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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 25. März 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

59. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode            Donnerstag, 25. März 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 25. März 2010: 9.04 – 21.48 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates

2. Punkt: Bericht über den Grünen Bericht 2009 der Bundesregierung

3. Punkt: Bericht über den Antrag 387/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Beendigung der umsatzsteuerlichen Ungleichbehand­lung von pauschalierten Land- und Forstwirten

4. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktord­nungs-Überleitungsgesetz geändert werden

5. Punkt: Bericht über den Antrag 953/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequente Haltung Österreichs im internatio­nalen Artenschutz

6. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls

7. Punkt: Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Öster­reich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

8. Punkt: Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der 5. allgemeinen Kapi­tal­erhöhung der Asiatischen Entwicklungsbank (AsEB-5)

9. Punkt: Bericht über den Antrag 994/A(E) der Abgeordneten Lutz Weinzinger, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Möglichkeit des Ausschlusses aus der Währungsunion


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 2

10. Punkt: Bericht über den Antrag 1008/A(E) der Abgeordneten Mario Kunasek, Kol­le­ginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundes­minister für Landesverteidigung und Sport

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 11

Ruf zur Sache ................................................................................................................ 78

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zur Berichterstattung über den Antrag 578/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kol­leginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Ge­setz 1992 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 20. April 2010 zu setzen      ............................................................................................................................... 33

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kurzen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 33

Redner/Rednerinnen:

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 160

Mag. Johann Maier ................................................................................................. ... 163

Franz Eßl .................................................................................................................. ... 164

Harald Jannach ....................................................................................................... ... 165

Mag. Christiane Brunner ....................................................................................... ... 167

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 168

Ablehnung des Fristsetzungsantrages ........................................................................ 169

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 33

Wortmeldungen zur Geschäftsbehandlung im Zusammenhang mit in den ÖVP-Reihen aufgestellten Taferln:

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 88

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 88

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 89

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 89

Karl Öllinger ............................................................................................................ ..... 89

Wortmeldung des Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz im Zusammenhang mit nicht der Würde des Hauses entsprechenden Äußerungen des Abgeordneten Gerald Grosz .................... 159

Fragestunde (8.)

Justiz ............................................................................................................................. 11

Dr. Günther Kräuter (53/M); Franz Glaser, Mag. Ewald Stadler, Dr. Gabriela Moser, Mag. Harald Stefan, Josef Jury


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 3

Ridi Maria Steibl (51/M); Martina Schenk, Mag. Daniela Musiol, Ing. Norbert Hofer, Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher

Dr. Peter Fichtenbauer (50/M); Mag. Johann Maier, Mag. Heribert Donnerbauer, Ursula Haubner, Mag. Albert Steinhauser

Mag. Albert Steinhauser (56/M); Dr. Walter Rosenkranz, Ewald Sacher, Anna Franz, Herbert Scheibner

Josef Bucher (55/M); Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Susanne Winter, Gabriele Binder-Maier, Ridi Maria Steibl

Dr. Johannes Jarolim (54/M); Mag. Bernd Schönegger, Gerald Grosz, Mag. Al­bert Steinhauser, Dr. Johannes Hübner

Mag. Heribert Donnerbauer (52/M); Ing. Peter Westenthaler, Mag. Albert Stein­hauser, Christian Lausch, Gerhard Köfer

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 11

Ausschüsse

Zuweisung ...................................................................................................................... 32

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbotes in den Räumen der Gas­tronomie (1063/A)(E) .................. 116

Begründung: Dr. Eva Glawischnig-Piesczek ............................................................ 118

Bundesminister Alois Stöger, diplômé ................................................................... 123

Debatte:

Dr. Kurt Grünewald ................................................................................................ ... 125

Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................................................ ... 127

Dr. Erwin Rasinger ................................................................................................. ... 128

Bernhard Themessl ................................................................................................ ... 130

Gerald Grosz ......................................................................................................  131, 157

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 134

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 135

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 137

Harald Vilimsky ....................................................................................................... ... 138

Stefan Petzner ...................................................................................................  140, 157

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 143

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ... 144

Anna Franz .............................................................................................................. ... 146

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ... 147

Dietmar Keck ........................................................................................................... ... 148

Oswald Klikovits ..................................................................................................... ... 150

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 151

Dr. Martin Strutz ..................................................................................................... ... 152

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 153

Maximilian Linder ..............................................................................................  154, 158

Mag. Judith Schwentner ........................................................................................ ... 155

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 158


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 4

Entschließungsantrag der Abgeordneten Stefan Petzner, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Wahlfreiheit für Wirte und Gäste – freie Deklaration zum Raucher- oder Nichtraucherlokal – Ablehnung          142, 159

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 1063/A(E) ............................ 159

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsu­men­tenschutz gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates ...................................................................... 34

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 34

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäfts­ord­nung                   34

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 38

August Wöginger .................................................................................................... ..... 41

Karl Öllinger ............................................................................................................ ..... 43

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 45

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 47

Wolfgang Katzian .................................................................................................... ..... 49

Ridi Maria Steibl ........................................................................................................... 51

Herbert Kickl ................................................................................................................. 53

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ..... 55

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ..... 56

Dr. Sabine Oberhauser, MAS ................................................................................ ..... 58

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................ ..... 59

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ..... 61

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ..... 63

Ursula Haubner ....................................................................................................... ..... 64

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ..... 65

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ..... 67

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ..... 68

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ..... 70

Gerald Grosz ........................................................................................................... ..... 72

Karl Donabauer ....................................................................................................... ..... 75

Mag. Helene Jarmer ..................................................................................................... 77

Dr. Andreas Karlsböck ................................................................................................ 78

Martina Schenk ............................................................................................................. 79

Bernhard Themessl ..................................................................................................... 80

Gerhard Huber .............................................................................................................. 81

Carmen Gartelgruber ............................................................................................. ..... 82

Werner Neubauer .................................................................................................... ..... 83

Karl Öllinger (tatsächliche Berichtigung) ..................................................................... 85

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die Verknüpfung von Integrationsleistungen und sozialen Leistun­gen – Ablehnung ....  74, 85

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2009 der Bundesregierung (III-90/624 d.B.) ................................................................................... 85

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Antrag 387/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 5

betreffend Beendigung der umsatzsteuerlichen Ungleichbehandlung von pau­schalierten Land- und Forstwirten (625 d.B.) .................................................... 86

Redner/Rednerinnen:

Harald Jannach ............................................................................................................. 86

Fritz Grillitsch .......................................................................................................... ..... 90

Gerhard Huber ........................................................................................................ ..... 92

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ..... 93

Rupert Doppler ....................................................................................................... ..... 94

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ..... 95

Martina Schenk ....................................................................................................... ..... 97

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ..... 99

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 100

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 101

Dr. Wolfgang Spadiut ............................................................................................. ... 102

Mag. Christiane Brunner ....................................................................................... ... 104

Maximilian Linder ................................................................................................... ... 106

Jakob Auer .............................................................................................................. ... 108

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 109

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (tatsächliche Berichtigung) ............................... 113

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 113

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 114

Christian Faul .......................................................................................................... ... 115

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 170

Walter Schopf .......................................................................................................... ... 171

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 171

Elisabeth Hakel ....................................................................................................... ... 173

Franz Eßl .................................................................................................................. ... 173

Peter Mayer ............................................................................................................. ... 174

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Mag. Kurt Gaßner, Fritz Grillitsch, Harald Jannach, Gerhard Huber, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend nationales Anbauverbot für die Gentechnik-Kartoffel „Amflora“ von BASF – Annahme (E 87) ......................... 99, 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dringlichkeit der Wahrnehmung der Koordinierungs­funktion des Landwirtschaftsministers in der Einheitswertfrage – Ablehnung ............................................................................  103, 185

Entschließungsantrag der Abgeordneten Maximilian Linder, Josef Jury, Dr. Martin Strutz, Harald Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kenn­zeichnungspflicht für Schweinefleisch aus Zucht- und Produktionsabläufen mit chemischer Kastration mittels Impfeingriff – Ablehnung  107, 185

Kenntnisnahme des Berichtes III-90 d.B. ..................................................................... 175

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 625 d.B. ..................................................... 176

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungsvorlage (610 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden (626 d.B.) ......................................................................................................... 176

Redner/Rednerinnen:

Harald Jannach ....................................................................................................... ... 176

Fritz Grillitsch .......................................................................................................... ... 177

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 178

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 179

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 179


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 6

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 181

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 183

Franz Eßl ..................................................................................................................... 183

Peter Mayer ............................................................................................................. ... 183

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Maßnahmen zur Milchpreisregelung in Österreich als Vorbe­rei­tung für eine europäische Gesamtlösung – Ablehnung              180, 184

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 184

5. Punkt: Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 953/A(E) der Abge­ordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend konse­quente Haltung Österreichs im internationalen Artenschutz (630 d.B.) ...................................................................................................................... 184

Redner/Rednerinnen:

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ... 184

Petra Bayr ................................................................................................................... 185

Dr. Susanne Winter .................................................................................................... 186

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 186

Dr. Wolfgang Spadiut ............................................................................................. ... 188

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 189

Dr. Wolfgang Spadiut (tatsächliche Berichtigung) .................................................... 190

Franz Hörl ................................................................................................................ ... 190

Mag. Josef Auer ...................................................................................................... ... 190

Andrea Gessl-Ranftl ............................................................................................... ... 191

Gerhard Steier ......................................................................................................... ... 192

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 193

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 630 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend konsequente Haltung Österreichs im internationalen Arten­schutz (Schutz der Elefanten) (E 88)              ............................................................................................................................. 193

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (584 d.B.): Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls (619 d.B.)         ............................................................................................................................. 193

7. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (585 d.B.): Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (620 d.B.)        ............................................................................................................................. 194

8. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (603 d.B.): Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der 5. allgemeinen Kapital­erhöhung der Asiatischen Entwicklungsbank (AsEB-5) (621 d.B.) ...................................................................................................................... 194

9. Punkt: Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 994/A(E) der Abge­ordneten Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Möglichkeit des Ausschlusses aus der Währungsunion (622 d.B.)              ............................................................................................................................. 194

Redner/Rednerinnen:

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 194

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ... 195


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 7

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 196

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ... 197

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 198

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 199

Alois Gradauer ........................................................................................................ ... 201

Gabriele Tamandl ................................................................................................... ... 202

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 202

Ing. Mag. Hubert Kuzdas ........................................................................................ ... 203

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................ ... 204

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 205

Mag. Peter Michael Ikrath ...................................................................................... ... 205

Wilhelm Haberzettl ................................................................................................. ... 206

Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka ....................................................................... 206

Konrad Steindl ........................................................................................................ ... 207

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 208

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 208

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 209

Genehmigung der beiden Staatsverträge in 619 und 620 d.B. .................................... 210

Annahme des Gesetzentwurfes in 621 d.B. ................................................................ 210

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 622 d.B. ..................................................... 210

10. Punkt: Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 1008/A(E) der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ver­sagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport (648 d.B.) ..................................................................... 211

Redner/Rednerinnen:

Mario Kunasek ........................................................................................................ ... 211

Stefan Prähauser .................................................................................................... ... 212

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 214

Ing. Norbert Kapeller .............................................................................................. ... 215

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ... 216

Peter Stauber .......................................................................................................... ... 218

Lutz Weinzinger ...................................................................................................... ... 219

Bundesminister Mag. Norbert Darabos .................................................................. 220

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 223

Dr. Peter Fichtenbauer ........................................................................................... ... 224

Gerhard Köfer ......................................................................................................... ... 225

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 225

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 226

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ... 229

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 648 d.B. ..................................................... 233

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbotes in den Räumen der Gastronomie (1063/A)(E)

Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dringlichkeit der Wahr­nehmung der Koordinierungsfunktion des Landwirtschaftsministers in der Einheitswert­frage (1064/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 8

Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbot von Amflora sowie drei neu zugelassener Genmaissorten (1065/A)(E)

Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlfreiheit für Wirte und Gäste – freie Deklaration zum Raucher- oder Nichtraucherlokal (1066/A)(E)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Milchpreis­re­gelung in Österreich als Vorbereitung für eine europäische Gesamtlösung (1067/A)(E)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen betreffend Anpassung der Einzel­aufzeichnungsgrenze von 150 000 € auf 400 000 € (1068/A)(E)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung der Abschrei­bungsdauer im Tourismus (1069/A)(E)

Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Tabakkonsum und dessen negativen gesundheitlichen Folgen (1070/A)(E)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung des Assistenz­einsat­zes in der Grenzregion (1071/A)(E)

Dr. Peter Pilz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorlage des „Eurofighter-Ver­gleichs“ (1072/A)(E)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufarbeitung der Verbrechen wider die Menschlichkeit in Slowenien (1073/A)(E)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend BStU-Akteneinsicht (1074/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einbeziehung der soge­nannten Contergangeschädigten in das System des österreichischen Sozialent­schädi­gungsrechts (1075/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend FMA-Mindeststandards auch für Leasinggesellschaften (1076/A)(E)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Änderung der Pauschalie­rungsverordnung für Landwirte (1077/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Senkung der Lohnneben­kosten (1078/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend gesteuerte Zuwanderungs- und Integrationspolitik nach dem BZÖ-Ausländercheck-Modell (1079/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Bündnis für mehr Kinderschutz gegen sexuelle Übergriffe“ (1080/A)(E)

Mag. Gisela Wurm, Dorothea Schittenhelm, Mag. Judith Schwentner, Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gleichstellung von Frauen und Männern im Programm Ländliche Entwicklung 2007–2013 (LE 07–13) (1081/A)(E)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend öffentliche Finanzierung der Lehrpraxen (1082/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 9

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Abschaffung der Verjährungs­fristen von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige (1083/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Martin Strutz, Josef Jury, Maximilian Linder, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend exorbitante Mehrkosten für die Exekutive durch immer häufigere Demonstrationen (4980/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Erstellung von Studien (4981/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Nachbesetzung der Mumok-Direktion (4982/J)

Rudolf Plessl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Personalstände bei der Polizei in Niederösterreich und die Zukunft von Grenzüberwachungsposten und Polizeiinspektionen (4983/J)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Stand des Ermittlungsverfahrens der „CSI Hypo“ (4984/J)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend den Rückgang der öffentlichen Aufträge trotz staatlicher Konjunkturpakete (4985/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Dienstverwendung eines Offiziers aufgrund politischer Motive (4986/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Kürzungen der Fördermittel für das Kinderschutzzentrum Tirol und vergleich­barer Einrichtungen (4987/J)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Zahlen hinsichtlich strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbe­stimmung (4988/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Förderung von Produktionsschulen (4989/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend überbetriebliche Lehrausbildung (4990/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend verfassungswidrige Novelle zum Wiener Landessicherheitsgesetz (4991/J)

Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend mutmaßliche NS-Wiederbetätigung durch die Webseite www.alpen-donau.info (4992/J)

Alois Gradauer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Nachfrageverfahren 2008 (4993/J)

Gabriele Binder-Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Prozessbegleitung in Österreich (4994/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 10

Dr. Gerhard Kurzmann, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend die Vergabepraxis bei rumä­nischen Pässen an Moldawier (4995/J)

*****

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates betreffend Totalausfall des live Webstream der laufenden Sitzung am 24.03.2010 (36/JPR)


09.04.01


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.04 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Hagenhofer, Dr. Ferdinand Maier, Ing. Höbart, Dr. Lichtenecker, List, Windholz und Dr. Pilz.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung Dr. Beatrix Karl wird durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich vertreten.

Ferner gebe ich die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, wie folgt bekannt:

Der Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll wird durch den Staatssekretär Dr. Reinhold Lopatka vertreten.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung bis 13 Uhr vom ORF live übertragen wird.

09.05.02Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden von den beiden RednerInnenpulten im Halbrund vorgenommen, die Beantwortung durch die Frau Bundesministerin vom Rednerpult der Abgeordneten.

Für Anfrage- und Zusatzfragesteller jeder Fraktion ist jeweils 1 Minute Redezeit vor­gesehen. Die Beantwortung der Anfrage durch die Frau Bundesministerin soll 2 Minuten, jene der Zusatzfragen jeweils 1 Minute betragen.

Ich werde so wie bisher wenige Sekunden vor Ende der jeweiligen Redezeit durch Glockenläuten auf deren Ablauf aufmerksam machen.

Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Justiz

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen zur 1. Anfrage. Es ist dies die Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Kräuter an die Frau Bundesministerin für Justiz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 12

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Vielen Dank! Guten Morgen, meine Damen und Herren! Frau Justizministerin! Springen wir gleich zu Beginn der Fragestunde mitten in den BUWOG-Skandal. Es geht um die Ver­schleuderung von 60 000 Bundeswohnungen unter dem damaligen Finanzminister Grasser. Der Rechnungshof hat einen Schaden von mehr als 200 Millionen € errech­net. Und es ist ja mittlerweile ein Kriminalfall. Es gibt Hausdurchsuchungen, es gibt Geständnisse, es gibt die Öffnung von Privatkonten – mit einer Ausnahme, und da scheint ein Promifaktor zum Tragen zu kommen. Anfang März wurden die Privatkonten der Herren Plech, Meischberger und Co geöffnet, allerdings nicht jene von Exminister Karl-Heinz Grasser als Mitbeschuldigtem.

Daher stelle ich die Frage, die Ihnen ja schriftlich vorliegt:

53/M

„Warum wurde Mitbeschuldigter Ex-Finanzminister Grasser im BUWOG-Skandal An­fang März 2010 seitens der Staatsanwaltschaft von der gerichtlichen Kontenöffnung ausgenommen?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ermittlungsverfahren sind nicht öffentlich. Es handelt sich hiebei um ein noch offenes Ermittlungsverfahren, und es steht mir nicht zu, dieses zu kommentieren, schon gar nicht einzelne Ermittlungs­schritte.

In einem Punkt möchte ich Sie beruhigen, beziehungsweise eines kann ich Ihnen ver­sichern, Herr Abgeordneter Kräuter: In der Justiz werden alle gleich behandelt (Beifall bei der ÖVP), egal, ob prominent, ob nicht prominent, ob Banker, ob reich und einflussreich, bei uns werden alle gleich behandelt. (Abg. Dr. Königshofer: Die Fakten sprechen eine andere Wahrheit!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Kräuter, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Frau Justizministerin! Probieren wir es anders: Der FPÖ-Mann Ernst Karl Plech, der ja auch Beschuldigter im BUWOG-Skan­dal ist, der ja seinerzeit auch von Strache gefördert wurde (ironische Heiterkeit bei der FPÖ), wurde ja von Grasser in den Vorsitz des BUWOG-Aufsichtsrates berufen, hat Sitz und Stimme in der Vergabekommission bekommen und hat auch Immobilien­geschäfte des Bundes von Grasser vermittelt bekommen.

Noch heute, Frau Justizministerin, sitzen Grasser und Plech als Kompagnons in einem privaten Immobilienunternehmen, in einer GesmbH. Sagen Sie, Frau Justizministerin, besteht da nicht Verabredungs- und Verdunkelungsgefahr im Zusammenhang mit dem BUWOG-Skandal?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Noch einmal, Herr Abgeordneter Kräuter: Wie soll ich das kommentieren? Ich bin nicht die zuständige Staatsanwältin, ich bin Justizministerin und habe anhängige Strafverfahren nicht zu kommentieren. Die Justiz muss unabhängig arbeiten können. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Glaser, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 13

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Frau Bundesministerin! Immer wenn aktive oder ehemalige Politiker in Strafverfahren involviert sind oder von solchen gesprochen wird, stellt sich auch die Frage, wie da die politische Verantwortung geprüft werden soll. Und in diesem Zusammenhang meine Frage: Wie weit geht Ihrer Meinung nach da das Kontrollrecht des österreichischen Parlaments?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Dabei handelt es sich um eine sehr komplexe verfassungsrechtliche Frage. Dieser Meinung war übrigens auch der Leiter des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes. Ich denke nur an den Standardkommentar zum B-VG, zu Art. 90a B-VG, und da steht, dass die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als Akte der Gerichtsbarkeit zu qualifizieren ist. Allerdings sind Justizverwaltungsakte und Akte im Zusammenhang mit dem Weisungsrecht durch das Bundesministerium für Justiz Verwaltungsakte, die einer unbeschränkten parlamenta­rischen Kontrolle unterliegen.

Nicht kontrolliert werden können jedoch meines Erachtens – und das ist wichtig – an­hängige Strafverfahren, anhängige Verfahren. Und zwar warum? – Es würde gegen den Datenschutz verstoßen, es würde gegen die Unschuldsvermutung verstoßen und es wäre vor allem aus kriminaltaktischen Gründen unvertretbar. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Stadler.

 


Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Bundesminister, ich stelle gleich voran, dass ich von Ihnen keinen Kommentar zu irgendeinem Strafverfahren möchte. Ich möchte von Ihnen nur eine Information im Rahmen der Ausübung des verfas­sungs­mäßigen Interpellationsrechtes, die Sie offensichtlich nicht einmal Ihrem Regie­rungs­partner geben.

Ich frage Sie jetzt unter Hinweis auf § 8 Staatsanwaltschaftsgesetz und unter Voran­stellung der Tatsache, die hier nicht extra zu beweisen ist, dass es sich beim ehe­maligen Bundesminister Karl-Heinz Grasser um eine Person öffentlichen Interesses handelt, und unter Hinweis auf die im Zusammenhang mit der Informationspolitik der Staatsanwaltschaft geübte Praxis gegenüber dem Abgeordneten Ing. Westenthaler. Ich frage Sie jetzt noch einmal, ohne dass ich von Ihnen eine Kommentierung erwarte: Gegen wen werden Verfahren geführt, wenn es sich um Personen öffentlichen Inter­esses handelt, und warum wurden die Konten des ehemaligen Herrn Finanzministers Grasser, der eine Person öffentlichen Interesses ist, nicht geöffnet?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter Stadler, das war wieder ein netter Versuch. Sie werden mir einen Kommentar zu dieser Causa nicht entlocken können.

Noch einmal: Kommentare (Abg. Mag. Stadler: Ich will keinen „Kommentar“, ich will Info!) beziehungsweise Informationen zu einzelnen Ermittlungsschritten in einem anhängigen Strafverfahren könnten dazu führen, dass die Erfolge der Ermittlungen in Gefahr geraten. Das würde auch massiv in Rechte von Verfahrensbeteiligten ein­grei­fen.

Ich glaube, Sie hätten auch kein Interesse, wenn ein Verfahren gegen Sie anhängig wäre, dass man während eines anhängigen Ermittlungsverfahrens darüber spricht. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Schon geschehen, schon x-mal!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Moser.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 14

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Frau Ministerin, Sie betonen, es wird in kein laufendes Verfahren eingegriffen. Erklären Sie mir: Warum setzen Sie sich mit dem Anwalt des ehemaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser ins Kaffeehaus? Und bitte erklären Sie mir außerdem, warum Sie nicht auch Hausdurchsuchungen beim ehemaligen Finanzminister vornehmen ließen und warum Sie die Staatsanwaltschaft nicht aufstockten, obwohl ein derartig komplexes Beziehungsgefüge aufgedeckt werden muss!

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Abgeordnete, ich habe das schon mehrmals betont: Das berühmte Treffen im Theatercafé war kein Treffen. Ich habe damals nicht gewusst, dass Herr Dr. Ainedter im Lokal ist. Und noch einmal: Wenn man mich kennt, vor allem Leute, die mich als Richterin kennen, wissen ganz genau, dass Interventionen überhaupt keinen Sinn haben.

Es ging damals um eine Akteneinsicht. Und ich habe ihm damals gesagt: Bitte, Herr Dr. Ainedter, ich mische mich in anhängige Verfahren nicht ein. Und so war es. Das sagt er ja selbst auch. Und mehr ist da nicht.

Noch einmal: Es werden bei uns wirklich alle gleich behandelt. Das setze ich voraus und das ist mir ein großes Anliegen. Das entspricht auch meinem richterlichen Selbst­verständnis. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Stefan, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ich darf trotzdem noch einmal nachfragen, auch wenn bei Ihnen Interventionen keinen Sinn haben: Ist Ihnen bekannt, dass es an sich Interventionen gegeben hat – bei Ihnen oder an anderen Stellen – in diesem Zusammenhang?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, es gibt immer wieder Interventionsversuche, nur sind diese bei mir erfolglos. Das ist so. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jury, bitte.

 


Abgeordneter Josef Jury (ohne Klubzugehörigkeit): Guten Morgen, Frau Minister! In Ihrer Anfragebeantwortung haben Sie gerade gesagt, dass Ermittlungsverfahren nicht öffentlich sind. Wie kann es immer wieder vorkommen, dass Ermittlungsergebnisse in einschlägigen Magazinen genannt werden (der Redner hält eine Ausgabe von „NEWS“ in die Höhe), sei es der BUWOG-Skandal, sei es der Hypo-Skandal, sei es der große Skandal um Finanzminister Grasser? Wie geht das?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, ich bin ganz Ihrer Meinung. Ich finde es nicht gut, wenn Aktenteile in den Medien auf­scheinen. Das finde ich sogar sehr schlecht und das ist kontraproduktiv und kann laufende Ermittlungen gefährden, keine Frage. Aber wir haben das Problem, dass wir das Recht auf Akteneinsicht und Aktenabschrift haben. Diese Akteneinsicht können wir auch nicht verwehren, das würde nämlich der Menschenrechtskonvention wider­sprechen.

Es gibt verschiedene Personen, die in einem Verfahren eine Aktenabschrift haben, und offenbar gibt es immer wieder Fälle, wo diese Aktenabschrift dann an Medien weiter­gegeben wird, aus welchem Grund auch immer. Man will sich vielleicht profilieren, man


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 15

will seinem Mandanten helfen. Ich finde es auch nicht gut und ich möchte auch gerne wissen, wer die Akten da weitergegeben hat. (Abg. Dr. Strutz: Haben Sie ein Ermitt­lungsverfahren eingeleitet?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 51/M der Frau Abge­ordneten Steibl. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Mit dem Familienrechtsänderungsgesetz, das wir 2009 beschlossen haben, wurden im Familienrecht wichtige Schritte gesetzt, so zum Beispiel die Berücksich­tigung von modernen Familienformen wie der Patchwork-Familie oder auch die Ver­bes­serung beim Unterhaltsvorschuss. Das sind Maßnahmen, die Eltern in schwierigen Situationen, aber insbesondere Kinder – und es geht ja um Kindeswohl und Kinder­rechte – stützen und unterstützen.

Sie haben, sehr geehrte Frau Bundesministerin, Anfang dieses Jahres bereits ge­äußert, dass weitere Anpassungen im Familienrecht geplant sind. Ich glaube, das ist auch dringend notwendig.

Daher meine Frage:

51/M

„Welche Überlegungen gibt es von Ihrer Seite in Bezug auf eine Reform des Obsorge­rechts?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ja, sehr geehrte Damen und Herren, das Obsorgerecht ist ein sehr sensibles Thema. Man spricht immer von Frauenrechten, von Väterrechten, das Thema polarisiert. Aber wer, bitte, spricht von den Rechten der Kinder? Und da müssen wir ansetzen. Meines Erachtens haben Kinder auch nach der Trennung der Eltern einen Anspruch auf beide Elternteile. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

Meiner Meinung nach sollten wir das Obsorgerecht überdenken und sollten uns ver­schiedenste Modelle in anderen Ländern ansehen. In Deutschland zum Beispiel gibt es das System, dass die gemeinsame Obsorge im Falle einer Scheidung automatisch eingeräumt wird. Das schauen wir uns jetzt an. Und zu diesem Zweck wird noch vor dem Sommer eine Enquete stattfinden, und in dieser Enquete sollen genau diese Probleme auf sehr breiter Basis diskutiert werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Steibl, bitte.

 


Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehen Sie aufgrund des Urteils des Euro­päischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Benachteiligung von Vätern legislativen Handlungsbedarf in Österreich? Da gibt es ja eine starke Bewegung, und ich denke, da ist mehr als nur Handlungsbedarf gegeben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Angesichts dieser Judi­katur müssen wir sicherlich auch die Rechtsstellung von Vätern unehelicher Kinder diskutieren, keine Frage. Auch das ist ein ganz sensibler Bereich. Den müssen wir politisch, den müssen wir praxisbezogen diskutieren, den müssen wir wirklich mit notwendiger Sensibilität diskutieren. Auch das wird Thema der Enquete sein. Und wir müssen uns wirklich fragen: Wie können Väter auch von unehelichen Kindern vermehrt die elterliche Verantwortung übernehmen? Das ist ein ganz wichtiges Thema heut­zutage. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 16

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Schenk, bitte.

 


Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Frau Ministerin! Sie haben schon das Kindes­wohl angesprochen und gesagt, dass dieses oberste Priorität haben muss und dass das Kindeswohl an vorderster Stelle stehen muss.

Ich hätte jetzt noch eine explizite Frage zum Obsorgerecht in Deutschland, das Sie schon angesprochen haben: Warum wird das nicht gleich übernommen? Wo sehen Sie hier jetzt die Verbesserungen, die in Österreich bestehen? Und was sagen Sie jetzt explizit noch einmal zum deutschen Modell, wo die gemeinsame Obsorge durch Väter und Mütter seit den neunziger Jahren in Kraft ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Das österreichische und das deutsche System kann man nicht wirklich miteinander vergleichen. Es sind komplett verschiedene Ansätze im Familienrecht gegeben. Schon im Bereich der Entstehung der Obsorge, im Bereich des Inhaltes der Obsorgerechte gibt es sehr, sehr große Unterschiede. Man kann es also nicht einfach übernehmen.

Wir müssen aber schauen, welche Teile wir übernehmen könnten. Die Frage ist: Kann man vielleicht auch bei uns – das ist eben die Frage; ich habe noch keine Lösung – sozusagen automatisch einmal von einer gemeinsamen Obsorge ausgehen und nur im Ausnahmefall dem einen Elternteil die Obsorge entziehen?

Wie gesagt, das ganze System komplett zu übernehmen, würde nicht gehen. Ich bin aber auch im Gespräch mit der finnischen Justizministerin und mit der schwedischen Justizministerin, und ich muss sagen, diesbezüglich gibt es ganz interessante Ansätze in den skandinavischen Ländern.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Musiol, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Ministerin, Sie haben vorhin die Frage in den Raum gestellt: Wer kümmert sich um die Rechte der Kinder? Wir Grünen tun das, und deswegen sind wir auch dafür, dass die Kinderrechtskonvention im ge­samten Ausmaß umgesetzt wird, und nicht nur 6 aus 45. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Frage: Sie haben davon gesprochen, dass Sie ExpertInnen anhören wollen, dass Sie vor dem Sommer eine Enquete abhalten wollen. Wann rechnen Sie mit einem konkreten Vorschlag Ihrerseits, der dann auch den parlamentarischen Ablauf nehmen kann?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Abgeordnete, Sie wissen, dass das ein sehr sensibles Thema ist, wo man wirklich alle Interessen berück­sichtigen muss, ein Thema, das polarisiert. Wir werden sicherlich zu einer Lösung kommen. Wann diese Lösung auf dem Tisch liegt, kann ich Ihnen natürlich nicht sagen, weil ich nicht weiß, wie lange dieser Diskussionsprozess dauern wird. In diesem Bereich kann man nicht drüberfahren, sondern da brauchen wir wirklich eine breite Diskussion, weil es ein gesellschaftspolitisch sehr wichtiges Thema ist. Ich kann Ihnen den Zeitpunkt leider nicht nennen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Hofer, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Bundesminister, ich bedanke mich, dass Sie sich für die gemeinsame Obsorge einsetzen. Das ist ein ganz wesentlicher Schritt. Sie haben im Rahmen der Entwicklung dieses Modells auch mit Vereinen Ge­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 17

spräche geführt, mit Exponenten dieser Vereine. Nun sind einige dieser Personen nach dem Mafia-Paragraphen angeklagt worden (Abg. Mag. Stadler: Zu Recht!), genauso wie auch Tierschutzaktivisten.

Meine Frage: Sehen Sie beim Mafia-Paragraphen Änderungsbedarf und, wenn ja, in welcher Form?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, ich habe es auch schon mehrmals betont: Ich sehe derzeit keinen Änderungsbedarf. Ob die Gerichte diese Bestimmung auch anwenden und wie sie diese Bestimmung an­wen­den, sollten wir den Gerichten in den anhängigen Verfahren überlassen.

Tatsache ist – Sie haben die Väter angesprochen –, es geht nicht um das Ziel, das die Leute verfolgen, das durchaus ein hehres Ziel ist oder ein verständliches Ziel. Es geht um die Mittel, die sie einsetzen, um diese Ziele zu erreichen, und die sind mitunter einfach nicht angemessen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es kann nicht sein, Herr Abgeordneter, dass man nach dieser wirklich furchtbaren Geschichte in Hollabrunn, wo eine Gerichtsbedienstete erschossen wurde, im Internet liest: Na, der hat ja recht gehabt, denn die Richterin hat ja falsch entschieden, da ist die Richterin selbst schuld gewesen, und alle am Gericht sind so schlecht! – Also bitte, wenn man so etwas liest, muss man sagen, das ist wirklich nicht vertretbar. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Es sind hier Grenzen gesetzt, und die Mittel müssen schon auch angemessen sein, auch wenn man durchaus verständliche Ziele verfolgt. (Ruf bei der SPÖ: Mafiös! – Abg. Strache: Was hat das mit mafiös zu tun?!) Das gilt sowohl für die Tierschützer als auch für Väter, die um ihre Rechte kämpfen. Die einzelnen Fälle möchte ich nicht kommentieren, denn es gibt anhängige Verfahren, und die Justiz wird entscheiden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminis­ter! Die klassische Situation der Familien, die Ehe als Institut, entspricht ja nicht mehr der Realität. Es wird jede zweite Ehe geschieden, es gibt Lebensgemeinschaften, Patchwork-Familien, auch Alleinerzieher und Alleinerzieherinnen, und selbst die Famil­ienrichter zerbrechen sich bei ihrem Familienrichtertag 2010 den Kopf darüber, ob die Rechtslage zeitgemäß ist.

Daher meine Frage: Inwieweit wird die reale Situation der heutigen Familien in Ihre Überlegungen mit eingebunden? Und: Welche Expertisen holen Sie dazu ein?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Die Justiz muss sich immer dem Geist der Zeit anpassen. Recht ist nichts Statisches, vor allem im Familien­rechtsbereich. Wir haben ja schon letzten Sommer das Familienrechtspaket beschlos­sen: Patchwork-Familien wurden vom Gesetz anerkannt, es wurden den Stiefeltern gewisse Rechte und Pflichten eingeräumt. Wir sind ja immer dabei, sozusagen das Recht anzupassen, und wir sind auch ständig in Verbindung mit den Familienrichtern und mit Experten verschiedener Art, Jugendwohlfahrtsträgern et cetera.

Natürlich gibt es in diesem Bereich eine gesellschaftliche Entwicklung, das ist schon klar. Wenn es weiteren Anpassungsbedarf gibt, werden wir uns darum kümmern. Das kann ich Ihnen versichern. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 18

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 50/M des Herrn Abgeordneten Dr. Fichtenbauer. – Bitte.

Die eingereichte Anfrage, 50/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann wird es endlich zur Verfahrensreform des Außerstreitgesetzes, vor allem in Hinblick auf eine verpflichtende Entscheidungsfrist für Richter in Besuchsrechts- und Obsorgestreitigkeiten, kommen?“

 


Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Der Missbrauch von Kindern als Waffe in der Auseinandersetzung mit dem anderen Elternteil, von dem man vielleicht schon geschieden ist oder sich scheiden lassen möchte, ist leider Alltag und führt zu einer großen Zahl von entsprechenden Verfahren vor den Bezirksgerichten. Ein das Übel noch verstärkender Sachverhalt besteht darin, dass die Verfahren überlang dauern. Daher habe ich den Antrag gestellt – schon in der letzten Legislaturperiode und auch in dieser –, einen harten Schnitt in die Verfah­rensordnung des Außerstreitrechtes zu tun und eine zwingende Beendigung des Ver­fahrens binnen sechs Monaten vorzuschreiben.

Bei Abwägung von Pro und Kontra – natürlich gibt es auch Gegenargumente – gibt es kein sichtbares Argument dafür, dass dem Übel der langen Verfahrensdauer anders begegnet werden könnte. Wie sehen Sie die Sachlage zur Bewältigung dieses Prob­lems?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Dr. Fichtenbauer, wir haben uns ja schon mehrmals darüber unterhalten. Grundsätzlich ist es so: Es ist richtig, dass es in einzelnen Fällen wirklich zu langen Verfahren im Bereich des Besuchsrechtes, im Bereich der Obsorge kommt. Das hat verschiedenste Ursachen, und es liegt nicht allein beim Gericht, sondern es liegt auch daran, dass zum Beispiel Sachverständigengutachten lange dauern, et cetera.

Wir sind gerade dabei, zu überlegen: Wie kann man das verbessern? Sie haben nämlich schon recht: Es kann nicht sein, dass ein Vater so lange warten muss, bis er ein Besuchsrecht eingeräumt bekommt, monatelang, manchmal sogar jahrelang die Kinder nicht zu Gesicht bekommt und in dieser Zeit eine Entfremdung stattfindet. Da bin ich ganz bei Ihnen. Das darf einfach nicht sein! Deswegen überlegen wir uns ja auch die Schaffung gewisser Instrumente. Auch in der Enquete wird das Thema sein.

Allerdings glaube ich, dass starre Fristen nicht das Allheilmittel sind, dass starre Regelungen dann sozusagen den Erfordernissen des Einzelfalls nicht gerecht werden, denn was tut man denn, wenn sich der Richter nicht an die Frist hält? Soll er dann einfach irgendwie entscheiden? Es geht ja auch um die Qualität der Entscheidung, gerade in diesen Bereichen. Aber wir werden uns gemeinsam etwas überlegen, wie man diese Situation verbessern kann.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer.

 


Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Ein anderer Fall, der mit Kindschafts­rechten zusammenhängt, beschäftigt in den letzten Wochen die Öffentlichkeit. Ein Kind einer Österreicherin, das sie aus Griechenland mitgenommen hat, wurde durch Ent­scheidung des Obersten Gerichtshofes zur Rückführung verurteilt. Man muss dazu sagen, das hat ein hohes Element der Grausamkeit, ein Kind mit Zwang zurück­zu­füh­ren. Es ist natürlich das Haager Übereinkommen gegen Kindesentführung in Geltung. Sehen Sie Möglichkeiten, hier doch eine verträgliche, weniger an Grausamkeiten orientierte Modifikation ins Auge zu fassen? (Beifall bei der FPÖ.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 19

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Zu diesem Fall in Oberösterreich kann ich nur sagen, es gibt eine Entscheidung des Obersten Gerichts­hofs. Die kann ich nicht korrigieren, dazu bin ich nicht befugt. Sie alle wollen, dass die Justiz unabhängig ist, das wird ja auch immer gefordert. Und da wird jetzt vereinzelt gefordert, ich soll dem Obersten Gerichtshof eine Weisung erteilen?! – Das waren nicht Sie, Herr Abgeordneter, aber jemand anderer. (Abg. Jakob Auer: Und das von einem Juristen!) Wenn das wirklich möglich wäre, dann würde ich sagen: Gute Nacht für den Rechtsstaat!

Aber auch hier handelt es sich um ein aktuelles Verfahren. Und eines möchte ich schon in diesem Zusammenhang sagen: Die mediale Berichterstattung ist relativ ein­seitig in dieser Sache. Die Gerichte sind zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet und können jetzt nicht die genauen Erwägungsgründe darlegen. Und es gibt internationale Übereinkommen – etwa das Haager Übereinkommen, das Sie schon erwähnt haben –, und nach denen sind wir zu solchen Entscheidungen verpflichtet, wobei das Wohl des Kindes natürlich immer auch im Mittelpunkt steht. (Unruhe im Saal. – Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Wir sind also verpflichtet dazu. Ich weiß jetzt nicht genau, was in diesem Fall passiert. Vollzogen ist dieses Urteil noch nicht. Das Bezirksgericht, glaube ich, in Linz ist dafür zuständig und wird angemessen weiter handeln und reagieren. Mehr kann ich Ihnen jetzt dazu nicht sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Maier.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! (Zwischenrufe des Abg. Mag. Stadler. – Abg. Grosz: Wenn der Grasser als Dreijäh­riger abgeschoben worden wäre, ...!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, Sie sind am Wort.

 


Abgeordneter Mag. Johann Maier (fortsetzend): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, kommen wir wieder zum Thema zurück. Überlange Verfahrensdauern sind für Betrof­fene, insbesondere für Kinder, in diesem Bereich nicht zumutbar. Jetzt sage ich, Rich­ter sind Richter, Sachverständige sind Sachverständige. Viele Verfahren dauern deswegen so lang, weil es immer wieder Sachverständigengutachten gibt, die dann wieder nicht akzeptiert werden.

Meine ganz konkrete Frage: Welche Maßnahmen werden Sie innerhalb des Ressorts ergreifen, damit im Sachverständigenbereich Gutachten schneller erstellt werden und diese Gutachten dann auch Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein kön­nen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ja, es ist wirklich ein Problem, dass teilweise die Sachverständigengutachten sehr lange dauern. Das liegt daran, dass wir sehr wenige Sachverständige in diesem Bereich haben und dass die Richter auch immer wieder auf dieselben Experten zurückgreifen, denen sie vertrauen; das ist auch verständlich. Auch das ist natürlich ein Akt der unabhängigen Recht­sprechung. Ich kann also den Richtern schwer vorschreiben, wen sie als Sachverstän­digen zu bestellen haben und wen nicht.

Es gibt Vorschriften im Gebührenanspruchsgesetz, in der Zivilprozessordnung, die sich mit der Durchsetzung der Fristen beschäftigen, die den Sachverständigen vorgegeben werden. Ich denke aber, dass in diesem Bereich auch ein Instrument helfen könnte,


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nämlich die Einführung der sogenannten Familiengerichtshilfe – davon ist übrigens auch bereits im Regierungsübereinkommen die Rede –, das heißt, dass wirklich sozial­pädagogisch geschulte Leute den Richtern helfen, die Richter im sozusagen metarechtlichen Bereich und bei der Beweisaufnahme unterstützen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Ich glaube, da würde sich auch etwas tun bei der Dauer dieser Verfahren. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Don­ner­bauer, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundes­ministerin! Es wurde gerade angesprochen, dass Sachverständigengutachten bei Obsorgeverfahren immer wieder auch eine wichtige Rolle spielen und die Dauer der Sachverständigengutachten vom Gericht oder vom Richter und der Richterin nur schwer zu beeinflussen ist.

Wo sehen Sie darüber hinaus Möglichkeiten, unmittelbar im Bereich der Justiz zum Beispiel mit Schulungen oder gemeinsamen Veranstaltungen zu einer Beschleunigung der Obsorgeverfahren beizutragen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter! Es wird auch das natürlich Thema der Enquete sein, die ich schon angesprochen habe, weil es mir wirklich ein großes Anliegen ist, dass sich in diesem Bereich etwas tut. Es gibt auch schon Vorschläge, aber ich kann zu den Vorschlägen jetzt noch nichts sagen, da ich der Diskussion nicht vorgreifen möchte. Aber es gibt ganz interessante Vorschläge.

Ich habe vorige Woche auch mit dem slowenischen Justizminister Gespräche darüber geführt, und auch die slowenische Justiz hat ganz interessante Modelle, die dazu führen, dass diese Verfahren nicht so lange dauern. Man kann sich überall Anregun­gen holen, und wir werden bei der Enquete dann weiter darüber sprechen. In der Zwischenzeit bleiben wir nicht untätig, sondern wir denken sehr intensiv darüber nach.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Haubner.

 


Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Bundesministerin, ich möchte im Rahmen von Obsorgestreitigkeiten noch einmal auf diesen ganz konkreten Fall, der sich derzeit in Oberösterreich abspielt, zurückkommen.

Sie haben jetzt klar gesagt, dass es ein OGH-Urteil gibt, das zu akzeptieren ist. Ich entnehme den Medien, dass Sie den Weg einer humanen Lösung, indem Sie mit Ihrem griechischen Amtskollegen Kontakt aufnehmen, nicht einschlagen wollen. Ich frage Sie aber von Frau zu Frau: Wie ist Ihre persönliche Meinung dazu, wenn ein dreijähriges Kind einer österreichischen Mutter, das bestens integriert ist, nach Griechenland abgeschoben wird, in ein Heim, in Zustände, über die wir nicht Bescheid wissen, und zu einem gewalttätigen Vater? (Zwischenrufe des Abg. Krainer.) Wie ist hier Ihre persönliche Meinung, und werden Sie gerade anhand dieses Falles gesetzgeberische Schritte einleiten, dass diese Fälle bestmöglich nicht mehr vorkommen? (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Abgeordnete Haubner, ich bin Mutter eines siebenjährigen Buben, und natürlich tut einem, wenn man solche Zeitungsartikel liest, als Mutter das Herz weh; keine Frage. Ich möchte aber noch einmal davor warnen, dass die Berichterstattung in diesen Fällen oft sehr einseitig ist und man auch versucht, mit solchen Fällen Politik zu machen. Das ist


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etwas, was nicht geschehen darf! Solche Fälle sind nicht dazu da, um Politik zu machen, um zu polemisieren.

Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben diese internationalen Vereinbarungen. Stellen Sie sich vor, es wird ein Kind von einem Vater aus irgendeinem arabischen Land aus Österreich entführt. Da hat natürlich auch Österreich größtes Interesse daran, das Kind zurückzuholen. Genauso ist es offenbar bei diesem Fall. Ich weiß es nicht, ich kenne diesen Fall im Einzelnen nicht. Es gibt da ein anhängiges Verfahren. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Aber diese internationalen Vereinbarungen haben schon auch ihren Sinn, ohne jetzt auf diesen konkreten Einzelfall einzugehen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Justizministerin! Mit Interesse habe ich Ihre Ausführungen zur Familiengerichtshilfe gehört. Es stellt sich überhaupt die Frage, ob das Gericht der richtige Ansprechpartner für Familien­streitigkeiten ist. Könnten Sie sich vorstellen, dass in Hinkunft grundsätzlich zuerst eine familienrechtliche Schlichtungsstelle bei familiären Konflikten tätig wird und dort lösungsorientiert arbeitet?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, das ist eine ganz interessante Frage, da würde ich mich gerne einmal mit Ihnen zusammensetzen und darüber sprechen. Das könnte ein Ansatz sein, denn der Richter ist natürlich kein Sozialarbeiter, er ist kein Psychologe oder Mediator. Die Frage ist, ob man Familienstreitigkeiten vorverlagern kann. Aber Sie werden auch bei der Enquete die Möglichkeit haben, darüber zu sprechen, beziehungsweise können wir gerne einmal darüber reden. Wenn Sie interessante Vorschläge haben: Ich bin für alle Vorschläge zu haben.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 56/M des Herrn Abgeordneten Mag. Steinhauser. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Justizministerin! Den Grünen ist der Schutz von Verbrechensopfern wichtig. Opfer von Verbrechen haben einen Rechtsanspruch auf Prozessbegleitung. Mir liegt ein Brief der Koordinationsstelle für Prozessbegleitung vor, wonach die diesjährigen Mittel bereits im Mai aufgebraucht sein werden.

