10565/J XXIV. GP
Eingelangt am 13.02.2012
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ANFRAGE
der Abgeordneten Grosz,
Kolleginnen und Kollegen
den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
betreffend die unvollständige und ungenügende Beantwortung der Anfrage „so genannte Weisungen an die Beamtenschaft durch Regierungsmitglieder selbst oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“
Am 30. November 2011 haben die Abgeordneten Grosz, Kolleginnen und Kollegen eine Anfrage betreffend Weisungen an die Beamtenschaft durch Regierungsmitglieder selbst oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestellt. Unter Punkt 3 der Anfrage begehrte der Anfragesteller Auskunft über Weisungen, welche von Mitarbeitern „im Auftrag des/der Bundesministers/in“ ausgefertigt werden:
3. Welche Weisung hat eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter Ihres Kabinetts bzw. eine Mitarbeiterin/ein Mitarbeiter des Büros eines unter Ihrer Amtsführung allfällig eingerichteten Staatssekretärs seit Ihrer Amtsübernahme im Ressort jeweils erteilt?
a.) nach der jeweiligen Mitarbeiterin/dem jeweiligen Mitarbeiter der eine solche Weisung erteilt hat?
b.) nach der jeweiligen Art der Weisung (schriftlich oder mündlich)?
c.) nach der jeweiligen Beauftragung durch Sie oder einen allfällig eingerichteten Staatssekretär?
d.) nach dem jeweiligen Empfänger der Weisung?
e.) nach dem jeweiligen konkreten Inhalt der Weisung?
f.) nach der jeweiligen dienstlichen Begründung, warum eine Weisung überhaupt notwendig war?
g.) nach der jeweiligen Begründung, warum eine Weisung durch Sie bzw. einen etwaig eingerichteten Staatssekretär nicht möglich war?
h.) nach der jeweiligen Begründung, warum der „Absender“ dieser Weisung überhaupt weisungsberechtigt nach Art. 20 Abs. 1 B-VG war?
Das Bundeskanzleramt hat in einer Koordinierung alle Ministerien angewiesen, Punkt 3 der Anfrage wie folgt EINHEITLICH zu beantworten:
„Mein Kabinett ist den übrigen Organisationseinheiten des Bundesministeriums hierarchisch nicht übergeordnet. Die Mitarbeiter/innen meines Kabinetts sind daher den Bediensteten des Bundesministeriums gegenüber nicht weisungsberechtigt.“
Diese Beantwortung ist insofern unvollständig und ungenügend, da der Anfragesteller die hierarchische Einordnung der Kabinette - in Kenntnis deren Bedeutung - nicht abgefragt hat. Denn gerade obwohl das Kabinett eines Ministeriums den Bediensteten hierarchisch nicht übergeordnet ist, erteilen Kabinettsmitarbeiter in der geübten Praxis „im Auftrag der Ressortführung“ Weisungen an die Beamtenschaft.
Der Anfragesteller verweist dazu exemplarisch auf:
Standard 9.11.2011: „Offenbar sind einige Weisungen an Entacher nämlich nicht von Darabos, sondern von dessen politisch bestelltem Kabinettschef, dem freigestellten Eisenbahner Stefan Kammerhofer, gekommen. Die Kommission hat festgestellt, dass nur der Minister persönlich weisungsberechtigt ist.“
meinbezirk.at
10.11.2011: Michael SIKA beschreibt in seinem Buch „Mein
Protokoll“ im 3. Kaptitel das Mysterium der Kabinettschefs in den
Ministerien. Zitat:
„Es hat sich in Österreich eingebürgert, dass sich jeder
Bundesminister und natürlich auch der Bundeskanzler ein Kabinett
einrichtet. Eine Ansammlung politisch verlässlicher Leute, die im
verkleinerten Maßstab praktisch die beamtete Struktur des Ministeriums
widerspiegeln.
Weiters führt Sika aus… Natürlich sind die Wirkungsweise und
die Kompetenzen des Kabinetts in keinem Gesetz festgelegt. Es ist ein
juristisches NULLUM, aber wie viele Dinge, die es nicht geben dürfte,
höchst langlebig. Sehr oft gibt sich das Kabinett wichtiger als der
Minister, machen die Kabinettsmitglieder eigene Politik und führen ein
„Schattenministerium“. Das Eigenleben der Kabinette, die geheimen
Machtspiele und politischen Alleingänge mancher Kabinettsmitglieder
– oft auch gegen die Interessen der Minister stellen zweifellos ein Problem
dar, das letztlich zu Reibereien untereinander und mit den Spitzenbeamten des
Hauses führen kann.
Auf der einen Seite der Minister, der die Probleme des Ministeriums gut,
weniger gut oder gar nicht kennt, sowie die Leute des Kabinetts, denen er zwar vertraut,
die aber die Sachlage ebenfalls gut, weniger gut oder gar nicht kennen.
