Bundesministerium für Finanzen

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                                                                                                      8. Oktober 2007

 

 

Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften-Gesetz 2007, Begutachtungsentwurf

 

 

Die WKÖ dankt für die Übersendung des Begutachtungsentwurfs und erlaubt sich wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Grundsätzliche Anmerkungen zur Situation des vorbörslichen Risikokapitalmarktes in Österreich

 

Der vorbörsliche Risikokapitalmarkt in Österreich ist nach wie vor unterentwickelt. Betreffend das Volumen der Private Equity/Venture Capital-Investitionen belegt Österreich seit Jahren im EU-Vergleich die letzten Ränge und liegt deutlich unter dem EU-Durchschnitt (2006: Österreich 0,062 % BIP, EU-Schnitt. 0,6 % BIP).  Dazu kommt noch die bekannte geringe Eigenkapitalausstattung österreichischer KMU im europäischen Vergleich.

 

Auf der anderen Seite ist der gesamtwirtschaftliche Nutzen von Private Equity/Venture Capital für Wachstum und Innovation vielfach belegt. In diesem Zusammenhang darf insbesondere auf die von BMWA und WKÖ in Auftrag gegebene und jüngst fertiggestellte WIFO-Studie „Der Einfluss von Private Equity und Venture Capital auf Wachstum und Innovationsleistung österreichischer Unternehmen“ verwiesen werden. Ein breites Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Rahmenbedingungen am vorbörslichen Risikokapitalmarkt erscheint daher dringend erforderlich.  

 

Grundsätzliche Anmerkungen zu den Änderungen des § 6b KStG

 

Grundsätzlich ist das Vorhaben, die EU-Rechtskonformität des § 6b KStG - Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften herzustellen, zu begrüßen, da damit das Instrument der KöSt-befreiten Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft weiterhin zur Risikokapitalfinanzierung der Unternehmen zur Verfügung steht.

 

Aufgrund der EU-beihilferechtlichen Vorgaben sieht die WKÖ den zukünftigen Hauptzweck der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften in der Förderung der Bereitstellung von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlicher Finanzierung an KMU, wie dies auch im Rahmen der Umsetzung des Lissabon-Programms vorgesehen ist.

 

Allerdings enthält der Begutachtungsentwurf eine Reihe von Restriktionen, welche die breite Einsetzbarkeit der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft in der KMU-Finanzierung erschweren würden:

 

So könnte Risikokapital für kleinere Unternehmen nur in spezifischen Anlassfällen (Seed, Start-Up, Expansion) nicht aber z.B. für Nachfolgefinanzierungen und zur Eigenkapitalstärkung zur Verfügung gestellt werden. Expansionskapital für mittlere Unternehmen ist nur in Regionalförderungsgebieten möglich. Das Höchstmaß einer Beteiligung beträgt 1,5 Millionen Euro pro Zwölfmonatszeitraum. Es besteht keine Umsetzungsmöglichkeit für moderne innovative KMU-Finanzierungsinstrumente wie von der EU-Kommission empfohlen (Mezzaninkapital, ABS, oder KMU-Fonds, wie vom Regierungsbeauftragten für den Kapitalmarkt vorgeschlagen).

 

Nach Ansicht der WKÖ werden mit dieser Anpassung die Spielräume, welche die Leitlinien der Gemeinschaft zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU (2006/C 194/02) ermöglichen, nicht genutzt. Gerade Österreich, als ein EU-Schlusslicht in der vorbörslichen Risikokapitalfinanzierung, sollte diese Spielräume wie die anderen Mitgliedstaaten in Anspruch nehmen. In der speziellen Situation des österreichischen Risikokapitalmarktes erscheint die Einschränkung des § 6b KStG auf Finanzierungen von KMU gemäß EU-Definition ausreichend.

