Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll23. Sitzung / Seite 135

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Wieder einmal ist Österreich mit seiner nationalsozialistischen Vergangenheit und mit der Unfähigkeit politischer Repräsentanten, damit verantwortungsbewusst umzugehen, in die nationalen und internationalen Schlagzeilen geraten. Ein Déjà-vu-Erlebnis: Die politisch Verantwortlichen sprechen von einem bedauerlichen Einzelfall, der selbst­verständlich nicht repräsentativ für Österreich sei.

Die Innenministerin geht so weit, im Zusammenhang mit dem unfassbaren und im übrigen Europa undenkbaren tätlichen Angriff auf KZ-Überlende in Ebensee von „gegenseitigen Provokationen“ zu sprechen. Damit bestätigt sie jegliches Klischee über den braunen Sumpf in Österreich: Eine gröbere Verharmlosung durch eine amtierende Innenministerin erscheint schwer vorstellbar. Herbert Krejci, ehemaliger General­sekretär der Industriellenvereinigung, konnte diesen argumentativen Rösselsprüngen nicht folgen: „Wo liegt die Provokation? Dass Leute eine Gedenkveranstaltung veran­stalten, kann man doch nicht als Provokation bezeichnen.“ Die Innenministerin der Republik Österreich brauchte zumindest drei Anläufe, bis sie in der Lage war, sich zu Ebensee unzweideutig zu äußern. Auf eine Entschuldigung bei den Überlebenden war­ten diese bis heute.

Auch die Ankündigung der Innenministerin, die Exekutive werde sich die „Szene“ nun näher anschauen, sorgt für Staunen. Es stellt sich die Frage, was das Landesamt für Verfassungsschutz denn bislang unternommen hat?

Da die Innenministerin den Kampf gegen Rechtsextremismus bekanntlich gerne mit „linksextremen Provokationen“ in Verbindung bringen, sei hier eine Tageszeitung zitiert, die schwerlich als Sprachrohr des österreichischen Linksextremismus gelten kann:

Rechtsextreme Aktionen in Österreich (Die Presse, 15. 5. 2009).

20. 3. 2004: Die Jugendorganisation (Bund freier Jugend – BFJ) der als rechtsextrem klassifizierten Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) veranstaltet in Oberösterreich einen „Tag der Volkstreuen Jugend“.

26. 2. 2005: Rund 70 Skinheads stören eine angemeldete Antifaschismus-De­monstration der Sozialistischen Jugend Österreichs (SJ) in Bludenz. Im April werden mehrere von ihnen verurteilt.

2. 9. 2005: In Graz geht ein Festival über die Bühne. Dabei sollen einige Bands mit rechtsradikalem Hintergrund aufgetreten sein.

11.11.2005: Der britische Rechtsextremist David Irving wird in der Steiermark festgenommen. Er war auf dem Weg zu einem Stiftungsfest der Wiener Bur­schenschaft Olympia.

Jänner 2006: Wiederholte rechtsextreme Aktivitäten von Mitgliedern eines Fuß­ballfanklubs in der Hitler-Geburtsstadt Braunau am Inn werden bekannt. Die Männer heben bei einem Ausflug in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen die Hand zum Hitlergruß.

Jänner 2006: Von einem Neonazi-Konzert im Bezirk Ried taucht ein Video auf, das Besucher mit Hakenkreuz-Tätowierungen, Auschwitz-T-Shirts oder beim Hitlergruß zeigt.

17. 3. 2007: Die Polizei löst in St. Johann (Pongau) ein Treffen von etwa 60 Aktivisten des BfJ aus Oberösterreich auf. Einschlägige Bücher, Transparente und CDs werden beschlagnahmt. Der Prozess im Jahr darauf endet mit (nicht rechtskräftigen) Frei­sprüchen.

 


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