Ich halte es gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Missbrauchsdebatte für skan­dalös, dass offensichtlich nicht für ausreichende Finanzierung gesorgt wurde. Tatsache ist, wir haben steigende Fallzahlen bei der Prozessbegleitung, letztes Jahr sind mehr Aufgaben dazugekommen, es ist aber nicht mehr Geld geworden.

Frau Bundesministerin, meine Frage lautet:

56/M

„Können Sie die Finanzierung des gesetzlichen Auftrages im Hinblick auf die Prozess­begleitung für das gesamte Jahr 2010 garantieren?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter! Die österreichische Justiz, das Justizressort, fördert 47 Einrichtungen in Österreich, die juristische und psychosoziale Prozessbegleitung gewähren. Das ist eine ganz wichtige Sache, da gebe ich Ihnen recht.


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Wir haben 5 Millionen € zur Verfügung für Prozessbegleitung, für derartige Maß­nahmen. Unsere Förderpraxis ist die, dass wir nicht gleich alles auf einmal aus­schütten, sondern zunächst einmal einen Teil. Dann schauen wir uns die Anfallszahlen an, und in der Folge gibt es die Möglichkeit von bedarfsorientierten Nachtrags­förderungen. Das ist unser System. Wir müssen hier flexibel sein, denn die Fallzahlen sind nicht vorhersehbar, die Entwicklung ist total unterschiedlich. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Steinhauser, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Frau Justizministerin! Eine Garan­tieerklärung sieht anders aus, und bis vor Kurzem war auch die Botschaft aus dem Justizministerium eine andere. Ihre Ministeriumssprecherin Swoboda hat im „Standard“ vom 4. März gesagt, dass eine ausreichende Finanzierung nicht garantiert werden könne. Das ist ein klarer Widerspruch zu Ihrer Darstellung.

Ich frage Sie: Können Sie garantieren, dass jeder Fall, den eine Opferschutz­einrich­tung hinsichtlich der Prozessbegleitung übernimmt, für das Jahr 2010 auch durch das Justizministerium bezahlt wird?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, ich bin keine Hellseherin, ich weiß daher nicht, wie viele Fälle dieses Jahr noch anstehen. Natürlich müssen wir auch den budgetären Gegebenheiten folgen, das ist heutzutage eben so. Wichtig ist in diesem Bereich, dass wir treffsicherer werden, dass wir wirklich zielgerichteter Prozessbegleitung gewähren.

Ich habe jetzt von einem Fall gehört, da wurde einem Türsteher einer Diskothek Prozessbegleitung gewährt. Für diese Fälle, finde ich, ist die Prozessbegleitung nicht gedacht. Vielmehr müssen Kinder unterstützt werden, die missbraucht werden, Frauen unterstützt werden, Opfer, die wirklich Hilfe brauchen. Ich glaube, da müssen wir treffsicherer werden. Das ist ein ganz wichtiges Ziel. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Rosen­kranz, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Wir haben gerade über die Prozessbegleitung gesprochen. Diesbezüglich hat es ja im Jahr 2009 Gesetzesänderungen gegeben. Es können Opfer, die emotional besonders betroffen sind, nicht nur im Strafprozess, sondern auch im Zivilprozess, insbesondere auch im Außerstreitverfahren, wo es um Obsorgefälle und Ähnliches geht, prozess­begleitet werden. Das ist gut, diese Regelung ist sinnvoll.

Meine Frage an Sie lautet: Warum ist dann der Hinweis, dass es sowohl für Zivilpro­zesse als auch im Bereich des Außerstreitverfahrens diese Prozessbegleitung gibt, auf der „Heimseite“, der Homepage des Bundesministeriums für Justiz noch nicht zu finden, sondern noch immer der Stand von 2006 und 2007, dass es nur die straf­rechtliche, strafprozessordnungsmäßige Relevanz gibt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Danke für die Anre­gung, Herr Abgeordneter. Ich werde mich gleich darum kümmern und schauen, dass wir das korrigieren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Rosenkranz: Danke!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Sacher, bitte.

 



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Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Bundesministerin! Auch ich darf Sie bezüglich der Finanzierung öffentlicher Aufgaben befragen, und zwar betreffend Sachwalterschaft. Als leitender Funktionär des Landes­vereins für Sachwalterschaft in Niederösterreich möchte ich einerseits dafür danken, dass wir seit 25 Jahren sehr gut mit der Justiz kooperieren, andererseits aber auch von der Justiz immer mehr Anforderungen an uns gestellt werden. Die Richter übertragen uns immer mehr Fälle. Ich darf darauf hinweisen, dass sich zum Beispiel im letzten Jahr die Zahl der Fälle von 287 auf 572 verdoppelt hat. Das heißt auch, dass der Finanzbedarf laufend steigt.

Daher meine Frage an Sie, sehr geehrte Frau Bundesministerin: Können Sie die Finan­zierung der Sachwalterschaftsvereine in der bisherigen Höhe garantieren, beziehungs­weise können Sie die Ausweitung der Aufgaben, die uns übertragen werden, auch in Zukunft finanzieren?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Auch hier kann ich nur sagen: Ich kann es Ihnen zurzeit nicht sagen, ich bin keine Hellseherin. Aber natürlich sind wir bemüht, den gesetzlichen Vorgaben und den gesetzlichen Erfordernissen nachzukommen. Sachwalterschaft ist ein wichtiger Bereich. Die Sachwalterschaften werden immer mehr; wir müssen uns überlegen, welche Wege wir beschreiten können, um mehr Sachwalter zu bekommen, auch außerhalb der Vereine Leute zu motivieren, die in Pension sind, etwa, Ärzte oder Beamte, die vielleicht noch etwas Freizeit haben und eine Sachwalterschaft übernehmen.

Ich kann ja gleich einen Appell starten: Bitte werden Sie Sachwalter! Das ist eine interessante und sinnvolle Tätigkeit. Ich glaube, das ist der Ansatz, dass man wirklich mehr Werbung macht, dass auch justizfremde Personen beziehungsweise Personen, die nicht Anwälte sind, eine Sachwalterschaft übernehmen. Dann könnten wir den Vor­gaben wirklich gerecht werden. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Franz, bitte.

 


Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Frau Ministerin, ich freue mich über die Verbes­serungen, die wir durch die Prozessbegleitung erreichen konnten. Ich denke da vor allem an die Kinder, die zu Opfern oder oft zum Spielball von Erwachseneninteressen werden.

Nun meine Frage: Werden Sie dafür Sorge tragen, dass diese Verbesserungen durch die schwierige budgetäre Situation nicht gefährdet werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Frau Abgeordnete, der Opferschutz ist eine der wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre; da ist Öster­reich laut Studien des Europarates Nummer eins. Natürlich werden wir versuchen, diesen Standard beizubehalten, aber gleichzeitig müssen wir uns auch den budgetären Gegebenheiten fügen. Wir werden im Herbst ein Paket präsentieren und wir werden auf alle Fälle versuchen, die Funktionsfähigkeit der österreichischen Justiz und auch diese wichtigen Zusatzfunktionen zu erhalten.

Wir werden Lösungen finden. Wie gesagt, wichtig ist, dass wir zum Beispiel vom Jahr 2008 auf 2009 die Erhöhung des Budgets in diesem Bereich erreichen konnten. Ich glaube, man sieht, dass ich wirklich sehr bemüht bin, diesen wichtigen Bereich, den die Justiz im Opferschutz abdeckt, qualitativ auch so gut aufrechtzuerhalten. (Beifall bei der ÖVP.)

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

 


Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Frau Bundesministerin, herzlichen Dank einmal für eine Information, die Sie uns sehr klar gegeben haben, nämlich dass Sie keine Hellseherin sind – herzlichen Dank dafür. Sie sind aber die verantwortliche Ressortministerin. Wir haben ja immer wieder darüber diskutiert, dass das Budget sehr knapp ist. Es fehlen Ihnen über 200 Richter und Staatsanwälte. Sie haben das letzte Mal gesagt, Sie können nichts machen, Sie müssen sich den Vorgaben fügen.

Sie sind aber verantwortlich für den Zugang der Bürger zum Recht. Es wird jetzt auch wieder angekündigt, dass das Budget weiter reduziert wird – leider nicht punktgenau, sondern rasenmäherartig, auch in Ihrem Ressort.

Können Sie garantieren, dass trotz dieser Budgetkürzungen der Rechtszugang für den Bürger gewährleistet bleibt; würden Sie gegebenenfalls auch Ihre Zustimmung zu die­sem Sparbudget verweigern?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte. (Ruf bei der FPÖ: „Ich bin keine Hellseherin!“)

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, wir müssen alle den Gürtel enger schnallen, jedes Ressort. Wir werden im Herbst ein Paket liefern, das für Entlastungen in der Justiz sorgen wird, für weitere Entlastungen, und das gewährleistet, dass die Grundfunktionen in der Justiz erhalten bleiben, dass die Rechtsprechung funktioniert, dass der Strafvollzug funktioniert. Das ist einmal das Wichtigste.

Wir leben in einer wirtschaftlich sehr angespannten Situation, wir müssen jetzt das Budget konsolidieren. Da müssen wir alle zusammenhalten. Aber Sie brauchen nicht besorgt zu sein: Wir werden die hohe Qualität der österreichischen Rechtsprechung und die hohe Qualität des österreichischen Rechtsstaates aufrechterhalten – so gut es geht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur 5. Anfrage, gestellt von Herrn Abgeordnetem Bucher. – Bitte.

Die eingereichte Anfrage, 55/M, hat folgenden Wortlaut:

„Befürworten Sie angesichts der Tatsache, dass Kinder ihr Leben lang unter den Folgen von sexuellen Übergriffen leiden, den BZÖ-Vorschlag, die bestehenden Verjäh­rungsfristen bei sexuellen Übergriffen auf Minderjährige abzuschaffen?“

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Bundesministerin! Ich komme auf ein Thema zu sprechen, das Österreich in den letzten Wochen sehr beschäftigt, aber auch betroffen gemacht hat, nämlich die sexuellen Übergriffe auf Kinder bis 14 Jahre, vor allem im kirchlichen Umfeld. Wir wissen aber aus der Kriminologie, dass 90 Prozent der sexuellen Übergriffe im familiären Umfeld stattfinden.

Es gab auch eine Diskussion darüber, was die Verjährungsfristen anlangt. Die Geset­zeslage derzeit besagt, dass man beispielsweise nur bis zu seinem 38. Lebensjahr sozusagen für seine Taten strafbar gemacht werden kann. Wir vom BZÖ haben den Vorschlag gemacht, die Verjährungsfristen aufzuheben und auch dafür zu sorgen, dass Täter ab dem Alter von 38 Jahren für ihre Taten, die sie an den Kindern und Jugendlichen begangen haben, auch zur Verantwortung gezogen werden können.

Schließen Sie sich dieser Forderung an?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter Bucher, ich glaube, Sie haben letzten Februar im Parlament nicht gut aufgepasst. (Zwischenrufe beim BZÖ.) Da haben wir das 2. Gewaltschutzpaket beschlossen, und darin wurde Folgendes festgelegt: Der Beginn der Verjährungsfrist wurde vom 18. auf das 28. Lebensjahr verlegt. Jetzt ist es möglich, dass das Opfer noch im 48. Lebens­jahr eine Anzeige erstatten kann. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber dann nicht mehr!) Also: 38 war die alte Rechtslage, 48 ist die aktuelle Rechtslage.

Grundsätzlich sind wir da Vorreiter, wir sind sogar weiter als in Deutschland in diesem Bereich. Im 2. Gewaltschutzpaket haben wir überhaupt einiges umgesetzt, was der Verbesserung des Opferschutzes dient. Zum Beispiel haben wir das Tätigkeitsverbot eingeführt, wir haben die Strafdrohungen erhöht, auch die Strafuntergrenzen erhöht beziehungsweise eingeführt. Wir haben eine gerichtliche Aufsicht über Sexualstraftäter et cetera. Österreich ist da sehr weit.

Ich bin nicht so begeistert von einer Abschaffung der Verjährungsfristen. Können Sie sich vorstellen, dass man nach 60 Jahren noch etwas ermitteln kann? Können Sie sich vorstellen, wie das für das Opfer ist, wenn man einfach kein Substrat hat und ein Verfahren deswegen eingestellt werden muss? – Das ist eine neuerliche Viktimisie­rung. Verjährungsfristen haben schon ihren Sinn, und sie sind sehr lang. Wenn ein siebenjähriges Kind missbraucht wird, beginnt die Verjährungsfrist erst 21 Jahre spä­ter. Das ist sehr lange. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Bucher, bitte.

 


Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Begeisterung für unseren Vorschlag war nicht zu erwarten, aber dennoch mehr Bereitschaft, darüber zu diskutieren. Sie haben ja auch meinen Vorschlag aufgegriffen, einen runden Tisch einzuberufen.

Daher die Zusatzfrage: Warum haben Sie nicht alle Vertreter der politischen Parteien gebeten, an diesem runden Tisch teilzunehmen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Bei diesem runden Tisch, der am 13. April im Familienministerium stattfinden wird, geht es vor allem um drei Themen: Es geht um Prävention, es geht um Reaktion, es geht um Sensi­bilisierung, um bessere Vernetzung und bessere Kommunikation. Es wurden hier Leute von Opferschutzeinrichtungen, von Polizei und vom Innenressort eingeladen, also Leute, die wirklich mit diesen Fällen zu tun haben. Wir wollen gemeinsam beraten, wie wir eine bessere Vernetzung und eine bessere Kommunikation herstellen können. Das ist keine politische Veranstaltung, sondern es geht hier wirklich um das Know-how von Experten. (Beifall bei ÖVP und BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Seit 40 Jahren disku­tieren die Experten und bringen nichts zusammen!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Zinggl, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Frau Ministerin, Strafen sind das eine, nützen aber in den seltensten Fällen etwas, wenn triebhafte Pädophile aktiv wer­den.

Können Sie sich vorstellen, dass Sie sich im Ministerrat für ein Frühwarnsystem ein­setzen und insbesondere die Aufklärung von Kindern in Schulen und Heimen forcieren, damit sie rechtzeitig auf Missbrauch beziehungsweise auf Gefahren aufmerksam gemacht werden können? Ist das eine Vorstellung, die Sie gemeinsam mit der Bundesministerin Schmied im Ministerrat vielleicht forcieren könnten?

 



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, Sie haben vollkommen recht. Prävention ist wichtig. Prävention ist sogar wahnsinnig wichtig und es passiert in diesem Bereich auch sehr viel. Ich weiß das auch deswegen, weil mein Mann selbst in der Prävention bei der Polizei arbeitet und genau solche Vorträge, auch in Schulen, hält, wie man gewarnt wird und wie man sich vor sexuellen Übergriffen schützen kann. Natürlich könnte man das eventuell noch intensivieren. Das kann man auch im Zuge dieses runden Tisches besprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Winter, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Frau Minister, anlässlich Ihrer Antrittsrede hier im Parlament haben Sie erklärt, dass Ihnen Kinderschutz unwahrscheinlich wichtig ist und dass Sie sich sehr dafür einsetzen wollen. Ich denke, es bietet sich im Augenblick eine Möglichkeit, dieses Versprechen mit Inhalt zu erfüllen.

Meine Frage: Könnten Sie sich einen Gesetzentwurf mit folgenden Maßnahmen vor­stellen? Bei strafbaren Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbe­stim­mung Unmündiger dürfen sämtliche Hafterleichterungen, wie etwa Freigänge, nicht zur Anwendung kommen und nach der Haftentlassung ist eine lebenslange Führungs­aufsicht vorzusehen.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Gerade in diesem Bereich ist ja mit dem 2. Gewaltschutzpaket schon etwas geschehen: etwa die gericht­liche Aufsicht, das heißt, der Täter muss sich nach seiner Entlassung immer wieder bei Therapeuten melden und muss sich einer Behandlung unterziehen. Es gibt eine Begutachtung durch Spezialisten, bevor jemand entlassen wird. Es passiert in diesem Bereich wirklich sehr viel. (Abg. Kickl: Stimmt nicht! – Zwischenruf des Abg. Riepl.)

Eine lebenslange Aufsicht, glaube ich, ist auch organisatorisch nicht möglich. Aber wie gesagt, Begutachtungen erfolgen laufend. Man versucht wirklich, jede Gefahr, die von einer solchen Person ausgeht, zu beseitigen. Das ist natürlich auch in unserem Inter­esse. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Binder-Maier, bitte.

 


Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Frau Bundesministerin, es ist unum­stritten, dass sexueller Missbrauch und sexuelle Gewalt lebenslange Spuren hinterlas­sen und sehr viel Leid erzeugen. Sie haben schon erwähnt, dass präventive Maß­nahmen genauso wichtig sind wie vor allen Dingen auch die Nachbetreuung. Opfer und Täter stehen dabei im Blickpunkt.

Eine Ergänzungsfrage: Gibt es Überlegungen Ihres Ressorts – auch wenn die Beant­wortung jetzt bei der Frau Kollegin Winter eine andere war –, sexuelle Straftäter nach ihrer Entlassung weiterhin nachhaltig zu betreuen und langfristig und auch nachhaltig Maßnahmen zu setzen? Im gleichen Zuge auch noch einmal die Frage – Prozessbe­gleitung ist wichtig –: Können Sie als zuständige Ressortministerin garantieren, dass keine Einsparungen vorgenommen werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Angesichts der vorge­schrittenen Zeit möchte ich einfach auf meine bereits gegebenen Antworten zu diesem Thema verweisen. (Rufe bei der ÖVP: Aufpassen!) Wir haben bereits über die


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Prozessbegleitung, über die Garantien gesprochen. Gerade habe ich der Abgeord­neten Winter erklärt, wie das mit der Aufsicht ist. (Unruhe im Saal. – Abg. Silhavy: Ist das jetzt notwendig gewesen?! – Abg. Ursula Haubner: Sie passen nicht auf!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Steibl, bitte.

 


Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, in die­sem Zusammenhang: Wie beurteilen Sie die Wirkung von Freisprüchen, die dadurch zustande gekommen sind, dass die Taten wegen Zeitablaufs nicht mehr nachgewiesen werden konnten, auf ein Opfer sexueller Gewalt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Es ist so, dass diese Situation für ein Opfer natürlich besonders schwierig ist, weil es noch einmal viktimi­siert wird und weil es sich noch einmal unverstanden fühlt. Daher muss man natürlich schauen, dass, wenn es schon zu einem Verfahren kommt, wirklich ein Substrat da ist. Das ist auch wieder dieselbe Argumentation, die eigentlich dafür spricht, dass man Verjährungsfristen beibehalten sollte. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 6. Anfrage, die von Herrn Abgeordnetem Dr. Jarolim gestellt wird. – Bitte.

Die eingereichte Anfrage, 54/M, hat folgenden Wortlaut:

„Welche Maßnahmen gedenken Sie zu setzen, um die dramatische Personalsituation insbesondere bei den großen Wirtschaftsstraffällen zu verbessern?“

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Frau Bundesminister, darf ich Sie fra­gen, welche konkreten Maßnahmen Sie zu ergreifen gedenken, damit die eklatanten Unterbesetzungen bei den Wirtschaftsstaatsanwälten abgestellt werden? Wir haben gesehen, in der Causa Hypo Alpe-Adria hat Bayern sieben Staatsanwälte aufgeboten. Wir haben zunächst einen gehabt, der war im Urlaub. Sie haben dann zwei weitere zur Verfügung gestellt, aber das ist im Vergleich auch zu den vielen anderen Verfahren eine völlige Unterbesetzung.

Dazu kommt noch etwas: Wir haben die Skandal-Causa Meinl. Es gibt hier oberstge­richt­liche Entscheidungen, die den vielen Tausend Geschädigten recht geben. Im Strafverfahren geht die Firma Meinl mit ihren Rechtsanwälten nunmehr dazu über, die Justiz und insbesondere den Staatsanwalt zu verunglimpfen, der hier Erhebungen durchführt. Werden Sie hier diesen Staatsanwalt unterstützen?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Ja, der Herr Finanz­minister hat uns weitere 70 Planstellen für dieses Jahr zugesagt. Für den Bereich der großen Wirtschafts-Causen sind 15 Staatsanwälte, darunter auch drei Richter, schon da. Die werden jetzt eingesetzt. In Kärnten gibt es bereits drei Staatsanwälte, die ermitteln, gemeinsam mit einem 15-köpfigen SOKO-Team. Das ist jetzt der Unter­schied zu anderen Ländern. Also hier arbeiten schon sehr viele Leute daran. Wir werden weitere 20 Leute bekommen, ebenso 35 Leute für Assistenzdienste. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt da auch verstärkt vorgehen können, denn es ist wirklich wichtig, dass man in Teams arbeiten kann.

Zur anderen Frage: Natürlich halte ich es für bedenklich, ganz unabhängig von diesem konkreten Fall, wenn Strafverfahren gegen einflussreiche beziehungsweise wohlha­bende Personen immer schwieriger werden, weil diese eine Maschinerie in Bewegung setzen, die sozusagen gegen alle vermeintlichen Feinde schlägt. Das ist sicherlich eine sehr bedenkliche Entwicklung. Ich mische mich in diese Causa natürlich nicht ein, aber


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ich glaube, unsere Staatsanwälte arbeiten ganz ruhig und besonnen daran, und ich vertraue darauf, dass auch hier die Ermittlungen erfolgreich sein werden – in welche Richtung auch immer.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Jarolim.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Ich darf vielleicht noch einmal an die Frage, die Herr Notar Stefan vorhin gestellt hat, die Sie eher schnippisch beantwortet haben, anknüpfen. Es ist natürlich schon so, dass Sie als Justizministerin die Wie­sungsspitze der Staatsanwälte sind und dort, wo ungleich vorgegangen wird, auch die Verpflichtung haben, allenfalls durch Weisungen dafür zu sorgen, dass gegen alle Beschuldigten gleich vorgegangen wird. Wir haben jetzt bei den drei, auch von Kollegem Kräuter erwähnten, Beschuldigten Grasser, Plech und Meischberger die Situation, dass zwei der Konten in Luxemburg geöffnet worden sind und das dritte Konto, das noch dazu auf den Namen der Lebensgefährtin des damaligen Finanz­ministers Grasser lautet, nicht geöffnet wird. Das ist nach außen hin eine völlig unverständliche Ungleichbehandlung, und als Justizministerin müssten Sie darauf reagieren. Das hat nichts mit der Unabhängigkeit der Justiz zu tun, sondern mit Ihrem Amt. Ich würde mich hier über eine Antwort freuen. (Abg. Dr. Stummvoll: Das haben wir schon dreimal gehört!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim, Sie sind doch Rechtsanwalt (Abg. Grosz: Wald-und-Wiesen-Anwalt!), daher: Ich glaube nicht, dass Sie wollen, dass wir anhängige Ermittlungsverfahren, die noch nicht zu Ende sind, hier im Parlament erörtern. Auch wenn ich mich vielleicht damit aufgrund meines Weisungsrechtes beschäftigen muss oder nicht, aber es ist jetzt sicherlich nicht in dem Stadium das Parlament der geeignete Ort, über einzelne Ermittlungsschritte zu diskutieren, Herr Dr. Jarolim. Ich glaube, das verstehen Sie doch als Rechtsanwalt, oder? (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Schön­egger, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Frau Bundesminister, Sie haben von Beginn an keinen Zweifel offen gelassen, dass Sie einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit auch dem Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität widmen.

Meine Frage lautet nun: Welche Schritte haben Sie speziell zur Aufklärung im Bereich Wirtschaftskriminalität aufgrund des Justizbetreuungsagentur-Gesetzes gesetzt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Wir haben seit 1. Jän­ner die Möglichkeit, Know-how zuzukaufen, Experten im Justizressort anzustellen, so geschehen auch bereits in der Causa Hypo. Eine Expertin steht der Staatsanwaltschaft zur Seite, um hier rechtzeitig zu kanalisieren, zu fokussieren und um die umfang­reichen Unterlagen fachgerecht aufzuarbeiten. Ich glaube, das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

In weiterer Folge habe ich vor, vier Wirtschaftskompetenzzentren in Österreich ein­zu­richten. Dort soll geballtes Know-how vorhanden sein. Dort sollen speziell ausgebildete Staatsanwälte und Richter arbeiten, damit auch ein gewisses Grundverständnis im wirtschaftlichen Bereich vorhanden ist. Ich glaube, das ist die Zukunft. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Grosz, bitte.

 



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Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Frau Bundesminister, Sie haben heute schon mehrmals ausgeführt, Sie sagen nichts zu laufenden Verfahren. Das will ich Sie auch nicht fragen. Sie haben am 17. Februar auf die Frage der Abgeordneten Stadler und Westenthaler zum Verfahrensstand betreffend SPÖ-Privatstiftung „Zukunft Steiermark“  gesagt, man sei seit acht Monaten im internen Ermittlungsstadium, wer überhaupt für die Ermittlungen zuständig sei.

Frau Bundesminister, entspricht es tatsächlich der Arbeitsweise Ihrer Justiz, dass Justizbehörden seit neun Monaten noch immer nicht wissen, wer für das Strafverfahren Aktenzahl 21 St 17/09 t zuständig ist? Das ist im Übrigen das Strafverfahren gegen die steirische Skandalstiftung der SPÖ und Franz Voves. Wie gesagt, keine inhaltliche Frage, sondern: Wer ist jetzt dafür zuständig?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter Grosz, ich setze mich gerne einmal mit Ihnen zusammen und erkläre Ihnen das Finanzstrafgesetz. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da geht es nämlich darum, dass zunächst einmal die Finanzbehörde ermitteln muss, wie hoch der strafbestimmende Wertbetrag ist, und dann kann man erst entscheiden, wer zuständig ist. (Abg. Grosz: 5 Millionen €!) Aber ich erkläre Ihnen das gerne einmal. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Das ist sehr nett!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Steinhauser.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Justizministerin, die konsequente Verfolgung von Wirtschaftsstrafdelikten ist aus volkswirtschaftlicher Sicht wichtig, aber auch deshalb, damit nicht der Eindruck entsteht, dass die Mächtigen und Reichen von der Justiz anders behandelt werden.

Meine Frage an Sie: Können Sie sich vorstellen, dass ähnlich der Korruptionsstaats­anwaltschaft künftig österreichweit eine zentrale, schlagkräftige Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsstrafdelikte zuständig ist?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter Steinhauser, ich habe es gerade erklärt. Nicht eine, ich denke an vier Stellen. Verteilt in Linz, Wien, Salzburg und Graz sollen derartige Wirtschaftskompetenzzentren entstehen. (Abg. Grosz: Wann treffen wir uns auf einen Kaffee im Theatercafé?)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Hübner.

 


Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Minister, personelle Ressourcen, die man der Wirtschaftsstaatsanwaltschaft zuführt, müssen woanders weggenommen werden. Neue Gelder für neue Dienststellen wird es in den nächsten Jahren nicht geben. Wir haben jetzt einen Kriminalisierungsschub nach einer Entkriminalisierung in den siebziger Jahren erlebt, das heißt, wir haben ständig neue Deliktstypen – zum Beispiel § 107a, „Stalking“, und so weiter. Wir haben eine laufend wachsende Zahl von Deliktstypen.

Sehen Sie persönlich die Möglichkeit, die Effizienz der Justiz, die Schnelligkeit der Verfolgung und den Rechtsschutz zu steigern, indem man den Katalog der Delikts­typen durchforstet und auf diesem Weg zu einer Entkriminalisierung verschiedener Tatbestände kommt?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 



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Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, natürlich kann man sich das auch überlegen. Wenn Sie diesbezüglich Anregungen haben, gerne. Wir können einmal darüber sprechen. Aber ich glaube, wichtig ist, dass man auch die Effizienz insofern steigert, dass man zum Beispiel die modernen Tech­nologien vermehrt in Anspruch nimmt, Stichwort „Elektronischer Akt“ et cetera. Ich glaube, da kann man wirklich noch die Effizienz steigern und noch Ressourcen frei­schaufeln.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur 7. Anfrage, 52/M, des Herrn Abgeordneten Mag. Donnerbauer. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Werte Frau Bundesministerin! Die Möglichkeit, die elektronische Fußfessel im Strafvollzug einzusetzen, steht schon jahrelang in Diskussion. Ihre Amtsvorgängerin, Frau Ministerin Berger, hat hier einen erfolglosen Versuch gestartet, diese Fußfessel einzusetzen. Sie haben in den letzten Wochen angekündigt, dass neue Möglichkeiten eingesetzt werden sollen.

Meine Frage lautet:

52/M

„Wie weit sind Ihre Überlegungen zur Einführung der elektronischen Fußfessel?“

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, wir stehen vor der Begutachtung. Ich habe mich ja bereits entschlossen, diese Art der Haft durch elektronische Aufsicht in Österreich einzuführen. Das wird große Vorteile brin­gen, und wir hoffen, dass wir im Sommer mit der Umsetzung beginnen können. Es ist noch eine Änderung im ASVG offen und kleinere Änderungen in der Strafprozess­ordnung und im Strafvollzugsgesetz.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Mag. Donnerbauer.

 


Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): In welchen Bereichen? Es gibt ja verschiedene Bereiche, wo man die elektronische Fußfessel einsetzen kann, beispiels­weise als Ersatz von Freiheitsstrafe, im Bereich der bedingten Entlassung oder bei der U-Haft. In welchen Bereichen planen Sie den Einsatz der elektronischen Fußfessel?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Diese neue Art von Haft soll vor allem im Bereich des Strafvollzuges eingesetzt werden, aber auch im Bereich der Untersuchungshaft. Es sollen dadurch längere Untersuchungshaften vermieden werden, wenn möglich. Der Ermittlungsrichter wird entscheiden, ob die Haftgründe durch die elektronische Aufsicht beseitigt werden können oder nicht. Im Strafvollzug soll diese Art der Haft bei Freiheitsstrafen bis zu zwölf Monaten Anwendung finden, beziehungsweise bei Strafresten bis zu zwölf Monaten. Hier sollen vor allem kurze Freiheitsstrafen vermieden werden.

Damit soll bewerkstelligt werden, dass der Verurteilte nicht aus seinem sozialen Nah­bereich herausgerissen wird, die Arbeit, die Wohnung und die Familie verliert – das alles kann ja sehr kontraproduktiv sein –, und es wird vor allem auch günstiger für den österreichischen Strafvollzug. Ein Tag Haft kostet mindestens 100 €, ein Tag Fußfessel ungefähr die Hälfte. Und das bedeutet, es wird auch eine budgetäre Entlastung für das Justizressort geben. (Beifall bei der ÖVP.)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 31

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Westen­thaler, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Sehr geehrte Frau Ministerin, ich hoffe, Sie halten die vielen Einladungen, mit Abgeordneten Mittagessen zu gehen oder ihnen privat etwas zu erklären, auch ein. (Abg. Grosz: Busspur-Fahren!) Ich hoffe, der Terminkalender lässt das zu. Ich hätte aber doch gerne lieber hier die Antwort, denn dann können es die Menschen auch nachvollziehen.

Frau Ministerin, Ihre Amtsvorgängerin, Frau Ministerin Berger von der SPÖ, hat ein sogenanntes Haftentlassungspaket eingeführt. Es werden jährlich rund 3 000 bis 4 000 Häftlinge zusätzlich vorzeitig entlassen. Darunter sind auch Täter, die schwere Straftaten begangen haben, das heißt, Sexualstraftäter, einschlägig vorbestrafte und einschlägig bestrafte Täter. Insgesamt sind es bereits 12 000 Straftäter, die vorzeitig bedingt entlassen werden – und das bei einer Belegschaft von rund 8 000. Das heißt, es kann sich fast jeder Häftling gute Hoffnungen machen, dass er vorzeitig bedingt entlassen wird.

Meine Frage: Werden Sie weiter zusehen, dass Sexualstraftäter und wirklich „schwere Jungs“ vorzeitig bedingt wieder auf die Bevölkerung losgelassen werden?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Abgeordneter, Sie brauchen keine Angst zu haben, dass wir gefährliche Menschen auf Sie loslassen. (Zwischenruf des Abg. Faul.) Da gibt es Begutachtungen, da gibt es sehr viele Vorsichtsmaßnahmen, bevor jemand enthaftet wird. Es stimmt, es gibt dieses Haft­entlastungspaket, so heißt es. Das war damals eine Maßnahme, um die Justiz­anstalten zu entlasten. Allerdings werden nur Personen enthaftet, bei denen das auch spezialpräventiv vertretbar ist. Auch hier gibt es Einzelfälle, man liest es immer wieder in den Zeitungen, ich möchte aber vor zum Teil einseitiger Berichterstattung warnen und erwähnen, es gibt hier Gutachten. Wir müssen uns auf die Gutachten der Experten verlassen können. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Frau Justizministerin! Ich begrüße die Einführung der elektronischen Fußfessel, obwohl ich auch der Meinung bin, man sollte von „elektronischer Aufsicht“ sprechen, weil das der Tatsache näher kommt.

Meine Frage wäre eine Frage hinsichtlich der technischen Lösung: Wird die elek­tronische Aufsicht mittels GPS sichergestellt oder – es gibt ein anderes Modell – mittels Hausarrest mit einer Festnetzverbindung?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Es wird die zweite Variante sein, die Festnetzverbindung. Es ist eine Anwesenheitskontrolle mit stich­probenweisen Überprüfungen, ob derjenige – wenn es erlaubt wird – sich zum Beispiel zum Arbeitsplatz begibt oder nicht. Das andere System funktioniert nicht wirklich. Wir haben uns in anderen Ländern erkundigt, beziehungsweise in Österreich ein Pilotprojekt gehabt. Das andere Modell würde zu einer übergroßen Datenmenge führen, und daher ist es technisch nicht möglich.

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Lausch.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 32

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Sehr geehrte Frau Bundesministerin, die Fußfessel kommt – das war ja schon den Medien zu entnehmen, und Sie haben es jetzt selbst gesagt – auch für Untersuchungshäftlinge. Das ist ein bisschen verfrüht – zu dem Schluss kommt man auch, wenn man die Medienberichterstattung verfolgt hat –, da man ja noch kein tragbares praxistaugliches Konzept hat.

Meine Frage an Sie lautet daher:

Wer trägt eigentlich die Kosten, erstens für Unterbringung, Wohnung und Betriebs­kosten, zweitens für Verpflegung, Nahrungsmittel und Artikel des täglichen Gebrauchs wie Toiletteartikel und drittens für Arztbesuche beziehungsweise Spitalsaufenthalte jener Insassen, die mit Fußfesseln ausgestattet außerhalb der Justizanstalt angehalten werden? Muss sich der Insasse verpflichten, diese Kosten selbst zu tragen, oder wird die Justizverwaltung damit belastet und somit indirekt der Steuerzahler?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Frau Bundesministerin.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Es ist so, dass der Insasse diese Kosten grundsätzlich selbst zu tragen hat. Er muss auch eine Wohnung und eine Arbeit haben, im Falle des Strafvollzuges. Er muss mindestens 30 Stunden in der Woche arbeiten, und er muss selbst versichert sein. Diese Kosten sind vom Insassen selbst zu tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Köfer.

 


Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Geschätzte Frau Bundesministerin, es sind, wie kolportiert wird, Fußfesseln für etwa 500 Häftlinge angedacht. Die Kosten liegen im Jahr bei etwa 10 Millionen €.

Meine Frage: Wie hoch ist das Einsparungspotential gegenüber der Verwahrung von Häftlingen in den Anstalten?

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Bundesministerin, bitte.

 


Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Jetzt sollte ich rechnen. Es heißt immer: iudex non calculat. – Das können Sie sich ja selbst ausrechnen. Ich habe gesagt, ein Tag Haft kostet 100 €, ein Tag Fußfessel kostet ungefähr die Hälfte. Auf den Cent genau kann ich Ihnen das nicht sagen, aber es wird zu einer budgetären Entlastung kommen. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Mag. Lapp: ... Kristallkugel!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vielen Dank. Die Fragen sind alle aufgerufen worden. Die Fragestunde ist somit beendet. (Beifall bei der ÖVP.)

10.12.32Zuweisung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich weise die eingelangte Regierungsvorlage betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch geän­dert, ein Bundesgesetz über Verbraucherkreditverträge und andere Formen der Kredi­tierung zu Gunsten von Verbrauchern (Verbraucherkreditgesetz – VKrG) erlassen sowie das Konsumentenschutzgesetz, das Bankwesengesetz, das Versicherungsauf­sichtsgesetz, das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007, das Investmentfondsgesetz, das Zahlungsdienstegesetz, die Gewerbeordnung 1994 und das Maklergesetz geändert werden (Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz – DaKRÄG), in 650 der Bei­lagen, dem Justizausschuss zu.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 33

10.13.07Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 2 und 3 sowie 6 bis 9 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

10.13.30Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Klub der Grünen hat gemäß § 74a Abs. 2 der Geschäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 1063/A(E) der Abgeord­neten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbotes in den Räumen der Gastronomie dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.

10.14.00Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber beantragt hat, dem Aus­schuss für Land- und Forstwirtschaft zur Berichterstattung über den Antrag 578/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird, eine Frist bis 20. April 2010 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzu­führen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss der Debatte über den Fristsetzungsantrag durchgeführt.

*****

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

10.14.55Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 98 Minuten, Freiheitliche 88 Minuten, Grüne 77 Minuten sowie BZÖ 74 Minuten.

Für die Dauer der Fernsehübertragung nach der Fragestunde bis 13 Uhr wurde fol­gende Redeordnung vereinbart: Erklärung des Bundesministers 15 Minuten, eine RednerInnenrunde mit je 8 Minuten, eine Runde mit je 5 Minuten und dann drei Runden mit je 3 Minuten beziehungsweise je zwei Redner mit je 4 Minuten, sodass sich daraus insgesamt eine Redezeit von 125 Minuten ergibt.

Die Reihefolge der Redner und Rednerinnen: Erste Runde: FPÖ, ÖVP, Grüne, SPÖ, BZÖ; alle folgenden Runden nach Fraktionsstärke.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 34

Allfällige tatsächliche Berichtigungen werden erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 7 vor, die Redezeit jedes Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

10.16.311. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tages­ordnung.

Im Anschluss an die Erklärung des Bundesministers wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung entsprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte stattfinden.

Ich erteile dem Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Herrn Bundesminister Hundstorfer, das Wort. Bitte.

 


10.17.00

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben heute den 25. März (Abg. Ing. Westenthaler: Geh!), und ich darf heute, am 25. März, hier fest­stellen, dass zwischen 1. März, 0 Uhr früh, und 24. März, 17 Uhr, die Zahl der arbeits­losen Menschen um 41 000 gesunken ist. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. Abg. Ing. Westenthaler: Wie viele sind es ...? Wie viele werden es bei Siemens sein? Androsch! Ederer! Die roten Bosse, die die Leute rausschmeißen ...! Abg. Strache: Die Schulungsumschichtung!) – Das werden Sie gleich hören, Herr Westenthaler, Sie müssen nur zuhören! Und, Herr Strache: Würden Sie meine Aussendungen lesen, wüssten Sie, dass die Schulungsteilnehmer natürlich sehr wohl immer mit kundgetan werden.

Zur Stunde – die Zahlen sind von gestern Abend – sind 270 117 Menschen arbeitslos gemeldet, und 85 296 sind in Schulungen. (Abg. Kickl: Wie viele sind arbeitslos, die nicht gemeldet sind?) In Summe gesehen sind das um 41 000 Menschen weniger als am 1. März, 0 Uhr. – Das ist einmal die Faktenlage. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Ing. Westenthaler: Das ist denen, die arbeitslos sind, relativ wurscht!)

Die Arbeitsmarktpolitik hat die größte Wirtschaftskrise seit Bestehen der Zweiten Republik zu bewältigen. (Abg. Grosz: Gibt es einen ... für 23.10 Uhr auch?) – Ja, das gibt es auch, Herr Grosz. Ich würde Sie ersuchen, einmal zuzuhören, dann werden wir ein paar Fakten wissen. (Abg. Ing. Westenthaler: Sie brauchen ja nicht die Abge­ordneten zu verschaukeln mit diesen Zahlen! Die höchste Arbeitslosigkeit in der Geschichte!)

Ich weiß nicht, wie Sie es zusammenbringen, eine erfreuliche Entwicklung der Arbeits­marktpolitik in diesem Land schlechtzureden! (Abg. Ing. Westenthaler: Sie verschau­keln die Abgeordneten! Das ist unglaublich! Das ist ein Skandal! Die höchste Arbeitslosigkeit ... und er kommt daher und erzählt Märchen! Erzählt, dass heute der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 35

25. März ist! Das ist ja ein Skandal! Weitere Zwischenrufe beim BZÖ. Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor einem Jahr brach die Industrieproduktion stärker ein als während der Weltwirtschaftskrise der dreißiger Jahre. Trotzdem ist es gelungen, Beschäftigung zu sichern, durch Kurzarbeit, Bildungskarenz, einen Qualifi­zie­rungsschwerpunkt und Beschäftigungsförderung. (Abg. Kickl: Alles paletti, oder?)

Es ist dank unserem Gegensteuern Folgendes geglückt: Die Arbeitslosigkeit ist bereits in vier Bundesländern unter dem Niveau von 2009. Diese Bundesländer sind – wie ja öffentlich bekannt ist – das Burgenland, die Steiermark, Salzburg und Tirol. Die Jugendarbeitslosigkeit ist seit fünf Monaten im Sinken. (Abg. Ing. Westenthaler: Alles super ...! Alles perfekt! Bei Siemens passt auch alles!) Die Frauenbeschäftigung steigt wieder an, und die Industriearbeitslosigkeit geht zurück. Im vierten Quartal 2009, wie vor einer Stunde ... (Zwischenrufe beim BZÖ. Abg. Silhavy: Seid einmal ruhig! Ironische Heiterkeit bei BZÖ und FPÖ. Abg. Ing. Westenthaler, in Richtung der Abg. Silhavy: ... Oberlehrerin ...!)

Das sieht man, wie „ernst“ manche Parteien Arbeitsmarktpolitik nehmen und wie „ernst“ man es nimmt, dass wir in ganz Europa die zweitniedrigste Arbeitslosenquote haben. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. Abg. Scheibner: Bringen Sie einmal gescheite Vergleiche ...!)

Man sieht, dass die Gegensteuerungsmaßnahmen ganz einfach wirken. (Abg. Mag. Stadler: Sie wollen wissen, ob Sie um 1 Uhr was zu essen bekommen!) Die STATISTIK AUSTRIA hat vor einer Stunde veröffentlicht (Abg. Mag. Stadler: Haben Sie einen Uhrentick, Herr Minister?), dass die Arbeitslosigkeit im vierten Quartal 2009 gegenüber dem dritten Quartal von 5,1 auf 4,7 Prozent gesunken ist.

Es ist gar keine Frage, die Männerarbeitslosigkeit ist höher als im Vorjahr. Es ist aber auch sehr erfreulich, dass die Frauenarbeitslosigkeit stabil geblieben ist und dass die Jugendarbeitslosigkeit ... (Abg. Ing. Westenthaler: „Sehr erfreulich“, wenn die Arbeitslosigkeit stabil bleibt! „Sehr erfreulich“, Herr Minister! Stabil bleiben, da freuen sich alle! Na, das ist eine Argumentation!) Ja, weil das zeigt, dass Gegensteue­rungsmaßnahmen wirken. Herr Westenthaler, ich bin sehr froh, dass ich in Österreich Minister bin und nicht zum Beispiel in Spanien, wo die Jugendarbeitslosigkeit 40 Pro­zent beträgt. Unsere Jugendarbeitslosigkeit bewegt sich im einstelligen Bereich. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Ing. Westenthaler: So ein Märchenerzähler! Ihr werdet euch anschauen bei den Wahlen!)

Es ist an und für sich auch sehr erfreulich, dass es uns vor allem bei der Jugend – das ist die wichtigste aller Gruppen – geglückt ist, dass die Maßnahmen, etwa die Aus­bildungsgarantie, gegriffen haben – und sie werden auch weiterhin greifen. (Abg. Ing. Westenthaler: So ein Märchenerzähler! Die Ederer haut gerade hunderte Leute raus!) Die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit von Jugendlichen liegt in Österreich bei 73 Tagen. Im Gesamtdurchschnitt sind es 96 Tage. Es ist auch keine Frage, dass es sehr erfreulich ist, dass wir genauso viele Lehrverträge haben wie 2008, nämlich 131 000 Lehrverträge. (Abg. Kickl: Das wird all jene freuen, die über die Grenzen hineinkommen und dann bei uns auf dem Arbeitsmarkt ...!)

Jetzt kommen wir auch gleich zu den „berühmten“ überbetrieblichen Lehrwerkstätten. Von diesen 131 000 Lehrverträgen sind nur 10 000 in überbetrieblichen Lehrwerk­stätten, der Rest sind betriebliche Lehrverträgen, dort wo die Lehrlingsausbildung primär stattfinden soll und stattfinden muss. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 36

Wir haben in den überbetrieblichen Lehrwerkstätten immer noch für 2 500 Jugendliche Platz; diese Lehrstellen sind nicht vergeben. Zur Stunde sind sie aber nicht ange­sprochen, zur Stunde sind sie auch nicht vergeben.

Es ist auch sehr erfreulich, dass das, was wir mit der Ausbildungsgarantie im Sinn hatten, ganz einfach auch greift. Erfreulich ist zum Beispiel auch, dass an den Förder­programmen für Jugendliche rund 135 000 Menschen teilgenommen haben. Sinn und Zweck ist es, 15-, 16-, 17-Jährigen so rasch wie möglich eine Berufsausbildung zukom­men zu lassen – und diese Berufsausbildung können wir ihnen innerhalb von 40 Tagen garantieren.

Wir haben weiters ein flächendeckendes System von Produktionsschulen aufgebaut. Ende 2010 werden wir in Österreich 20 Produktionsschulen haben, in denen tausend Jugendliche Platz finden und von denen jährlich rund 2 000 Jugendliche profitieren, weil die durchschnittliche Verweildauer in einer Produktionsschule sechs Monate nicht überschreiten soll. Da geht es darum, Jugendliche, die spezielle Probleme haben, die vielleicht Anfangsschwierigkeiten haben, besonders zu unterstützen und zu fördern. Gerade diese Ausbildungsgarantie – darauf möchte ich noch einmal zurückkommen – ist ein Beweis dafür, dass man nicht nur etwas sagt, sondern auch in der Praxis etwas tut.

Eine zweite Zielgruppe wird durch die „Aktion Zukunft Jugend!“ erfasst, im Zuge derer allein in den ersten beiden Monaten dieses Jahres 19 529 19- bis 24-Jährigen ein Arbeitsantritt ermöglicht wurde. Im Vorjahr haben wir 83 000 Jugendliche aus diesen fünf Jahrgängen speziell geschult, und insgesamt haben 138 000 Jugendliche eine Arbeitsaufnahme vollzogen.

Es gibt eine weitere spezielle Gruppe, und zwar junge FH-Absolventen, junge Studien­absolventen, junge Maturantinnen und Maturanten, die sehr oft nur prekäre Beschäf­tigungsverhältnisse vorfinden. Diese Jugendlichen werden im Zuge der „Aktion 6 000“ sehr speziell betreut, weil wir diese, wenn sie nach ihrer Ausbildung keinen Arbeitsplatz finden, mit Eingliederungsbeihilfen unterstützen, die bis zu zwei Jahre lang ein Ausmaß von maximal zwei Drittel der Lohn- und Lohnnebenkosten betragen können.

