9395/J XXIV. GP
Eingelangt am 03.10.2011
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Dr. Walser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur
betreffend Mobbing an den Schulen
Mobbing ist an Schulen kein unbekanntes Phänomen. Es betrifft nicht nur SchülerInnen (dann wird es meist „bullying“ genannt), sondern auch Lehrkräfte, DirektorInnen und die Schulverwaltung.
Unter Mobbing versteht der Gesetzgeber eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz u.a. zwischen Vorgesetzten und MitarbeiterInnen, bei der die angegriffene Person unterlegen ist und von einer Person systematisch, oft und während längerer Zeit mit dem Ziel des Ausstoßens aus dem Arbeitsverhältnis direkt oder indirekt angegriffen wird und dies als Diskriminierung empfindet.
Der kürzlich an uns herangetragener Fall der Direktorin der HLW Biedermannsdorf, Dr. Evelyn Mayer, zeigt deutlich, welch persönliches Leid von Mobbing Betroffene ertragen müssen. Dieser Fall erfüllt auch mehrere Erscheinungsformen des Lehrermobbings (eine eigene Liste für SchulleiterInnen ist nicht verfügbar, „Lehrkraft“ kann hier aber durchaus durch „Schulleiterin“ ersetzt werden), die Esther Lauper (2001) zusammengestellt hat. Diese Liste umfasst u.a. folgende Punkte:
· Es werden Bedenken über die Schulführung verbreitet
· Kollegen beschweren sich ohne wirklichen Grund bei den Behörden über eine Lehrkraft
· Kollegen äußern sich gegenüber Eltern über die betreffende Lehrkraft
· Gerüchte und Lügen machen die Runden
· Die Person wird gehänselt, verspottet ...
· Es werden Gerüchte über diese Lehrkraft verbreitet
· Der Lehrkraft werden unbegründete Übergriffe unterstellt
· Man lässt die Person nicht zu Wort kommen oder hört einfach nicht hin, übergeht ihre Voten
· Man schafft Bedingungen, in denen die Lehrkraft ihre Stärken nicht zeigen kann
· Die Lehrperson wird isoliert
Frau Dr. Mayer wurde von der zuständigen Landesschulinspektorin Mag. Adelinde Ronninger schriftlich und mündlich vor beziehungsweise gegenüber anderen Personen als Lügnerin bezeichnet, die Landesschulinspektorin ließ die Anwesenheit und Arbeitsleistung der Direktorin durch deren Sekretärin kontrollieren. Dieser Fall wurde auch von den Medien aufgegriffen und etwa im ORF (Bürgeranwalt) oder im Kurier (http://kurier.at/nachrichten/niederoesterreich/3921243.php) ausführlich behandelt.
Auch in anderen Fällen, etwa in Wiener Neustadt oder der HLF Krems, wurden Vorwürfe gegen diese Landesschulinspektorin wegen Mobbing erhoben. Die betroffenen Lehrkräfte konnten sich nur mehr durch gegenseitige Unterstützung in Selbsthilfegruppen vor einem Burnout bewahren. Die Fürsorgepflicht einer Vorgesetzten wurde in diesen Fällen offensichtlich verletzt. Dass eine Fürsorgepflicht auch den öffentlich-rechtlichen Dienstgeber trifft, wurde vom OGH bejaht. Im Urteil vom 23.4.1986 (1 Ob 5/86) führt der OGH aus, dass „der dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis wesenseigenen Treuepflicht des Dienstbeamten […] die Fürsorgepflicht des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers seinen Beamten gegenüber“ entspricht.
Im Fall von Dr. Evelyn Mayer, aber auch in den anderen uns namentlich bekannten konkreten Fällen, zeigt sich auch das Versagen der Schulverwaltung und der Schulaufsicht. Denn versagt haben in dieser Angelegenheit alle Instanzen: der Präsident des NÖ-Landesschulrats, der trotz mehrmaliger Aufforderung keine Hilfe leistete, ebenso wie die Sektionschefs im Ministerium, die seit über einem Jahr informiert waren und untätig geblieben sind.
Bezeichnend ist die Stellungnahme des niederösterreichischen Landesschulrats-präsidenten Hermann Helm: „Sie hat sich zwei Mal an mich gewandt und ich habe ihr unmittelbar geholfen. Das liegt aber zwei bis drei Jahre zurück. Ich schätze Evelyn Mayer sehr und bedauere ihre Situation.“ (Kurier, 08.07.2011)
„Bedauern“ ist aber zu wenig. Die Verantwortlichen sind aufgefordert, in eindeutigen und wohl dokumentierten Fällen von Mobbing entschlossen zu handeln. Schließlich zeigt die Aussage von Präsident Helm deutlich, dass er sich der untragbaren Situation bewusst ist und diese auch nicht gutheißt. Er legt aber auch das ganze Dilemma des österreichischen Schulsystems unfreiwillig offen: „Ich habe den Wirkungsbereich der Inspektorin eingeschränkt und ihr die Weisung gegeben, dass sie Mayer nur mehr Anweisungen geben darf, sofern ich sie vorher absegne. Rechtlich kann ich nicht mehr machen. Sie ist Fachexpertin und pragmatisiert.“
In dem auch durch die Medien bekanntgewordenen Fall von Dr. Mayer ist es jetzt für das Ministerium nicht mehr möglich, innerhalb der sechsmonatigen Frist ein Disziplinarverfahren einzuleiten, um alle Vorgänge restlos aufzuklären und gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen zu setzen. Im Fall der Lehrkräfte in Wiener Neustadt oder der HLF Krems hingegen schon. Zudem stellt sich die Frage, inwiefern andere disziplinäre Mittel anzuwenden sind. Zu erinnern ist etwa daran, dass der VwGH bereits im Erkenntnis vom 24.11.1995 festgestellt hat, dass Beamte nur dann in ihrer Vorgesetztenfunktion belassen werden dürfen, wenn auf Grund ihrer bisherigen Amtsführung erwartet werden kann, dass sie dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Anforderungsprofil entsprechen und im Stande sein werden, ihre Führungsaufgaben zu erfüllen. Zeigt sich ein Mangel an Führungsqualität, der zu einem erheblichen Spannungsfeld führt, sind Vorgesetzte zu versetzen (VwGH 24.11.1995, 92/12/0130).
Insgesamt ergibt sich ein erschreckendes Bild über die Effizienz der österreichischen Schulverwaltung, die auch in amtsbekannten Fällen von Mobbing nicht zu entschlossenem Handeln fähig oder willens ist.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
i. Einerseits im Fall Dr. Mayer
ii. Andererseits in den Fällen in Wiener Neustadt oder der HLF Krems
i. Wenn nein, wie begründen Sie die Untätigkeit Ihrer Behörde?
i. Schulautonomie
ii. Autonomie und Handlungsspielraum von SchulleiterInnen
iii. Controlling der Schulverwaltung
iv. Qualitätsmanagement und Inspektionssystem