13682/J XXIV. GP

Eingelangt am 30.01.2013
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Sonja Ablinger, Genossinnen und Genossen an die Bundesministerin für Justiz

betreffend die Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Wien bezüglich des Vorwurfs der Verhetzung gegen FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache

Die Staatsanwaltschaft Wien hat mit 7. Jänner 2013 die Ermittlungen gegen FPÖ-Klubobmann und Bundesparteichef Heinz-Christian Strache wegen des Vorwurfs der Verhetzung eingestellt. Man sehe den Tatbestand der Verhetzung nicht erfüllt. Strache hatte im August des vorigen Jahres Aufsehen erregt, in dem er eine Karikatur auf seiner öffentlichen Facebook-Seite hochgeladen hatte. In der Presse vom 19. August 2012 wird die Karikatur wie folgt beschrieben:

„Die Karikatur zeigt einen Tisch, an dem eine Figur, die ,Regierung', einer abgemagerten Gestalt, dem ,Volk', nur einen Knochen zuschiebt, während sie ihrem anderen Tischgenossen, bezeichnet als ,Banken', aber ein wahres Festmahl serviert. Diese (...) als fett und gierig karikierte Cartoonfigur weist Stereotypen auf, die im antisemitischen Umfeld immer wieder ,den Juden' zugeschrieben werden: eine Hakennase und Davidsterne auf den Manschetttenknöpfen."

Die ursprünglich von einem kanadischen Karikaturisten angefertigte Zeichnung, die sich auf die Übernahme von staatlichen Garantien für Banken auf der ganzen Welt im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2009 bezieht, wurde insofern abgeändert, als dass die vorher motivlosen Manschettenknöpfe des Bankiers mit an Davidsterne erinnernden Symbolen versehen wurde und er im Gegensatz zur vorher runden Form seiner Nase mit einer Hakennase versehen wurde. Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel sah sich an Bilder aus Zeiten der NS-Propaganda erinnert, und die Chefredakteurin des Standard, Föderl-Schmid, fühlte sich „frappierend an das Nazi-Kampfblatt ,Der Stürmer' erinnert". Der Wiener Rechtsanwalt Zanger erstattete schließlich Anzeige wegen des Verdachts auf Verhetzung.

Zur Frage ob die Karikatur tatsächlich antisemitische Stereotype schürt und nährt, führt Andreas Peham vom Dokumentationsarchiv für Österreichischen Widerstand (DÖW) aus:

„(...) Historisch konkretisierte sich diese vereinfachende Welterklärung daneben zuerst im Bild des jüdischen Wucherers, um dann im jüdischen Bankier oder Börsenspekulanten aktualisiert zu werden. Gemeinsam ist diesen antisemitischen Imagines ihre Zuordnung zur abstrakten (unverstandenen) Seite des Kapitalverhältnisses (Geld, Zirkulation usw.). Diese Seite wird vom Gesamtzusammenhang kapitalistischer Vergesellschaftung (als untrennbare Einheit von Produktion und Zirkulation) abgespalten und als raffendes Kapital verteufelt. (...) Ist der antisemitische Diskurs selbst schon voller Stereotypen, so sind seine Illustrationen nur mehr Klischee. Zur raschen Wiedererkennung müssen ein paar wenige, zumeist körperliche Merkmale herhalten. Antisemitische Stereotypenbildung (...) bezieht sich seit jeher auch und vor allem auf den (jüdischen) Körper, wobei insbesondere die (jüdische) Nase als Erkennungsmerkmal dient. In der nationalsozialistischen Hetzbroschüre ,Der Giftpilz', die 1938 im Stürmer-Verlag (...) erschienen ist und sich in perfider Weise an Kinder wandte, wird die zentrale Rolle der jüdischen Nase deutlich: Sie erlaube es (...) den Juden rasch zu erkennen (,Die Judennase ist an ihrer Spitze gebogen. Sie sieht aus wie ein Sechser...'). Der Stürmer wie Der Giftpilz hatten mit ihrer auch und vor allem bildhaften Hetze, in welcher die behauptete moralische in körperliche Degeneration übersetzt wurde, maßgeblich dazu beigetragen, dass viel zu viele in Deutschland und Österreich den antisemitischen Verfolgungen, die in der Shoah kulminierten, so gleichgültig gegenüberstanden. (...) Und für alle, die den Wink mit der jüdischen Nase trotz der jahrzehntelangen Wiederholung immer noch nicht verstehen, wurden in gegenständlicher Karikatur auch noch Davidsterne gepackt. Nun könnte eigentlich kein Zweifel am antisemitischen Gehalt dieser Karikatur mehr bestehen."

 

Zur Frage nach der Motivation Straches dieses Bild auf seiner Facebook-Präsenz mit rund 125.000 Fans hochzuladen, sagt Peham weiters:

„Offen bliebe eigentlich nur die Frage, ob Heinz-Christian Strache eine bewusste Provokation setzen wollte (...) oder ob mit der Veröffentlichung dieser antisemitischen Karikatur (unbeabsichtigt) etwas zum Ausdruck kam, das seit langem in ihm schwelt."

