An das

GZ ● BKA-603.327/0004-V/7/2007

Abteilungsmail v@bka.gv.at

bearbeiter MMag Josef BAUER

Dr. Brigitte Windisch

Pers. E-mail josef.bauer@bka.gv.at

Telefon 01/53115/2219 bzw 2809

Ihr Zeichen BMF-040402/0008-III/5/2007

 

Bundesministerium für Finanzen

Abteilung III/5

 

Mit E-Mail: e-recht@bmf.gv.at

 

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bankwesengesetz und andere Bundesgesetze geändert werden (Reform der Finanzmarktaufsicht);

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“) zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Zum Titel der Novelle:

Im Titel der Novelle sollte noch zum Ausdruck gebracht werden, dass auch das Nationalbankgesetz geändert wird (vgl. Pkt. 128 der LRL).

Zu Artikel 1 (Änderung des Bankwesengesetzes):

Zu Z 5 (§ 25 Abs. 13 BWG):

Die in § 25 Abs. 13 BWG vorgesehene Änderung bezieht sich auf ein laufendes, bereits vor dem Europäischen Gerichtshof anhängiges Vertragsverletzungsverfahren (Rs. C-270/06). In Hinblick auf eine – von der Europäischen Kommission in Gesprächen grundsätzlich als möglich erachtete – Rücknahme der Klage vor dem EuGH sollte aus der Sicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst der Vermeidung von Verzögerungen beim gegenständlichen Vorhaben besonderes Augenmerk geschenkt werden.

Zu Z 6 (§ 28a BWG):

Zu § 28a Abs. 3 Z 1 BWG wird angeregt, eine sprachlich Vereinfachung zu prüfen; insbesondere scheint sich auch eine unpassende Verneinung eingeschlichen zu haben „[über das Vermögen] keines anderen Rechtsträgers […] wurde kein Konkurs eröffnet.“

Nach § 28a Abs. 4 soll die FMA gegen die Wahl des Vorsitzenden des Aufsichtsrats oder des Obmannes Widerspruch erheben können. Dazu ist aufgefallen, dass im Wortlaut noch näher determiniert werden sollte, unter welchen Voraussetzungen die FMA Widerspruch erheben kann (gemeint ist wohl, wenn sie der Ansicht ist, dass die Voraussetzungen des Abs. 3 nicht vorliegen). Sollte ein Ermessen („kann“) beabsichtigt sein, wäre näher zu bestimmen, welche Richtlinien bei der Ermessensübung zu beachten wären (vgl. Pkt. 84 der LRL).

Der Ausdruck „beziehungsweise“ wie auch das Nachstellen von Alternativen in Klammern sollte in Rechtstexten möglichst vermeiden werden (vgl. Pkt. 26 der LRL).

Zu Z 12 (§ 70 Abs. 1c BWG):

In § 70 Abs. 1c BWG soll vorgesehen werden, dass abweichend von der bisherigen Rechtslage die Oesterreichische Nationalbank auch ohne Prüfungsauftrag der FMA „Vor-Ort-Prüfungen“ durchführen können soll. Wird der Zutritt oder die sonstige Mitwirkung an der Prüfung verweigert, hat „die FMA auf Ersuchen der Oesterreichischen Nationalbank für die Durchsetzung des … Prüfungsumfangs gemäß § 22 FMABG [also letztlich wohl durch Zwangsstrafen gemäß dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz] zu sorgen.

Solche „Vor-Ort-Prüfungen“ sind hoheitliche Tätigkeiten (Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt), wenn der Adressat einer solchen Anordnung bei ihrer Nichtbefolgung mit deren zwangsweisen Realisierung zu rechnen hat (vgl. dazu auch die Nachweise bei Köhler, in Korinek/Holoubek, Art. 129a Rz 47; zu vergleichbaren Phänomenen sog. „schlicht hoheitlicher“ Tätigkeiten vgl. näher aus der Literatur Holoubek, ÖZW 2000, 33). Abweichend von der bisherigen Rechtslage, nach der Oesterreichische Nationalbank nur auf Grund eines Auftrags der FMA zur Prüfung befugt war, und somit dieses Handeln wohl letztlich der FMA zuzurechnen war, würde in der vorgeschlagenen Fassung der Oesterreichischen Nationalbank in diesem Bereich die Stellung eines „Beliehenen“ zukommen.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dürfen an private Rechtsträger hoheitliche Befugnisse zur eigenständigen Besorgung unter anderem nur dann übertragen werden, wenn eine Unterstellung des beliehenen Rechtsträgers unter ein oberstes Organ der Vollziehung erfolgt, welches dem Parlament politisch und rechtlich verantwortlich ist. Insbesondere im Erkenntnis zur Bundeswertpapieraufsicht (VfSlg. 16.400/2001) hat der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit Beleihungen unter anderem gefordert, dass einem obersten Organ der Verwaltung eine effektive Leitungs- und Steuerungsfunktion zukommt, ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber dem Personal eingeräumt ist und die Verantwortlichkeit der Organe des beliehenen Rechtsträgers für ihre Amtsführung gesichert bleibt (vgl aus der Literatur insbesondere Kucsko-Stadlmayer, 15. ÖJT, 2003, 80 ff).