Für all diese Aktivitäten im Bereich Jugend werden wir heuer fast die gleiche Summe aufwenden wie im Vorjahr. In Wirklichkeit ist das Budget für heuer noch einmal um 60 Millionen € erhöht worden. In Summe wenden wir als Bundesregierung für die Ausbildungsgarantie, für die „Aktion Zukunft Jugend!“ und für die weiteren spezifischen Maßnahmen junge Menschen betreffend 560 Millionen € auf. Das ist sehr viel Geld, aber sehr gut investiertes Geld. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Wenn man genau hinschaut, muss man leider sehen, dass es unter all diesen Gruppen von jungen Menschen eine Gruppe gibt, für die es speziell notwendig ist, etwas nachzuholen, auch wenn man so etwas im Jahr 2010 nicht vermuten würde: Es gibt eine kleine, aber doch vorhandene Gruppe, bei der wir uns intensiv darum bemühen müssen, dass sie den Hauptschulabschluss nachholen. Von allen derzeit gemeldeten Arbeitslosen – ich habe Ihnen die Zahl vorhin genannt – haben 16 000 keinen Haupt­schulabschluss. Das heißt, unter diesen etwa 270 000 Menschen, die arbeitslos sind, plus den etwa 85 000 Schulungsteilnehmern, sind 16 000 Menschen, die keinen Hauptschulabschluss haben. Um diese Gruppe bemühen wir uns sehr intensiv, damit diese Menschen – es sind primär junge Menschen, aber auch ältere Menschen – den Hauptschulabschluss nachholen können und ganz einfach die Möglichkeit haben, diese Grundstartbedingung erfüllt zu bekommen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich möchte angesichts der vorgeschrittenen Zeit noch eine arbeitsmarktpolitisch spe­zielle Gruppe erwähnen und dann noch zum Thema Qualität des Ausbildungs­ange­botes des AMS und zur Mindestsicherung etwas sagen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 37

Was arbeitsmarktpolitisch wichtig ist: Am stärksten angestiegen ist die Arbeitslosigkeit zum heutigen Zeitpunkt bei den Älteren ab 50. Es hat sich also gedreht: Ganz am Beginn der Krise waren die Jungen sehr stark betroffen, und jetzt geht die Arbeitslosig­keit bei den Jungen zurück und steigt bei den Älteren an.

Es ist gar keine Frage, dass wir bei den Älteren ebenfalls nicht nachlassen werden. Wir lassen nicht nach mit Qualifizierungsförderung. Derzeit befinden sich 2 000 ältere Menschen in Qualifizierungsmaßnahmen. Seit Beginn dieses Jahres sind über tausend Anträge zur Altersteilzeit eingelangt. Es gibt Beihilfen zur Kurzarbeit. Kurzarbeit ist derzeit für rund 26 000 Menschen geplant. Wir wissen, dass von dieser Planungszahl nur 50 Prozent realisiert werden. Wir wissen auch, dass ungefähr 30 Prozent der betroffenen Personen ältere Menschen sind.

Wir bemühen uns auch, mit einer Eingliederungsbeihilfe vor allem älteren Arbeits­losen – das heißt, Menschen ab 50 – noch einmal eine Beschäftigung zukommen zu lassen. Allein in den ersten zwei Monaten haben 2 500 ältere Personen mit dieser Ein­gliederungsbeihilfe eine Beschäftigung gefunden.

Auch die Kombilohnbeihilfe ist ein Modell in diesem Bereich, und es sind natürlich auch Beschäftigungsprojekte wichtige Modelle. In den ersten beiden Monaten sind 2 000 Menschen über Transitarbeitsplätze wieder ins Arbeitsleben integriert worden.

Auch bei den Stiftungslösungen versuchen wir sehr intensiv, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mitzunehmen und ganz einfach gegenzusteuern.

Wir fördern auch Unternehmensgründungen. Das Unternehmensgründungsprogramm des AMS zeigt Wirkung: Im Jänner und Februar 2010 haben bereits 361 ältere Per­sonen von diesem Programm profitiert. Das sind immerhin um 44 Prozent mehr als wie 2009. 120 Ältere wurden mittels Beihilfen unterstützt, damit sie diesen Start ganz ein­fach besser schaffen.

Ein wichtiges Thema in diesem Zusammenhang ist auch das Thema Service für Arbeit und Gesundheit, die Beratungsstelle für berufliche Rehabilitation. Das wird in Zukunft ein ganz wesentliches Thema sein, wenn es um die Frage geht, wie wir Berufs­unfähigkeitspensionen verhindern beziehungsweise zurückdrängen können. Da ist gerade dieses Service für Arbeit und Gesundheit eine ganz wichtige Clearingstelle.

Da immer wieder an der Qualität der AMS-Kurse Kritik geübt wird und sehr oft unrichtige Dinge dazu gesagt werden, möchte ich sehr deutlich sagen: Dort wird irrsinnig viel gemacht! Nur habe ich den Eindruck, dass man gar nicht schaut, was dort gemacht wird.

Ich darf Ihnen hier dazu ein paar Zahlen nennen. Aber ich bin auch gerne bereit, Ihnen alle Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Erste Zahl: 50 Prozent aller Personen, die bei einer AMS-Schulungsmaßnahme mit­gemacht haben, haben innerhalb von 3 Monaten eine Jobvermittlung gehabt. Natürlich befragt das AMS auch die betroffenen Personen, und zwar in anonymisierter Form, und da ist die Gesamtzufriedenheit bei allen Schulungsinstituten querdurch mit der Note 1,6 auf einer sechsstufigen Skala bewertet worden.

Dass die AMS-Schulungsmaßnahmen nicht nur die rasche Arbeitsaufnahme unter­stützen, sondern auch die Erwerbsintegration sehr, sehr stark fördern, ist durch eine Langfriststudie belegt, denn es geht nicht nur um kurzfristige Arbeitsaufnahme, son­dern es geht auch darum, was danach passiert, was nach 3 Monaten oder was nach 6 Monaten passiert.

Wir haben die Karriereverläufe von 1 600 Kursteilnehmern untersucht. Rund 73 Pro­zent aller Betroffenen haben eine Ausweitung ihrer Beschäftigungstage als Folge der


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Schulung erreicht. Und bei dem Kurs mit Aktivierungsschwerpunkt liegt dieser Prozent­satz sogar bei 80.

42 Prozent der Befragten haben sich ihre Tätigkeit verbessert, dadurch auch ihr Einkommen verbessert, und bei 42 Prozent fand keine Veränderung statt.

Ich bin gerne bereit, über AMS-Aktivitäten jederzeit zu reden, gar kein Problem, aber ich ersuche die Kritiker, auch jene Zahlen zur Kenntnis zu nehmen, die nicht vom AMS stammen, sondern von den Betroffenen, die anonymisiert Fragebögen ausfüllen und da ihre Meinung kundtun. (Abg. Kickl: Kein Wort zur Mindestsicherung!) Zur Mindest­sicherung komme ich schon noch, Herr Kickl. (Abg. Ing. Westenthaler: Zur Faulen­förderung!)

Wer immer behauptet, die Mindestsicherung sei eine Faulenförderung, wer immer behauptet, das sei etwas, wo Menschen sich in die Hängematte legen, den möchte ich auffordern: Sagen Sie das den 270 000 Menschen, die von Armut betroffen sind, die von der Notstandshilfe und von der Sozialhilfe leben müssen! – Punkt eins. (Abg. Ing. Westenthaler: Sagen Sie das jemandem, der ein Mindestgehalt bekommt! Sagen Sie das einer Verkäuferin im Supermarkt! Sagen Sie das einer Bezieherin eines Min­desteinkommens!)

Punkt zwei: Ich möchte darauf hinweisen, dass wir diese Menschen in ein Aktivierungs­programm stecken, dass sie in der Mindestsicherung nicht verweilen können. Und beim Vergleich mit der untersten Lohngruppe kommt heraus, dass bei dieser immer noch um 20 Prozent höher entlohnt wird, als der Betrag ausmacht, der bei der Mindest­sicherung herauskommen wird. (Abg. Bucher: Stimmt nicht!)

Im Übrigen werden wir in diesem Haus noch viel Gelegenheit haben, über die Min­destsicherung sehr intensiv zu reden.  – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.33


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Klubobmann Strache zu Wort. In der ersten Runde hat jeder Redner jeweils 8 Minuten zur Verfügung. – Bitte.

 


10.33.48

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werter Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war jetzt wirklich inter­essant, Ihren Worten zu lauschen, Herr Sozialminister, mit welchen Sie den Eindruck zu vermitteln versucht haben, dass in Österreich alles so erfreulich ist. Ich weiß gar nicht, wie oft das Wort „erfreulich“ in Ihrer Erklärung vorgekommen ist – man hätte eigentlich mitzählen sollen.

Ich sage Ihnen: Erfreulich ist die Situation in Österreich nicht, auch wenn Sie sie anders darzustellen versuchen. Sie können ganz einfach nicht über die wirklich vor­handenen Probleme hinwegtäuschen mit Ihren Begrifflichkeiten und mit Ihrer Schön­rederei, die Sie hier zum Besten geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben in Österreich über 1 Million Menschen, die an der Armutsgrenze leben! Das ist ein Rekordwert! Trotz sozialer Not und sozialer Krise ist aber diese Bundes­regierung hergegangen und hat sehr unkritisch den Banken Milliarden an Förderungs­mitteln, wenn man so will, oder als Staatshilfe zugespielt, ohne entsprechende gesetz­liche Richtlinien vorzugeben. Mit diesen Geldern hätte man verantwortungsvoller um­gehen müssen, etwa, indem man einen größeren Teil dieser Gelder für soziale Maßnahmen eingesetzt hätte. Genau das ist der Vorwurf, den wir Ihnen machen. (Zwi­schenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Die Österreicher müssen ja das alles bezahlen. Wir haben heute die höchste Steuer­belastung in der Zweiten Republik. Das wird aber von Ihnen immer wieder herunter­


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gespielt. Außerdem steht schon die nächste Steuererhöhung mit 1,7 Milliarden € bevor. Das alles sind negative Entwicklungen, die naturgemäß weiterhin zu einer Zuspitzung der Wirtschaftssituation in Österreich beitragen werden. Es ist auch davon aus­zugehen, dass die Arbeitslosigkeit steigen wird. Sie operieren jetzt mit neuen Zahlen und sprechen von einer Senkung um 40 000, aber wir haben noch immer die höchsten Werte in der Zweiten Republik, auch wenn eine Senkung gelungen sein mag, wie Sie sagen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Alle Experten sagen, dass – und sie rechnen damit, dass dies bis zum Jahr 2012 geschieht – die große Arbeitslosigkeitswelle erst kommen wird, wenn wir nicht jetzt schon die richtigen Maßnahmen setzen. Aber davon sprechen Sie gar nicht. Genau das, wovon schon viele Experten reden, wäre genau zu beleuchten. Da nützt es nichts, wenn permanent der Kanzler und Sie ein charmantes Lächeln aufsetzen und die Bezeichnung „erfreulich“ hundert Mal wiederholen, denn diese Situation ist wirklich sehr ernst zu nehmen.

Wenn Sie hier quasi als wahrer Virtuose versuchen, die erschreckenden Arbeitslosen­zahlen herunterzuspielen, dann ist das ein Schlag in die Magengrube eines jeden Menschen, der heute arbeitslos ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Bei den Schulungsprogrammen gibt es viele Fälle, wo Menschen nach einer AMS-Schulung ein zweites Mal in die gleiche Schulung geschickt werden und danach noch ein drittes Mal, damit man halt ja in einem Schulungsprogramm steckt.

Es wäre an der Zeit, zu hinterfragen, ob es sinnvoll ist, dass man so viele in Schu­lungskurse im Bereich Computertechnik schickt. Ich meine, da wären endlich Ände­rungen vorzunehmen, das müsste hinterfragt werden.

Es waren in Österreich im Februar 396 332 Personen ohne Job, und über 80 000 haben sich in Schulungsprogrammen befunden. Und Sie, Herr Minister, haben von einer Senkung der Arbeitslosen um 40 000 gesprochen. Dazu kann ich nur eines sagen: Es wäre schön, wenn das bedeuten würde, dass es eine nachhaltige Senkung gibt. Experten jedoch sagen, dass sie mit einer nachhaltigen Senkung der Arbeits­losigkeit nicht rechnen, sondern eher mit dem Gegenteil, nämlich mit einer Zuspitzung.

Deshalb ist es falsch, wenn Sie sich heute hier herstellen und eine Momentaufnahme machen, die sich wahrscheinlich in den nächsten Monaten dramatisch verändern wird. Wir brauchen Ihre üblichen Floskeln nicht, denn die Situation ist in diesem Bereich viel zu ernst.

Wir müssen die Schulungen endlich evaluieren. Das fehlt bis heute, das ist bis dato nicht passiert. Wir haben Kurse, die sinnlos sind, und da müssen wir beginnen, etwas zu verändern, und wir müssen in diesem Bereich auch filtern. Für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit braucht das Arbeitsmarktservice jeden Cent. Dort wird man investieren und optimieren müssen.

Ich möchte diese Gelegenheit noch dazu nützen, kurz auf das ORF-Beschäftigungs­programm hinzuweisen, das wir gestern dokumentiert haben. Das ORF-Beschäfti­gungsprogramm kommt bei der Staatsanwaltschaft im Protokoll der Einvernahme eines Skinheads ja sehr gut zum Ausdruck. Darin heißt es – ich zitiere aus dem Polizei­protokoll einer Einvernahme jenes Skinheads, der vom ORF als Nazi-Statist engagiert und bezahlt wurde –:

„Ed trug uns auf, uns möglichst aggressiv und Strache gegenüber beleidigend zu verhalten. Ed sagte uns zu, uns für einen ‚Sieg-Heil‘-Ruf 80 € Prämie zu bezahlen,  dies zusätzlich zu den 100 €, die wir für jeden Drehtag bezahlt bekommen.“ – Zitat­ende.


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Ist das nicht ein „tolles“ ORF-Beschäftigungsprogramm?! Aber sicherlich nicht das, was wir in Österreich brauchen! (Beifall bei der FPÖ.) Das sollten wir strengstens ablehnen! Solche Dinge müssen wir in Zukunft verhindern.

Man darf die aktive Arbeitsmarktpolitik nicht auf Sparflamme halten. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.) Das Arbeitsmarktservice geht davon aus, dass die Arbeitslosigkeit wahrscheinlich erst im Jänner 2011 – das sagt das Arbeitsmarktservice, Frau Kolle­gin! – die absoluten Spitzenwerte der Zweiten Republik erreichen wird. Das heißt, wir müssen jetzt weitere nachhaltige Maßnahmen setzen.

Es wird daher das jetzige Jahr, das Jahr 2010, zum Schlüsseljahr. Daher ist es wichtig, dass wir jetzt die richtigen Maßnahmen setzen und Optimierungen vornehmen, um zu verhindern, dass wir dann im Jahr 2011 eine Situation haben, die das Arbeitsmarkt­service und die Experten befürchten.

Sie, Herr Minister, reden davon, dass man bei jungen Menschen zum Teil erfolgreich sein konnte. Also in Anbetracht des Umstandes, dass 25 000 junge Menschen heute keine Ausbildungsstelle haben und arbeitslos sind, muss man eher sagen: Das ist eine sehr dramatische Entwicklung!

Ich meine, dass es nicht sein darf, dass auch nur ein einziger junger Mensch in Österreich keinen Ausbildungsplatz erhält. Das liegt schon in unserer Verantwortung. Und da erwarte ich mir, dass wir auf allen Ebenen, auf der Ebene der Bundespolitik und auch der Länderpolitik, überall dort, wo es staatliche Möglichkeiten gibt, bis hin zu den Magistratsstellen, Lehrstellen schafft und die Beschäftigung von jungen Menschen ermöglicht.

Auch hier im Parlament haben wir doch bitte mit 10 Lehrstellen nicht wirklich aus­reichend Ausbildungsmöglichkeiten geschaffen. Auch hier wäre anzusetzen, wären endlich einmal Signale zu setzen und wäre der Jugendarbeitslosigkeit entgegen­zutreten. (Beifall bei der FPÖ.)

Eine Verstärkung der Anstrengungen bei den Aus- und Weiterbildungsprogrammen sowie das Verhindern von noch mehr Zuwächsen bei Teilzeit- und prekären Beschäf­tigungsverhältnissen müssen unser Ziel sein. Ergänzt werden muss das Ganze auch noch durch eine Erhöhung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe. Das muss uns schon bewusst sein: Dort wird man eine Anhebung vornehmen müssen, denn man muss verhindern, dass derjenige, der in die Arbeitslosigkeit rutscht oder langzeitar­beitslos wird und in den Notstand kommt, nicht in die Armutsfalle gerät.

Angesichts der dramatischen Lage auf dem heimischen Arbeitsmarkt muss es auch eine zeitlich unbegrenzte Verlängerung der Übergangsfristen auf dem Arbeitsmarkt geben. Die gehören ausgeweitet, die darf man nicht im Jahr 2011 auslaufen lassen. Die werden wir ausweiten müssen, wenn wir verantwortungsvolle Sozialpolitik in die­sem Land betreiben wollen. (Abg. Dr. Bartenstein: Was wollen Sie machen?)

Der Herr Bartenstein schaut schon ganz skeptisch. Oder? (Abg. Dr. Bartenstein: Da müssen Sie den Beitrittsvertrag ändern!) Nein, aber wir werden uns einmal durch­setzen müssen. Wir dürfen nicht immer Ja und Amen sagen gegenüber der Euro­päischen Union. (Beifall bei der FPÖ.)

Wo haben Sie sich jemals in einem konkreten Punkt in Brüssel durchgesetzt? Also diesen Punkt kann man mit der Lupe suchen – und man findet ihn nicht. Das ist nämlich das Problem! (Abg. Dr. Bartenstein: Sie haben keine Ahnung!) Ein bisschen mehr Selbstbewusstsein an den Tag zu legen und ein bisschen stärker auch die Interessen der österreichischen Arbeitnehmer zu vertreten, das wäre notwendig (Beifall bei der FPÖ) – und nicht, mit Zustimmung zu Maßnahmen der Europäischen Union dazu beizutragen, dass der heimische Markt von weiteren billigen Arbeitskräften


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aufgrund der Entwicklung in Osteuropa überschwemmt wird. Dadurch wird natürlich ein weiterer Verdrängungsprozess bei den österreichischen Facharbeitern stattfinden, die dann wieder in der Arbeitslosigkeit landen.

Das kann es nicht sein! Da erwarte ich mir, dass endlich einmal gegengesteuert wird (Zwischenrufe der Abgeordneten Hornek und Donabauer), um ein weiteres Drücken des österreichischen Lohnniveaus und eine Verstärkung des Verdrängungsprozesses bei den österreichischen Arbeitnehmern zu verhindern. Da haben Sie versagt, Herr Sozialminister! Und das ist alles andere als eine Glanzleistung. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Jarolim: Was soll man darauf sagen?! – Abg. Strache – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: Der Kollege ist sowieso immer ein Sprachloser, er darf ja nie reden!)

10.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Wöginger gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.42.20

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor allem auch zuhause vor den Fernsehschirmen! Sozial ist, was Arbeit schafft, und sozial ist, Menschen zu helfen, die sich selber helfen wollen, aber nicht können, und nicht sozial ist, Menschen zu helfen, die sich selber helfen könnten, aber nicht wollen. Nach diesen Gesichtspunkten, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird die ÖVP ihre Sozial- und Arbeitsmarktpolitik auch in Zukunft ausrichten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz – in Richtung ÖVP zeigend, von der nur wenige Abgeordnete anwesend sind –: Die ÖVP ist nicht mehr da! Sozialpolitik interessiert sie nicht!)

Das Wichtigste in Zeiten wie diesen ist es, meine Damen und Herren, die Menschen einerseits in Beschäftigung zu halten und andererseits die Arbeitslosigkeit so gering wie möglich zu halten. Und ich möchte an dieser Stelle schon erwähnen, dass gerade unsere Solidarität und Unterstützung vor allem in Zeiten wie diesen jenen gilt, die durch die Krise ihren Arbeitsplatz verloren haben.

Der Arbeitsmarkt bleibt auch in den nächsten Monaten eine große Herausforderung. Dennoch sehen wir anhand der Daten und Fakten, dass die Konjunktur- und Arbeits­marktpakete gegriffen haben, vor allem sehen wir das auch im Vergleich mit den ande­ren europäischen Ländern.

Österreich, meine Damen und Herren, liegt im Februar mit einer Arbeitslosenquote von 5,4 Prozent nach Eurostat wiederum konstant an zweiter Stelle hinter den Nieder­landen. Die EU-27 liegen im Durchschnitt bei rund 10 Prozent, und Spanien zum Beispiel hat derzeit eine Arbeitslosigkeit von rund 20 Prozent.

Bei der Jugendarbeitslosigkeit liegen wir an dritter Stelle. Und erfreulich ist – und das hat der Herr Minister auch erwähnt –, dass ihr Anstieg weitgehend gestoppt werden konnte. Die Maßnahmen der Regierung im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit mit der Ausbildungsgarantie und die „Aktion Zukunft Jugend“ sowie zahlreiche Jugend­pakete der Bundesländer zeigen Wirkung. Es geht darum, vor allem den jungen Men­schen einen Ausbildungsplatz, einen Lehrplatz oder eine Arbeitsstelle anbieten zu können, denn Arbeitslosigkeit bedeutet Hoffnungslosigkeit, und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die jungen Menschen einen Job haben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Situation bleibt leider weiterhin angespannt, aber es gibt Lichtblicke in einigen Bundesländern. Rund 30 Prozent der Arbeitsuchenden – das sind über 93 000 Per­sonen in Österreich – haben eine Wiedereinstellungszusage. Das heißt, nach dem


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relativ langen und strengen Winter wird jetzt vor allem im Baubereich und bei den Land- und Forstarbeitern die Arbeitslosigkeit zurückgehen.

Menschen, die aufgrund der Krise arbeitslos geworden sind, wieder in Beschäftigung zu bringen: Das ist der richtige Weg! Nur so kann den betroffenen Menschen auch wirklich geholfen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Dieser Weg, meine sehr geehrten Damen und Herren, gilt aber auch für die vieldis­kutierte Mindestsicherung. Ja, wir bekennen uns zur bedarfsorientierten Mindest­siche­rung. Menschen, die Hilfe brauchen, sollen auch eine entsprechende Unterstützung bekommen. Das Gesetz dazu und die Artikel-15a-Vereinbarung wurden im Ministerrat bereits beschlossen: 744 € für Alleinstehende oder 1 116 € für Ehepaare, zwölf Mal pro Jahr. Andere Leistungen wie Arbeitslosengeld, Notstandshilfe sowie das Haushalts­einkommen werden dabei berücksichtigt, da kommt es dann zu Differenzzahlungen.

Im Wesentlichen, meine Damen und Herren, ist die Mindestsicherung eine bundes­weite Vereinheitlichung der Sozialhilfe mit einheitlichen Mindeststandards und höheren Leistungen für Alleinerziehende – also bedarfsgerecht und zielorientiert. Und dafür stehen wir, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Die Mindestsicherung ist sicherlich keine soziale Hängematte, sondern durch den festgeschriebenen Faktor der Arbeitswilligkeit, auf den wir besonders achten werden, meine Damen und Herren, eine Möglichkeit, wieder in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Unterstützung für jene, die Hilfe benötigen, aber effizienter Einsatz der Mittel: Das sind wir den arbeitenden Menschen, den Leistungsträgern, jenen Menschen, die die Sozialleistungen durch ihre Steuern und Abgaben überhaupt ermöglichen, schuldig! (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade in Zeiten wie diesen muss noch mehr darauf geachtet werden, wie die Steuer­gelder eingesetzt werden. Doppelgleisigkeit und Missbrauch müssen ausgeschaltet werden. Auch die Bewusstseinsbildung in der Bevölkerung über den Umfang aller Transferleistungen soll verstärkt werden. Deshalb fordern wir die Umsetzung des bereits in der Regierung vereinbarten Transferkontos oder der Transparenzdatenbank. Ja zur sozialen Absicherung und zu einem guten Sozialsystem, aber Berücksichtigung der Leistungsträger: Wie werden die Steuergelder gerecht und effizient eingesetzt? Das ist die Devise, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Leistung muss sich lohnen! Das gilt vor allem auch für die Diskussion um die Pensionen. Ich möchte schon auch ein paar Worte zu dieser Diskussion sagen, weil dieses Thema gestern bei den Tagesordnungspunkten betreffend den Verkehrsbereich vom Kollegen Haberzettl angesprochen wurde.

Es ist einfach ungerecht, meine Damen und Herren, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die im Durchschnitt mit 52, mit 54, mit 56 oder mit 57 Jahren in Pension gehen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neubauer. – Abg. Mag. Lapp: Sind das die Bauern?) Aber von allen anderen verlangt man, dass sie bis zum gesetzlichen Pen­sionsantrittsalter von 65 arbeiten müssen. Das ist nicht in Ordnung, meine Damen und Herren! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP.)

Herr Kollege Haberzettl, wir wissen schon, dass die ÖBB-Bediensteten höhere Bei­träge leisten, und das erkennen wir auch an, aber es muss doch möglich sein, wie die Frau Ministerin Bures es auch vorgeschlagen hat, dort die Jahre anzuheben, sich einmal in Richtung 60 zu bewegen und dafür die Beiträge herunterzufahren, diesen Bereich dem ASVG anzugliedern. Eine Harmonisierung, meine Damen und Herren, ist in diesem Bereich anzustreben. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neubauer. – Rufe der Abgeordneten Lapp und Haberzettl: Bei den Bauern!)


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Wir werden uns bei dieser Diskussion dafür einsetzen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass Leistung auch in Zukunft berücksichtigt wird. Lange Beitragszeiten müssen Berücksichtigung finden! Die Leistung jener, die dieses System mit ihren Beiträgen am längsten mitfinanzieren, wird auch in Zukunft berücksichtigt werden müs­sen. Aber Krankenstandszeiten und Ausübungsersatzzeiten gratis herzugeben, was an dem berühmten 24. September 2008 hier und anschließend im Bundesrat passiert ist, das hat mit einem leistungsorientierten System im Pensionsbereich nichts zu tun! (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Zeiten sind dort systemfremd. Wir stehen für Leistung: Diejenigen, die die Bei­träge entrichtet haben, sollen das bei ihrer Pension, bei deren Antritt und auch bei deren Höhe, spüren. Dafür stehen wir! Diesem Leistungsprinzip werden wir bei dieser Diskussion Folge leisten.

Die ÖVP, meine Damen und Herren, wird auch in Zukunft für ein faires, gerechtes und vor allem auch für ein nachhaltiges Sozialsystem eintreten. (Beifall bei der ÖVP.)

10.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

 


10.50.08

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, natürlich freuen wir uns genauso wie Sie, wenn die Arbeitslosenzahlen in Österreich zurückgehen, natürlich sind wir an Ihrer Seite, wenn es darum geht, soziale Errungenschaften in Österreich zu verteidigen oder zu entwickeln, aber mit dieser Ihrer doch sehr selbstzufriedenen Haltung kommen Sie, Herr Bundesminister, bei mir nicht durch.

Wenn Sie, Herr Bundesminister, sagen, dass wir die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit in Europa haben, muss ich Sie korrigieren: In Europa haben wir die viertniedrigste Arbeitslosigkeit – niedriger ist sie in der Schweiz, den Niederlanden und in Norwegen. Vierter Platz für Österreich. Da sind zwei Nicht-EU-Länder dabei (Abg. Strache: Denen geht es in der Regel besser!), aber Sie haben gesagt, in Europa. Und der vierte Platz schaut nicht mehr so gut aus.

Ich erinnere mich noch daran, dass vor zehn Jahren Sozialminister hier gesagt haben: Wir sind stolz darauf, dass wir die niedrigste Arbeitslosigkeit in ganz Europa haben! (Abg. Mag. Molterer: Eine gute Regierung!) – Vor zehn Jahren, Herr Molterer! (De­monstrativer Beifall bei ÖVP und BZÖ.) Sie kommen schon noch mit Ihrer schwarz-blau/orangen Regierung dran. (Abg. Ing. Westenthaler: Genau vor zehn Jahren!)

Der Punkt ist: Es nützt den arbeitslosen Menschen in Österreich relativ wenig, wenn sie erfahren, dass die Arbeitslosigkeit die viertniedrigste in Europa ist. Das ist für die Betroffenen noch immer um die jeweilige Betroffenheit zu viel.

Die Zahlen, die Sie genannt haben – auch bei sinkender Arbeitslosigkeit –, beweisen ja, dass wir im Moment mit zirka 90 000 Menschen in Schulungsprogrammen eine so hohe Schulungstätigkeit haben wie nie zuvor. In den vergangenen Jahren waren es im Durchschnitt 50 000, jetzt sind es 90 000 Personen!

Ich möchte jetzt nicht im Detail auf diese Schulungszahlen eingehen, Herr Bundes­minister, aber Sie haben gesagt, dass die Menschen, die in den Schulungen sind, mit diesen zufrieden sind, was auch die Auswertungen beweisen. Wissen Sie, was die Realität ist? – Realität ist, dass die Arbeitslosen in den Schulungen durchaus wissen, dass es, wenn sie den jeweiligen Kurs schlecht bewerten, den Trainer trifft. Da gibt es so etwas wie eine durchaus sinnvolle Solidarität mit den Trainern und Trainerinnen, die


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sich ja bemühen, gute Arbeit zu leisten, was aber unter bestimmten Rahmenbedin­gungen oftmals nur sehr schwer zu erreichen ist.

Das heißt, die Arbeitslosen werden, solange sie finden, dass die Trainer und Traine­rinnen in den Kursen korrekt zu ihnen sind und sich bemühen, keine schlechten Noten vergeben. Das sagt aber noch nichts über die Qualität der Kursprogramme insgesamt aus. Das sagt auch noch nichts aus darüber, ob diese Programme, diese Kurse – von denen es viele gute gibt, das möchte ich nicht bestreiten – in der Summe geeignet sind.

Ich würde mir wünschen – die Grünen treten schon lange dafür ein –, dass die Arbeits­losen – die arbeitslosen Menschen wissen sehr wohl, was gut für sie ist – bei der Auswahl der Kurse etwas mehr mitbestimmen können. Es ist unmöglich, dass man Leute mit einer sehr guten Ausbildung nur deshalb, weil es keinen anderen Kurs gibt, in einen Englischkurs für Anfänger schickt, dass man etwa einen Goldschmied – das ist ein Beispiel, das ich sehr gerne verwende –, der aus Pakistan kommt und eine hervorragende Ausbildung in seinem Handwerk hat, in einen Computerführerschein-Kurs schickt, aber nicht in einen Deutschkurs, den er dringend bräuchte! (Beifall bei den Grünen.)

Beispiele wie diese gibt es genug. Wir sollten uns daher ernsthaft zusammensetzen und daran arbeiten, da etwas zu ändern und das zu verbessern. Die Kritik und die Beschwerden gibt es seit Jahren.

Herr Bundesminister, wir haben seit Monaten keine einzige Sitzung des Sozialaus­schusses gehabt. Im Sozialausschuss sind über 100 Anträge der Oppositionsparteien entweder vertagt oder noch nicht einmal behandelt. Ich warte. Ich warte darauf, dass wir auch im Parlament daran arbeiten können.

Noch etwas zu Ihrer Rede: Sie haben zwei Punkte angesprochen, die Situation auf dem Arbeitsmarkt und kurz die Mindestsicherung. Ich sage Ihnen jetzt, was Sie nicht angesprochen haben: beispielsweise den Umstand, dass derzeit in Österreich die Menschen, die arbeitslos sind, teilweise schon längere Zeit arbeitslos sind, mit einem der niedrigsten Arbeitslosengelder in Europa auskommen müssen. Das ist beschä­mend. Die Summen, die in diesem Zusammenhang in Österreich bezahlt werden, nämlich 500, 600, 700 € pro Monat – wenn man arbeitslos ist –, reichen nicht aus zum Leben.

Wenn man über mehrere Jahre arbeitslos war – und das sind Zehntausende in diesem Land trotzdem noch immer –, dann hat man nicht einmal einen Cent Inflationsan­pas­sung in all diesen Jahren erhalten.

Sie wissen genau, dass hier – sogar von der ÖVP habe ich diese Stimmen gehört – alle Parteien – mit Einschränkung BZÖ, aber sonst alle Parteien – für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes eintreten. Warum beschließen wir sie nicht? Warum reden wir nicht darüber – auch unter budgetär schwierigen Bedingungen –, dass es notwendig ist, Herr Kollege Wöginger, und selbstverständlich sinnvoll wäre, gerade in Zeiten wie diesen das Arbeitslosengeld anzuheben? (Beifall bei den Grünen.)

Nächster Punkt, den Sie nicht angesprochen haben – und da gebe ich all jenen recht, die zwar aus einer etwas vordergründigen Kritik an der Mindestsicherung sagen, dass wir keine Mindestsicherung brauchen, wie das immer von FPÖ und BZÖ dazwischen­tönt –: das Problem Lohnniveau. Das Lohnniveau in Österreich sinkt, die Einkommen der Leute, die arbeiten, sinken, sinken, sinken seit Jahren. (Abg. Bucher: Genau das sage ich auch!) Da nützt es nichts, wenn wir von einer Lohnerhöhung im vergangenen Jahr reden, wenn wir auf der anderen Seite wissen, dass immer mehr Menschen


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prekäre Beschäftigungen und prekäre Einkommen haben und nicht davon leben können. Das, was sie zum Leben erhalten, reicht nicht aus.

Das gilt auch für gemeindenahe Betriebe, Herr Bundesminister. Die Gemeinde Wien hat – dieses Beispiel habe ich vorige Woche erfahren – etliche Beschäftigungsfelder ausgegliedert, etwa das Putz- und Reinigungsgewerbe. Und dann hört man, dass die Menschen in diesen Putz- und Reinigungsfirmen für 40, 45, 50 Stunden Arbeit 700 bis 800 € netto erhalten – nicht mehr! (Abg. Kickl: Das ist Ausbeuterei!) 700 bis 800 € netto! Dazu muss ich sagen: Das ist beschämend! (Abg. Mag. Stadler: Das ist Ausbeutung!) Wir können uns da nicht auf die Schulter klopfen und sagen, es sei ohnehin alles paletti, die Arbeitslosenquote relativ niedrig und sonst gehe es auch ganz gut. Nein, schauen wir genau hin, es schaut überhaupt nicht gut aus in bestimmten Formen von Beschäftigung.

Da komme ich noch einmal zu Ihnen, Herr Kollege Wöginger: Finden Sie – ganz naiv gefragt –, dass der Ausgleichszulagenrichtsatz in Österreich zu hoch ist? – Nein, gut. Ich meine es auch nicht. 744 € 14 Mal im Jahr ist nicht zu hoch, überhaupt keine Frage. Man kann nicht gut davon leben, das sage ich Ihnen, weil ich es sehr gut weiß. Wenn diese 744 € aber nur 12 Mal im Jahr bezahlt werden, dann ist das, meinen einige in der ÖVP, zu viel.

Die Ausgleichszulage auf 744 € wird 14 Mal im Jahr bezahlt – das ist nicht zu hoch. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) 744 € 12 Mal für die Min­destsicherungsbezieher, das finden Sie zu hoch, da sagen Sie, da ruhen sich Leute in der Hängematte aus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da bin ich ganz anderer Meinung. (Zwischen­ruf des Abg. Wöginger.) Es geht nicht um eine soziale Hängematte, es geht um ein Mindestmaß an Existenzsicherung. Und da sind Sie gefordert, Herr Bundesminister – auch zeitlich –, den Menschen in unserem Land mehr zu sagen, als Sie heute hier gesagt haben. (Beifall bei den Grünen.)

10.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Csörgits gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


10.58.54

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geschätzter Herr Bun­desminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Erklärung des Herrn Bundesminis­ters war wirklich sehr deutlich zu entnehmen, dass diese Bundesregierung unter Herrn Bundeskanzler Faymann einen ganz besonderen Schwerpunkt auf die weitere Absicherung des Sozialstaates Österreich legt und darauf, dass Maßnahmen zur Vermeidung und Bekämpfung von Arbeitslosigkeit gesetzt werden.

Wir können hier schon stolz darauf sein, dass die Zahl der Arbeitslosen gesunken ist. Meine Damen und Herren, das ist keine Kleinigkeit, denn in vielen anderen Ländern ist die Arbeitslosigkeit gestiegen. Aber ich möchte nicht missverstanden werden: Jeder Arbeitslose mehr ist ganz einfach ein Arbeitsloser zu viel.

Aber diese Bundesregierung hat einen Schwerpunkt auf Maßnahmen in diesem Be­reich gelegt, und diese haben gegriffen. (Abg. Ing. Westenthaler: Wo denn? – Zwischenruf des Abg. Grosz.) Natürlich werden wir in Zukunft noch mehr Maßnahmen setzen, um sicherzustellen, dass die Arbeitslosigkeit in Österreich weiter sinkt. Und dafür möchte ich mich bei dir, Herr Bundesminister, sehr herzlich für deine engagierte Arbeit bedanken. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Klar ist: Arbeitslosigkeit ist die inhumanste Form der Arbeitszeitverkürzung. Arbeits­losigkeit bedeutet natürlich auch, dass auf der einen Seite durch die Bezahlung des


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Arbeitslosengeldes sehr viel Geld ausgegeben werden muss – wozu ich mich selbst­verständlich bekenne –, dass aber auf der anderen Seite Einnahmen im Sozialsystem fehlen, bei der Krankenversicherung, bei der Pensionsversicherung und auch bei der Arbeitslosenversicherung. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Das ist die eine Situation, und die andere Situation, die mindestens genauso schlimm ist, ist der Umstand, dass ganz einfach sehr viele Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, Schicksale haben, mit denen sie nicht sehr gut zurechtkommen. Es fehlt das Geld, sie haben Zukunftsängste, und sie denken darüber nach, ob sie endlich doch einmal Arbeit bekommen oder ob sie für den Job, für den sie sich beworben haben, entweder zu jung oder zu alt, zu qualifiziert oder zu wenig qualifiziert sind – was auch immer. Sie machen sich Sorgen, und diese Sorgen bedeuten natürlich auch, dass es nicht gesund ist, arbeitslos zu sein. Neben den finanziellen Problemen, die sie haben, ist dann noch ein weiteres Risiko vorhanden. Es fehlt das notwendige Geld für Kredit­raten für den Wohnraum, den sie sich vielleicht geschaffen haben, und Armut droht.

Ganz besonders schlimm ist es, wenn junge Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen sind, denn damit ist natürlich auch eine Perspektivenlosigkeit verbunden. Die jungen Menschen fühlen sich nicht verstanden, sie fühlen sich ihrer Zukunft beraubt. Und genau dieser Umstand ist es auch, der dann junge Menschen ab und zu für ewig­gestriges Gedankengut anfällig macht.

Daher bin ich – noch einmal – sehr froh darüber, dass diese Bundesregierung einen ganz besonderen Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit gelegt hat und nach wie vor legt. Dabei gibt es Erfolge, und auf diese kann man stolz sein.

Einen Punkt, den ich gleich hier mit beantworten möchte, weil Herr Abgeordneter Strache zuerst gemeint hat  (Abg. Strache spricht mit Abg. Kickl.) – Er hört nicht zu, ihn interessiert ja die Situation betreffend die Arbeitslosigkeit von jungen Menschen nur dann, wenn er hier von diesem Rednerpult aus seine Polemik verbreiten kann. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.)

Im Zusammenhang mit der Frage, was die öffentliche Hand für junge Menschen getan hat, darf ich festhalten, dass im Rahmen des Bundes derzeit 1 100 Lehrstellen für junge Menschen zur Verfügung gestellt werden, so viele wie noch nie, und dass auch im Bereich der Länder mehr als 1 500 junge Menschen Arbeit gefunden haben. Das ist gut so, das ist notwendig, das ist richtig, denn damit gibt man diesen Menschen eine Zukunftsperspektive.

Im Zusammenhang mit der Vermittlung möchte ich noch betonen, dass unsere Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter im AMS ebenfalls hervorragende Arbeit leisten. Der Herr Bundesminister hat es bereits erwähnt: Die Vermittlungsdauer bei jungen Menschen beträgt 73 Tage. (Abg. Grosz: Das ist eh viel zu lang!) Herzlichen Dank an die Mit­arbeiter und Mitarbeiterinnen! Sie bemühen sich wirklich, junge Menschen sehr zielorientiert zu vermitteln. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte jetzt auch noch ein Augenmerk auf die Situation der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit insgesamt legen und darf nochmals festhalten, dass das öster­reichische Wirtschaftsforschungsinstitut in seinen Studien festgestellt hat – auch das muss immer wieder betont werden –, dass die beiden Konjunkturpakete und auch die Steuerreform der Bundesregierung wichtige Maßnahmen waren. Damit konnten 41 000 Arbeitsplätze abgesichert werden. Auch die Arbeitsmarktpakete, die diese Bundesregierung beschlossen hat, haben sichergestellt, dass 45 000 Arbeitsplätze gerettet beziehungsweise neu geschaffen wurden. Das ist wichtig, das ist gut, das ist richtig so. Diesen Weg werden wir weiter fortsetzen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)


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Ein Aspekt ist dabei zweifellos die Kurzarbeit. Ein weiterer Aspekt war die Altersteilzeit, die mit einem Solidaritätsprämienmodell kombiniert wurde, wodurch zusätzlich Men­schen in einem Betrieb wieder Beschäftigung bekommen konnten. Ich möchte mich bei dieser Gelegenheit auch sehr, sehr herzlich bei den Sozialpartnern bedanken, die dabei ganz hervorragende Arbeit geleistet haben.

Wie geht es weiter? – Wir werden im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens dafür Sorge tragen, dass auch dort Menschen in Beschäftigung kommen. Es werden zusätzlich mehr als 6 000 Menschen in diesen Bereichen qualifiziert werden. Ebenfalls ein wichtiger Schwerpunkt ist nach wie vor der Bereich der Frauenbeschäftigung. Ein für mich ebenfalls sehr wesentlicher Punkt ist, dass im Jahr 2010 im Zusammenhang mit der Integrationsoffensive 21 000 Menschen die Möglichkeit gegeben werden soll, Deutschkurse zu besuchen, denn damit ist sichergestellt, dass es diese Menschen in Österreich mit besseren Sprachkenntnissen leichter am Arbeitsplatz haben.

Sehr geschätzte Damen und Herren, meiner Überzeugung nach ist Sozialpolitik ein sehr wichtiger Indikator dafür, wie es in einem Land, in einer Demokratie aussieht. Für mich ist es wichtig, dass Sozialdemokratie, dass Sozialpolitik weiterentwickelt werden muss. (Abg. Mag. Stadler: Das war eine Freudsche Fehlleistung!) Für mich ist es wichtig, dass man immer das Wohl der Menschen im Auge behält, und ich denke mir, dass unser Sozialstaat und das, was wir an sozialen Grundregeln und Richtlinien haben, eine sehr wertvolle Grundlage und Richtlinie sind, die wir weiter pflegen sollten, die wir weiterentwickeln sollten, im Sinne der Menschen, für die wir arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Bucher. – Bitte.

 


11.07.06

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister Hundstorfer, wenn Sie sich schon sozusagen freiwillig mit einer Erklärung auf die Tagesordnung setzen lassen, dann hätten wir uns auch eine Erklärung erwartet (Abg. Mag. Stadler: Nicht nur eine Uhrzeit!), nämlich eine Erklärung darüber, was Sie für diese über 400 000 Menschen, die in Österreich Arbeit suchen – das ist eine Rekordarbeits­losigkeit in der Zweiten Republik –, zu tun gedenken, und nicht eine Vorlesung über die Arbeitsmarktstatistik (Abg. Mag. Stadler: Uhrzeit!), denn lesen können wir selbst! (Beifall beim BZÖ.)

Herr Bundesminister, wir hätten von Ihnen gerne einmal erfahren, was Sie zu tun gedenken, damit die Arbeitslosigkeit in Österreich wieder nach unten geht, welche Maß­nahmen Sie setzen, um den arbeitsmarktpolitischen Aspekt und den Regierungs­auftrag zu erfüllen. (Abg. Riepl: Sie sollten erklären, warum Kärnten pleite ist!) Das wäre eigentlich heute hier im Hohen Haus Ihr Auftrag gewesen, aber nicht, eine Vorlesung zu halten.

Sie sind schlecht beraten, Herr Bundesminister, wenn Sie sich von einer Frau Ederer oder einem Herrn Androsch beraten lassen. Man sieht ja, dass das nur danebengehen kann, denn in beiden Unternehmen, sowohl bei Siemens als auch bei AT&S, werden Mitarbeiter entlassen und auf die Straße gesetzt. (Abg. Riepl: Erzählen Sie einmal, was in Kärnten alles danebengegangen ist!) Von solchen Persönlichkeiten sollten Sie sich eher verabschieden oder Abstand nehmen. (Beifall beim BZÖ.)

Nehmen Sie endlich zur Kenntnis, dass Sie auch einmal innovative Maßnahmen setzen sollten, um dieser verheerenden Arbeitsmarktpolitik etwas entgegenzusetzen!

Nehmen Sie einmal unseren Vorschlag auf! Wir haben gesagt, würde nur jede Zweite der vielen Ein-Personen-Gesellschaften, jedes Zweite der Ein-Personen-Unternehmen


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in unserem Land – es gibt genug davon, es sind insgesamt 200 000, 300 000 – einen Mitarbeiter einstellen und würden Sie die Lohnnebenkosten für diese Mitarbeiter um 50 Prozent senken, so wäre das unterm Strich für den Staat immer noch ein Gewinn, immer noch ein Erfolg. Es wäre vor allem aber ein arbeitsmarktpolitischer Erfolg in unserem Land. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Hundstorfer.) Das wäre zum Beispiel eine Vorgehensweise, die Sie wählen könnten. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: So schafft man Arbeitsplätze, Herr Minister!)

Ich komme jetzt zu dem Bereich, den Sie völlig ausgespart haben, nämlich zur Min­destsicherung. Diese war Ihnen nicht einmal eine Erwähnung wert. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Hundstorfer. – Abg. Riepl: Da haben Sie nicht gut aufgepasst! Sicher hat er etwas dazu gesagt!) Aber die ÖVP hat ja sozusagen schon ein Loblied auf die Mindestsicherung gesungen.

Herr Bundesminister, vor allem aber liebe Mitglieder der ÖVP! Wenn Sie die Mindest­sicherung als großen Erfolg darstellen, muss ich Sie wirklich fragen, inwieweit Ihnen der Leistungsgedanke und die Leistungswilligkeit in unserem Land überhaupt noch ein Anliegen sind, denn die Mindestsicherung heißt de facto, dass Sie jene, die nicht arbeiten wollen, gegenüber jenen, die leistungswillig und leistungsorientiert sind, bevor­zugen! Schauen Sie sich das doch einmal an! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf der Abg. Mag. Rudas.)

