Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ist gesetzändernd bzw. gesetzesergänzend und bedarf daher der Genehmigung des Nationalrats gemäß Art. 50 Abs. 1 Z 1 B-VG. Es hat nicht politischen Charakter. Es ist der unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Rechtsbereich nicht zugänglich, sodass die Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 4 B-VG erforderlich ist. Da durch das Übereinkommen auch Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder geregelt werden, bedarf es der Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 2 Z 2 B-VG.

Das Übereinkommen wurde am 7. April 2011 vom Europarat angenommen und am 11. Mai 2011 anlässlich der Sitzung des Ministerkomitees in Istanbul zur Unterzeichnung aufgelegt. Österreich zählte neben Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Island, Luxemburg, Montenegro, Portugal, der Slowakei, Spanien, Schweden und der Türkei zu den Erstunterzeichnerstaaten. Derzeit (Stand Mai 2013) hat das Übereinkommen vier Vertragsstaaten und 25 weitere haben es unterzeichnet, darunter Österreich am 11. Mai 2011 gemäß dem Beschluss der Bundesregierung vom 3. Mai 2011 (vgl. Pkt. 13 des Beschl.Prot. Nr. 99).

Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten zu umfassenden Maßnahmen zur Bekämpfung aller Formen von Gewalt an Frauen und häuslicher Gewalt. Es enthält Bestimmungen zu Präventionsmaßnahmen, Maßnahmen zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer sowie strafrechtliche Maßnahmen. Das Übereinkommen enthält auch eine Anti-Diskriminierungsklausel und geht auf die Situation von besonders verletzbaren Opfergruppen ein. Zur Überwachung der Umsetzung der im Übereinkommen festgelegten Maßnahmen wird innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens ein ExpertInnenkomitee (GREVIO) eingerichtet. Mit diesem Übereinkommen werden zum ersten Mal gemeinsame Standards auf regionaler Ebene in diesem Bereich geschaffen.

Das Übereinkommen steht für Mitgliedsstaaten des Europarates sowie auch für Nichtmitgliedsstaaten, die an der Erstellung mitwirkten, und für die Europäische Union zur Unterzeichnung und Ratifikation offen. Andere Nichtmitgliedstaaten können dem Übereinkommen auf Einladung des Ministerkomitees des Europarats beitreten. Es tritt gemäß Artikel 75 Absatz 3 des Übereinkommens drei Monate nach der Unterzeichnung und Ratifikation durch zehn Parteien in Kraft, wobei acht davon Mitgliedstaaten des Europarates sein müssen.

Besonderer Teil

Gewalt gegen Frauen ist ein weltweit verbreitetes Phänomen. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt knüpft einerseits an globale Initiativen an wie etwa die Allgemeinen Empfehlung Nr. 19 zum Thema Gewalt gegen Frauen (1992) des Komitees der Vereinten Nationen für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau ("CEDAW-Ausschuss"), die Erklärung und das Aktionsprogramm der vierten Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking oder die 2006 vom Generalsekretär der Vereinten Nationen veröffentlichte eingehende Untersuchung aller Formen von Gewalt gegen Frauen.

Andererseits vervollständigt und erweitert dieses Übereinkommen als regionales Instrument, das für Nichtmitgliedstaaten zur Ratifizierung offen steht, die auf diesem Gebiet von anderen regionalen Organisationen definierten Normen. Das 1994 von der Organisation Amerikanischer Staaten verabschiedete Interamerikanische Übereinkommen über die Verhütung, Bestrafung und Beseitigung der Gewalt gegen Frauen und das 2003 von der Afrikanischen Union verabschiedete Protokoll zur Afrikanischen Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker, in dem die Rechte der Frauen erörtert werden, behandeln beide die Thematik der Gewalt gegen Frauen. Das Übereinkommen des Europarats geht darüber hinaus und stärkt in beträchtlichem Maße die Verhütung und Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen sowie häuslicher Gewalt.

Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts rief der Europarat einige Initiativen zur Förderung des Schutzes von Frauen vor Gewalt ins Leben. So war 1993 die dritte europäische Ministerkonferenz zur Gleichstellung von Frauen und Männern dem Thema „Strategien für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen in der Gesellschaft: Medien und sonstige Mittel“ gewidmet. Um den Aktivitäten zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen neuen Antrieb zu verleihen und ihre diesbezügliche Verpflichtung zu bekräftigen, beschlossen die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarats anlässlich ihres dritten Gipfels (Warschau, 16.-17. Mai 2005) eine groß angelegte Kampagne zu diesem Thema, die von der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, deren Mitglieder der Generalsekretär des Europarats ernannte, ausgearbeitet und sorgsam überwacht wurde. Auf der Basis der Empfehlungen dieser Task Force (EG-TFV (2008)6), in der auch Österreich vertreten war, beschlossen die europäischen Justizminister anlässlich ihrer 27. Konferenz (Jerewan, Armenien, 12.-13. Oktober 2006) eine "Machbarkeitsstudie zu einem Übereinkommen über häusliche Gewalt" (CDPC (2007)09 revu). Angesichts der Ergebnisse dieser Studie entschied sich der Europäische Ausschuss für Strafrechtsfragen (CDPC) dafür. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte ebenfalls mehrfach verbindliche Rechtsnormen zur Verhütung der schwerwiegendsten und am weitesten verbreiteten Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt sowie zum Schutz der Opfer vor dieser Gewalt und zur Verfolgung der Täter und befürwortete die Ausarbeitung des Europaratsübereinkommens zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Zwischen Dezember 2009 und Dezember 2010 erfolgte die Ausarbeitung des Übereinkommens in einem eigens eingerichteten „Ad-hoc-Ausschuss zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (CAHVIO)“. Bei der 9. Sitzung von CAHVIO im Jänner 2011 wurde schließlich der Erläuternde Bericht dazu verabschiedet.

Das Übereinkommen hat 12 Abschnitte mit insgesamt 81 Artikeln, die sich insbesondere mit

-       Prävention (Bewusstseinsbildung, Erziehung, Ausbildung, vorbeugende Interventionen und Behandlungsprogramme etc.);

-       Opferschutz und Unterstützung (Informationen, Frauenhäuser, Helplines etc.);

-       materiellem Zivil- und Strafecht (verlangt werden u.a. Tatbestände gegen psychische Gewalt und Stalking, gegen physische Gewalt, sexuelle Gewalt einschließlich Vergewaltigung, gegen Zwangsheirat, gegen weibliche Genitalverstümmelung, gegen Zwangsabtreibung und Zwangssterilisation sowie gegen sexuelle Belästigung, wobei in Bezug auf letztere auch – wie in Österreich nach dem Gleichbehandlungsgesetz – nicht-strafrechtliche Sanktionen genügen);

-       Verfahrensrecht und Schutzmaßnahmen (u.a. Gewaltschutz-EVs);

-       Migration und Asyl;

-       internationaler Zusammenarbeit und der

-       Einrichtung eines Monitoring-Mechanismus (iS eines ExpertInnen-Komitees) beschäftigen.

Zur Präambel:

Die Präambel führt mehrere verbindliche und nichtverbindliche völkerrechtliche Instrumente zum Schutz von Frauen gegen Gewalt und vor häuslicher Gewalt an und weist auch auf den Beitrag der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in diesem Zusammenhang hin; sie weist ferne u.a. darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen zur Diskriminierung von Frauen geführt hat und dass auch Kinder Opfer häuslicher Gewalt sind (sowohl unmittelbar als auch als ZeugInnen familiärer Gewalt) und verurteilt alle Formen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Kapitel I – Zweck, Begriffsbestimmungen, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, allgemeine Verpflichtungen

Zu Art. 1 - Zweck des Übereinkommens:

Art. 1 definiert die Ziele des Übereinkommens. Im Vordergrund steht der Schutz von Frauen vor allen Formen von Gewalt sowie die Verhütung, Verfolgung und Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Darüber hinaus will das Übereinkommen einen Beitrag zur Beseitigung jeglicher Diskriminierung von Frauen leisten und eine echte Gleichstellung zwischen den Geschlechtern, auch durch Stärkung der Rechte der Frauen, fördern. Zum Schutz und zur Unterstützung der Opfer von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt sollen ein umfassender Rahmen sowie umfassende politische und sonstige Maßnahmen entworfen werden. Auch soll im Hinblick auf die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt die internationale Zusammenarbeit gefördert werden. Damit Organisationen und Strafverfolgungsbehörden zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt einen umfassenden Ansatz annehmen können, will das Übereinkommen diese bei ihrer Zusammenarbeit unterstützen.

Um diese Vorgaben zu verwirklichen, wird ein spezieller Überwachungsmechanismus eingeführt.


 

Zu Art. 2 – Geltungsbereich des Übereinkommens:

Art. 2 stellt klar, dass das Übereinkommen auf alle Formen von Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft, Anwendung findet. Gleichzeitig werden die Vertragsparteien ermutigt, das Übereinkommen auf alle Opfer häuslicher Gewalt, somit auch auf Männer und Kinder, anzuwenden. Festgehalten wird jedoch, dass die Vertragsparteien bei der Durchführung des Übereinkommens ein besonderes Augenmerk auf Frauen, die Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt geworden sind, richten sollen. Sowohl in Friedenszeiten als auch in Situationen bewaffneter Konflikte soll das Übereinkommen Anwendung finden.

Zu Art. 3 – Begriffsbestimmungen:

Dieser Artikel enthält mehrere für die Konvention bedeutsame Begriffsbestimmungen.

Zu lit. a):

Durch die Definition von „Gewalt gegen Frauen“ soll eindeutig klargestellt werden, dass vor dem Hintergrund des Übereinkommens Gewalt gegen Frauen als Verstoß gegen die Menschenrechte und als Form der Diskriminierung von Frauen verstanden werden muss, und dass diese alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsentziehung, sei es im öffentlichen oder privaten Leben, umfasst. Diese Definition entspricht dem in Art. 1 lit. b aufgeführten Ziel und ist bei der Anwendung des Übereinkommens zu berücksichtigen. Im zweiten Teil der Definition wird der Wortlaut der Empfehlung Rec(2002)5 des Ministerkomitees des Europarats an die Mitgliedstaaten zum Schutz von Frauen vor Gewalt sowie der Wortlaut der Allgemeinen Empfehlung Nr. 19 des CEDAW-Ausschusses zum Thema Gewalt gegen Frauen (1992) und des Art. 1 der Erklärung der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen, ergänzt jedoch um den Begriff „wirtschaftliche Schäden“, der mit seelischer Gewalt in Zusammenhang gebracht werden kann, wieder aufgenommen.

Zu lit. b):

Unter dem Begriff „häusliche Gewalt“ sind im Sinne dieses Übereinkommens alle Handlungen körperlicher, sexueller, psychischer oder wirtschaftlicher Gewalt, die innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partnerinnen bzw. Partnern vorkommen, zu verstehen, unabhängig davon, ob der Täter bzw. die Täterin denselben Wohnsitz wie das Opfer hat oder hatte. Häusliche Gewalt umfasst somit hauptsächlich zwei Arten von Gewalt: Die Gewalt zwischen derzeitigen oder ehemaligen BeziehungspartnerInnen und die generationenübergreifende Gewalt, zu der es im Allgemeinen zwischen Eltern und Kindern kommt. Die Definition findet gleichermaßen auf beide Geschlechter Anwendung und deckt Opfer und Täter beiderlei Geschlechtes ab.

Zu lit. c):

Der Begriff „Geschlecht“ umfasst die gesellschaftlich geprägten Rollen, Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Merkmale, die eine bestimmte Gesellschaft als für Frauen und Männer angemessen ansieht. Zur Überwindung dieser Frauen und Männern zugeordneten Rollen wird in Art. 12 Abs. 1 die Beseitigung von Vorurteilen, Bräuchen, Traditionen und sonstigen Praktiken, die auf dem Konzept der Unterlegenheit der Frauen oder auf stereotype Rollen der Geschlechter basieren, als eine allgemeine Verpflichtung zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen definiert.

Zu lit. d):

„Geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen“ bezeichnet in diesem Übereinkommen eine Form von Gewalt, die gegen eine Frau gerichtet ist, weil sie eine Frau ist, oder die Frauen unverhältnismäßig stark betrifft. Inhaltlich entspricht diese Definition dem Ausdruck „geschlechtsspezifische Gewalt“, der in der allgemeinen Empfehlung Nr. 19 des CEDAW-Ausschusses zum Thema Gewalt gegen Frauen (1992), der Erklärung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Beseitigung der Gewalt gegen Frauen (1993) und der Empfehlung Rec(2002)5 des Ministerkomitees des Europarates an die Mitgliedstaaten zum Schutz von Frauen vor Gewalt (2002) gebraucht wird.

Zu lit. e):

Gemäß lit. e) bedeutet der Begriff „Opfer“ eine natürliche Person, die Gegenstand des unter lit. a) und b) beschriebenen Verhaltens ist. Die Opferdefinition des § 65 Z 1 lit. a StPO umfasst Personen, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnten.

Zu lit. f):

Unter dem Begriff „Frauen“ sind auch Mädchen unter 18 Jahren zu verstehen.

Zu Art. 4 – Grundrechte, Gleichstellung und Nichtdiskriminierung:

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien, Vorkehrungen zur Gewährleistung des Schutzes gegen Gewalt allgemein (Abs. 1) und gegen Diskriminierung, insbesondere von Frauen (Abs. 2) zu treffen. Diskriminierungsschutz soll durch entsprechende gesetzliche Verankerung des Grundsatzes der Gleichstellung von Frauen und Männern (Abs. 2, erster Spiegelstrich) sowie des allgemeinen Diskriminierungsverbots (Abs. 2, zweiter und dritter Spiegelstrich) erfolgen. Darüber hinaus zielt die horizontale Bestimmung des Abs. 3 darauf ab, die diskriminierungsfreie Umsetzung der Konvention selbst, unter demonstrativer Angabe von Diskriminierungsgründen, seitens der Vertragsparteien zu gewährleisten. Abs. 4 rundet den Diskriminierungsschutz mit der Klarstellung ab, dass positive Maßnahmen im Rahmen der Prävention gegen geschlechtsspezifische Gewalt gegen Frauen zulässig sind. Ausweislich des Erläuternden Berichts räumt Art. 4 Abs. 1 ein Recht ein, sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich ohne jegliche Gewalt zu leben. In diesem Zusammenhang genießt der Schutz vor Diskriminierung deshalb einen hohen Stellenwert, weil die Diskriminierung der Frau dazu beiträgt, dass gegen sie gerichtete Gewalt toleriert wird. Der Wortlaut des Art. 4 Abs. 3 ist an das (adhäsorische) Verbot der Benachteiligung iSd Art. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, und des Art. 1 (allgemeines Diskriminierungsverbot) des 12. Zusatzprotokolls zur EMRK angelehnt, das Österreich zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hat. Abs. 3 erweitert jedoch die ausdrücklich angeführten Diskriminierungsgründe nicht unwesentlich um die Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung, der Geschlechtsidentität, des Alters, des Gesundheitszustandes, einer Behinderung, des Familienstands und des Migranten- oder Flüchtlingsstatus. Die Regelung der Zulässigkeit positiver Maßnahmen in Art. 4 Abs. 4 ist von Art. 4 der Konvention zur Beseitigung jeder Form der Diskriminierung der Frau (CEDAW), BGBl. Nr. 443/1982, inspiriert.

Österreich ist seiner Verpflichtung zur formellen und inhaltlichen Ausgestaltung der von Art. 4 umfassten Rechte schon weitgehend nachgekommen:

Auf Verfassungsebene ist neben dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 7 Abs. 1 B-VG iVm. Art. 2 StGG vor allem Art. 14 der in Österreich in Verfassungsrang stehenden EMRK und Art. 6 des Staatsvertrages von Wien, BGBl. Nr. 152/1955, zu erwähnen. Das in Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 377/1972, erlassene Bundesverfassungsgesetz BGBl. Nr. 390/1973 dehnt – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes – den nach Art. 7 Abs. 1 B-VG, Art. 2 StGG und Art. 66 Abs. 1 und 2 des Staatsvertrages von Saint Germain auf österreichische Staatsbürger beschränkten Gleichheitssatz auf die Behandlung von Fremden untereinander aus, sodass der Gleichheitssatz damit im Ergebnis alle Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit schützt.

Nicht zuletzt ist die Staatszielbestimmung des Art. 7 Abs. 2 B-VG zu nennen, wonach sich Bund, Länder und Gemeinden zur tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau bekennen. Dabei sind Maßnahmen zur Förderung der faktischen Gleichstellung von Frauen und Männern insbesondere durch Beseitigung tatsächlich bestehender Ungleichheiten zulässig. In diesem Sinne ordnet Art. 51 Abs. 9 Z 1 B-VG in der ab 1. Jänner 2013 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 1/2008 an, dass das Bundesgesetz über die Erstellung des Bundesfinanzrahmengesetzes, des Bundesfinanzgesetzes und über die sonstige Haushaltsführung des Bundes insbesondere „Maßnahmen für eine wirkungsorientierte Verwaltung insbesondere auch unter der Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern“ zu regeln hat.

Schließlich wird die Gleichberechtigung der Frau auch durch den im Verfassungsrang stehenden Artikel III des Übereinkommens über die politischen Rechte der Frau, BGBl. Nr. 256/1969, wenn auch unter Durchführungsvorbehalt, gesichert.

Der Vollständigkeit halber ist in diesem Zusammenhang Art. 16 des im Range eines einfachen Gesetzes und unter Durchführungsvorbehalt stehenden Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. III Nr. 155/2008, zu erwähnen, der Menschen mit Behinderungen ein Recht auf Schutz gegen jede Form der Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch, einschließlich ihrer geschlechtsspezifischen Aspekte, einräumt.

Eine wichtige Strategie in der Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern in Österreich ist die Anwendung von Gender Mainstreaming - der Einbeziehung einer geschlechterbezogenen Sichtweise in Vorhaben von Politik und Verwaltung. Auswirkungen auf beide Geschlechter werden hinterfragt und bei der Durchführung die spezifischen Bedürfnisse von Frauen und Männern berücksichtigt. Hierzu gibt es ein klares politisches Bekenntnis und zahlreiche Umsetzungsmaßnahmen, von der Einrichtung von Arbeitsgruppen auf verschiedensten Ebenen über Studien und Leitfäden (u.a. für die Legistik und budgetäre Maßnahmen) bis hin zu zahlreichen Schulungen.

Weiters normiert Art. 13 Abs. 3 B-VG, dass Bund, Länder und Gemeinden bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben haben (Gender Budgeting).

An konkreten gesetzlichen Maßnahmen sind vor allem die zur Gewährleistung der Nichtdiskriminierung im Arbeitsleben erlassenen Gesetze und Verordnungen anzuführen: für den öffentlichen Dienst das Bundes-Gleichbehandlungsgesetz und die Landes-Gleichbehandlungsgesetze sowie die darauf basierenden Frauenförderpläne und für die Privatwirtschaft das Gleichbehandlungsgesetz.

Zentrale Umsetzungsmaßnahmen auf einfachgesetzlicher Ebene sind neben den in Durchführung der EU-Gleichbehandlungsrichtlinien ergangenen Gesetze des Bundes und der Länder das Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie („Gewaltschutzgesetz“), BGBl. Nr. 759/1996, das Anti-Stalking-Gesetz, BGBl. I Nr. 56/2006, und das Zweite Gewaltschutzgesetz, BGBl. I Nr. 40/2009. Hierzu sowie zu weiteren gewaltspezifischen Regelungen siehe die Art. 18ff.

Zu Art. 5 – Verpflichtungen der Staaten und Sorgfaltspflicht:

Art. 5 sieht eine Verpflichtung der Vertragsparteien vor, jede Beteiligung an Gewalttaten gegen Frauen zu unterlassen und sicherzustellen, dass staatliche Behörden, Beschäftigte, Einrichtungen und sonstige im Auftrag des Staates handelnde Personen im Einklang mit dieser Verpflichtung handeln.

Darüber hinaus wird festgelegt, dass die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen zu treffen haben, um ihrer Sorgfaltspflicht zur Verhütung, Untersuchung und Bestrafung von in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Gewalttaten, die von Personen, die nicht im Auftrag des Staates handeln, begangen wurden, und zur Bereitstellung von Entschädigung für solche Gewalttaten nachzukommen.

Zu Art. 6 – Geschlechtersensible politische Konzepte:

Wie andere in jüngerer Vergangenheit auf Ebene des Europarates ausgehandelte Übereinkommen orientiert sich auch das vorliegende an den Schlagwörtern „Verhütung“ „Schutz“ und „Strafverfolgung“ (auf Englisch „the three Ps“: Prevention, Protection, Prosecution). Um jedoch die Bekämpfung von in dem Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu stärken, wird ein weiterer Begriff, nämlich jener der „Gesamtpolitik“ (als viertes „P“: Policy) hinzugefügt. Art. 6 zufolge verpflichten sich die Vertragsparteien, die Geschlechterperspektive in die Durchführung und in die Bewertung der Auswirkungen dieses Übereinkommens einzubeziehen und politische Maßnahmen der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Stärkung der Rechte von Frauen zu fördern und wirksam umzusetzen.

Kapitel II – Ineinandergreifende politische Maßnahmen und Datensammlung

Zu Art. 7 – Umfassende koordinierte politische Maßnahmen:

Art. 7 fordert die Vertragsparteien auf, landesweit wirksame, umfassende und koordinierte politische Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt vorzusehen. Dabei soll sichergestellt werden, dass die genannten politischen Maßnahmen die Rechte des Opfers in den Mittelpunkt stellen und durch eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den relevanten Behörden, Einrichtungen und Organisationen umgesetzt werden. Betroffene Akteure wie Regierungsstellen, nationale, regionale und lokale Parlamente und Behörden, nationale Menschenrechtsinstitutionen und zivilgesellschaftliche Organisationen sind bei diesen Maßnahmen einzubinden.

Zu Art. 8 – Finanzielle Mittel:

Diese Bestimmung soll die Sicherstellung angemessener finanzieller und personeller Mittel für die Umsetzung von ineinandergreifenden politischen und sonstigen Maßnahmen sowie Programmen zur Verhütung und Bekämpfung aller in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt sicherstellen. Danach sind die Vertragsparteien auch verpflichtet, für von Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft durchgeführte Aktivitäten Finanz- und Personalressourcen zur Verfügung zu stellen.

Zu Art. 9 – Nicht staatliche Organisationen und Zivilgesellschaft:

Diese Bestimmung fordert die Vertragsparteien auf, die Arbeit von im Kampf gegen Gewalt gegen Frauen tätigen nicht staatlichen Organisationen und der Zivilgesellschaft anzuerkennen, diese zu fördern und zu unterstützen sowie eine institutionenübergreifende wirkungsvolle Zusammenarbeit zu begründen. Zweck der Bestimmung ist es, den wichtigen Beitrag der NGOs und der Zivilgesellschaft zur Verhütung und Bekämpfung der von der Konvention erfassten Gewaltformen hervorzuheben.

Zu Art. 10 – Koordinierungsstelle:

Der Bedeutung und dem Stellenwert von Frauen- und Gleichstellungspolitik in Österreich entsprechend wurden seit dem Jahr 1990 bis heute Regierungsmitglieder im Rang von Bundesministerinnen mit der Koordinierung der Frauenpolitik im Generellen betraut. Seit 2007 ist die dafür zuständige Ministerin wieder direkt im Bundeskanzleramt integriert.

Im Hinblick auf die umfassenden Anforderungen nach Art. 10 - nämlich Koordinierung, Umsetzung, Beobachtung und Bewertung von Politik und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung aller von der Konvention umfassten Formen von Gewalt sowie Koordinierung, Analyse und Veröffentlichung der zu erhebenden Daten - soll die Koordinierungsstelle im Bundeskanzleramt angesiedelt werden.

Zu Art. 11 – Datensammlung und Forschung:

Abs. 1 verpflichtet die Vertragsparteien, regelmäßig Statistiken zu allen Fällen von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt zu erstellen. Konkret sollen Alter und Geschlecht der Opfer und Täter, die Form der Gewalt, der Tatort sowie ein allfälliges Opfer-Täter-Verhältnis gesammelt werden. Täterinformationen werden bereits in den elektronischen Registern der Justiz gespeichert, Opferdaten ab dem Jahr 2012; der Ort der Staatsanwaltschaft/des Gerichts kann ebenfalls ausgewertet werden. Im Rahmen der unter der Führung des BMJ stehenden Arbeitsgruppe zur Verbesserung der Gerichtlichen Kriminalstatistiken wird am weiteren Ausbau der Statistiken gearbeitet.

Um die Datenlage in Österreich zu verbessern, hat die Wiener Interventionsstelle bereits im Jahr 2011 eine ExpertInnen-Arbeitsgruppe zum Thema geschlechtsspezifische Daten zu Gewalt gegen Frauen initiiert („Arbeitsgruppe Gender-Stat“). Damit wird an das EU-Daphne-Projekt PROTECT angeschlossen (http://www.interventionsstelle-wien.at/start.asp?ID=384&b=110).

Abs. 2 ermutigt die Vertragsparteien, Studien durchzuführen, um die Verbreitung und Entwicklung aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zu analysieren.

Zu Abs. 3 und 4 ist anzumerken, dass die gemäß Art. 11 erhobenen Daten sowohl der in Art. 66 dieses Übereinkommens genannten Expertengruppe als auch der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen sind. Schon bisher werden die vorhandenen justiziellen Erledigungsstatistiken veröffentlicht (insbesondere im Sicherheitsbericht) und interessierten Personen und Einrichtungen auf Anfrage zur Verfügung gestellt.

Kapitel III - Prävention

Zu Art. 12 – Allgemeine Verpflichtungen:

Dieser Artikel umfasst mehrere allgemeine Maßnahmen zur Prävention, die als Grundlage dienen und die übergreifenden Grundsätze zur Regelung der spezifischen Verpflichtungen darlegen, die in den nachfolgenden Artikeln dieses Kapitels beschrieben werden.

Zur innerstaatlichen Umsetzung der Vorgaben ist hervorzuheben, dass Österreich die in der UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frauen (CEDAW, BGBl. Nr. 443/1982) in Art. 1 bis 4 festgelegten wesentlichen Bestimmungen des Diskriminierungsverbots und der Möglichkeit besonderer Fördermaßnahmen in Verfassungsrang verankert und somit auch die Bundesländer zu deren Umsetzung verpflichtet hat. Die Koordination von Gleichstellungsmaßnahmen zwischen Bundes- und Landesebenen wird durch regelmäßige Treffen der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst mit den Gleichstellungsbeauftragten der Landesregierungen (Bundesländerdialoge) unterstützt.

Mit dem Gewaltschutzgesetz 1997 (BGBl. Nr. 759/1996) wurde ein grundlegender gesellschaftlicher Umdenkprozess eingeleitet, der klarstellte, dass Gewalt in der Familie keine Privatangelegenheit ist. Ebenso wurde die staatliche Verantwortung gegenüber Opfern von traditionsbedingter Gewalt und Frauenhandel verstärkt wahrgenommen und sukzessive umfassende opferschützende und -unterstützende Maßnahmen gesetzlich verankert.

Im Hinblick auf erforderliche Maßnahmen zur Beseitigung von Traditionen, die auf Rollenzuweisungen für Frauen und Männer beruhen, wird die Fortsetzung der Durchführung von Veranstaltungen zur Überwindung von Rollenklischees wie z. B. des seitens des BMASK in Zusammenarbeit mit den österreichischen Männerberatungsstellen österreichweit durchgeführten Boys‘ Day und des österreichweiten Girls‘ Day, an dem das BMASK teilnimmt, in Aussicht genommen. Auch soll die Kooperationen des BMASK mit „White Ribbon“ und von entsprechenden Projektförderungen in Zukunft eine Fortsetzung finden.

Die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen ist ein wesentlicher Beitrag zur Veränderung von Rollenbildern und tatsächlichen Selbstbestimmtheit von Frauen und steht im Fokus der Gleichstellungsmaßnahmen in Österreich. Dazu darf auch auf die Ausführungen zu Art. 4 verwiesen werden.

Der mit 30. Juni 2010 beschlossene Nationale Aktionsplan (NAP) zur Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt sieht umfassende Maßnahmen, unter anderem zur Aufhebung von Rollenstereotypen und Diversifizierung der Berufswahl, Erleichterung der Vollzeittätigkeit und Vereinbarkeit sowie Förderung von Frauen in Spitzenpositionen vor. Einen weiteren Beitrag speziell zur Stärkung von Migrantinnen soll der Nationale Aktionsplan für Integration (Jänner 2010) leisten. Eine Novelle des Gleichbehandlungsgesetzes, die mit 1. März 2011 in Kraft getreten ist, sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Erstellung von Einkommensberichten für Unternehmen ab einer bestimmten Größe vor - eine Maßnahme zur Bekämpfung der geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede.

Weitere relevante Nationale Aktionspläne im Gewaltbereich sind der „Nationale Aktionsplan zur Vorbeugung und Eliminierung von Weiblicher Genitalverstümmelung in Österreich“ (Oktober 2008) und die drei Nationalen Aktionspläne gegen den Menschenhandel (März 2007, Mai 2009 und März 2012).

Im Bereich der Erziehung stellt das von allen Schulen anzuwendende Unterrichtsprinzip „Erziehung zur Gleichstellung von Frauen und Männern“ ein wichtiges Instrument zur Hinterfragung und dem Aufbrechen von Rollenbildern dar, wobei auch dem Thema Gewalt spezielle Aufmerksamkeit zu widmen ist.

