelmäßig dadurch ausgeschlossen wird, dass in den vom Verbraucher zu unterfertigenden Vertragsformblättern ein fett hervorgehobener Haftungsausschluss enthalten ist, der für den Verbraucher nicht verhandelbar ist und dem er sich auch nicht durch die Wahl eines anderen Unternehmers entziehen kann, da es sich um eine brachenweit weitgehend einheitliche Praxis handelt.

 

Insofern ist also der auch in den Erläuterungen zu § 15 Absatz 2 WAG ausgewiesene Zweck der Bestimmung, die Haftung des Rechtsträgers auch bei leichter Fahrlässigkeit sicherzustellen, verfehlt worden und es besteht derzeit in der Praxis nur im Ausnahmefall des groben Verschuldens tatsächlich eine Haftung des Rechtsträgers bei einer Verletzung der Wohlverhaltensregeln.

 

Dieser Zustand ist umso unbefriedigender, als ohne die Sonderregelung des § 15 Absatz 2 WAG ein gänzlicher Ausschluss der Haftung des Rechtsträgers für leichte Fahrlässigkeit nicht wirksam in einseitig vorformulierten Vertragsklauseln vereinbart werden könnte:

 

Soweit ein Anlagemakler tätig wird, ergäbe sich aus den sonst anzuwendenden Bestimmungen der §§ 3 Absatz 4 Maklergesetz iVm 31 Absatz 2 KSchG, die derzeit durch § 15 Absatz 2 WAG aF verdrängt werden, dass die Haftung des Maklers für leichte Fahrlässigkeit nicht einmal durch eine im Einzelnen ausgehandelte vertragliche Vereinbarung ausgeschlossen werden könnte.

 

Weiters ist es allgemein anerkannt, dass Fälle, die jenen des § 6 Absatz 2 Z 5 KSchG vergleichbar sind (zB Vermögensverwaltung), dem § 879 Absatz 3 ABGB unterfallen, so dass der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit in diesen Fällen nur dann wirksam wäre, wenn er im Einzelnen ausgehandelt würde (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 126 zu § 6 KSchG).

 

Schließlich wäre nach der Rechtsprechung des OGH ein in AGB oder Vertragsformblättern enthaltener gänzlicher Ausschluss der Haftung für die leicht fahrlässige Verletzung der Hauptleistungspflicht des Unternehmers grundsätzlich gröblich benachteiligend iSd § 879 Absatz 3 ABGB (OGH in 4 Ob 179/02f zu Z 9 ABB 2000).

 

Die Sicherstellung der Haftung des Rechtsträgers auch im Fall einer leichten Fahrlässigkeit wäre daher ohne die gesetzliche Sonderbestimmung des § 15 Absatz 2 WAG bzw des § 62 Absatz 2 WAG nF erheblich besser gewährleistet. Da keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar ist, Rechtsträger, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, gegenüber anderen Unternehmern hinsichtlich ihrer Haftung zu privilegieren, wäre daher § 62 Absatz 2 WAG-E ersatzlos zu streichen.

 

Zugleich wäre auch die für den Betrieb der Fondsgebundenen Lebensversicherung bestehende Parallelbestimmung des § 75 Absatz 2 Z 7 Satz 2 VAG ersatzlos zu streichen.

 

3.      § 63 Absatz 1 WAG-E

 

Die Bestimmung des § 63 Absatz 1 WAG-E, nach der Rechtsträger Verbraucher zur Werbung nur aufgrund einer Einladung aufsuchen dürfen, soll nur für Finanzinstrumente iSd § 1 Z 6 WAG-E, nicht aber für Veranlagungen iSd § 1 Absatz 1 Z 3 KMG zur Anwendung kommen.

 

Eine sachliche Rechtfertigung für den lediglich auf Finanzinstrumente iSd § 1 Z 6 WAG-E eingeschränkten Anwendungsbereich des § 63 Absatz 1 WAG-E ist nicht erkennbar, zumal gerade am „grauen Kapitalmarkt“ unseriöse Vertriebsmethoden leider weit verbreitet sind.

 

Der Anwendungsbereich des § 63 Absatz 1 WAG-E wäre daher jedenfalls um Veranlagungen iSd § 1 Absatz 1 Z 3 KMG zu erweitern.

 

Im Übrigen ist auch der Anwendungsbereich der (allerdings ohnehin nur deklarativen) Bestimmung des § 63 Absatz 3 WAG-E aus den gleichen Gründen zu eng gefasst.

 

4.      Zu § 39 Abs 3 Z 2a WAG-E:

 

Transparenz ist eines der wesentlichen Ziele der Richtlinie. Insofern sollte jedenfalls gewährleistet werden, dass die Kunden tatsächlich in Kenntnis allfälliger Provisionen oder sonstiger Geldleistungen gesetzt werden. Insofern scheint die Formulierung in Artikel 26 b i der Durchführungsrichtlinie die exaktere zu sein. Dort heißt es nämlich, dass „ … die Existenz, die Art und der Betrag der Gebühr, Provision oder Zuwendung… dem Kunden vor Erbringung der betreffenden Wertpapier- oder Nebendienstleistung …offen gelegt werden muss. Da zu befürchten ist, dass ohne den Zusatz „betreffend“ eine allgemeine Information gegeben wird, ersuchen wir um eine entsprechende Einfügung.

 

5.      Forderungen des Fachverbandes für Finanzdienstleister in der WKÖ

 

Der Stellungnahme der WKO, Fachverband für Finanzdienstleister, können wir uns – vorbehaltlich der zwingenden Bestimmungen der Richtlinie – insoweit anschließen, als dort gefordert wird, dass ein vertraglich gebundener Vermittler mit mehr als einem Rechtsträger zusammenarbeiten können soll. Eine Änderung der derzeitigen Rechtslage könnte für Konsumenten insofern einen Nachteil bedeuten, als sich dadurch der Wettbewerb in Zukunft auf wenige größere Unternehmen beschränken und es insbesondere in der Übergangsphase zu massiven Abwerbungen mit schädlichen Auswirkungen auf bereits bestehende Veranlagungen kommen könnte.

Die Richtlinie scheint die Möglichkeit, auch mehrfach gebundene Vermittler zuzulassen, jedenfalls nicht auszuschließen. Würden mehrfach gebundene Vermittler vom Gesetz nicht zugelassen, wäre auch zu erwarten, dass es zur Gründung von Umgehungsgesellschaften kommt, die letztendlich eine Zuordnung nur noch weiter erschweren würde.

 

Für den Bundesminister:

 

Dr. Arnulf Komposch

 

Elektronisch gefertigt.