Die Frage, die ich Ihnen stelle, Herr Bundesminister, ist ganz einfach – die bekommen Sie auch auf der Straße von den Menschen gestellt; sie ist ganz einfach (Abg. Riepl: Sie haben das noch immer nicht verstanden!) –: Warum soll jemand arbeiten gehen, wenn er als Mindestsicherung 744 € erhält (Abg. Riepl: Weil er für das Arbeiten mehr Geld kriegt, kapieren Sie das nicht?), während eine Angestellte in einem Lebens­mittelmarkt oder ein Tankwart gerade einmal 860 € für 40 Stunden in der Woche bezahlt bekommen? (Abg. Riepl: In Kärnten ist das so!) Das sind 100 € Unterschied pro Monat! Da arbeitet jemand 40 Stunden pro Woche und bekommt im Monat 100 € mehr! (Ruf bei den Grünen: Das sagt einer, der 12 000 € bekommt!)

Wie rechtfertigen Sie diese Entscheidung gegenüber jenen, die in unserem Land Leistungen erbringen wollen? – Das ist mir schleierhaft, diese Erklärung werden Sie niemals zustande bringen. Sie werden daran scheitern, weil die Menschen in unserem Land diese Ungerechtigkeit nicht dulden werden. (Beifall beim BZÖ.)

Wir sagen ganz klar: Natürlich muss es für jene Menschen, die vorübergehend in die Arbeitslosigkeit geraten, eine Absicherung geben – überhaupt keine Frage. (Ruf bei der SPÖ: Genau das ist es!) Dazu sind wir verpflichtet, und das ist auch die Verant­wortung eines Wohlfahrtsstaates. Wir stehen auch zu den 744 €, überhaupt keine Frage. Niemand soll weniger bekommen, aber er soll auch eine Gegenleistung erbrin­gen müssen, wenn er 744 € vom Staat erhält, und die sollte man in irgendeiner Weise auch einfordern dürfen.

Derjenige sollte vom Bürgermeister oder von wem auch immer in seiner Gemeinde dazu angehalten werden, sich für irgendwelche sozialen Tätigkeiten zur Verfügung zu stellen. Wenn es einen Buchhalter trifft, dann soll er beispielsweise die Buchhaltung für einen gemeinnützigen Verein machen. Damit wäre er in Beschäftigung, damit würde er gebraucht. Und das Gefühl, gebraucht zu werden, meine sehr geehrten Damen und Herren gerade von der Sozialdemokratie, ist doch das wichtigste Gefühl im Leben überhaupt. Nehmen Sie sich dieses Gedankens einmal an. (Beifall beim BZÖ.)

Der zweite wesentliche Punkt in diesem Zusammenhang ist der Abstand von der Min­destsicherung zum Mindesteinkommen. Dieser Abstand muss mehr als 30 Prozent ausmachen, sonst wird niemand freiwillig in Beschäftigung gehen, sondern die Min­dest­sicherung in Anspruch nehmen. (Zwischenruf des Abg. Grosz.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 49

Bei der Mindestsicherung, meine sehr geehrten Damen und Herren, warten einige Fallen auf uns. Herr Bundesminister, weil Sie auch für die Pensionen verantwortlich sind: Was machen Sie mit jenen, die über einen Zeitraum von mehreren Jahren die Min­destsicherung in Anspruch nehmen und denen dann am Ende die Pensions­versicherungszeiten fehlen? Was machen Sie mit diesen Menschen? Sagen Sie den Menschen, die die Mindestsicherung in Anspruch nehmen, gleich in der ersten Stunde, dass sie auf die Pensionsversicherungsjahre zu achten haben, sonst werden sie später große Probleme haben, überhaupt eine Mindestpension zu bekommen!

Ich verstehe überhaupt nicht, dass die ÖVP bereit ist, da mitzugehen. Ich habe immer gedacht, die ÖVP würde sich zumindest einer gewissen Leistungsorientierung in unse­rem Staat annehmen und etwas dafür tun. Davon haben Sie sich komplett verab­schiedet, Sie sind eine Steuererhöhungspartei und eine, die die Mindestsiche­rung in Österreich einführen will. (Beifall beim BZÖ.)

Weil Sie auch immer wieder beklagen, Herr Bundesminister, dass es so viele Teil­zeitjobs in unserer Republik gibt (Bundesminister Hundstorfer befindet sich in einem Gespräch – Abg. Ing. Westenthaler: Er hört gerade nicht zu!): Das suchen sich sehr viele in unserem Land nicht freiwillig aus.

Es gibt dazu ein tolles Rechenbeispiel: Ein Teilzeitbeschäftigter bekommt in Österreich im Monat netto 680 €. Er bekommt über die Sozialtransfers unterm Strich am Monats­ende 1 365 €. Jemand, der 40 Stunden in der Woche arbeitet, vollzeitbeschäftigt ist, be­kommt 1 055 € im Monat. (Abg. Riepl: Eine Rechnung aus dem Märchenbuch!) Das heißt, jemand, der voll beschäftigt ist, zahlt drauf und hat unterm Strich pro Monat um 310 € weniger. (Abg. Brosz: Das ist aus der „Presse“, oder?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit solch einem Steuer- und Umverteilungs­modell werden wir den Leistungswettbewerb in Europa nicht gewinnen, sondern weiter zurückfallen! (Beifall beim BZÖ.)

Daher sage ich und sagen wir vom BZÖ: Wir brauchen keine Steuererhöhungsdebatte, sondern wir müssen die Steuern senken, dann geht es wieder bergauf mit Beschäf­tigung und Wohlstand in unserem Land. (Beifall beim BZÖ.)

Schauen Sie in die Bundesrepublik Deutschland! Dort wird darüber diskutiert, welche Steuern gestrichen oder welche Steuern minimiert werden sollen. Die Diskussion hier in Österreich ist eine völlig falsche, da wird der Wettbewerbsstandort Österreich auf eine schwierige Probe gestellt. Die Situation am Arbeitsmarkt wird sich weiter ver­schärfen, und die Verantwortung dafür trägt diese Bundesregierung. (Anhaltender Bei­fall beim BZÖ.)

11.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Katzian. – Bitte.

 


11.15.00

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Klubobmann Bucher, das alles wird nicht wahrer, wenn Sie es immer wieder sagen und immer die gleichen Argumente vertreten, denn das, was Sie uns jetzt versucht haben zu vermitteln, sowohl zur Mindestsicherung als auch zur Steuerthematik, ist in Wirklichkeit der Schmäh, mit dem Sie und andere marktgläubige Neoliberale in den letzten Monaten immer wieder unterwegs waren. (Beifall bei der SPÖ.)

Steuern senken sichert Beschäftigung – wenn das funktioniert hätte, hätten wir keine Wirtschaftskrise mit jenen Auswirkungen gehabt, über die wir jetzt zu diskutieren haben, und stünden wir nicht vor dem Scherbenhaufen dieses gescheiterten Modells. Sagen Sie doch endlich die Wahrheit! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Nicht die


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„bösen“ Steuern! – Abg. Ing. Westenthaler: Wie ist das mit den „guten“ und „bösen“ Steuern?)

Was Sie und auch andere, die immer so tun, als wäre die Mindestsicherung eine soziale Hängematte, verschweigen, sind die Fakten. Sie tun so, als könnte sich jeder aussuchen, ob er arbeitet oder nicht arbeitet und dafür eine Mindestsicherung be­kommt. Das stimmt ja nicht! Es gibt eine ganze Menge an Zugangshürden, um diese 744 € zu bekommen. Die Personen müssen für das AMS verfügbar sein, und ehe der Staat zahlt, muss auch sichergestellt sein, dass ein Vermögen über einer Freigrenze von 3 720 € abgebaut wurde. Lebensversicherungen müssen aufgelöst werden, Autos müssen verkauft werden, und wenn jemand ein Eigenheim hat, dann kann er dort bleiben, aber nach sechs Monaten lässt sich das Amt als Besitzer des Eigenheimes eintragen. Sagen Sie diese Dinge auch dazu! Lügen Sie die Menschen nicht an (Zwi­schenruf der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Grosz) und tun Sie nicht so, als würden die Leute in Wirklichkeit nur kassieren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Ing. Wes­tenthaler: Ordnungsruf! Herr Präsident, schreiten Sie ein! – Abg. Grosz: Herr Präsident, ein Ordnungsruf!) – Ja, ist in Ordnung.

Meine Damen und Herren, es wurde in den Raum gestellt, dass die Zahlen, die uns der Sozialminister heute präsentiert hat, eine Momentaufnahme sind, und das ist von einigen kritisiert worden. Lieber Herr Sozialminister, eine Momentaufnahme, aus der hervorgeht, dass sich die Situation im Vergleich zu den Zahlen, die wir aus den letzten Monaten kannten, derart verbessert hat (Abg. Ing. Westenthaler: Weil die Bauwirt­schaft wieder da ist, das ist ja keine Frage!), bleibt natürlich eine Momentaufnahme, aber die Tatsache, über die wir uns alle gemeinsam freuen sollten, ist, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Im März beginnt der Bau!) Das ist etwas Positives, und das brauchen wir uns auch von niemandem zu­sammenschießen und schlechtreden zu lassen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir können uns darüber freuen, dass die Arbeitslosigkeit zurückgegangen ist (Abg. Ing. Westenthaler: Weil im März der Bau beginnt!), andererseits können wir uns aber nicht darüber freuen, dass sie nach wie vor hoch ist. Daher ist es klar, dass auch weitere Maßnahmen gesetzt werden müssen.

Tatsache ist, dass wir – die Bundesregierung gemeinsam mit den Sozialpartnern – viele Maßnahmen gesetzt haben, die zu diesem positiven Ergebnis und zu dieser Entwicklung geführt haben. Da geht es natürlich auch um die Konjunkturpakete, die wir geschnürt haben. Da geht es um die Arbeitsmarktpakete, da geht es um die Tatsache, dass wir 60 000 Menschen in diesem Land durch die Maßnahme der Kurzarbeit und durch die Verlängerung und Verbesserung der Kurzarbeit in Beschäftigung halten konnten. Tun Sie doch nicht so, als wäre das alles nichts!

Schauen wir uns die Entwicklung in anderen Ländern an, und wenn etwas gut funk­tioniert hat, dann sagen wir dazu auch: Ja, das hat gut funktioniert!, und loben wir doch auch diejenigen, die das gemacht haben! Das heißt ohnehin nicht automatisch, dass alles andere damit vom Tisch ist. Und natürlich müssen wir auch in Zukunft Maß­nahmen setzen. (Abg. Ing. Westenthaler: Reg dich nicht so auf! – Abg. Grosz: Das ist nicht gut für das Herz!)

Wenn heute vielfach darüber diskutiert wird, wie das Budget saniert werden soll, und die Diskussion trefflich darüber geführt wird, ob diese Sanierung einnahmen- oder ausgabenseitig stattfinden soll und in welchem Ausmaß, dann sage ich, wir müssen jetzt, heute und hier, beginnen, darüber zu diskutieren, ein drittes Konjunkturpaket zu schnüren. Es besteht noch einmal die Notwendigkeit, dass der Staat Geld in die Hand nimmt. Wir müssen im Bereich der sozialen Dienstleistungen, im Bereich der ther­mischen Sanierung investieren, denn diese Investitionen sind notwendig, um einen


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weiteren Abbau der Arbeitslosigkeit voranzutreiben. Das ist aktive Politik, das sind aktive Maßnahmen, und die werden wir auch entsprechend setzen und vorantreiben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte zum Abschluss noch Folgendes erwähnen, weil es mir wirklich sehr wichtig ist: Wenn hier Willi Haberzettl im Zusammenhang mit Frühpensionistinnen und Früh­pensionisten angegriffen wird, dann kann ich das alles gut nachvollziehen. Aber meine Bitte an all jene, die mit dieser Argumentation hausieren gehen, ist: Sagen Sie auch Ihren Freunden in den eigenen Reihen, nämlich den Personalchefs in den großen Unternehmen, die alle eine Liste im Schreibtisch liegen haben, wer vielleicht schnell und bald in Pension gehen könnte (Abg. Ing. Westenthaler: Die Frau Ederer! – Abg. Grosz: Ederer und Androsch!): Machen Sie eine andere Politik! Helfen Sie mit, die Beschäftigungsquote der über 50-Jährigen in diesem Land entsprechend zu erhalten, und treiben Sie die Leute nicht in die Frühpension hinein! – Auf der einen Seite treiben Sie sie hinein, und nachher regen Sie sich auf, dass so viele Leute in Frühpension sind. Das kann es nicht sein, und so wird es auch nicht funktionieren. (Beifall bei der SPÖ.)

11.20


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte. (Abg. Ing. Grosz: Herr Präsident! Ordnungsruf?! – Abg. Ing. Westenthaler: Ordnungs­ruf, Herr Präsident! Gibt’s da keinen Ordnungsruf, keine Rüge mehr? Ist der auch schon abgesagt? – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Herr Kollege, man darf etwas überhören. Ihre Reaktion ist nicht angemessen, aber wir können dann unter vier Augen darüber reden. (Neuerliche Zwischenrufe beim BZÖ.)

Am Wort ist Frau Abgeordnete Steibl. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Er gibt es doch selber zu! Er gibt es doch selber zu! Das ist ja unglaublich! – Abg. Grosz: Das ist ja unglaublich! Das ist eine Vorsitzführung! – Abg. Ing. Westenthaler: Er hat es selber zugegeben, aber Sie wollen über die Fernsehzeit drüberkommen, das ist der Skandal!)

 


11.21.19

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Jugend auf der Galerie! Es geht nicht immer so zu bei uns, aber in einer Demokratie muss es eine Diskussion geben. Ich hoffe, dass Sie nicht einen ganz schlechten Eindruck von uns haben. (Beifall bei der ÖVP. – Weitere Zwischenrufe beim BZÖ.)

Es ist eigentlich meine Redezeit, und ich würde darum bitten, dass ich zumindest meine 5 Minuten ausnützen kann.

Werte KollegInnen! Moderne und nachhaltige Arbeitsmarktpolitik hat Antworten zu geben auf die aktuellen Erfordernisse in der Lebensplanung der Menschen und insbe­sondere auch im Bereich Frauen und Arbeit und bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Frauen leisten in Österreich fast zwei Drittel der unbezahlten Haus-, Betreu­ungs- und Versorgungsarbeit, und über 64 Prozent gehen zusätzlich noch einer Erwerbsarbeit nach, und das oft mehr als 40 Stunden. Das heißt, sie kommen auf eine 60-, 70-Stunden-Woche.

Wichtig ist meiner Meinung nach – es wurde ja angesprochen – sehr wohl auch die Möglichkeit, eine gewisse Zeit Teilzeit zu arbeiten, Elternteilzeit zu nehmen, und dazu gehört natürlich auch die Unterstützung und die Förderung von qualifizierter Teilzeit­arbeit. Niemand von uns will jemanden ein Leben lang Teilzeit arbeiten lassen oder dazu verpflichten, weil das natürlich dann am Schluss, wenn es in Richtung Pension geht, Probleme ergibt.


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Wenn man von der Vereinbarkeit von Beruf und Familie spricht, dann geht es auch um Verlässlichkeit, um Verlässlichkeit in Bezug auf Kinderbetreuung. Gerade in der Steier­mark – und ich war heute sehr entsetzt, als ich hier in Wien beim Frühstück die „Kleine Zeitung“ gelesen habe – gibt es nunmehr seit gut einem Jahr, also seit gut einem Jahr vor der Wahl, ab dem vollendeten dritten Lebensjahr den Gratiskindergarten für alle. Und heute lese ich in der „Kleinen Zeitung“, dass Landeshauptmann Voves das reduzieren oder abschaffen will – aber erst 2011, denn dann ist die Wahl schon vorbei. (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Da frage ich mich schon ganz dezidiert, was das soll! Ja, man muss nachdenken über die Fragen: Wie staffelt man etwas?, und: Muss alles gratis sein?, aber den Gratis­kindergarten einzuführen und dann gleich wieder abzuschaffen, den Frauen aber zu suggerieren: Ihr könnt jetzt beruhigt arbeiten gehen, das wollen wir, das wollen die Sozialdemokraten!, und dann schaffen Sie ihn wieder ab?! – Also, wenn in dieser Richtung vorgegangen wird, dann bin ich nicht dafür. (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der ÖVP: Unerhört! Weg mit Voves!)

Es wurde auch von der Mindestsicherung gesprochen. Ja, wir müssen da aufpassen – und dafür ist im Gesetzentwurf vorgesorgt –, dass sie, wie es immer heißt, nicht zu dieser „Hängematte“ wird. Das ist ein Wort, mit dem man aber sehr vorsichtig umgehen muss. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das AMS und die Sozialhilfebehörden sehr gut vernetzt sind, um Missbrauch zu verhindern. Das wäre ein wichtiges Signal für all jene, die die ganze Woche für wenig Geld schuften, und es würde jenen, die ein gutes Gehalt beziehen, zeigen, dass der Staat mit den Steuergeldern – denn diese zahlen ja Steuern – gewissenhaft umgeht.

Es wurden schon die Niedriggehälter angesprochen. Ich denke, dass die unter­tarifier­ten Kollektivverträge raschest angehoben werden müssen, damit diese Beschäftigten jedenfalls mehr bekommen, als die Mindestsicherung bringen würde. Das ist nämlich ein primäres Frauenproblem, weil Frauen oder Mädchen nach wie vor leider immer noch häufig diese fünf Frauenberufe – Verkäuferin, Friseurin, und, und, und – ergrei­fen. Also das muss man in diesem Zusammenhang angehen, und da sind die Sozial­partner gefordert.

Es wurde auch von der Jugendbeschäftigung gesprochen. Ja, das ist ein zentrales Problem. Die Jugend ist unsere Zukunft! Und da möchte ich nur noch ein Projekt beziehungsweise ein Modell aufzeigen, das in der Steiermark auf Initiative auch von Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer umgesetzt wird (Abg. Wöginger: Dem künftigen Landeshauptmann!), nämlich die Möglichkeit der Green Jobs. Es sollen in der Steiermark an die 600 Arbeitsplätze im Energie- und Umwelt­technikbereich geschaffen werden. (Abg. Grosz: Das glauben Sie selbst nicht! Das glaubt ja kein Mensch in der Steiermark!)

Weil auch das AMS angesprochen wurde, möchte ich eines sagen: Gerade das AMS Steiermark leistet exzellente Arbeit, auch im Frauenbereich, auch in der Kooperation mit dem Unternehmensgründungsprogramm. Der Herr Bundesminister hat gesagt, 361 Arbeitsplätze wurden geschaffen; ich möchte nur darauf hinweisen, dass ein Großteil in der Steiermark geschaffen wurde, auch in Kooperation mit Einrichtungen wie dem Gründerinnenzentrum Steiermark, wie der Gründerberatung der Wirtschafts­kammer und noch weiteren, um junge Menschen, aber insbesondere eben auch ältere Menschen wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu bringen oder dort zu halten.

Zusammengefasst: Uns ist es wichtig, Arbeitsplätze zu schaffen und nicht Arbeitslosig­keit! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Dr. Oberhauser.)

11.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 53

11.27.01

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mir gerade heute wieder gedacht, als ich die Erklärung des Herrn Sozialministers gehört habe: Mensch, dieser Herr Hundstorfer wäre tatsächlich eine echte, effektive Verstärkung für das Redaktionsteam der ORF-Sendereihe „Am Schau­platz“! Da würden Sie sehr, sehr gut hinpassen, Herr Minister, denn wir haben in den letzten Tagen auf eine beschämende Art und Weise erlebt, dass man sich dort insbesondere damit beschäftigt, die Tatsachen nicht so darzustellen, wie sie sind, sondern an Verdrehungen zu arbeiten und Bilder zu skizzieren, die in keiner Weise der Wirklichkeit entsprechen oder, wenn man es vornehm formuliert, sehr, sehr wenig damit zu tun haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau in diesem Fahrwasser der politischen Science-Fiction sind Sie ja mit dem Vortrag, den Sie uns heute hier gehalten haben, auch, in dem Sie Zahlen von irgendwo zwischen Mitternacht und 1 Uhr – aber auf jeden Fall nicht diejenigen, die auch uns vorliegen und über die wir eigentlich diskutieren sollten – aus dem Hut gezaubert haben. Ich gehe davon aus, dass der Kollege Brosz, der sich gestern in dieser Angele­genheit besonders hervorgetan hat, gemeinsam mit dem Kollegen Walser und ein paar Freunden von der SPÖ vielleicht einen Ed-Moschitz-Preis für realitätsverzer­rende Dar­stellungen der politischen Wirklichkeit einrichten wird. Ich würde mich dafür stark­machen, dass Herr Hundstorfer der erste Preisträger in dieser Angelegenheit wird, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FPÖ.)

Denn: Das eine ist, irgendwelche Fakten hinzustellen, das Zweite ist aber die Frage, wie man sie analysieren muss. Wie schaut es aus? – 400 000 Arbeitslose. Die Tendenz ist steigend. Keine Rede von Entwarnung, so wie Sie das gesehen haben! – Sie sagen, das ist eh einigermaßen in Ordnung. Ja, wo sind denn bitte die Zeiten, als SPÖ-Vertreter und -Gewerkschafter hier am Rednerpult oder auf den großen Plätzen dieser Republik gestanden sind und von Vollbeschäftigung geredet haben? Wenn ich von Vollbeschäftigung rede, dann meine ich auch Vollzeitbeschäftigung – und nicht irgendetwas, das den Namen „Arbeit“ in Wirklichkeit gar nicht mehr verdient. Davon haben Sie sich um Lichtjahre entfernt! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sagen, 400 000 Arbeitslose, das ist eine beschämende Situation. Beschämend ist das! Und dann wollen wir das Schicksal derer, die ohnehin hart gezeichnet sind, dadurch verbessern, dass wir darüber diskutieren wollen, ob man nicht das Arbeitslo­sengeld endlich erhöhen sollte, ob man nicht im Bereich der Notstandshilfe eine Anpassung nach oben vornehmen sollte – und dann erntet man von der SPÖ eine Abfuhr nach der anderen! Was ist denn das für eine Partei, die für sich in Anspruch nimmt, die arbeitenden Menschen in dieser Republik zu vertreten? – Das ist doch ein Witz, Herr Sozialminister!

85 000 Menschen in Schulungen – Tendenz steigend. Tendenz steigend! Dort haben Sie sie hinverfrachtet. Und es ist leider überhaupt nicht so, wie Sie sagen, dass da lauter zufriedene Leute ein und aus gehen, die jubilieren, weil sie dort so gut betreut werden, sondern für viele ist das eine Endstation, in der sie landen und die ihnen im Grunde genommen nicht weiterhilft, keine Sekunde, sondern die die Frustration steigert. Und es ist in manchen Dimensionen sogar menschenverachtend, wie man dort mit Kursteilnehmern umgeht. Das ist doch die Tatsache! (Beifall bei der FPÖ.)

48 000 jugendliche Arbeitlose bis 24 Jahre, und auch da ist die Tendenz steigend. Und da sagen Sie, Sie haben das stoppen können?! – Ja, aber ich sage Ihnen auch etwas dazu: Diese Jugendarbeitslosigkeit verdanken Sie nicht nur der Krise. Das hat nicht nur damit etwas zu tun, sondern das ist auch das Resultat einer Politik, mit der Sie im eigenen Land die Strukturen seit Jahren und Jahrzehnten zertrümmern, mit der Sie dafür sorgen, dass in der Volksschule nichts Gescheites mehr gelernt wird, weil man


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 54

damit beschäftigt ist, in den Ballungsräumen Integrationsarbeit zu leisten. Nicht um Rechnen, Lesen, Schreiben geht es, sondern um die Frage: Wie integrieren wir und wie gehen wir möglichst gut mit dem multikulturellen Pallawatsch um, den Sie uns da aufgezwungen haben?

Sie kommen ja auch im Bereich der Fördermaßnahmen nicht richtig vom Fleck. Wenn eine Ihrer ersten Maßnahmen in dieser Bundesregierung gewesen ist, den Lehrlings­beauftragten, der erfolgreiche Arbeit geleistet hat, hinauszuschmeißen, was ist denn das für ein Signal für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit?

247 000 Menschen sind Working Poor. Auf gut Deutsch heißt das, dass man trotz einer Beschäftigung und einer Tätigkeit zu wenig Geld hat, um davon leben zu können. Da kann man sich doch nicht herstellen und sagen, solche Dinge sind erfreulich!

247 000 Menschen sind es – sehr, sehr viele Frauen im Übrigen, Frau Csörgits –, die davon betroffen sind. Und auch das ist nicht über Nacht gekommen und vom Himmel gefallen, sondern Sie waren diejenigen, die gemeinsam mit der ÖVP diesen Flexibi­lisierungswahnsinn als Allheilsbringer verkauft haben. Sie sind doch durch die Lande gezogen und haben gesagt, das ist nicht nur ein großes Stück Freiheit für die Men­schen, wenn es Teilzeitarbeit und Praktika gibt – und wie das ganze Zeug heißt, wo man keine ordentliche sozialrechtliche Absicherung hat und nichts verdient –, sondern das ist doch ein Beitrag zur Beschäftigungssicherung, denn wenn man möglichst flexibel ist, dann wird man auch gut verwendet werden! – Aber davon haben die Leute nichts, wenn sie den ganzen Tag herumgetrieben werden, keine Familienzeit mehr haben, keine Zeit für gesellschaftliche Aktivitäten, und unterm Strich dann noch zu wenig Geld herauskommt, um davon zu leben, meine Damen und Herren. Das ist doch ein Witz!

Zum Thema Mindestsicherung auch noch ein Wort: Sie haben da einen schönen Pallawatsch beieinander bei dieser Mindestsicherung. Auf der einen Seite haben Sie eine Regelung mit 744 € zwölf Mal im Jahr, wo jeder, der sich damit beschäftigt, weiß: Das ist einfach zu niedrig, um Armut effektiv zu bekämpfen! – Das ist die eine Seite der Medaille. Wenn wir eine Million Leute haben, die an der Armutsgrenze leben, 400 000, die manifest arm sind, und wenn man aber weiß, dass die Armutsgefährdung bei über 900 € beginnt, was wollen Sie dann da mit 744 € abfedern? – Das ist das eine Problem. (Beifall bei der FPÖ.)

Das zweite Problem – wo insbesondere Ihre Partei und Sie als Gewerkschafter geschlafen haben – ist, dass Sie bis heute keine Mindestlöhne zustande gebracht haben, damit es eine entscheidende Differenz zu diesem Einkommen aus der Min­destsicherung gibt. Das wäre angebracht gewesen.

Zum Schluss kommend, meine Damen und Herren: Ich bin sehr bei Ihnen, wenn es darum geht, dass man sagt, auch die Vermögenden sollen jetzt einen Anteil zur Sanie­rung der Krise leisten. Vermögend sind aber nicht nur Personen, sondern auch Ins­titutionen. Und da würde ich Sie einmal bitten, auf Ihre Freunde in der Gewerkschaft Einfluss zu nehmen, damit Sie die 37 Millionen € Steuerschulden, die sie seit 2002 anhängig haben, endlich bezahlen. (Beifall und Bravoruf bei der FPÖ.)

11.32


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Katzian, Sie haben Ihre Rede mit dem Vorwurf und der Verwendung des Wortes „Lüge“ beendet. Sie wissen, dass dieses Wort in unserem Sprachgebrauch nicht vorkommt. Ich gebe Ihnen die Chance, diesen Begriff mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückzuziehen, und erwarte Ihr „Ja“. (Abg. Katzian: Ist in Ordnung! Jawohl!)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schatz. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 55

11.33.18

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Ihre Präsentationen, Herr Minister, sind für mich immer sehr beein­druckend – mit den vielen Zahlen, mit den vielen Maßnahmen, Programmen, Pro­jekten, die Sie uns da vorstellen –, aber es drängt sich halt immer die Frage auf: Ist das auch wirklich das, was wir jetzt brauchen? Und vor allem: Ist es auch das, was die junge Generation jetzt für ihre Zukunft braucht?

14 Prozent aller Jugendlichen beherrschen Grundfähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen nicht. Diese Menschen haben überhaupt keine Chance auf dem Arbeitsmarkt, und es ist eigentlich nicht einzusehen, warum die Arbeitsmarktpolitik das systematische Versagen des Bildungswesens immer kompensieren muss. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien und auch Herr Minister! Sie müssen endlich die Bildungsreform vorantreiben! Das ist essenziell für die Zukunft des österreichischen Arbeitsmarktes. (Ruf bei der SPÖ: Wer blockiert denn ...?)

Zweiter Punkt: Momentan suchen über 5 000 Menschen – junge Menschen – eine Lehrstelle. Wir wissen, mit Ende des Schuljahres werden es noch einmal so viele werden, doppelt so viele. Die Tatsache, dass es in Österreich zu wenige betriebliche Lehrplätze gibt, ist ja kein Phänomen der aktuellen Krise, sondern das war schon in den letzten Jahren so. Sie setzen jetzt Maßnahmen, die die Jugendlichen zumindest einmal „weg von der Straße“, weg vom Computer holen. Aber genügt das? – Ich möchte Ihnen schon sagen, wie sich das in der Praxis immer wieder abspielt:

Ein 16-Jähriger – nennen wir ihn „Max“ – geht zum AMS und meldet sich als Lehr­stellensuchender. Innerhalb von vielleicht vier Wochen, wenn ein Platz frei ist, wird er einem sogenannten Vorbereitungskurs zugewiesen. Danach ist, wenn er Glück hat, ein Platz in der überbetrieblichen Ausbildung frei. Die findet aber nicht nur in Ausbil­dungslehrwerkstätten statt, sondern auch in sogenannten Ausbildungsverbünden. Das heißt, ein Kursanbieter und ein Unternehmer schließen sich zusammen und sagen: Okay, sechs Monate lang ist das eine überbetriebliche Ausbildung.

Jetzt ist mir Folgendes zu Ohren gekommen: Diese Unternehmen in den Ausbil­dungs­verbünden haben nicht einmal alle die Befähigung, Lehrlinge auszubilden! Es gibt Lehrlinge, die sehen in den gesamten sechs Monaten dieses Unternehmen nie! Und dieses Unternehmen denkt nicht im Traum daran, diesen Lehrling nach den sechs Monaten fix zu übernehmen – und das wäre ja eigentlich der Sinn der Sache.

Meine Damen und Herren, es holpert ziemlich in dieser überbetrieblichen Ausbildung! Herr Minister, ich denke, Sie müssen da einfach genauer hinschauen. Wir nehmen da so viel Geld – zu Recht! – in die Hand, aber es kann nicht sein, dass Jugendliche einfach irgendwo zwischengeparkt sind. Das können wir uns nicht leisten.

Klar ist auch der wirkliche Kern des Problems, nämlich das Fehlen der betrieblichen Ausbildungsplätze. Da schauen Sie eigentlich überhaupt nicht hin. Es ist wichtig, dass Sie sich mit dem Wirtschaftsminister zusammensetzen und endlich eine Reform der Lehrlingsausbildung angehen, eine Reform der dualen Ausbildung, die reif ist für das 21. Jahrhundert. Herr Minister, in diesem Bereich vermisse ich leider eine Initiative von Ihnen bisher völlig. Eine solche wäre aber dringend notwendig.

Schließlich noch ein dritter Punkt: „Generation Praktikum“. – Herr Minister, seit Sie im Amt sind, weise ich Sie immer wieder darauf hin, dass in Österreich junge Akademiker und Akademikerinnen systematisch als Billigarbeitskräfte ausgebeutet werden, als sogenannte Praktikanten und Praktikantinnen. Herr Minister, ich vermisse Initiativen von Ihnen, die in Richtung einer Verbesserung der prekären Situation dieser jungen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 56

Menschen gehen. Die sind oft nicht einmal krankenversichert, sie sind meistens nicht arbeitslosenversichert und pensionsversichert. Es würden schon geringfügige gesetz­liche Maßnahmen genügen, um hier Verbesserungen zu bringen – da muss man gar nicht viel Budget in die Hand nehmen.

Wenn Sie dann auf die „Aktion 6000“ verweisen, dann sage ich Ihnen: Diese „Ak­tion 6000“ mit Verbesserungen für die „Generation Praktikum“ in Verbindung zu brin­gen, das ist eine Ente. Wenn Sie sich nämlich anschauen, für wen die „Aktion 6000“ gilt, dann gehören dazu: Langzeitarbeitslose, schlecht qualifizierte Arbeitslose – also nicht gerade das, was junge AkademikerInnen sind – und ältere Arbeitslose bis 45. Vielleicht kommen auch JungakademikerInnen in den Genuss dieser Aktion, aber eine Schwerpunktaktion zur Unterstützung dieser jungen Menschen ist das alles ganz sicher nicht.

Herr Minister, Sie haben sicher viel im Kampf gegen die Krise versucht, aber nicht alles davon funktioniert. Und vor allem: Eine Reihe von Baustellen sind noch völlig unbearbeitet. Da ist noch unheimlich viel offen, und ich muss einfach sagen: Gut gemeint ist halt leider, wie so oft, nicht gut genug. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Molterer: Das merkt man bei Ihrer Rede!)

11.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. – Bitte.

 


11.38.16

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Man sollte jedenfalls die Arbeitsmarktlage nicht auf die leichte Schulter nehmen, sondern man sollte sie ernst nehmen.

Herr Bundesminister, da Sie darauf verwiesen haben – das ist Ihr gutes Recht –, dass die Arbeitslosigkeit jetzt im Frühjahr gesunken ist: Es wäre schon sehr traurig, wenn gerade jetzt im März, wo die Baubranche wieder anspringt, die Arbeitslosigkeit gleich hoch wäre wie im Jänner. Im Jänner ist es kalt, da ruht auf den Baustellen die Arbeit, zumindest zum größten Teil, und im März springt sie halt wieder an.

Es ist auch gut so, dass wir weniger Arbeitslose haben, aber jeder Arbeitslose – und ich glaube, dass wir diesbezüglich hier im Hohen Haus einer Meinung sind – ist einer zu viel. Wir sollten alles daransetzen, dass wir in Österreich zu einer Vollbeschäftigung kommen. Nur: Die Wege dorthin sind unterschiedlich, und auch die einzelnen Frak­tionen haben unterschiedliche Meinungen und Zugänge dazu.

Herr Bundesminister, Sie haben in Ihrem Bericht die aktive Arbeitsmarktpolitik, die Ausbildungsgarantie, die „Aktion Zukunft Jugend“ für 19- bis 24-Jährige und die „Aktion + 6 000“, die Kollegin Schatz gerade erwähnt hat, angesprochen. – Das sind Dinge, die man zwar irgendwie braucht, ja. Es gibt da verschiedene Zugänge, und vieles ist schon versucht worden durch ähnliche Aktionen.

Wichtig ist, dass die Jugendlichen eine Beschäftigung haben und auch einen Job bekommen, und wichtig ist, dass sie einen Vollzeitjob haben, denn von 3,3 Millionen Beschäftigten in Österreich ist natürlich ein erheblicher Teil teilzeitbeschäftigt. Eine Teilzeitbeschäftigung ist selbstverständlich wichtig in einem Familienverbund, in dem ein Teil vollzeitbeschäftigt ist und der zweite Teil eben mehr Zeit für die Familie hat.

Dabei ist aber wichtig, dass wir in diesem Bereich genügend Einkommen haben, dass natürlich für jeden Arbeitslosen gesorgt werden muss, dass es aber auch eine Differenz zwischen dem arbeitslosen Einkommen und einem Mindestlohn gibt. Und beim Mindestlohn, Herr Bundesminister, ist diese Bundesregierung und ist auch die Gewerkschaft nach wie vor säumig.


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Wir brauchen da eine Differenz von mindestens 30 Prozent (Beifall beim BZÖ) zwi­schen dem arbeitslosen Einkommen, also der sogenannten Mindestsicherung, die natürlich auch für die Pensionen in Zukunft gefährlich wird, weil die Leute in diesem Bereich praktisch keine Versicherungszeiten erreichen, und dem Mindestlohn – wobei dieser mit 1 000 € ganz einfach zu niedrig ist. Und mir wird schon angst und bange, wenn der ÖAAB-Bundesobmann und Minister für europäische und internationale Ange­legenheiten Spindelegger sagt, es wäre gefährlich, wenn wir einen Mindestlohn von 1 300 € brutto bei Vollzeitbeschäftigung hätten, weil dann die Pfuscherei zunehmen würde. – Die Pfuscherei nimmt deshalb zu, weil die Leute zu wenig an legalem Einkommen haben, dann gehen sie schwarz arbeiten, damit sie etwas mehr im Sack haben. Deswegen muss der Mindestlohn angehoben werden, Herr Bundesminister! (Beifall beim BZÖ.)

Ich appelliere an Sie, dass Sie gewisse Schlupflöcher im öffentlichen und halböffent­lichen Dienst stopfen, damit dort die BeamtInnen, die als im öffentlichen Dienst Beschäftigte mehrere Privilegien haben, nicht für die Pension in das ASVG wechseln und dadurch früher die Hacklerregelung in Anspruch nehmen können, die sogenannte Langzeitversichertenregelung, wie sie eigentlich richtig heißt, denn das soll eine Rege­lung sein, bei der es keine Abschläge gibt, für den Langzeitversicherten, aber nicht für die Kurzzeitversicherten. Und es sollte auch so sein, wie es ursprünglich gedacht war: mit 45 Beitragsjahren abschlagsfrei in Pension – aber nicht für jene, die nach 40 Jah­ren in Pension gehen und sich die Rosinen herauspicken. Das kann es einfach nicht sein! (Beifall beim BZÖ.)

Wichtig ist, Herr Bundesminister, dass die Einkommen angehoben werden. Dann kann man natürlich auch über das arbeitslose Einkommen reden, und da gebe ich Kollegem Öllinger und den Grünen auch recht, wenn sie sagen, das Arbeitslosengeld ist zu niedrig, aber die Differenz muss entsprechend gewahrt bleiben. Deswegen muss das Einkommen durch Arbeit dann eben um so viel höher sein, damit die Differenz noch gegeben ist, denn Leistung muss sich ganz einfach lohnen. (Ruf bei der ÖVP: Bravo!)

Man sollte aber gleichfalls darauf schauen, dass auch die soziale Balance gewahrt wird und gewährleistet ist. Herr Bundesminister, wir haben auch eine gewisse Verant­wortung jenen gegenüber, die es im Leben nicht so leicht haben – und genau das habe ich in Ihrem Bericht heute vermisst: Sie haben in Ihrer Erklärung kein einziges Wort für die Behinderten übrig gehabt, keines für die Pflegevorsorge, bezüglich der Sie noch vor Kurzem gemeint haben, Sie setzen mehr auf Sachleistungen. Gut, man kann auf Sachleistungen setzen, aber vergessen Sie nicht auf die Leute, die es im Leben nicht so einfach haben!

Diese soziale Schieflage, die wir in Österreich haben, Herr Bundesminister, sehr geehrte Damen und Herren hier im Hohen Haus, muss beseitigt werden. Ich appelliere da auch an die Sozialpartner, daran zu arbeiten, denn das Steuersystem in Österreich gehört umgestellt, Herr Bundesminister. Es kann nicht so sein, dass die Arbeitskraft das teuerste Glied in der Steuergesetzgebung in Österreich ist.

Ich hoffe, Sie nehmen meine Anregungen zur Kenntnis und setzen einiges davon um. (Beifall beim BZÖ.)

11.44


Präsident Fritz Neugebauer: Meine Damen und Herren, da wir sehr gut in der Zeit liegen, schlage ich vor, dass für die nächsten beiden Fraktionsrunden für jeden Rede­beitrag 1 Minute mehr als geplant zur Verfügung steht. (Abg. Grosz: Hurra, 1 Minute mehr für Grosz!)

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser. 5 Minuten. – Bitte.

 



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11.44.17

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum sachlichen Inhalt meiner Rede komme, möchte ich einen der beiden Kollegen vom ORF bitten, die leere erste Reihe des Herrn Strache zu filmen, denn genau das ist das, was wir hier erleben. (Abg. Grosz: Weil auch bei der SPÖ keiner da ist! Kein einziger Sozialdemokrat mehr im Saal! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) Das ist das, was wir hier erleben: Dass sich Herr Strache mit weinendem Auge herstellt und sagt, es ist ihm jeder einzelne Mensch so wichtig und all diese Dinge, und dann hört er sich nicht einmal die Diskussion darüber an, wo man sich anhören könnte, was wir hier zu sagen haben. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl ahmt einen Geigenspieler nach.)

Als es darum gegangen ist, die ORF-Geschichte gestern Länge mal Breite hier breit­zutreten und sie auch heute – in einer Arbeitsmarktdiskussion – sowohl von Ihnen, Herr Kickl, als auch von Herrn Strache wieder zum Thema zu machen (Abg. Kickl: Na, auch!), da war er die ganze Zeit anwesend, denn daraus kann man versuchen ein ganz gewisses politisches Kleingeld draußen in den Medien zu schlagen. Wenn es um Sachpolitik geht, dann ist er weg, dann erleben wir ihn hier den ganzen Tag lang nicht! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: ... das tut Ihnen weh, und deshalb ...! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Was wir heute hier hören, ist eine aus Sicht der Opposition und aus Sicht der Regie­rungsparteien klarerweise sehr unterschiedliche Betrachtung dessen, wie die Arbeits­marktpolitik, wie der Bericht unseres Herrn Bundesministers emanzipiert zur Kenntnis gebracht wurde. Wir alle miteinander wissen, dass man das Glas halb voll oder halb leer sehen kann. Ich glaube, dass man unserem Minister mit seiner Herkunft, aber auch mit dem, was er uns täglich vorlebt, nicht vorwerfen kann, dass er ignorant wäre, stolz oder, was man sonst noch gehört hat, voll des Eigenlobes (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Belakowitsch-Jenewein und Kickl), sondern er weiß, was wir und was diese Bundesregierung, die Koalition insgesamt, leisten.

Und was wir hier leisten, ist, dass wir in Österreich vor allem bei den jugendlichen Arbeitslosen wirklich gut dastehen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kickl.) Wir alle wissen, wie schwierig es ist, denn wir alle haben Kinder in unserem Bekanntenkreis, die gerade die Schule abschließen, die eine Lehrstelle suchen, die studieren und die vielleicht danach keinen Arbeitsplatz finden. Und wir wissen, wo Perspektivenlosigkeit hinführt: Perspektivenlosigkeit führt dahin, dass die jungen Menschen zum Teil auf der Straße stehen, und das ist das Bild, das wir als bedrohlich erleben, und das ist das Bild, das Parteien wie die Ihre ausnützen, um Xenophobie und Fremdenhass zu schü­ren. (Beifall bei der SPÖ.)

Genau dahin gehen alle Maßnahmen, die vonseiten der Bundesregierung jetzt ge­macht werden, nämlich junge Menschen weg von der Straße und hin in Beschäftigung zu bringen. Bei den unter 19-Jährigen haben wir mit Stand 2010 ein Minus von 4,6 Prozent bei der Arbeitslosigkeit. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein – einen Zettel hochhaltend –: Nein! ... andere Zahlen!) – Das nicht als Erfolg hinzustellen, dabei wissend, dass jeder Arbeitslose einer zu viel ist, ich glaube, das kann keiner von uns verlangen.

Rudi Hundstorfer hat es schon gesagt: Es beginnt mit der Hauptschule. – In Österreich gibt es eine erkleckliche Zahl an Menschen, die keinen Hauptschulabschluss haben, und genau dahin werden die Maßnahmen gehen, die diese Bundesregierung schwer­punktmäßig setzen wird, nämlich beginnend bei der Frage der Hauptschule (Zwi­schenruf des Abg. Kickl), des Gewährens des Hauptschulabschlusses mit Unter­stützung des AMS, bei dem das AMS die Kosten in die Hand nimmt, um die Situation der jungen Lehrstellensuchenden zu verbessern.


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Gleichzeitig wird es an den Schulen eine Offensive geben, um genau das zu ver­hindern, was wir nämlich jetzt haben: dass die klassische, traditionelle Lehrstellen­suche beginnt, das heißt, dass die Mädchen Friseurin werden wollen – diese klas­sischen Beispiele – und die Burschen Mechaniker, während wir aber wissen, dass in anderen Bereichen noch durchaus einiges an Lehrstellen frei ist. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) – In diese Richtung wird die Beratung laufen.

Herr Kollege Dolinschek hat es gesagt: Rudi Hundstorfer hat die behinderten Men­schen in seinem Bericht nicht erwähnt. Wir haben aber eine relativ gute Arbeitsteilung: Unsere Behindertensprecherin, Kollegin Königsberger-Ludwig, hat diese Zahlen übernommen und sie mir natürlich mitgegeben. Rudi Hundstorfer hat sein Versprechen wahr gemacht und hat für Menschen mit Behinderungen einiges getan (Abg. Grosz: Das erklären Sie mir!), und so haben wir insgesamt einen Anstieg von 5,3 Millionen € in den Förderungen, die zum Teil Individualförderungen und zum Teil Projektför­derungen sind. (Abg. Grosz: Behindertenmilliarde ist gekürzt!) – All das läuft unter der Devise „Beschäftigungsoffensive für Menschen mit Behinderungen“. Das heißt, in die­sem Bereich wurde auf diese Menschen nicht vergessen, sondern ganz im Gegenteil, es wurde einiges getan. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben heute schon einiges über die Generation Praktikum gehört. Kollegin Schatz hat es gesagt: Die Generation Praktikum ist ein Problem. Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, das anzugehen: die eine ist das, was der Herr Finanzminister macht, nämlich einen Praktikanten auszuschreiben, um mit ihm auf Bälle zu gehen, die andere ist das, was Wolfgang Katzian macht, nämlich einen Praktikanten auszuschreiben, der kollektivvertraglich entlohnt wird und dort auch etwas für sein Leben lernt und das auch für seine Bewerbungen verwenden kann. – Das heißt, es gibt einen Unterschied zwischen der Generation Praktikum für den Ball und der Generation Praktikum im Kollektivvertrag mit durchaus guten Chancen für den Arbeitsmarkt.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Ich bin sehr froh, dass hinter mir ein Minister steht (Abg. Ursula Haubner: Sitzt! – Zwischenrufe bei der FPÖ), der keine Kristallkugel braucht, sondern der sehr wohl weiß, was er in seinem Budget hat, nämlich einen deutlichen Anstieg, vor allem für die Maßnahmen für Jugendliche. Das unterscheidet ihn sehr wohltuend von der heute in der Fragestunde anwesenden Justizministerin. (Beifall bei der SPÖ.)

11.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


11.50.01

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Oberhauser, Sie haben auf die Herkunft des Herrn Minister Hundstorfer verwiesen. Diese ist ehrenhaft: Herr Minister Hundstorfer war zuletzt ÖGB-Präsident. Als Sie das gesagt haben, habe ich mich gefragt, wie denn wohl der frühere ÖGB-Präsident Hundstorfer die derzeitige Arbeitsmarktsituation interpretiert und analysiert hätte.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Optimismus ist in der Politik in Ordnung. Ohne Optimismus kommt man nicht aus, aber Optimismus ist nur dann gerechtfertigt, wenn er auf realistischen Basiszahlen ruht. Glas halb voll, halb leer – ich spreche mich dafür aus, den Menschen in Österreich schon die Wahrheit zuzumuten, gerade auch in Sachen Arbeitsmarkt. Die Krise in Sachen Arbeitsmarkt ist für mich erst dann über­wunden, wenn im Jahresabstand die Arbeitslosigkeit nachhaltig sinkt – und, meine sehr verehrten Damen und Herren, das tut sie leider Gottes nicht; noch nicht und


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vermutlich noch eine ganze Zeit nicht, denn die Situation am Arbeitsmarkt ist unver­ändert kritisch.