 

Die im Begutachtungsentwurf vorgesehene vollständige Übernahme der in Abschnitt 4 der  Leitlinien der Gemeinschaft festgelegten Safe-Harbour-Kriterien  trägt der ausgeprägten Schwäche des österreichischen Risikokapitalmarktes und den bekannten Problemen bei der Eigenkapitalausstattung von KMU nicht Rechnung. Die Europäische Kommission hält in ihren Leitlinien ausdrücklich fest, dass auch außerhalb der Safe-Harbour-Schwellenwerte Kapitalmarktlücken bestehen können. Abschnitt 5 der Leitlinien ermöglicht daher eine eingehende Überprüfung der Vereinbarkeit von Beihilfen auf Basis einer Gesamtabwägung. Im Fall von Österreich als eines der europäischen Schlusslichter in Sachen Risikokapital und Eigenkapitalausstattung der KMU sollte  der Nachweis einer „Kapitalmarktlücke“ in diesem Bereich eigentlich auf der Grundlage der bekannten Kennzahlen bereits erbracht sein oder zumindest rasch zu erbringen sein.

 

Man sollte daher im Interesse der österreichischen mittelständischen Wirtschaft eine eingehende Überprüfung eines lediglich auf KMU-Finanzierungen eingeschränkten § 6b KStG durch die Kommission versuchen.

 

Der Finanzierungsbereich und die Refinanzierung der Mittelstandsfinanzierungsgesellschaft sollten flexibilisiert werden, damit moderne Finanzierungsinstrumente (Mezzaninkapital, Asset Backed Securitisation (ABS), KMU-Fonds – Vorschlag des Regierungsbeauftragten für den Kapitalmarkt) zur Stärkung der Eigenkapitalbasis von KMU eingesetzt werden können.

 

Schließlich ist festzuhalten, dass die Übergangsbestimmungen zu kurze Fristen für bestehende Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften vorsehen.

 

 

Anmerkungen im Detail

 

§ 5 Z 14

 

Die Steuerbefreiung für den Veranlagungsbereich sollte beibehalten werden. Damit wird den Mindestkapitalvorschriften, die sich aus der Rechtsform der Kapitalgesellschaft ergeben, Rechnung getragen und die Finanzierung in der Anfangsphase erleichtert.

 

§ 6b Abs 1 Z 5 KStG

 

Bezüglich des Veranlagungsbereichs wird angeregt, auch Anteile an Kapitalanlagefonds, die von einer Kapitalanlagegesellschaft mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum verwaltet werden, als geeignete Investitionen vorzusehen, wobei die Anlagen der Fonds auf Geldeinlagen und sonstigen Forderungen bei Kreditinstituten sowie auf Forderungswertpapiere beschränkt sind.

 

§ 6b Abs 2 Z 2

 

Wie oben dargestellt, sollte ein Entfall der 1,5 Millionen Euro-Beteiligungsgrenze geprüft werden.

 

§ 6b Abs 2 Z 4

 

Wie oben dargestellt, erscheinen die Rahmenbedingungen zu restriktiv und würden das KMU-Finanzierungsgeschäft auf Basis des § 6b KStG stark einschränken und voraussichtlich nur in Verbindung mit weitreichenden Förderinstrumenten ermöglichen.

 

Der Entfall der restriktiven Kriterien (nur Seed-, Start-up-, und Expansionskapital für kleine Unternehmen, Expansionskapital für mittlere Unternehmen nur in Regionalfördergebieten) ist daher in den Gesprächen mit der EU-Kommission anzustreben.

 

Wie bereits oben erwähnt, erscheint in der speziellen Situation des österreichischen Risikokapitalmarktes die Einschränkung des § 6b KStG auf Finanzierungen von KMU gemäß EU-Definition ausreichend, um die Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem EU-Beihilfenrecht herzustellen.

 

Die in anderen Mitgliedstaaten mit weitaus entwickelteren Risikokapitalmärkten bestehenden umfangreichen steuerlichen Begünstigungen für Private Equity-Fonds weisen auf offenbar existierende Möglichkeiten im EU-Beihilfenrecht hin. Ein interessanter Aspekt ist, dass im deutschen Entwurf für ein Wagniskapitalgesetz die Leitlinien der Gemeinschaft nicht erwähnt werden und völlig andere, weniger restriktiv wirkende Kriterien festgelegt werden. Darüber hinaus erscheint der tatsächliche steuerliche Fördereffekt des § 6b KStG im Vergleich mit den in anderen Mitgliedstaaten gewährten Begünstigungen jedenfalls als angemessen.