Auf Grund dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist gerade auch eine verfassungsgesetzliche Weisungsfreistellung für die Oesterreichische Nationalbank erfolgt (§ 79 Abs. 5 BWG), die allerdings auf die Durchführung der Zahlungssystemaufsicht beschränkt ist (vgl. AB 1019 BlgNR XXI. GP). Bei der Erfüllung der der Oesterreichischen Nationalbank durch das Devisengesetz übertragenen hoheitlichen Aufgaben wurde hingegen vom Gesetzgeber der Weg beschritten, die Oesterreichische Nationalbank an Weisungen des Bundesministers für Finanzen zu binden (§ 15 Abs. 3 Devisengesetz; vgl. RV 205 BlgNR XXI. GP).

Nach Ansicht des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst wäre daher auf Basis der geltenden Verfassungsrechtsordnung (vgl. allerdings den Entwurf einer Neufassung des Art. 20 Abs. 2 B-VG im Vorschlag der Expertengruppe „Staats- und Verwaltungsreform“, 94/ME/XXIII. GP) für eine Kompetenz der Oesterreichischen Nationalbank für eine Durchführung von „Vor-Ort-Prüfungen“ (ohne Auftrag der FMA) entweder eine verfassungsgesetzliche Weisungsfreistellung (etwa durch Ergänzung des geltenden § 79 Abs. 5 BWG um die „Vor-Ort-Prüfungen“ ohne Auftrag der FMA) oder eine Unterstellung unter ein oberstes Organ der Vollziehung (Bundesminister ) erforderlich.

Zu Z 18 (§ 79 Abs. 3):

Im Zusammenhang mit der vorgesehenen gemeinsamen Datenbank der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA, auf die auch im neu einzufügenden § 44b NBG Bezug genommen wird, werden der Oesterreichischen Nationalbank weitreichende (Mit)Entscheidungsbefugnisse über die Datenverarbeitung eingeräumt, die eine eigene Auftraggebereigenschaft gem. § 4 Z 4 DSG 2000 nahe legen und gegen eine bloße Dienstleisterfunktion iSd § 4 Z 5 DSG 2000 sprechen. Im Ergebnis scheinen nach Auffassung des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst daher die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Informationsverbundsystems gemäß § 4 Z 13 DSG 2000 gegeben, das eine meldepflichtige Datenanwendung gemäß § 50 Abs. 2 iVm § 18 Abs. 2 DSG 2000 darstellt. Es wird eine gesetzliche Klarstellung angeregt, wer als Betreiber dieses Informationsverbundsystems fungiert.

Zu Z 18 (§ 79 Abs. 3 Z 4):

Der Vollständigkeit halber darf noch auf ein Tippversehen in § 79 Abs. 3 Z 4 („Analysedaten und –Ergebnisse ...“ hingewiesen werden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Sparkassengesetzes):

Die Novellierungsanordnung 4 sollte lauten: „Der bisherige Text des § 44 erhält die Absatzbezeichnung „(1)“. Folgende Abs. 2 und 3 werden angefügt:“.

Zu Artikel 4 (Änderung des Nationalbankgesetzes):

Die Formatierung des Ausdrucks „§ 44b“ wäre noch anzupassen:

III. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

1. Zum Vorblatt:

Zum Vorblatt ist aufgefallen, dass es noch näher an das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99 ‑ betreffend: Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen – anzupassen wäre. Insbesondere sollten im Interesse einer einheitlichen Praxis die Bereiche „Kompetenzgrundlage“, „Auswirkungen auf das Aufgabenaufkommen“ und wohl auch „Gender Mainstreaming“ im Vorblatt nicht als gesonderte Abschnitte aufscheinen, sondern im Allgemeinen Teil der Erläuterungen näher behandelt werden (vgl. näher etwa das Layout-Muster auf der Eingangs zitierten Internet-Adresse).

2. Zum Besonderen Teil der Erläuterungen:

Die Überschriften im Besonderen Teil der Erläuterungen hätten dem Muster „Zu Z 1 (§ 25 Abs. 3 bis 5):“ zu folgen (Legistische Richtlinien 1979, Pkt. 93).

Zu den Erläuterungen zu Art. I Z 12 (§ 70 Abs. 1c BWG) ist aufgefallen, dass der letzte Satz sprachlich noch unvollständig ist. Auch eine dort genannte Informationspflicht der FMA an den Bundesminister für Finanzen findet sich im geplanten Rechtstext des § 70 Abs. 1c BWG nicht.


Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

23. Oktober 2007

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER

 

 

Elektronisch gefertigt