Ja, Herr Kollege Hundstorfer, ich bin schon bei Ihnen, wenn Sie gewisse Lichtstreifen am Horizont sehen: Der Anstieg der Beschäftigung in den letzten Wochen ist ein solcher Lichtstreifen. Dass es im Bereich der Industrie und dort wiederum im Bereich der Leiharbeiter ein Stück weit besser geht als vor Jahresfrist, ist vielleicht ein solcher Licht- oder Silberstreifen am Horizont, weil es in der Industrie, weil es in der export­orientierten Industrie ein wenig besser geht. (Abg. Ing. Westenthaler – in Richtung Bundesminister Hundstorfer –: Jahresfrist, nicht ... Monate!) Aber, Hand aufs Herz, wir wissen, egal ob das Wirtschaftswachstum bei 1,5, 1,2 oder 1,8 Prozent liegt – in den nächsten Tagen erwarten wir wiederum eher etwas dämpfende Prognosedaten denn optimistische Prognosedaten –, solange wir unter 2 Prozent liegen, wird sich die Situation am Arbeitsmarkt wahrscheinlich nicht nachhaltig verbessern.

Ich konzediere nicht nur dem Sozial- und Arbeitsminister, ich konzediere insbesondere dem AMS weiterhin exzellente Arbeitsmarktpolitik. Im Übrigen, Frau Kollegin Ober­hauser: Es braucht dann schon auch einen Finanzminister Pröll, der spendabel und großzügig genug ist, um dieses Maß an Arbeitsmarktpolitik zu finanzieren. Da geht sehr, sehr viel Geld, gehen sehr, sehr viele Steuermittel hinein, und es wäre auch einmal gut, das anzumerken.

Diese Arbeitsmarktpolitik ist weiterhin gut. Das AMS ist wahrscheinlich das beste Arbeitsmarktservice Europas und damit der Welt. Sie machen das Beste aus einer nach wie vor unverändert schwierigen Situation.

Da ist es ein Trost und ein wichtiger Benchmark, dass unser Arbeitsmarkt innerhalb Europas weiterhin zu den stärksten gehört und nur die Holländer noch bessere Daten haben. Aber seien wir vorsichtig, seien wir demütig und gehen wir realistisch in die nächsten Monate! Sagen wir den Österreichern nicht, dass sie mit nachhaltig sin­kenden Arbeitslosenzahlen rechnen können, sondern sagen wir ihnen, dass es weiter­hin schwierig sein wird, solange das Wachstum nicht deutlich über 2 Prozent liegt. Wie gesagt, das ist aus heutiger Sicht nicht einmal von optimistischer Wirtschafts­for­schungsseite her absehbar.

Sehr geehrter Herr Minister Hundstorfer, noch einen Satz oder zwei zum Thema Mindestsicherung: Solange die Mindestsicherung eine Vereinheitlichung der Sozial­hilfen in Österreich auf einem fairen und transparenten Niveau darstellt, ist sie okay. Aber das ganz Entscheidende an der Umsetzung der Mindestsicherung wird die Frage sein: Wie schaut es in der Praxis aus? Gelingt es da, tatsächlich nur denjenigen Men­schen die Mindestsicherung zugute kommen zu lassen, die eben Sozialhilfe benötigen, die – sagen wir es offen – Sozialfälle sind? (Abg. Bucher: Ja! Nicht die, die alles haben wollen! – Abg. Ing. Westenthaler: Was zu bezweifeln ist!) Gelingt es, so wie es das AMS immer vorgeschrieben hat – im Übrigen auch der frühere Vorsitzende des AMS-Verwaltungsrates, der leider diese Funktion nicht mehr ausüben darf, Professor Steinbach –, dass diese Mindestsicherung nur denjenigen zugute kommt, die tat­sächlich an sich arbeitswillig sind, aber eben aufgrund ihrer Lebensumstände keine Arbeit ausführen können, oder wird sie zur sozialen Hängematte?

Es wird an Ihnen und an Ihren Mitarbeitern liegen, dafür zu sorgen, dass diese Min­destsicherung nicht Letzteres wird, sondern Ersteres bleibt: ein wirklicher Notanker für diejenigen, denen es schlecht geht, die kein Vermögen haben, die keine Unterstützung haben, die arbeitswillig sind, aber leider nicht arbeiten können. Dann ist sie okay.

Wenn das stimmt, dann haben Sie recht gehabt mit dem Trampolin, mit der Elastizität und mit dem Vermeiden einer Hängematte, die wir uns nicht leisten können und die


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den Menschen, die arbeiten, die wenig verdienen, auch nicht zumutbar wäre. (Beifall bei der ÖVP.)

11.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


11.55.09

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben glücklicherweise Ihre Rede damit begonnen, zu sagen, heute ist der 25. März. (Abg. Ing. Westenthaler: Das war das einzige Richtige!) Wenn man die Rede gehört hat, hätte man auch glauben können, es ist der 1. April: Das war eine Scherzrede von oben bis unten!

Sie haben die Wortfolge „es ist erfreulich“ ich weiß nicht wie oft in den Mund genom­men. Also zusammengefasst ist in Wahrheit alles erfreulich, was sich auf diesem Arbeitsmarkt abspielt. Wir haben fast 400 000 Arbeitslose, eine Rekordarbeitslosigkeit in der Zweiten Republik – für Sie ist das immer noch erfreulich.

Sie brüsten sich auch noch damit, dass jetzt Einzelunternehmensgründungen statt­finden – in etwa 61 000, haben Sie gesagt. Haben Sie auch noch die darauf folgende Konkursstatistik? – All das dient doch nur dazu, die Arbeitslosenzahlen hier zu be­schönigen!

Natürlich ist die Arbeitslosigkeit nicht zurückgegangen, und wenn sie jetzt einige Tage lang ein bisschen geringer ist, ist sie eben in den nächsten Tagen ein bisschen höher. Insgesamt, und das spüren die Menschen in diesem Land, sind viele Menschen nach wie vor arbeitslos und viele von Arbeitslosigkeit bedroht. Und das sind Schicksale, Herr Bundesminister, und da geziemt es sich nicht, wenn Sie als Sozialminister sich her­stellen und sagen: Es ist eigentlich alles erfreulich! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man sich dann die Einzelzahlen anschaut, stellen sich schon einige Fragen. 16 000 Jugendliche, die nicht einmal einen Hauptschulabschluss haben, suchen einen Arbeitsplatz. Erklären Sie uns einmal genau, was denn das für Jugendliche sind! Wo haben wir denn die überhaupt? – Ich habe hier eine Statistik vom AMS Wien, und das AMS Wien steht ja wohl jetzt nicht unbedingt im Verdacht, dass es uns nahesteht. Dort kommt man drauf, dass es vor allem ausländische Jugendliche ohne Sprachkenntnisse sind, die auf diesem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar sind. Herr Bundesminister, hier herrscht Handlungsbedarf!

Betreffend Sprachkenntnisse heißt es in der Studie:

„Um sprachliche Barrieren bei der Beratung selbst zu umgehen, könnten beispiels­weise freiwillige Sprachkurse für AMS-BeraterInnen in häufig gesprochenen Sprachen der KundInnen (z. B. türkisch, serbisch, kroatisch) angeboten werden oder Bera­terIn­nen mit entsprechendem Migrationshintergrund aufgenommen werden.“ (Abg. Kickl: ... die Ausländer Deutsch lernen ...!)

Herr Bundesminister, was ist denn das für ein Ansatz?! Der schlägt überhaupt dem Fass den Boden aus! Jetzt sollen die AMS-BeraterInnen vielleicht auch noch Türkisch lernen, damit man türkische Jugendliche beraten kann?! – Also das ist der völlig fal­sche Weg! (Beifall bei der FPÖ.)

Wie wäre es denn, wenn wir einmal darauf schauen würden, dass diese Jugendlichen, dass diese Kinder, dass diese Familien, die zu uns ziehen, Deutsch lernen? Das ist ein Problem, das aus der Schule mitwächst. Das wächst mit im Kindergarten, das wächst weiter mit in der Schule, da es in Wien bereits Schulen gibt, in denen nicht ein einziges


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Kind deutscher Muttersprache ist. Wie soll denn da überhaupt noch Integration funk­tionieren? – Und das zieht sich dann weiter wie ein roter Faden durch.

Dann kommen diese Jugendlichen mit 14, 15 auf den Arbeitsmarkt, haben einen Hauptschulabschluss oder nicht einmal den, können die deutsche Sprache überhaupt nicht, und dann wundert man sich, dass diese Menschen keine Lehrstellen finden! Das ist doch ein Problem, das hausgemacht ist – und da sehe ich von Ihnen überhaupt keine Ansätze! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir jetzt zu wenige Jugendliche ausbilden, dann werden wir das in ein paar Jahren bezahlen, weil wir keine Facharbeiter haben. Und da kommt dann Ihre glor­reiche Aussage, die Sie auch schon getätigt haben: Spätestens im Jahr 2015 brauchen wir weitere Zuwanderung von Ausländern, denn sonst haben wir zu wenige Junge am Arbeitsmarkt. – Wir potenzieren doch dieses Problem! (Zwischenruf des Abg. Mag. Josef Auer.)

Nehmen Sie doch das Problem ernst, lösen Sie es doch im eigenen Land! Schauen Sie doch einmal, dass die Jugendlichen und dass die Familien auch Deutsch lernen! Versuchen Sie endlich einmal, dass die Integration in diesem Land auch wirklich stattfindet! – Das ist doch ein Hauptgrund, warum wir so viele jugendliche Arbeitslose haben. Da hört man von Ihnen überhaupt nichts. (Beifall bei der FPÖ.)

Stattdessen setzen Sie sich hier her, der gesamte Gewerkschaftsbus muss heute antreten, muss sich heute hier herstellen, Ihrer Rede huldigen und Ihnen auf die Schulter klopfen. Frau Kollegin Oberhauser, die ja irgendwo in der Nobelgegend in Hietzing wohnt, hat ja überhaupt keine Ahnung von dem, was sich wirklich abspielt, und dann stellt sie sich hier her in einer etwas unglaubwürdigen Art und Weise und glaubt wirklich, sie kann den Menschen das Blaue vom Himmel erzählen. – Wenn man das heute hier gehört hat, dann werden sich die Menschen, die 400 000 Arbeitslosen, die jetzt daheim vielleicht vor den Fernsehschirmen sitzen, schön bedanken. (Beifall bei der FPÖ.)

Und das zeigen ja auch die Wahlergebnisse, Frau Kollegin Oberhauser! – Das finden Sie zum Lachen; ich finde es zum Weinen (Zwischenruf der Abg. Dr. Oberhauser), dass wir nach wie vor so viele Arbeitslose in dieser Republik haben und dass die Gewerkschaft überhaupt nichts dagegen tut. Das haben Sie als Gewerkschafter absolut verschlafen, und Sie als Bundesminister segnen das mit einem Nichtstun und mit einem Sich-Hinsetzen und irgendwelchen technokratisch vorgetragenen Zahlen ab – nicht zu vergessen, zwanzigmal zu sagen: Das ist alles erfreulich! Die Situation ist wunderbar! Der Frühling kommt auch! Eigentlich können die Österreicherinnen und Österreicher froh und zufrieden sein mit dieser Bundesregierung.

Sie haben gesagt, Sie haben Konzepte, Maßnahmen entwickelt. – Keiner weiß, welche Konzepte genau Sie da entwickelt haben. Das haben Sie ja vorsorglich gleich gar nicht erwähnt, weil wahrscheinlich nicht viel dahinter ist, außer heißer Luft. Das ist das Einzige, was Sie bieten, und das zeigen auch die aktuellen Zahlen.

Das ist auch das, was die Menschen spüren. Das ist auch der Grund, warum Sie von der SPÖ von einer Wahlniederlage zur nächsten eilen – und da wird es keine Trend­wende geben. Da können Sie erzählen, was Sie wollen, Sie sind einfach nicht mehr glaubwürdig. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie haben Ihre soziale Glaubwürdigkeit längst abgegeben – und diese werden Sie auch nicht mehr zurückgewinnen. Da können Sie schönreden, was immer Sie wollen. Die Tatsachen sprechen für sich, und die Menschen in diesem Land spüren das. (Beifall bei der FPÖ.)

12.00



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Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte.

 


12.00.29

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über Jugendbeschäftigung zu reden heißt noch lange nicht, Jugendpolitik zu gestalten. Über Jugendliche lässt sich gerne streiten bezie­hungsweise über Jugendliche lässt sich gerne reden. Aber das alles ist noch nicht Jugendpolitik. Wir hören immer wieder von Politikern und von Politikerinnen, dass die Jugend unsere Zukunft ist. Wir hören immer wieder, dass Jugendliche unseren Wert darstellen, in den wir investieren müssen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren – vor allem an die Gäste auf der Galerie gerichtet –, wissen Sie eigentlich, wer in Österreich für Jugendpolitik zuständig ist? Welcher Minister/welche Ministerin wäre denn zuständig für Jugendpolitik? Nicht der Sozialminister Hundstorfer, der hinter mir sitzt. Nicht die Unterrichtsministerin Schmied, die an sich über Schule und über den Lebensalltag von Schülern und Schü­lerinnen entscheiden müsste. Nein, es ist der Wissenschaftsminister Reinhold Mitter­lehner (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Wirtschaftsminister!) – Wirtschaftsminister! –, der bis jetzt keine einzige jugendpolitische Maßnahme von sich hat hören lassen. Ich habe noch nichts gehört.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Jugendpolitik endet nicht dort, wo über Zahlen, über Lehrverträge diskutiert wird. Aktive Jugendpolitik passiert genau dort, wo die Kinder und Jugendlichen zu Hause sind.

Solange die Bundesregierung aktive Kinder- und Jugendpolitik nicht versteht, solange die Bundesregierung nicht versteht, was Kinder und Jugendliche nachhaltig wirklich brauchen, so lange werden auch die Statistiken, die hier vorgelesen wurden, nach­haltig nicht greifen. (Abg. Mag. Molterer: Die Jugendlichen verlassen die Galerie ange­sichts dieser Rede!)

130 000 Kinder und Jugendliche in Österreich leben in manifester Armut! Was bedeutet das? – Das bedeutet, auf einen Schikurs, auf eine Landschulwoche nicht mit­fahren zu können. Das bedeutet, keine Geburtstagspartys zu Hause feiern zu können. Das bedeutet, nicht ins Kino gehen zu können, nicht mit den Freunden und Freun­dinnen unterwegs zu sein.

Und was bedeutet das dann im Endeffekt? – Es bedeutet Ausgrenzung. Es bedeutet soziale Ausgrenzung von Gruppen, von Freunden und Freundinnen.

Jugendliche, die in beengten Wohnverhältnissen leben, müssen hinaus. Wohin können sie denn gehen, wenn sie hinausgehen? Sie können in Parks gehen, sie können auf öffentliche Plätze gehen. Und dort stören sie dann die Erwachsenenwelt, dort werden sie als Störfaktor der Anrainer und Anrainerinnen immer wieder zur Kenntnis genom­men. Sie haben keinen Rückzugsbereich, sie haben keine Freiräume.

Und das alles, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Jugendpolitik, nicht nur Beschäftigung. Alles das ist Jugendpolitik. Wo sind die Freiräume? Wo ist die wahre und echte Bildung? Wo sind die soziale und die finanzielle Absicherung von Kindern und Jugendlichen? Die gibt es nicht. (Beifall bei den Grünen.)

Kinder- und Jugendpolitik ist viel mehr als das Vorlesen von Zahlen, Herr Minister, und es ist viel mehr als das Diskutieren über Beschäftigung!

Ich schlage Ihnen vor, dass Sie sich endlich einmal mit dem Jugendminister Mitter­lehner zusammentun und über Jugendpolitik wirklich ernsthaft diskutieren. Es gibt auch keinen Ausschuss für Jugendpolitik. Jugend ist immer das Anhängsel von Familie. Das


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muss endlich gestoppt werden. Das muss endlich auch nach außen getragen werden. Das kann nicht so weitergehen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.04


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


12.04.49

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Herr Prä­sident! Herr Bundesminister, Sie kennen sicher die neueste „market“-Umfrage darüber, was den Österreichern und Österreicherinnen besonders wichtig ist. Das ist erstens ein Job, zweitens ein intaktes Gesundheitssystem und drittens sichere Pensionen.

Zu Ersterem, zu dem Job haben Sie uns heute Zahlen zur Kenntnis gebracht, die jeder von uns in der entsprechenden Fachliteratur nachlesen kann. Sie haben eine Analyse gemacht, dass alles paletti ist, dass alles gut ist, dass alles gut läuft. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen, aber wir wissen, dass nicht alles gut läuft und dass große Lücken und großer Handlungsbedarf bestehen. Meine Vorredner meiner Fraktion haben ja schon darauf hingewiesen.

Was wir heute von Ihnen vermisst haben, ist, dass Sie schwerpunktmäßig als Sozial­minister sagen, was in der Gegenwart und in der Zukunft auch aufgrund des Regie­rungsprogramms für Sie sehr wichtig ist. Da haben Sie neben dem so wichtigen Arbeitsthema gewisse Bereiche aus Ihrem Sozialministerium ausgespart.

Gestern stand in der „Wiener Zeitung“, der Chef des Hauptverbandes der Sozialver­sicherungsträger hat gesagt: Wir fahren „mit Vollgas gegen die Wand“, nämlich was das Gesundheitssystem betrifft.

Ich weiß schon, Herr Minister, Sie sind nicht Gesundheitsminister, aber Sie sind einer, der auch für Pflege und Betreuung zuständig ist. Pflege und Betreuung kann man nicht vom Gesundheitssystem trennen. Sie wissen, dass wir da nach wie vor ein ungelöstes Problem haben. Bis heute gibt es kein Gesamtkonzept für die Pflege.

Ich erinnere mich noch an das Jahr 2007, an Ihren Vorgänger, Minister Buchinger, der gesagt hat: Das wird jetzt sofort repariert, das wird sofort aufgegriffen, denn wir haben einen Pflegenotstand, und wir müssen etwas tun! – Bis heute ist nichts geschehen. Wir haben einen Antrag seitens des BZÖ eingebracht. Dieser liegt wie viele andere im Sozialausschuss, der im heurigen Jahr noch nicht getagt hat.

Sehr geehrter Herr Minister, Sie verschließen auch die Augen davor, dass uns Tau­sende Pflegekräfte in Oberösterreich fehlen. Das wäre auch ein Auftrag für Sie als Arbeitsminister. (Beifall beim BZÖ.) Tausende Pflegekräfte fehlen. Ich sehe es am Beispiel von Oberösterreich. Gestern war zu lesen: „Hunderte Plätze in Senioren­heimen leer, weil die Pflegekräfte fehlen.“

Wir haben neue Heime. Die Betten können nicht belegt werden, weil wir keine Pflege­kräfte haben. Wir haben zu wenige Neueinsteigerinnen und Neueinsteiger. Wir haben natürlich immer mehr Alte und Pflegebedürftige. Und wir haben vor allem auch keine Stellen, die nachbesetzt werden, weil es sich niemand leisten kann oder leisten will. – Da hätte ich mir von Ihnen als Sozialminister und als Arbeitsminister schon erwartet, dass Sie auch darauf einmal eine Antwort geben.

Wir vom BZÖ haben einen guten Vorschlag gemacht. Ich weiß, man kann mit diesem Vorschlag allein diese Pflegekräftesituation nicht lösen, aber es wäre eine Chance für die jungen Menschen, in diesen Beruf einzusteigen. Warum schaffen Sie nicht einen Lehrberuf, einen Lehrberuf für Pflege und Betreuung, so wie es erfahrungsgemäß bestens in der Schweiz durchgeführt wird? Das hätte ich mir als neue Idee auch von Ihnen erwartet.


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Ich hätte mir weiters heute erwartet, dass Sie gesagt hätten, wie Sie mit dem Rech­nungshofbericht bezüglich Pflegegeld umgehen, wo es eine überbordende Bürokratie, einen Kompetenzdschungel gibt. Letztendlich zahlt der Einzelne drauf, weil er so lange warten muss, bis das abgewickelt wird.

Statt hier Vorschläge zu machen, philosophieren Sie darüber, ob man nicht das Pflege­geld vielleicht in eine Sachleistung umwandeln könnte. Nicht mit uns, Herr Bundes­minister! Das Pflegegeld – im Jahr 1993 eingeführt – ist eine subjektive Leistung für den Einzelnen, der es braucht, wenn er besonderen Bedarf an Unterstützung hat.

Ich finde es nicht gut, so wie Sie es bei einer Veranstaltung gesagt haben, dass Sie alle Pflegegeldbezieher pauschal hinstellen und meinen: Diese geben ohnehin so viel für ihre Enkelkinder ab, und dafür ist eigentlich das Pflegegeld nicht gedacht! Dagegen verwahre ich mich. Es wird sicher auch den einen oder anderen Missbrauch geben, aber wir brauchen dieses bestbewährte Pflegegeld für die Menschen, damit sie auch frei entscheiden können, wie sie ihre Pflege abwickeln. (Beifall beim BZÖ.)

Das Dritte, was ich noch sagen möchte, sind die Pensionen: Pensionen stellen eine der größten Herausforderungen überhaupt dar, nämlich insofern, als Pensionen für diejenigen, die sie jetzt erhalten, sicher sein sollen, aber – was für uns mindestens genauso wichtig ist – auch die Jungen noch eine Chance haben sollen, eine Pension zu bekommen. Dazu hört man nichts von Ihnen. (Beifall beim BZÖ.)

Sie geben zwar vor Wahlen Versprechen ab, ich denke nur an das Beispiel „Hackler­regelung“: 45 Jahre sind genug!, das war eines der größten Wahlversprechen, jetzt aber tauchen Sie sich bis zum Jahr 2013 durch. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Wahrscheinlich wird das sang- und klanglos auslaufen, und Sie werden vor der ÖVP in die Knie gehen, denn der ÖVP hat diese „Hacklerregelung“ nie gepasst. (Rufe bei der ÖVP: Na! Na!) Daher werden Sie diese „Hacklerregelung“ wahrscheinlich abschaffen lassen.

Diesbezüglich sorgen Sie auch für sehr viel Unsicherheit, für sehr viel Unstimmigkeit bei den Menschen, die 45 Jahre gearbeitet haben. (Präsident Neugebauer gibt neuer­lich das Glockenzeichen.) Da haben wir vom BZÖ ein Modell, das Pensionskonto-Modell, das auch zukunftsweisend und ... (Beifall beim BZÖ.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Den Schlusssatz, bitte!

 


Abgeordnete Ursula Haubner (fortsetzend): Mein Schlusssatz: Sehr geehrter Herr Minister, für mich kommt für Sie im Herbst die Stunde der Wahrheit, wenn die Pen­sionen angepasst werden oder nicht angepasst werden und wenn Sie sagen müssen, wo, bei welchen Sozialleistungen Sie in Ihrem Ministerium ausgabenseitig sparen wer­den! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Redezeit, Herr Präsident!) Da bin ich ge­spannt. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

12.11


Präsident Fritz Neugebauer: Für die nächste komplette Fraktionsrunde stehen je plus 3 Minuten zur Verfügung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Muchitsch. Redezeit: 7 Minuten. – Bitte.

 


12.11.37

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucher! Ich möchte nicht auf diverse unqualifizierte Aussagen und Anschüttungen in Richtung unseres Sozialministers eingehen, ich möchte nur eine Zahl richtigstellen.

Abgeordnete der Oppositionsparteien posaunen hier vom Rednerpult hinaus, dass es 400 000 Arbeitslose wären. (Abg. Ing. Westenthaler: Das stimmt ja!) Bitte verwenden


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wir doch alle gemeinsam hier in diesem Plenum die richtigen Zahlen! Es sind 355 413 Arbeitslose, und jeder Einzelne ist einer zu viel. Das haben wir heute schon gehört. (Abg. Öllinger: Plus Pensionszuschuss-Bezieher! – Abg. Ing. Westenthaler: Sind 400 000!) Glauben Sie mir eines: Ich weiß, was es heißt, Arbeitslosengeld zu beziehen, denn ich habe es leider schon machen müssen, weil ich saisonbedingt am Bau beschäftigt war.

Dazu kommen noch viele andere Menschen und Pensionen. Vielleicht habe ich noch die Möglichkeit, am Schluss, wenn das Licht hier nicht zu blinken anfängt, auch über Pensionen einige Sätze zu verlieren.

Ich möchte jetzt auf das Thema Arbeitslosigkeit eingehen. Jeder hat eigene Vor­stellungen, Varianten, Empfehlungen. Es gibt nur ein Rezept, Arbeitslosigkeit zu verhindern, nämlich in Beschäftigung und in Wirtschaft zu investieren. Und so modern und so aktuell das Wort „sparen“ jetzt ist: Ich vertrete auch die Meinung, ein gescheites Sparen, das ist okay, aber ein Kaputtsparen, das ist nicht okay. (Beifall bei der SPÖ.) Ein gescheites Investieren ist auch okay, aber ein dummes Investieren ist nicht okay.

Es gibt Maßnahmen, wie man durch mehr Beschäftigung zu mehr Einnahmen kommt, wie man durch gescheites Sparen zu weniger Ausgaben kommt. Dazu brauchen wir diesen klugen Mix, dazu brauchen wir diese Variante, um zu sagen: Wo profitiert der Staat, wenn er auch in den nächsten Jahren investiert?

Da gibt es ein Modell, das wir im Jahr 2009 hier alle gemeinsam beschlossen haben, nämlich den Sanierungsscheck, wodurch mit 100 Millionen € vieles an Arbeitsplätzen gesichert wurde, wodurch der Finanzminister mehr eingenommen hat, als er ausgegeben hat. Das ist gescheit investieren, das meine ich damit.

Es gibt einen Wirtschaftskammerpräsidenten Leitl, der vor den Wirtschaftskam­merwah­len sagte: 300 Millionen € für die Sanierung! Es gibt ein WIFO, das mit Zahlen, Daten, Fakten alles fundamentiert hat. Und seit 18. Februar 2010 liegen diese Studien seitens des WIFO in den zuständigen Ministerien: im Wirtschaftsministerium, im Umweltminis­terium und im Finanzministerium. Diese Zahlen, die vom WIFO aufgrund dieses Er­folgsmodells thermische Sanierung berechnet wurden, kennen Sie vielleicht. (Der Redner stellt eine Tafel mit folgender Aufschrift auf das Rednerpult: „Ziel: 3 % Sanie­rungsrate. 300 Mio EURO staatliche Förderung. 2 000 Mio EURO Investitionen. 506 Mio EURO Steuereinnahmen. 312 Mio EURO SV-Beiträge. Minus 295 Mio EURO Arbeitslosengeld. 150 000 Tonnen CO2-Einsparung. 25 000 Arbeitsplätze.“)

Ich frage mich: Wenn wir diese Zahlen kennen, wenn wir wissen, dass 300 Millionen € öffentliche Gelder 2 Milliarden € Investitionen auslösen, dass der Finanzminister um 206 Millionen € durch Umsatzsteuer und durch Kommunalsteuern für die Gemeinden mehr einnimmt ... (Abg. Mag. Molterer: Das ist der Sozialminister! Dort sitzt der Sozialminister!) – Wir sind beim Thema Beschäftigung, Herr Molterer, dort, wo Sie und Ihre Minister leider die Augen verschließen! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir reden hier alle davon, wie das Gesundheitssystem zu finanzieren ist. Wir reden hier alle davon, wie das Pensionssystem zu finanzieren ist. 312 Millionen € durch Sozial­versicherungsbeiträge, 295 Millionen € weniger an Arbeitslosengeldern werden durch dieses Erfolgsmodell erreicht. Wir wissen, wie es geht, wir wissen, was es bringt, wir wissen, was es kostet, und keiner seitens unseres Regierungspartners hat mir noch die Antwort geben können, warum wir es nicht machen.

Ich bitte Sie: Machen wir es! Seit 18. Februar 2010 liegt es in Ihren Ministerien. Machen wir es! Investieren wir in Beschäftigung, wie es unser Sozialminister immer wieder fordert, um dementsprechend auch einen Schuldenabbau zustande zu bringen!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 67

Nun zum Thema Pensionen. Ich muss schon eines korrigieren: Die „Hacklerpension“, die damals unter dem Vorwand geschaffen wurde, dass „Hackler“ diese Pension er­reichen, war ein Schuss ins Knie für alle Menschen, die schwer arbeiten. (Abg. Ursula Haubner: Wir haben eh eine Schwerarbeiterregelung!) Diese Menschen erreichen diese „Hacklerpension“ nicht. Nennen Sie mir einen Bauarbeiter, der 45 Jahre lang durchgehend am Bau beschäftigt ist! (Rufe beim BZÖ: Schwerarbeiterregelung!) Diese „Hacklerregelung“ ist mit 2008 ausgelaufen. Es war die SPÖ, die sie unter Alfred Gusenbauer bis 2010 verlängert hat. (Abg. Kickl: Unbefristet!) Und es war wieder die SPÖ, die sie bis 2013 verlängert hat. (Abg. Ursula Haubner: Unbegrenzt!)

Es gibt jetzt diesen Vorschlag für ein sozial verträgliches Auslaufen der „Hackler­pension“, für ein Zusammenführen von den derzeit sechs Pensionsarten auf vielleicht fünf oder vier, auf Modelle, die die Menschen auch verstehen. (Abg. Ursula Haubner: Dann macht es einmal!) Und Sie gehen hier zum Rednerpult und sagen, sie wird abgeschafft. (Abg. Dolinschek: Schaffen Sie die Privilegien ab!)

Zur Schwerarbeitspension: Kollege Kickl, kennen Sie einen Bauarbeiter, der das 60. Lebensjahr in einem Betrieb erreicht? Wissen Sie, wie viele Bauarbeiter mit 60 Jah­ren noch am Arbeitsmarkt aktiv sind? – 0,4 Prozent von allen 130 000 Bauarbeitern, die in der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse vertreten sind. – Und Sie reden von einer Schwerarbeitspension? (Abg. Kickl: 1,3 Millionen Pensionisten!)

Aus diesem Grund brauchen wir auch eine Reform bei der Schwerarbeitspension, brauchen wir eine Reform bei der Invaliditätspension, weil es nicht länger so sein kann, dass jene Menschen, die in diesem Land schwer arbeiten, durch hohe Abschläge, die Sie im Jahr 2002 eingeführt haben, bestraft werden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das brauchen wir nicht. Daher, Herr Sozialminister, bitte ich dich wirklich, auch in diesem Bereich bei den Pensionen mit der Wirtschaftskammer, mit unserem Koalitions­partner weiterzuverhandeln. Und ich bitte euch wirklich: Machen wir eine gescheite Reform bei der Invaliditätspension und bei der Schwerarbeitspension – im Interesse der betroffenen Menschen! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

12.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. 6 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


12.19.04

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Gäste! Zu meinem Vorredner: Sie sprechen vom „Kaputtsparen“. – Werte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, das Wort „Kaputtsparen“ sollte man jetzt schon zum Unwort des Jahres küren, denn für alle, die wir hier sind, glaube ich sagen zu können: Niemand von uns will irgendetwas kaputtsparen! Das sollte man auch einmal ganz deutlich sagen. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir vom Sparen reden, dann zum Beispiel im Pflegebereich. Brauchen wir Hunderte Stellen, die Pflegegeld auszahlen? – Nein. Es gilt, Strukturen abzuschlanken. Das ist Sparen, so wie wir es verstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Zur Frau Kollegin Windbüchler-Souschill: Sie haben die Familienförderung ange­sprochen. Österreich hat wirklich ein hervorragendes System der Familienförderung. Wir können sehr, sehr stolz sein darauf, was wir für unsere Familien tun. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu Ihrer Kritik an Sozialminister Hundstorfer, werte Opposition. Sie kritisieren, er hätte zu viele Daten und Fakten genannt. – Mir ist es recht, Daten und Fakten zu hören. Ich verlasse mich lieber auf Daten und Fakten als auf Vermutungen. (Abg. Kickl: Ich wette, Sie können keine einzige Zahl wiederholen!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 68

Wir sind sehr froh darüber, dass es sehr viele Maßnahmen für junge Menschen am Arbeitsmarkt gibt – schön so! –, wir stellen uns aber auch die Frage: Was wollen ältere Menschen? Ältere Menschen wollen ein sinnerfülltes Leben, sie wollen nicht zum alten Eisen gehören, sie wollen gebraucht werden. Deshalb ist es ja so dramatisch, wenn Ältere ihren Job verlieren. Aber – und das ist eine gute Nachricht – für Ältere wird sich in Kürze der Wind am Arbeitsmarkt drehen: Nach einer Studie der Allianz wird 2015 der Anteil der Jugendlichen schrumpfen. Was heißt das? Ältere Arbeitskräfte werden dringend wieder gebraucht, und das schon in den nächsten Jahren.

Und was bedeutet das für die Politik? – Wir brauchen dringend Anreize, diese erfah­renen Menschen länger im Job zu halten. Dazu hat der Seniorenbund ein neues Belohnungsmodell ausgearbeitet. Es schafft neue Chancen, es belohnt Leistung. Und was kostet es? – Gar nichts! Kann das funktionieren? – Ja, das funktioniert. Wer länger arbeiten will, über das geltende Regelpensionsalter hinaus, der soll stärker belohnt werden, und zwar so stark, dass es sich im Börsel auch auszahlt.

Das Schöne an diesem Modell: Es nützt nicht nur dem Einzelnen, es nützt auch den Sozialsystemen und dem Finanzminister, also eine Win-win-Situation. Wenn einer länger, über das Regelpensionsalter hinaus arbeitet, soll er plus 6 Prozent Pension bekommen. Bleibt er fünf Jahre, sind das immerhin plus 30 Prozent. Schadet nieman­dem, nützt allen, da kann man doch nichts dagegen haben. Das würde ich Ihnen, Herr Bundesminister, gerne ans Herz legen.

Gleichzeitig möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie die Seniorenvertreter als So­zial­partner zu so guten Gesprächen einladen. Gute Gespräche, gutes Ergebnis – das wünschen wir uns alle.

Ein kurzes Wort noch zur Mindestsicherung, werte Kolleginnen und Kollegen. Ja zur Mindestsicherung, aber keine soziale Hängematte – sonst können wir unseren Senio­ren nicht mehr in die Augen schauen, denn die Durchschnittspension im ASVG beträgt 938 €. Und dafür haben die Pensionisten ein Leben lang gearbeitet. Das möchte ich zu bedenken geben, wenn es auch um die Mindestsicherung geht. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

12.23


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Kitzmüller. – Bitte.

 


12.23.41

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Minister! Werte Gäste auf den Tribünen! Hohes Haus! 2007 waren in Öster­reich 213 600 Personen abhängig von der Sozialhilfe, um überleben zu können. Davon waren 152 500 in der sozusagen offenen Sozialhilfe, diese wurden zu Hause betreut, 61 100 wurden in Pflegeheimen, Altenwohnheimen betreut. Das ist gegenüber 1967 ein Plus von 67 Prozent, meine Damen und Herren! Und das ist noch nicht die Spitze, es kommt noch mehr: Der Sozialhilfebeitrag, den wir leisten müssen, ist um 105 Pro­zent gestiegen!

In Wien sind die Zahlen noch viel ärger, da ist die Zahl der Sozialhilfeempfänger von 34 600 im Jahr 1967 auf heute 88 600 gestiegen – Tendenz steigend, meine Damen und Herren! In Wien hat man ja in vorauseilendem Gehorsam, wie wir Österreicher das ja gerne machen, schon 2006 per Erlass die Sozialhilfe für jeden eingeführt, für jeden, der sich in Österreich gerade aufhält. Das heißt, 2,7 Prozent sind an Nichtinländer gegangen, an Zuwanderer, die Sozialhilfe empfangen haben, meine Damen und Her­ren!

Und Sie reden davon, dass wir die Ausländer zu uns holen müssen, um unsere Pensionen zu sichern? Zuerst zahlen wir ihnen Sozialhilfe, und dann sollen sie unsere


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 69

Pensionen zahlen?! – Das ist eine Rechnung, die sicher nicht aufgehen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Mindestsicherung wird als großer Wurf verkauft. Ein „toller“ Wurf! Die Min­dest­sicherung ist doch nichts anderes als Sozialhilfe-neu. Sie ersetzt aber die Sozialhilfe nicht, nein, sie wird untergliedert in die bereits bestehenden neun Versionen der Sozialhilfe in den einzelnen Bundesländern. (Abg. Riepl: Was ist Ihr Vorschlag?) Das heißt, in den meisten Punkten wird die Ausgestaltung wieder den einzelnen Bundes­ländern überlassen sein, und es gibt wieder keine einheitliche Regelung, und es ist wiederum nicht überschaubar, meine Damen und Herren.

Im Entwurf unseres Herrn Sozialministers ist vorgesehen, dass die bedarfsorientierte Mindestsicherung in der Höhe von 744 € – haben wir ja heute schon zur Genüge gehört – zwölf Mal ausbezahlt wird. „Tolle“ Sache! Ursprünglich waren ja vierzehn Mal angedacht, aber das ist auch sozusagen im Orkus des politischen Alzheimer verschwunden und auf zwölf Mal reduziert worden.

Mit 160 Millionen € bleibt ein Großteil der Kosten dem Bund, und ungefähr 50 Mil­lionen € haben die Länder zu tragen. (Abg. Riepl: Sagen Sie einmal, was Sie wollen! Was wollen Sie eigentlich?) Aber diese Aufteilung zwischen Bund und Ländern – wer zahlt es denn im Endeffekt? Ist der Steuerzahler im Bund ein anderer als der in den Ländern? Nein! Es ist eine Augenauswischerei, es wird das Geld von der einen Tasche in die andere gesteckt, und im Endeffekt zahlen wir Bürger das, wir Steuerzahler.

Die Anzahl der Personen, die in diesem Sozialnetz aufgefangen werden sollen, steigt ja weiter, der Gipfel ist ja noch gar nicht erreicht. Und die rot-schwarze Koalition zeigt wieder einmal, was sie da zusammenbringt, nämlich gar nichts, nicht das Geringste! Hier wird nämlich nicht die Ursache bekämpft, sondern immer nur die Wirkung. (Abg. Riepl: Machen Sie einen Vorschlag!) – Wir machen Ihnen Vorschläge! Horchen Sie doch zu, warten Sie ab! – Die Frage ist: Wie lange wird das noch gut gehen? (Abg. Riepl: „Ausländer raus“ ist Ihr Vorschlag!)

Zum Thema Sparen: Wir sparen uns zu Tode! Wir haben zwar gehört, dass es nicht so ist, aber es ist so. Durch die Einsparungsmaßnahmen der Bundesregierung sollen, wie wir in der Zeitung gelesen haben, 235 Millionen € eingespart werden. Und wo sollen sie eingespart werden? – Bei den Familien, denn die können sich am wenigsten wehren.

Dem steht aber beispielsweise eine riesige Förderung für Griechenland gegenüber. Griechenland bekommt von uns 2,3 Milliarden € an Entwicklungshilfe. Wie passt das zusammen? Wie erklären Sie das den Familien, den Alleinerziehern, dass Sie 2,3 Mil­liarden € für Griechenland übrig haben, während Sie bei den Familien 235 Millionen € einsparen wollen?! Meine Damen und Herren, das ist eine Rechnung, die nicht aufgeht! (Beifall bei der FPÖ.)

Was haben wir noch? – Frau Minister Heinisch-Hosek: Bei den Hausfrauen müssen wir sparen. Natürlich müssen wir bei den Hausfrauen sparen, was denn sonst? – Das ist aber nicht unsere Politik, meine Damen und Herren. Die Hausfrauen gehören geför­dert: Familien, Hausfrauen, Mütter gehören gefördert. Wir müssen dort fördern, wo es notwendig ist, wo noch unsere Werte sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir die Frauen in den Arbeitsmarkt drängen, in den sie zum Großteil gar nicht hineinwollen, dann untergraben wir die Familien. Natürlich soll es Frauen möglich sein, arbeiten zu gehen, wenn sie wollen, aber eines nach dem anderen: zuerst Familie und dann in den Beruf. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Unser Vorschlag ist: Unterstützen Sie die Familien, lassen Sie die Familien leben, dann haben wir auch weniger Sozialhilfeempfänger, denn dort


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fängt es an! Die Familien gehören gestützt, denn diese sind unser Kapital in Öster­reich, da müssen wir anfangen zu helfen. Meine Damen und Herren, unterstützen Sie die Familien! (Beifall bei der FPÖ.)

12.29


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


12.29.21

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! „Familien“ war das Stichwort. Alle, die mich kennen, können sich denken, dass meine Rede hier jetzt eine andere sein wird als die meiner Vor­rednerin, aber trotzdem soll das Thema Familie auch in meinem Fokus sein – ein Thema, das Sie, Herr Minister, bei Ihren Ausführungen nicht einmal gestreift haben.

Da muss ich gleich auf Sie antworten, Frau Kollegin Aubauer, denn Sie haben gesagt, wir können stolz sein auf das, was wir für unsere Familien tun. – Ja, Sie von der ÖVP können offensichtlich stolz darauf sein, was Sie für Ihre Familien, nämlich Ihre Klientel, die gut und besser verdienenden Familien, tun, aber wir, der österreichische National­rat, die österreichische Bundesregierung, in der auch eine SPÖ sitzt, in deren Namen „sozial“ vorkommt, die österreichische Republik, wir können nicht stolz sein darauf, was in diesem Land für Familien getan wird: Es wird nämlich nur etwas für gut und besser verdienende Familien getan.

Diese meine Aussage wurde vor Kurzem auch wieder unterstützt durch eine WIFO-Studie, in der die Studienautorin Margit Schratzenstaller gesagt hat, dass die Familien­politik in diesem Land verkehrt läuft, weil hier hauptsächlich auf Transfers an die Familien abgestellt wird und nicht in Infrastruktur investiert wird. Und wenn wir wirk­lich – wir befinden uns im Europäischen Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung – eine Familienpolitik machen wollen, die allen Familien zugute kommt, dann muss in Infrastruktur investiert werden, was heißt: in Kinderbetreuung. – Und da komme ich auch schon zum Kern meiner Ausführungen, die auch Sie, Herr Sozialminister, betreffen.

Wir haben es in Österreich mit einem eklatanten Mangel an Kinderbetreuungsein­richtungen zu tun. 79 000, 80 000 Plätze fehlen. Vor allem bei den unter dreijährigen Kindern sind wir weit weg vom EU-Barcelona-Ziel: von einer Betreuungsquote von 33 Prozent. Im österreichischen Durchschnitt liegen wir bei 14 Prozent.

Was bedeutet das jetzt für die einzelne Familie, was bedeutet das vor allem für die Frauen, die nach Bezug des Kinderbetreuungsgeldes wieder in den Beruf einsteigen wollen beziehungsweise müssen? – Wir wissen ja, dass die Berufstätigkeit beider Elternteile, ein doppeltes Einkommen in vielen Familien dafür notwendig ist, dass sie nicht in die Armut abrutschen. Das bedeutet, dass viele Frauen, die nach dem Kinder­betreuungsgeldbezug wieder in den Beruf zurückkommen wollen, die unter Umständen die längste Variante gewählt haben, wo sie auch keinen Kündigungsschutz mehr genießen, dann keinen Arbeitsplatz mehr haben. Dann wollen sie sich für eine Kinder­betreuungseinrichtung anmelden, und dann wird ihnen in allen Bundesländern, vor allem in dem Bundesland, aus dem Sie, Herr Minister, und ich politisch kommen, näm­lich in Wien, ausgerichtet: Tut uns leid, aber die Kinderbetreuungsplätze sind vorrangig an berufstätige Eltern zu vergeben, und nur, wenn wir dann noch einen Platz haben, dann kommt ihr dran!

Man kann sich ausrechnen, welchen Teufelskreis das bildet. Das heißt: kein Arbeits­platz, keine Betreuungseinrichtung. Habe ich aber keine Betreuungseinrichtung für mein Kind, kann ich einen Job, den ich unter Umständen in der Zwischenzeit gefunden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 71

habe, nicht annehmen. Das ist eine unhaltbare Situation. Die Wiener Stadtregierung, aber auch andere Landesregierungen sehen hier tatenlos zu und sagen: Wir können nichts machen, wir haben halt nicht mehr Plätze, wir tun eh, was wir können! – Und wenn dann etwas gemacht wird, dann eben viel zu langsam.

So melden sich zahlreiche Personen bei mir, die genau vor dieser Situation stehen – und zwar nicht nur Mütter von Kindern, die im Kindergartenalter sind, sondern auch Eltern von Kindern, bei denen es um die Nachmittagsbetreuung geht, Eltern, die auf­grund von Krisensituationen, Wirtschaftskrise ihren Arbeitsplatz verloren haben und jetzt vor der Bedrohung stehen, dass sie ihre Nachmittagsbetreuung verlieren, weil auch dort die Berufstätigkeit der Eltern ein relevantes Kriterium ist. Und wenn sie diese Nachmittagsbetreuung verlieren, dann können sie weder am Nachmittag zu Vorstel­lungsgesprächen gehen, noch zu Schulungsmaßnahmen gehen, die den ganzen Tag andauern, geschweige denn einer Berufstätigkeit nachgehen.

Das heißt, da ist dringender Handlungsbedarf gegeben, und zwar Handlungsbedarf auf Bundesseite und nicht nur auf Landesebene. Es muss massiv mehr in Kinderbetreuung investiert werden.

Darüber hinaus muss man sich auch das Arbeitslosenversicherungsgesetz anschauen, Herr Bundesminister (Beifall bei den Grünen), denn da gibt es eine Regelung, in der vorgesehen ist, dass man, wenn man unter zehnjährige Kinder hat, dem Arbeitsmarkt nur dann zur Verfügung steht, wenn man eine Betreuungsleistung im Ausmaß von 16 Wochenstunden durch entweder einen Familienangehörigen oder eine Kinderbe­treu­ungs­einrichtung nachweisen kann.

Ich habe Ihnen gerade die Situation in Österreich geschildert. Danach gibt es zahl­reiche Personen, die das nicht können, und wenn diese dann auch noch davon bedroht sind, das Arbeitslosengeld zu verlieren, dann können wir tatsächlich von Personen reden, die armutsgefährdet sind beziehungsweise in manifeste Armut abrutschen.

Lassen Sie mich jetzt auch noch auf die Rede des Kollegen Bucher kurz replizieren. Herr Kollege, Sie haben hier den Wirtschaftsbund zitiert und die Rechnung angestellt, die der Wirtschaftsbund bereits im Dezember angestellt hat. Kollege Öllinger hat schon im Dezember vorgerechnet, dass diese Rechnung falsch ist und dass man da von falschen Zahlen ausgegangen ist.

Es wurden zwei Personen gegenübergestellt: eine alleinerziehende Mutter, die nach Sozialtransfers über ein Einkommen von 800 € verfügt, und eine Mutter, die ein Bruttoeinkommen von 1 300 € hat. Und man hat vorgerechnet – man wollte zeigen, dass jene, die Sozialtransfers bekommen, begünstigt sind –, dass die Mutter mit den 800 € besser aussteigt.