Die Prävention von Gewalt an Kindern und Gewalt in der Familie gehört zu den zentralen Anliegen des BMWFJ. In der Überzeugung, dass Eltern die Kompetenz zur gewaltfreien Konfliktlösung erwerben müssen und ihre Erziehungskompetenz gestärkt werden muss, setzt das BMWFJ auf Elternbildung zur Stärkung der Erziehungskompetenz von Müttern und Vätern. Dazu werden gemeinnützige Einrichtungen, die Projekte/Seminare zur Elternbildung anbieten, gefördert (1,4 Mio. Euro) und Informationen in verschiedenen Medien (www.eltern-bildung.at und Broschüren) angeboten. Im Rahmen der vom BMWFJ finanzierten Aktivitäten der „Plattform gegen die Gewalt in der Familie“ widmen sich speziell Männerberatungsstellen und Jugendzentren der Burschen- und Männerarbeit und der geschlechtersensiblen Jugendarbeit.

Die Besuchsbegleitung gemäß § 111 AußStrG wird seitens des BMASK im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gefördert. Ausgehend von den Ergebnissen einer im Jahr 2010 durchgeführten Evaluierung treten in ca. einem Drittel der geförderten Familien Konfliktfälle mit Gewaltaspekt auf. Da in diesen Fällen eine spezifische Ausbildung und die darauf basierende Einhaltung von Qualitätsstandards erforderlich sind, hat das BMASK die Ausarbeitung eines Curriculums und (Pilot-)Lehrgangs zur Sensibilisierung und zum Umgang mit (Verdachts-)Fällen von Gewalt und sexuellem Missbrauch im Rahmen der vom BMASK geförderten Besuchsbegleitung gefördert. Nach Durchführung dieses Pilotprojektes (Ende Juni 2013) soll der Lehrgang in den Regelbetrieb übergehen.

Zudem wird auch künftig die ausreichende Finanzierung von Gewaltpräventions-Maßnahmen und Förderung von Anti-Gewalt-Projekten angestrebt. Beispiele für vom BMASK geförderte Gewaltpräventions-Maßnahmen sind das Projekt „Armutsfalle – Gewalt an Frauen“ des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, Kooperationen mit „White Ribbon“ wie der vom BMASK mitfinanzierte Kinospot „Meine Fäuste fliegen nur im Ring“, die Zusammenarbeit mit dem BKA-Frauen, dem BMJ und dem BMUKK unter der Dachmarke „Gemeinsam gegen Gewalt“, die Antigewaltarbeit der Männerberatungsstellen, gewaltpräventive Workshops, Sensibilisierungsmaßnahmen zu Gewalt gegen ältere Frauen wie die Folder-Serie „Gewalt erkennen“ sowie die EU-kofinanzierte Prävalenzstudie von häuslicher Gewalt gegen ältere Frauen.

Auch ist im österreichischen Strafrecht klargestellt, dass Kultur, Bräuche, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttaten angesehen werden. Siehe dazu die Ausführungen zu Art. 42.

Zu Art. 13 – Bewusstseinsbildung:

Regelmäßig werden aus öffentlichen Mitteln Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit, wie Veranstaltungen, Ausstellungen zu unterschiedlichen Aspekten von Gewalt, Broschüren und Informationskampagnen unterstützt, die der Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung der (Fach)Öffentlichkeit dienen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hierbei in der Bekanntmachung der bestehenden Opferschutzeinrichtungen und der den Opfern zur Verfügung stehenden Rechte und Angebote.

So werden vor allem im Rahmen der 16. Tage gegen Gewalt (25. November bis 10. Dezember) jährlich vielfältige öffentlichkeitswirksame Maßnahmen in ganz Österreich gesetzt und zahlreiche Informationen stehen der breiten Öffentlichkeit via Internet permanent zur Verfügung.

In diesem Zusammenhang ist auch auf das vom BM.I im November 2012 initiierte Projekt „Bündnis gegen Gewalt“ und die in diesem Zusammenhang eingerichtete Koordinierungsstelle hinzuweisen. Im Bewusstsein, dass es sich bei der Prävention und Verhinderung von Gewalt um eine Querschnittsaufgabe handelt, zielt das Projekt auf eine entsprechende Sensibilisierung von Akteuren in den unterschiedlichsten Lebensbereichen, wie beispielsweise Familie, Schule, Arbeitsumfeld ab.

Aber auch spezifische Studien leisten einen Beitrag zur Bewusstseinsbildung und werden regelmäßig mit öffentlichen Geldern gefördert, wie zuletzt die Studien „Partnergewalt gegen ältere Frauen“, „Die vielen Gesichter von Gewalt - Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld“, „High-Risk-Victims - Beziehungsmorde 2008-2010“ oder die Prävalenzstudie „Gewalt in der Familie und im nahen sozialen Umfeld“ des BMWFJ aus 2011.

Einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung betroffener Berufsgruppen leistet weiters die Integration dieses Themas in die Grundausbildung und/oder Fortbildung.

Ziel der Folderserie des BMASK „Gewalt erkennen“ ist es, die (Fach)Öffentlichkeit für das Thema „Gewalt an älteren Menschen“ zu sensibilisieren. Dabei werden auch Tabuthemen wie „Demenz und Gewalt“ oder „Ältere Menschen in Institutionen“ angesprochen.

Zu Art. 14 – Bildung:

Die Themen Gewaltprävention und –bekämpfung sowie Gendergerechtigkeit sind fester Bestandteil der Lehrpläne der österreichischen Schulen, wobei die Intensität der Darstellung in den Lehrplänen variiert. Bereits der Lehrplan der Volksschule enthält z. B. im „Allgemeinen Bildungsziel“ zum Kapitel der Volksschule als sozialen Lebens- und Erfahrungsraum die Aussage, dass „Konflikte, die sich aus dem Zusammenleben bzw. aus Interessenunterschieden ergeben frühzeitig zum Gegenstand gemeinsamer Reflexion gemacht werden (müssen): dabei wird die Schülerin bzw. der Schüler Mittel und Wege der Konfliktbewältigung kennen lernen.“ Derselbe Lehrplan nennt unter den Bildungs- und Lehraufgaben innerhalb des Erfahrungs- und Lernbereiches „Gemeinschaft“ für die Grundstufe I z. B. die Themen der Familie als Lebensgemeinschaft (Zusammenleben und Partnerschaft in der Familie), für die Grundstufe II z. B. die Vorgabe, soziale Alltagskonflikte im Rollenspiel darzustellen, Lösungsmöglichkeiten zu erproben und diese zu bewerten versuchen. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die nähere Umschreibung des Unterrichtsprinzips „Politische Bildung“ im Grundsatzerlass des BMUKK, wo als Zielsetzung unter anderem die Förderung der Fähigkeit und Bereitschaft, für unantastbare Grundwerte einzutreten, genannt wird. Als aktuelle Informationsquelle zum Thema Gender und Schule ist ferner der elektronische Newsletter „SchUG“ zu nennen. Eine ausdrückliche Verknüpfung der Themen Gewalt und Frauen/Familie findet sich in etlichen Unterrichtsmaterialien, welche allerdings in aller Regel nicht in den Lehrplänen angeführt werden. Hier sind vor allem die für das BMUKK erbrachten Leistungen des „Zentrum polis“ zu nennen, sei es etwa im Rahmen der Praxisbörse (z. B. über „Mythen und Fakten zum Thema Gewalt gegen Frauen und Kinder“, wo die Stereotypen und Vorurteile betreffend Gewalt in der Familie behandelt werden) oder sei es im Rahmen der Zeitschrift „Polis aktuell“. Aktuelle, im Unterricht verwertbare, Informationen, auch die Frage der Gewaltprävention umfassend, bietet ferner das Webportal Gender & Bildung (www.gender.schule.at). Weiters ist noch auf die im Jahr 2007 ins Leben gerufene und auf breiter Basis angelegte Initiative des BMUKK zur Gewaltprävention „Weiße Feder“ zu verweisen. Von einigen Mädchen/Männerberatungsstellen werden an einigen Schulen mit finanzieller Unterstützung des BMUKK Workshops durchgeführt, die ebenfalls darauf ausgerichtet sind, Gewalt zu vermeiden. Die Broschüre des BMUKK „Stark! Aber wie?“ bietet für die schulische und außerschulische Arbeit Methoden und Arbeitsunterlagen zur Jungenarbeit mit dem Schwerpunkt Gewaltprävention. Das BMWFJ fördert zahlreiche Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit und Kinderschutzeinrichtungen, die egalitäre Geschlechterrollen und Gewaltfreiheit zu ihren Grundsätzen zählen und diese auch in Form von Veranstaltungen und Öffentlichkeitsarbeit vermitteln.

Zu Art. 15 – Aus- und Fortbildung von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen:

Abs. 1 dieser Bestimmung sieht die Schaffung bzw. Verstärkung der Aus- und Fortbildung für betroffene Fachkräfte, die mit Opfern oder Tätern aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten zu tun haben, vor. Aus- und Fortbildungsmaßnahmen zu den Themen Verhütung und Aufdeckung solcher Gewalt, zur Gleichstellung von Frauen und Männern, zu den Bedürfnissen und Rechten der Opfer und Verhütung der sekundären Viktimisierung sollen die Bewusstseinsbildung von Fachkräften über Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt ermöglichen, zu angemessenem Verhalten gegenüber den Opfern beitragen und Art und Qualität der Unterstützung der Opfer verbessern. Aus diesem Grund verpflichtet Abs. 1 die Vertragsparteien, angemessenes Training für mit Opfern oder Tätern befasste Fachkräfte bereit zu stellen oder zu verstärken. Die Ausformung der Aus- und Fortbildung in diesem Bereich wird den Vertragsparteien überlassen.


 

Abs. 2 fordert von den Vertragsparteien, auch zu Aus- und Fortbildungen hinsichtlich koordinierter behördenübergreifender Zusammenarbeit zu ermutigen.

Mit Inkrafttreten des 2. Gewaltschutzpaketes wurden die Vorschriften für das Einschreiten von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes evaluiert, unter Berücksichtigung der neuen Rechtslage adaptiert und inhaltlich zusammengefasst verlautbart (Erlass vom 22.09.2010, GZ: BMI-EE1500/0107-II/2/a/2010, betr. Erlass für die Organisation und die Umsetzung im Bereich „Gewalt in der Privatsphäre“ / „Gewaltschutz“).

Österreichweit wurden alle PolizistInnen zur geänderten Rechtslage geschult. Weiters stehen in jedem Bezirk in Österreich für die Thematik besonders geeignete und besonders geschulte BeamtInnen als Fachkräfte zur Verfügung, die nach dem ersten Einschreiten folgende zusätzliche folgende Aufgabenstellungen zu erfüllen haben:

-       Grundsätzliche Durchführung einer „Präventiven Rechtsaufklärung“ mit dem Gefährder (§ 38a SPG, § 107a und §107b StGB). Auf die freiwillige Teilnahme der gefährdenden Person an der „Präventiven Rechtsaufklärung“ wird hingewiesen.

-       Kontaktgespräche mit Opfern von Gewalt in der Privatsphäre (Informationsgewinnung im Vorfeld einer „Präventiven Rechtsaufklärung“, Information über Opferschutzeinrichtungen bzw. vorbeugende Präventionsmaßnahmen).

-       Unterstützung der Dienststellen bei komplexen Amtshandlungen im Zusammenhang mit § 38a SPG, § 107a und § 107b StGB.

-       Zentrale Schnittstelle zu NGOs, Gerichten, Opferschutzeinrichtungen und insbesondere Jugendhilfeträgern.

- regionale Schulung und Informationsweitergabe an ersteinschreitende Beamte und Beamtinnen.

Als Informationsgrundlage steht diesen besonders geschulten Beamten und Beamtinnen ein zentral eingerichteter Share-Point-Server zur Verfügung, in dem alle gesetzlichen Grundlagen und Adaptierungen sowie umfangreiche Informationsunterlagen eingestellt sind. Weiters ist darin eine Diskussionsplattform eingerichtet, in welcher sich die Experten und Expertinnen über besondere thematische Inhalte austauschen können.

Jährlich hat zumindest einmal bezirksweit ein regionales „Vernetzungstreffen“ mit den Verantwortlichen der Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen, jedenfalls unter Einbindung der besonders geschulten und in diesem Bereich tätigen Bediensteten, stattzufinden. Eine umfassende Beiziehung anderer Kooperationspartner (Jugendhilfeträger, Bezirksgerichte, zuständige Sicherheitsbehörde, andere Opferschutzeinrichtungen, Kinderschutzzentren etc.) zu diesen Vernetzungstreffen ist aus Sicht des BM.I anzustreben.

Aus Studien ist bekannt, dass insbesondere ältere, von Gewalt betroffene Frauen bestehende Opferhilfeeinrichtungen nicht aufsuchen und dass bei Gewalt in Betreuungssituationen die üblichen Interventionsstrategien nicht greifen. Um weitere Kooperationspartner/innen wie Senior/innenorganisationen, regionale Hilfsdienste und Alten- und Pflegeheime mit Opferhilfeeinrichtungen zu vernetzen, findet im Auftrag des BMASK eine Workshopreihe statt. Ziel ist der Aufbau regionaler Beratungskompetenz zu Gewalt gegen ältere Frauen und Männer in Österreich. 2011 und 2012 wurden in allen Bundesländern Workshops veranstaltet, die Workshopreihe wird 2013 fortgesetzt.

Auch in den Ausbildungsvorschriften zahlreicher Gesundheitsberufe wird in den Ausbildungszielen ausdrücklich der Vermittlung einer geistigen Grundhaltung der Achtung vor dem Leben, der Würde und den Grundrechten jedes Menschen Rechnung getragen. Diese Ausbildungsziele sollen u.a. auch einen Beitrag zur Verhinderung der Gewalt an Frauen leisten und gewährleisten, dass Gesundheitsberufe im Rahmen ihrer Ausbildungen befähigt werden, zur Gewaltprävention beizutragen. Entsprechende Lehrinhalte werden in den Ausbildungen der PsychologInnen, der PsychotherapeutInnen und der MusiktherapeutInnen unter dem Titel „institutionelle, gesundheitsrechtliche und psychosoziale Rahmenbedingungen“ vermittelt.

Weiters hat sich der Psychologenbeirat, insbesondere der gesundheitspolitische Fachausschuss, mit diesem Thema befasst und entsprechende Konzepte bzw. Vernetzungsmöglichkeiten von bereits bestehenden psychosozialen Berufen, die mit der Thematik „Gewalt gegen Frauen“ befasst sind, erarbeitet.

Das Ergebnis des gesundheitspolitischen Fachausschusses „Gewalt gegen Frauen – Fortbildungskonzepte für MitarbeiterInnen des Gesundheitswesens sowie Einsatzkräfte von Polizei und Justiz“ wurde von der Vollsitzung des Psychologenbeirates im Jahr 2002 beschlossen.

Ebenso berücksichtigt die Ärzteausbildung geschlechtsspezifische Besonderheiten und Sozialmedizin, wobei hierzu insbesondere auf das Sonderfach Gerichtsmedizin zu verweisen wäre. Entsprechende Lehrveranstaltungen, z. B. zu Gewalt im häuslichen Bereich, werden auch bereits im Rahmen des Medizinstudiums angeboten.

Darüber hinaus werden in der Ausbildung der RichteramtsanwärterInnen Kurse zum Thema Gewalt im häuslichen Nahbereich abgehalten. Behandelt werden u.a. das Gewaltschutzgesetz, die einstweiligen Verfügungen in diesem Bereich, Opferschutz und Verbrechensopfergesetz, Umgang mit traumatisierten Menschen sowie juristische und psychosoziale Prozessbegleitung von Opfern. Dabei sind auch Vortragende aus anderen Fachbereichen, wie Sicherheitsexekutive und Sicherheitsbehörden sowie Mitarbeiterinnen von Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen involviert.

Weiters haben RichteramtsanwärterInnen im Rahmen des Ausbildungsdienstes seit 1. Jänner 2009 auch eine mindestens zweiwöchige Praxis bei einer Opferschutz- oder Fürsorgeeinrichtung zu absolvieren (§ 9 Abs. 4 RStDG), wodurch der Grundstein für eine behördenübergreifende Zusammenarbeit gelegt wird.

Im Rahmen der Fortbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen werden laufend Veranstaltungen zu den Themen Opferschutz, Einschätzung der Gefährlichkeit von TäterInnen bei häuslicher Gewalt und Stalking, Umgang mit minderjährigen Missbrauchsopfern im Zivil- und Strafverfahren, Gewaltschutz und Schutz vor Stalking – aus zivilrechtlicher und aus strafrechtlicher Sicht veranstaltet. Auch hier findet eine behördenübergreifende Zusammenarbeit statt, wobei beispielsweise auf die regelmäßig abgehaltenen Fachtagungen der Interventionsstellen gegen Gewalt in der Familie verwiesen werden darf, bei denen auch RichterInnen und StaatsanwältInnen die Teilnahme offen steht.

Damit die Beratung und persönliche Begleitung von Opfern von Gewalt nach fachlich gesicherten Standards durchgeführt werden kann, finanziert das BMWFJ die für psychosoziale und rechtliche ProzessbegleiterInnen notwendigen Ausbildungs-, Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen.

Um Berufsgruppen, die in der Aufdeckung von Gewalt an Frauen und Kindern eine zentrale Rolle spielen, ihre Arbeit zu erleichtern, hat das BMWFJ Informationsmaterialien herausgegeben. Die Broschüren und Websites richten sich an das medizinische System aber auch an PädagogInnen, die Jugendhilfe, an die Sicherheitsexekutive und Sicherheitsbehörden:

- „Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. Leitfaden für die Kinderschutzarbeit in Gesundheitsberufen“ (an alle Praktischen ÄrztInnen, KinderärztInnen und relevanten Spitalsambulanzen verschickt);

- „Gesundheitliche Versorgung gewaltbetroffener Frauen. Ein Leitfaden für Krankenhaus und medizinische Praxis“ (an alle Praktischen ÄrztInnen, GynäkologInnen und relevanten Spitalsambulanzen verschickt);

- „Leitfaden für gewaltfreie Lebensräume für Kinder“ (für sozial-/pädagogische Einrichtungen);

- Broschüre „(K)ein sicherer Ort. Sexuelle Gewalt an Kindern“;

- www.gewaltinfo.at: Informationen über Hilfseinrichtungen, Recht und Basisinfos zum Thema Gewalt im sozialen Nahraum;

- www.kinderrechte.gv.at vermittelt umfassend die Rechte von Kindern. Die Gleichstellung der Geschlechter (Nichtdiskriminierung) und die Gewaltfreiheit gehören zu den Grundprinzipien aller Informationen dieser Seite;

- „Kinderhandel in Österreich. Hintergrundinformationen und „Checkliste“ zur Identifizierung von Opfern von Kinderhandel durch Jugendhilfe, Polizei, Fremdenbehörden, Botschaften/Konsulate und Justiz“.

Zu Art. 16 – Vorbeugende Interventions- und Behandlungsprogramme:

Dieser Art. verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Einrichtung oder Unterstützung von Programmen zur Verhütung (weiterer) häuslicher Gewalt sowie zur Rückfallsprävention, insbesondere von Sexualstraftätern.

In den meisten österreichischen Justizanstalten werden für die Insassen Anti-Gewalt- Trainings angeboten. Viele der Gruppen werden vom Psychologischen Dienst der Anstalt gemeinsam mit Therapeuten der Männerberatung betreut. Zusätzlich erfolgt eine Behandlung von Sexual- und Gewaltstraftätern in Einzeltherapien.

Gewisse Elemente sind in allen Anti-Gewaltgruppen vorhanden wie: Erwerben von Selbstsicherheit, Deliktsarbeit, Opferempathie, Auseinandersetzung mit der eigenen Deliktsgeschichte, Kommunikationsarbeit, Gesprächsverhalten, Konfliktbearbeitung, Selbst- und Fremdwahrnehmung, Rückmeldung geben und empfangen, Stressmanagement, Wahrnehmung von Gefühlen, moralisches Handeln und Empathie, Kontakt- und Kommunikationstraining, Geschlechterstereotypen sowie Suchtmittelkontrolle.

Das Anti–Gewalt-Programm soll zu einer Veränderung des Verhaltens des gewalttätigen Mannes mit dem Ziel führen, alle körperlichen und nicht körperlichen Gewaltformen aus seinem Verhaltensrepertoire zu beseitigen und ihm beim Erlernen von gewaltfreien und partnerschaftlichen Verhaltensweisen im Umgang mit seinen Bezugspersonen helfen. Gleichzeitig sollen von Gewalt betroffene Partnerinnen und Kinder gestärkt und unterstützt und dadurch eine Verbesserung der Lebensqualität aller im Gewaltsystem befindlichen Personen erreicht werden.

Sex Offender Treatment Programme sind Behandlungsprogramme für Sexualstraftäter. Sie bestehen zumeist aus einem deliktspezifischen Teil und einem deliktunspezifischen Teil für Täter, die das Delikt noch nicht eingestehen können.

Seit 1999 wird in Wien von der Männerberatung und der Wiener Interventionsstelle gegen familiäre Gewalt ein Anti-Gewalt-Programm durchgeführt, das die Sicherheit der Opfer als prioritäres Ziel verfolgt. Mit der Einrichtung von Anti-Gewalt Programmen, die die Sicherheit der Opfer ins Zentrum stellen, wurden in den letzten Jahren auch in den Bundesländern und in Kooperation von Bewährungshilfe- und Opferschutzeinrichtungen begonnen.

Zu Art. 17 – Beteiligung des privaten Sektors und der Medien:

Abs. 1 umfasst zwei unterschiedliche Verpflichtungen: Von den Vertragsparteien des Übereinkommens wird in erster Linie verlangt, den privaten Sektor, den Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die Medien dazu zu ermutigen, nicht nur zur Erarbeitung lokaler, regionaler oder nationaler politischer Ansätze beizutragen und sich um die Verhütung von Gewalt gegen Frauen zu bemühen, sondern auch an deren Umsetzung mitzuwirken. Diese Fördermaßnahmen der Vertragsparteien haben die freie Meinungsäußerung und die Unabhängigkeit der Medien zu respektieren.

An zweiter Stelle werden die Vertragsparteien dazu aufgefordert, den privaten Sektor, den Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien und die Medien dazu zu ermutigen, im Zuge der Selbstregulierung Richtlinien und Normen zu erstellen, um den Respekt der Würde der Frauen zu stärken und somit zur Verhütung von gegen sie gerichteter Gewalt beizutragen. Der Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien und die Medien sollen auch dazu motiviert werden, auf Selbstregulierung basierende Normen zu verabschieden und davon abzusehen, weibliche Stereotype und erniedrigende Bilder von Frauen, welche sie u.U. mit Gewalt und Sex in Verbindung bringen, zu vermitteln. Dazu wären ethische Verhaltenskodizes erstrebenswert, wobei bei der Thematisierung von Gewalt gegen Frauen in den Medien die Menschenrechte als Grundlage dienen könnten. Unterschiede zwischen den Geschlechtern sollten berücksichtigt werden und jede Sensationsberichterstattung unterbleiben. Alle diese Maßnahmen sollten unter gebührender Berücksichtigung der Grundprinzipien wie freie Meinungsäußerung, Pressefreiheit und künstlerische Freiheit durchgeführt werden.

Zum Schutz vor Gewalt im Internet stellt das BMWFJ Informationen und Schulungen zur sicheren Nutzung des Internets für Jugendliche und Eltern zur Verfügung (in Kooperation mit Saferinternet.at). So helfen ein Facebook-Guide und Facebook-Check dabei, das Netzwerk so zu benutzen, dass Übergriffe und Mobbing erschwert werden. Kinder und Jugendliche wie auch Eltern und pädagogisch Tätige werden in Schulungen und mit Flyern und Broschüren sensibilisiert, problematische Situationen zu erkennen, zu vermeiden und damit umzugehen. Besonderer Wert wird auch darauf gelegt, dass die Heranwachsenden wissen, wohin sie sich um Hilfe wenden können – von der „Stoppline“ gegen illegale Inhalte bis zum „Internet-Ombudsmann“. Die Medien- und Jugend-Infostelle des BMWFJ führt Aufklärungsprojekte für Jugendarbeiter/innen, Lehrkräfte, Kinder/Jugendliche und Eltern durch.

Der „Elternratgeber Sexualität und Internet“ (gemeinsam mit ÖIAT) soll Eltern unterstützen, ihre Kinder in der Entwicklung ihrer Sexualität und Nutzung der E-Medien zu begleiten.

Der „Verein zur Selbstkontrolle der österreichischen Presse – Österreichischer Presserat“ (http://www.presserat.at) wurde im Jahr 2010 neu bzw. wieder gegründet. Der Österreichische Presserat ist eine Selbstregulierungseinrichtung im Presse­bereich, die auf dem Prinzip der Freiwilligkeit beruht und der redaktionellen Qualitätssicherung sowie der Gewährleistung der Pressefreiheit dient. Die Zuständigkeit des Presserates erstreckt sich auf alle periodischen Druckwerke sowie auf Medien, deren Hauptzweck in der Ergänzung periodischer Druckwerke liegt, wie z. B. Internetausgaben von Printprodukten.

Der Presserat hat einen Ehrenkodex für die journalistische Arbeit erstellt (http://www.presserat.at/rte/upload/pdfs/grundsaetze_fuer_die_publizistische_arbeit.pdf), der am Mediengesetz anknüpft und als ethische Richtschnur für Medienschaffende anzusehen ist. Dieser Kodex bildet die Grundlage für die Entscheidungen der Senate des Presserates und beinhaltet Regeln für die Arbeit der Journalisten, die die Wahrung der journalistischen Berufsethik sicherstellen sollen. So sind beispiels­weise Pauschalverdächtigungen und Pauschalverunglimpfungen von Personen und Personengruppen unter allen Umständen zu vermeiden. Weiters ist jede Diskrimi­nierung aus rassischen, religiösen, nationalen, sexuellen oder sonstigen Gründen unzulässig. Klargestellt wird zudem, dass jeder Mensch Anspruch auf Wahrung der Rechte und Würde der Person hat.

Der Österreichische Werberat (Verein „Gesellschaft zur Selbstkontrolle der Werbewirtschaft“; http://www.werberat.or.at) ist eine Selbstregulierungseinrichtung der Werbewirtschaft. Ziel ist es, Fehlentwicklungen bzw. Missbräuche in der Werbung zu korrigieren, sowie als Sprachrohr der Konsumenten wie auch verantwortungs­bewusster Werbeunternehmen zu fungieren. Für den Zuständigkeitsbereich des Werberates besteht ein Selbstbeschränkungskodex (http://www.werberat.or.at/layout/neuer%20Kodex_7_12_09.pdf), der verhindern soll, dass diskriminierende, die Würde des Menschen verletzende oder irreführende Werbemaßnahmen gesetzt werden. Hinsichtlich der Achtung der Würde von Frauen ist speziell Abschnitt 2.1. des Kodizes (geschlechterdiskriminierende Werbung) zu beachten.

Kapitel IV – Schutz und Unterstützung

Zu Art. 18 – Allgemeine Verpflichtungen:

In diesem Artikel werden mehrere allgemeine Grundsätze benannt, die bei der Erbringung von Schutz- und Hilfsdiensten berücksichtigt werden müssen. Die Vertragsparteien haben insbesondere die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um Opfer vor weiteren Gewalttaten zu schützen. Auch soll die Zusammenarbeit zwischen den relevanten staatlichen Stellen, einschließlich der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Strafverfolgungsbehörden sowie nichtstaatlichen Organisationen mit Blick auf den Schutz von Opfern sowie ZeugInnen von in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Straftaten gefördert werden.

Die Vorgaben des Übereinkommens zur Unterstützung der Opfer werden von Österreich gegenwärtig erfüllt. Eine Vielzahl von Einrichtungen bietet Hilfe, unabhängig von der Bereitschaft des Opfers, Anzeige zu erstatten oder gegen den Täter auszusagen, wobei insbesondere folgende hervorzuheben sind:

- Rechtsberatungsstellen, die kostenlose Rechtsberatung durch RechtsanwältInnen bereitstellen;

- Interventionsstellen bzw. Gewaltschutzzentren Österreichs, die als gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtungen Opfern häuslicher Gewalt, somit meist Frauen und Kindern, helfen;

- Frauennotrufe bzw. Frauenberatungsstellen, die eine erste Anlaufstelle für alle Fragen im Zusammenhang mit Gewalt gegen Frauen wie etwa Gewalt in der Familie bzw. Ehe/Partnerschaft, Vergewaltigung, sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz etc. darstellen;

- Kinderschutzzentren, die Beratung in Fällen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche bieten;

- Frauenhäuser, die Frauen, die Gewalt durch ihren Partner oder Ehemann erleben, und ihren Kindern eine sichere Wohnmöglichkeit ermöglichen;

- Männerberatungsstellen, die Unterstützung und Beratung für Männer in Krisensituationen bereitstellen;

- Allgemeine Opferschutzeinrichtungen, bei denen es sich meist um unabhängige Vereine mit verschiedenen Themenschwerpunkten (z. B. für misshandelte Kinder, Verbrechensopfer) handelt.

Die in jedem Bundesland Österreichs eingerichteten Interventionsstellen gegen Gewalt bzw. Gewaltschutzzentren sind eine Begleitmaßnahme zum Bundesgesetz zum Schutz bei Gewalt in der Familie (GeSchG), BGBl. Nr. 759/1996, und Teil des Reformpaketes zur Prävention von Gewalt in den Familien. Sie sind eine im Bundesgesetz über die Organisation der Sicherheitsverwaltung und die Ausübung der Sicherheitspolizei (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF, verankerte Einrichtung und dienen in erster Linie dem Schutz der Opfer von Gewalt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind im Rahmen einer Wegweisungshandlung verpflichtet, die Gefährdeten über eine geeignete Opferschutzeinrichtung zu informieren und setzen die jeweils zuständige Opferschutzeinrichtung (§ 25 Abs. 3 SPG) von der Verhängung des Betretungsverbotes in Kenntnis. Die Opferschutzeinrichtung nimmt daraufhin unmittelbar mit den Opfern Kontakt auf und bietet ihnen kostenlos und vertraulich Beratung und Unterstützung. Finanziert wird diese Einrichtung aus Mitteln der öffentlichen Hand.

