Bundesministerium für

Unterricht, Kunst und Kultur

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1014 Wien

 

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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das

Schulorganisationsgesetz geändert wird;

Ressortstellungnahme

 

 

 

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung nimmt zu dem mit dem unten angeführten Schreiben vom 12. März 2008 zur Begutachtung ausgesandten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Schulorganisationsgesetz geändert wird, wie folgt Stellung:

 

 

Einführung des Pflichtgegenstands „Geschichte und Politische Bildung“:

 

Es ist geplant, in der Sekundarstufe I, 8. Schulstufe, durch die Änderungen von § 10 Abs. 3 Z 1 sowie § 16 Abs. 1 Z 1 neben dem Unterrichtsgegenstand Geschichte und Sozialkunde als neuen Pflichtgegenstand Geschichte und Politische Bildung einzuführen. Dies ist als unmittelbare Notwendigkeit und kurzfristige Maßnahme insofern zu begrüßen, als in Österreich mit der Novelle zum B-VG BGBl. I Nr. 27/2007 seit 1. Juli 2007 Jugendliche ab dem Alter von 16 Jahren wahlberechtigt sind. Eine verstärkte Verankerung von Kerninhalten der Politischen Bildung im Schulbereich und ebenda in früheren Schulstufen als bisher hat in diesem Zusammenhang daher dringend zu erfolgen.

 

Bis zur 8. Schulstufe gibt es in der Sekundarstufe I derzeit nur das fächerübergreifende Unterrichtsprinzip Politische Bildung. Dieses ist zentral und soll zusätzlich zu den Fachüberlegungen unbedingt fortbestehen, kann jedoch - neben bis zu 13 anderen Prinzipien - die Vermittlung von wahlbezogenen Kerninhalten Politischer Bildung keinesfalls allein leisten.

 

Darüber hinaus sind jedoch längerfristige Maßnahmen und Überlegungen in Richtung eines eigenständigen Unterrichtsgegenstandes, möglicherweise auch unter der neuen Bezeichnung Demokratie-Bildung an unterschiedlichen Schultypen bzw. Schulstufen anzustellen.

 

Als Gründe dafür werden angeführt:

 

 

 

 

1.    Politische Bildung ist bereits ein eigenständiger Unterrichtsgegenstand an Polytechnischen Schulen und Berufsschulen. Es ist nicht schlüssig erklärbar, warum die dortige (sehr richtige) Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit eines eigenständigen Faches Politische Bildung für alle anderen Schultypen - Allgemeinbildende Pflichtschulen, Allgemeinbildende Höhere Schulen sowie Berufsbildende Mittlere und Höhere Schulen – in wenigstens einzelnen Schulstufen nicht gilt.

 

1.    Bisherige und anlässlich der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre intensivierte Überlegungen einer in den Schulen fachlich eigenständigen Politischen Bildung in ExpertInnendiskussionen, in der öffentlichen Debatte (nicht zuletzt seitens der BundesschülerInnenvertretung) sowie in mehreren Landtagen - allenfalls als verbindliche Übung o.ä. - kommen in der vorliegenden Änderung nicht bzw. einstweilen sehr unzureichend zum Ausdruck.

 

2.    Im Rahmen der vorgegebenen Stundenzahlen von einer oder maximal zwei Wochenstunden Geschichte und Politische Bildung ist eine umfassende Berücksichtigung der wahl- und demokratiebezogenen Kerninhalte Politische Bildung zusätzlich den zu vermittelnden Kenntnissen der Geschichte unrealistisch. Politische Bildung in Verbindung mit einem Wahlrecht für Jugendliche ab 16 Jahren verlangt bereits von den Umfängen viel mehr Berücksichtigung als die bisherige Sozialkunde. Die umfangreichen Inhalte der Politischen Bildung können längerfristig nur durch einen eigenständigen Unterrichtsgegenstand garantiert werden.

 

3.    Themen der (Zeit-)Geschichte und die Verbindung mit diesen sind ein bedeutender Bereich Politischer Bildung. Doch gibt es zahlreiche andere Themenbereiche, welche etwa rechtliche oder internationale Aspekte betreffen und bereits jetzt in diversen Lehrplänen der Staatskunde oder Geographie verankert sind. Es macht inhaltlich Sinn, die vielfältigen Themenbereiche der Politischen Bildung auch in einem eigenen Unterrichtsgegenstand Politische Bildung zu bündeln.

 

4.    Das den gegenständlichen Ministerialentwurf vorlegende Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) war in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) 2007 Auftraggeber einer wissenschaftlichen Studie, die klar belegt, dass Jugendliche sich mehr Politische Bildung in Form eines ganz eigenen Unterrichtsgegenstandes wünschen. Nach der Pilotstudie Jugendliche und Politische Bildung[1] sprachen sich 71 Prozent der Jugendlichen von 14 bis 24 Jahren dezidiert für die Implementierung eines eigenen Faches Politische Bildung aus. Bei den 14- bis 17-jährigen waren es immerhin rund 60 Prozent. Über 80 Prozent aller jugendlichen Altersgruppen sind zudem der Meinung, dass Politische Bildung primär in der Schule vermittelt werden soll.

 

5.    Die Möglichkeiten und Bereitschaft der LehrerInnen Politische Bildung im realen Schulalltag intensiver als bisher zu vermitteln, würde - nach entsprechenden Aus- und Fortbildungsschwerpunkten - ebenfalls durch einen eigenständigen Unterrichtsgegenstand gestärkt werden.

 

6.    Ein eigenständiger Unterrichtsgegenstand Demokratie-Bildung würde schließlich eine wirkliche Innovation mit Signalwirkung darstellen, und könnte einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis von aktuellen gesellschaftlichen bzw. demokratiepolitischen Problemstellungen bei jungen Menschen führen. Eine Zweidrittel-Mehrheit der Jugendlichen (64 Prozent) meint nämlich gemäß der zitierten BMUKK/BMWF-Studie, dass im Bereich Politische Bildung zu wenig getan wird.

 

Es wird demzufolge nochmals betont, dass als kurzfristige Maßnahme die Einführung des Unterrichtsgegenstandes Geschichte und Politische Bildung in der 8. Schulstufe begrüßt wird, jedoch längerfristig ein eigenständiger Unterrichtsgegenstand im gesamten Schulbereich unverändert zu überlegen wäre.

 

Senkung der Klassenschülerhöchstzahl:

 

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung begrüßt grundsätzlich die Senkung der Klassenschülerhöchstzahl als einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Unterrichtsqualität, wie er auch im Regierungsprogramm für die XXIII. Legislaturperiode vorgesehen ist.

 

Angesichts der im Begutachtungsentwurf vorgeschlagenen Umsetzung besteht jedoch Grund zur Annahme, dass die Maßnahmen zu nicht gedeckten Mehrausgaben führen. Sollten die im Budgetpfad Bildung vorgesehenen Kosten durch diese Maßnahme in den nächsten Jahren
überschritten werden, müsste die budgetäre Bedeckung, etwa auch durch geeignete Reformmaßnahmen sicher gestellt werden.

 

 

Wien, 14. April 2008

Für den Bundesminister:

Dr. Iris Hornig

 

Elektronisch gefertigt


 



[1] Verfügbar u.a. unter http://www.eduhi.at/dl/W16_Pilotstudie_PB_2007_Bericht_2007-04-23_Kurzfassung.pdf, 8. April 2008.