Der Wirtschaftsbund hat hier aber eine falsche Rechnung angestellt, und Sie haben sie übernommen. Sie haben nämlich behauptet, dass die Frau mit 800 € besser aussteigt. Tatsache ist aber, sie steigt schlechter aus: Ihr bleiben 799 € nach dieser Berech­nung – und der anderen Person bleiben 1 080 €. Kollege Öllinger hat Ihnen die Unterlagen schon übergeben. Gehen Sie noch einmal in sich, rechnen Sie das nach!

Aber ich möchte speziell Sie und alle hier Anwesenden das fragen, was ich auch schon mehrfach Personen auf der Straße gefragt habe, wenn ich mit ihnen ins Gespräch gekommen bin und über die Mindestsicherung diskutiert habe: Worauf müssen Sie verzichten, wenn Sie nur mehr 744 € zwölf Mal im Jahr zur Verfügung haben? – Die Antwort, die Sie geben wollen, können Sie sich selbst oder mir nachher geben. Die Antwort, die die Menschen auf der Straße geben, ist: Auf alles! Ich kann auf nichts mehr verzichten. Ich müsste aus meiner Wohnung ausziehen, ich hätte nichts mehr für


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 72

meine Kinder zum Anziehen, zum Essen. Und das ist eine Situation, die für Österreich nicht tragbar ist. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

12.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


12.36.59

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Bundesminister! Ich möchte gar nicht lange über die Sozial­demokratie und ihre Sozialpolitik schwadronieren, weil es ohnedies schon einige gemacht haben. Der Abgang der Arbeitsplätze durch Herrn Androsch bei AT&S, der Abgang von Arbeitsplätzen, das Freisetzen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Frau Ederer bei Siemens, das Freisetzen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Stiftungsfirma Leykam in der Steiermark, wo die Arbeitsplätze nach Slowenien transferiert worden sind, die Steuerschulden des Herrn Voves – all das spricht eine klare Sprache.

Eines möchte ich Ihnen schon sagen, Herr Sozialminister: Sie reden immer davon, dass Ihnen im Sozialbudget so viel Geld abgeht. Dann ziehen Sie doch einmal die Steuerschulden, die die steirische SPÖ beim Finanzamt hat, ein! Damit können Sie in Zukunft auch Ihre Projekte im Arbeitsbereich und im Behindertenbereich finanzieren. (Beifall beim BZÖ.)

Und der SPÖ rufe ich zu: Wer so viel Butter am Kopf hat wie Sie in der Sozialpolitik, der sollte im kommenden Sommer bei dieser Hitze eher nicht vor die Tür treten, sonst könnte sie zum Schmelzen gebracht werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte mich aber mit der ÖVP beschäftigen, und ich komme zu dem Schaden, denn eigentlich Sie anrichten. Sie erhöhen am Höhe­punkt der Arbeitslosigkeit und am Höhepunkt des Niedergangs unserer Klein- und Mittelbetriebe einmal mehr die Steuern. Sie drehen an der Steuerschraube, Sie erhö­hen die Mineralölsteuer, Sie erhöhen weitere Steuern, Sie entwickeln eine unge­heuerliche Fantasie, wie Sie als Blutsauger durch das Land fliegen können, um die Menschen aussackeln zu können.

Sie beschädigen damit die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber – bei einem Höchststeuersatz von 50 Prozent, bei einer Steuer- und Abgabenquote von 43 Prozent. Zum Vergleich: In der Schweiz liegt diese bei 23 Pro­zent, und dort funktioniert die Infrastruktur perfekt, währenddessen sie bei uns nicht funktioniert. Sie erhöhen die Steuern demnächst – und erhöhen damit die Steuer- und Abgabenquote auf 45 Prozent. Sie schröpfen damit den Mittelstand, der eigentlich der Systemerhalter dieses Landes ist (Beifall beim BZÖ), nämlich jene Menschen in diesem Land, die leistungsbereit sind, die um 6.30 Uhr in der Früh aufstehen und ihrer Arbeit nachgehen, bis um 16 Uhr, 17 Uhr und weit darüber hinaus, und dafür Steuern zahlen.

Frau Steibl, darüber können auch Ihre Worte über Herrn Schützenhöfer nicht hinweg­täuschen, wenn Sie sagen, der Obercharismatiker aus der Steiermark schafft jetzt 600 Green Jobs. – Die kommen ja nicht! Das ist ja ein weiterer Wahlkampfschmäh, denn Sie beschäftigen sich ja nicht mit der Entwicklung von Green Jobs, sondern damit, wie Sie Klein- und Mittelbetriebe mit Ihrer Steuerpolitik hinrichten können, anstatt dass Sie endlich jene leistungsbereiten Menschen in diesem Land von der Steuerpflicht befreien.

Und was machen Sie mit dem Geld aus dieser Steuererhöhung, das Sie den Men­schen, den leistungsbereiten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der Tasche


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 73

reißen? – Sie, Sie von der ÖVP, Sie finanzieren damit die Mindestsicherung von 744 € im Monat.

Es gibt so viele Ausgleichszulagenbezieherinnen und -bezieher in unserem Land, Pensionistinnen und Pensionisten, die nicht mehr verdienen – mit dem einen Unter­schied: dass sie ein halbes Leben lang gearbeitet haben, damit sie dann eine Pension von 744 € bekommen, und nicht in der sozialen Hängematte liegen und sich 744 € monatlich abholen! (Beifall beim BZÖ.)

Das ist Ihr Versagen, Damen und Herren von der ÖVP, weil Sie hier mitmachen und damit auch jenen Menschen in diesem Land einen Schlag ins Gesicht versetzen, die hart arbeiten, den leistungswilligen Menschen, die dieses System auch aufrecht­erhal­ten!

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der ÖVP, das Gleiche spielt sich auch im Integrationsbereich ab. Anstatt durch die Innenministerin auch in der Bundesregierung dafür zu sorgen, dass nur jene Zuwanderer und Asylwerber in diesem Land eine Leistung bekommen, die auch eine Gegenleistung erbringen, nämlich integrationswillig sind, die auch Leistung erbringen, die auch arbeiten wollen, die nicht straffällig werden, die sich an unsere Gesetze und an die Spielregeln unserer Gesellschaft halten, ver­golden Sie – volkstümlich gesagt, und ich möchte gar nicht sagen, welche vier Buchstaben Sie hier jenen Menschen vergolden ... (Rufe bei der ÖVP: Was? Sag’s!) – Lassen wirs, Sie können es sich denken, auch bei Ihrer Fantasie, die ja keinen weiten Radius hat, zumindest keinen intellektuellen.

Damit unterstützen Sie jene Menschen, Zuwanderer und Asylwerber, die in diesem Land keine Leistung erbringen wollen, und dabei verwenden Sie unser Steuergeld, das Steuergeld der hart arbeitenden Österreicherinnen und Österreicher. Dagegen arbeiten wir, und daher haben wir auch entgegen den Vorschlägen von ÖVP und SPÖ einen Ausländer-Check entwickelt, ein Zuwanderungs- und Integrationsmodell, mit dem wir Österreich von jenen befreien, die in der Hängematte liegen, die österreichische Sozialleistungen missbrauchen, die sich nicht an unsere Gesetze und Spielregeln halten können. Wir werden in Zukunft nur jene unterstützen, die wir in diesem Land brauchen, und nicht jene, die vielleicht nur wollen. (Beifall beim BZÖ. – Ruf bei der ÖVP: Was machen wir dann mit dir?)

Daher bringe ich auch im Rahmen dieser Debatte folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Ing. Westenthaler, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Verknüpfung von Integrationsleistungen und sozialen Leistungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den normiert wird, dass die Vergabe von staatlichen Familien- und Sozialleistun­gen nach Integrationsleistungen bemessen wird.“

*****

Denn Sie heulen mittlerweile mit jenen im Chor, die in diesem Land pauschal jedem etwas geben wollen (Ruf bei der ÖVP: So wie Sie!) und damit nur jene bestrafen, die in diesem Land entweder noch immer hart arbeiten oder hart gearbeitet haben.

Wir sind offenbar noch immer die einzigen Vertreter in diesem Haus, die einen Unter­schied machen zwischen jenen, die leistungsorientiert sind, und jenen, die in der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 74

Hängematte liegen. (Abg. Amon: Alles kann man sich einreden!) Selbstverständlich haben wir jetzt 400 000 Arbeitslose, die diese Bundesregierung zu verantworten hat. Sehr viele dieser arbeitslosen Menschen wollen arbeiten, können aber nicht, weil die Standortpolitik und Steuerpolitik der ÖVP keine Betriebsansiedlungen in diesem Land mehr möglich macht. (Abg. Grillitsch: Das entbehrt ja jeder Grundlage! Das war nur unter Voves so in der Steiermark!)

Sie haben es mitzuverantworten, indem Sie sich groß als Wirtschaftspartei verkaufen, aber die einzigen Unternehmer, die noch in Ihren Reihen sitzen, sind de facto nur Wirt­schaftsbund-Funktionäre, die noch keinen einzigen Tag ihres Lebens in einem Betrieb gestanden sind. (Abg. Amon: Da redet der Richtige!) Das können Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.

Genau so schaut auch Ihre Politik aus: Steuern erhöhen, die Arbeitslosigkeit in die Höhe treiben, alles tun, damit Betriebsansiedelung in diesem Land verhindert wird, und damit auch jene Arbeitslosen in den Schuldenturm treiben, die sehr wohl arbeitswillig sind und tagtäglich verzweifeln, weil sie bei Ihrer Wirtschaftspolitik keinen Arbeitsplatz mehr finden. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist zu einfach – es ist so offenkundig, was Sie machen –, dass Sie sich hier die Füße an der Sozialdemokratie abwischen. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Das ist zu einfach! Sie sorgen mit Ihrem Kollegen Pröll, mit Ihrer Finanzpolitik, mit Ihrer Ankün­digungspolitik genau für die Instabilität, unter der dieses Land leidet. (Abg. Amon: Das Burgtheater ist auf der anderen Seite!)

Solange Sie sich von Ihrer Politik nicht entfernen, wird es in diesem Land auch nicht besser werden, aber wir werden dafür sorgen, dass Sie auch einmal eine ordentliche Strafe durch den Wähler erhalten, denn die Menschen durchschauen mittlerweile, welche Politik Sie machen. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim BZÖ.)

12.44


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag, der von Kolle­gem Grosz verlesen wurde, ist ordnungsgemäß eingebracht und steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Ing. Westenthaler, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die Verknüpfung von Integrationsleistungen und sozialen Leistungen

eingebracht im Rahmen der Debatte zur Erklärung  des  Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates

Auch im Bereich der Ausländer- bzw. Zuwanderungs- und Integrationspolitik gilt für das BZÖ das Leistungsprinzip getreu dem Grundsatz, „Leistung muss sich lohnen“. Daher wollen wir zur Sicherstellung einer bestmöglichen Integration die Bemessung staat­licher Familien- und Sozialleistungen von Integrationsleistungen abhängig machen. Dadurch wird sich Integration spürbar positiv, dagegen mangelhafte Integration in Form von Kürzungen oder dem Entfall der Familien- und Sozialleistungen spürbar negativ auswirken.

Im Übrigen scheint auch Bundesminister Spindelegger begrüßenswerterweise tenden­ziell in diese Richtung zu gehen, indem er beispielsweise Sanktionen bei Nichtinan­spruchnahme von Deutschkursen verlangte. So sagte er jüngst: "Wenn die Deutsch­


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kurse auf freiwilliger Basis nicht greifen, müssen sie verpflichtend sein. Einerseits für Kinder im Vorschulalter. Andererseits muss das auch für Kinder gelten, die zu einem späteren Zeitpunkt ins Schulsystem eintreten und damit noch größere Sprachprobleme haben. In diesem Fall muss es eine Nachmittagsbetreuung mit Deutschunterricht geben. Diese verpflichtenden Deutschkurse sollte man an Sozialleistungen koppeln." Letztlich führte er auf die Frage, ob Familien dann im konkreten Fall die Beihilfen verlieren würden, aus: "Das muss gekoppelt sein, ja".

Im Sinne einer schnellstmöglichen Verbesserung der Integration durch Verwirklichung des Leistungsgedankens stellen die unterfertigten Abgeordneten daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzu­legen, durch den normiert wird, dass die Vergabe von staatlichen Familien- und Sozialleistungen nach Integrationsleistungen bemessen wird.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Donabauer. – Bitte.

 


12.44.30

Abgeordneter Karl Donabauer (ÖVP): Das war kein großartiger und schon gar kein nutzbringender Beitrag des Herrn Grosz, sondern seine übliche Grübelei und seine Beschäftigung mit Kleinigkeiten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Herr Grosz, dazu ist die Situation zu ernst.

Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Bürgerinnen und Bürger vor den Fernseh­schirmen! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Ich denke, es war richtig, dass heute die Erklärung des Ministers zur Lage auf dem Arbeitsmarkt abgegeben worden ist – ein Thema, das uns alle beschäftigen muss und das in Wirklichkeit jeden angeht. Das ist das Kernthema Europas, das ist ein zentrales Thema hier bei uns in Österreich.

Wir müssen doch wissen, dass Arbeit wichtig ist, nicht nur, weil sie Lebenssinn gibt, sondern auch, weil sie Schutz vor Armut ist; dass Arbeit deshalb wichtig ist, weil Geld hereinkommt und nicht Geld hinausgeht; dass Arbeit deshalb wichtig ist, weil unsere Volkswirtschaft einfach in Bewegung bleiben muss, damit wir all die hohen Standards, die wir in diesem Land haben, auch in Zukunft bedienen können. Ich denke, es ist schon mit sehr vielen Beiträgen auf die Thematik eingegangen worden, und es ist auch richtig, dass in der letzten Zeit viele und gute Maßnahmen getroffen wurden.

Einige meiner Vorredner und auch der Herr Bundesminister haben sich mit der Frage der Jugendarbeitslosigkeit beschäftigt – eine ganz, ganz wichtige Thematik, die uns wirklich unter den Nägeln brennt. Ich denke, dass es zu wenig ist, dass wir nur darüber reden. Das ist eine Aufgabe der Frau Bundesministerin Schmied: Sie wird hier endlich etwas bewegen müssen, nicht nur von Schulreform reden, denn ich glaube, dass ein Großteil der Jugendarbeitslosigkeit daher rührt, dass die Schulausbildung zum Ersten nicht in das Berufsleben hineinreicht und dass zum Zweiten in der Schule viel zu wenig umfassendes Wissen über die Arbeits- und Berufswelt transportiert wird. Das ist wohlgemerkt keine Kritik an den Lehrern – das wäre unrichtig –, sondern eine Frage, mit der wir uns beschäftigen müssen und an der die Politik – wer immer sie reprä­sentiert – einfach nicht vorbeikommt, nicht vorbei kann. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 76

Herr Minister, natürlich ist die Frage der älteren Arbeitnehmer – Sie haben gesagt, hier habe sich der Trend mehr oder weniger verändert – eine wichtige Thematik, denn 50-jährige und ältere Menschen sind eben schwerer vermittelbar, das wissen wir alle. Deshalb ist gerade dem Bereich der Aus- und Weiterbildung, der Umschulung, der Qualifizierung wirklich das Wort zu reden.

Sie haben die AMS-Programme angesprochen. – Ich habe sie nicht zu kritisieren, es ist aber so, dass sehr viele Besucher dieser Umschulungen meinen, dass man das eine oder andere Thema neu ausrichten sollte. Das ist gescheit und das ist auch Sinn und Zweck unserer Diskussion. Das ist keine Fundamentalkritik – nein –, das sind mehr oder weniger Ideenwettbewerbe, Vorschläge, die wir einbringen, und das sind Themen, über die wir reden müssen, keine Frage.

Wenn heute sehr oft von der Mindestsicherung gesprochen wurde, dann denke ich, dass wir das schon in der Sache diskutieren sollten. Für mich bedeutet Mindest­sicherung nicht Geld statt Arbeit, sondern die Überbrückung auf dem Weg zur Arbeit. (Abg. Kickl: Theoretisch!) Deshalb wird es sehr darauf ankommen – und da sind alle Parteien gefragt und gefordert –, wie wir die Zumutbarkeitsbestimmungen formulieren werden, es wird sehr darauf ankommen, wie wir die Wegfallsbestimmungen formu­lieren, dass also die, die den Arbeitsprozess mehr oder weniger zurückdrängen oder nicht annehmen wollen, das auch erleben müssen und gefordert werden, sich wirklich aktiv einzubringen.

Grundsätzlich bin ich gegen jede Form, die Armut fördert, und für jede Lösung, die eine neue Bewegung bringt. Die Mindestsicherung wird sicher ein großes Thema werden und sein. Ich denke aber auch, dass in diesem Zusammenhang das Transparenzkonto ein Thema sein muss, über das wir in aller Sachlichkeit reden, weil ich meine, dass diese beiden Dinge schon irgendwo Berührungsfelder haben. Damit macht man nicht irgendjemandem einen Vorhalt, sondern ich denke, dass wir die Dinge richtig aufzeigen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum Beschäftigung wichtig ist, hat für mich einen weiteren Grund. Wir müssen schauen, dass wir möglichst viele Leute in Arbeit halten und sie nicht in die Pen­sionswelt hineinführen. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Pension ist für uns eine wichtige Frage. Hier geht es mir nicht um Anpassungsfragen – die disku­tieren wir oft genug –, sondern für mich geht es vielmehr um die Anspruchsvor­aus­setzungen.

In dieser Frage, Herr Minister, haben wir uns auch vorgenommen – und ich bin über­zeugt davon, dass wir das in der nächsten Zeit erledigen werden –, die Definition der Erwerbsunfähigkeit, der Invalidität neu zu formulieren. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

Wir werden sehr wohl – ohne jemanden zu reizen, in aller Sachlichkeit – über Berufs­schutz reden müssen. Ist er so richtig dargestellt? Können wir mit den Leuten, die die Berufsschutzbestimmungen noch nicht erreicht haben, aber schwer krank sind (Abg. Bucher: Herr Präsident! – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), so um­gehen, dass wir ihnen sagen, sie sollen warten, bis sie das nötige Alter erreicht haben?  Nein, hier brauchen wir Lösungen, denn Sozialpolitik muss sich an das Leben anpassen und letztendlich für die Bürger da sein.

Ich denke, das ist unsere Zielformulierung: Sie muss Finanzierbarkeit zeigen, und sie muss auch dem demografischen Prozess Rechnung tragen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Jarmer. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 77

12.50.33

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprach­dolmetscherin): Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute wirklich schon sehr viele Reden gehört, und ich möchte gerne mit einem Thema anschließen, das bisher noch nicht zur Sprache gekommen ist: die Zahlen des Jahres 2009 im Vergleich zum Jahr 2008 in Bezug auf behinderte Menschen und Arbeitslosigkeit.

Im Jahr 2009 ist die Zahl der Arbeitslosen unter den behinderten Menschen um 15 Prozent gestiegen. Als Risikogruppe zu bezeichnen ist insbesondere die Gruppe der Jugendlichen – das heißt, jugendliche behinderte Menschen bis zum Alter von 25 Jahren –, älteren Menschen und Menschen mit einer gesundheitlichen Beeinträch­tigung. Wir wissen, dass diese Personengruppen eine besonders lange Vermittlungs­zeit brauchen.

Aus der Gruppe der behinderten Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, sind 70 Prozent Notstandshilfebezieher. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass diese Notstandshilfe aufgrund der niedrigen Einkommen im Vergleich noch einmal niedriger ist. Und das ist eine wirklich besorgniserregende Zahl. (Beifall bei den Grünen.)

Ich denke, dass Sie, Herr Sozialminister, jetzt wirklich aufgefordert sind. Ich wünsche mir eine Arbeitsgruppe, die bestellt wird, die wirklich aktiv ist und sich um Themen kümmert wie zum Beispiel Ausgleichstaxe, flexiblen Kündigungsschutz und auch aktive Fördermaßnahmen für UnternehmerInnen, damit sie Menschen mit Behinderungen einstellen. Wir brauchen Bewusstseinsbildung bei den UnternehmerInnen, und wir haben in der UN-Konvention einen Artikel, in dem genau festgehalten ist, dass Menschen mit Behinderungen angestellt werden sollen. Und da sind Sie jetzt gefordert, Herr Sozialminister!

Jetzt komme ich zu einem anderen Thema, nämlich zum Thema Beschäftigungs­therapie. Ich wiederhole mich jetzt, ich habe das schon einmal erwähnt. Es betrifft Menschen im sekundären Arbeitsmarkt, und das sind in Österreich zirka 15 000 Per­sonen, zum Großteil intellektuell beeinträchtigte Menschen. Sie wissen, sie bekommen Taschengeld, das heißt keine Entlohnung nach einem Kollektivvertrag. Dieses Ta­schen­geld beträgt pro Monat in etwa 50 €. Das heißt, mit diesem Taschengeld gibt es keine Arbeitslosenversicherung, keine Krankenversicherung, keine Pensionsver­siche­rung. – Ich fordere Sie jetzt zum zweiten Mal auf, in dieser Sache etwas zu machen. Das ist auch in der UN-Konvention festgehalten. Es gibt einen Unabhängigen Monitoringausschuss. Er hat bereits einen Bericht darüber verfasst, dass das ein schwerer Verstoß gegen die Konvention der Behindertenrechte ist. Und das ist ein Punkt, bei dem wiederum Sie gefordert sind.

Jetzt komme ich zum dritten Thema, nämlich zum Thema behinderte Frauen. Diese Menschen sind besonders betroffen, sie sind nämlich in zweifacher Hinsicht betroffen. Das heißt, wir haben in der Beschäftigung eine Quote für Frauen zu berücksichtigen, und ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, auch behinderte Frauen besonders zu bedenken.

Ich habe diese drei Punkte jetzt als Wünsche formuliert, und ich wünsche mir, dass diese drei Punkte auch wirklich noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden. (Beifall bei den Grünen.)

In großer Sorge bin ich, was das Pflegegeld anlangt. Das Pflegegeld soll übergeführt werden, sodass in Zukunft Sachleistungen bezahlt werden. Ich bin sehr überrascht über diesen Gedankengang, denn die Menschen brauchen wirklich eine Geldleistung. Wir Grünen haben bereits einen Antrag in diesem Zusammenhang gestellt, und dieser


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 78

Antrag beinhaltet eine Valorisierung des Pflegegeldes. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

In meinem letzten Punkt möchte ich jetzt noch auf das Behindertengleichstellungs­gesetz eingehen. Wo bleibt die Evaluierung? Wann sind wir so weit, dass wir Evaluie­rungen über die Umsetzungen haben? (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das heißt, auch das ist ein Punkt für diese Legislaturperiode, bei dem ich Sie bitte, ihn wirklich umzusetzen.

Das waren jetzt einige Punkte, und auch die UN-Konvention ist in Ihrem Verant­wortungsbereich. Sie sollen im Oktober einen Bericht darüber verfassen.

Präsident Fritz Neugebauer: Den Schlusssatz, bitte!

 


Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (fortsetzend): Gut, mein letzter Satz: Auch behinderte Menschen haben ein Recht auf Arbeit; wir finden das in Artikel 27 der UN-Konvention. Insofern die große Bitte an Sie, Herr Minister! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Karlsböck. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.57.19

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Bevor ich zum eigentlichen Kernpunkt meiner kurzen Ausfüh­rungen komme, möchte ich die interessierte Öffentlichkeit – auch die Fernsehöffent­lichkeit – noch ganz kurz über einen Umstand informieren, der, wenn er stimmt, ein wirklicher Skandal wäre. Es findet nämlich unserer Information zufolge derzeit im ORF eine Hausdurchsuchung statt, und es wurde dort eventuell – wie man hört – belas­tendes Material gefunden. Der ORF weigert sich jedoch angeblich, dieses Material der Staatsanwaltschaft zu übergeben (Zwischenrufe bei der SPÖ) – wie man hört –, und würde das stimmen, wäre das natürlich eine Beweismittelunterdrückung. (Zwischenruf der Abg. Dr. Oberhauser.)

Meine Damen und Herren, das, was sich der ORF in dieser Zeit in dieser Causa leistet, wäre, wenn dem so wäre, ein unfassbarer Skandal. Er negiert damit, wenn das stimmt ...

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zur Sache, bitte!

 


Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (fortsetzend): Herr Minister Hundstorfer, als ich in der Tagesordnung gelesen habe, dass Sie sich heute zur Verfügung stellen und hier kurz die Sozialpolitik der letzten Monate erörtern, habe ich mir gedacht, dass dem ein bisschen schlechtes Gewissen zugrunde liegt; schlechtes Gewissen insofern, als wir in den letzten Wochen kaum eine Sitzung des Sozialausschusses abgehalten haben und unsere doch sehr konstruktiven Anträge – damit meine ich jetzt die gesamte Opposition –, die dem Sozialausschuss regelmäßig zugewiesen werden, mehr oder weniger schubladisiert werden.

Ich habe mir gedacht, Sie werden uns hier Lösungen zu den aktuellen Sozial­prob­lemen vorlegen. Zum Beispiel – das ist ein altes Problem –: Wer heute ein Pflegefall wird, steht immer noch ohne Versicherungsschutz da. Das heißt, Menschen, die aus der Krankenversicherung ausgesteuert werden, sind ohne Versicherungsschutz.

Ich hätte mir gedacht, dass infolge der Sozialenquete, die wir vor mehreren Wochen hier abgehalten haben, auch zum Thema Transferkonto irgendetwas von Ihrer Seite kommt. Herr Minister, wir wissen, dass heute die Schlauesten die meisten Förderun­gen bekommen und nicht die Bedürftigsten. Das hat diese Enquete zutage gebracht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 79

Herr Minister, ich möchte noch einen Fall ansprechen, der, wie ich meine, wirklich skandalös ist. Es geht da unmittelbar um Ihren Einflussbereich, um Ihre Partei, um Ihre Landesgruppe, nämlich um die SPÖ Wien.

Meine Damen und Herren, wir haben hier vor einigen Monaten einen Fall präsentiert, der stellvertretend für viele Fälle anzuführen ist. Es geht um eine Rollstuhlfahrerin, die in einem Spital der Gemeinde Wien zu Schaden gekommen ist. Ohne Schuldzu­weisung an die Krankenanstalt, an den Krankenanstaltenverbund haben wir vorge­schlagen, wie der betreffenden Person zu helfen wäre. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Was ist in der Zwischenzeit geschehen? – Es ist mehr oder weniger kaum etwas geschehen, abgesehen davon, dass man dieser Dame gesagt hat, sie habe einen schweren Fehler begangen. Dieser schwere Fehler war, dass sie sich an uns, die FPÖ, gewandt hat. Aus diesem Grunde kann man und will man auch nichts mehr für sie machen. (Rufe bei der FPÖ: Unfassbar!)

Das, finde ich, ist ein Skandal! Man lässt Leute mehr oder weniger verhungern, nur weil sie in Ihrem System, Herr Bundesminister, so wie es ausschaut, falsche Ent­scheidungen getroffen haben. Die falsche Entscheidung sieht so aus: Sie war zuerst bei Ihnen, Sie haben ihr nicht geholfen, sie hat sich dann händeringend an uns gewandt – und das wird ihr jetzt mehr oder weniger als symbolische Strafe angetan. – Vielen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Schenk. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.01.15

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Österreich hat eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in der Eurozone. Österreich hat die Wirtschaftskrise relativ gut überstanden. – Diese Aussagen haben wir heute des Öfteren gehört, vor allem vom Herrn Sozialminister. Er heftet sich diesen Erfolg an seine Brust.

Die Realität ist allerdings eine andere, meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie verschweigen geflissentlich, dass diese Zahlen nicht deshalb so gut aussehen, weil das Krisenmanagement der Bundesregierung so gut war, sondern weil sie auf Schul­den gebaut sind. Das, was Sie jetzt machen, ist: Symptome bekämpfen. In einem gewissen Ausmaß muss das auch geschehen, aber was Sie nicht machen, ist, eine Veränderung der Strukturen herbeizuführen; eine Veränderung, die für Österreich die Grundlage schaffen könnte, auch kommende Krisen zu überstehen und unseren Arbeitsmarkt nachhaltig abzusichern. Dazu fällt Ihnen leider nicht sonderlich viel ein, Herr Minister!

Ein Beispiel: In einem Interview mit der Zeitschrift „republik“ – das ist ein buntes Magazin, das Regierungsmitglieder monatlich mit Hochglanzfotos und PR-Artikeln bedenkt – geben Sie auf die Frage, wie es mit Frauen auf dem Arbeitsmarkt aussieht und wie Sie Frauen auf dem Arbeitsmarkt fördern wollen, Folgendes Statement ab: „Wir versuchen, Frauen auch für Tätigkeiten abseits der typischen Frauenberufe zu begeistern.“

Das war das Erste, das Ihnen dazu eingefallen ist: Frauen auch für „Tätigkeiten abseits der typischen Frauenberufe“ zu begeistern. Wenn man das so liest, könnte man direkt glauben, eines der größten Probleme auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ist die mangelnde Begeisterung von Frauen. Vielleicht sind Sie ja sogar der Meinung, den


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 80

österreichischen Frauen fehle die Phantasie, andere als sogenannte typische Frauen­berufe zu ergreifen.

Abseits dieser Arbeitsmarktfantasien gibt es aber noch die Realität, und diese Realität muss man Ihnen offensichtlich ein bisschen näherbringen. Ich werde Ihnen sagen, was typische Frauenberufe sind. Typische Frauenberufe sind immer oder meistens schlech­ter bezahlt; sie sind schlechter bezahlt als männliche Berufe. In der Steiermark sieht ein typischer Frauenberuf folgendermaßen aus: Eine Frau verdient etwa 12 000 € jährlich weniger als ein männlicher Arbeitnehmer, und die viel zitierte Gehaltsschere zieht sich quer durch alle Berufsgruppen, ist evident und zielt primär nicht auf die ausgeübte Tätigkeit ab, sondern eben darauf, ob die Tätigkeit von einer Frau oder einem Mann ausgeübt wird.

Des Weiteren geben Sie in diesem Interview von sich – ich zitiere noch einmal –, dass es den Menschen sicher hilft, wenn sie ihre Stärken und ihre Schwächen herausfinden, dass sie dadurch nicht gefährdet sind, arbeitslos zu werden, und das AMS nicht so viele Kunden hat.

Herr Minister, ich kann Ihnen nur sagen, vielleicht denken auch Sie einmal über Ihre Stärken und über Ihre Schwächen nach – und vielleicht ist der Sozialbereich nicht gerade Ihre Stärke! – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

13.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Themessl. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.04.24

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister, ich würde Ihnen jeden Monat applaudieren, wenn Sie hier verkünden könnten, dass sich die Anzahl der Arbeitslosen reduziert hat. Ich glaube, dass wir uns das alle wünschen würden und uns allen damit geholfen wäre, nur glaube ich, dass aufgrund der Vorgangsweise dieser Regierung – wenn Sie sich nur die Debatten gestern zu den ersten Tagesordnungs­punkten und die Aktuelle Stunde angehört haben – wenig Hoffnung besteht, dass das in Zukunft wieder der Fall sein wird. Ich glaube eher, dass Sie in den nächsten Monaten wieder werden erklären müssen, warum sich dieser Trend nach unten nicht fortgesetzt hat, sondern eher wieder nach oben geht.

Wenn man über Steuererhöhungen nachdenkt und sich gegenseitig an Einfallsreich­tum überbietet, wie diese neuen Steuern ausschauen könnten und an welcher Steuer­schraube man überall drehen könnte, dann ist das absolut kontraproduktiv und führt sicher nicht dazu, dass sich die Arbeitslosenzahlen verringern, sondern das wird dazu führen, dass sie wieder drastisch steigen werden. Wirtschaftsforscher sagen das ja auch schon voraus.

Wenn Sie die Mineralölsteuer erhöhen, heißt das, Sie gefährden das Transportge­wer­be, das ohnehin schon gefährdet ist. Sie gefährden bis zu 100 000 Arbeitsplätze von Menschen, die direkt oder indirekt in diesem Bereich beschäftigt sind. Sie verteuern alle Waren, weil logischerweise die Transporte teurer werden. Zahlen muss das wiederum der Konsument, indem er die Ware teurer kaufen muss als bisher – und die Einnahmen sinken. Wenn Sie dann noch sagen, die Mindestsicherung liege um 27 Pro­zent unter dem Mindestlohn, dann weiß ich nicht, wo Sie leben, in welcher Realität Sie leben. Sie wissen offensichtlich nicht, dass viele Großkonzerne diese Wirtschaftskrise auch dazu genutzt haben, ihren Mitarbeitern mitzuteilen, freiwillig auf 100 oder 200 € Monatslohn zu verzichten, ansonsten seien sie ihren Arbeitsplatz los.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 81

Sie werden heute en masse Leute finden, die um 800 € netto im Monat arbeiten gehen müssen – das ist von 27 Prozent über der Mindestsicherung weit, weit entfernt!

Noch ein Wort zur SPÖ: Ich glaube, ich bin im falschen Film! Da kommt ein Herr Katzian hierher ans Rednerpult und fordert ein 3. Konjunkturpaket. Das hat gestern ganz anders geklungen; gestern hat man nur von einnahmenseitiger Sanierung des Staats­haushaltes gesprochen. Sie fordern ein 3. Konjunkturpaket. – Haben Sie die letzten Monate nicht aufgepasst? Diese Forderungen sind von mehreren Oppositions­parteien gekommen, in Form von Anträgen, Sie hätten nur zustimmen müssen.

Herr Kollege Muchitsch ist überhaupt der Größte. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ. – Abg. Haberzettl: Das stimmt! – Abg. Grosz: Nein, groß ist er nicht! – Abg. Haberzettl: Gewichtig!) Der Größte im wahrsten Sinne des Wortes.

Sie preisen die thermische Sanierung, Herr Kollege Muchitsch! – Haben Sie nicht zugehört in den letzten Monaten? Die Grünen, das BZÖ, wir, die FPÖ, haben Anträge gestellt, die Fördergelder zu erhöhen, weil es unterm Strich ein Gewinn ist für den Finanzminister, wenn er mehr einnimmt, als er an Förderungen ausgibt. Sie präsen­tieren hier Zahlen. – Warum haben Sie all diesen Anträgen nicht zugestimmt?

Das ist einfach lächerlich, das ist Augenauswischerei, was Sie betreiben. (Beifall bei der FPÖ.) Ich weiß nicht: Ist der Wahlkampf in der Steiermark schon voll ausgebrochen oder haben Sie den letzten Sonntag noch nicht verdaut? Das ist schwierig.

Sie müssen nur den guten Anträgen der Opposition – und davon gibt es zuhauf – zustimmen. Damit könnten Sie Arbeitsplätze sichern, mehr zusätzliche Arbeitsplätze schaffen, Klein- und Mittelbetriebe unterstützen, und dann wären wir wesentlich weiter. Herr Bundesminister Hundstorfer könnte dann vielleicht jeden Monat hier stehen und verkünden, dass die Arbeitslosenzahlen gesunken sind. Aber die Politik, die Sie betreiben, nämlich hier etwas zu fordern, das Sie auf der anderen Seite postwendend bei jedem Antrag ablehnen, ist Augenauswischerei! (Beifall bei der FPÖ.)

13.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


13.08.26

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Herr Bundesminister Hundstorfer hat heute eine schöne Erklä­rung abgegeben, aber es hat der Mut zur Wahrheit gefehlt. Es war ein großes Loblied auf die Mindestsicherung, er hat die Gerechtigkeit angepriesen, die Kurse des AMS. Laut Bundesminister Hundstorfer bekommen 50 Prozent dieser AMS-Kursteilnehmer innerhalb von drei Monaten auch einen Job.

Die Realität ist eine ganz andere. In Tirol zum Beispiel sind sehr viele junge Menschen in diesen Kursen, die sie teilweise als sinnlos bezeichnen. Ohne jede Perspektive absolvieren sie diese Kurse – mit dem einzigen Ziel: die Statistik zu verbessern. Die Leute geraten so in die Armutsfalle, da sie wenig geschätzt sind. Es braucht viel mehr hochwertige Schulungen und Kurse, damit danach wirklich die Chance besteht, dass diese Leute, die diese Kurse besucht haben, auch einen Job bekommen.

Wir erwarten uns von der Bundesregierung, dass sie Produktionsbetriebe ansiedelt und Wertschöpfung betreibt. Wir brauchen eine Politik, die endlich den Menschen und die Menschlichkeit wieder in den Mittelpunkt stellt. Greift doch ein paar Lösungen vom BZÖ auf, denn ich glaube, ihr setzt die völlig falschen Signale! (Beifall beim BZÖ.)

Die SPÖ schaut zu, wie die ÖVP eine Zwei-Klassen-Gesellschaft einführt. Die ÖVP erhöht überall die Steuern, schröpft jetzt wieder die arbeitende Bevölkerung, schröpft


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 82

den Pendler mit der Mineralölsteuer, welche erhöht wird. Das ist die ÖVP! (Abg. Grosz: Die ÖVP: Kein soziales Gewissen! Eigentlich überhaupt gewissenlos!) Wir brauchen aber eine Politik, die den Unternehmen auf der Steuerseite solche Anreize bietet, dass sie Arbeitsplätze schaffen.

Die ÖVP ist nur für Steuererhöhungen. – Nein, es braucht eine intelligente Steuer wie unsere Flat Tax!

Sie verteuern massiv das tägliche Leben für Millionen von Bürgern. Eine kluge Steuer­politik, welche Arbeit, Einkommen und Wohlstand schafft, werfen Sie über Bord. Sie machen nur schöne Überschriften; Taten fehlen, Lösungen nehmen Sie nicht auf. Im Gegenteil, Sie lösen wieder eine ungeheure Teuerungswelle aus, wodurch Sie sehr viele Menschen in die Armut treiben.

Die soziale Kompetenz der ÖVP ist, glaube ich, folgende: Die Gewinne der Groß­konzerne steigern – und die Mitarbeiter auf die Straße! (Beifall beim BZÖ.)

13.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Gartelgruber. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.11.17

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­des­minister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, ich bin wirklich erstaunt darüber, wie Sie hier immer wieder versuchen, die großen Probleme in Österreich schönzureden. Der sogenannte Rückgang der Arbeitslosigkeit ist in Wirklichkeit kein Grund zum Jubeln, denn laut den aktuellen Zahlen, den Arbeitsmarktdaten vom Feber 2010, ist die Zahl der unselbstständig Beschäftigten zurückgegangen, die Arbeitslosenquote hinge­gen im Vergleich um 4,1 Prozent gestiegen.

Ein ähnliches Bild bietet sich uns auch im Bereich der Lehrlinge und Jugendlichen. Hier ist die Zahl der offenen Lehrstellen rückläufig, die Zahl der Lehrstellensuchenden hingegen um 5,6 Prozent gestiegen. Wir reden hier immerhin von 5 278 jugendlichen Schicksalen! Aber um hier auch die älteren Arbeitslosen anzusprechen, muss ich erwähnen, dass die Arbeitslosenquote bei den über 50-Jährigen um sage und schreibe 7,3 Prozent angestiegen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zu vergessen ist auch die Zahl der geringfügig Beschäftigten: Diese ist um 1,4 Prozent gestiegen. Der Arbeitsmarkt verlagert sich immer mehr von Vollzeit- auf Teilzeitbeschäftigung und in nicht geringem Ausmaß auch auf geringfügige Beschäftigungen, die Frauen betreffen. Damit ist die Teilzeit zu einer wesentlichen Beschäftigungsform von Frauen geworden.

Dies führt vermehrt zu Frauenarmut. Obwohl Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen, haben sie aufgrund Ihrer Politik nicht genug Einkommen zum Auskommen. Das Armuts­risiko für viele, großteils alleinerziehende Frauen ist rund dreimal so hoch wie für andere Familien.

Allein in Wien gab es im Jahr 2008 61 000 Ein-Eltern-Familien, davon 51 800 alleiner­ziehende Mütter. Es sind 27 Prozent, die dabei an der Armutsgrenze leben. Von den steuerlichen Entlastungen für Familien – wie Kinderabsetzbetrag oder Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten – profitieren sie kaum, weil sie ein viel zu geringes Ein­kommen haben.

Was hier als Sozialpolitik bezeichnet wird, verdient also den Namen nicht. Vielmehr haben wir es mit einer Umverteilung von Geld zu tun. Reale Probleme insbesondere von Frauen werden damit aber nicht gelöst.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 83

In Anbetracht dessen, dass es gerade aus dem Lager der SPÖ heftige Kritik an den heimischen Unternehmen gibt, weil diese anscheinend Frauen zu schlecht behandeln, ist es äußerst befremdlich, dass ein glühender Sozialdemokrat wie der jetzige Minister und ehemalige Gewerkschaftschef diese ungerechten Löhne mit ausverhandelt hat. Das sind eben die zwei Gesichter der SPÖ, nämlich einerseits sich als Vorreiter im Klassenkampf darzustellen, aber andererseits überall dort, wo man Verantwortung trägt, nichts oder gerade das Gegenteil zu tun. (Beifall bei der FPÖ.)

13.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Neubauer. 5 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.14.44

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Angesichts der dramatischen Situation auf dem Arbeitsmarkt und angesichts dessen, dass wir uns in der Situation befinden, dass in etwa eine Million Österreicherinnen und Österreicher an der Armutsgrenze leben, scheint es ein Hohn zu sein, wenn jetzt die Bundesregierung bei den Familien 320 000 € einsparen will.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dies gilt umso mehr – und ich werde einige Beispiele dafür liefern –, als es gerade Vertreter der SPÖ waren und sind, die grund­sätzlich für diese Malaise verantwortlich zeichnen. Wie anders ist es möglich, meine sehr geehrten Damen und Herren Genossen, dass bei der ÖBB 400 Millionen auf den Kapitalmärkten verzockt wurden? – Erklären Sie uns das, bitte! Erklären Sie das dem Steuerzahler, erklären Sie das der Jugend, die arbeitslos ist, und erklären Sie das den Familien, denen jetzt genau diese Summe abgeht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Erklären Sie den Menschen in diesem Land, wie es möglich ist, dass die Ärztekammer Oberösterreich auf dem Kapitalmarkt in Amerika bei den Lehman Brothers das ge­samte eigene Kapital verzockt und verspekuliert und der Herr Gesundheitsminister bis heute kein einziges Wort zu dieser Malaise gefunden hat! Ich ersuche Sie, uns zu erklären, wie das möglich ist. Sie können nachsehen: Auf Nummer 4 der Forderungen steht die oberösterreichische Ärztekammer! So einen Skandal haben wir in dieser Republik noch nie gehabt. Jetzt müssen sogar die Grundstücke dafür herhalten, dass die Pensionen für diese Menschen überhaupt noch ausgezahlt werden können! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In so einer Zeit gehen Betriebsräte der Voest her und schaffen sechs Monate vor der eigenen Pensionierung einen Dienstwagen um 70 000 € an! Auf die Frage, warum sie denn dieses große Auto brauchen, sagt der Betriebsratsvorsitzende: Wisst ihr, ich bin ja ein Jäger, und ich brauche ein bisserl Platz, damit ich mein geschossenes Reh hinten hineinräumen kann. – Das müssen Sie in der Voest all jenen erklären, die gekündigt wurden, und den 2 500, die in Kurzarbeit sind! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in genau dieser Zeit gehen Sie auch her, und weil ein anständiger roter Betriebsrat bei all diesen Schweinereien nicht mehr mitspielen will (Abg. Grosz: „Schweinerei“, he, he!), kündigen Sie den jetzt! Den werden Sie jetzt kündigen – das ist Sozialismus pur, Kollege Schopf, dafür müssten Sie sich entschuldigen! (Neuerliche Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich habe hier ein Papier von einem Voest-Arbeiter – Sie kennen hoffentlich das Logo der Voest –, da stehen die Vorwürfe drauf, die man dort gegen die Betriebsräte erhebt: unüblich hohe Auszahlung von Urlaubsgeldern, Selbstentnahme von Gutscheinen, Vergabe von Prämien zum Großteil an sich selbst und Kilometerabrechnung, obwohl


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man selbst über ein Dienstauto verfügt! (Ah-Rufe bei der FPÖ.) Das setzt sich fort bei den roten Betriebsräten. Beim Land Oberösterreich ist es dasselbe, auch dort ist es ein roter Betriebsrat, der ein Dienstauto hat, aber Kilometergelder verrechnet. Dasselbe bei der Linz AG, auch dieselbe Schweinerei! Meine sehr geehrten Damen und Herren, das alles sind Dinge, die die Roten zu verantworten haben.

Meine Herren Grüne, Herr Kollege Öllinger: Vor nicht allzu langer Zeit ist ein hervor­ragender Journalist von Herrn Bundeskanzler Faymann mit einem Federstrich gekün­digt worden. Ich habe keine Silbe von Ihnen gehört, keine Silbe davon, dass Sie von den Grünen sich für diesen Journalisten eingesetzt hätten! Gestern haben Sie hier Krokodilstränen vergossen, aber bei diesem Journalisten habe ich, als er von einem roten Bundeskanzler von einem Tag auf den anderen „abgeschossen“ wurde, nichts von Ihnen gehört. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Sozialsystem zeigt Mängel, weil Rote nicht zulassen, dass Änderungen vorgenommen werden. Seit Jahren mahnt der Rech­nungshof ein, dass die Harmonisierung der Pensionen in Wien endlich durchgeführt werden soll. Dort geht man noch mit 55 Jahren in Pension, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Wöginger, da bin ich ganz bei Ihnen: Mit solchen Missständen gehört endlich aufgeräumt, Leistung muss sich wieder lohnen! Das ist das, was in Zukunft zählen muss. (Beifall bei der FPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie bestrafen mit einem neuen Belastungs­paket all diejenigen, die es nicht verdient haben. Sie bestrafen mit dieser Maßnahme der Steuern auf fossile Energieträger diejenigen, die nichts dafür können, eine Heizung nicht selber austauschen zu können. Mieter, die ohnehin schon eine hohe Miete bezahlen, Pensionisten, die ohnehin nur eine kleine Pension haben, all diejenigen bestrafen Sie! (Beifall bei der FPÖ.)

Machen Sie keinen Klassenkampf, indem Sie hergehen und eine Reichensteuer ver­lan­gen, sondern räumen Sie einmal in den eigenen Reihen auf! Sie sind Verfechter von eigenen Stiftungen, Sie sind als Großunternehmer in sehr vielen Unternehmungen tätig. Räumen Sie dort auf – damit haben Sie genug zu tun, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Gaßner: ... haben Sie ver­gessen!)

Folgendes darf ich Ihnen abschließend noch sagen: Den i-Punkt auf die ganze Debatte um den Arbeitsmarkt hat jetzt ein gewisser Rudi Kaske geliefert. Jener Rudi Kaske, der vor nicht allzu langer Zeit in dieser Republik gesagt hat: Wenn die Arbeiterheere mar­schieren, dann brennt die Republik. – Das ist schon an sich ein Skandal, aber vor einer Woche hat er in einem Interview gesagt, mit dem 1. Mai, dem Tag der Arbeit, fallen 2011 die Arbeitsmarktbestimmungen, die Schutzbestimmungen für Österreich. Dazu weiß er aus statistischen Erfahrungen, dass 25 000 Slowaken vor den Grenzen schon jetzt auf den Arbeitsmarkt in Österreich warten, und er begrüßt das!