Die Informationsstelle gegen Gewalt ist eine österreichweit tätige Einrichtung, die Aktivitäten zur Prävention von Gewalt an Frauen und Kindern in Beziehungen bzw. in der Familie setzt. Träger der Informationsstelle ist der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser, der als Dachorganisation aktuell 19 Einrichtungen in ganz Österreich vernetzt. Die Tätigkeit der Informationsstelle wird durch Subventionen und Aufträge verschiedener öffentlicher Fördergeber finanziert.

In Österreich gewähren die prozessrechtlichen Opferschutzbestimmungen unabhängig vom Alter des Opfers Schutz und Unterstützung soweit es nach den Bedürfnissen des Opfers erforderlich ist. § 10 StPO verpflichtet alle im Strafverfahren tätigen Behörden auf die Rechte und Interessen der Opfer von Straftaten angemessen Bedacht zu nehmen, wie auch die Opfer mit Würde zu behandeln und deren Interesse an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt auch für die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson bei der Einvernahme als Zeuge (§ 160 Abs. 2 und 3 StPO) sowie für die abgesonderte kontradiktorische (schonende) Einvernahme (§ 165 Abs. 3 und 4 und § 250 Abs. 3 StPO).

Opfer im Sinne es § 65 Z 1 lit. a und b StPO, das sind Personen, die durch eine vorsätzlich begangene Straftat Gewalt oder gefährlicher Drohung ausgesetzt oder in ihrer sexuellen Integrität beeinträchtigt worden sein könnten sowie der Ehegatte, der eingetragene Partner, der Lebensgefährte, die Verwandten in gerader Linie, der Bruder oder die Schwester einer Person, deren Tod durch eine Straftat herbeigeführt worden sein könnte, oder andere Angehörige, die Zeugen der Tat waren, haben zudem Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, sofern dies zur Wahrung ihrer prozessualen Rechte unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Betroffenheit erforderlich ist (§ 66 Abs. 2 StPO). Opferschutzeinrichtungen, die vom BMJ mit der Durchführung der Prozessbegleitung beauftragt werden, sichern für das Strafverfahren eine multidisziplinäre Unterstützung für das Opfer. Die psychosoziale Prozessbegleitung umfasst auch die Vorbereitung des Opfers auf das Strafverfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen zur Vermeidung einer sekundären Viktimisierung.

Da die professionelle Kooperation und der regelmäßige Informationsaustausch zwischen den beteiligten Berufsgruppen für das Funktionieren der Prozessbegleitung unabdingbar sind, wurden mit Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 13. Jänner 2009, BMJ-A306.200/0031-III 4/2008, „Runde Tische – Prozessbegleitung“ als Vernetzungsforum eingeführt.

Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen weist darauf hin, dass einige in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallende Formen von Gewalt eine internationale Dimension haben können (Abs. 122). So brauchen etwa die Opfer von Gewalt, z.B. von Zwangsehen oder häuslicher Gewalt, aber auch von Genitalverstümmelung bedrohte und sich außerhalb des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie haben, aufhaltende Frauen und Mädchen konsularischen Schutz und soweit möglich ärztliche und finanzielle Hilfe. In Absatz 5 werden die Vertragsparteien dazu aufgefordert, geeignete Maßnahmen durchzuführen, um konsularische Unterstützung und soweit erforderlich sonstige Formen von Schutz und Unterstützung bereitzustellen, darunter auch Hilfe für Opfer von Gewaltdelikten, Unterstützung im Fall von Arrest oder Inhaftierung, Hilfe und Rücktransport für Staatsangehörige in Schwierigkeiten, die Ausstellung neuer Ausweispapiere und sonstige konsularische Hilfsleistungen. Diese Verpflichtung beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigen einer Vertragspartei des Übereinkommens, sondern erstreckt sich auf alle Opfer die entsprechend den Verpflichtungen nach internationalem Recht Anspruch auf den staatlichen Schutz dieser Vertragspartei haben, z.B. Angehörige eines Mitgliedstaats der Europäischen Union, der wie in Artikel 20 (2) des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union dargelegt nicht selbst über eine ständige Vertretung (Botschaft, Generalkonsulat oder Konsulat) Schutz bietet.

Zu Art. 19 – Informationen:

Mit dieser Bestimmung wird nachdrücklich auf die Notwendigkeit eingegangen, Opfer über die verschiedenen Hilfsdienste und juristischen Mittel, die ihnen offen stehen, in einer ihnen verständlichen Sprache zu informieren.

Ist eine Frau Opfer einer gewalttätigen Handlung geworden, existiert in Österreich ein engmaschiges Netz an rechtlicher und faktischer Hilfe, die sie in Anspruch nehmen kann. Neben der rund um die Uhr mit Expertinnen besetzten und gebührenfreien Frauenhelpline Tel.: 0800 222 555, stehen Frauen die Frauennotrufe im Falle einer Vergewaltigung sowie die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen in Gewaltsituationen in der Familie oder im sozialen Umfeld zur Verfügung. Frauenhäuser bieten von Gewalt bedrohten bzw. betroffenen Frauen und ihren Kindern einen geschützten Wohnraum.

Für Migrantinnen, die die deutsche Sprache nicht bzw. nicht gut beherrschen, gibt es einige auf Migrantinnen spezialisierte Beratungsstellen. Die Frauenhelpline 0800 222 555 bietet muttersprachliche Information und erteilt auch Auskunft über die am nächsten gelegene spezialisierte Einrichtung.

Die Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen, die Frauenhäuser sowie die Notrufe erteilen vielfach bereits muttersprachliche Beratung bzw. ziehen bei Bedarf Dolmetscherinnen bei.

Eine entsprechende Linkliste ist u.a. auf der Internetseite des Bundeskanzleramtes abrufbar und gibt einen österreichweiten Überblick über Frauennotrufe, Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen sowie Frauenhäuser.

Die Broschüre „Frauen haben Recht(e)“, die ebenfalls auf der Homepage des Bundeskanzleramtes aufgerufen werden kann, fasst die Möglichkeiten für Frauen, Schutz zu suchen und ihre Rechte zu wahren sowie die wesentlichsten Verfahrensabläufe zusammen und bietet ferner einen Einblick wie Sicherheitsbehörden, Justiz und die Hilfseinrichtungen zusammenarbeiten.

Zu Art. 20 – Allgemeine Hilfsdienste:

Art. 20 verpflichtet die Vertragsparteien zur Unterstützung der körperlichen und psychosozialen Genesung der Opfer. Maßnahmen sollen, sofern erforderlich, Dienste wie rechtliche und psychosoziale Beratung, finanzielle Unterstützung, Unterkunft, Ausbildung, Schulung sowie Unterstützung bei der Arbeitssuche umfassen.

Das österreichische Sozialsystem bietet Opfern von Gewalt im Rahmen des Gesundheitswesens bzw. durch die Krankenversicherung eine umfassende medizinische und therapeutische Behandlung.

Zusätzlich sieht das Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl. Nr. 288/1972, für Opfer von Gewalt- und Sexualdelikten finanzielle (staatliche) Hilfeleistungen vor.

Auch der Anspruch des Opfers auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung gemäß § 66 Abs. 2 StPO sichert eine multidisziplinäre Unterstützung des Opfers.

In diesem Zusammenhang strebt das BMASK auch künftig die Förderung von Anti-Gewalt-Projekten wie z. B. des Projekts der Afrikanischen Frauenorganisation betreffend die Eliminierung von FGM, welches auf die medizinische und soziale Beratung von afrikanischen Frauen und Mädchen zum Thema Genitalverstümmelung abzielt, an. Grundsätzlich wird die Wichtigkeit des Gewaltschutzgesetzes und der Arbeit von Interventionsstellen, Gewaltschutzzentren, Frauenhäusern und Kinderschutzzentren betont. Das Projekt „Armutsfalle – Gewalt an Frauen“ des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser wird seitens des BMASK gefördert, welches darauf abzielt, MultiplikatorInnen in Betrieben über die sozioökonomischen Auswirkungen von Gewalt an Frauen zu informieren und damit zur Verringerung von wirtschaftlicher Ungleichheit von Frauen beizutragen.

Zu Art. 21 – Unterstützung bei Einzel- oder Sammelklagen:

Mit dieser Bestimmung werden die Vertragsparteien verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass Opfer Informationen über geltende regionale und internationale Mechanismen für Einzel- oder Sammelklagen und Zugang zu diesen erhalten. Die Mitgliedstaaten des Europarats, somit auch Österreich, sind Parteien einer bedeutenden Anzahl regionaler und internationaler Verträge zu Menschenrechten, und akzeptieren damit grundsätzlich die Zuständigkeit der entsprechenden Vertragsorgane sowie die vorgesehenen Beschwerdemechanismen. Nach der Ausschöpfung interner Rechtsmittel können die Opfer aller in den Anwendungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt eine Reihe von regionalen und internationalen Beschwerdemechanismen nutzen. Diese können Einzelpersonen offen stehen, die sich z. B. an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder an den CEDAW-Ausschuss wegen weiterem Schadenersatz wenden können. Die Verfahren können auch eine kollektive Form annehmen, d.h. sie können von Opfergruppen genutzt werden, z. B. über das mit der Europäischen Sozialcharta eingeführte Mittel einer Sammelklage. Diese Bestimmung will auch fördern, dass der Staat, Vereinigungen von Rechtsvertretern, relevante Nichtregierungsorganisationen und sonstige denkbare Akteure sensible und sachkundige Unterstützung für Opfer bei der Einreichung solcher Beschwerden bereitstellen. Diese „Unterstützung“ kann in Auskünften und rechtlicher Beratung bestehen. Die zur Verfügung gestellte Unterstützung soll ausreichend sachkundig und den Bedürfnissen der Opfer angepasst sein, um deren Zugang zu geltenden Beschwerdemechanismen zu vereinfachen.

Zu Art. 22 – Spezialisierte Hilfsdienste:

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsstaaten, die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu ergreifen, um in angemessener geographischer Verteilung spezialisierte Hilfsdienste für sofortige sowie kurz- und langfristige Hilfe für alle Opfer von in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten bereitzustellen oder für deren Bereitstellung zu sorgen.

Beginnend mit Ende 1995 wurde bis zum Herbst 1999 als soziale Begleitmaßnahme zum Gewaltschutzgesetz (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl. Nr. 759/1996) flächendeckend in jedem Bundesland eine Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie eingerichtet (in den Bundesländern bezeichnen sich diese Opferschutzeinrichtungen mittlerweile als Gewaltschutzzentren).

Sie verfolgen einen proaktiven Ansatz - nach einer sicherheitspolizeilichen Wegweisung wird die betroffene Person aktiv kontaktiert - und bieten umfassende Unterstützung an.

Ihre Mittel wurden seit 2001 fast verdreifacht (rd. 2,6 Mio. Euro im Jahr 2001 gegenüber rd. 6,76 Mio Euro im Jahr 2013), die Betreuungszahlen haben sich mehr als verdreifacht (von ca. 4.850 im Jahr 2001 auf ca. 15.800 im Jahr 2012).

In mehreren Bundesländern wurden zusätzliche Regionalstellen eingerichtet, die teilweise aus Landesmitteln finanziert werden. Bei Bedarf wird auch mobile Beratung vor Ort in kooperierenden Einrichtungen angeboten. Weiters werden zahlreiche Frauenservicestellen gefördert, die auch von Gewalt betroffene Frauen beraten. Um Migrantinnen adäquat zu unterstützen, gibt es einige auf Migrantinnen spezialisierte Beratungsstellen.

Für Opfer von Frauenhandel wurde 1998 die Interventionsstelle für Betroffene von Frauenhandel eingerichtet. Sie ist bundesweit für die Betreuung und Unterstützung von Opfern von Frauenhandel zuständig. Das Angebot umfasst muttersprachliche Beratung sowie die Möglichkeit der Unterbringung in einer Notwohnung mit 24-Stunden Betreuung oder in einer Übergangswohnung bei geringerem Betreuungsbedarf. Die Mittel stiegen von rd. 0,2 Mio Euro im Jahr 2001 auf rd. 0,5 Mio. Euro im Jahr 2013, die Zahl der betreuten Opfer stieg von 163 im Jahr 2001 auf 232 im Jahr 2012.

Auch Qualifizierungsmaßnahmen für Mitarbeiterinnen von Gewaltschutzeinrichtungen werden regelmäßig durchgeführt. So wurde etwa ein eigenes Curriculum für psychosoziale und juristische Prozessbegleitung für weibliche Gewaltopfer erstellt.

Zu Art. 23 – Schutzunterkünfte:

Diese Bestimmung sieht die Einrichtung von geeigneten, leicht zugänglichen Schutzunterkünften in ausreichender Zahl vor, die Opfern, insbesondere Frauen und ihren Kindern, eine sichere Unterkunft gewähren und aktiv auf Opfer zugehen sollen.

Damit verpflichten sich die Mitgliedstaaten zur Schaffung einer ausreichend großen Anzahl von Unterkünften, um allen Opfern übergangsweise eine angemessene Unterbringung anzubieten. Jede Art von Gewalt erfordert einen besonderen Schutz und besondere Unterstützung. Das Personal sollte entsprechend ausgebildet sein, um dies gewähren zu können. Die Bezeichnung „in ausreichender Zahl“ wurde laut dem Erläuternden Bericht zur Konvention gewählt, um dafür Sorge zu tragen, dass den Bedürfnissen aller Opfer im Hinblick auf verfügbare Zufluchtsorte und spezialisierte Hilfe entsprochen wird (Abs. 135). Im Abschlussbericht der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (EG-TFV (2008)6) wird eine sichere Unterkunft für Frauen in spezialisierten Schutzeinrichtungen empfohlen, die auf alle Regionen verteilt sind und eine Familie pro 10.000 Einwohner aufnehmen können. Die Anzahl der Schutzeinrichtungen sollte sich jedoch nach dem tatsächlichen Bedarf richten.

In Österreich existieren derzeit 30 Frauenhäuser (Quelle: Verein autonome österreichische Frauenhäuser (AÖF), Fact sheet FRAUENHÄUSER in ÖSTERREICH, Stand 2012, Website: http://www.aoef.at/factsheets/FRAUENHÄUSER%20in%20ÖSTERREICH.pdf. Sie werden überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert, hierbei wiederum vor allem aus Mitteln der Länder. Die Frauenhäuser bieten ca. 759 Plätze für Frauen und Kinder. Um den Mindeststandard von 1 Platz pro 10.000 EinwohnerInnen zu erreichen, wären 840 Plätze notwendig. Es kann also gesagt werden, dass der Bedarf überwiegend gedeckt ist, es fehlen für den Mindeststandard lediglich ca. 80 Plätze. Die regionale Versorgung ist grundsätzlich als gut zu bezeichnen, eventuell dennoch bestehender regionaler Mehrbedarf ist zu prüfen.

Beim Verein Pro Senectute Österreich wurde im Auftrag des BMASK eine zentrale Ansprechstelle für ältere Gewaltopfer eingerichtet. Das „Beratungstelefon“ bietet Informationen und Beratung bei allen Formen von Gewalt gegen ältere Frauen und Männer an und ist am Montag, Mittwoch und Freitag von 10 - 13 Uhr und am Dienstag und Donnerstag von 16 - 19 Uhr besetzt. Erreichbar ist diese Ansprechstelle unter der Telefonnummer 0699 11200099.

Zu Art. 24 – Telefonberatung:

Nach dieser Bestimmung soll eine kostenlose, landesweite und täglich rund um die Uhr erreichbare Telefonberatung eingerichtet werden, die AnruferInnen vertraulich bzw. unter Berücksichtigung ihrer Anonymität im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt beraten soll.

Wie der Erläuternde Bericht zur Konvention festhält, wurde im Abschlussbericht der Task Force des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (EG-TFV (2008)6) die Einrichtung von mindestens einem kostenlosen nationalen Telefondienst empfohlen, der für alle Formen von Gewalt gegen Frauen zuständig und an 24 Stunden am Tag, an sieben Tagen in der Woche erreichbar ist und in allen relevanten Sprachen Notfallhilfe anbietet.

Die „Helpline gegen Männergewalt“ wurde bereits 1989 eingerichtet und ist eine österreichweit gebührenfrei unter der Telefonnummer 0800 222 555 erreichbare spezialisierte Telefonberatung für Frauen, die von (Männer)Gewalt betroffen sind.

Ein Team von Expertinnen bietet Erst- und Krisenberatung an und vermittelt gezielt an regionale Frauenschutzeinrichtungen und Frauenberatungsstellen weiter, rund um die Uhr, anonym und kostenlos an 365 Tage im Jahr. Weiters informiert es über rechtliche und soziale Fragen und sorgt in Akutsituationen für rasche Hilfe. Dieses Angebot kann auch vom sozialen Umfeld Betroffener oder Bedrohter in Anspruch genommen werden.

Zu Art. 25 – Unterstützung für Opfer sexueller Gewalt:

Diese Bestimmung verlangt die Einrichtung von geeigneten, leicht zugänglichen Krisenzentren für Opfer von Vergewaltigung und sexueller Gewalt in ausreichender Zahl, um Opfern medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen, Traumahilfe und Beratung anzubieten. Wie der Erläuternde Bericht zur Konvention festhält, erfordert die Unterstützung von Opfern sexueller Gewalt zumal angesichts des traumatisierenden Charakters insbesondere einer Vergewaltigung geschultes und spezialisiertes Personal, das sich durch Sensibilität auszeichnet (Abs. 138). Die Opfer dieser Art von Gewalt benötigen eine sofortige medizinische Versorgung und Hilfe in Bezug auf das erlittene Trauma in Verbindung mit einer rechtsmedizinischen Untersuchung zur Sicherung der für die Strafverfolgung unerlässlichen Beweise. Darüber besteht ein erheblicher Bedarf an psychologischer Betreuung und Therapie, der sich auch erst Wochen oder Monate nach dem Vorfall manifestieren kann.

Mit der Bestimmung zur obligatorischen Errichtung dieser Zentren werden die Vertragsparteien des Übereinkommens verpflichtet dafür Sorge zu tragen, dass diese Zentren in ausreichender Zahl vorhanden und leicht zugänglich sind und dass ihre Dienste auf geeignete Weise erbracht werden. In den Erläuterungen zur Konvention wird die Einrichtung von einem Zentrum für Opfer sexueller Gewalt pro 200.000 EinwohnerInnen empfohlen. Dieser Standard wäre in Österreich nicht erreicht. Beratungsstellen bzw. Notrufe für Opfer sexueller Gewalt gibt es in Wien, Linz, Graz, Tirol und Salzburg. Zusätzlich existieren Beratungsstellen gegen sexuellen Missbrauch (für Mädchen und Buben) sowie allgemeine Beratungsstellen, die zum Teil ebenfalls Beratung bei sexueller und häuslicher Gewalt anbieten. Ob der Bedarf hier als gedeckt zu bezeichnen ist, bedarf einer Prüfung.

Zu den Anforderungen dass die Einrichtungen auch medizinische und gerichtsmedizinische Untersuchungen anbieten sollen, ist zu sagen, dass es sich dabei um Maßnahmen handelt, mit deren Etablierung auch international erst in den letzten Jahren begonnen wurde und dass es hier noch Ausbaubedarf gibt. Neue Initiativen zur Verbesserung von gerichtsmedizinischen Untersuchungen für Opfer von Gewalt existieren in Wien und Graz. Ein sensiblerer Umgang mit den Opfern von sexueller Gewalt kann auch durch die mit einer Novelle zum Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten im Jahr 2011 (BGBl I Nr 69/2011) erfolgte Einrichtung von Opferschutzgruppen erwartet werden (§ 8e KAKuG).

Zu Art. 26 – Schutz und Unterstützung für Zeuginnen und Zeugen, die Kinder sind:

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien, bei der Bereitstellung von Schutz und Unterstützung den Bedürfnissen von Kindern, die ZeugInnen von Gewalttaten im Sinne dieses Übereinkommens geworden sind, besonders Rechnung zu tragen.

Seit 1. Jänner 2008 ist bei Staatsanwaltschaften mit zumindest zehn systemisierten staatsanwaltschaftlichen Planstellen eine Sonderzuständigkeit für die Bearbeitung von Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) vorgesehen, wobei die dort tätigen StaatsanwältInnen speziell geschult werden.

Für das Strafverfahren stehen Opfern im Sinne des § 65 Z 1 lit. a und b StPO unter Berücksichtigung der persönlichen Betroffenheit und soweit dies für die Wahrung der prozessualen Rechte erforderlich ist, gemäß § 66 Abs. 2 StPO psychosoziale und juristische Prozessbegleitung zu. Die Bundesministerin für Justiz ist ermächtigt, geeignete Opferschutzeinrichtungen mit der Durchführung der Prozessbegleitung zu beauftragen. Für die Prozessbegleitung von Kindern hat das BMJ auch auf die Situation von Kindern als Opfer von sexuellem Missbrauch spezialisierte Opferschutzeinrichtungen beauftragt, welche mit den Strafverfolgungsbehörden iSd Opferschutzes im Strafverfahren zusammenarbeiten.

Die prozessrechtlichen Opferschutzbestimmungen gewähren unabhängig vom Alter des Opfers Schutz und Unterstützung, soweit es nach den Bedürfnissen des Opfers erforderlich ist. § 10 StPO verpflichtet alle im Strafverfahren tätigen Behörden auf die Rechte und Interessen der Opfer von Straftaten angemessen Bedacht zu nehmen, wie auch die Opfer mit Würde zu behandeln und deren Interesse an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. Dies gilt auch für die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson bei der Einvernahme als Zeugin oder Zeuge (§ 160 Abs. 2 und 3 StPO) wie auch für die abgesonderte kontradiktorische (schonende) Einvernahme (§ 165 Abs. 3 und 4 und § 250 Abs. 3 StPO).

Bei Vorliegen eines Angehörigenverhältnisses zum Täter müssen Kinder, die Zeugen der Straftat geworden sind, in „kindgerechter“ bzw. „altersentsprechender Weise“ – über ihre Befreiung von der Aussage oder ihr Recht auf Verweigerung der gesamten oder eines Teiles der Aussage informiert werden (§ 156 Abs. 1 Z 1 StPO).

Das Zeugnisverweigerungsrecht dient dem Opferschutz unter Wahrung der Verteidigungsrechte (§ 165 StPO): Nimmt das Tatopfer das Aussageverweigerungsrecht für die Hauptverhandlung in Anspruch, können dort das Protokoll über die kontradiktorische Vernehmung verlesen und die Bild- und Tonaufnahme vorgeführt werden (§ 252 Abs 1 Z 2a StPO).

Im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Umsetzung dieses Artikels ist weiters anzuführen, dass das BMWFJ Frauenhäuser für die psychotherapeutische Betreuung von Kindern, die Zeugen familiärer Gewalt geworden sind, fördert. Weiters werden auch Beratungsstellen und Kinderschutzzentren finanziell unterstützt, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Kindern, die durch familiäre Gewalt belastet sind, zu helfen.

Zu Art. 27 – Meldung:

Art. 27 fordert die Vertragsparteien auf, Maßnahmen zu treffen, die Personen, die Kenntnis von in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Gewalttaten haben oder deren Begehung gutgläubig vermuten, zur Anzeige an zuständige Stellen zu ermutigen.

Entsprechend normiert § 80 Abs. 1 StPO das allgemeine Anzeigerecht für Personen, die von einer strafbaren Handlung Kenntnis erlangen, an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft. Gesetzliche Meldepflichten enthalten darüber hinaus § 37 Bundes-Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 – B-KJHG 2013 und § 48 Schulunterrichtsgesetz.

Die „Helpline gegen Männergewalt“ wurde bereits 1989 eingerichtet und ist eine österreichweit gebührenfrei unter der Telefonnummer 0800 222 555 erreichbare spezialisierte Telefonberatung für Frauen, die von (Männer)Gewalt betroffen sind. Ein Team von Expertinnen bietet Erst- und Krisenberatung an und vermittelt gezielt an regionale Frauenschutzeinrichtungen und Frauenberatungsstellen weiter, rund um die Uhr, anonym und kostenlos an 365 Tage im Jahr. Weiters informiert es über rechtliche und soziale Fragen und sorgt in Akutsituationen für rasche Hilfe. Dieses Angebot gilt auch für das soziale Umfeld Betroffener oder Bedrohter.

Zudem hat das BMWFJ eine Helpline für Kinder österreichweit gebührenfrei unter der Telefonnummer 0800-240 268 eingerichtet und beworben, damit Opfer von Gewalt - seien sie unmittelbar oder als ZeugInnen betroffen - leichter Hilfe bekommen können. Die gesamte Bewusstseinsbildung des Ressorts zum Thema Kinderrechte und Gewalt in der Familie (Websites, Broschüren, Poster) zielt unter anderem darauf ab, das Hinsehen statt Wegsehen zu fördern, die Bereitschaft, Hilfe in Anspruch zu nehmen und zu geben, zu erhöhen. Eines der Ziele der Plattform gegen die Gewalt in der Familie ist es auch, durch verbesserte Kooperation die Meldung von Verdachtsfällen durch Vertrauensbildung zwischen den jeweiligen Akteuren zu erleichtern.

Zu Art. 28 – Meldung durch Angehörige bestimmter Berufsgruppen:

Art. 28 normiert, dass Bestimmungen über berufliche Schweigepflichten bestimmter Berufsgruppen diesen nicht die Möglichkeit einer Meldung im Falle eines begründeten Verdachts der Begehung einer in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Straftat an die zuständigen Organisationen und Behörden verwehren dürfen.

§ 78 Abs. 1 StPO begründet für Behörden und öffentliche Dienststellen eine allgemeine Anzeigepflicht an die Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft, sofern im eigenen Wirkungsbereich der Verdacht einer strafbaren Handlung bekannt wurde. Gemäß § 78 Abs. 2 Z 1 StPO wird bei amtlichen Tätigkeiten, die auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis beruhen (Jugendämter, Lehrertätigkeit etc.), eine Ausnahme von der Anzeigenpflicht statuiert, wobei aber § 78 Abs. 3 StPO wiederum klarstellt, dass iSd des Opferschutzes die Behörde oder öffentliche Dienststelle jedenfalls alles zu unternehmen hat, was zum Schutz des Opfers oder anderer Personen vor Gefährdung notwendig ist. Nötigenfalls ist trotz der Ausnahme einer Anzeigepflicht nach § 78 Abs. 2 StPO Anzeige zu erstatten.

Das Bundes- Kinder- und Jugendhilfegesetzes 2013, BGBl. I Nr. 69/2013, das am 1. Mai 2013 in Kraft trat, regelt, dass folgende Einrichtungen und Personen den Verdacht einer Kindeswohlgefährdung unverzüglich dem örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträger schriftlich mitzuteilen haben:

           1. Gerichte, Behörden und Organe der öffentlichen Aufsicht;

           2. Einrichtungen zur Betreuung oder zum Unterricht von Kindern und Jugendlichen;

           3. Einrichtungen zur psychosozialen Beratung;

           4. private Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe;

           5. Kranken- und Kuranstalten;

           6. Einrichtungen der Hauskrankenpflege

           7. Personen, die freiberuflich die Betreuung oder den Unterricht von Kindern und Jugendlichen übernehmen;

           8. von der Kinder- und Jugendhilfe beauftragte freiberuflich tätige Personen;

           9. Angehörige gesetzlich geregelter Gesundheitsberufe, sofern sie ihre berufliche Tätigkeit nicht in einer Einrichtung gem. Z 1 bis 6 ausüben.

Alle Fachkräfte sind dann nicht zur Mitteilung verpflichtet, wenn sie durch ihre professionelle Intervention die Kindeswohlgefährdung abwenden können. Berufsrechtliche Vorschriften zur Verschwiegenheit stehen der Erfüllung der Mitteilungspflicht nicht entgegen.

Einzelne Gesetze, die das Berufsrecht der Angehörigen der Gesundheitsberufe regeln, enthalten darüber hinaus einschlägige Meldepflichten. Beispielhaft seien das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz – MMHmG), BGBl. I Nr. 169/2002 idgF und das Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG), BGBl. I Nr. 108/1997 idgF erwähnt. § 7 Z 3 MMHmG verpflichtet den medizinischen Masseur, unverzüglich Meldung an seinen Dienstgeber zu erstatten, wenn sich in Ausübung seines Dienstes der Verdacht ergibt, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist. § 35 Abs. 3 MMHmG verpflichtet den freiberuflich tätigen Heilmasseur, Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten, wenn sich in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist.

Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen (§ 166 StGB), so kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt.

§ 8 Abs. 1 Z 2 iVm Abs. 2 GuKG verpflichtet Angehörige der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, wenn sich in Ausübung ihres Berufes der Verdacht ergibt, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht wurde, Meldung an den zuständigen Jugendhilfeträger zu erstatten, sofern dies zur Verhinderung einer weiteren erheblichen Gefährdung des Wohls der betroffenen Person erforderlich ist.

§ 54 Abs. 4 Ärztegesetz 1998, BGBl. I Nr.169, idgF, verpflichtet den Arzt, für den sich in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass durch eine gerichtlich strafbare Handlung der Tod oder eine schwere Körperverletzung herbeigeführt wurde, der Sicherheitsbehörde unverzüglich Anzeige zu erstatten. Gleiches gilt im Fall des Verdachts, dass eine volljährige Person, die ihre Interessen nicht selbst wahrzunehmen vermag, misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist.

Ergibt sich für den Arzt in Ausübung seines Berufes der Verdacht, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist, so hat der Arzt gemäß Abs. 5 leg.cit. Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten. Richtet sich der Verdacht gegen einen nahen Angehörigen (§ 166 StGB), so kann die Anzeige so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendhilfeträger und gegebenenfalls eine Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung an einer Krankenanstalt erfolgt. In den Fällen einer vorsätzlich begangenen schweren Körperverletzung hat der Arzt gemäß Abs. 6 leg.cit. auf bestehende Opferschutzeinrichtungen hinzuweisen. In den Fällen des Abs. 5 leg.cit. hat er überdies unverzüglich und nachweislich Meldung an den zuständigen Jugendhilfeträger zu erstatten.