 

Schließlich sind im Entwurf die Einschränkung auf österreichische gewerbliche Betriebe sowie die Brancheneinschränkungen gestrichen und es bestehen keine Beschränkungen des Investorenkreises, was die EU-beihilfenrechtliche Relevanz des § 6b KStG zumindest stark reduziert.

 

§ 6b Abs 1 Z 2 und 2 Z 1

 

Für die Flexibilisierung der Refinanzierungsseite sollte die Ausgabe anderer Genussrechte und die Aufnahme von Fremdkapital in einem bestimmten Umfang ermöglicht werden.

 

§ 6b Abs 2 Z 1

 

Die möglichen Beteiligungsformen sind weiter zu fassen, dass auch eigenkapitalähnliche Finanzierungen möglich sind.

 

Die EU-Kommission selbst empfiehlt den Mitgliedstaaten die Förderung dieser modernen Finanzierungstechniken im KMU-Bereich (Mitteilung der Kommission betreffend die Finanzierung des Wachstums von KMU – Umsetzung des Lissabon-Programms der Gemeinschaft, KOM (2006) 349 endg.)

 

Siehe auch die Abschlussberichte des 5. Runden Tisches „Banken und KMU“ der EU-Kommission:

http://ec.europa.eu/enterprise/entrepreneurship/financing/docs/roundtable_mezzanine_2007.pdf, http://ec.europa.eu/enterprise/entrepreneurship/financing/docs/roundtable_securitisation_2007.pdf).

Auch die Leitlinien der Gemeinschaft lassen explizit beteiligungsähnliche Finanzierungsinstrumente zu. Ebenso berücksichtigt der deutsche Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen die neuen Entwicklungen bei Mezzaninkapital.

 

§ 26a Abs 19 - 22

 

Die Anwendung der neuen MiFiG-Regeln auf ab Februar 2008 erworbene Beteiligungen stellt einen schwerwiegenden Eingriff auf bestehende Investmentstrategien dar und sollte daher entfallen. Insgesamt sollten die Übergangsfristen bis 2018 ausgedehnt werden.

 

 

Notwendigkeit von weiteren Maßnahmen

 

Die Bestimmungen des § 6b KStG betreffend Mittelstandsfinanzierungsgesellschaften haben bisher die Rahmenbedingungen der österreichischen Beteiligungsindustrie mit einem jährlichen Investitionsvolumen von rund 160 Millionen Euro vorgegeben. Ein in der vorgeschlagenen Form eingeschränkter § 6b KStG ist nicht als praktikabler Rechtsrahmen für das klassische Private Equity/Venture Capital-Geschäft einzustufen, sondern kann nur für die Finanzierung  kleiner und junger Unternehmen verwendet werden.

 

Daher sollte für die Bereitstellung von Private Equity und Venture Capital eine neue Fondsstruktur geschaffen werden, um eine ausreichende Versorgung der österreichischen Unternehmen mit Risikokapital aber auch ein langfristiges Bestehen der österreichischen Private Equity und Venture Capital-Industrie im Interesse des Finanzplatzes zu sichern.

 

Darüber hinaus sollten geeignete Anreize für Business Angels ähnlich wie in Deutschland überlegt werden.

 

Weiters sollte auch das Instrument der aws-Kapitalgarantien in modifizierter und verbesserter Form wieder zugänglich gemacht werden.

 

Ein derartiges mehrfaches Maßnahmenpaket

 

¡        breit einsetzbarer § 6b KStG für die KMU-Finanzierung,

¡        moderne Venture Capital/Private Equity–Fondsstruktur,

¡        Business Angels–Freibetrag

¡        aws-Kapitalgarantien

 

würde die Bedingungen der Eigenkapitalfinanzierung und der eigenkapitalähnlichen Finanzierung in Österreich entscheidend verbessern.

 

Die Wirtschaftskammer Österreich ersucht um Berücksichtigung ihrer Anmerkungen.

 

Freundliche Grüße

 

 

Dr. Christoph Leitl                                                                  Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident                                                                                     Generalsekretär-Stv.