In einer Zeit, in der wir über 400 000 Arbeitslose in unserem Land haben, begrüßt ein sozialistischer Gewerkschaftsvertreter den Zuwachs von 25 000 fremden Arbeitern – das ist ein Skandal! Der Mann gehört abgewählt, er muss zurücktreten. Das ist doch unverantwortlich, was dieser Mann hier macht! (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister, vor zwei Tagen habe ich vom Arbeitsmarktservice in Linz die offiziellen Zahlen der Arbeitslosen für Oberösterreich bekommen. Sie lauten wie folgt: 42 275 Arbeitslose in Oberösterreich, ein Plus von 4 452 armen Arbeitslosen. 12 594 befinden sich in Schulung. Es sind daher insgesamt 54 869 Arbeitslose und in Schu­lung Befindliche, und das bei gleichzeitig 1 027 offenen Arbeitsmarktstellen weniger.


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Das ist die Kapitulation der Sozialisten vor der derzeitigen Situation in Österreich! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von der SPÖ, Sie haben sich vom sozialen Gedanken verabschiedet. Ich kann Ihnen nur zurufen: Genossen, hört die Signale, auf zum letzten Gefecht! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.)

13.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die einschlägigen Bestim­mungen in der Geschäftsordnung und erteile Ihnen das Wort. – Bitte.

 


13.22.24

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klub­obmann Bucher hat in seinem Redebeitrag ein leider nicht geprüftes Beispiel aus der Tageszeitung „Die Presse“ zitiert, das dort vom Generalsekretär des Wirtschaftsbun­des veröffentlicht wurde. Herr Bucher hat die Äußerungen und Behauptungen des Herrn Abgeordneten Haubner wiedergegeben, in denen es heißt, dass eine Person, die 800 € brutto für Teilzeitarbeit verdient, über Sozialtransferleistungen insgesamt monatlich 1 365 € netto erhält, während eine Person, die 1 300 € für Vollzeitarbeit ver­dient, nur 1 055 € netto erhält.

Dieses Beispiel des Herrn Abgeordneten Bucher beziehungsweise des Herrn Abge­ordneten Haubner ist leider völlig falsch. Ich berichtige daher tatsächlich – und Herr Abgeordneter Haubner weiß es mittlerweile genauso wie Herr Abgeordneter Bucher –: Die Person, die 800 € brutto verdient, erhält nach Zuerkennung aller Sozialleistungen des Landes Kärnten 799 € netto. Die Person, die 1 300 € brutto verdient, bekommt, da sie kaum Sozialleistungen erhält, 1 080 € netto. (Abg. Scheibner: Das kann gar nicht stimmen! – Abg. Grosz: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, Herr Präsident!)

Es stimmt also das Beispiel des Wirtschaftsbundes von A bis Z nicht. Der Wirt­schaftsbund kann leider nicht rechnen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grosz: Er hat eine wunderschöne Rede gehalten, aber keine tatsächliche Berichtigung! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und BZÖ.)

13.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich glaube, wir können die Aufgeregtheit etwas zurück­nehmen. Es war eine lange tatsächliche Berichtigung, die phasenweise, an dieser Stelle, überschießend gewesen ist. (Abg. Grosz: Und für „Schweinerei“ gibt es keinen Ordnungsruf?!)

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich darf nur der Ordnung halber die Gebärdendolmetscherin bitten, die Abgeord­neten­bänke für die Abstimmung zu verlassen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Verknüpfung von Integra­tionsleistungen und sozialen Leistungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

13.25.16 2. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2009 der Bundesregierung (III-90/624 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 86

3. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den An­trag 387/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beendigung der umsatzsteuerlichen Ungleichbehandlung von pau­schalierten Land- und Forstwirten (625 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zu den Punkten 2 und 3 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Jannach. Eingestellte Redezeit: 3 Minu­ten. – Bitte.

 


13.26.10

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Her­ren! Herr Landwirtschaftsminister, es freut mich, dass Sie wieder einmal im Lande sind; Sie sind ja sehr viel unterwegs.

Wir haben heute den Grünen Bericht zu diskutieren, den Grünen Bericht 2009, mit den Zahlen aus dem Jahr 2008! Wer den Kalender anschaut, weiß, dass wir heute Ende März 2010 haben. Ich frage mich daher wirklich, was das soll, heute den Grünen Bericht noch mit den Zahlen von 2008 zu diskutieren. Sollen wir jetzt bejubeln, dass im Jahr 2008 das Einkommen der Bauern auf niedrigem Niveau um 1 Prozent gestiegen ist?

Ich glaube, das ist vollkommen fehl am Platz. Es zeigt aber wirklich plakativ, wie man hier in Österreich und wie Sie, Herr Minister, mit der Landwirtschaft umgehen, dass wir das heute auf der Tagesordnung haben, eineinhalb Jahre oder ein Jahr zu spät dafür, etwas zu analysieren und möglicherweise noch zu feiern. Das ist unserer Meinung vollkommen unangebracht, deswegen wollen wir uns mit dem Grünen Bericht mit den Zahlen von 2008 gar nicht befassen, sondern statt dessen mit den Zahlen der Statistik Austria von 2009, denn diese zeigen ein ganz anderes Bild als der Grüne Bericht.

Wir haben uns der Zahlen von 2009 angenommen. 2009 war für die Landwirtschaft ein wirklich dramatisches Jahr, da hatten wir einen Einkommensrückgang von knapp 20 Prozent, von 19,4 Prozent hinzunehmen. Ich kann Ihnen das vorlesen, Herr Minister, aber Sie kennen wahrscheinlich die Zahlen der Statistik Austria. Es ist wirklich unerträglich!

Unerträglich ist es auch deswegen – und wir haben das gestern schon diskutiert –, weil viele Dinge, die auch die Oppositionsparteien, BZÖ, Grüne und wir, in den Aus­schüssen fordern, permanent vertagt werden und weil man sich mit diesen Dingen einfach nicht befassen will. Das halten wir für einen Skandal, weil es jetzt bei den Bauern wirklich um die Existenz geht. Bei einem Einkommensminus von 20 Prozent müssen wir etwas unternehmen! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich frage mich, ob Sie auch so ruhig auf der Regierungsbank sitzen würden, wenn bei Ihnen im Vorjahr das Einkommen um 20 Prozent gesunken wäre. Dann würden Sie wahrscheinlich schnell etwas unternehmen, dann müsste man schnell handeln. Aber bei den Bauern ist es egal, man schaut einmal, wie die Dinge laufen. Dabei gibt es sehr, sehr viele offene Fragen, die wir diskutieren müssten.

Wie geht es zum Beispiel mit dem Milchmarkt weiter? – Sie haben keine Vision, Sie haben keine Vorstellung davon, wie es mit dem Milchmarkt weitergeht. Wir wollen heute diese Marktordnungsänderung beschließen und 6 Millionen € an Förderung für


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die Milchbauern beschließen, aber das ist doch keine Lösung für den Milchmarkt! Was passiert mit den Kontingenten? Werden die Kontingente den Bauern abgelöst, werden diese entschädigt? – Wenn das ist nicht passiert, ist es eine lupenreine Enteignung von bäuerlichem Eigentum, und dagegen müssen wir uns wehren. (Beifall bei der FPÖ.)

Wie schaut es mit den unglaublich ungleich verteilten Förderungen in der Landwirt­schaft aus? – Wir haben 85 Prozent der Bauern, die mit einem Bettel abgespeist werden, und wir haben Großbetriebe, die unglaubliche Summen an Förderungen kassieren und damit auch das Image der brav arbeitenden Landwirte massiv schädigen. Auch da müssen wir etwas tun, aber Sie tun in dem Bereich nichts! Sie sagen, Sie wollen es, aber Sie machen nichts. Seit eineinhalb Jahren ist das auf dem Tapet, aber es wird nicht behandelt, nicht einmal im Ausschuss. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Minister, Sie sagen: Geiz ist nicht geil, wir müssen bei den Handelsketten etwas machen, die Diskonter verschleudern unsere landwirtschaftlichen Produkte. – Aber im gleichen Atemzug, und das habe ich auch schon einmal erwähnt, erhält die Handels­kette Hofer, die wirklich mit Diskontpreisen die Bauern schädigt, Förderungen aus dem Agrarbudget von 250 000 € pro Jahr! Das ist ein Riesenskandal, hier muss man einmal aufräumen. (Beifall bei der FPÖ.)

Einen noch viel schlimmeren Fall haben wir vor Kurzem aufgezeigt. Die Firma Prolactal ist mittlerweile österreichweit bekannt; das ist die Firma, die diesen Hartberger „Killerquargel“ vertrieben hat. Sie wissen, dass sechs Personen daran gestorben sind. Der Skandal ist nicht so sehr der – das ist nur eine Enttäuschung für mich –, dass Sie sich noch nicht klar positioniert und das aufs Schärfste verurteilt haben, sondern vielmehr, dass diese Firma Prolactal aus dem Agrarbudget im Jahr 2007 760 000 € kassiert hat. Geld, das für die Bauern da wäre, hat diese Firma bekommen, die die Gesundheit der Menschen aufs Spiel setzt! Das gehört rigoros bestraft, und das Geld zurückgeholt und den Bauern gegeben und nicht diesen Firmen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Jury, Linder und Dr. Strutz.)

Damit sind wir auch schon beim nächsten Versäumnis im Agrarressort, nämlich der Lebensmittelkennzeichnung. Wie kann es sein, dass diese Firma Prolactal einen Hartberger Bauernquargel vertreibt? Niemand aus der Bevölkerung weiß, dass die Milch, aus der dieser Quargel hergestellt wird, aus Deutschland und aus Holland stammt. Das ist der Skandal! Und da steht dann Hartberger Bauernquargel drauf. Jeder normale Konsument geht davon aus, dass dieses Produkt aus der Region Steiermark, aus Hartberg kommt. Das ist lupenreiner Betrug!

Sie haben schon lange versprochen, dass es zu einer klaren Lebensmittelkenn­zeich­nung kommt. Und da ist bis heute nichts geschehen. Wir haben hundert Gütezeichen und Markenzeichen. Außer Lippenbekenntnissen, dass man da etwas ändern will, ist nichts geschehen. (MitarbeiterInnen der ÖVP verteilen Stelltafeln auf die Bänke der ÖVP-Abgeordneten.) Wir haben x Anträge eingebracht, und nichts ist in dem Bereich geschehen. Da geht es um lupenreine Konsumententäuschung, und das zu unterbin­den wäre eine Aufgabe, der Sie sich widmen könnten! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Jury, Linder und Dr. Strutz.)

Dann haben wir noch einen Punkt, wo nichts getan wurde: die Einheitswertfeststellung. Im heurigen Jahr muss die Einheitswertfeststellung erfolgen. Der Einheitswert ist die Grundlage für alle Abgaben landwirtschaftlicher Betriebe. Wir haben im Ausschuss mehrfach Fragen gestellt, wir haben eine Ministeranfrage gestellt, doch wir haben keinerlei Auskunft erhalten, wie diese Einheitswerte festgestellt werden. Zum Glück sind nicht alle so mit DDR-Methoden behaftet, dass sie keinerlei Auskunft geben. Die Landwirtschaftskammer Kärnten hat uns selbstverständlich ein Berechnungsbeispiel zur Verfügung gestellt.


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Das ist wirklich ein Schlag ins Gesicht der kleinen Landwirte! Wir haben hier einen Grünlandbetrieb im Berggebiet mit 21 Hektar, also ein durchschnittlicher österreichi­scher Betrieb. Da wird der Einheitswert um 80 Prozent erhöht. Das bedeutet eine Erhöhung aller Steuern und Abgaben um 80 Prozent für die landwirtschaftlichen Betriebe. Im Gegenzug aber ein Berechnungsbeispiel für die großen Ackerbaubetriebe: Hier kommt es zu einer Entlastung über den Einheitswert. Die Betriebe also, die ohnehin sehr, sehr viel an Förderungen kassieren, weil die Förderungen auf Flächen und Mengen ausgerichtet sind, haben auch hier den Vorteil. Da haben wir ein totales Ungleichgewicht, und dazu haben Sie bis heute noch keine klare Stellungnahme abgegeben, außer darauf hinzuweisen, dass uns das nichts angehe, weil das Sache des Finanzministeriums sei.

Im landwirtschaftlichen Bereich gibt es also viel zu tun, aber seit eineinhalb Jahren geschieht gar nichts im Ausschuss. Jeder Antrag der Opposition wird vertagt und nur gesagt: Man muss darüber reden, man muss etwas tun, aber geschehen ist gar nichts.

Es wäre der Wunsch nicht nur unserer Fraktion, sondern auch vom BZÖ, den Grünen, Teilen der Sozialdemokratie, dass Sie etwas mehr im Land bleiben und weniger in der Weltgeschichte herumfliegen, auch wenn das dann in den Zeitungen immer gut kommt, dass Sie als Minister zum Weltenbummler geworden sind und die höchsten Reise­spesen eines einfachen Ministers haben. Sogar der Herr Vizekanzler, der ein größeres Ressort hat, hat nur ein Viertel der Reisekosten. Und Sie hatten 251 000 € Reise­kosten im Vorjahr. Das steht in den „Salzburger Nachrichten“, die zweifellos kein Parteiorgan der FPÖ sind.

Also bitte sparen, etwas mehr im Land bleiben und sich um die Anliegen der Bauern kümmern und nicht in der Weltgeschichte herumreisen! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Jury, Linder und Dr. Strutz.)

13.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Bevor ich Herrn Abgeordnetem Grillitsch das Wort erteile, ersuche ich die Damen und Herren von der ÖVP, gemäß den Usancen die Taferln, nachdem wir uns jetzt wirklich überzeugt haben und alle sie schon gesehen haben, von den Tischen zu entfernen.

Ich habe sie auch gelesen, es steht auf allen das Gleiche drauf, auf allen 32. (Abg. Kopf: Wieso? Die bleiben stehen!) – Wir haben Vergleichbares schon so gehand­habt.

Herr Klubobmann Kopf, wollen Sie sich zur Geschäftsordnung melden? – Bitte.

 


13.34.33

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident, es ist richtig, dass es die Usance gibt, wenn hier großflächig Transparente ausgerollt werden, diese nach ein paar Sekunden wieder zusammenzurollen, aber solche Taferln sind in der Regel immer auch über eine längere Zeit stehen geblieben – und ich bestehe darauf, dass auch wir das tun dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)

13.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


13.34.40

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich glaube, wir müssen hier mit gleichem Maß messen. Gestern hat die Österreichi­sche Volkspartei sehr darauf gedrängt, dass unsere Plakate, die eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben, dass der Herr Vizekanzler und Finanzminister Steuererhöhun­


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gen immer ausgeschlossen hat, dann aber doch verfügen wird, rasch wieder entfernt werden.

Es kann nicht um die Größe der Taferln gehen, sondern es geht darum, ob man die Abgeordnetenreihen über längere Zeit für politische Werbung oder Zumausdruck­brin­gen irgendwelcher Inhalte verwenden kann – ja oder nein. Zwischen den Taferln, die wir gestern sofort wieder wegräumen mussten, und diesen schmucken Taferln ist nicht viel Unterschied. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

13.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.35.55

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Die angeordnete Maßnahme ist durchaus eine richtige. Die Slogans, die auf diesen Taferln stehen – ich weiß nicht, vielleicht wollen sich manche ÖVP-Abgeordnete dahinter verstecken – und angesichts der halbwegs leeren Reihen auch beim eigenen Redner ist das vielleicht auch nur eine Attrappe, um Anwesenheit vorzutäuschen.

Die Aussage: Heimisch kaufen, Arbeitsplätze sichern, ist eine derart über alle Partei­grenzen hier in diesem Haus hinweg allgemeine, sodass es auch keiner länger andauernden Aufforderung bedarf. Vielleicht könnte sie der Referent, der Vortragende jetzt auch noch einmal kurz für das Protokoll wiederholen, dass das die Meinung ist. Dann wäre es, glaube ich, wirklich kein Problem mehr, diese Taferln wegzutun. Von der Weite schauen die nämlich aus, als wäre das eine Werbung für eine Ostereier­firma. (Beifall bei der FPÖ.)

13.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Klubobmann Dr. Cap hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.36.47

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Wir bekennen uns dazu, dass wir heimisch kaufen. Wir bekennen uns dazu, dass wir Arbeitsplätze sichern.

Ich finde die Botschaft stimmt, ich sehe da überhaupt kein Problem. Es ist auch keine Ironie angebracht. Es ist wichtig, dass das in die Politik einfließt, und die sollen das wegräumen, wenn sie es wegräumen wollen. Ich habe kein Problem damit. (De­monstrativer Beifall bei der ÖVP.)

13.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Geschäftsordnung hat sich Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


13.37.11

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne) (zur Geschäftsbehandlung): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind uns darin einig – hoffe ich, zumindest bin ich es mit Kollegem Scheibner –, dass Ähnliches oder Gleiches mit gleichem Maß zu messen ist. Es gibt eine Usance, die auch die Präsidenten bezie­hungsweise die Präsidentin anwenden, die da heißt: Nach kurzem Vorbringen des Anliegens sollen die entsprechenden Plaketten verräumt werden.

Der dekorative Charakter dieser Taferln hält sich in engen Grenzen, also tun Sie auch dem Anliegen nicht unbedingt etwas Gutes, wenn Sie das mit diesen Taferln noch


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länger, als das ohnehin schon jetzt der Fall ist, vorbringen. (Abg. Vock: Handeln statt Taferln zeigen!)

13.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nachdem ich alle Fraktionen gehört habe, bleibe ich bei meiner Entscheidung. Ich erinnere daran, dass bei der vorletzten Landwirtschafts­debatte von Fraktionen die heimischen Milchpackerln aufgestellt wurden. Damals hat insbesondere die ÖVP-Fraktion nach kurzer Zeit darauf gedrängt, dass diese von den Sitzreihen verschwinden sollen.

Die Geschäftsordnungsdebatte hat auch dazu beigetragen, Ihrem Anliegen – heimisch zu kaufen – überbordend Rechnung zu tragen. Das heißt, es ist auch Sinn und Zweck Ihrer Maßnahme meines Erachtens erfüllt, und ich bitte Sie um Verständnis, dass ich nicht den Inhalt der jeweiligen Taferln werten möchte, sondern mich auf das Formale zurückziehe, und da gilt dann für alle Taferln das Gleiche. Jeder versteht seine eigene Botschaft.

Ich bitte Sie daher, diese Taferln im Verlauf der Rede des Herrn Kollegen Grillitsch von den Sitzreihen zu entfernen. – Danke.

*****

Und jetzt erteile ich Herrn Abgeordnetem Grillitsch das Wort. 5 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.39.00

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Vorerst einmal herzlichen Dank für die Zurverfügung­stellung des Grünen Berichts, der immer eine Grundlage dafür ist, auch hier im Parla­ment die Situation der Bäuerinnen und Bauern entsprechend zu diskutieren. Ich bedauere es sehr – und sage das auch sehr offen –, dass wir heute keine Fernsehzeit bekommen, um dieses wichtige Thema der Landwirtschaft, der Ernährungssicherung Österreichs auch einmal offiziell vor dem Fernsehpublikum zu diskutieren. Ernährungs­souveränität, Lebensmittelsicherheit sind ganz einfach eine zentrale Herausforderung.

Die Lage der Bäuerinnen und Bauern ist eine sehr schwierige. Das sage ich Ihnen ganz offen. Sie haben im vergangenen Jahr 20 Prozent weniger Einkommen erzielt. Bei den Preisen gab es vor allem Rückgänge im Bereich Milch, Getreide und Vieh. Das ist ein historisches Tief. Daher ist es auch wirklich notwendig und wichtig, die richtigen Schlüsse aus diesen Entwicklungen zu ziehen. Wir müssen sehen, dass die Politik leider nicht mehr die Möglichkeit hat, die Preise zu bestimmen, weil wir uns heute auf globalisierten Märkten bewegen, auf denen die Preise durch Angebot und Nachfrage geregelt werden.

Was wir aber tun können, ist, die Spielregeln für diese Märkte zu gestalten, Maß­nahmen zu entwickeln, auf internationaler Ebene, auf europäischer Ebene, aber auch auf nationaler Ebene. Das ist wichtig, und wir haben das gerade im Milchbereich im vergangenen Jahr gesehen – 2007 ein Anstieg durch stärkere Nachfrage auf dem globalen Markt, 2008, 2009 wieder Probleme, Rückgänge im Milchbereich. Somit wurde es notwendig, international, auf EU-Ebene Maßnahmenpakete zu schnüren mit Exporterstattung, mit Intervention, wofür ich insbesondere unserem Bundesminister danke, er auch auf europäischer Ebene die Initiative ergriffen hat. Man hat sofort gespürt, dass es zu Marktentlastungen kommt und dass es wieder bessere Entwick­lungen auf dem Markt für die Bäuerinnen und Bauern gibt.


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Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wichtig, in Europa das EU-Budget abzusichern, an dieser gemeinsamen Agrarpolitik festzuhalten, damit wir die Programme für die Bäuerinnen und Bauern fortführen können, sprich Berg­bauernprogramm, sprich Umweltprogramm, sprich aber auch die gesamte ländliche Entwicklung. Hier sind wir gefordert, insbesondere für die Programmperiode 2013 bis 2020. Da beginnen die Gespräche, und da ist es wichtig, dass wir uns gemeinsam mit Partnern, mit Nachbarländern entsprechend in Europa positionieren und an dieser gemeinsamen Agrarpolitik festhalten.

Wenn einige hier eine Renationalisierung der Agrarpolitik wollen, dann müssen diese mir vorher erklären, wie wir dann die Leistungen für die Bäuerinnen und Bauern finanzieren. Dann soll man das hier laut sagen, wo es die Möglichkeiten gibt, dieses Geld für unsere Bergbauern, für das Umweltprogramm und für den ländlichen Raum aufzutreiben.

Das Budget für die nächsten zwei Jahre ist eine große Herausforderung, da die Pro­grammperiode 2013 bis 2020 erst in zwei Jahren beginnt. Da sind wir auch auf nationaler Ebene aufgrund der Ausgabeneinsparungen, die vorgesehen sind, massiv gefordert. Das wird auch die Landwirtschaft treffen. Da werden wir auch in Arbeits­gruppen gemeinsam mit unserem Bundesminister Synergien und Einsparpotenziale suchen, bevor wir auf Programme der Bäuerinnen und Bauern zurückgreifen. Das muss das Primat sein. Das wird schwierig, das wird eine große Herausforderung.

Es ist aber auch die Steuerfrage wichtig, die heute vom Herrn Kollegen Jannach ange­sprochen wurde. Wir wollen keine Vermögenssteuer, wir wollen keine Erhöhung der Grundsteuer. Wissen Sie, was wir wollen? – Die Sicherung der Einheitswerte als steuerliche Bemessungsgrundlage für die Bäuerinnen und Bauern, insbesondere da sie im vergangenen Jahr minus 20 Prozent Einkommen gehabt haben. Daher bin ich froh darüber, dass unser Bundesminister Pröll, unser Finanzminister, jetzt einen Begutachtungsentwurf hinausgeschickt hat, damit wir dieses System der Einheitswerte für die nächsten Jahre fortführen können. Das ist ehrlich für die Bauern, das ist aufrichtig für die Bauern statt mit einem Zettel herumzuwacheln, der längst Vergan­genheit ist.

Herr Kollege Jannach! Sie haben alles verschlafen, was in den letzten Wochen geschehen ist. Wir wollen die Sicherung der Einheitswerte für unsere Bäuerinnen und Bauern und in Zeiten wie diesen für niemanden Belastungen haben, damit auch das klar ausgesprochen ist. (Beifall bei der ÖVP.)

Das, meine Damen und Herren, sind zweifelsohne große Herausforderungen. Wir sind für eine ökologische Steuerreform, da sind wir dabei, weil es darum geht, das System zu ändern, indem wir Anreize schaffen, verstärkt und vermehrt auf heimische Poten­ziale zurückzugreifen, sprich auf erneuerbare Energieträger in umfassender Form, ob Sonne, Wind oder Biomasse, was Arbeit bringt, was die Umwelt schützt, was uns krisensicher macht. Das beinhaltet einen entsprechenden Lenkungseffekt, wobei es jeder selbst in der Hand hat, wie viel Steuern er letztlich zahlt, indem er eben sorgsamer und richtiger mit unseren Ressourcen, mit unseren Energien umgeht. (Auf der Galerie erheben sich einige Personen mit identisch bedruckten T-Shirts.)

Zum Schluss kommend – (der Redner wendet sich an Präsidenten Dr. Graf) und das ist das Taferl, das möchte ich jetzt erklären, Herr Präsident –: Wir sitzen alle in einem Boot. Alle! Es geht um Arbeit und wieder um Arbeit und wieder um Arbeit, es geht um Einkommen, es geht um Kaufkraft. Daher wirklich mein Appell, nicht nur darüber zu reden, heimisch zu kaufen, sondern wirklich heimisch, regional zu kaufen, damit wir auch Arbeitsplätze sichern. Die heimische Land- und Forstwirtschaft sichert nun einmal in Österreich 550 000 Arbeitsplätze, alles miteingerechnet im vor- und nachgelagerten


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Bereich. Das heißt: Jeder von Ihnen und jeder Österreicher hat es beim täglichen Einkauf in der Hand, wie viele Arbeitsplätze in Österreich gesichert sind. (Abg. Wein­zinger: Sagen Sie das Ihren Konzernen!) 10 Prozent mehr heimische Lebensmittel sind 10 000 Arbeitsplätze mehr. Es liegt in Ihrer Verantwortung, wie viele Arbeitsplätze in Österreich zusätzlich geschaffen werden können. (Beifall bei der ÖVP.)

13.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich bitte auch die Damen und Herren auf der Galerie, ihre Kundgebung nunmehr zu beenden. Auch dieses Anliegen haben wir alle gesehen. (Die betreffenden Personen nehmen wieder Platz.) – Danke.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.46.04

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Geschätzte Zuschauer auf den Rängen! Wie wir bereits an­schaulich vor Augen geführt bekommen haben, ist das Einkommen aller bäuerlichen Betriebe im Jahr 2009 um 20 Prozent gesunken. Da herrscht wirklich Katastrophen­stimmung. Die Leute können die Kreditraten nicht mehr zahlen und die Schuldenlast wächst, wächst und wächst. Raiffeisen verhält sich da kontraproduktiv. Raiffeisen verfolgt die Politik: Wenn die Sonne scheint, kommen sie mit dem Schirm, und jetzt, wo es zu tröpfeln anfängt, reißen sie ihn sofort weg. Alle diese Landwirte fühlen sich ja heute von der ÖVP nur mehr verraten und nicht vertreten. (Beifall beim BZÖ.)

1960 haben wir in Österreich noch 400 000 landwirtschaftliche Betriebe gehabt. Heute sind es 185 000, vielleicht 186 000. 1960 haben noch 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung in der Land- und Forstwirtschaft gearbeitet. Heute sind es 4 Prozent. Herr Grillitsch redet da von ganz anderen Zahlen, denn er vertritt ja nur den Raiffeisen-Konzern und nicht die Landwirte. Vielleicht sollte man da einmal ehrlich sein und dazu Stellung nehmen. (Abg. Grillitsch: Nimm du einmal Stellung dazu!)

Die Agrarstrukturerhebung hat ergeben, dass im letzten Jahr 2 600 Betriebe das Tor ein für alle Mal geschlossen haben. Und jetzt passiert aber Folgendes: Durch diese gute ÖVP-Politik fällt jeder Milchbetrieb, der heute schließt, der seine Milchquote verliert, in die sogenannte Saldierung, das heißt, der Nachbarbetrieb oder wer auch immer kann Milch liefern, so viel er will, er bekommt denselben Preis wie der andere. Das bewirkt einen wahnsinnigen Druck auf den Milchmarkt, den die Landwirte so nicht mehr lang aushalten werden können. Darum ist es einmal allerhöchste Eisenbahn, dass diese Saldierung sofort wegkommt. (Abg. Grillitsch: Das ist ein völliger Blöd­sinn!)

Wenn wir die Saldierung wegtun, gehen die Preise der Milch in die Höhe und der Landwirt profitiert davon. Die frei werdenden Kontingente sind vom Bundesminister anzukaufen. Dann erhält der Landwirt wieder ein Einkommen, von dem er leben kann, mit dem er nicht zum Bittsteller wird, sodass der Landwirt auch ein unternehmerisch denkender Mensch ist, der von seinem Produkt leben kann. Dahin sollten wir die österreichischen Landwirte bringen, statt sie als Leibeigene von Raiffeisen zu halten.

Im Jahr 2008 haben die Landwirte laut Grünem Bericht 8 Prozent mehr öffentliche Mittel bekommen. Trotz dieses gestiegenen öffentlichen Mitteleinsatzes ist das Ein­kom­men nach unten gegangen. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass der Vieh haltende Betrieb noch einmal wahnsinnig ungerecht behandelt wird. Da müssen dringend Schritte gesetzt werden, damit die Landwirtschaft wieder aus der Krise geführt werden kann.

Schauen wir uns auch einmal die Alterspension an! Der durchschnittliche Landwirt, der durchschnittliche Bauer und die durchschnittliche Bäuerin erhält 732 €, im Gegensatz


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dazu, der durchschnittliche Raiffeisen-Angestellte 1 468 €. Es ist also nicht nur so, dass man schon während der ganzen Aktivzeit vom Bauernstand lebt, sondern man macht das dann auch weiter in der Pension. Darum ist es auch ganz, ganz wichtig – lieber Herr Grillitsch, höre zu –, dass man die Pauschalierungsgrenze von momentan 65 000  € sofort auf 130 000 € erhöht. Ich bin neugierig, ob du dann meinem Antrag, unserem BZÖ-Antrag zustimmst.

Wenn ich mir vergegenwärtige, wie die ÖVP Agrarpolitik macht, dann schaue ich mir zum Beispiel die Reaktion auf den Antrag an – ich brachte einen Antrag im Agrarausschuss ein –, dass man die Mehrwertsteuer der Landwirte angleicht.

Der Landwirt bekommt heute für jedes Produkt, das er produziert, 12 Prozent und für das, was er als Betriebsmittel kauft – sei es der Traktor oder der Diesel und so weiter –, muss er 20 Prozent bezahlen. Diese Ungerechtigkeit muss sofort abgestellt werden.

Wir reden immer von der EU – Herr Grillitsch hat gerade vom europäischen, vom globalen Markt geredet –: In Italien bezahlt der Landwirt für alles, was er kauft, 4 Prozent, und für seine Produkte bekommt er 10 Prozent. (Zwischenrufe bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Gaßner.) Ihr habt dann die Courage, stellt euch hier her und stimmt gegen diesen Antrag?! Wie erklärt ihr das den Bauern?

Ich verstehe schon, warum diese Diskussionen immer außerhalb der Fernsehzeit stattfinden. Nicht, damit der Bürger, der Bauer informiert wird, sondern damit man ihn – ich weiß nicht, wie ich das sagen soll – dumm halten kann. Bitte ändert und bewegt euch da! Es ist ja unglaubwürdig, wenn man heute von einem europäischen Markt redet und dann – durch die ÖVP zu verantworten – den österreichischen Bauern so benachteiligt. Hören wir mit der Benachteiligung auf, bringen wir die Landwirtschaft wieder an ein gesundes Ufer!

Seid endlich auch gegen das Importieren von Gen-Soja. Da geht es wiederum nicht um die Landwirtschaft, da geht es rein darum, bei Raiffeisen die Bilanz aufzufetten. (Abg. Jakob Auer: Weißt du, wer der größte Exporteur ist?) Setzt einmal wirklich Schritte für die Landwirtschaft und nicht für Raiffeisen! (Beifall beim BZÖ. Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gaßner zu Wort. 4 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.51.57

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eigentlich hätten wir heute Grund zum Feiern, weil dieser Grüne Bericht ja ein Jubi­läum hat, nämlich das 50. Seit 1960 gibt es diesen Grünen Bericht, und ich muss eines dazusagen: Es ist eines der besten Nachschlagewerke im landwirtschaftlichen Bereich insgesamt. Das ist mit Sicherheit so.

Allerdings gibt er nicht nur Anlass zum Feiern, denn wenn ich mir anschaue, dass es 1960 noch 400 000 landwirtschaftliche Betriebe gegeben hat und es jetzt nur mehr 187 000 sind, so frage ich mich schon, ob denn das alles nur mit der internationalen Entwicklung, mit Strukturwandel und Ähnlichem zu erklären ist.

Ich habe jetzt so aufgepasst: Wenn jemand einen anderen Vorschlag hat, dann kommt aus Bauernbund-Reihen immer sofort: Ja wie ist denn das? – Da wird also mächtig quergeschossen. Ich denke, wir könnten schon einiges auch im eigenen Bereich anders und besser machen, um unseren Landwirten zu helfen und endlich dieses Bauernsterben zu stoppen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Huber.) Wir brauchen nämlich dieses Bauernsterben nicht, wir brauchen die kleinen und mittleren Bauern, damit wir Arbeitsplätze sichern; denn auch der Bauernhof ist Arbeitsplatz.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 94

Wir brauchen natürlich auch die Mittel in der ländlichen Entwicklung, da bin ich ganz bei dir, Kollege Grillitsch. Du hast gestern und heute wieder gesagt, dass im ländlichen Raum der Arbeitsplatz ganz wesentlich ist, aber natürlich auch am Bauernhof. Und warum gehen wir nicht endlich daran, die Förderverteilungen anders zu gestalten, nämlich die Arbeitszeit miteinzubeziehen, um auch dem Kleinen und Mittleren wieder eine Überlebenschance zu geben? (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Pirkl­huber.)

Also all diese Probleme, all diese Punkte gehören einmal angedacht, um eine bessere Situation zu schaffen und eine bessere Zukunft für unsere Bauern zu sichern. Das heimische Kaufen und der Arbeitsplatz hat darüber hinaus im gesamten ländlichen Raum eine Bedeutung. Ich glaube, es ist auch einmal notwendig, diesen ländlichen Raum etwas weiter zu definieren als nur auf die Landwirtschaftsförderung bezogen. Dort gibt es eine ganze Menge von Leuten – in Österreich sind es zwei Drittel, die dort wohnen –, die müssen dort bleiben! Das sind auch diejenigen, die dann die heimischen Produkte kaufen können.

Darüber müssten wir uns, glaube ich, schon noch sehr genau unterhalten, Herr Bundesminister, nämlich auch darüber, was wirklich nach 2013 geschieht. Was geschieht wirklich – jetzt schon – mit den Einsparungsvorschlägen des Herrn Finanzministers? Das alles wird auch am Landwirtschaftsbudget nicht spurlos vorüber­gehen.

Wenn Herr Kollege Grillitsch sagt, der Einheitswert darf nicht angerührt und muss sichergestellt werden, darf ich vielleicht zur Klärung sagen: Die Berechnungen bezie­hen sich auf das Jahr 1988. Ich denke, dass die Arbeitnehmer und Arbeit­nehmerinnen eine Riesenfreude hätten, wenn ihre Besteuerungen am Einkommen von 1988 ge­messen durchgeführt würden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es hängt also nicht nur die Grundsteuer daran, es hängen alle möglichen Abgaben daran – bis hin zur Studienbeihilfe. Es ist nicht ganz einsichtig, dass Großbauernsöhne genauso eine Studienbeihilfe – dieselbe oder noch mehr – bekommen wie einer, der Eltern hat, die gerade über das Maß hinaus verdienen. Ich glaube, da gehört mehr Gerechtigkeit her, und ich denke auch, dass es notwendig sein wird, das nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verschieben.

Eine letzte Erklärung noch dazu: Es ist keine koalitionäre Zusammenarbeit, sehr ge­schätzte Damen und Herren von der ÖVP, Herr Bundesminister, wenn einfach ein Bewertungsgesetz in Begutachtung geschickt wird, ohne dass auch nur im Geringsten mit uns, mit dem Koalitionspartner Sozialdemokratie, darüber geredet würde und dann eine Aussendung gemacht wird, in der es schon heißt, dass beim Einheitswert ohnehin nichts passiert. – So macht man nicht Koalitionsarbeit! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Linder. Abg. Scheibner: Aha!)

13.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. Einge­stellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.56.16

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr ge­schätzten Damen und Herren! Dem Grünen Bericht – mein Vorredner hat es ange­sprochen – alles Gute zum 50. Geburtstag. Es ist sicher ein gutes Nachschlagewerk, aber die Zahlen, Daten und Fakten sprechen eine andere Sprache, nämlich keine gute.

Täglich hören bis zu 15 landwirtschaftliche Betriebe auf, weil sich die Einkom­menssituation seit dem EU-Beitritt massiv verschlechtert hat. Immer mehr Höfe werden verlassen und nicht mehr bewirtschaftet, weil es sich einfach nicht mehr rechnet, meine


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 95

sehr geschätzten Damen und Herren. Anstatt den Bauern und Bäuerinnen die Förde­rung zukommen zu lassen, stopft man die Förderung in die Lebensmittelindustrie – und was dabei herauskommt, sieht man an den jüngsten Beispielen.

Was wir für die Zukunft brauchen ist ein Maßnahmenpaket, dass es sich wieder lohnt, Bäuerin oder Bauer zu sein und die Jugend die Höfe weiterführt; denn ich möchte, dass unsere Jugend auch noch in Zukunft gesunde Grundnahrungsmittel kennen und essen darf.

Meine Damen und Herren, was wir ganz dringend brauchen ist, dass endlich ein Gesetz geschaffen wird, wodurch das Schächten abgeschafft wird (Beifall bei der FPÖ Zwischenruf des Abg. Weninger), wenn man bedenkt, mit wie viel Liebe, Fleiß und Zuneigung unsere Bauern die Tiere versorgen, die Kühe, die Pferde, die Schafe pflegen – und dann werden die Tiere einfach mit einem Halsschnitt getötet.

Die Bauern müssen auf der einen Seite immer mehr Vorschriften und Pflichten einhalten, und auf der anderen Seite erlaubt der Staat, dass die Tiere ohne Betäubung geschlachtet werden. Das gehört geändert, meine sehr geschätzten Damen und Herren. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

13.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. 7 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.58.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister! Liebe Zuschauerinnen und Zuseher! Der Grüne Bericht – so schaut der aus (der Redner hält den genannten Bericht in die Höhe) – ist ein dickes Werk mit ungefähr 200, 300 Seiten. (Abg. Eßl: 336! – Abg. Mag. Molterer: Wie viel genau?) Gut, 336 Seiten! Bei dieser Gelegenheit möchte ich ausdrücklich den Beamten und den Mitarbeitern in Ihrem Ressort für eine wirklich gute Arbeit danken – das gehört gesagt. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen.)

Ja, Kollege Molterer, Sie waren ja auch einmal Landwirtschaftsminister, sind auch vorne, keine Frage. Es ist eine lange Serie von ÖVP- und wenigen SPÖ-Agrar­ministern, und trotz einer relativen Monokultur – von der politischen Vertretung her – muss ich sagen, dass es Expertinnen und Experten in Ihrem Haus gibt, Herr Bundes­minister, die sehr wohl die Brisanz und die Schwierigkeit der landwirtschaftlichen Situation wahrnehmen.

Das ist auch der Grund, warum die Zahlen und Fakten, die in dem Bericht sind, so relevant sind. Der Kollege Grillitsch und der Kollege Gaßner haben ja zu Recht Aspekte davon angesprochen. Ein Punkt sind Einkommensverringerungen, die massiv sind im Gegensatz zur Frage der Arbeitskraftsituation, des Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft.

Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit noch eine Besonderheit des Grünen Berichts hervorstreichen. Es arbeitet im Rahmen der „Paragraph 7-Kommission“ partei­über­greifend – mit Parteienvertretern, Sozialpartnern – sozusagen ein Diskussionsgremium an der Erstellung dieses Berichtes, und es ist schon bemerkenswert, dass dabei alle Fraktionen die Möglichkeit haben, auch gute Ideen einzubringen. Auch das ist eine gute Kultur; man sieht es an den zehn Empfehlungen, auf die ich später eingehen will.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch erwähnen, dass ich unseren heutigen Fünf-Parteien-Antrag als positiv erachte und ausdrücklich begrüße. Ich werde ihn gleich einbringen. Er beschäftigt sich mit einem der brisantesten Lebensmittelthemen, die in


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Europa derzeit diskutiert werden, nämlich mit den Herausforderungen betreffend wei­tere Zulassungen von Gentechnikprodukten.

Österreich ist in einigen Regionen wirklich ein profiliertes Kartoffelerzeugungsland, mit hochwertigen Kartoffeln – Stichwort Waldviertel und viele andere Regionen. Es freut mich daher, folgenden Antrag einbringen zu können:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pirklhuber, Gaßner, Grillitsch, Jannach, Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationales Anbauverbot für die Gentechnik-Kartoffel „Amflora“ von BASF.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Gesundheitsminister wird ersucht, umgehend ein nationales Anbauverbot für die Gentechnik-Kartoffel ,Amflora‘ von BASF zu erlassen.“

*****

(Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren, das ist ein ganz wichtiger Meilenstein des österreichischen Parlaments, der zeigt, dass in diesem Bereich wirklich solide weitergearbeitet wird – in diesem Bereich, in dem wir europaweit eine gewisse Vorbildwirkung haben, auch was den parlamentarischen Diskurs betrifft, auch was die Zusammenarbeit von Ministerien betrifft. Das sollte man nicht vergessen. Es wurden gute Studien in Auftrag gegeben, und es gab viele Diskussionen, Herr Bundesminister Berlakovich, die nicht immer konfliktfrei waren, aber wir haben sie geführt. Und es ist schon bemerkenswert, dass wir diese Linie auch in Europa bisher erfolgreich durchsetzen konnten.

Sie haben ja auch in einer Ihrer ersten Aktionen als Minister durchaus einen Erfolg auf europäischer Ebene verbuchen können. Das sei bei dieser Gelegenheit auch ange­merkt.

Die Schwierigkeiten liegen aber natürlich im Detail. Detailprobleme, gerade was die Situation der Landwirtschaft betrifft, werden klar ersichtlich, wenn man den Struktur­wandel sieht: dass nämlich im Prinzip die industrielle Produktion und Verarbeitung mit Riesenschritten weiter voranschreitet, während – das ist leider Realität – die Qualität zwar in aller Munde ist, aber in der Praxis immer mehr leidet.

Ein Beispiel: Die kleinen Schlachtbetriebe werden mit überzogenen formalen Kriterien belastet. Ich spreche nicht von Hygienestandards, die müssen eingehalten werden. Da sind wir, so hoffe ich, alle einer Meinung, dass das wichtig ist. Aber das angepasste Anwenden von grundsätzlich richtigen Hygieneansprüchen ist ja die Herausforderung! Das erfordert Sachverstand auf lokaler, auf nationaler und letztlich auch auf euro­päischer Ebene, und diesen Sachverstand muss man leider immer mehr vermissen.

Für diese kleinen, diese regionalen Strukturen müssen wir mehr tun als bisher. – Gerade auf diesen regionalen Kontext haben Herr Kollege Grillitsch und Sie ja hinge­wiesen, und das kann ich nur unterstreichen. In dieser Richtung sind wir sicher Partner und Gesprächspartner, aber, Herr Bundesminister, da sind Sie aufgefordert, in den nächsten Diskussionen auf europäischer Ebene klarzumachen, dass es nicht so weiter­gehen kann, dass letztlich die großen industriellen Zusammenhänge massive Lebensmittelskandale produzieren, was über Jahrzehnte sichtbar ist, während gleich­


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zeitig die Bäuerinnen und Bauern, die vor Ort nach bestem Wissen, nach besten Standards produzieren, schrittweise aus der Produktion, aus dem Markt, aus der Mög­lichkeit, qualitativ zu produzieren, hinausgedrängt werden.

Das ist für uns ein wesentlicher Punkt, und daher bitte ich Sie und fordere ich Sie auf, gemeinsam mit dem Gesundheitsminister Initiativen zu ergreifen, um die EU-Hygiene­richtlinie nicht in der inhaltlichen Orientierung zu ändern, sondern in der Frage der Interpretation und Auslegung voranzubringen, um die Verhältnismäßigkeit wieder­her­zustellen.

Wenn ein Bauer ein Schwein in der Woche schlachtet – im eigenen Betrieb, stress­frei – und dort zu hochwertigen Produkten verarbeitet, unter besten hygienischen Kriterien, dann soll das in Zukunft auch möglich sein. (Zwischenruf des Abg. Jakob Auer.Das ist ein Punkt, Herr Kollege Auer. Aber da müssen wir jetzt wirklich einmal Nägel mit Köpfen machen. (Abg. Dr. Spadiut: Das ist möglich! Zwischenruf der Abg. Höllerer.)

Das ist, Herr Kollege Spadiut, grundsätzlich vielleicht bei jenen Amtstierärzten möglich, die zu diesen Betrieben wirklich Vertrauen haben, aber bei anderen eben nicht. (Abg. Eßl: Das ist falsch!) – Das ist schon richtig, Herr Kollege Eßl! Erkundigen Sie sich einmal, wie das in der Praxis ist!

Das Problem ist ganz einfach, dass für einen Betrieb, der ein Schwein schlachtet, dieselben Kriterien gelten wie für einen, der 100 000 Schweine schlachtet, und das kann nicht die Lösung sein. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Eßl.)

Auf den Bereich der Empfehlungen würde ich gerne noch eingehen – das in Ihre Richtung, Herr Bundesminister Berlakovich –: Wenn ich mir diese zehn Empfehlungen anschaue, dann muss ich sagen, dass wir uns viel ausführlicher mit diesem Thema beschäftigen sollten. Die Sozialpartner und die Parteienvertreter sagen zum Beispiel einstimmig und klar, dass es eine Herkunftskennzeichnung in Europa, in Österreich braucht. Da ist die Frage: Was tun Sie als Landwirtschaftsminister dafür – wir werden das heute noch intensiver diskutieren –, dass ein österreichisches Gütesiegelgesetz auf den Weg kommt, das auch die Herkunftskennzeichnung zu einem grundsätzlichen Merkmal der Gütesiegel macht? – Das ist eine ganz konkrete Frage, die Sie klären müssen.

Unserer Meinung nach ist es nach wie vor nicht richtig – und dabei bleiben wir! –, wenn Sie dafür eintreten, den Bioeinstiegstopp zu verteidigen. Sie wissen genau – wir haben das immer richtig formuliert –: Jene Betriebe, die im ÖPUL drinnen sind, können ab heuer nicht in den biologischen Landbau einsteigen, der noch bessere und noch mehr Möglichkeiten bietet. Bis 2013 besteht dieser Einstiegstopp. Aus Klimaschutzgründen, aus konsumentenpolitischen Gründen und ganz einfach auch aus marktrelevanten Gründen können wir diesen Einstiegstopp nicht akzeptieren.