Weiters sei hier noch auf die Bestimmungen betreffend Kinderschutzgruppen und Opferschutzgruppen in Krankenanstalten hingewiesen: Das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten (KAKuG), BGBl. Nr. 1/1957 idgF sieht in seinem § 8e vor, dass in den nach Anstaltszweck und Leistungsangebot in Betracht kommenden Krankenanstalten einerseits Kinderschutzgruppen und andererseits Opferschutzgruppen einzurichten sind.

Der Kinderschutzgruppe obliegen insbesondere die Früherkennung von Gewalt an oder Vernachlässigung von Kindern und die Sensibilisierung der in Betracht kommenden Berufsgruppen für Gewalt an Kindern sowie die Früherkennung von häuslicher Gewalt an Opfern, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Der Kinderschutzgruppe haben jedenfalls als Vertreter des ärztlichen Dienstes ein Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde oder ein Facharzt für Kinderchirurgie, Vertreter des Pflegedienstes und Personen, die zur psychologischen Betreuung oder psychotherapeutischen Versorgung in der Krankenanstalt tätig sind, anzugehören. Die Kinderschutzgruppe kann, gegebenenfalls auch im Einzelfall, beschließen, einen Vertreter des zuständigen Jugendhilfeträgers beizuziehen.

Den Opferschutzgruppen obliegen insbesondere die Früherkennung von häuslicher Gewalt von volljährigen Betroffenen und die Sensibilisierung der in Betracht kommenden Berufsgruppen für häusliche Gewalt. Der Opferschutzgruppe haben jedenfalls zwei Vertreter des ärztlichen Dienstes, die bei einem entsprechenden Leistungsangebot Vertreter der Sonderfächer Unfallchirurgie sowie Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu sein haben, anzugehören. Im Übrigen haben der Opferschutzgruppe Angehörige des Pflegedienstes und Personen, die zur psychologischen Betreuung oder psychotherapeutischen Versorgung in der Krankenanstalt tätig sind, anzugehören.

Zu Art. 29 – Zivilverfahren und Rechtsbehelfe:

Nach dieser Bestimmung sollen die Vertragsparteien Opfer von Gewalt mit angemessenen zivilrechtlichen Rechtsbehelfen zum einen gegenüber dem Täter beziehungsweise der Täterin (Abs. 1), zum anderen aber auch gegenüber staatlichen Behörden, die im Rahmen ihrer Zuständigkeiten ihrer Pflicht zum Ergreifen der erforderlichen vorbeugenden Maßnahmen oder Schutzmaßnahmen nicht nachgekommen sind (Abs. 2), auszustatten.

Nach § 1 Jurisdiktionsnorm (JN) können zivilrechtliche Ansprüche von jedermann vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Dies gilt auch für Opfer von Gewalt. Art. 29 Abs. 1 ist damit bereits als umgesetzt zu betrachten.

Hinsichtlich Abs. 2 wäre für den Bereich der Hoheitsverwaltung auf das Amtshaftungsgesetz zu verweisen; im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung gilt allgemeines Schadenersatzrecht.

Kapitel V – Materielles Recht

Zu Art. 30 – Schadenersatz und Entschädigung:

Abs. 1 legt die grundsätzliche Verpflichtung fest, legislative Maßnahmen zu ergreifen, die für Opfer die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sicherstellen.

Gemäß Abs. 2 soll im Fall einer schweren Körperverletzung oder gesundheitlichen Beeinträchtigung ein Ersatzanspruch gegen den Staat bestehen, soweit Schadenersatz nicht vom Täter, einer Versicherung oder aufgrund von staatlich finanzierten Gesundheits- und Sozialmaßnahmen erlangt werden kann. Dies soll den Staat nicht davon abhalten, am Täter Regress zu nehmen, wenn dadurch nicht die Sicherheit des Opfers gefährdet ist. Prinzipiell entspricht diese Regelung im Wesentlichen dem Verbrechensopfergesetz, das für österreichische Staatsbürger bzw. Unionsbürger gilt.

Die Voraussetzung für die Geltendmachung von Regressforderungen, dass die Sicherheit des Opfers nicht gefährdet sein darf, ist zwar dem Zivilrecht an sich fremd, sollte aber durch bestehende Maßnahmen des Opferschutzes gewährleistet sein.

Finanzielle staatliche Hilfe für Opfer von Gewalttaten wird seit dem Jahr 1972 gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Gewährung von Hilfeleistungen an Opfer von Verbrechen (Verbrechensopfergesetz), BGBl. Nr. 288/1972 erbracht. Voraussetzung für diese staatliche Hilfeleistung ist, dass durch eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung (somit sind bereits leichte Körperverletzungen im Sinne des Strafgesetzbuches umfasst) eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verursacht wurde. An Hilfeleistungen für Opfer sind ein Verdienstentgang, eine einkommensabhängige Zusatzleistung, Heilfürsorge, Krisenintervention, orthopädische Versorgung, Rehabilitation, Pflege- und Blindenzulagen und eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld vorgesehen. Weiters gibt es auch Leistungen für Hinterbliebene und die Träger der Bestattungskosten. Die Vorgaben des Abs. 2 werden daher von der Republik Österreich erfüllt.

Schließlich soll Abs. 3 zufolge Schadenersatz innerhalb eines angemessenen Zeitraums geleistet werden. Durch die im Verbrechensopfergesetz anzuwendenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes ist auch eine Entscheidung innerhalb eines angemessenen Zeitraumes gewährleistet.

Zu Art. 31 – Sorgerecht, Besuchsrecht und Sicherheit:

Mit dieser Bestimmung soll dafür Sorge getragen werden, dass bei der Erlassung von Entscheidungen über das Besuchs- oder Obsorgerecht in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallende Vorfälle berücksichtigt werden (Abs. 1). Ebenso haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass die Ausübung des Besuchs- oder Sorgerechtes nicht die Rechte und die Sicherheit des Opfers oder der Kinder gefährdet (Abs. 2).

Auch insoweit entspricht das österreichische Recht schon dem Übereinkommen: Nach § 138 Z 7 ABGB idF Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 (KindNamRÄG 2013), BGBl. I Nr. 15/2013, ist bei der Beurteilung des Kindeswohls, insbesondere bei der Obsorge und den persönlichen Kontakten, auch auf das Anliegen Bedacht zu nehmen, das Kind davor zu bewahren, Übergriffe oder Gewalt selbst zu erleiden oder an wichtigen Bezugspersonen mitzuerleben. Nach § 187 Abs. 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013, BGBl. I Nr. 15/2013, kann ein Kontaktrecht insbesondere dann eingeschränkt oder unterbunden werden, wenn das auf Grund der Anwendung von Gewalt gegen das Kind oder eine wichtige Bezugsperson geboten erscheint.

Zu Art. 32 – Zivilrechtliche Folgen der Zwangsheirat:

§ 39 EheG sieht die Aufhebung der Ehe bei Drohung – auch durch eine dritte Person – auf Klage eines der Ehegatten vor. Unangemessene finanzielle Belastungen werden durch die Verfahrenshilfe vermieden. Eine vergleichbare Rechtslage besteht nach § 14 Abs. 1 Z 6 EPG bei eingetragener Partnerschaft.

Zu Art. 33 – Psychische Gewalt:

In diesem Artikel wird die Straftat der psychischen Gewalt definiert. Danach soll vorsätzliches Verhalten, das die psychische Unversehrtheit einer anderen Person durch Nötigung oder Drohung schwerwiegend beeinträchtigt, einer strafrechtlichen Sanktion zugeführt werden.

Im österreichischen Strafrecht wird die Willensfreiheit primär durch die Tatbestände der Nötigung nach § 105 f StGB sowie der gefährlichen Drohung nach § 107 StGB geschützt.

Nach § 105 StGB macht sich strafbar, wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Eine gefährliche Drohung begeht, wer einen anderen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen. Der Tatbestand des § 107 StGB verlangt somit die Absicht des Täters, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen. Rechtsprechung und Lehre verstehen unter Furcht und Unruhe nahezu übereinstimmend einen nachhaltigen, das ganze Gemüt ergreifenden, peinvollen Seelenzustand, ausgelöst durch massive Erwartungsangst vor dem herannahenden Übel wegen der Ungewissheit über das weitere Schicksal (Schwaighofer in WK² § 107 Rz 11).

Die psychische Integrität wird aber auch durch die Bestimmung des § 83 Abs. 1 StGB, der die vorsätzliche Schädigung der Gesundheit pönalisiert, unter Schutz gestellt. Bei der Schädigung an der Gesundheit geht es primär um eine Funktionsstörung. Als ihre Definition wird allgemein die Umschreibung in EBRV 1971, 212 akzeptiert: Gesundheitsschädigung ist danach die Herbeiführung oder Verschlimmerung einer Krankheit. Dabei kommen neben körperlichen auch geistig-seelische Leiden in Betracht. Vorausgesetzt ist aber in beiden Fällen, dass es sich um Zustände handelt, die Krankheitswert im medizinischen Sinn besitzen (Burgstaller/Fabrizy in WK² § 83 Rz 9).

Wird durch die Tathandlungen der Nötigung oder gefährlichen Drohung die psychische Integrität einer Person beeinträchtigt, so kann neben §§ 105, 107 StGB auch § 83 StGB der Rechtsprechung folgend in echter Konkurrenz verwirklicht sein (grundlegend SSt 46/79; EvBl 1980/33, 1984/108 ua und L/St § 83 Rz 30 sowie Kienapfel BT I § 83 Rz 51, je mit weiteren Judikaturzitaten; Burgstaller/Fabrizy in WK² § 83 Rz 46).

Zumal sich Art. 33 nach dem Erläuternden Bericht ausdrücklich nicht auf punktuelle Ereignisse sondern auf ein bestimmtes Verhalten bezieht (Pkt. 181), wäre schließlich auf § 107b StGB („Fortgesetzte Gewaltausübung“) zu verweisen. Nach der Legaldefinition dessen Abs. 2 fallen unter Gewaltausübung u.a. auch die hier relevanten Delikte der Nötigung und der gefährlichen Drohung. Die Grundstrafdrohung beträgt hier Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre, wenn der Täter jedoch durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellt oder eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person bewirkt, Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Wer diese Form der (kontrollierenden oder erheblich einschränkenden) Gewaltausübung länger als ein Jahr ausübt, hat eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu gewärtigen.

Art. 33 des Übereinkommens kann als zur Gänze umgesetzt angesehen werden.

Zu Art. 34 – Nachstellung:

Art. 34 verpflichtet die Vertragsparteien, vorsätzliches Verhalten, das aus wiederholten Drohungen gegenüber einer anderen Person besteht, die dazu führen, dass diese um ihre Sicherheit fürchtet, unter Strafe zu stellen. Dem Erläuternden Bericht zufolge kann das bedrohende Verhalten in der wiederholten Verfolgung, in unerwünschter Kommunikation oder darin bestehen, eine Person wissen zu lassen, dass sie beobachtet wird.

Zum Schutz von Stalking-Opfern wurde in Österreich mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006 (BGBl. I Nr. 56/2006) mit 1. Juni 2006 das sogenannte „Anti-Stalking-Paket“ in Kraft gesetzt. Im Zuge dessen wurde einerseits zur Stärkung des materiellen Opferschutzes der Straftatbestand der beharrlichen Verfolgung in § 107a StGB neu geschaffen. Dadurch sollten insbesondere beharrlich gesetzte widerrechtliche Verhaltensweisen unter Strafe gestellt werden, die nicht von anderen Bestimmungen, wie beispielsweise jenen der gefährlichen Drohung, des Hausfriedensbruchs, der Körperverletzung etc. erfasst waren, aber dennoch geeignet sind, beträchtlich in die Lebensführung des Opfers einzugreifen und daher von der Gesellschaft als unzumutbar gewertet werden. Nach § 107a Abs. 1 StGB ist demnach mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen, wer eine Person widerrechtlich beharrlich verfolgt. In Abs. 2 leg.cit. wird festgelegt, dass eine Person beharrlich verfolgt, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt 1. ihre räumliche Nähe aufsucht, 2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellt, 3. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt oder 4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen.

Andererseits wurde der Opferschutz auch im zivilrechtlichen Bereich gestärkt, indem ein Einschreiten der Sicherheitsbehörden bei der Vollziehung einstweiliger Verfügungen ermöglicht wurde, um eine effektive Durchsetzung des Verbots der persönlichen Kontaktaufnahme, der Verfolgung und des Aufenthalts an bestimmten Orten sicherzustellen. So können nunmehr bestimmte Stalking-Handlungen im Wege einstweiliger Verfügungen zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre nach § 382g EO verboten werden, wobei es keiner Einbringung einer Unterlassungsklage zur Rechtfertigung einer solchen einstweiligen Verfügung bedarf.

Zusätzlich zu den strafrechtlichen und exekutionsrechtlichen Änderungen wurde durch entsprechende Ergänzungen des Sicherheitspolizeigesetzes sichergestellt, dass Opfer von Stalking-Handlungen professionelle Hilfe durch bewährte geeignete Opferschutzeinrichtungen erhalten können.

Durch die mit Inkrafttreten des Strafrechtsänderungsgesetzes 2006 geschaffene Rechtslage ist Art. 34 als umgesetzt zu erachten.

Zu Art. 35 – Körperliche Gewalt:

Art. 35 verpflichtet die Vertragsparteien zur Kriminalisierung vorsätzlichen Verhaltens, durch das einer anderen Person Gewalt angetan wird. Nach dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen bezeichnet der Begriff "körperliche Gewalt" Verletzungen des Körpers, die durch die unmittelbare und rechtswidrige Anwendung von physischer Kraft hervorgerufen wurden, einschließlich von Gewalt, die zum Tod des Opfers führt.

Zur Umsetzung dieser Bestimmung darf auf den ersten Abschnitt des Strafgesetzbuches, der umfassend strafbare Handlungen gegen Leib und Leben pönalisiert, verwiesen werden. Hier besteht kein Anpassungsbedarf.

Zu Art. 36 – Sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung:

Mit diesem Artikel wird der Straftatbestand der sexuellen Gewalt einschließlich Vergewaltigung eingeführt. Abs. 1 deckt alle Formen von sexuellen Handlungen ab, die einer Person ohne deren freiwillige Zustimmung vorsätzlich aufgezwungen werden.

In Abs. 2 wird festgelegt, dass das Einverständnis freiwillig als Ergebnis des freien Willens der Person im Kontext der jeweiligen Begleitumstände beurteilt werden muss.

In Abs. 3 wird die Verpflichtung der Vertragsparteien des Übereinkommens aufgeführt, dafür Sorge zu tragen, dass die gemäß diesem Übereinkommen eingeführten Straftatbestände der sexuellen Gewalt und Vergewaltigung für alle nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen unabhängig von der Beziehung, die Täter bzw. Täterin und Opfer verbindet, gelten.

Nach dem erläuternden Bericht zum Übereinkommen sind die Vertragsparteien bei der Umsetzung des Art. 36 dazu angehalten, in ihrem Strafrecht den Begriff der fehlenden freien Zustimmung zu den verschiedenen in den Unterabsätzen a bis c aufgeführten sexuellen Handlungen aufzunehmen, wobei die Freiwilligkeit nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sei (vgl Abs. 192 des Erläuternden Berichts), es aber im Übrigen den Vertragsparteien überlassen ist, die genaue Formulierung sowie jene Faktoren festzulegen, die eine freie Zustimmung ausschließen (Abs. 193). Im Rahmen der Prüfung der Tatbestandsmerkmale sollten die Vertragsparteien die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte berücksichtigen. Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen verweist in diesem Zusammenhang auch an das Urteil Europäischen Gerichtshofs im Fall M.C.gegen Bulgarien vom 4. Dezember 2003, Application no. 39272/98, in dem sich der Gerichtshof überzeugt zeigte, dass ein starres Vorgehen bei der strafrechtlichen Verfolgung sexuell bestimmter Straftaten, das z. B. darin bestünde, in allen Fällen den Beweis für physischen Widerstand zu fordern, zur Straffreiheit der Täter bestimmter Arten von Vergewaltigung führen und folglich den wirksamen Schutz der sexuellen Selbstbestimmung des Einzelnen gefährden könnte; die positiven Verpflichtungen, die den Mitgliedstaaten durch die Art. 3 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention auferlegt werden, würden jedoch die Kriminalisierung und wirksame Strafverfolgung aller nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen verlangen, einschließlich von Fällen, in denen das Opfer keine physische Gegenwehr geleistet hat“ (par. 166 der Entscheidung).

Durch diesen Hinweis markiert der Erläuternde Bericht auch die Untergrenze für den Gestaltungsspielraum der Vertragsparteien bei der Umsetzung des Art. 36, indem es ihnen damit jedenfalls auch verwehrt ist, bei Ausgestaltung des Tatbestandes darauf abzustellen, dass das Opfer Widerstand geleistet haben muss. In Österreich war das so nie der Fall. Bereits mit der Strafgesetznovelle 1989, BGBl Nr. 242, wurde im Übrigen das Element der Widerstandsunfähigkeit zur Gänze aus den gewaltbestimmten Sexualdelikten eliminiert, mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2004, BGBl I Nr. 15/004 auch aus dem Tatbestand des Sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person (§ 205 StGB).

Abgesehen, davon dass auch jene Fälle erfasst werden müssen, in denen das Opfer keinen Widerstand leistet, ist der nationale Gesetzgeber wie bereits erwähnt dem Erläuternden Bericht zufolge frei, wie er die nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen im nationalen Strafrecht erfasst. Der Erläuternde Bericht zum Übereinkommen verweist in diesem Zusammenhang neuerlich auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall M.C. gegen Bulgarien, wo der Europäische Gerichtshof als Beispiele für nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen solche nennt, die auf „coercion“, „violence“, „duress“, „threat“, „ruse“ oder „surprise“ beruhen, also unter Anwendung von Zwang, Gewalt, Nötigung, Drohung oder List oder unter Ausnützung des Überraschungsmoments gegenüber dem Opfer gesetzt werden (par. 161 der Entscheidung, Abs. 191 des Erläuternden Berichts).

Das österreichische Strafrecht stellt bereits im Tatbestand der eigenmächtigen Heilbehandlung nach § 110 StGB darauf ab, dass sich strafbar macht, wer eine andere Person „ohne deren Einwilligung“ behandelt (und zwar selbst dann, wenn dies nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft geschieht). Zur Auslegung des Begriffs „ohne Einwilligung“ wird dabei weitgehend auf § 90 StGB zurückgegriffen, der die Straflosigkeit einer Körperverletzung bei „Einwilligung des Verletzten“ regelt (vgl. Leukauf/Steininger, StGB3, § 110 Rz 7). Nach dieser Bestimmung liegt eine rechtswirksame Einwilligung nur vor, wenn sie frei von Irrtum, Täuschung oder Zwang durch Gewalt oder Drohung ist und die einwilligende Person über die entsprechende Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügt, an der es beispielsweise zufolge mangelnder Reife, im Hinblick auf eine psychische Erkrankung, aber auch zufolge einer Berauschung oder eines Schockzustandes des Opfers im Tatzeitpunkt mangeln kann (vgl. Leukauf/Steininger, StGB3, § 90 Rz 6).

Im Bereich der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung besteht zwar kein dem § 110 StGB vergleichbarer Einheitstatbestand, der sämtliche Fälle von nicht einvernehmlichen geschlechtlichen Handlungen in einem regelt, doch sind sämtliche Fälle vom österreichischen Strafrecht erfasst. Da die Konvention ungeachtet der Ausgestaltung des Art. 36 in der innerstaatlichen Umsetzung kein identes Abbild dieser Bestimmung verlangt, sondern lediglich eine inhaltliche Abdeckung, mit welchen Worten auch immer und gleichgültig, ob auf mehrere Absätze einer Bestimmung oder auf mehrere selbstständige Tatbestände verteilt, ist sohin davon auszugehen, dass in Österreich derzeit keine aus Art. 36 resultierende Umsetzungsnotwendigkeit besteht. § 205 StB kriminalisiert jene Fälle, in denen es zufolge Wehrlosigkeit oder psychischer Beeinträchtigung des Opfers am Einvernehmen mangelt – in der Fassung des zurzeit in Begutachtung befindlichen (bereits abgeschlossen) Entwurfes eines Strafrechtsänderungsgesetzes 2013 ohne jeglichen Unterschied zu den gewaltbestimmten Sexualdelikten. Altersbedingtes mangelndes Einvernehmen wird durch die §§ 206 und 207 StGB als schwerer sexueller Missbrauch bzw. sexueller Missbrauch von Unmündigen, das heißt von Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, abgedeckt. Bei Jugendlichen wird darüber hinaus durch die Strafbarkeit nach § 207b StGB im Falle des Vorliegens verzögerter Reife oder einer Zwangslage des Opfers sowie bei Gewährung eines Entgelts für eine geschlechtliche Handlung auf die dadurch bewirkte fehlende oder herabgeminderte Freiwilligkeit Bedacht genommen. § 212 StGB schützt in einem Autoritätsverhältnis im weitesten Sinn (z. B. Ausbildungsverhältnis, KlientInnen-TherapeutInnen-Beziehung) verhaftete Personen vor einer Ausnützung ihrer dadurch bedingten Beeinträchtigung der sexuellen Selbstbestimmung durch den Täter. Das Ausnützen des Überraschungsmoments ist von der sexuellen Belästigung nach § 218 StGB erfasst, und die Erlangung der Zustimmung des Opfers durch Täuschung ist vom allgemeinen Tatbestand der Täuschung nach § 108 StGB umfasst (der zwar allgemein gefasst ist, also nicht nur das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung schützt, der aber nicht zuletzt mit Blickrichtung auf derartige Fälle geschaffen wurde).

Vorgaben zur Strafhöhe enthält Art. 36 nicht (zu den diesbezüglichen Vorgaben s. unten bei Art. 45).

Zu Art. 37 – Zwangsheirat:

Gemäß Art. 37 haben die Vertragsparteien vorsätzliches Verhalten, durch das eine erwachsene Person oder ein Kind zur Eheschließung gezwungen werden, unter Strafe zu stellen. Zudem soll es nach Abs. 2 strafbar sein, eine Person unter Vortäuschung falscher Tatsachen mit dem Ziel ins Ausland zu locken, sie dort zur Eheschließung zu zwingen.

Durch das Strafrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 56/2006, wurde der  privilegierende Tatbestand der Ehenötigung nach § 193 StGB abgeschafft und gleichzeitig § 106 Abs. 1 Z 3 StGB um die Tathandlung der Nötigung zur Eheschließung ergänzt. Dadurch wurde die bis dahin bestehende mehrfache Begünstigung des nötigenden Ehepartners beseitigt und dieser sowie andere an der Nötigung mitwirkende Dritte einer klaren einheitlichen Sanktion unterstellt. Die Erfassung aller an der Tat beteiligten Personen nach § 106 Abs. 1 Z 3 StGB erleichtert die strafgerichtliche Verfolgung des präsumtiven Ehepartners, weil keine Privatanklage mehr erforderlich ist. Darüber hinaus wurde durch die Aufnahme der Nötigung zur Eheschließung in die Bestimmung des § 106 Abs. 1 Z 3 StGB - welcher auch die Strafbarkeit der Nötigung zur Prostitution oder zur Mitwirkung an einer pornographischen Darbietung normiert -  die gesetzgeberische Wertung des Deliktes als besonders schwerer Eingriff in die Entscheidungsfreiheit des Opfers betont.

Im Zuge der Strafgesetznovelle 2011 wurden die Anwendungsfälle der extraterritorialen Gerichtsbarkeit nach § 64 Abs. 1 Z 4a StGB u.a. auf Taten nach § 106 Abs. 1 Z 3 StGB ausgeweitet. Ebenso erfolgte eine Erweiterung der Anknüpfungspunkte für die extraterritoriale Gerichtsbarkeit nach dieser Bestimmung, sodass nunmehr auch jene Fälle erfasst sind, in denen entweder der Täter oder das Opfer die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

Während Art. 37 Abs. 1 der Konvention als umgesetzt angesehen werden kann, wird hinsichtlich Abs. 2 ein Anpassungsbedarf bestehen, zumal im Einzelfall zwar Überschneidungen mit Menschenhandel gegeben sein können, dadurch aber nicht sämtliche Aspekte dieser Vorbereitungshandlung zur Zwangsheirat abgedeckt werden.

Zu Art. 38 – Verstümmelung weiblicher Genitalien:

Dieser Artikel enthält in lit. a die Verpflichtung der Vertragsparteien, die Verstümmelung weiblicher Genitalien zu kriminalisieren.

Formen der weiblichen Genitalverstümmelung, wie etwa Fälle der Infibulation (Entfernung der Klitoris und der großen und kleinen Schamlippen mit nachfolgender Vernähung der Vulva), die Beschneidung der klitoralen Vorhaut, das Einstechen der Klitoris und/oder der Schamlippen oder die Verätzung der Klitoris und der umgebenden Gewebe, erfüllen nach österreichischem Recht den Tatbestand der Körperverletzung im Sinne der §§ 83 ff StGB und sind meist als schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 StGB zu werten oder unter den Tatbestand der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen gemäß § 85 StGB zu subsumieren, wobei hier im Regelfall insbesondere die Tatbestandsmerkmale des Verlustes der Fortpflanzungsfähigkeit (§ 85 Z 1 StGB) und/oder der erheblichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung (§ 85 Z 2 StGB) erfüllt sein werden. Nicht selten wird sogar § 87 StGB („Absichtliche schwere Körperverletzung“) mit der – im vorliegenden Zusammenhang – qualifizierten Strafdrohung des Abs. 2 (ein- bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) vorliegen, weil es dem Täter oder der Täterin gerade auf den Erfolg (iS der schweren Dauerfolgen) ankommen wird. Im Zuge des Strafrechtsänderungsgesetzes 2001 (BGBl. I Nr. 130/2001) wurde in § 90 Abs. 3 StGB klargestellt, dass in eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, nicht eingewilligt werden kann. Eine allfällige Einwilligung in weithin unter dem Begriff weibliche Genitalverstümmelung zusammengefasste Verletzungspraktiken ist somit nach österreichischem Recht immer rechtswidrig.

Darüber hinaus ist nach lit. b sicherzustellen, dass ein Verhalten, durch welches eine Frau dazu genötigt oder dazu gebracht wird, sich einer Genitalverstümmelung zu unterzeihen, strafbar ist. Mit Blick auf Mädchen soll nach lit. c zudem auch das Verleiten des Mädchens, sich einer Genitalverstümmelung zu unterziehen, unter Strafe gestellt werden. Soweit das Opfer genötigt wird, können diese Fälle nach österreichischem Recht als schwere Nötigungen nach § 106 Abs.1 Z 3 StGB erfasst werden. Jemanden unterhalb der Schwelle der Nötigung zu etwas zu bringen oder hiezu zu verleiten, macht aus österreichischer Sicht rechtlich keinen Unterschied. In diesem Zusammenhang sind Fallkonstellationen denkbar, in denen eine Strafbarkeit im Wege der §§ 12, 83ff StGB (also als Beitrag zur Verstümmelung) in Betracht kommt, aber auch solche, in denen dies nicht der Fall ist, namentlich wenn die Verstümmelung noch nicht ins Versuchsstadium getreten ist. Da die Strafbarkeit der Beihilfe oder Anstiftung und des Versuchs in Bezug auf die Fälle des Art. 38 lit. b und c nach Art. 41 der Konvention jedoch nicht verlangt wird, kann Art. 38 als umgesetzt angesehen werden.

Zu Art. 39 – Zwangsabtreibung und Zwangssterilisierung:

Art. 39, der die Strafbarkeit der Zwangsabtreibung postuliert, ist im österreichischen Strafrecht durch § 98 StGB umgesetzt. Dieser Bestimmung zufolge ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wer ohne Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht. „Ohne Einwilligung“ liegt sowohl vor, wenn eine Einwilligung – mangels Äußerung der Schwangeren – gänzlich fehlt, als auch wenn sie – aus welchen Gründen immer – rechtsunwirksam ist. Ohne Einwilligung ist dabei weniger als gegen den (erklärten) Willen der Schwangeren; deshalb kann der letztgenannte Gesichtspunkt zusätzlich straferschwerend berücksichtigt werden. Die Unwirksamkeit der Einwilligung kann auf Gewalt, gefährliche Drohung (z. B. Nötigung) oder Täuschung zurückgeführt werden. Eine mangelhafte Aufklärung macht jedoch die Einwilligung nicht unwirksam, sondern führt zur Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruches nach § 96 StGB neben § 110 StGB (Eder-Rieder in WK² § 98 Rz 4).

Die gemäß Abs. 2 von den Vertragsparteien zu kriminalisierende Zwangssterilisierung ist nach österreichischem Recht als Körperverletzung im Sinne der §§ 83 ff StGB zu verfolgen. Derartige Eingriffe in die körperliche Integrität des Opfers werden, sobald das Tatbestandsmerkmal des Verlustes der Fortpflanzungsfähigkeit (§ 85 Z 1 StGB) erfüllt ist, meist unter den Tatbestand der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen gemäß § 85 StGB zu subsumieren sein. Zudem kann § 87 StGB („Absichtliche schwere Körperverletzung“) mit der – im vorliegenden Zusammenhang – qualifizierten Strafdrohung des Abs. 2 (ein- bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) heranzuziehen sein, weil es dem Täter oder der Täterin gerade auf den Erfolg (iS der schweren Dauerfolgen) ankommen wird. Eine Einwilligung in derartige Eingriffe ist nur begrenzt zulässig: § 90 Abs. 2 StGB stellt klar, dass die von einem Arzt an einer Person mit deren Einwilligung vorgenommene Sterilisation nur dann nicht rechtswidrig ist, wenn entweder die Person bereits das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat oder der Eingriff aus anderen Gründen nicht gegen die guten Sitten verstößt. Eine Einwilligung durch Minderjährige selbst oder durch die Eltern ist unter allen Umständen unzulässig (§ 163 ABGB). Im Übrigen lässt der Erläuternde Bericht zur Konvention eine Ersetzung der Einwilligung bei einwilligungsunfähigen Personen nach den Kriterien des Europarats-Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin (Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin) vom 4. April 1997, CETS No. 164, zu (Abs. 205). Es kann davon ausgegangen werden, dass § 284 ABGB, der diese Materie für das Zivilrecht regelt, diesen Kriterien entspricht, wenn nicht sogar strenger ist. Wenngleich sich strafrechtlich relevante und zivilrechtliche Einwilligungsfähigkeit nicht notwendigerweise decken müssen, wird hinsichtlich der Schranken, die das Zivilrecht im Rahmen der §§ 163 und 284 ABGB der (vertretungsweisen) Einwilligung in eine Sterilisation auferlegen, jedenfalls davon ausgegangen, dass diese auch auf das Strafrecht durchschlagen (vgl. Burgstaller/Schütz in WK2 StGB § 90 Rz 193, 194).

