8515/AB XXIV. GP

Eingelangt am 19.07.2011
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BM für Inneres

Anfragebeantwortung

 

Frau

Präsidentin des Nationalrates

Mag.a Barbara Prammer

Parlament

1017 Wien

 

 

BMI-LR1000/0105-II/BK/3.4/2011

Wien, am      . Juli 2011

 

Die Abgeordnete zum Nationalrat Gartelgruber und weitere Abgeordnete haben am
19. Mai 2011 unter der Zahl 8615/J an mich eine schriftliche parlamentarische Anfrage betreffend „Zwangsprostitution nach der sogenannten Loverboymethode“ gerichtet.

 

Diese Anfrage beantworte ich nach den mir vorliegenden Informationen wie folgt:

 

Zu den Fragen 1 und 2:

Ja.

 

Zu Frage 3:

Diese Methode betrifft in Österreich vorwiegend weibliche Opfer aus den Herkunftsländern Rumänien, Bulgarien und Ungarn. Die Frauen stammen meist aus sozial schwachen Familien. Sie werden in der Heimat von meist sehr jungen Männern durch Aufmerk-samkeiten, wie z. B. Einladungen in Restaurants und Diskotheken oder kleinen Geschenken umworben und durch Vorspiegelung einer intensiven emotionalen Beziehung bei gleichzeitiger Entfremdung von Familie und Freundeskreis in eine gefühlsmäßige Abhängigkeit gebracht.

 


Unter dem Vorwand so den Grundstock für eine solide gemeinsame Lebensbasis im Heimatland bilden zu können, werden die Frauen vom Täter überredet, für kurze Zeit in Österreich der Prostitution nachzugehen. Erkennen die Opfer nach einiger Zeit, dass das durch Prostitution erworbene Geld nicht für eine gemeinsame Zukunft gespart wird, sondern ausschließlich der Bereicherung des Täters dient und die Frauen die Prostitutionsausübung beenden wollen, kommt es häufig zu physischer und psychischer Gewaltanwendung gegen die Opfer.

 

Die Opfer sind als solche schwer auszumitteln, da sie sich zunächst selbst gar nicht als Opfer sehen. Durch die starke emotionale Bindung und soziale Abhängigkeit fällt den Frauen die Kooperation mit den Behörden bzw. der Exekutive sehr schwer. Sie wollen nicht dafür verantwortlich sein, dass der Täter, mit welchem sie zu Beginn eine Liebesbeziehung unterhalten haben, vor Gericht steht und verurteilt wird. Auch haben die Frauen oftmals Scheu, gegen den Täter auszusagen, da sie Angst haben dass man ihren Aussagen keinen Glauben schenken wird, da sie zu Beginn freiwillig die Prostitution ausgeübt haben und die Aussage nunmehr als Racheakt gegen den „Exfreund“ angesehen werden könnte.

 

Zu Frage 4:

Die Täter wurden im Zuge von Ermittlungsverfahren bei den zuständigen Staatsan-waltschaften wegen Zuhälterei, grenzüberschreitenden Prostitutionshandel bzw. Menschen-handel zur Anzeige gebracht.

 

Zu den Fragen 5 und 6:

Opfer werden von den Sicherheitsbehörden im Rahmen der Aufgaben auf dem Gebiet der Sicherheitspolizei geschützt.

 

Im speziellen sind dies folgende Maßnahmen die auch zukünftig weitergeführt werden:

·         Sensibilisierung im Bereich der Exekutive zur Opfererkennung durch ent-sprechende Schulungsmaßnahmen;

·         Sensibilisierung der Bevölkerung durch Informationskampagnen;

·         Intensivierung der bestehenden Kooperation mit Behörden und Nichtregierungs-organisationen (NGO) in den Herkunftsländern der Opfer;

·         Aufklärungsarbeit bei den Sexdienstleisterinnen selbst durch Einbeziehung von Streetworkern und Gesundheitsbehörden;

 


Allen identifizierten Opfern wird die Möglichkeit einer Betreuung durch die in Österreich anerkannte NGO LEFÖ/IBF (Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels) ange-boten. Diese NGO ist im Auftrag des Bundeskanzleramtes (Sektion Frauen) und des Bundesministeriums für Inneres tätig.

 

Höchst gefährdeten Opfern steht überdies das Opferschutzprogramm im Bundesministerium für Inneres – Bundeskriminalamt, Abteilung 5, Büro 5.4 - Referat 5.4.2 „Qualifizierter Opferschutz (VHR)“ zur Verfügung.

 

Zu Frage 7:

Entsprechende polizeiliche Ermittlungen zur Identifizierung dieser Täter bzw. zur Verifizierung derartiger strafrechtlicher Tatbestände werden durch die zuständigen Beamten bei den jeweiligen Landeskriminalämtern geführt.

 

Zu Frage 8:

Da die Frauen sich selbst oft gar nicht als Opfer der Zwangsprostitution sehen bzw. Angst vor einer Aussage vor Polizei- bzw. Justizbehörden haben, ist eine Verstärkung der Aufklärungsarbeit bei den Sexdienstleisterinnen geplant. Hiezu gibt es eine ständige Kooperation und intensiven Informationsaustausch mit NGOs, die im Bereich des Rotlichtmilieus arbeiten. Im Rahmen des Streifen- und Rayonsdienstes wird von Seiten der Polizei mit den Sexdienstleisterinnen Kontakt in Form von Gesprächen gesucht, um eine entsprechende Vertrauensbasis für allfällige Ermittlungen schaffen zu können.

 

Zu Frage 9:

Ja. Es wird bei verschiedenen öffentlichen Veranstaltungen und Podiumsdiskussion zur Thematik Menschenhandel und Zwangsprostitution auch auf die Loverboy-Methode aufmerksam gemacht.

 

Erst Anfang Mai 2010 wurde im Zuge der Veranstaltung „Zentrum polis - Politik Lernen in der Schule“ in Kooperation mit dem Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, dem Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) eine Ausstellung zum Thema Menschenhandel im BMUKK präsentiert. Die Ausstellung ist auf Initiative der Task Force zur Bekämpfung des Menschenhandels entstanden und hatte zum Ziel, die Öffentlichkeit über Menschenhandel zu informieren. Bei der Erläuterung der unterschiedlichen Erscheinungsformen des Menschenhandels wurde den Teilnehmern auch die Loverboy-Methode anhand von Fallbeispielen erörtert.