Ein weiterer kritischer Punkt sind die Indiskretionen, die immer auch über
das Kabinett aus den Ministerien dringen.“ Zitat Ende.
Diese Aussagen des Herrn SIKA haben nun nach 10 Jahren wieder an Bedeutung
gewonnen. Anlassfall sind aktuelle Verdachtsfälle von amtierenden
Kabinettchefs aus verschiedenen Ministerien.
Durch einen aktuellen Fall im Bundesministerium für Landesverteidigung
wurde nun bekannt, dass auf Grundlage eines Kommissionsbeschlusses im
Bundeskanzleramt der Republik die Weisungen des zuständigen Ministers an
sein Ressort und an seine höchsten Offiziere beanstandet wurden. Man
hört, sie wären von unzuständiger Stelle gekommen und somit
„rechtsungültig“. Es besteht in diesem Anlassfall der
Verdacht, dass das Weisungsrecht durch Minister DARABOS an eine
unzuständige Person delegiert wurde, welche anscheinend eigenmächtig
Weisungen aus dem Kabinett hinaus gegeben hat.
Durch die zuständige Kommission welche die Weisungen geprüft hat,
wurde dem Kabinettschef Stefan KAMMERHOFER laut öffentlichen
Presseberichten das Weisungsrecht abgesprochen. Es wäre nun an der Zeit
alle Weisungen des „entmachteten“ Kabinettschefs seit seinem
Dienstantritt (als Personalleihe der ÖBB) im Kabinett des BMLVS, einer
eingehenden rechtlichen Überprüfung zu unterziehen.
Rechtsungültige Weisungen müssten für ungültig erklärt
werden. Rechtsanwalt Dr. Martin RIEDL der Anwalt des „alten-neuen“
Generalstabschef bringt es auf den Punkt: „Damit ist endlich für
alle Ressorts festgeschrieben, dass es einen Dienstweg mit einer klaren
Befehlskette gibt“. In dieser Befehlskette ist für die Funktion des
Kabinettschefs nun klar definiert, dass er persönlich keinerlei Weisungen
gibt, da er selbst eine unzuständige Person für Ministerweisungen
ist, sondern, dass er Weisungen des Ministers 1:1 als VERTEILERPOSTEN
„weiterzugeben“ hat und sonst nichts.
Es scheinen schwierige Zeiten anzubrechen für den Herrn „Ministerflüsterer“.
Aber auch Minister DARABOS sollte sich nun endlich persönlich um seine
Weisungen kümmern und vielleicht die ein oder andere
„Aktivität“ seines Kabinettschefs in den letzten Jahren
kritisch hinterfragen.
Für Minister DARABOS und seinen Kabinettschef gilt selbstverständlich
die Unschuldsvermutung.
Kurier 5.12.2011: Der Bescheid der Berufungskommission ist für Entacher-Anwalt Martin Riedl ein Signal an alle Ministerien: Die Minister müssen selbst führen, sprich Weisungen erteilen. Konkret geht es um Anweisungen von Darabos' Kabinettschef Stefan Kammerhofer. Ihm wurde als Kabinettschef von der Kommission die Weisungsbefugnis abgesprochen - er könne nur als Bote Weisungen weiterleiten, und für Untergebene müsse klar erkennbar sein, dass es sich bei Weisungen eines Kabinettschefs um den ausdrücklichen Willen des Ministers handelt. Andersfalls handelt es sich um die Weisung eines "unzuständigen Organs". Im Bescheid der Berufungskommission heißt es dazu: "Die Nichtbefolgung einer Weisung eines unzuständigen Organs stellt keine Dienstpflichtverletzung dar." Anwalt Riedl: "Damit ist endlich für alle Ressorts festgeschrieben, dass es einen Dienstweg mit einer klaren Befehlskette gibt."
Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nochmals an den Herrn Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz nachstehende
Anfrage
1. Welche Weisungen haben die Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter Ihres Kabinetts ungeachtet der hierarchischen Einordnung seit Ihrer Amtsübernahme in Ihrem Ressort bisher erteilt?
a. nach der jeweiligen Mitarbeiterin/dem jeweiligen Mitarbeiter der eine solche Weisung erteilt hat?
b. nach der jeweiligen Art der Weisung (schriftlich oder mündlich)?
c. nach der jeweiligen Beauftragung durch Sie oder einen allfällig eingerichteten Staatssekretär?
d. nach dem jeweiligen Empfänger der Weisung?
e. nach dem jeweiligen konkreten Inhalt der Weisung?
f. nach der jeweiligen dienstlichen Begründung, warum eine Weisung überhaupt notwendig war?
g. nach der jeweiligen Begründung, warum eine Weisung durch Sie bzw. einen etwaig eingerichteten Staatssekretär nicht möglich war?
h. nach der jeweiligen Begründung, warum der „Absender“ dieser Weisung überhaupt weisungsberechtigt nach Art. 20 Abs. 1 B-VG war?