Zu Art. 40 – Sexuelle Belästigung:

Diese Bestimmung verlangt die Sanktionierung jeder Form von ungewolltem sexuell bestimmtem verbalem, nonverbalem oder körperlichem Verhalten mit dem Zweck oder der Folge, die Würde einer Person zu verletzen, insbesondere wenn dadurch ein Umfeld der Einschüchterung, Feindseligkeit, Erniedrigung, Entwürdigung oder Beleidigung geschaffen wird. Mit dieser Formulierung folgt das Übereinkommen nahezu wortident der Definition von sexueller Belästigung nach den Gleichbehandlungsrichtlinien der EU (zuletzt Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen, Neufassung, ABl L 204 vom 26.7.2006, S 23).

Das Übereinkommen stellt es den Vertragsparteien frei, sexuelle Belästigungen einer strafrechtlichen oder sonstigen rechtlichen Sanktion zuzuführen.

In Österreich besteht gegen sexuelle Belästigung derzeit sowohl strafrechtlicher (§ 218 Abs. 1 StGB), verwaltungsstrafrechtlicher (Anstandsverletzung nach den Landessicherheits- bzw. Landes-Polizeigesetzen) als auch arbeits- bzw. zivilrechtlicher Schutz (§§ 6 Abs. 2 und 12 Abs. 11 GlBG, §§ 8 Abs. 2 und 19 Abs. 3 B-GlBG, Gleichbehandlungsgesetze der Länder; Schadenersatz nach den §§ 1328 oder 1328a ABGB, Unterlassungsanspruch aus § 16 ABGB, einstweilige Verfügung nach § 382g EO) .

Zu Art. 41 – Beihilfe oder Anstiftung und Versuch:

In Art. 41 sind Regelungen zur Strafbarkeit der Beihilfe, der Anstiftung und des Versuchs enthalten. Die Verpflichtung des Abs. 1, die Beihilfe oder Anstiftung zur Begehung einer der nach den Artikeln 33, 34, 35, 36, 37, 38 lit. a und 39 umschriebenen Straftaten unter Strafe zu stellen, wird im Rahmen des § 12 StGB hinreichend umgesetzt.

Der in Abs. 1 enthaltenen Vorgabe, bereits den Versuch der Begehung einer der nach den Artikeln 35, 36, 37, 38 lit. a und 39 umschriebenen Straftaten zu kriminalisieren, wird durch § 15 StGB entsprochen.

Zu Art. 42 – Inakzeptable Rechtfertigungen für Straftaten, einschließlich der im Namen der sogenannten „Ehre“ begangenen Straftaten:

Abs. 1 verpflichtet die Vertragsparteien zu gewährleisten, dass Kultur, Religion, Tradition oder die sogenannte „Ehre“ nicht als Rechtfertigung für in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallende Gewalttaten angesehen werden und bekräftigt somit für den besonderen Bereich des Strafrechts die Verpflichtung aus Art. 12 Abs. 5. Da weder im österreichischen Strafrecht noch im Strafprozessrecht derartige Rechtfertigungsgründe statuiert sind, kann die Bestimmung des Art. 42 Abs. 1 als umgesetzt erachtet werden.

Zumal bestimmte Straftaten im Sinne des Übereinkommens häufig von strafunmündigen Kindern auf Veranlassung eines erwachsenen Familienmitglieds oder eines erwachsenen Mitglieds der Gemeinschaft begangen werden, hielten es die VerfasserInnen des Übereinkommens laut Erläuterndem Bericht für notwendig, in Abs. 2 zudem die strafrechtliche Verantwortlichkeit der verleitenden Person ausdrücklich zu fordern, um das Entstehen von Strafbarkeitslücken zu verhindern. Abs. 2 des Art. 42 ist im österreichischen Recht durch die Bestimmung des § 12 StGB abgedeckt, der klarstellt, dass nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung begeht, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt. Damit werden alle Begehungsformen erfasst, die sich als sogenannte „mittelbare Täterschaft“ durch ein absichtslos, tendenzlos, vorsatzlos oder sonst schuldlos handelndes Werkzeug darstellen (Fabrizy, StGB10 § 12 Rz 7). Das Erfordernis einer qualitativen Akzessorietät wird von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausdrücklich abgelehnt. Ein volldeliktisches Handeln des (Haupt-)Täters als Voraussetzung für die Strafbarkeit des Teilnehmers wird grundsätzlich nicht gefordert, sondern nur ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und vorsätzliches Verhalten (Fabrizy in WK² § 12 Rz 8 und 17). Mangelnde Schuldfähigkeit des (Haupt-) Täters etwa aufgrund seines Alters stellt daher kein Hindernis für die Bestrafung des Beteiligten dar, sodass der in Art. 42 Abs. 2 angeführte Fall jedenfalls als Bestimmung nach § 12 StGB strafbar ist.

Zu Art. 43 – Anwendung der Straftatbestände:

Viele der in diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten werden typischerweise von Familienmitgliedern, Beziehungspartnern oder sonstigen Personen begangen, die zum unmittelbaren sozialen Umfeld des Opfers gehören. Art. 43 legt den Grundsatz fest, dass die Art der Beziehung zwischen Täter und Opfer die Anwendung eines in diesem Übereinkommen vorgesehenen Straftatbestandes nicht verhindern darf.

Diese Bestimmung ist als umgesetzt zu erachten. Die strafrechtliche Privilegierung körperlicher Gewalt im Rahmen des Züchtigungsrechts der Eltern gegenüber ihren Kindern nach den §§ 413 ff StG sowie unter Ehegatten (vgl § 419 StG) wurde in Österreich bereits mit dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches am 1. Jänner 1975 abgeschafft. Nach Aufhebung des § 203 StGB im Zuge des Strafrechtsänderungsgesetzes 2004 (BGBl. I Nr. 15/2004) fielen mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2006 (BGBl. I Nr. 56/2006) auch die Privilegierungen von nahen Angehörigen nach § 107 Abs. 4 StGB im Falle von gefährlichen Drohungen sowie bei Ehenötigungen nach § 193 StGB, wodurch der Gesetzgeber klar zum Ausdruck brachte, dass eine generelle gesetzliche Abschwächung der Strafbarkeit von unter nahen Angehörigen begangenen Aggressionshandlungen grundsätzlich nicht mehr angebracht erscheint.

Im österreichischen Strafrecht besteht somit im Bereich der im Übereinkommen angeführten Straftaten keine Privilegierung bei der Strafverfolgung der Täter, die von deren Beziehung zum Opfer abhängig wäre. Vielmehr handelt es sich bei diesen Straftaten um reine Offizialdelikte, bei deren Verfolgung der Grundsatz der Amtswegigkeit gilt. Die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft haben jeden ihnen zur Kenntnis gekommenen Verdacht einer Straftat von Amts wegen in einem Ermittlungsverfahren aufzuklären (§ 2 StPO). Die Staatsanwaltschaft leitet das Ermittlungsverfahren und entscheidet über die Anklageerhebung oder die Beendigung des Ermittlungsverfahrens (§ 101 StPO).

Zu Art. 44 - Gerichtsbarkeit:

Die Gerichtsbarkeit über die nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten ist nach Abs. 1 von einer Vertragspartei zu begründen, wenn die Straftat

­       in ihrem Hoheitsgebiet (lit. a),

­       an Bord eines Schiffes, das die Flagge dieser Vertragsparteien führt (lit. b),

­       an Bord eines Flugzeuges, das nach dem Recht dieser Vertragsparteien eingetragen ist (lit. c);

­       von einem ihrer Staatsangehörigen (lit. d) oder

­       von einer Person, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet hat (lit. e)

begangen worden ist.

Lit. a ist durch § 62 StGB, lit. b und c sind durch § 63 StGB, lit. d und e zumindest zum Teil durch die §§ 64 und 65 StGB umgesetzt.

Die lit.d ist im Hinblick auf § 65 Abs. 1 Z 1StGB im Falle beiderseitiger Strafbarkeit zur Gänze umgesetzt. Diese Bestimmung ist allerdings im Zusammenhalt mit Abs. 3 zu lesen, wonach die Gerichtsbarkeit hinsichtlich der in den Art. 36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten nicht von der beiderseitigen Strafbarkeit abhängig gemacht werden darf (sofern nicht ein entsprechender Vorbehalt nach Art. 78 Abs. 2 des Übereinkommens eingelegt wird). In Österreich sind in dieser Hinsicht die in den Art. 37, 38 und 39 des Übereinkommens umschriebenen Straftaten zur Gänze von § 64 Abs. 1 Z 4a StGB abgedeckt, während für Straftaten im Sinne des Art. 36 (sexuelle Gewalt einschließlich Vergewaltigung) ein gewisser Anpassungsbedarf besteht. Die praktischen Auswirkungen sind gering, weil im Kernbereich des Art. 36 von universeller Strafbarkeit ausgegangen werden kann und derartige von Österreichern im Ausland begangene Taten größtenteils schon derzeit im Wege des § 65 Abs. 1 Z 1 StGB erfasst sind. In dem derzeit in Begutachtung befindlichen (Begutachtung abgeschlossen) Entwurf eines Sexualstrafrechtsänderungsgesetzes 2013 ist allerdings ohnehin schon die Aufnahme der §§ 201 StGB (Vergewaltigung) und 202 StGB (Geschlechtliche Nötigung) in § 64 Abs. 1 Z 4a StGB vorgesehen, sodass auch insoweit Strafbarkeit von österreichischen Staatsangehörigen (und Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich) wegen derartiger im Ausland begangener Straftaten in Österreich nach österreichischem Recht unabhängig von der rechtlichen Situation am Tatortstaat gegeben sein wird.

Hinsichtlich der – vorbehaltbaren (Art. 78 Abs. 2 des Übereinkommens) – Gerichtsbarkeit bezüglich Auslandstaten von AusländerInnen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gilt grundsätzlich das zur lit. d Ausgeführte mit der Maßgabe, dass außer in den in § 64 Abs. 1 Z 4a StGB genannten Fällen inländische Gerichtsbarkeit nicht nur die beiderseitige Strafbarkeit verlangt, sondern auch dass man des Täters in Österreich habhaft wird und er nicht an das Ausland ausgeliefert werden kann (§ 65 Abs. 1 Z 2 StGB).

Gemäß Abs. 2 sollen die Vertragsparteien Bemühungen anstellen, auch dann eine Gerichtsbarkeit zu begründen, wenn die Straftat gegen einen Staatsangehörigen oder eine Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet begangen wurde. Das ist hinsichtlich der in Art. 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten zufolge § 64 Abs. 1 Z 4a zur Gänze der Fall, hinsichtlich strafbarer Handlungen im Sinne des Art. 36 des Übereinkommens bestünde hingegen noch ein gewisser Anpassungsbedarf; Abs. 2 normiert jedoch keine zwingende Verpflichtung zur Schaffung der Voraussetzungen für die Begründung inländischer Gerichtsbarkeit in den darin genannten Fällen.

Gemäß dem (vorbehaltbaren) Abs. 3 soll zur Verfolgung der nach den Art. 36, 37, 38 und 39 des Übereinkommens umschriebenen Straftaten sichergestellt werden, dass die Begründung der Gerichtsbarkeit nicht davon abhängig ist, dass die Handlungen in dem Hoheitsgebiet, in dem sie begangen wurden, strafbar sind. Wie bereits erwähnt ist diese im Hinblick auf § 64 Abs. 1 Z 4a StGB bei den in den Art. 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten der Fall, während in Bezug auf Art. 36 noch Anpassungsbedarf gegeben wäre. Bei der Begründung der Gerichtsbarkeit hinsichtlich der genannten Delikte soll es in Bezug auf Abs. 1 lit. d und e ferner nicht darauf ankommen, ob der Strafverfolgung eine Meldung der Straftat durch das Opfer oder das Einleiten eines Strafverfahrens durch den Staat, in dem die Straftat begangen wurde, vorausgegangen ist (Abs. 4). Derartige Voraussetzungen sind dem österreichischen Strafrecht generell fremd. insofern besteht mithin kein Umsetzungsbedarf.

Abs. 5 sieht die Verpflichtung zur Begründung von Gerichtsbarkeit in jenen Fällen vor, in denen sich der mutmaßliche Täter auf dem Hoheitsgebiet der ersuchten Vertragspartei befindet und nur deshalb nicht ausgeliefert wird, weil er/sie deren Staatsangehörigkeit besitzt. Dieser Verpflichtung wird durch § 65 Abs. 1 Z 1 StGB entsprochen.

Zu Art. 45 – Sanktionen und Maßnahmen:

Abs. 1 dieser Bestimmung sieht vor, dass die im Übereinkommen umschriebenen Straftaten durch wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen bedroht werden; dies soll „gegebenenfalls“ („where approppriate“) auch freiheitsentziehende Maßnahmen, die zur Auslieferung führen können, einschließen. im Sinne von Art. 2 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens (CETS No. 24) bedeutet dies eine Strafdrohung in der Höchstdauer von mindestens einem Jahr. Die einschlägigen Strafrahmen im österreichischen Strafrecht entsprechen den Erfordernissen dieses Übereinkommens. So weist etwa das Delikt der Vergewaltigung (§ 201 StGB) für den Grundtatbestand einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe auf. Im Zuge des Zweiten Gewaltschutzgesetzes, BGBl. I Nr. 40/2009, in Kraft seit 1. Juni 2009, wurden zudem im Bereich der §§ 202 Abs. 1 und 205 Abs. 1 StGB Strafuntergrenzen eingeführt sowie die Strafrahmen in den §§ 205 Abs. 2 und 207 Abs. 3 StGB erweitert. Auch wurde der Tatbestand der „Fortgesetzten Gewaltausübung“ in § 107b StGB verankert, der das durch wiederkehrende Gewaltakte eines Täters aus dem sozialen Umfeld des Opfers verwirklichte Unrecht angemessen widerspiegeln soll. Darüber hinaus wurden durch die Strafgesetznovelle 2011 (BGBl. Nr. 130/2011) mit 1. Jänner 2012 schärfere Strafdrohungen durch Schaffung bzw. Anhebung von Strafuntergrenzen bei strafbaren Handlungen einer volljährigen Person gegen eine unmündige Person, die unter Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung begangen worden sind, eingeführt (§ 39a StGB). Der Ministerialentwurf eines Sexualstrafrechtsänderungsgesetzes 2013, dessen Begutachtung bereits abgeschlossen ist, sieht weitere Strafschärfungen im Bereich des Sexualstrafrechts vor. Aber auch im unteren Bereich (etwa sofern nur eine „leichte“ Körperverletzung nach § 83 StGB vorliegt) entsprechen die Strafdrohungen der umsetzungsrelevanten Delikte den Kriterien für eine Auslieferung. Es stünde aber im Übrigen ohnehin im Umsetzungsermessen der Mitgliedstaaten, die Delikte mit auslieferungsfähigen Strafdrohungen auszuwählen (Abs. 232 des Erläuternden Berichts).

Nach Abs. 2 können die Vertragsparteien weitere täterbezogene Maßnahmen vorsehen, wobei beispielhaft die Überwachung und Betreuung der verurteilten Person sowie der Entzug der elterlichen Rechte, wenn das Kindeswohl, das auch die Sicherheit des Opfers einschließt, nicht auf andere Weise garantiert werden kann, angeführt werden. Dazu ist aus österreichischer Sicht festzuhalten, dass mit dem Zweiten Gewaltschutzgesetz zusätzlich zu den bereits bestehenden Instrumentarien der gerichtlichen Weisungen und der Bewährungshilfe im Bereich der bedingten Entlassung dem Vollzugsgericht die Möglichkeit eröffnet wurde, im Rahmen des neu eingeführten Instituts der gerichtlichen Aufsicht über Sexualstraftäter nach § 52a StGB mithilfe eines Bündels von Maßnahmen rückfallpräventiv zu wirken, wobei dies insbesondere durch eine intensivere Betreuung und engere Kontrolle des Verurteilten während der obligatorischen Bewährungsaufsicht und die Erteilung von geeigneten Weisungen sowie die Überwachung der genannten Maßnahmen durch das Gericht erreicht werden soll. Mit der Überwachung der Einhaltung der Anordnungen kann das Vollzugsgericht im Einzelfall eine Stelle (Sicherheitsbehörden, Jugendgerichtshilfe, ua.) beauftragen, deren Wahl sich nach dem Inhalt der erteilten Weisungen richtet. Um einen längeren Beobachtungszeitraum zu ermöglichen, wurde in all jenen Fällen, in denen eine Verurteilung aufgrund einer strafbaren Handlung gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung erfolgte, die Probezeit zudem auf fünf Jahre verlängert.

Mit Blick auf den zweiten in Abs. 2 angeführten Beispielfall ist auf § 181 des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) zu verweisen, der es dem Gericht erlaubt, die Obsorge für das Kind ganz oder teilweise zu entziehen, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des minderjährigen Kindes gefährden.

Zu Art. 46 – Erschwerende Umstände:

In Art. 46 werden jene Umstände beschrieben, die als erschwerend zu berücksichtigen sind:

a) Die Straftat wurde gegen eine frühere oder derzeitige Ehefrau oder Partnerin im Sinne des nationalen Rechts beziehungsweise gegen einen früheren oder derzeitigen Ehemann oder Partner im Sinne des innerstaatlichen Rechts oder von einem Familienmitglied, einer mit dem Opfer zusammenlebenden Person oder einer ihre Autoritätsstellung missbrauchenden Person begangen;

b) die Straftat oder mit ihr in Zusammenhang stehende Straftaten wurden wiederholt begangen;

c) die Straftat wurde gegen eine aufgrund besonderer Umstände schutzbedürftig gewordene Person begangen;

d) die Straftat wurde gegen ein Kind oder in dessen Gegenwart begangen;

e) die Straftat wurde von zwei oder mehr Personen gemeinschaftlich begangen;

f) der Straftat ging ein extremer Grad an Gewalt voraus oder mit ihr einher;

g) die Straftat wurde unter Einsatz oder Drohung mit einer Waffe begangen;

h) die Straftat führte zu schweren körperlichen oder psychischen Schäden bei dem Opfer;

i) der Täter ist bereits wegen gleichartiger Handlungen verurteilt worden.

Die Erschwerungsgründe entsprechen teils den Qualifikationen der einzelnen Tatbestände (siehe etwa §§ 201 Abs. 2, 202 Abs. 2, 205 Abs. 2, 206 Abs. 3 StGB), teils bestehen eigene Tatbestände (§§ 107b, 212 StGB). Auch ist auf die nicht taxative und daher die Annahme weiterer Umstände nicht ausschließende Aufzählung zu den besonderen Erschwerungsgründen in § 33 StGB sowie den § 39a StGB zu verweisen. Im Rahmen der von der Frau Bundesministerin für Justiz eingesetzten Projektgruppe aus Anlass des 40jährigen Bestehens des Strafgesetzbuches, die unter anderem auch die Angemessenheit der Strafzumessungsregeln prüfen soll, wird auch zu prüfen sein, inwieweit sich über die bestehenden Möglichkeiten hinaus ein weiterer Umsetzungsbedarf ergeben könnte.

Zu Art. 47 – Von einer anderen Vertragspartei erlassene Strafurteile:

Nach diesem Artikel hat jede Vertragspartei die erforderlichen legislativen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um bei der Strafbemessung allfällige in einer anderen Vertragspartei erfolgte Vorverurteilungen wegen der im Übereinkommen angeführten Straftaten berücksichtigen zu können. Dieser Verpflichtung wird Österreich durch die Bestimmung des § 73 StGB (Ausländische Verurteilungen) gerecht.

Zu Art. 48 – Verbot verpflichtender alternativer Streitbeilegungsverfahren oder Strafurteile:

Diese Bestimmung legt in Abs. 1 die Unzulässigkeit verpflichtender alternativer Streitbeilegungsverfahren wegen Straftaten im Sinne dieses Übereinkommens fest. Darüber hinaus sollen bei der Verhängung von Geldstrafen immer auch die finanziellen Verpflichtungen des Täters gegenüber dem Opfer gebührend berücksichtigt werden (Abs. 2).

Das österreichische Strafprozessrecht sieht bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen die Möglichkeit einer Diversion vor. Eine Verpflichtung zu deren Durchführung besteht hingegen nicht. Mit 1. Jänner 2000 wurde das sogenannte „Diversionspaket“ in Kraft gesetzt (BGBl. I Nr. 55/1999); durch das Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, das (großteils) am 1.1.2008 in Kraft getreten ist, erfolgte eine Übernahme der Diversionsbestimmungen – mit diversen Anpassungen – in das 11. Hauptstück der StPO. Diesen Bestimmungen zufolge ist im Ermittlungsverfahren die Entscheidung über die Anwendung diversioneller Maßnahmen der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren dem Gericht vorbehalten. Sofern der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Tat nicht in die Zuständigkeit des Schöffen- oder Geschworenengerichts fällt, auch nicht zum Tod eines Menschen geführt hat, die Schuld des Täters darüber hinaus nicht schwer ist und die Bestrafung nicht geboten erscheint, um den Beschuldigten von Straftaten abzuhalten, erlaubt das Gesetz dem Staatsanwalt/der Staatsanwältin diversionelle Maßnahmen anstelle einer Anklage (§§ 198ff StPO). So kann der Staatsanwalt/die Staatsanwältin zwischen mehreren Maßnahmen wählen: der Zahlung einer Geldbuße bis zu 180 Tagessätzen (§ 200 StPO), der Erbringung gemeinnütziger Leistungen (§§ 201f StPO), der Bewährung in einer Probezeit mit und ohne Übernahme von Pflichten (§ 203 StPO) und dem Tatausgleich (§ 204 StPO).

Das Ausmaß der Geldbuße richtet sich dabei einerseits nach dem Gewicht der dem Verfahren zugrunde liegenden Straftat und andererseits nach der Einkommens- und Vermögenssituation des Beschuldigten, wobei dessen persönlichen Verhältnisse, wie etwa bestehende Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Opfer, zu berücksichtigen sind. Grundsätzlich ist der festgelegte Geldbetrag innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Mitteilung über das Diversionsangebot zu bezahlen, jedoch kann, sofern dies den Beschuldigten unbillig hart träfe, ein Zahlungsaufschub für längstens 6 Monate gewährt oder die Zahlung von Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums gestattet werden (§ 200 Abs. 2 StPO). Auch hier sind finanzielle Verpflichtungen gegenüber dem in einem Angehörigenverhältnis zum Beschuldigten stehenden Opfer zu berücksichtigen.

Vom Tatausgleich abgesehen muss der Staatsanwalt überdies verlangen, dass der Beschuldigte einen bestimmten Schadenersatz – idR ein grob geschätzter Mindestbetrag – an den Verletzten leistet, wenn nicht „aus besonderen Gründen“ darauf verzichtet werden kann. Ein „besonderer Grund“ liegt etwa vor, wenn der Beschuldigte mittellos ist.

Bei einem Vorgehen nach dem 11. Hauptstück sind jedoch stets die Interessen des Opfers zu prüfen und im größtmöglichen Ausmaß zu fördern (§ 206 StPO). Zur Durchführung eines Außergerichtlichen Tatausgleichs ist überdies die ausdrücklich Zustimmung des Opfers erforderlich (§ 204 Abs. 2 StPO).

Zu Art. 49 – Allgemeine Verpflichtungen:

Art. 49 normiert einerseits ein Beschleunigungsgebot und andererseits die Bedachtnahme auf die Opferinteressen für das Strafverfahren.

Danach treffen die Vertragsparteien die erforderlichen gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Ermittlungen und Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit allen in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt ohne ungerechtfertigte Verzögerung durchgeführt werden, wobei die Rechte des Opfers in allen Abschnitten des Strafverfahrens zu berücksichtigen sind (Art. 49 Abs. 1). Abs. 2 verlangt von den Vertragsparteien die Sicherstellung wirksamer Ermittlungen wegen und Strafverfolgung von nach diesem Übereinkommen umschriebenen Straftaten sicherzustellen, wobei die Wahrung der Menschenrechte einerseits und die Berücksichtigung eines geschlechtsbewussten Verständnisses von Gewalt andererseits eingemahnt werden.

Entsprechend normiert § 9 StPO, dass Strafverfahren stets zügig und ohne unnötige Verzögerung durchzuführen sind. § 10 Abs. 2 und 3 StPO verpflichtet alle im Strafverfahren tätigen Behörden, auf die Rechte und Interessen der Opfer von Straftaten angemessen Bedacht zu nehmen und Opfer mit Achtung ihrer persönlichen Würde zu behandeln und deren Interessen an der Wahrung ihres höchstpersönlichen Lebensbereiches zu beachten. In diesem Sinne normiert § 10 Abs. 2 StPO eine allgemeine Informationspflicht über Opferrechte sowie über Entschädigungs- oder Hilfeleistungen für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. § 70 StPO sieht die konkrete Informationspflicht für Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft über die wesentlichen Opferrechte nach §§ 66 und 67 StPO, insbesondere über die Voraussetzungen der Prozessbegleitung vor. Opfer, deren sexuelle Integrität verletzt worden sein könnte, sind darüber hinaus über die in § 70 Abs. 2 StPO statuierten Rechte zu informieren (im Ermittlungsverfahren das Recht auf Einvernahme durch eine Person gleichen Geschlechts, das Recht, die Beantwortung bestimmter unzumutbarer Fragen zu verweigern (§ 158 Abs. 1 Z 2 StPO), das Recht auf abgesonderte schonende Einvernahme in der Hauptverhandlung (§ 165, 250 Abs. 3 StPO) sowie das Recht auf Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung (§ 229 Abs. 1 StPO)).

Die in § 66 Abs. 1 StPO verankerten Opferechte sind: das Vertretungsrecht (§ 73 StPO), das Recht auf Akteneinsicht (§ 68 StPO), das Recht auf Information (§ 70 StPO), das Recht auf Verständigung über den Fortgang des Verfahrens, das Recht auf Übersetzungshilfe (§ 56 StPO), das Teilnahmerecht an einer kontradiktorischen Einvernahme von ZeugInnen und Beschuldigten (§ 165 StPO) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150 Abs. 1 StPO), das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung und das Recht, Fragen an Angeklagte, ZeugInnen und Sachverständige zu stellen und angehört zu werden sowie auch das Recht, die Fortführung eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren zu verlangen (§ 195 Abs. 1 StPO). Als Privatbeteiligte haben Opfer darüber hinaus das Recht, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen, als SubsidiaranklägerInnen die Anklage aufrechtzuerhalten, auf Beschwerde gegen eine gerichtliche Einstellung des Verfahrens sowie wegen privatrechtlicher Ansprüche Berufung zu erheben (§ 67 Abs. 6 StPO).

Die Bestimmungen über den Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung (§ 66 Abs. 2 StPO), die Befreiung von der Pflicht zur Aussage von Opfern, deren Geschlechtssphäre durch die Straftat verletzt worden sein könnte unter der Voraussetzung einer vorausgegangenen kontradiktorischen Einvernahme (§ 156 Abs. 1 Z 2 StPO), die Möglichkeit, ZeugInnen aus bestimmten Gründen in ihrer Wohnung oder einem anderen Aufenthaltsort zu hören (§ 160 Abs. 1 StPO), das Recht des Opfers auf Vernehmung im Beisein einer Vertrauensperson (§ 160 Abs. 2 und 3 StPO), die Möglichkeit der anonymen Aussage (§ 162 StPO) wie auch die abgesonderte schonende kontradiktorische Vernehmung (§§ 165 Abs. 3 und 4 und § 250 Abs. 3 StPO) bieten einen weitgehenden Schutz für Opfer vor weiterer Traumatisierung.

Zu Art. 50 – Soforthilfe, Prävention und Schutz:

Art. 50 normiert einerseits die Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden (law enforcement agencies) zu unverzüglichem Schutz von Opfern von Gewalt (Abs. 1), aber auch zur Prävention zum Schutz vor Gewalt, einschließlich präventiver operativer Maßnahmen und der Sammlung von Beweisen (Abs. 2).

Nach dem Erläuternden Bericht zum Übereinkommen (Abs. 258) soll in Umsetzung dieser Verpflichtung dafür Sorge getragen werden, dass die zuständigen Strafverfolgungsbehörden insbesondere ihr Recht geltend machen, in Räumlichkeiten einzudringen, in denen sich eine Person in Gefahr befindet, die Opfer versorgen und sie auf angemessene Weise beraten, sowie speziell ausgebildetes Personal, das gegebenenfalls aus Frauen besteht, damit beauftragen, den Opfern in Räumlichkeiten zuzuhören, die so gestaltet sind, dass Vertrauen zwischen den Opfern und den MitarbeiterInnen der Strafverfolgungsbehörden entsteht.

Weiters soll für einen angemessenen Frauenanteil bei den Strafverfolgungsbehörden, einschließlich in Führungspositionen, gesorgt werden.

Zur Prävention der schlimmsten Formen von Gewalt (Mord, Mordvesuche) hebt der Erläuternde Bericht die Bedeutung der gründlichen Untersuchung all dieser Fälle hervor, um mögliche Fehler beim Opferschutz festzustellen und so bestehende Präventionsmaßnahmen verbessern bzw. allenfalls erforderliche zusätzliche Maßnahmen erarbeiten zu können.