Da der antisemitische Gehalt der Karikatur von Historiker/innen eindeutig festgestellt wurde und man davon ausgehen kann, dass Strache als ehemaliger Student der Geschichte in der Lage ist, die antisemitische Symbolik der Darstellung zu erkennen, ist der Verdacht auf Erfüllung sowohl des objektiven als auch des subjektiven Tatbestandes der Verhetzung insofern verhärtet, als Strache durch die Veröffentlichung der Karikatur „für eine breite Öffentlichkeit wahrnehmbar gegen eine Kirche oder Religionsgesellschaft oder eine andere nach den Kriterien der Rasse, der Hautfarbe, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, der Staatsangehörigkeit, der Abstammung oder nationalen oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung definierte Gruppe von Personen oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe hetzt oder sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise beschimpft und dadurch verächtlich zu machen sucht." (§ 283 (2), StGB).

Die unterzeichnenden Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz folgende

Anfrage:

1.      Mit welcher Begründung wurden die Ermittlungen eingestellt?

2.      In welchem Ausmaß verfügt die handelnde Person bzw. Personengruppe innerhalb der StA im gegenständlichen Fall? Hat die handelnde Person/Personengruppe bereits früher zu Fragen antisemitischer Verhetzung Vorerhebungen durchgeführt? Wenn ja: In welchen Fällen und wurde je in einem dieser Fälle Anklage erhoben? Hat die handelnde Person/Personengruppe bereits früher zu Fragen von Verhetzung Vorerhebungen durchgeführt? Wenn ja: In welchen Fällen und wurde je in einem dieser Fälle Anklage erhoben?

3.      Wurden Fachgutachten (etwa aus den Bereichen Politikwissenschaft, Zeitgeschichte, Judaistik oder Kultur- und Sozialanthropologie) eingeholt? Falls ja: Von wem? Gibt es eine Zusammenfassung von deren Argumentation?


4.      Sieht das Justizministerium angesichts der österreichischen Geschichte des 20. Jahrhunderts in Fällen von Verhetzung und insbesondere in Fällen, in denen das Ziel dieser Verhetzungen Personengruppen betrifft die während der NS-Zeit Verfolgung ausgesetzt waren, besonderen Handlungsbedarf? Falls ja: Worin materialisiert sich diese Haltung des BMJ?

5.      Hat das Justizministerium angesichts der besonderen historischen Verantwortung Österreichs jemals erwogen, eine Expertengruppe innerhalb der Staatsanwaltschaft für die Deliktgruppen Verhetzung und Wiederbetätigung zu bilden? Wenn nein: weshalb nicht?

6.      Teilt das Justizministerium im gegenständlichen Fall die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, es habe sich bei der gegenständlichen Karikatur um keine Verhetzung gehandelt?

7.      Welche Definition von Antisemitismus liegt der gegenständlichen Einschätzung der Staatsanwaltschaft zugrunde? Wodurch unterscheidet sich nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft die gegenständliche Karikatur von antisemitischen Karikaturen der NS- Zeit, die bemüht waren, die Schuld für wirtschaftliche Verwerfungen bzw. die Politik von Banken Juden zuzuschreiben? Welche Kriterien müssen nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft generell erfüllt sein, um eine Karikatur als "antisemitisch" zu charakterisieren? Welche Motivlage liegt nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft der nachweisbaren Abänderung der ursprünglichen Karikatur zugrunde, insbesondere die graphische Veränderung der Nase und die Einfügung von Davidsternen auf den Manschettenknöpfen? Teilt das Justizministerium in den obigen drei Punkten die Einschätzungen der Staatsanwaltschaft? Wenn nein: weshalb nicht? Wenn nein: Weshalb sah das BMJ dann von der Möglichkeit ab, von seinem Weisungsrecht Gebrauch zu machen oder zumindest eine Überprüfung der Einstellung durch eine andere Staatsanwaltschaft anzuordnen? Existieren allgemeine Definitionen von Antisemitismus und Rassismus, an denen sich das Justizministerium orientiert? Wenn nein: Weshalb nicht? Wenn ja: Wirkt das BMJ darauf hin, dass die Staatsanwaltschaften diese Definitionen übernehmen?

8.      Wurde seitens der Staatsanwaltschaft der Frage nachgegangen, wer diese eingangs beschriebenen grafische Veränderung (Manschettenknöpfe, Nase) vorgenommen hat? Wenn ja: Konnte die Frage geklärt werden und um wen handelte es sich demnach? Wenn nein: hält das BMJ diese Frage für irrelevant? Falls die Frage nicht irrelevant ist: Weshalb wurde das BMJ seinerseits nicht aktiv

9.      Verlangt nach Einschätzung des BMJ nicht sowohl das gehäufte Auftreten von Fällen von Verhetzung und die Vorbildwirkung, die dem Abgeordneten Strache aufgrund seiner politischen Stellung zukommt, besondere Sorgfalt in der Überprüfung von Verdachtsmomenten wie den Gegenständlichen? Wenn nein: Weshalb nicht?