Das „Gewaltschutzgesetz“ (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl. Nr. 759/1996) ist am 1. Mai 1997 in Kraft getreten. Mit diesem Gesetz wurden rechtliche Voraussetzungen für einen raschen und effizienten Schutz von Opfern häuslicher Gewalt geschaffen. Weitere Verbesserungen folgten mit der Änderung des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 146/1999, in Kraft seit 1. Jänner 2000 und der Exekutionsordnung, BGBl. I Nr. 31/2003, in Kraft seit 1. Jänner 2004. Eine umfassendere Überarbeitung der rechtlichen Voraussetzungen erfolgte mit dem Zweiten Gewaltschutzgesetz, BGBl. I Nr. 40/2009, in Kraft seit 1. Juni 2009. Das Gewaltschutzgesetz ermächtigt die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, einen Gefährder aus der Wohnung, in der die gefährdete Person lebt, wegzuweisen und mit einem Betretungsverbot zu belegen. Der damit verwirklichte Grundsatz „Wer schlägt, der geht“ ermöglicht der gefährdeten Person, in der vertrauten Umgebung zu bleiben.

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nehmen dem Gefährder alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel zur Wohnung ab und fordert ihn auf, eine Adresse, an die gerichtliche Schriftstücke übermittelt werden können, bekannt zu geben.

Das Betretungsverbot gilt für die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung (z. B. Stiegenaufgang, Einfahrt, Garten, Tiefgarage). Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes legen den konkreten räumlichen Schutzbereich so fest, dass ein wirksamer Schutz gewährleistet ist und teilen diesen dem Gefährder mit (§ 38a Abs. 1 SPG).

Das Betretungsverbot wird für zwei Wochen ausgesprochen und dessen Einhaltung zumindest einmal innerhalb der ersten drei Tage von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes überprüft. Während des Betretungsverbotes darf der Gefährder die Wohnung und den festgelegten Schutzbereich nicht betreten, auch nicht mit Zustimmung der gefährdeten Person. Versucht der Gefährder dies dennoch, begeht er eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 360 Euro zu bestrafen.

Wenn innerhalb dieser zwei Wochen bei Gericht eine Einstweilige Verfügung nach § 382b beantragt wird, verlängert sich das sicherheitspolizeiliche Betretungsverbot auf vier Wochen. Das gibt dem Gericht Zeit, über den Antrag zu entscheiden und ermöglicht durchgehenden Schutz für die gefährdete Person. Dieser Antrag kann - abhängig von der Gewalt- bzw. Gefährdungssituation - darauf gerichtet sein, dass der Gefährder:

- die Wohnung und deren unmittelbare Umgebung für einen festgesetzten Zeitraum nicht betreten darf („Schutz vor Gewalt in Wohnungen“, § 382b Exekutionsordnung) und/oder

- sich für einen festgesetzten Zeitraum an bestimmten Orten nicht aufhalten und auch keinen Kontakt zur gefährdeten Person aufnehmen darf („Allgemeiner Schutz vor Gewalt“, § 382e Exekutionsordnung) und/oder

- Eingriffe in die Privatsphäre der gefährdeten Person zu unterlassen hat („Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre“, § 382g Exekutionsordnung).

Eine Einstweilige Verfügung kann auch unabhängig von einem sicherheitspolizeilichen Betretungsverbot erlassen werden und umgekehrt.

Da es sich bei Gewalttaten im Sinne des Übereinkommens um Offizialdelikte handelt, ist gegen den Beschuldigten darüber hinaus ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Dieses wird von der Kriminalpolizei und der Staatsanwaltschaft gemeinsam durchgeführt, wobei die Staatsanwaltschaft dessen Leitung inne hat (§ 20 StPO) und dem Gericht aus Rechtsschutzgründen die Aufgabe der rechtlichen Kontrolle zukommt.

Um Opfer hinreichend vor Gewaltakten zu schützen, kann die Verhängung der Untersuchungshaft über den Beschuldigten erforderlich sein. Gemäß § 173 StPO ist bei dringendem Tatverdacht, Vorliegen eines Haftgrundes - wozu neben der Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr auch die Tatbegehungs- oder Tatausführungsgefahr zu zählen ist - und Verhältnismäßigkeit in Beziehung auf die Bedeutung der Sache die Verhängung, Aufrechterhaltung und die Fortsetzung der Untersuchungshaft über den Beschuldigten zulässig, sofern der Haftzweck nicht durch gelindere Mittel abgewendet werden kann (z. B. in Fällen von Gewalt in Wohnungen, das Gelöbnis, jeden Kontakt mit dem Opfer zu unterlassen und die Weisung, eine bestimmte Wohnung und deren unmittelbare Umgebung nicht zu betreten).Opfer von Gewalt in Wohnungen und Gewalt- bzw. Sexualopfer sind über die Freilassung des Beschuldigten vor Fällung des Urteils erster Instanz, gegebenenfalls unter Angabe der dem Beschuldigten auferlegten gelinderen Mittel unverzüglich von Amts wegen zu verständigen (§ 177 Abs. 5 StPO). Über dieses Recht sind die Gewaltopfer nach § 70 Abs. 1 erster Satz spätestens im Zeitpunkt ihrer Vernehmung zu informieren, ebenso darüber, dass sie berechtigt sind, auf Antrag unverzüglich vom ersten unbewachten Verlassen der Anstalt oder von der bevorstehenden oder erfolgten Entlassung des Strafgefangenen verständigt zu werden (§ 149 Abs. 5 StVG). Nach § 70 Abs. 2 Z 1 StPO haben sind Opfer, die in ihrer sexuellen Integrität verletzt worden sein könnten, überdies spätestens vor ihrer ersten Befragung u.a. darüber zu informieren, dass sie das Recht haben, im Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit von einer Person des gleichen Geschlechts vernommen zu werden.

In jedem Bundesland ist ein so genanntes Gewaltschutzzentrum bzw. eine Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie - teilweise mit Regionalstellen - zur flächendeckenden, umfassenden Beratung und immateriellen Unterstützung gefährdeter Personen eingerichtet. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind verpflichtet, die gefährdeten Personen über das Bestehen dieser Opferschutzeinrichtungen zu informieren, um Ihnen entsprechende juristische und psychosoziale Hilfeleistung zukommen zu lassen. Weiters wird von den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes unter anderem die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde und der zuständige Jugendhilfeträger (sofern Kinder oder Jugendliche betroffen sind) verständigt.

Den Gewaltschutzzentren bzw. der Interventionsstelle werden von der Exekutive darüber hinaus gemäß § 56 SPG in allen Fällen „häuslicher Gewalt“ personenbezogene Daten (zu Gefährder und gefährdeter Person sowie die Falldokumentation) übermittelt, soweit dies zum Schutz gefährdeter Menschen erforderlich ist. Diese Datenübermittlung erfolgt unmittelbar, um eine pro-aktive Kontaktaufnahme der Gewaltschutzzentren bzw. der Interventionsstelle mit der gefährdeten Person zu gewährleisten.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen im Strafgesetzbuch, der Strafprozessordnung, der Exekutionsordnung sowie des Sicherheitspolizeigesetzes sind sowohl der Schutz der Opfer als auch die verwaltungsrechtliche und gerichtliche Verfolgung von Gefährdern bzw. Beschuldigten gewährleistet.

Nach § 58d SPG sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, zur Vorbeugung und Verhinderung von mit Strafe bedrohter Handlungen gegen Leib und Leben sowie gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung unter Androhung oder Anwendung von Gewalt sowie zur frühzeitigen Erkennung von diesbezüglichen Serienzusammenhängen mittels Analyse personenbezogene Daten in einem vom Bundesminister für Inneres betriebenen Informationsverbundsystem zu verarbeiten, wobei Informationen zu Tötungsdelikten, Sexualstraftaten unter Anwendung von Gewalt, Vermisstenfällen, wenn die Gesamtumstände auf ein Verbrechen hindeuten, und zu verdächtigem Ansprechen von Personen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine mit sexuellem Motiv geplante mit Strafe bedrohte Handlung vorliegen, verarbeitet werden dürfen.

Zu Art. 51 – Gefährdungsanalyse und Gefahrenmanagement:

In diesem Artikel wird die Verpflichtung der Vertragsparteien statuiert, dafür Sorge zu tragen, dass alle zuständigen Behörden die Risiken einer Gefährdung des Opfers effektiv bewerten und einen Plan für das Gefahrenmanagement gemäß einem standardisierten Verfahren und im Rahmen einer behördenübergreifenden Zusammenarbeit und Koordinierung ausarbeiten. Zudem wird die Wichtigkeit verlässlicher Informationen über den Besitz von bzw. Zugang insbesondere zu Feuerwaffen durch Gewalttäter bei der Risikobewertung betont (vgl. Abs. 263 des Erläuternden Berichts).

Nach dem Erläuternden Bericht soll mit dieser Bestimmung dafür Sorge getragen werden, dass ein effektives behördenübergreifendes Fachkräftenetzwerk ins Leben gerufen wird, um besonders gefährdete Opfer zu schützen; die Beurteilung der Risiken soll darauf abzielen, das festgestellte Risiko zu beherrschen, indem ein Sicherheitsplan für das betroffene Opfer erarbeitet wird, um gegebenenfalls. eine Koordinierung des Schutzes und der Unterstützung zu gewährleisten (Abs. 261). Der Erläuternde Bericht unterstreicht jedoch auch (Abs. 262), dass bei den möglicherweise verabschiedeten Maßnahmen zur Bewertung und Bewältigung des Risikos weiterer Gewalttaten einerseits immer auch auf die Rechte der angeklagten Person, andererseits aber auch darauf geachtet werden muss, dass mit diesen Maßnahmen der dem Opfer zugefügte Schaden nicht vergrößert wird und die Ermittlungen und Gerichtsverfahren nicht zu einer sekundären Viktimisierung führen.

§ 22 Abs. 2 SPG verpflichtet die Sicherheitsbehörden, gefährlichen Angriffen auf Leben, Gesundheit Freiheit, Sittlichkeit, Vermögen oder Umwelt vorzubeugen, sofern solche Angriffe wahrscheinlich sind. Zur Erfüllung dieser Aufgabe sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Zusammenhang mit „häuslicher Gewalt“ u.a. gemäß § 38a SPG zur Wegweisung und Verhängung eines Betretungsverbotes bei Gewalt in Wohnungen befugt, sofern aufgrund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen ist, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit und Freiheit bevor. Es ist daher bereits unmittelbar beim Ersteinschreiten der Organe eine erste Gefährdungsprognose zu erstellen. Darauf aufbauend können bei besonderen Umständen von der jeweiligen Sicherheitsbehörde weitere Maßnahmen zum Schutz gefährdete Person angeordnet werden, wie zB. in letzter Konsequenz eine Bewachung der gefährdeten Person.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die gemäß § 58c SPG von den Sicherheitsbehörden geführte Gewaltschutzdatei hinzuweisen, welche eine bezirk- und länderübergreifende Verarbeitung von Informationen im Kontext zu § 38a SPG und damit repressive sowie präventive Gegenmaßnahmen durch eine realistische Einschätzung des Gefahrenpotentiales und Erstellung einer Gefahrenprognose ermöglicht.

Darüber hinaus sind die Sicherheitsbehörden nach § 58d SPG zur Führung einer zentralen Analysedatei über mit beträchtlicher Strafe bedrohte Gewaltdelikte, wie insbesondere sexuell motivierte Straftaten, ermächtigt.

Eine wesentliche Aufgabe der bereits unter Art. 22 erwähnten Gewaltschutzzentren/Interventionsstellen ist es, gemeinsam mit den Betroffenen eine Gefährdungsanalyse sowie einen darauf basierenden Sicherheitsplan zu erstellen. Laufend werden entsprechende Verbesserungsmöglichkeiten sowohl auf gesetzlicher Ebene als auch hinsichtlich Begleitmaßnahmen unter Einbindung der Gewaltschutzeinrichtungen geprüft. So wird derzeit im Rahmen eines Pilotprojektes in den zwei Wiener Polizeibezirken der in England entwickelte multi-institutionelle Ansatz zur besseren Risikoeinschätzung für hochgefährdete Opfer von häuslicher Gewalt eingesetzt (sog. MARACs-Multi-Agency Risc Assessment Conferences), bei dem die in einem Fall mit der Prävention von Gewalt in der Familie befassten Institutionen in regelmäßigen Abständen Fallkonferenzen durchführen, um gemeinsam effektive Maßnahmen zum Schutz besonders gefährdeter Opfer zu entwickeln und umzusetzen. Auch Studien, wie die in den Erläuterungen zu Art. 13 erwähnte Studie „High-Risk-Victims-Beziehungsmorde 2008-2010“ ermöglichen weitere Erkenntnisse über Risikofaktoren.

In den letzten Jahren wurden zudem – nicht zuletzt mit Blick auf die umzusetzenden Empfehlungen des CEDAW-Ausschusses an Österreich - Maßnahmen zur Verbesserung des Vorgehens der staatsanwaltschaftlichen Behörden und Gerichte bei Fällen von Gewalt in der Familie getroffen. Bei Staatsanwaltschaften mit zumindest zehn systemisierten staatsanwaltschaftlichen Planstellen ist nunmehr in § 4 Abs. 3a der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Änderung der Verordnung zur Durchführung des Staatsanwaltschaftsgesetzes (DV-StAG) vorgesehen, dass der Leiter der Staatsanwaltschaft die Bearbeitung von Verfahren wegen Gewalt im sozialen Nahraum (Gewalt in der Familie, Gewalt an Kindern) einem oder mehreren besonders geschulten StaatsanwältInnen zu übertragen hat. Geschulte StaatsanwältInnen, die mit dem Phänomen von Gewalt in der Familie besonders vertraut sind, sind somit für die Führung von Strafverfahren in Fällen von Gewalt in der Familie zuständig, wodurch ein vertieftes Verständnis für die spezielle Situation von Opfern von Gewalt in Beziehungen bzw. auch für die Situation von Tätern sichergestellt werden soll. Auf Grund des Umstandes, dass sich die Notwendigkeit eines raschen und bestmöglichen Reagierens zumeist an Abenden bzw. am Wochenende, d.h. außerhalb der üblichen Bürozeiten stellt, wurde insbesondere die Frage des bestmöglichen Vorgehens im Journal erörtert und ein „Best practice-Modell“ für diesen Bereich ausgearbeitet und im Rahmen justizinterner Schulungen vorgestellt. Dabei wurden nachstehende Elemente eines Best practice-Modells“ definiert:

Von vordringlicher Bedeutung ist zunächst, sich zur Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage einen möglichst vollständigen Überblick über die Gesamtsituation zu verschaffen. Insbesondere bei Fällen häuslicher Gewalt gehört dazu – über die Ermittlung des aktuellen Fallgeschehens hinaus – auch die Feststellung der Vorgeschichte sowie objektiver Grundlagen, die eine möglichst verlässliche Einschätzung der zukünftigen Situation, insbesondere im Hinblick auf die Beurteilung der Gefährlichkeit des Beschuldigten, gewährleisten. Dass zur Feststellung des aktuellen Fallgeschehens die Befragung möglichst aller zur Verfügung stehenden ZeugInnen naheliegt, braucht nicht hervorgehoben zu werden. Aufgrund der zumeist vorliegenden hohen Emotionalität der Betroffenen ist daher – wenn möglich – auch die Befragung unbeteiligter ZeugInnen von hohem Wert. Erforderlichenfalls ist ein Dolmetscher oder eine Dolmetscherin beizuziehen. Zur Erhebung der Vorgeschichte, die natürlich Anhaltspunkte für die Einschätzung der prognostischen weiteren Entwicklung und der Gefährlichkeit des Täters liefert, sind selbstverständlich auch die erwähnten ZeugInnen zu befragen. Jedenfalls ist zu erheben, ob und wann es bereits frühere Vorfälle im Zusammenhang mit familiärer Gewalt gab bzw. ob bereits ältere Anzeigen vorliegen. Dabei ist auch zu klären, wer dabei als Anzeiger bzw. Geschädigter aufschien. Oft verfügen auch die schon länger in diesem Rayon tätigen PolizistInnen über gewisse – bislang nicht dokumentierte - Kenntnisse des Umfeldes. Natürlich sind auch allfällig vorliegende Informationen von Opferschutzeinrichtungen heranzuziehen. Relevant ist auch, ob es schon im Vorfeld Wegweisungen oder Einstweilige Verfügungen gab und wie bzw. ob diese befolgt wurden (auf die Ausführungen zur zentralen Gewaltschutzdatei gemäß § 58c SPG ist hinzuweisen). . Dabei ist jedoch zu beachten, dass dieser keinen ausreichenden Überblick darüber bietet, ob und wie diese Vorfälle bereits in gerichtlichen Verfahren erledigt wurden. Der standardmäßig zu erfragende Stand des Strafregisters bietet teilweise wertvolle Hinweise auf das Vorleben des Beschuldigten, kann aber kein vollständiges Bild wiedergeben, zumal erst kurz zurückliegende Verurteilungen oft noch nicht dokumentiert und Rückschlüsse auf anhängige oder eingestellte Verfahren bzw. auf Freisprüche daraus nicht möglich sind. Soweit technisch machbar, wäre daher idealerweise eine Abfrage des VJ-Registers durchzuführen. Dies ist auch deshalb notwendig, weil Festnahmeanordnungen bzw. die Verhängung der Untersuchungshaft nicht mit Vorfällen begründet werden können, zu denen bereits Einstellungen oder gar Freisprüche erfolgten, wobei andererseits aber die Delinquenz während eines anhängigen Verfahrens ein Argument zur Untermauerung entsprechender Haftgründe bietet. Wenn möglich, sollte auch der Sachverhalt der (im Lichte der obigen Ausführungen relevanten) früheren Vorfälle erfragt werden, da sich auch daraus Rückschlüsse auf die Gewaltbereitschaft ziehen lassen bzw. sich eine Tendenz beim Einsatz von Gewalt durch den Beschuldigten (etwa eine Intensivierung) erkennen lässt. Zur Erhebung der Vorgeschichte gehört auch die Beleuchtung der Hintergrundaspekte des vorliegenden Tatgeschehens. Dabei ist zu beachten, dass allfällige Obsorge- und Besuchsrechtsstreitigkeiten bzw. Scheidungs- oder Aufteilungsverfahren sowohl Tatmotiv als auch Motiv für die Belastung des Beschuldigten sein können.

Zur Beurteilung der Gefährlichkeit des Täters ist neben dessen Vorleben auch auf allfällige Waffenverbote und auf die persönliche Situation des Täters zu achten. So ist eine – selbstverständlich vorurteilsfreie aber gehäuften dienstlichen Wahrnehmungen und Erfahrungswerten nicht widersprechende – Beurteilung der Herkunft und Mentalität oft unumgänglich, weil nachvollziehbare Umstände – wie Kriegstraumatisierungen, religiös-fanatische Hintergründe, im ethnischen oder sozialen Umfeld des Beschuldigten gesellschaftlich akzeptierte bzw. sogar geforderte Gewalt etc. – unter Umständen weitere Tathandlungen befürchten lassen können. Auch können sich aus weiteren Umständen – wie z. B. Alkoholismus, Spielsucht oder der Gefahr einer Abschiebung bzw. des Verlustes des Aufenthaltsrechtes bei einer Scheidung vom Tatopfer - Rückschlüsse auf die Gefährlichkeit des Beschuldigten ergeben.

Ferner bieten die Wahrnehmungen der mit dem Beschuldigten befassten Polizisten zur Persönlichkeit des Täters im Zusammenhang mit dessen Verhalten im Rahmen der Amtshandlung oder mit seiner Reaktion auf eine Wegweisung Argumentations- und Entscheidungshilfen bei der Beurteilung der Tatbegehungs- bzw. Tatausführungsgefahr.

Auch aus der Art der Begehung – sowohl der Anlasstat(en) als auch der früheren Vorfälle – lassen sich Hinweise auf die Gewaltbereitschaft des Beschuldigten ableiten. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, Umstände wie die Verwendung von Waffen, Gewalt gegen Kinder, Behinderte oder Schwangere, eine Tatbegehung aus nichtigem Anlass, oder eine besonders brutale Vorgehensweise etc. herauszuarbeiten.

Dazu wurde ein besonderes Schulungskonzept für die Aus- und Fortbildung der RichteramtsanwärterInnen, RichterInnen und StaatsanwältInnen ausgearbeitet und in die Praxis umgesetzt. Vor diesem Hintergrund ist § 16 des Richter- und Staatsanwaltschaftsdienstgesetzes (RStDG) zu erwähnen, wonach Inhalt der Richteramtsanwärterprüfung nunmehr ausdrücklich auch Gewaltprävention und das Gewaltschutzrecht sind. Die Prüfungsrelevanz des Themas wird dadurch nachdrücklich hervorgestrichen, wenngleich die genannten Themenbereiche auch bereits zuvor Gegenstand der praxisorientierten Ausbildung der RichteramtsanwärterInnen und somit Gegenstand der abzulegenden Berufsprüfung der RichteramtsanwärterInnen waren. Aus- und Fortbildungsveranstaltungen werden gemeinsam für RichterInnen, StaatsanwältInnen, MitarbeiterInnen von Interventionsstellen und anderen Opferschutzeinrichtungen sowie unter Beiziehung von interdisziplinär tätigen Vortragenden aus dem Präventions-, sicherheitspolizeilichen und justizbehördlichen Bereich abgehalten. Eine verstärkte intensive Schulung von JournalstaatsanwältInnen im Rahmen eines umfassenden Schulungsmodells ist begleitend vorgesehen. Spezifische Schulungsmodule umfassen insbesondere die Themenbereiche „Opferschutz/ Gewaltschutz“, „Häusliche Gewalt“, „Gewaltstrukturen“ und „Gefährlichkeitsprognose“.

Zu Art. 52 – Eilschutzanordnungen:

Zur in Österreich seit Einführung des Gewaltschutzgesetzes (Bundesgesetz zum Schutz vor Gewalt in der Familie, BGBl. Nr. 759/1996) mit 1. Mai 1997 bestehenden Möglichkeit einer sicherheitspolizeilichen Wegweisung und der Verhängung eines Betretungsverbotes gegen den Gefährder ist auf die ausführlichen Ausführungen in Art. 50 zu verweisen. Mit dem Ministerialentwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Sicherheitspolizeigesetz geändert wird und Verstöße gegen bestimmte einstweilige Verfügungen zum Schutz vor Gewalt und zum Schutz vor Eingriffen in die Privatsphäre zu Verwaltungsübertretungen erklärt werden (SPG-Novelle 2013), ME 526 (XXIV.GP) wird in Ergänzung der bereits bestehenden Regelung eine Ausweitung des räumlichen Schutzbereiches auch auf Schulen und institutionelle Kinderbetreuungseinrichtungen angeregt.

In diesem Bereich kann im europäischen Vergleich von einer Vorreiterrolle Österreichs gesprochen werden.

Zu Art. 53 – Kontakt- und Näherungsverbote sowie Schutzanordnungen:

Art. 53 sieht vor, dass angemessene Kontakt- und Näherungsverbote oder Schutzanordnungen für Opfer aller in den Geltungsbereich dieses Übereinkommens fallenden Formen von Gewalt zur Verfügung stehen. Sie müssen bestimmte Anforderungen erfüllen (sofortiger Schutz ohne unangemessene finanzielle oder administrative Belastung für die Opfer, Geltung für einen gewissen Zeitraum, Möglichkeit der Erlassung ohne Anhörung der Gegenpartei) und mit wirksamen, verhältnismäßigen und abschreckenden Sanktionen bewehrt sein.

Diese Anforderungen sind im österreichischen Recht durch die einstweiligen Verfügungen nach den §§ 382b ff Exekutionsordnung bereits erfüllt. Sie stehen sowohl für körperliche Angriffe und Drohungen mit solchen als auch für ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten zur Verfügung und umfassen Wegweisungen und Rückkehrverbote betreffend die gemeinsame Wohnung sowie Aufenthalts- und Kontaktverbote. Diese einstweiligen Verfügungen können für einen bestimmten Zeitraum oder bis zur Beendigung eines Hauptverfahrens (etwa Scheidungsverfahrens) angeordnet werden. Von der Anhörung des Antragsgegners vor Erlassung ist abzusehen, wenn eine weitere Gefährdung unmittelbar droht. Die einstweiligen Verfügungen sind sofort vollstreckbar; Rechtsmittel haben keine aufschiebende Wirkung. Mit dem Vollzug der einstweiligen Verfügungen können – was in der Praxis der Regelfall ist – die Sicherheitsbehörden befasst werden, die die Anordnungen mit unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt durchsetzen.

Zu Art. 54 – Ermittlungen und Beweise:

In Art. 54 ist die Verpflichtung der Vertragsparteien verankert, dafür Sorge zu tragen, dass Beweise zur sexuellen Vorgeschichte und zum Sexualverhalten des Opfers nur dann im Zivil- oder Strafverfahren als zulässig gewertet und berücksichtigt werden dürfen, wenn diese sachdienlich und notwendig sind.

In diesem Sinne legt § 158 Abs. 1 Z 2 StPO im Interesse des Opferschutzes fest, dass Personen, die durch die dem Beschuldigten zur Last gelegte Straftat in ihrer Geschlechtssphäre verletzt wurden oder verletzt worden sein könnten, soweit sie Einzelheiten der Tat zu offenbaren hätten, deren Schilderung sie für unzumutbar halten, die Beantwortung einzelner Fragen verweigern können. Dieses Recht kommt gem. Z 3 leg.cit. u.a. auch Personen zu, soweit sie Umstände aus ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich zu offenbaren hätten. Bei Unerlässlichkeit der Aussage zur Wahrheitsfindung ist jedoch eine Berufung auf das Aussageverweigerungsrecht nach § 158 Abs. 1 Z 2 und 3 StPO unzulässig (§ 158 Abs. 2 StPO).

Der höchstpersönliche Lebensbereich von ZeugInnen ist darüber hinaus auch durch § 161 Abs 3 letzter Satz StPO geschützt. Danach dürfen Fragen nach Umständen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich von ZeugInnen nur dann gestellt werden, wenn dies nach den besonderen Umständen des Falles unerlässlich ist.

Im Zivilverfahren sehen die §§ 184 Abs. 2. 289 Abs. 1 und 342 Abs. 1 ZPO die Zurückweisung unangemessener Fragen vor. Überdies haben ZeugInnen nach § 321 Abs. 1 Z 1 ZPO (und Parteien kraft Verweises des § 380 Abs. 1 ZPO auch Parteien) über Fragen, deren Beantwortung ihnen oder ihnen iS dieser Bestimmung nahe stehenden Personen zur Schande gereichen würde, ein Aussageverweigerungsrecht.

Zu Art. 55 – Verfahren auf Antrag und von Amts wegen:

Art. 55 Abs. 1 verpflichtet die Vertragsparteien sicherzustellen, dass eine dem Übereinkommen unterliegende Straftat nach den Artikeln 35, 36, 37, 38 und 39 unabhängig von einer Anzeige des Opfers und ungeachtet eines etwaigen Widerrufs der bisherigen Aussage verfolgt wird. Das österreichische Strafverfahren, das auf den Prinzipien der Amtswegigkeit (§ 2 StPO), Objektivität der Wahrheitsforschung (§ 3 StPO) und des Anklagegrundsatzes (§ 4 StPO) beruht, entspricht den Vorgaben dieser Bestimmung.

Selbst wenn zur Umsetzung des Art. 36 auf die Ermächtigungsdelikt der §§ 108 und/oder § 218 Abs. 1 StGB zurückgegriffen werden sollte, bestünde kein Umsetzungsbedarf, zumal es sich auch bei Ermächtigungsdelikten um amtswegig zu verfolgende Delikte handelt, bei denen Ermittlung und Verfolgung keineswegs „vollständig von einer Meldung oder Anzeige des Opfers abhängen“ und die auch nach der Zurückziehung der Aussage des Opfers weitergeführt werden können.

Um Opfer zu stärken und diese zu ermutigen, an einem Strafverfahren teilzunehmen, wird in Abs. 2 von den Vertragsparteien darüber hinaus verlangt, dafür Sorge zu tragen, dass staatliche und nichtstaatliche Organisationen sowie auf häusliche Gewalt spezialisierte BeraterInnen Opfern helfen und diese während der Ermittlungen und des Gerichtsverfahrens unterstützen können. Die hier angesprochenen Dienste sind laut Erläuterndem Bericht nicht rechtlicher, sondern praktischer bzw. psychologischer Art. Sie umfassen die Vorbereitung des Opfers – auf psychologischer und emotionaler Ebene – auf die Aussage vor dem Angeklagten, die Begleitung zu Gericht sowie andere praktische und psychologische Hilfestellungen. Diesen Vorgaben wird im österreichischen Recht durch das Institut der psychosozialen und juristischen Prozessbegleitung gemäß § 66 Abs. 2 StPO jedenfalls entsprochen.

Zu Art. 56 – Schutzmaßnahmen:

In Abs. 1 werden die Vertragsparteien angehalten, Vorkehrungen für alle Verfahrensstadien zu treffen, um die Rechte und Interessen der Opfern unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse als ZeugInnen zu schützen, wobei mittels demonstrativer Liste besondere Maßnahmen hervorgehoben werden:

Lit. a verpflichtet die Vertragsparteien, für Maßnahmen zum Schutz von Opfern, deren Familien und BelastungszeugInnen vor Einschüchterung und Vergeltung sowie erneuter Viktimisierung Sorge zu tragen. In diesem Sinne bietet § 162 StPO ZeugInnen die Möglichkeit, anonym auszusagen, sofern zu befürchten ist, dass bei Bekanntwerden der Identität eine ernste Gefahr für das Leben, die Gesundheit, körperliche Unversehrtheit oder Freiheit des Opfers oder eines Dritten besteht. Die Bestimmungen der StPO über die abgesonderte und schonende kontradiktorische Einvernahme (§§ 165 Abs. 3 und 4 und 250 Abs. 3 StPO) sind insbesondere im Zusammenhalt mit der Gewährung von psychosozialer und juristischer Prozessbegleitung (§ 66 Abs. 2 StPO) darauf ausgerichtet eine sekundäre Viktimisierung durch das Strafverfahren zu vermeiden.

Schutzbedürftigkeit einer Zeugin/eines Zeugen besteht jedoch nicht nur bei ihrem/seinem Auftreten in einem förmlichen Gerichtsverfahren, sondern vielfach bereits dann, wenn die Zeugin/der Zeuge die Sicherheitsbehörden über bestimmte Tatsachen informiert bzw. nach Abschluss eines Strafverfahrens. Zur Prävention wurde mit dem Bundesgesetz über die Einführung besonderer Ermittlungsmaßnahmen, BGBl. I Nr. 105/1997, der Schutz von Menschen, die über einen gefährlichen Angriff oder über organisierte Kriminalität Auskunft erteilen können, als weitere sicherheitsbehördliche Aufgabe gesetzlich verankert (§ 22 Abs. 1 Z 5 SPG). Diese legistische Maßnahme erfolgte entsprechend der Entschließung des Rates der Europäischen Union vom 23. November 1995 (1995/C327/04).

Im Bundesministerium für Inneres, Bundeskriminalamt, wurde mit Wirksamkeit des 1. August 1999 ein Büro für Zeugenschutz eingerichtet, das ausschließlich die Belange des Zeugenschutzes in Österreich auf zentraler Ebene und im internationalen Konnex wahrnimmt. Folgende Aufgaben kommen der Zeugenschutzdienststelle zu:

- Dem Büro für Zeugenschutz obliegt im Sinne des § 22 Abs. 1 Z 5 SPG der Schutz von Menschen, die über einen gefährlichen Angriff oder organisierte Kriminalität Auskunft erteilen können und deshalb besonders gefährdet sind. Die Entscheidung über die Aufnahme einer Schutzperson in das Zeugenschutzprogramm, wird gegebenenfalls nach Rücksprache mit den Gerichten und Staatsanwaltschaften vorgenommen;

- Die Festlegung, Durchführung und gegebenenfalls Abänderung der im Einzelfall erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung eines effektiven Schutzes;

- Bei entsprechender Notwendigkeit ist die Einbindung von speziellen Einsatzeinheiten, wie etwa der Sondereinheit COBRA, vorgesehen;

- Allgemeine Beratung und Betreuung der Zeugin/des Zeugen bzw. der Schutzperson in Angelegenheiten des Zeugenschutzes sowie deren Unterstützung bei der Abwicklung persönlicher Angelegenheiten (etwa. Besorgung eines Arbeitsplatzes);

- Zuständigkeit zur Leistung von Amtshilfe im Bereich Zeugenschutz gemäß § 4 Polizeikooperationsgesetz;

- Entscheidung auf Übernahme einer Person in das innerstaatliche Schutzprogramm, über Ersuchen einer ausländischen Zeugenschutzdienststelle, gegebenenfalls die Festlegung entsprechender Schutzmaßnahmen im Inland.

Eine Aufnahme in das Zeugenschutzprogramm des Bundesministeriums für Inneres kommt insbesondere in Betracht, wenn Grund zur Annahme besteht, dass eine Person, die durch sachdienliche Hinweise zur Aufklärung von Verbrechen (§ 17 Abs. 1 StGB), vor allem aber zur Aufklärung von Delikten aus dem Bereich der organisierten Kriminalität (§ 278a StGB) beiträgt oder beigetragen hat, mit gefährlichen Angriffen auf Leben, Gesundheit, Freiheit, Sittlichkeit oder der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz bedroht ist.

Zur Beurteilung des Vorliegens der Aufnahmevoraussetzungen haben die ermittlungsführenden Sicherheitsdienststellen dem Bundesministerium für Inneres einen schriftlichen Antrag vorzulegen, aus dem eine Sachverhaltsdarstellung nach dem jeweiligen Stand der Ermittlungen sowie eine Darstellung sämtlicher für die Gefährdungsanalyse maßgebender Kriterien hervorgeht. Für die Aufnahme in das Schutzprogramm ist die Zustimmung der Zeugin/des Zeugen jedenfalls erforderlich. Wenn es die Gefährdungslage erfordert, können auch sonstige im unmittelbaren Nahbereich befindliche Personen wie Familienangehörige in das Schutzprogramm aufgenommen werden. Das Schutzprogramm bleibt so lange aufrecht, bis eine Gefährdung nicht mehr gegeben ist.

Die Schutzmaßnahmen umfassen neben psychischen Schutz eine psychosoziale Betreuung und Stabilisierung der Zeugin/des Zeugen, den Wechsel des Wohnortes und einen entsprechenden, adäquaten neuen Arbeitsplatz. Gemäß § 54a SPG können darüber hinaus zum vorbeugenden Schutz eines Opfers auch so genannte „Legenden“ also Urkunden erstellt werden, welche über dessen wahre Identität täuschen.

Lit. b normiert in Fällen einer potentiellen Gefährdung des Opfers und seiner Familie ein Informationsrecht über eine Flucht oder vorübergehende bzw. endgültige Haftentlassung von Beschuldigten oder verurteilten Personen. In diesem Sinne sind gemäß § 177 Abs. 5 StPO Opfer, deren sexuelle Integrität durch die Straftat beeinträchtigt worden sein könnte und Opfer von Gewalt in Wohnungen, von der Freilassung des Beschuldigten unter Angabe von Gründen und der auferlegten gelinderen Mittel vor Fällung des Urteils erster Instanz zu verständigen, andere Opfer nur sofern dies beantragt wurde.

Lit. c statuiert Informationsrechte zu den Opferrechten und Unterstützungseinrichtungen und über die auf Grund der Anzeige veranlassten Maßnahmen, die Anklagepunkte, den allgemeinen Stand der Ermittlungen bzw. des Verfahrens wie auch über die Rolle des Opfers während des Verfahrens und über den Verfahrensausgang. § 10 Abs. 2 StPO normiert eine allgemeine Informationspflicht für Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte über Opferrechte sowie über Entschädigungs- oder Hilfeleistungen. § 70 StPO sieht die konkrete Informationspflicht für Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft über die wesentlichen Opferrechte nach den §§ 66 und 67 StPO, insbesondere über die Voraussetzung für die Prozessbegleitung nach § 66 Abs. 2 StPO vor. Opfer, deren sexuelle Integrität verletzt worden sein könnte, sind darüber hinaus über die in § 70 Abs. 2 StPO statuierten Rechte zu informieren (im Ermittlungsverfahren Recht auf Einvernahme durch eine Person gleichen Geschlechts, Recht die Beantwortung bestimmter unzumutbarer Fragen zu verweigern (§ 158 Abs. 1 Z 2 StPO), Recht auf abgesonderte schonende Einvernahme in der Hauptverhandlung (§§ 165, 250 Abs. 3 StPO) sowie das Rechte auf Ausschluss der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung (§ 229 Abs. 1 StPO)). Die in § 66 StPO angeführten Opferechte sind: das Vertretungsrecht (§ 73 StPO), das Recht auf Akteneinsicht (§ 68 StPO), das Recht auf Information (§ 70 StPO), das Recht auf Verständigung über den Fortgang des Verfahrens, das Recht auf Übersetzungshilfe (§ 56 StPO), das Teilnahmerecht an einer kontradiktorischen Einvernahme von ZeugInnen und Beschuldigten (§ 165 StPO) und an einer Tatrekonstruktion (§ 150 Abs. 1 StPO), das Recht auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung und das Recht Fragen an Angeklagte, ZeugInnen und Sachverständige zu stellen und angehört zu werden sowie auch das Recht die Fortführung eines durch die Staatsanwaltschaft eingestellten Verfahren zu verlangen (§ 195 Abs. 1 StPO). Als Privatbeteiligte haben Opfer darüber hinaus das Recht, die Aufnahme von Beweisen zu beantragen, als SubsidiaranklägerInnen die Anklage aufrechtzuerhalten, auf Beschwerde gegen eine gerichtliche Einstellung des Verfahrens sowie wegen privatrechtlicher Ansprüche Berufung zu erheben (§ 67 Abs. 6 StPO). Aufgrund der in der StPO verankerten umfassenden Opferrechte kann die im Übereinkommen statuierte Informationspflicht als umgesetzt erachtet werden.

Lit. d statuiert in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Verfahrensbestimmungen für Opfer ein Anhörungsrecht, das Recht Beweise vorzulegen und das Recht unmittelbar oder durch einen Vertreter Ansichten, Bedürfnisse oder Sorgen vorzubringen. Nach den entsprechenden Bestimmungen der StPO haben Opfer das Recht, zu ihren Ansprüchen gehört zu werden (§ 66 Abs. 1 Z 7 StPO) und als Privatbeteiligte die Aufnahme von Beweisen zu beantragten (§ 67 Abs. 6 Z 1 StPO). Im Hinblick auf den Grundsatz, dass die zuständigen Behörden auf die Interessen der Opfer im Strafverfahren Bedacht nehmen müssen (§ 10 Abs. 2 und 3 StPO), ist auch gewährleistet, dass Opfer ihre Bedenken, Interessen und Bedürfnisse darlegen können. Es macht dabei keinen Unterschied, ob sich das Opfer direkt oder durch einen Vertreter (§ 73 StPO) äußert.

Lit. e verpflichtet die Vertragsparteien, Opfern geeignete Hilfsdienste zukommen zu lassen. Der Anspruch auf kostenfreie psychosoziale und juristische Prozessbegleitung, welche durch geeignete vom BMJ beauftragte Opferschutzeinrichtungen durchgeführt wird (§ 66 Abs. 2 StPO), stellt die angemessene Unterstützung von Opfern zur Wahrung ihrer Interessen im Strafverfahren sicher.

Lit. f normiert das Recht auf Privatsphäre und Bildnisschutz. Nach den korrespondierenden Bestimmungen der StPO haben im Sinne des ZeugInnen/Opferschutzes alle im Strafverfahren tätigen Behörden dem allgemeinen Grundsatz des § 10 Abs. 3 StPO folgend die Intimsphäre und die Identität von Opfern zu schützen. Bei der Einvernahme sind Fragen zur Person möglichst so zu stellen, dass die Angaben dazu nicht öffentlich bekannt werden (§ 161 Abs. 1 StPO). Unter den Voraussetzungen des § 162 StPO besteht die Möglichkeit einer anonymen Aussage. Darüber hinaus kann amtswegig oder auch auf Antrag des Opfers die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung u.a. zum Zwecke des Schutzes des persönlichen Lebensbereichs oder der Identität des Opfers ausgeschlossen werden (§ 229 Abs. 1 Z 2 und 3 StPO). So ist es auch Beschuldigten und VerteidigerInnen untersagt, personenbezogene Daten, anderer am Verfahren Beteiligter, die bisher nicht öffentlich bekannt geworden sind, zu veröffentlichen (§ 54 StPO). Gemäß § 228 Abs. 4 StPO sind Fernseh- und Hörfunkaufnahmen und –übertragungen sowie Film- und Fotoaufnahmen von Verhandlungen der Gerichte unzulässig. Darüber hinaus sei auch auf § 7a MedienG zum „Schutz vor Bekanntgabe der Identität in besonderen Fällen“ hingewiesen.

Gemäß lit. g haben die Vertragsparteien sicherzustellen, dass der direkte Kontakt von Opfer und TäterIn in den Räumlichkeiten der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte soweit möglich vermieden wird. Die abgesonderte und schonende kontradiktorische Einvernahme (§§ 165 Abs. 3 und 4 und 250 Abs. 3 StPO) ermöglicht die ZeugInnenbefragung insbesondere von Kindern ohne direkte Konfrontation des Opfers mit dem Beschuldigten. Hingegen hat das Opfer trotzdem das Recht, an den Hauptverhandlungen teilzunehmen (§ 66 Abs. 1 Z 7 StPO).

Lit. h legt das Recht der Opfer auf unabhängige und kompetente Übersetzungshilfe fest, wenn Opfer im Verfahren als Partei auftreten oder Beweismittel vorlegen. Damit sich Personen, die durch strafbare Handlungen verletzt wurden, in einer ihnen geläufigen Sprache verständigen bzw. sich über den Gang des Verfahrens kundig machen können, ist ihnen gemäß § 66 Abs. 1 Z 5 StPO Übersetzungshilfe zu gewähren, soweit dies zur Wahrung ihrer Rechte im Strafverfahren, insbesondere des Rechts, sich dem Verfahren wegen ihrer privatrechtlichen Ansprüche (Schmerzengeld etc.) anzuschließen, erforderlich ist.

Lit. i verpflichtet die Vertragsparteien dafür Sorge zu tragen, dass Opfer aussagen können, ohne körperlich im Gerichtssaal anwesend sein zu müssen oder zumindest ohne dass der vermeintliche Straftäter bzw. die vermeintliche Straftäterin anwesend ist. Die Umsetzung dieser Vorgaben ist durch die Befreiung von der Pflicht zur Aussage von Opfern, deren Geschlechtssphäre durch die Straftat verletzt worden sein könnte unter der Voraussetzung einer vorausgegangenen kontradiktorischen Einvernahme (§ 156 Abs. 1 Z 2 StPO), die Möglichkeit ZeugInnen aus bestimmten Gründen in ihrer Wohnung oder einem anderen Aufenthaltsort zu hören (§ 160 Abs. 1 StPO), das Recht des Opfers auf Vernehmung im Beisein einer Vertrauensperson (§ 160 Abs. 2 und 3 StPO), die Möglichkeit der anonymen Aussagen (§ 162 StPO) wie auch die abgesonderte schonende kontradiktorische Vernehmung (§§ 165 Abs. 3 und 4 und § 250 Abs. 3 StPO) gewährleistet.

In Abs. 2 wird festgelegt, dass für Kinder, die Opfer oder ZeugInnen von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt geworden sind, gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des Kindeswohles zu treffen sind. In diesem Zusammenhang sei insbesondere hervorgehoben, dass in Österreich besondere Kinderschutzeinrichtungen zur Prozessbegleitung von Kindern berufen sind. Auch ermöglicht die abgesonderte und schonende kontradiktorische Einvernahme (§§ 165 Abs. 3 und 4 und 250 Abs. 3 StPO) die ZeugInnenbefragung insbesondere von Kindern ohne direkte Konfrontation mit dem Beschuldigten, wodurch dem erhöhten Schutzbedürfnis von Kindern als Opfer von Straftaten besonders Rechnung getragen wird.

Auch für den Bereich des Zivilverfahrens können Art. 56 Abs. 1 lit. a, d, f, g und i und Abs. 2 als bereits umgesetzt erachtet werden. Durch den in Österreich im Verfassungsrang stehenden Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die allgemeinen Verfahrensregeln der Zivilprozessordnung (ZPO) und des Außerstreitgesetzes (AußStrG), insbesondere über die Sitzungspolizei und das Fragerecht sowie durch

- §§ 75a f und 417 ZPO (Absehen von der Angabe des Wohnortes einer Partei oder einer Zeugin oder eines Zeugen),

- § 172 ZPO (Ausschluss der Öffentlichkeit),

- § 289a ZPO (Abgesonderte Vernehmung),

- § 289b ZPO (Vernehmung minderjähriger Personen)

- § 10a AußStrG (Verweisung auf die Bestimmungen über die Geheimhaltung des Wohnortes der ZPO)

- § 19 AußStrG (Ausschluss der Öffentlichkeit)

- § 20 AußStrG (Ausschluss auch der Parteien bei der Einvernahme Minderjähriger) und

- § 35 AußStrG (Verweisung auf weitere Bestimmungen der ZPO)

ist für den Schutz von Opfern sowie den Schutz ihrer Familien und der Zeugen und Zeuginnen vor Einschüchterung, Vergeltung und davor, erneut Opfer zu werden, Sorge getragen, den Opfern die Möglichkeit gegeben, gehört zu werden, Beweismittel vorzulegen und ihre Ansichten, Bedürfnisse und Sorgen unmittelbar oder über einen Vermittler vorzutragen und prüfen zu lassen, gewährleistet, dass Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre und des Ansehens des Opfers getroffen werden können, stehen Opfern unabhängige und fähige Dolmetscher zur Verfügung, wenn Opfer im Verfahren als Partei auftreten oder Beweismittel vorlegen und ist es dem Opfer ermöglicht, insbesondere durch den Einsatz geeigneter Kommunikationstechnologien, soweit diese verfügbar sind, vor Gericht auszusagen, ohne im Gerichtssaal anwesend sein zu müssen, oder zumindest nicht in Anwesenheit des mutmaßlichen Täters.

Zudem können für Kinder, die Opfer oder Zeugen von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt geworden sind, gegebenenfalls besondere Schutzmaßnahmen unter Berücksichtigung des Wohles des Kindes getroffen werden.

Art. 56 Abs. 1 lit. b und c betreffen nicht das Zivilverfahren. Art. 56 Abs. 1 lit. e des Übereinkommens ist durch schon bestehende Einrichtungen zum Schutz der Opfer und zur Wahrung ihrer Interessen, insbesondere das Institut der Prozessbegleitung, umgesetzt.

Zu Art. 57 – Rechtsbeistand:

Um die Stellung von Opfern insbesondere im Hinblick auf ihre emotionale Belastung im Strafverfahren zu stärken, haben Opfer von Gewalt, gefährlicher Drohung und Sexualdelikten seit 1. Jänner 2006 Anspruch auf kostenfreie psychosoziale und juristische Prozessbegleitung. Mit dem mit 1. Jänner 2008 in Kraft getretenen Strafprozessreformgesetz, BGBl. I Nr. 19/2004, wurde dieser Anspruch in § 66 Abs. 2 StPO verankert. Dieser Bestimmung zufolge umfasst psychosoziale und juristische Prozessbegleitung die Vorbereitung des Opfers auf das Strafverfahren und die damit verbundenen emotionalen Belastungen sowie die Begleitung zu Vernehmungen während des Verfahrens (§ 160 Abs. 2 StPO) und die rechtliche Beratung und Vertretung durch eine Rechtsanwältin/einen Rechtsanwalt. Im Interesse der reibungsfreien Anwendung in der Praxis beauftragt das Bundesministerium für Justiz geeignete Opferschutzeinrichtungen mit der Durchführung der Prozessbegleitung und ersetzt diesen ihre Aufwendungen.

Im Zivilverfahren darf sich jedermann durch einen anwaltlichen Beistand vertreten lassen. Art. 57 1. Fall, der das Recht der Opfer auf anwaltlichen Beistand postuliert, ist damit bereits umgesetzt.

Auch stehen schon Einrichtungen zur Verfügung, die eine unentgeltliche Rechtsberatung gewährleisten, z.B. die erste anwaltliche Auskunft, oder die Beratung durch Opferhilfeeinrichtungen.

Zu Art. 58 – Verjährungsfrist:

Nach dieser Bestimmung sollen die Vertragsparteien sicherstellen, dass bei nach den Artikeln 36, 37, 38 und 39 umschriebenen Straftaten die Verjährungsfrist ausreichend lange ist, um eine Einleitung der Strafverfolgung auch nach Volljährigkeit des Opfers zu ermöglichen. Die Verjährungsfrist soll im Verhältnis zur Schwere der Straftat stehen.

Nach § 58 Abs. 3 Z 3 StGB wird aufgrund des zweiten Gewaltschutzgesetzes (BGBl. Nr. I 2009/142) schon derzeit die Zeit bis zur Erreichung des 28. Lebensjahres des Opfers bei einer strafbaren Handlung gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung nicht in die Verjährung eingerechnet, wenn das Opfer zur Zeit der Tatbegehung minderjährig war. Art. 58 ist somit als umgesetzt anzusehen.

Kapitel VII – Migration und Asyl

Zu Art. 59 – Aufenthaltsstatus:

Betreffend die von Art. 59 der gegenständlichen Konvention angeführten aufenthaltsrechtlichen Schutzklauseln für Opfer von Gewalt und Zwangsheirat besteht kein Bedarf für das Setzen legistischer Maßnahmen, weil die vorgesehenen Schutzanforderungen von der aktuellen fremdenrechtlichen Gesetzeslage bereits abgedeckt werden.

In diesem Zusammenhang ist insbesondere § 27 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) einschlägig. Dieser normiert über die bestehenden europarechtlichen und die der Konvention innewohnenden Vorgaben hinaus, dass der Familienangehörige vom Beginn an über ein eigenständiges Niederlassungsrecht verfügt. Für den Fall des Wegfalls der Voraussetzungen für den Familiennachzug, wie beispielsweise bei Scheidung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, sind zahlreiche Schutznormen vorgesehen. So bleibt dem ehemaligen Familienangehörigen unter anderem bei Scheidung aus überwiegendem Verschulden des anderen Ehegatten oder bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe ein Aufenthaltstitel erhalten. Solche besonders berücksichtigungswürdigen Gründe liegen schon von Gesetzes wegen insbesondere dann vor, wenn der Familienangehörige Opfer einer Zwangsehe oder Opfer von Gewalt wurde. Aufgrund der  Konstruktion des § 27 NAG besteht grundsätzlich auch nicht die Gefahr der Einleitung eines Ausweisungsverfahrens, zumal die Opfer bis zum Ablauf der Gültigkeitsdauer ihres Aufenthaltstitels bzw. der Entscheidung über den Zweckänderungsantrag naturgemäß rechtmäßig aufhältig sind.

Darüber hinaus ist für Opfer von Gewalt die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach § 69a NAG möglich. Die Erteilung dieses Aufenthaltstitels ist ebenso zum Zwecke der Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen vorgesehen. Für Opfer von Zwangsehen und Zwangspartnerschaften wurden bereits mit  dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009 zahlreiche aufenthaltsrechtliche Schutznormen, die den Erhalt eines Aufenthaltsrechts oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels ermöglichen (wie beispielsweise die §§ 27, 30a und 69a Abs. 1 Z 3 NAG) anwendbar gemacht bzw. eingeführt.

Zu Art. 60 – Asylanträge aufgrund des Geschlechts:

Österreich ist der Status-RL der EU (RL 2004/83/EG) unterworfen, die im Asylbereich besondere Vorschriften zur Berücksichtigung sexueller Gewalt enthält. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf Art. 9 Abs. 2 lit. a StatusRL hingewiesen, wonach die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, unter anderem als Verfolgung iSd Art. 1A GFK gelten können.

Gem. § 3 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne der Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und der Antrag nicht zurückzuweisen ist. Gewalt gegen Frauen aufgrund des Geschlechtes ist insoweit eine Form der Verfolgung als die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gegeben sind.

Gründet ein Asylwerber seine Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in seine sexuelle Selbstbestimmung, ist er gem. § 20 AsylG 2005 von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn, dass er anderes verlangt. Aufgrund der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) erstreckt sich diese Bestimmung auch auf Dolmetscher und ist daher die Beiziehung eines Dolmetschers gleichen Geschlechts erforderlich (vgl. VwGH vom 30.6.2011 Zl. 2011/23/0089 sowie vom 22.11.2005 Zl. 2005/01/0285). Das Gesetz normiert eine Wahlmöglichkeit für den Asylwerber, auf welche er nachweislich hinzuweisen ist. Möchte der Asylwerber von einem andersgeschlechtlichen Organwalter einvernommen werden, so kann er dies verlangen.

Da Asylwerber, die durch Folter oder durch ein gleichwertiges Ereignis an einer psychischen Störung leiden, eine besonders schützenswerte Gruppe sind, ist es erforderlich, für diese Menschen im Verfahren besondere Sicherheitsmechanismen vorzusehen. Daher wird in diesem Kontext in § 30 AsylG 2005 vorgesehen, dass die Verfahren solcher Menschen im Zulassungsverfahren nicht abzuweisen – also nicht inhaltlich negativ zu entscheiden – sind, wenn im Zulassungsverfahren in der Einvernahme oder in einer weiteren Einvernahme medizinisch belegbare Tatsachen mit hoher Wahrscheinlichkeit die Annahme rechtfertigen, dass sie durch Folter oder ein gleichwertiges Ereignis, an einer belastungsabhängigen krankheitswertigen psychischen Störung leiden. Darüber hinaus ist im weiteren Verlauf des Verfahrens auf die besonderen Bedürfnisse des Asylwerbers Bedacht zu nehmen.

Gem. § 19 Abs. 5 AsylG 2005 darf ein Asylwerber in Begleitung einer Vertrauensperson zu Einvernahmen vor dem Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof erscheinen.

Bis einschließlich September 2011 wurde in diesem Jahr in Österreich bereits 1.134 Frauen der Flüchtlingsstatus zuerkannt. Es gibt zwar keine Statistik über die Fluchtgründe, es ist jedoch anzunehmen, dass sich viele Gewaltopfer darunter finden. Die Unterbringung in Österreich erfolgt sowohl beim Bund als auch in den Ländern getrennt nach Geschlecht. In der Betreuungsstelle Ost in Traiskirchen gibt es ein eigenes Haus der Frauen, welches von Männern nicht betreten werden darf.

Zu Art. 61 – Verbot der Zurückweisung:

Dieser Artikel benennt das Verbot der Zurückweisung und beinhaltet die Verpflichtung der Vertragsparteien all jene gesetzgeberischen oder sonstigen Maßnahmen zu treffen, um diesen Grundsatz in Übereinstimmung mit bestehenden völkerrechtlichen Verpflichtungen zu wahren. Das österreichische Fremdenrecht sieht derzeit schon eine umfassende Prüfung des Refoulementverbotes sowohl im Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) als auch im Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) vor. So wird gemäß § 50 FPG bei jeder fremdenpolizeilichen Maßnahme, die eine Aufenthaltsbeendigung oder -verweigerung zur Folge hat, geprüft, ob bestimmte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der betreffende Fremde in ein Land, in das er abgeschoben,  zurückgeschoben oder zurückgewiesen werden soll, gefoltert oder unmenschlich behandelt werden wird. Auch im AsylG 2005 wird durch mehrere Bestimmungen dem Gedanken des Refoulementschutzes Rechnung getragen.  So kann zwar die Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen bzw. dieser Schutzstatus unter bestimmten Voraussetzungen aberkannt werden (z. B. bei Vorliegen schwerer Straftaten iS der Statusrichtlinie), obwohl eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bei Rückkehr in den Herkunftsstaat besteht. Um jedoch dem Absolutheitscharakter von Art. 3 EMRK gerecht zu werden, ist in solchen Fällen gleichzeitig auszusprechen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat aufgrund dieser Gefahr unzulässig ist. Demnach ist die Entscheidung gemäß § 10 AsylG 2005 auch nicht mit einer Ausweisung zu verbinden, sondern ist der Aufenthalt in Österreich vorläufig gemäß § 46a FPG geduldet. Als Anwendungsbereich ist auch der Bereich einer möglichen Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes bei Folgeanträgen gemäß § 12a Abs. 2 zu nennen, wo eine der Voraussetzungen ist, dass dem Antragsteller im Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK droht.

Demnach wird das Refoulementverbot stets mitgeprüft und wird daher von einer aufenthaltsbeendenden oder verweigernden Maßnahme Abstand genommen, soweit diese gegen Art. 3 EMRK verstoße sollte.

In Art. 61 Abs. 2 wird die in Abs. 1 beschriebene allgemeine Verpflichtung zur Beachtung des Refoulementverbotes auf den durch das  Übereinkommen geschützten Personenkreis spezifiziert. So sollen insbesondere jene gesetzgeberischen Maßnahmen getroffen werden, um schutzbedürftige Opfer von Gewalt gegen Frauen vor einer Zurückweisung in einen Staat, in dem ihnen Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung droht geschützt werden.

Eine Handlung ist dann Folter, wenn eine absichtliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorbedacht ist und sehr ernstes und grausames Leiden hervorruft. Darunter kann auch eine Behandlung ohne unmittelbaren Eingriff in die physische Integrität verstanden werden, wenn sie erhebliches psychisches Leiden hervorruft. Folter umfasst sowohl den klassischen Folterbegriff (d.h. die Zufügung schwerer physischer oder psychischer Leiden zum Zweck der Gewinnung von Informationen oder Geständnis) als auch einen erweiterten Folterbegriff (d.h. ausgedehnt auf grobe Misshandlungen losgelöst von solch spezifischem Zweck). Der EGMR qualifizierte u.a. das sogenannte palästinensische Hängen (der Inhaftierte wird ausgezogen, seine Hände hinter dem Rücken zusammengebunden und danach an den Armen hochgezogen, mit der Folge, dass seine Arme anschließend gelähmt sind, inter alia Dikme gg. Türkei, Beschwerde Nr. 20869/92, 11.07.2000) als Folter. Folter kann in vorwiegend körperlicher, biologischer, sexueller oder psychologischer Aggression bestehen.

Unmenschlich ist eine Behandlung oder Strafe, die (absichtliche) schwere psychische oder physische Leiden verursacht, wodurch beim Betroffenen Gefühle der Furcht und Erniedrigung hervorgerufen werden, die in der gegebenen Situation ungerechtfertigt ist. Laut EGMR ist eine Behandlung/Strafe „unmenschlich“, wenn sie absichtlich heftigen Schmerz bewirkt. Die Unterscheidung zwischen unmenschlicher Behandlung und Folter ist „vornehmlich in der unterschiedlichen Intensität des zugefügten Leidens begründet“ (Irland gg. Vereinigtes Königreich, Beschwerde Nr. 5310/71, EuGRZ 1979, 149, 153, § 167).

Kapitel VIII – Internationale Zusammenarbeit

Zu Art. 62 – Allgemeine Grundsätze:

Abs. 1 dieser Bestimmung sieht die Verpflichtung der Vertragsparteien zur größtmöglichen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der im gegenständlichen Übereinkommen angeführten Straftaten und bei der Durchführung von Ermittlungen und Verfahren wegen solcher Straftaten sowie bei der Vollstreckung einschlägiger Entscheidungen ihrer Justizbehörden, einschließlich Schutzanordnungen, durch Anwendung bestehender Übereinkommen im Gegenstand vor. In Betracht kommen dabei etwa das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13.12.1957, BGBl. Nr. 320/1969, und das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959, BGBl. Nr. 41/1969, sowie – im Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten der EU – der durch §§ 1 bis 38 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl. I Nr. 36/2004 idgF. umgesetzter Rahmenbeschluss des Rates vom 13.6.2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten, ABl. L 2002/190, 1, und das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. I Nr. 65, 2005. Erwähnenswert erscheint weiters die – allerdings noch nicht formell angenommene – Richtlinie über die Europäische Schutzanordnung, die die Anerkennung und Vollstreckung von in einem anderen (EU) Mitgliedstaat ergangenen Schutzmaßnahmen strafrechtlicher Natur vorsieht.

Festzuhalten ist, dass Österreich gemäß § 3 des Auslieferungs- und Rechtshilfeübereinkommens (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979, auf der Grundlage der Gegenseitigkeit unabhängig vom Bestehen einer vertraglichen Basis zur Auslieferung und Rechtshilfeleistung sowie zur Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen in der Lage ist.

Im Einzelnen ist zu den in Abs. 1 an die Vertragsparteien erhobenen Anforderungen folgendes festzuhalten:

Zu lit. a und b: Ein Beitrag zur Gewaltbekämpfung in einem weiteren Sinn und Opferschutz i.S. lit. b, ist im Zivilrecht die Möglichkeit der Anordnung besonderer einstweiliger Verfügungen und der Ersatz von Schäden aus einschlägigen Straftaten aufgrund eines Zivilprozesses. Während bei der Anordnung einer einstweiligen Verfügung wegen der Dringlichkeit der Verfahren und der Ortsbezogenheit im Einzelfall eher selten Anlass bestehen wird, auf die Instrumente der internationalen Zusammenarbeit in Zivilsachen zurückzugreifen, spielen diese bei Schadenersatzprozessen eine erhebliche praktische Rolle. Rechtshilfe bei der Zustellung und der Beweisaufnahme wird unter den EU-MS aufgrund der EU-Zustellverordnung Nr. 1348/2000, bzw. EU-Beweisaufnahmeverordnung Nr. 2106/2001, mit Belarus, Bosnien und Herzegowina, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Moldau, Russland, Serbien, Türkei und Ukraine aufgrund bilateraler Verträge geleistet.

Durch internationale Zusammenarbeit in einem weiteren Sinn werden Opfer im Zivilrecht dadurch unterstützt, dass sie aufgrund internationaler Regelungen erleichterten Zugang zu Gerichten anderer Staaten erhalten, durch die Befreiung von der Pflicht zur Prozesskostensicherheitsleistung oder durch die Möglichkeit, Verfahrenshilfe ohne Gegenseitigkeitsnachweis gewährt zu erhalten. Schließlich werden Opfer dadurch unterstützt, dass Entscheidungen ausländischer Gerichte im Inland anerkannt und auch vollstreckt werden (dazu unten unter lit. d).

Lit. c: Ein Zivilprozess zum Ersatz von Schäden aus einer Straftat oder ein Verfahren zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung zum Schutz davor sind in einem weiteren Sinn auch Verfahren im Sinn dieser Bestimmung. Die unter lit. a und b erwähnten Instrumente sind auch hier einschlägig.

Lit. d: Die Vollstreckung von ausländischen Entscheidungen in einschlägigen Zivilsachen ist in der Brüssel I Verordnung geregelt sowie im Lugano Übereinkommen. Außerhalb des geografischen Anwendungsbereichs dieser Instrumente ist die Anerkennung und Vollstreckung von solchen Entscheidungen im Verhältnis zu übrigen Mitgliedstaaten des Europarats mit folgenden Staaten bilateral geregelt: Liechtenstein (allerdings ohne einstweilige Verfügungen) und Türkei (einschließlich einstweiliger Verfügungen).

Nach Abs. 2 haben die Vertragsparteien die erforderlichen Maßnahmen legistischer oder sonstiger Natur zwecks Ermöglichung der Anzeigeerstattung durch die Opfer im Tatortstaat auch für den Fall zu gewährleisten, dass diese nicht in dem betreffenden Staat wohnhaft sind. Eine derartige Möglichkeit ist nach österreichischem Recht ohnehin gegeben.

Abs. 3 ermöglicht es den Vertragsparteien, die – anders als Österreich (s. die Ausführungen zu Abs. 1) – nach innerstaatlichem Recht ohne Bestehen eines Vertrages nicht zur Auslieferung, zur Rechtshilfeleistung sowie zur Vollstreckung ausländischer strafgerichtlicher Entscheidungen in der Lage sind, das vorliegende Übereinkommen als ausreichende Grundlage für derartige Maßnahmen anzusehen.

Die Vollstreckung einschlägiger Entscheidungen aus anderen EU-Staaten ist in der Brüssel I Verordnung Nr. 44/2000, geregelt, weshalb für Fragen der Vollstreckung solcher Entscheidungen – auch wenn sie aus Drittstaaten stammen – in die Gemeinschaftszuständigkeit fallen. Österreich könnte ein Ersuchen einer Vertragspartei (mit der die Vollstreckung nicht ohnehin schon vertraglich oder durch EU-Recht geregelt ist) um Zusammenarbeit bei der gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung einschlägiger Entscheidungen nur nachkommen, wenn die EU dazu ermächtigt hat.

In Abs. 4 werden die Vertragsstaaten aufgefordert, wo angebracht, die Prävention und die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt in ihre Entwicklungshilfeprogramme zu integrieren, u.a. durch den Abschluss von bi- und multilateralen Abkommen mit Drittstaaten zum besseren Schutz von Opfern gemäß Art. 18 Abs. 5.

Zu Art. 63 – Maßnahmen in Bezug auf gefährdete Personen:

Dieser Artikel ermutigt die Vertragsparteien, bei Vorliegen hinreichender Gründe für die Annahme, dass eine Person der unmittelbaren Gefahr der Begehung einer der in Art. 36 bis 39 des Übereinkommens angeführten Straftaten ausgesetzt ist, die betreffenden Informationen, einschließlich solcher über bereits angeordnete Schutzmaßnahmen, unverzüglich an diejenige Vertragspartei zu übermitteln, in deren Hoheitsgebiet die gefährdete Person aufhältig ist, damit von dieser gegebenenfalls die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen werden können.

Zu Art. 64 – Informationen:

Abs. 1 sieht die Verpflichtung der um Zusammenarbeit nach diesem Kapitel ersuchten Vertragspartei zur unverzüglichen Verständigung der ersuchenden Vertragspartei über das Ergebnis der danach getroffenen Maßnahmen sowie über jene Umstände vor, die die Erledigung des Ersuchens voraussichtlich unmöglich machen oder erheblich verzögern.

Abs. 2 regelt den Informationsaustausch ohne Ersuchen nach Maßgabe des nationalen Rechts. Dieser ist nach österreichischem Recht gemäß § 59a ARHG möglich.

Nach Abs. 3 sind die gemäß Abs. 2 erhaltenen Informationen den zuständigen Behörden zwecks allfälliger Einleitung eines Strafverfahrens wegen der gegenständlichen Straftaten bzw. zwecks Berücksichtigung in einem bereits eingeleiteten Strafverfahren vorzulegen.

Zu Art. 65 – Datenschutz:

Diese Bestimmung legt fest, dass personenbezogene Daten nach Maßgabe der Verpflichtungen der Vertragsparteien aus dem Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten (SEV Nr. 108) zu speichern und zu verwenden sind.

Diese Bestimmung verpflichtet die Vertragsparteien zur Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen, wie sie im Übereinkommen zum Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung personenbezogener Daten – Datenschutzkonvention des Europarats (sowie im Zusatzprotokoll hiezu) festgelegt sind.

Kernpunkte der Datenschutzkonvention des Europarats sind:

-              Daten dürfen nur für bestimmte Zwecke gespeichert und nicht zweckwidrig verwendet werden;

-              Daten sind nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zu speichern und sind stets auf ihre Richtigkeit zu überprüfen;

-              Daten dürfen nicht länger gespeichert werden, als unbedingt erforderlich;

-              Datensicherheitsmaßnahmen;

-              Sicherheitsmaßnahmen beim grenzüberschreitenden Datenverkehr;

-              Recht der Betroffenen auf Auskunft, Richtigstellung und Löschung ihrer Daten;

-              Unterstützung von Betroffenen bei der grenzüberschreitenden Durchsetzung ihrer Rechte;

-              Überwachung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch eine unabhängige Behörde.

Die Datenschutzkonvention des Europarats wurde in Österreich als BGBl. Nr. 317/1988, das Zusatzprotokoll als BGBl. III Nr. 91/2008 kundgemacht. Der in Österreich durch das Datenschutzgesetz 2000 – DSG 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, gewährleistete Schutz personenbezogener Daten entspricht dem durch die Datenschutzkonvention des Europarats und das Zusatzprotokoll vorgegebenem Maßstab.

Kapitel IX – Überwachungsmechanismus:

Kapitel IX enthält Bestimmungen zur Überprüfung der Umsetzung des Übereinkommens durch die Vertragsparteien. Der Überwachungsmechanismus baut auf der Arbeit einer unabhängigen ExpertInnengruppe zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Group of experts on action against violence against women and domestic violence, nachfolgend als die „GREVIO“ bezeichnet) einerseits sowie des Ausschusses der Vertragsparteien, der aus politischen VertreterInnen besteht, andrerseits auf.

Zu Art. 66 – Expertengruppe für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt:

In Art. 66 Abs. 1 und 2 wird zunächst die Zusammensetzung der ExpertInnengruppe „GREVIO“ beschrieben. Ihre 10 bis 15 Mitglieder sollen ein ausgewogenes Geschlechter- und Länderverhältnis widerspiegeln und die wichtigsten Rechtssysteme vertreten. Bei ihrer Auswahl muss auf multidisziplinäres Fachwissen und die moralische Kompetenz geachtet werden. Die Mitglieder müssen Staatsangehörige der Vertragsparteien des Übereinkommens sein. Nach Nominierung der BewerberInnen durch die Vertragsparteien müssen sie vom Ausschuss der Vertragsparteien gewählt werden.

In Abs. 3 werden unter Berücksichtigung der Anzahl an Ratifikationen des Übereinkommens Kriterien für die Wahl der Mitglieder der GREVIO festgelegt.

In Abs. 4 werden die Hauptzuständigkeiten der in der GREVIO sitzenden ExpertInnen sowie die Hauptkriterien für deren Wahl unterstrichen. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: Unabhängigkeit und Fachwissen. Insbesondere sollen die Mitglieder von GREVIO die einschlägigen Akteure und Einrichtungen repräsentieren, die im Bereich Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt arbeiten. Wenn diese von den Vertragsparteien nominiert werden, schließt dies auch Vertretungen von NROn ein.

Im Abs. 5 wird darauf hingewiesen, dass das Verfahren für die Wahl der Mitglieder der GREVIO durch das Ministerkomitee des Europarats festgelegt wird. Das Wahlverfahren soll sechs Monate nach Inkrafttreten dieses Übereinkommens durch das Ministerkomitee entschieden werden. Jedoch muss das Ministerkomitee davor die Vertragsparteien konsultieren und deren einhellige Zustimmung erlangen. Es wird davon ausgegangen, dass sodann die Staaten selbst die Mitglieder von GREVIO auswählen.

Die Verfahrensregeln hingegen werden gemäß Abs. 6 von GREVIO beschlossen.

Abs. 7 räumt allen Delegationsmitgliedern, die die in Art. 68 Abs. 9 und 14 festgelegten Länderbesuche abstatten, die Möglichkeit ein, gleichberechtigt zu agieren und dieselben Privilegien und Immunitätsrechte zu genießen. Das Allgemeine Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarats steht lediglich für Mitgliedstaaten zum Beitritt offen, das gegenständliche Übereinkommen hingegen auch Nichtmitgliedstaaten. Hinsichtlich der anderen Europaratsübereinkommen, in denen Länderbesuche festgelegt werden, besteht das übliche Verfahren darin, dass das Ministerkomitee die Unterschrift eines bilateralen Abkommens durch die Nichtmitgliedstaaten fordert - ein langwieriges Verfahren, das deren Beitritt zum Übereinkommen verzögern kann. Aus diesem Grund und um Vorsichtsmaßnahmen für die Zukunft zu treffen, wurde diese Bestimmung unmittelbar in den Hauptteil des Übereinkommens eingebunden. Derart werden langwierigen Verfahren vermieden, die mit der Verhandlung bilateraler Verträge mit Nichtmitgliedstaaten verbunden wären.

Zu Art. 67 – Ausschuss der Vertragsparteien:

In Art. 67 wird die andere Säule des Überwachungssystems eingeführt: eine politische Instanz („Ausschuss der Vertragsparteien“), der aus VertreterInnen der Vertragsparteien des Übereinkommens besteht.

Der Ausschuss der Vertragsparteien wird zum ersten Mal innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des Übereinkommens durch den Generalsekretär des Europarats für die Mitgliederwahl der GREVIO einberufen. Anschließend tritt der Ausschuss immer dann zusammen, wenn ein Drittel der Vertragsparteien, der Generalsekretär des Europarats oder der bzw. die Vorsitzende der GREVIO dies beantragt.

Die Schaffung dieser Instanz stellt eine gleichberechtigte Teilnahme aller Vertragsparteien am Entscheidungsprozess und am Überwachungsverfahren des Übereinkommens sicher und stärkt gleichzeitig die Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien und zwischen ihnen und der GREVIO, um das Übereinkommen erfolgreich umzusetzen.

Gemäß Abs. 3 hat sich der Ausschuss der Vertragsparteien seine eigene Geschäftsordnung zu geben.

Zu Art. 68 – Verfahren:

In Art. 68 wird das Funktionieren des Überwachungsverfahrens sowie das Zusammenspiel zwischen der GREVIO und dem Ausschuss der Vertragsparteien näher erläutert.

In den Absätzen 1 und 2 wird festgelegt, dass die GREVIO mit den VertreterInnen der betroffenen Vertragspartei einen Bericht über die allgemeinen gesetzgeberischen Maßnahmen und die sonstigen Maßnahmen zur Umsetzung der Vorgaben des Übereinkommens prüft. Dieser Bericht wird von der Vertragspartei vorgelegt und basiert auf einem von der GREVIO ausgearbeiteten Fragebogen.

Abs. 3 ist zu entnehmen, dass das Evaluierungsverfahren, das gemäß Abs. 1 und 2 dem ersten Bericht und der ersten allgemeinen Evaluierung folgt, in Zyklen aufgeteilt wird und dass die GREVIO die besonderen Bestimmungen, auf die sich die Überwachung konzentriert, auswählt. Grundsätzlich definiert die GREVIO eigenständig zu Beginn eines jeden Zyklus die vom Evaluierungsverfahren betroffenen Bestimmungen für den betreffenden Zeitraum.

Gemäß Abs. 4 bestimmt die GREVIO die für die Durchführung der Bewertung am besten geeigneten Mittel. Diese Bewertung kann einen Fragebogen oder jegliche andere Art von Informationsanfragen einschließen.

In Abs. 5 wird der wichtige Grundsatz festgesetzt, dass die GREVIO Informationen von Nichtregierungsorganisationen, der Zivilgesellschaft sowie von nationalen Menschenrechtsinstitutionen beziehen darf.

In den Absätzen 6, 7 und 8 ist verankert, dass die GREVIO auch zur Vermeidung einer unnötigen Arbeitsverdoppelung bereits verfügbare Informationen gebührend zu berücksichtigen hat. Gemäß Abs. 9 kann die GREVIO zudem subsidiär Länderbesuche in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden der betroffenen Vertragspartei organisieren. Diese sollen nur durchgeführt werden, wenn sie notwendig sind, was einerseits der Fall ist, wenn die erhaltenen Informationen unzureichend sind und es keine andere verlässliche Möglichkeit gibt, diese Informationen zu erhalten, andrerseits wenn die GREVIO verlässliche Informationen erhält, die auf eine Situation hinweisen, in der bestimmte Probleme die unmittelbare Aufmerksamkeit zur Verhinderung oder Begrenzung des Ausmaßes oder der Anzahl ernstzunehmender Verstöße gegen das Übereinkommen erfordern.

In den Absätzen 10 und 11 werden die Ausarbeitungsphase des Berichts und der Schlussfolgerungen der GREVIO beschrieben. Hierbei hat die GREVIO mit der betroffenen Vertragspartei Rücksprache zu halten. Der Bericht und die Schlussfolgerungen von GREVIO werden veröffentlicht, sobald sie beschlossen sind, gegebenenfalls mit einer Stellungnahme der betroffenen Vertragspartei.

In Abs. 12 wird die Rolle des Ausschusses der Vertragsparteien im Überwachungsverfahren behandelt. Dieser kann Empfehlungen zu von der betroffenen Vertragspartei zu treffenden Maßnahmen zur Umsetzung der Schlussfolgerungen der GREVIO verabschieden und dabei falls notwendig ein Datum für die Vorlage von Informationen zu deren Durchführung festlegen und die Zusammenarbeit für die Umsetzung des Übereinkommens fördern. Mithilfe dieses Mechanismus wird sichergestellt, dass die Unabhängigkeit der GREVIO in ihren Überwachungsfunktionen respektiert und gleichzeitig eine „politische“ Dimension in den Dialog zwischen den Vertragsparteien eingebracht wird.

In den Absätzen 13, 14 und 15 wird ein besonderes Verfahren eingeführt, mit dem die GREVIO ermächtigt wird, die Vorlage eines Berichts der betroffenen Vertragspartei über die von ihr getroffenen Maßnahmen zu verlangen, um das Eintreten schwerwiegender, massiver oder dauerhafter Phänomene in Zusammenhang mit allen in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallenden Gewalttaten zu verhindern. Die Voraussetzung für die Anforderung eines Sonderberichts ist, dass die GREVIO „verlässliche Informationen erhält, die auf eine Situation hindeuten, in der Probleme die unmittelbare Aufmerksamkeit einfordern, um das Ausmaß oder die Anzahl schwerer Verstöße gegen das Übereinkommen zu verhüten oder begrenzen“. Auf der Grundlage der erhaltenen Informationen (durch die betroffene Vertragspartei und durch sämtliche andere Informationsquellen), kann die GREVIO „eines oder mehrere ihrer Mitglieder mit der Durchführung einer Untersuchung und einem dringlichen Bericht an die GREVIO beauftragen“. In Ausnahmefällen kann diese Untersuchung auch einen Besuch in dem betroffenen Land umfassen. Die Hauptaufgabe des/der beauftragten Berichterstatters bzw. Berichterstatterin besteht darin, sämtliche notwendigen Informationen zu ermitteln und die Richtigkeit der Fakten bezüglich der entsprechenden Situation zu überprüfen. Die Geschäftsordnung der GREVIO regelt die Details zum korrekten Ablauf dieses „Untersuchungsverfahrens“. Allerdings ist das Hauptziel, es der GREVIO zu ermöglichen, eine konkretere Erklärung zu erhalten und solche Situationen besser zu verstehen, in denen es laut verlässlichen Informationen eine beträchtliche Anzahl von Opfern gleichartiger Gewalttaten gibt. Die Schlussfolgerungen der Untersuchung sowie alle Kommentare und Empfehlungen müssen der betroffenen Vertragspartei und gegebenenfalls dem Ausschuss der Vertragsparteien sowie dem Ministerkomitee des Europarates übermittelt werden.

Zu Art. 69 – Allgemeine Empfehlungen:

Dieser Artikel ist an Art. 21 Abs. 1 des CEDAW angelehnt und bietet der GREVIO die Möglichkeit, soweit erforderlich allgemeine Empfehlungen zur Durchführung dieses Übereinkommens zu verabschieden. Die allgemeinen Empfehlungen haben für sämtliche Vertragsparteien eine gemeinsame Bedeutung und betreffen Artikel oder Themen des Übereinkommens. Sie richten sich nicht an ein bestimmtes Land im Speziellen. Obwohl diese allgemeinen Empfehlungen nicht verbindlich sind, dienen sie den Vertragsparteien doch als wichtige Referenz für ein besseres Verständnis der Themen des Übereinkommens und bieten Richtlinien, die zur effektiven Umsetzung der im Übereinkommen enthaltenen Bestimmungen beitragen können. Diese Empfehlungen sollten auch Teil der zukünftigen Überwachungszyklen sein.

Zu Art. 70 – Beteiligung der Parlamente an der Überwachung:

Diese Bestimmung geht auf die Rolle der nationalen Parlamente bei der Überwachung der Umsetzung des Übereinkommens ein.

In den Absätzen 1 und 2 wird die Verpflichtung der Vertragsparteien festgelegt, die nationalen Parlamente zur Beteiligung an der Überwachung aufzufordern und ihnen die Berichte der GREVIO zur Konsultation vorzulegen.

Da das Übereinkommen in vielen Bereichen rechtliche Änderungen erfordert, sollen die nationalen Parlamente auch bei der Beurteilung der Umsetzung der Vorgaben des Übereinkommens beigezogen werden, wodurch deren Bedeutung für den Umsetzungsprozess entsprechend Rechnung getragen wird.

In Abs. 3 dieser Bestimmung wird darüber hinaus die Einbeziehung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in die Überwachung der durch die Vertragsparteien getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung dieses Übereinkommens festgelegt. Dadurch wird erstmals in einem Übereinkommen des Europarats die Parlamentarische Versammlung aufgefordert, regelmäßig Bilanz über die Durchführung dieses Übereinkommens zu ziehen. Laut Erläuterndem Bericht wollten die Verfasser des Übereinkommens auf diese Weise die wichtige Rolle der Parlamentarischen Versammlung bei der Aufnahme des Themas Gewalt gegen Frauen in die Agenda des Europarats und seiner Mitgliedstaaten anerkennen. In Anbetracht des langjährigen Engagements und der hohen Anzahl an Empfehlungen, die die Versammlung in diesem Bereich verabschiedet hat, stärkt deren Beteiligung an der Überwachung des Übereinkommens dessen Ergebnisse in erheblichem Maße.

KAPITEL X – Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften

Zu Art. 71 – Verhältnis zu anderen völkerrechtlichen Übereinkünften

Art. 71 regelt das Verhältnis zu anderen internationalen Rechtsinstrumenten. Art. 71 soll im Einklang mit der Wiener Konvention über das Vertragsrecht 1969 sicherstellen, dass die Konvention mit anderen Verträgen bilateraler und multilateraler Natur vereinbar ist (vgl. auch Art. 73). Gemäß Abs. 2 können die Vertragsparteien bilaterale oder multilaterale Vereinbarungen abschließen, welche die Inhalte des Übereinkommens behandeln. Der Wortlaut des Abs. 2 stellt jedoch auch klar, dass die Vertragsparteien keine Vereinbarungen abschließen dürfen, welche die Ziele dieses Übereinkommens beeinträchtigen.

KAPITEL XI – Änderungen

Zu Art. 72 - Änderungen

Art. 72 regelt, dass die Vertragsparteien Änderungsvorschläge zu dem Übereinkommen vorbringen können. Diese Regelung soll sicherstellen, dass alle Vertragsparteien an dem Entscheidungsprozess betreffend Änderungen zu diesem Übereinkommen auf einer gleichwertigen Basis teilnehmen können.

KAPITEL XII – Schlussbestimmungen

Zu Art. 73 – Auswirkungen des Übereinkommens

Mit Artikel 73 werden die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts und der bindenden völkerrechtlichen Übereinkünfte gewahrt, die Opfern von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt einen zusätzlichen Schutz („günstigere Rechte“) bieten; dieses Übereinkommen kann nicht so ausgelegt werden, dass dieser Schutz eingeschränkt wird. Die Bezeichnung „günstigere Rechte“ soll es ermöglichen, eine Person in eine günstigere Lage als die durch dieses Übereinkommen vorgesehene zu versetzen.

Zu Art. 74 – Beilegung von Streitigkeiten:

Die verschiedenen friedlichen Streitbeilegungsverfahren, die im ersten Absatz dieses Artikels aufgeführt werden (Verhandlung, Schlichtung und Schiedsverfahren), sind gemeinhin im Völkerrecht anerkannt. Diese Streitbeilegungsverfahren sind insofern nicht kumulativ, als die Vertragsparteien nicht dazu verpflichtet sind, sie alle auszuschöpfen, bevor sie auf andere friedliche Streitbeilegungsverfahren zurückgreifen. Jedes Streitbeilegungsverfahren muss mit einhelliger Zustimmung durch die betroffenen Vertragsparteien genehmigt werden.

In Abs. 2 wird verfügt, dass das Ministerkomitee des Europarats ein außergerichtliches Verfahren ausarbeiten kann, das von Vertragsparteien genutzt werden kann, wenn es zu einem Streit bezüglich der Anwendung oder der Auslegung dieses Übereinkommens kommt. Mit diesem Artikel werden die Vertragsparteien allerdings nicht davon abgehalten, einen Streit vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen, wenn sie sich dazu entscheiden.

Zu Art. 75 – Unterzeichnung und Inkrafttreten:

Art. 75 normiert, dass das Übereinkommen für die Mitgliedstaaten des Europarates, Nichtmitgliedstaaten, die sich an seiner Ausarbeitung beteiligt haben (Kanada, Heiliger Stuhl, Japan, Mexiko und USA) und die Europäische Union zur Unterzeichnung aufliegt. Gemäß Abs. 3 tritt das Übereinkommen am ersten Tag des Monats in Kraft, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach dem Tag folgt, an dem zehn Unterzeichner, darunter mindestens acht Mitgliedstaaten des Europarates, nach Abs. 2 ihre Zustimmung ausgedrückt haben durch das Abkommen gebunden zu sein.

Zu Art. 76 – Beitritt zum Übereinkommen:

Art. 76 normiert, dass nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens auch andere Nichtmitgliedstaaten eingeladen werden können, dem Übereinkommen beizutreten.

Zu Art. 77 – Räumlicher Geltungsbereich:

Art. 77 normiert die Hoheitsgebiete, auf welche das Übereinkommen Anwendung findet. Jede Vertragspartei kann durch eine an den Generalsekretär des Europarates gerichtete Erklärung die Anwendung dieses Übereinkommens auf Hoheitsgebiete erstrecken, für dessen internationale Beziehungen sie verantwortlich ist oder in dessen Namen Verpflichtungen einzugehen sie ermächtigt ist.

Zu Art. 78 – Vorbehalte:

Das Übereinkommen lässt nur in Bezug auf folgende Bestimmungen Vorbehalte zu: Art. 30 Abs. 2 (Schadensersatz durch den Staat); Art. 44 Abs. 1 lit. e, 3 und 4 (Gerichtsbarkeit); Art. 55 Abs. 1 (Verfahren auf Antrag und von Amts wegen eingeleitete Verfahren); Art. 58 (Verjährungsfrist); Art. 59 (Aufenthaltsstatus). Bezüglich Art. 55 und 58 wurde die Möglichkeit des Vorbehalts noch stärker begrenzt, indem die Vorbehalte zu Art. 55 Abs. 1 nur im Hinblick auf Art. 35 bezüglich Vergehen möglich sind, genauso wie die Vorbehalte zu Art. 58 nur im Hinblick auf die Art. 37, 38 und 39 möglich sind.

Österreich wird von keiner der angeführten Vorbehaltsmöglichkeiten Gebrauch machen.

Zu Art. 79 – Gültigkeit und Prüfung der Vorbehalte:

Vorbehalte haben eine auf 5 Jahre begrenzte Gültigkeit. Ist die Frist einmal verstrichen, werden die Vorbehalte unwirksam, es sei denn sie werden ausdrücklich erneuert. In jedem Fall müssen die Vertragsparteien den Generalsekretär des Europarats über ihre Absichten bezüglich bestehender Vorbehalte informieren. Nicht erneuerte Vorbehalte können nach dem in Abs. 2 vorgesehenen Procedere erlöschen. Schließlich müssen die Vertragsparteien gemäß Abs. 3 der GREVIO vor der Erneuerung oder auf Anfrage Erklärungen zu den Rechtfertigungsgründen für den Fortbestand des Vorbehalts zur Verfügung stellen. Im Falle des Fortbestands eines Vorbehaltes ist eine vorherige Anfrage der GREVIO nicht erforderlich. In jedem Fall hat die GREVIO die Möglichkeit, die durch die Vertragspartei für die Begründung des Fortbestands der Vorbehalte vorgebrachten Erklärungen zu überprüfen.

Zu Art. 80 – Kündigung:

Gemäß Art. 80 kann jede Vertragspartei dieses Übereinkommen kündigen.

Zu Art. 81 – Notifikation:

In Art. 81 werden die Notifikationen, welche der Generalsekretär des Europarates vorzunehmen hat, und die Empfänger dieser Notifikationen (Mitgliedstaaten des Europarats, Unterzeichnerstaaten, Vertragsstaaten, Europäische Union, jedem nach Artikel 75 zur Unterzeichnung dieses Übereinkommens und jedem nach Artikel 76 zum Beitritt zu diesem Übereinkommen eingeladenen Staat) definiert.

 

Die Bundesregierung hat beschlossen, dem Nationalrat vorzuschlagen, anlässlich der Genehmigung des Staatsvertrages zu beschließen, dass

 

die französische Sprachfassung dieses Staatsvertrages gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG dadurch kundzumachen ist, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten aufliegt.

 

Daran anknüpfend wurde mit Rücksicht auf eine sparsame und zweckmäßige Verwaltung gemäß § 23 Abs. 2 GOG-NR von der Vervielfältigung und Verteilung dieser Sprachfassung Abstand genommen. Die gesamte Regierungsvorlage liegt in der Parlamentsdirektion zur Einsicht auf. Überdies ist diese Regierungsvorlage mit allen Sprachfassungen auf der Homepage des Parlaments unter http://www.parlament.gv.at abrufbar.