Sie sind wirklich dringend aufgefordert, da Konsequenzen zu ziehen und diesen Ein­stiegstopp zu beenden. Wir brauchen die biologische Landwirtschaft, wir brauchen eine weitere dynamische Entwicklung in diesem Sektor, und wir Grünen werden uns dafür weiterhin aktiv einsetzen. Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Schenk. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.06.28

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir alle profitieren von der Landwirtschaft, von der beeindruckenden Leistungsbereitschaft unserer Landwirtinnen und Landwirte, und ich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 98

möchte mich an dieser Stelle auch einmal herzlich für die Leistungsbereitschaft unserer Landwirtinnen und Landwirte bedanken, denn sie erzeugen nicht nur gesunde und gute Lebensmittel für uns, sondern sie erhalten auch die Landschaft, das Land­schaftsbild und ermöglichen uns, dass wir in einer schönen, gesunden und noch ziemlich intakten Natur leben. – Ich möchte also eingangs eine Lanze für die Landwirt­schaft brechen. (Beifall beim BZÖ.)

Dass diese Leistung von unserer Gesellschaft aber nicht immer so anerkannt wird, wie es sein sollte, und nicht in dem Maße gefördert wird, wie es sein sollte, trifft unsere Bauern sehr. Mein Kollege hat es vorhin schon erwähnt: Eine Pension von rund 732 € für ein Leben lang harte Arbeit ist nicht wirklich viel. Das ist nicht aussichtsreich, und ich kann jeden Landwirt verstehen, der heute sagt, dass es sich für ihn unter den aktuellen Umständen nicht mehr lohnt, seinen Beruf weiter auszuüben.

Gerade in vielen landwirtschaftlichen Familienbetrieben sind es oft Frauen, die den Betrieb tatsächlich managen. Das sind Leistungsträgerinnen, die in der Öffentlichkeit leider viel zu wenig wahrgenommen werden. Es sind gerade diese Frauen, die sich dann noch zusätzlich in schöner Regelmäßigkeit mit dem Ausfüllen von Förder­anträgen, von Fragebögen, von anderen Formalitäten herumplagen und durch den Paragraphen- und Papierdschungel kämpfen müssen.

Bei der Erstellung des Grünen Berichts werden wahrscheinlich eine Vielzahl derartiger Formulare zum Einsatz gekommen sein, und viele Frauen werden sich gefragt haben: Wozu muss ich das ausfüllen? Was bringt das? – Das ist eine berechtigte und verständliche Frage, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Es ist an der Zeit, dass da endlich Dynamik hineinkommt und dass das, was auf statis­tischer Ebene erhoben wird, auch einen praktischen Nutzen bringt – insbesondere für die vielen Landwirtinnen. Der vorliegende Grüne Bericht enthält eine Fülle von Infor­mationen. Jetzt ist die Politik gefordert, jetzt sind Sie, Herr Minister Berlakovich, gefor­dert, daraus etwas zu machen, denn der Grüne Bericht sollte nicht nur reiner Selbstzweck sein.

Die wirklich wesentliche Frage müsste eigentlich lauten: In welchen Bereichen können wir euch mehr unterstützen als bisher? Da sind es gerade wieder die von mir angesprochenen Landwirtinnen, die momentan von der Bundesregierung im Regen stehen gelassen werden, denn diese Frauen leisten nicht nur klassische landwirt­schaftliche Arbeit. Unternehmerisches Denken, Marketing, Tourismusangebote und nicht zuletzt die Betreuung von Kindern ohne ausreichende Kinderbetreuungsplätze und die Pflege alter, bedürftiger Menschen gehören zu den Dingen, die von den Landwirtinnen bewältigt und geleistet werden.

Da wird es fast als selbstverständlich vorausgesetzt, dass diese Frauen Multitalente sind und sich am besten alles noch selbst beibringen sollen. Wo sind die Bildungs­angebote der Bundesregierung für diese Frauen? – Das frage nicht nur ich mich, das fragen sich auch viele Landwirtinnen, die auch Betriebsführerinnen sind.

Eine Antwort sind uns die Herrschaften von der Regierung – und Sie können sich gerne zu Wort melden, wenn Sie darauf eine Antwort haben – beziehungsweise der Herr Minister bis dato schuldig geblieben. Herr Minister, ich darf Sie auffordern, gehen Sie endlich heraus aus der Theorie und hinein in die Praxis! Es gibt genug zu tun. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.  Abg. Schenk reicht Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich die Hand.)

14.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der von Herrn Abgeordnetem Pirklhuber einge­brachte Entschließungsantrag betreffend nationales Anbauverbot für die Gentechnik-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 99

Kartoffel „Amflora“ von BASF, der von allen Fraktionen unterstützt wird, ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Pirklhuber, Gassner, Grillitsch, Jannach, Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationales Anbauverbot für die Gentechnik-Kartoffel „Amflora“ von BASF eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2009 der Bundesregierung (III-90/624 d.B.)

Begründung

Die europäische Kommission hat am 2. März 2010 den umstrittenen Gentechnik-Erdapfel „Amflora“ des deutschen Chemiekonzerns BASF genehmigt. Die Zulassung betrifft den Anbau von "Amflora" und Verwendung der Speisestärke als Futtermittel. Das Zulassungsverfahren für „Amflora“ lief seit dem Jahr 1996. Die Kartoffel ist nicht vorrangig zum Verzehr bestimmt, sondern soll Stärke für die Papier-, Garn- und Klebstoffindustrie liefern.

Die Zulassung der gentechnisch veränderten Kartoffel „Amflora“ ist fahrlässig. Ausge­rechnet der Gesundheits-Kommissar ignoriert die Warnungen der Weltgesundheits-Organisation (WHO) und erlaubt den Anbau und Verzehr einer Pflanze, die eine Resistenz gegen zentrale Antibiotika im Kampf gegen die Tuberkulose enthält. Damit stellt der europäische Gesundheitskommissar die Interessen eines Unternehmens an einer Kartoffel für die industrielle Verwertung höher als das Menschenrecht auf Gesund­heit. Der Anbau ist auch überflüssig, da es schon konventionelle Sorten mit der gleichen Eigenschaft gibt

Bislang ist die Kartoffelbranche in ganz Europa gentechnikfrei. Selbst die sonst industrie­freundliche Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA räumt ein, dass die Lebensmittelbranche durch den kommerziellen Anbau und die Weiter­verarbeitung von Amflora mit Kontaminationen zu rechnen hat. Nun kommen auf die Kartoffelhersteller erhebliche Zusatzkosten für Tests, Kontrollen und Voruntersuchun­gen zu.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Gesundheitsminister wird ersucht, umgehend ein nationales Anbauverbot für die Gentechnik-Kartoffel „Amflora“ von BASF zu erlassen.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.10.25

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Die Agrardebatte vor leeren Bänken hat Tradition in diesem Haus – und die, die da sind, wissen auch oft nicht, wovon sie reden. Herr Kollege


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 100

Huber, ich würde Ihnen ans Herz legen: Gehen Sie einmal gemeinsam mit Jannach in ein Basisseminar bei der Landjugend, dann würden Sie sich viel Kummer und Sorgen ersparen und wüssten ein bisschen, wovon Sie reden. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Huber: Ich habe wahrscheinlich viel mehr Praxis!)

Frau Kollegin Schenk hat uns gerade erzählt, dass für das Zustandekommen des Grünen Berichtes viele Zettel ausgefüllt werden mussten. Ich kann Sie beruhigen: Der Grüne Bericht baut auf den Grundlagen von Buchhaltungsaufzeichnungen auf, und diese Buchhaltungsaufzeichnungen werden von den Bäuerinnen und Bauern freiwillig und gerne erstellt. (Zwischenrufe beim BZÖ.) Diese können jederzeit sagen, ich will oder ich will nicht. Und die, die es tun, tun es oft schon seit 20 Jahren und wissen, dass sie uns wertvolle Grundlagen liefern, die wir gerne für die Arbeit auswerten.

Meine Damen und Herren, wir leben in einer Zeit, in der die Bauern große Sorgen haben. Ich komme aus Niederösterreich, aus dem Weinviertel, ich vertrete diesen Wahlkreis. Das letzte Jahr war katastrophal für unsere Region: einerseits Dürre, andererseits Regen, Auswuchs beim Getreide und jetzt furchtbar schlechte Preise, weil damit europaweit noch immer kein Markt gemacht wird.

In diesen Regionen kommt es derzeit zu einer Veränderung der Betriebsstruktur, die gewaltig ist. (Abg. Huber: Wo sind die Maßnahmen?) Ich habe im Bezirk 200 Betriebe, die in der Einheitswertgrenze über die 150 000 kommen werden. Das sind nach Ansicht des Kollegen Gaßner die Reichen und Großen, ich sage Ihnen aber: diese Leute leben im heurigen Jahr von der Substanz. Hätten wir nicht die Ausgleichs­zahlungen, könnte man einen solchen Betrieb auch bei 1 000 Hektar nicht führen.

Die Lebensmittelpreise sind nämlich niedrig. Sie alle profitieren davon. Damit diese Preise überhaupt noch eine Produktion ermöglichen, sind Ausgleichszahlungen pro Hektar notwendig. Ob einer viel oder wenig Hektar hat, die Ausgleichszahlungen sind einfach notwendig – damit überhaupt noch ein Traktor bewegt, Diesel bezahlt und Saatgut beschafft werden kann.

Die Situation ist im Augenblick sehr, sehr schwierig. Die Bauern wissen das – und sie wissen, auf wen sie sich verlassen können. Wir hatten vor kurzer Zeit Kammerwahlen. In Niederösterreich sind die Blauen angetreten, die SPÖ ist angetreten, und die Grünen haben es nicht einmal der Mühe wert gefunden, eine Presseaussendung zu machen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Dafür kann ich Ihnen sagen, wie das Ergebnis war: Die Botschaften der Blauen wurden von den Bauern abgestraft, die SPÖ ist in ihren Kerngebieten wieder in die Kammer hineingekommen, und 90 Prozent der Bauern suchen ihre Vertretung beim Bauern­bund, denn sie sind der Bauernbund! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Pirkl­huber: 90 Prozent der Bauern !)

Die Bauern wissen, wo Kompetenz und Verlässlichkeit ist, sie wissen, wo Stärke und Augenmaß ist: im Bauernbund. Er ist Teil der ÖVP, und die ÖVP kümmert sich um die wirklichen Probleme des ländlichen Raumes. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von ÖVP, BZÖ und Grünen.)

14.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Vock. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.13.36

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Gestatten Sie mir zunächst, auf diese ÖVP-Taferln einzugehen. Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Wenn die Opposition hier Taferln zeigt,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 101

dann will sie die Mehrheit im Parlament auf etwas aufmerksam machen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der ÖVP, Taferln zeigen, dann frage ich mich zu Recht: Wen wollen Sie überzeugen? Unseren Herrn Präsidenten? Oder vielleicht den eigenen Minister, weil Sie nicht mehr mit ihm sprechen? Oder den Regierungspartner? Oder wollen Sie die Opposition überzeugen? Wen wollen Sie mit Ihren Taferln überzeugen? Wahrscheinlich ist das Gesprächsklima in der ÖVP schon so schlecht, dass Sie nicht einmal mehr mit dem eigenen Minister und mit dem Koalitionspartner sprechen, sondern einander die Nachrichten per Taferl übersenden müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Gestatten Sie mir jetzt aber ein paar Worte zum Grünen Bericht. (Abg. Großruck: Alles gestattet!) Die durchschnittlichen Halterzahlen würden noch kleinbäuerliche Betriebe aufzeigen. Durchschnittlich kommen 25,7 Rinder pro Halter, 10,5 Milchkühe je Halter und 71,11 Schweine je Halter. Das sind aber schon gegenüber dem Vorjahr plus elf. Das heißt, da leiden schon die kleinbäuerlichen Strukturen.

Der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch ist von 1980 auf 2007/2008 gestiegen, beim Rind­fleisch sogar gesunken, nämlich von 26,1 kg auf 18,2, also um 30 Prozent. Beim Schweinefleisch hat er sich geringfügig erhöht, nämlich von 54,4 auf 58 kg, das sind 6,6 Prozent; beim Geflügel von 11,1 kg auf 19,8 kg in diesen fast 30 Jahren, also fast verdoppelt, und bei der Milch ist der Pro-Kopf-Verbrauch von 101,3 auf 90,8 kg gesunken, was ein Minus von 10,4 Prozent bedeutet. Das heißt, der Verbrauch der Österreicher ist ein bisschen gestiegen, ein bisschen gefallen. (Abg. Hornek: Rede­schreiber! – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Habe ich gerade gesagt, minus oder plus, hören Sie einfach zu!

Einen Unterschied gibt es aber jetzt bei den Lebendimporten und beim Export von Fleisch. Bei den Lebendimporten haben wir plötzlich von 1999 bis 2008, also nicht die letzten 30 Jahre, sondern in den letzten zehn Jahren, einen Anstieg von 11 410 auf 57 680 Rinder – das hat sich also vervierfacht –, bei den Schweinen einen Anstieg von 95 062 auf 827 288 , das ist achtmal so viel!

Was den Fleischexport betrifft – wie gesagt, der Konsument in Österreich hat ungefähr gleich viel konsumiert –: Der Rindfleischexport ist von 215 213 auf 288 419 – diese Vergleichszahlen beziehen sich jetzt wieder auf die Jahre 1999 bis 2008 – um 34 Prozent gestiegen. (Abg. Hornek: Sagst du uns auch deine Telefonnummer?) Beim Schweinefleisch haben wir einen Anstieg von 96 242 auf das fast Sechsund­vierzig­fache, im Vorjahr war es noch das Vierzigfache! (Ruf bei der ÖVP: Arbeitsplätze in Österreich!)

Damit wird bewiesen: Wir importieren Rinder und Schweine, um sie hier zu schlachten, den österreichischen Qualitätsstempel draufzudrücken, und das Fleisch wieder zu exportieren. Das kann nicht im Sinne österreichischer Qualität sein! Wo „Österreich“ auf der Verpackung steht, muss auch Österreich drinnen sein! Stellen Sie sicher, meine Damen und Herren von der ÖVP, dass Sie hier nicht leere Taferln zeigen, sondern dass der Konsument wirklich erkennen kann, wo österreichische Qualität drinnen ist! Nur dann wird er österreichische Qualität kaufen und die heimischen Bauern fördern können! (Beifall bei der FPÖ.)

14.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Binder-Maier. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.17.38

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte BesucherInnen des Hohen Hauses! Eine spannende Debatte


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 102

zum Grünen Bericht, der Aufschluss gibt über die Lage der Landwirtschaft, über die Situation der bäuerlichen Strukturen. Daten, Fakten und Zahlen liegen auf, es ist ein höchst interessantes Nachschlagwerk, aber ich hoffe nur, dass mich der Kollege Schultes nicht einer Illusion beraubt hat. Er sagte nämlich, dass das alles auf Frei­willigkeit beruht. Ich nehme den Grünen Bericht sehr ernst, Herr Kollege Schultes! Er zeigt unter anderem, wie die Förderverteilung aufgeschlüsselt ist, außerdem gibt es sehr umfangreiche und sehr vielfältige Themenbereiche.

Spannend für mich ist natürlich die Darstellung der Situation der Frauen im ländlichen Raum, die Arbeit der Frauen im ländlichen Raum, die Arbeit der Bäuerinnen. 41 Pro­zent der Betriebe werden von Frauen geführt. Dazu kommt – das sagt auch der Bericht – eine Fülle von zusätzlichen Betätigungen, Arbeiten, Aufgaben. Wir müssen bei dieser Fülle von Aufgaben und bei all diesen Herausforderungen darauf aufpassen, dass gerade die Bäuerinnen nicht überfordert werden!

Familienarbeit ist da ein wichtiges Stichwort. Vielleicht ein paar Tatsachen, die dieser Bericht aufzeigt: Wir geben in Österreich insgesamt 12 Milliarden € für direkte Fami­lien­förderungen aus. Aus dem FLAF erhält die Bauerngruppe 112 Millionen €. Dem gegenüber stehen 6,6 Millionen €, die die bäuerliche Bevölkerung in den FLAF einzahlt. Ich denke, familienpolitische Leistungen sind wichtig, aber wir müssen natür­lich Klarheit darüber schaffen, wie die Verteilung ausschaut. Meine Damen und Herren! Ich denke, diese Leistungen gerade im Familienbereich können sich sehen lassen!

Zum Schluss habe ich noch zwei Fragen, Herr Minister, obwohl ich heute in aller Herrgottsfrühe von Ihnen keine Antworten bekommen habe. Zum einen: Wie schaut die Zukunft 2013 für die bäuerliche Bevölkerung, für die Menschen, die in der Landwirt­schaft arbeiten, aus? Wann werden Sie uns Auskunft geben?

Und zum Zweiten: Welche Aufgabe hat der Business Plan, den Sie vorhaben? Ersetzt er die Landwirtschaftskammer – oder wie ist das? Ich würde mich über Antworten freuen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.20


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.20.35

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Die Beibehaltung des Einheitswertes zur Abgabenberechnung der Bauern steht für uns außer Streit.

Ich möchte nur kurz zu den Ausführungen des Kollegen Gaßner Stellung nehmen. Sie können mir glauben, ich stehe weder auf der Seite der ÖVP noch auf Seite der SPÖ, ich stehe auf der Seite der Bauern. Aber ich habe da eine OTS von 12.50 Uhr des heutigen Tages. Da verlangt der Herr Muhm von der Arbeiterkammer – ist ganz inter­essant –: Bauern sollen auf Einnahmen-Ausgabenrechnung umstellen, Verwaltungs­ver­ein­fachung darf keine Ausrede für die Steuerflucht sein.

Da schreibt er unter anderem, dass dem Staat dadurch 200 Millionen € entgehen. Herrn Muhm möchte ich sagen: Sollte er seinen Arbeitern einen Lohn anbieten, wie ihn die Bauern zurzeit beziehen, hätte er keinen Einzigen mehr, der zur Arbeit geht, es würde nur mehr gestreikt in Österreich! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Gaßner: Geh, geh, geh!)

Diese Aussendung zeigt wirklich, dass es in der Koalition mehr als kracht. (Der Redner zitiert aus dem in der Folge eingereichten Entschließungsantrag.)


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„Der Verfassungsgerichtshof hat die Einheitswerte als Grundlage für die damalige Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht mehr anerkannt, da diese über 20 Jahre lang nicht angepasst wurden. Eine Neuberechnung wurde daraufhin als Folge aus diesem Erkenntnis beschlossen.

Mit der mit dem 1. Jänner 2010 vorgesehenen Hauptfeststellung für landwirtschaftliche Betriebe, die im Wahljahr 2010 von Finanzminister DI Pröll noch hinausgezögert werden soll, gehen bereits ‚Horrormeldungen‘ von Seiten aller Interessensvertreter im landwirtschaftlichen Bereich einher, die sich auf einen Punkt zusammenfassen lassen: Im Fall eine Neuberechnung stehen die betroffenen Landwirte vor dem buchstäblichen ‚Abgrund‘.

Faktum ist, die Einheitswerte spiegeln einerseits nicht mehr die tatsächlichen aktuellen Ertragsverhältnisse in der Landwirtschaft wieder, andererseits dokumentiert der ‚Grüne Bericht‘ eindrucksvoll, wie sehr sich die Landwirtschaft in den letzten 20 Jahren in Österreich verändert hat und dass die tatsächliche Einkommenssituation der Landwirte nur noch aus einem Dschungel aus Abhängigkeiten von Förderstrukturen sowie politi­schen Zugeständnissen – erwirkt von einer starken Landwirtschaftslobby – besteht.

Im Lichte dieser Tatsachen stellt sich die Frage nach der Lösungskompetenz des zuständigen Bundesministers für Land und Forstwirtschaft, DI Nikolaus Berlakovich, hier tätig zu werden und – gemeinsam mit den Mitgliedern des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft – für die kommende Einheitswertberechnung ein Konzept zu erarbeiten, das vor allem eines verhindert, dass Großbauern gegen Kleinbauern und Landwirte unterschiedlicher Bereiche gegeneinander ausgespielt werden. Dieses Kon­zept soll dem zuständigen Finanzminister DI Pröll und seinem Ressort fachliche Unterstützung bieten und helfen, Ungerechtigkeiten bei der vorgesehene Hauptfeststel­lung für landwirtschaftliche Betriebe zu vermeiden.“

In diesem Zusammenhang bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, im Lichte der gesetzlich vorgeschrieben Neuberechnung des Einheitswer­tes, dem Nationalrat ein Stufenkonzept für alle agrarischen Ansprüche vorzulegen, welches verhindert, dass Bergbauern gegen Landbauern und Ackerbauern gegen Viehlandwirte oder Forstwirte gegeneinander ausgespielt werden und ein darauf abgestimmtes neues System zur Verteilung der Förderungen enthalten.“

*****

Danke. (Beifall beim BZÖ.)

14.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Spadiut, Huber Kolleginnen und Kollegen betreffend Dring­lichkeit der Wahrnehmung der Koordinierungsfunktion des Landwirtschaftsministers in der Einheitswertfrage eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Aus­


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schusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2009 der Bun­desregierung (III-90/624 d.B.)

Der Verfassungsgerichtshof hat die Einheitswerte als Grundlage für die damalige Erbschafts- und Schenkungssteuer nicht mehr anerkannt, da diese über 20 Jahre lang nicht angepasst wurden. Eine Neuberechnung wurde daraufhin als Folge aus diesem Erkenntnis beschlossen.

Mit der mit dem 1. Jänner 2010 vorgesehenen Hauptfeststellung für landwirtschaftliche Betriebe, die im Wahljahr 2010 von Finanzminister DI Pröll noch hinausgezögert werden soll, gehen bereits „Horrormeldungen“ von Seiten aller Interessensvertreter im landwirtschaftlichen Bereich einher, die sich auf einen Punkt zusammenfassen lassen: Im Fall eine Neuberechnung stehen die betroffenen Landwirte vor dem buchstäblichen „Abgrund“.

Faktum ist, die Einheitswerte spiegeln einerseits nicht mehr die tatsächlichen aktuellen Ertragsverhältnisse in der Landwirtschaft wieder, andererseits dokumentiert der „Grüne Bericht“ eindrucksvoll, wie sehr sich die Landwirtschaft in den letzten 20 Jahren in Österreich verändert hat und dass die tatsächliche Einkommenssituation der Landwirte nur noch aus einem Dschungel aus Abhängigkeiten von Förderstrukturen sowie politischen Zugeständnissen - erwirkt von einer starken Landwirtschaftslobby - besteht.

Im Lichte dieser Tatsachen stellt sich die Frage nach der Lösungskompetenz des zuständigen Bundesministers für Land und Forstwirtschaft, DI Nikolaus Berlakovich, hier tätig zu werden und - gemeinsam mit den Mitgliedern des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft - für die kommende Einheitswertberechnung ein Konzept zu erar­beiten, das vor allem eines verhindert, dass Großbauern gegen Kleinbauern und Landwirte unterschiedlicher Bereiche gegeneinander ausgespielt werden. Dieses Konzept soll dem zuständigen Finanzminister DI Pröll und seinem Ressort fachliche Unterstützung bieten und  helfen, Ungerechtigkeiten bei der vorgesehene Hauptfest­stellung für landwirtschaftliche Betriebe zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigen Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, im Lichte der gesetzlich vorgeschrieben Neuberechnung des Einheits­wertes, dem Nationalrat ein Stufenkonzept für alle agrarischen Ansprüche vorzulegen, welches verhindert, dass Bergbauern gegen Landbauern und Ackerbauern gegen Viehlandwirte oder Forstwirte gegeneinander ausgespielt werden und ein darauf abgestimmtes neues System zur Verteilung der Förderungen enthalten.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.24.32

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Herr Landwirt­schafts­minister! Sehr geehrte Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte kurz das vom Kollegen Vock bereits erwähnte Thema Fleischimporte ansprechen. Ich selbst esse kein Fleisch, aber ich habe einmal Fleisch gegessen und denke, österreichische Konsumentinnen und Konsumenten wollen unbedingt wissen, dass das wirklich öster­


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reichische Qualität ist. Ich glaube, dass sie auch wissen wollen, ob Tierschutz­stan­dards eingehalten werden und ob es elendslange Tiertransporte mit immer noch gravierenden Missständen gibt.

Im Zusammenhang mit dem Thema Tierschutz ist im Bericht der Tierschutzrat erwähnt, der als beratendes Organ der Bundesregierung eingerichtet ist. Es ist schön, dass er erwähnt ist. Die Empfehlungen des Tierschutzrates werden aber vielfach leider gar nicht umgesetzt.

Ich möchte jetzt aber auf das Kapitel „Erneuerbare Energieträger“ des Grünen Berichts eingehen und auf Chancen und Möglichkeiten für die Landwirtschaft, vor allem was das Klima angeht. Die österreichische Landwirtschaft trägt natürlich zum CO2-Ausstoß bei, und zwar mit 8,4 Prozent. Rechnet man noch die ganze Vorkette dazu, also Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelproduktion, so sind es zwischen 13 und 15 Pro­zent.

Die Landwirtschaft hat aber auch großes Potenzial, was Klimaaspekte angeht. Da möchte ich vor allem, wie auch schon mein Kollege Pirklhuber, den Biolandbau erwähnen. Der Biolandbau hat nämlich 30 bis 66 Prozent weniger Emissionen als die konventionelle Landwirtschaft und hat insbesondere auch positive Auswirkungen auf das Klima – durch den viel besseren Humusaufbau bei den Böden, wo CO2 viel besser gebunden werden kann.

Wie mein Kollege schon erwähnt hat, haben wir jetzt 21 000 Biobetriebe. Allerdings haben Betriebe, die jetzt schon im ÖPUL sind, bis 2013 leider keine Möglichkeit mehr, ebenfalls auf Biolandbau umzusteigen. Herr Minister, da gibt es jetzt endlich eine Synergie zwischen den Bereichen, für die Sie zuständig sind, nämlich zwischen der Landwirtschaft und dem Klimaschutz, und wenn Sie endlich mehr Biolandbau ermöglichten, würden Sie beiden Bereichen etwas Gutes tun. (Beifall bei den Grünen.)

Erneuerbare Energie ist, meine ich, überhaupt eine große Chance für die Landwirt­schaft und für ländliche Regionen. Deswegen wird im Bericht zu Recht die Energie­strategie erwähnt. Ich finde es positiv, dass die Energiestrategie angegangen wurde. Ich finde es auch positiv, dass darin einige langjährige grüne Forderungen enthalten sind, zum Beispiel die Erhöhung der Sanierungsrate auf 3 Prozent.

Wir haben heute schon gehört, dass das eine langjährige grüne Forderung ist. Jetzt ist das in der Energiestrategie enthalten, das freut uns sehr. Auch die Ökologisierung des Steuersystems, Ökosteuer, ist darin vermerkt; auch das freut uns sehr. Jetzt hängt es nur davon ab, in welcher Form Sie das umsetzen. (Abg. Hornek: Super! Da können Sie zur ÖVP überwechseln!) – Wir bieten Ihnen gerne unser Know-how an (Abg. Großruck: Auch in der ÖVP haben Vegetarier Platz!), denn ganz sicher bin ich mir noch nicht, wie Sie das umsetzen wollen.

Wir sehen schon die Gefahr, dass Sie das nur zum Budgetlöcherstopfen verwenden werden. Tatsächlich muss eine Ökosteuer jedoch dazu da sein, den Menschen zuerst das Umsteigen zu ermöglichen, was etwa Heizungen und den Verkehr betrifft, dann umweltfreundliches Verhalten zu belohnen und umweltbelastendes Verhalten zu bestrafen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir bieten Ihnen gerne unser ganzes Konzept an, denn wie die einzelnen Maßnahmen der Energiestrategie umgesetzt werden sollen, das fehlt uns noch. Es fehlt auch die Verbindlichkeit der Maßnahmen. Vor allem ist noch nicht klar, wie die Maßnahmen finanziert werden sollen, da gibt es noch keine klaren Aussagen. Mich wundert es aber, dass die Finanzierung für die Inserate, die zur Energiestrategie geschaltet wurden, sofort da war. Das ist ein bisschen zwiespältig für mich.


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Was mir auch fehlt – ich denke, da spreche ich im Interesse dieses Hauses –, ist die Einbindung des Parlaments; es wird ja von Ihnen auch betont, dass viele eingebunden werden sollen. Im Parlament haben wir keine Informationen bekommen, auch nicht im Umweltausschuss auf Anfrage. (Abg. Hornek: O ja!)

Mit der Energiestrategie werden wir es schaffen, die EU-Ziele betreffend erneuerbare Energie zu erreichen, weil Sie, was auch positiv ist, den Energieverbrauch in Österreich mit 2005 begrenzt haben. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) – Sie haben mit uns zwar debattiert, aber keine Antworten gegeben. Herr Minister, Sie können sich auch hier gerne nachher zu Wort melden. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Ich habe jetzt aber gerade noch etwas Positives erwähnt. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Wer hören will, der hört! – Abg. Dr. Pirklhuber: Nein, das war eine reine Pressekonferenz im Ausschuss!)

Mit der Energiestrategie werden wir es schaffen, die EU-Ziele im Bereich der erneuerbaren Energie zu erreichen, aber nicht die Klimaziele. Auch für die Ökobranche wird es zu wenig sein. Wir verfehlen alle Umweltziele! Das einzige Ziel, das wir übererfüllen, ist die Beimischquote bei den Biokraftstoffen, bei den Agrarkraftstoffen, deren lokale Anwendung berechtigt ist, deren weite Anwendung aber oft eine negative Klimabilanz aufweist. Da ist eine Synergie zwischen Landwirtschaft und Umwelt- und Klimaschutz nicht hergestellt!

Deswegen bin ich nach wie vor der Meinung, Österreich braucht unbedingt ein eigenständiges, unabhängiges und engagiertes Umweltministerium. (Beifall bei den Grünen.)

14.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Linder. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 5 Minuten. – Bitte.

 


14.30.12

Abgeordneter Maximilian Linder (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben heute schon vielfach von den Problemen in der Landwirtschaft gehört. Wenn ich darüber nachdenke, wie schwierig die Milchmarktsituation ist, wie sich der Milchpreis, der Fleischpreis, der Fleischmarkt entwickeln, muss ich sagen, es sind das sicher Dinge, die vom Weltmarkt her gesteuert sind, bei denen sich die Möglichkeiten, steu­ernd einzugreifen, in Grenzen halten. Auch im Zusammenhang mit dem Generationen­problem auf den Höfen kann die Politik nur sehr schwer mitgestalten und mitsteuern.

Es geht darum, ein bisschen nach vorne zu schauen und Fragen für die Zukunft zu stellen: Was wird uns das Jahr 2013 bringen? Was wird in diesem magischen Jahr vor sich gehen? Wird das Milchkontingent bleiben, wird die Milchwirtschaft in der Form weiterbestehen bleiben? Was wird mit den Tierhaltungsrichtlinien werden? Werden die Cross-Compliance-Bestimmungen noch schlimmer werden? – Da, Herr Minister, hätten Sie, glaube ich, sehr wohl die Möglichkeit, zum einen auf die Entwicklung der Bestim­mungen Einfluss zu nehmen, zum anderen aber auch die Landwirte zu informieren, verbindlich zu informieren, damit sie endlich wissen, in welche Richtung der Zug fährt, in welche Richtung sie weiterarbeiten sollen.

Die Bauern, die sich entschlossen haben, weiterzumachen, bei der Stange bleiben und ihre Betriebe weiter bewirtschaften zu wollen, müssen erfahren, dass die Fördertöpfe mittlerweile leer sind, die EU-kofinanzierten Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen für neue Investitionen. Herr Minister, Sie haben da einigen Handlungsbedarf.

Das Finanzamt kontrolliert in den landwirtschaftlichen Betrieben immer strenger. Die Direktvermarkter, die sich über dieses Segment die Möglichkeit geschaffen haben, auf


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dem Hof zu bleiben, werden vom Finanzamt immer strenger kontrolliert und von der Gebietskrankenkasse schikaniert. Herr Minister, Sie haben daher gemeinsam mit Ihren Kollegen in der Regierung sehr wohl die Chance, vor Ort unseren Bauern zu helfen und für unsere Bauern einzustehen.

Finanzminister Pröll, der sehr wohl weiß, dass er sparen muss, wird bei der Unter­nehmensförderung, Agrarförderung 3,5 Prozent einsparen und bei der Kunst und Kultur 1,4 Prozent einsparen wird. Herr Minister, es ist, glaube ich, wirklich an der Zeit, zu zeigen, dass es darum geht, den Landwirten zu helfen, die Landwirte auf die gleiche Basis zu stellen – oder Sie sagen nur: Na ja, da kann man nichts machen!

Den Weltmarkt werden wir von Österreich aus nicht steuern, aber ich glaube, es wäre wirklich an der Zeit, einzugreifen und zu zeigen, dass Sie hinter den Bauern stehen.

Wenn wir hören, wie sehr die bäuerliche Produktion von der industriellen Landwirt­schaft missbraucht wird oder immer wieder auch mit unseren Namen Missbrauch betrieben wird – denken wir nur an den Hartberger Bauernquargel –, so besteht auch diesbezüglich, Herr Minister, großer Handlungsbedarf, um unsere Produktion zu schüt­zen, den Namen unserer fleißigen Bauern zu schützen, sodass sie nicht von der Industrie missbraucht werden.

Weil wir aber auch glauben, dass es wichtig ist, zu zeigen, wie notwendig die natür­liche, gesunde Produktion ist, die von chemischen Einflüssen freigehalten wird, bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Linder, Jury, Dr. Strutz, Jannach, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Kennzeichnungspflicht für Schweinefleisch aus Zucht- und Produktionsabläufen mit chemischer Kastration mittels Impfeingriff

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit und dem Bun­desminister für europäische- und internationale Angelegenheiten, sich auf europä­ischer Ebene dafür einzusetzen, dass zukünftig eine spezielle Kennzeichnungspflicht für in der EU gehandeltes Schweinefleisch vorgeschrieben wird, welches aus einem Zucht- und Produktionsablauf mit ,chemischer Kastration durch Impfung‘ stammt.“

*****

Ich danke für die Unterstützung durch die anderen Parteien. (Beifall bei der FPÖ.)

14.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Linder, Jury, Dr. Strutz, Jannach, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Kennzeichnungspflicht für Schweinefleisch aus Zucht- und Produktionsabläufen mit chemischer Kastration mittels Impfeingriff


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eingebracht in der 59. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über den Grünen Bericht 2009 (III-90/624.d.B.)

Derzeit planen einige EU-Mitgliedsstaaten eine Zulassung der „Impfung“ von Mast­ferkeln gegen Ebergeruch – eine „Impfung“, welche mittels mehrfacher Spritzenver­abreichung kurz vor der Schlachtung die Hodenfunktion sowie die Testosteronaus­schüttung steuern soll.

Allein die Tatsache, dass ein Mastferkel in der 10. Woche das erste Mal „geimpft“ werden soll und in der 21. Woche die 2. Impfung folgt, welche der Schlachtung gerade einmal 3 bis 4 Wochen voraus geht, sollte bereits einen Nachdenkprozess einleiten.

Die für die Impfstoffe verantwortliche Pharmaindustrie verweist auf unbedenkliche Studien und beispielsweise auf eine Freigabe des Impfstoffes in der Schweiz seit 2007. Trotz dieser bereits teilweisen rechtlichen Akzeptanz der Behandlung von Mastferkeln mittels direktem Einfluss auf die Hodenfunktion und Testosteronausschüttung durch eine Spritzenkur in manchen europäischen Ländern, bleibt ein gewisses „Restrisiko“.

Dem Konsumenten soll durch eine Kennzeichnungspflicht die Wahl erleichtert und ermöglicht werden, zwischen Schweinefleisch aus herkömmlicher Aufzucht und solchem aus einem Produktionsablauf mittels Kastration und Impfeingriff zu ent­schei­den.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Gesundheit und dem Bun­desminister für europäische und internationale Angelegenheiten, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass zukünftig eine spezielle Kennzeichnungspflicht für in der EU gehandeltes Schweinefleisch vorgeschrieben wird, welches aus einem Zucht- und Produktionsablauf mit „chemischer Kastration durch Impfung“ stammt.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Auer. 3 Minu­ten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.35.00

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminis­ter! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Gaßner hat heute gemeint: Machen wir es besser! – Ja, dem wäre beizupflichten.

Weißt du, Herr Kollege Gaßner, was ich mir dann aber wünschen würde? – Dass es keiner massiven Intervention bedarf, damit in Salzburger Landeskrankenanstalten öster­reichische Milch zur Verfügung gestellt wird und nicht bayerische. – Landes­haupt­frau Burgstaller.

Ich würde mir wünschen, wenn wir es besser machen wollen, dass uns nicht ständig die Arbeiterkammer erzählt, über die Medien die Botschaft signalisiert, die Lebensmittel seien in Österreich zu teuer, in Deutschland seien sie billiger, und daher müssten die Preise runter – immer wieder auf dem Rücken der Bauern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Hornek: Genau so ist es!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 109

Wenn ich mir wünschen würde: Machen wir es besser!, dann hätte ich mir nicht erwartet, dass Herr Muhm und Herr Katzian in Presseaussendungen ganz massiv auf die Einheitswertbesteuerung der Bauern losgehen und gleichzeitig indirekt damit meinen, dass man da noch 200 Millionen € abschöpfen könnte. – Das wird nicht dazu beitragen, es besser zu machen, denn damit sind Tausende Bauern ruiniert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir es besser machen wollen, Herr Kollege Gaßner, dann sollten wir auch ein wenig ehrlicher sein. Die Voest erhält auch eine ungleich höhere Unterstützung und Subvention als ein kleiner Dorfschmied, und das ist auf die Fläche bezogen dasselbe. Ich kann nicht nur auf das Einzelne abstimmen. Wenn ich Umweltleistungen erbringe, dann hat dies auf die Hektar bezogen zu erfolgen. – Gaukeln Sie uns nicht irgendetwas vor, was da zum Teil passiert, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn wir es besser machen wollen, dann sollten wir auch die gleichen Bestimmungen und Bedingungen in Österreich haben wie die deutschen Schlächter, damit etwa Großfurtner, einer der größten Fleischhauer in Oberösterreich, nicht klagen muss, dass ihn der Unterschied der Löhne allein 7 Millionen € kostet und er dadurch benachteiligt ist.

Wenn wir es schon besser machen wollen und sollen, dann sollten wir aber auch ganz offen zugeben, dass nicht jede Betriebsaufgabe tatsächlich Bauernsterben bedeutet. Oder kann mir jemand weismachen, dass ein kleiner Betrieb mit 3 oder 4 Hektar jemals lebensfähig war? – Diese Veränderung gibt es in dem Strukturbereich, selbst­ver­ständlich, aber erzählen Sie hier nicht Dinge, die es nicht gibt.

Wenn wir es schon besser machen wollen und sollen, dann sollte man der Arbeiter­kammer ins Stammbuch schreiben, dass die österreichische Landwirtschaft im vor- und nachgelagerten Bereich 530 000 Beschäftigte sichert. Wenn wir diese sichern wollen – und jeder Arbeitsplatz ist etwas wert, egal wo; Landwirtschaft ist Wirtschaft auf dem Lande –, dann sollte man mit derartigen Meldungen, wie sie die Arbeiterkammer ständig von sich gibt, aufhören. (Beifall bei der ÖVP.)

In diesem Sinne brauchen wir bäuerliche Produktivität, und ich danke dem Landwirtschaftsminister für seine hervorragende Arbeit. (Beifall bei der ÖVP.)

14.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundes­minister Dipl.-Ing. Berlakovich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.38.09

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum Ersten bedanke ich mich, dass der Grüne Bericht hier allgemeine Zustimmung findet, was den Umfang, was die Darstellung anlangt. Das Lebensministerium, ich meinerseits als Minister, aber auch die Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter bemühen sich, volle Transparenz zu liefern.

Ich darf bemerken, dass die Landwirtschaft mit dem Grünen Bericht der einzige Sektor in Österreich ist, der dermaßen breit und transparent über die Zustände in der Einkommens- und in der sozialen Situation berichtet. Ich danke dafür, dass das allgemein positiv registriert wird. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zur Diskussion: Wenn man sich manche Meldungen von Oppositionspolitikern anhört, dann glaubt man, an ihnen ist alles spurlos vorübergegangen. Sie stehen hier und sagen: Die Agrarpolitik in Österreich muss handeln, nichts geschieht, den Bauern geht es schlecht! (Zwischenruf des Abg. Dipl.-Ing. Deimek.) – Sie wiederholen Stereotype, die so nicht stimmen, die populistisch sind, aber nicht stimmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 110

Es ist schon richtig, dass wir im vergangenen Jahr in der Landwirtschaft ein großes Einkommensminus gehabt haben, nämlich minus 20 Prozent, aber davor hat es ein Plus von 15 Prozent gegeben, ein Plus von 16 Prozent und ein Plus von 1 Prozent. Das heißt Zuwächse je nach Marktsituation, die zeigen, dass der Agrarsektor voll der wirtschaftlichen Situation, auch dem Weltmarkt ausgesetzt ist und dass wir daher darüber diskutieren müssen, welche Sicherheitsnetze wir für die Zeit nach dem Jahr 2013 einbauen.

Die Agrarpolitik handelt gerade in schwierigen Zeiten. Wenn Sie sich die Zahlen des Grünen Berichtes wirklich objektiv anschauen, dann sehen Sie, dass wir in Österreich nach wie vor eine bäuerlich strukturierte Landwirtschaft haben, eine kleinstrukturierte Landwirtschaft, eine der jüngsten Landwirtschaften von ganz Europa. – Das sind lauter Erfolge der Agrarpolitik, die ja nicht von irgendwoher kommen, sondern die konsequen­tes Ergebnis einer Agrarpolitik sind, die von den Ministern, die hier auf dem Grünen Bericht abgebildet sind, schon seit Jahren konsequent und zum Wohle der Bauern gemacht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Milchkrise des vergangenen Jahres hat gezeigt, was wir unter Handlungen verstehen. Wir haben uns nämlich von Anfang an für die Milchwirtschaft eingesetzt. (Abg. Huber: Herr Bundesminister, nichts habt ihr gemacht!) – Sie deuten herum und wissen nicht, was sich entwickelt. Wir haben in Österreich im Durchschnitt einen Milchpreis von 33 Cent im Gegensatz zu den Deutschen, die noch immer bei 29 Cent sind. Die Situation in Österreich ist also vergleichsweise besser, und das ist ein Ergebnis der agrarpolitischen Handlungen.

Ein Punkt war, dass wir eine Überproduktion hatten aufgrund des Zusammenbruchs der Märkte in China – gepantschte Milch –, die für den europäischen Markt plötzlich weg waren. Aufgrund des hohen Milchpreises im Jahr 2007 wurde die Milch in der Industrie aus der Rezeptur verdrängt – beim Speiseeis, bei der Keksproduktion –, daher war ein Überangebot da.

Deshalb war die Strategie der österreichischen Agrarpolitik: Milchmarkt räumen. Das haben wir auf europäischer Ebene gemacht, durch Exporterstattung, durch Intervention Milch aus dem Markt genommen, um Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht zu bringen.

Herr Abgeordneter Jannach, wenn Sie versuchen, zu skandalisieren, die Firma Pro­lactal nennen und betonen, wie schlecht die Agrarpolitik ist, darf ich Ihnen sagen: Klar ist, wenn eine Firma Produkte auf den Markt bringt, die gesundheitsgefährdend sind, dann ist das nicht zu entschuldigen und eine Frage der Lebensmittelaufsicht und Lebensmittelkontrolle – null Toleranz! Aber diese Firma hat im Jahr 2007 Export­erstattung bekommen, weil sie eben Milchpulver exportiert hat, so wie viele andere Firmen auch, zum Wohle der Bauern. Sie stellen es so dar, als würde Bauerngeld für irgendwelche Unternehmen verwendet.

Das, was Prolactal bekommen hat, haben auch alle anderen europäischen Unter­nehmen bekommen, um den Milchmarkt ins Gleichgewicht zu bringen. Ich möchte nur die Kirche im Dorf lassen. Dafür, dass Sie ... (Abg. Grosz: Mit holländischer Versandmilch!) – Was reden Sie! Österreichische Milch auf Milchpulver! Vermischen Sie hier nicht, wenn Sie sich nicht ernsthaft mit dieser Sache befassen! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Die Firma Prolactal übernimmt ja auch österreichische Milch. – Sie versuchen hier, zu skandalisieren, und das ist falsch! Wir haben eine Antwort, die wir als Agrarpolitik hier geben: Das AMA-Gütesiegel ist das Gütesiegel, das zu 100 Prozent die österreichi­sche Qualität sichert. Dafür setzen wir uns seitens der Agrarpolitik ein. Das hat jetzt auch Erfolge, denn Sie sehen beispielsweise einen großen Tiroler Fleischproduzenten,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 111

der plötzlich sagt, dass er heimische Schweine verwendet, damit er eben das AMA-Gütesiegel bekommt.

Das ist die Antwort der heimischen Agrarpolitik auf die Verunsicherung auf dem Lebens­mittelmarkt. Das AMA-Gütesiegel garantiert 100 Prozent österreichische Qua­lität: Das, was drauf steht, ist auch drinnen. Diese Linie verfolgen wir.

Wenn der Gesundheitsminister auf europäischer Ebene erreicht, was dort diskutiert wird und was wir wollen, nämlich dass der wertbestimmende Inhaltsstoff tatsächlich der ist, bei dem man nachweisen kann, woher das Produkt kommt, dann sind wir froh darüber. Der Gesundheitsminister verhandelt das gerade auf europäischer Ebene. Er hat unsere Unterstützung, weil wir natürlich wollen, dass österreichische Produkte entsprechend gekennzeichnet werden. Insofern ist die Aktion des Bauernbundes mit dem „Heimisch kaufen“ richtig. Die Vertreter der Bauernbundjugend zeigen es ja richtig: Bewusstmachen in der Krise, dass der Kauf heimischer Lebensmittel bedeutet, dass der Arbeitsplatz Bauernhof gesichert ist und auch der Arbeitsplatz des Arbeiters in der Bäckerei, in der Fleischerei und in der Molkerei. Eine Antwort auf die Krise ist der Kauf heimischer Lebensmittel. – Eine richtige Aktion. (Beifall bei der ÖVP.)

Ebenso ist es in der Frage des Strukturwandels, auch das ist an Ihnen vorüber­gegangen. Es hat in der Landwirtschaft immer einen Strukturwandel gegeben und wird ihn auch in Zukunft geben. Das zu leugnen wäre ein Vortäuschen falscher Tatsachen. Tatsache ist, dass sich der Strukturwandel verlangsamt hat, auch durch unsere Politik. Wir haben einen Strukturwandel in der Zeit vor dem EU-Beitritt von 5 bis 6 Prozent gehabt und haben jetzt einen Strukturwandel von 2 bis 3 Prozent – verlangsamt, gerade auch in schwierigen Zeiten. Das ist das Ergebnis unserer Agrarpolitik, die hier erfolgreich ist.

Nächster Punkt: Klimawandel. Frau Kollegin Brunner, Sie stellen in den Raum, dass die Landwirtschaft auch für den Klimawandel verantwortlich ist und dass da noch mehr gemacht werden sollte. Tatsache ist, dass wir die Kyoto-Ziele in Österreich derzeit in der Landwirtschaft erreichen, wir erreichen sie in der Abfallwirtschaft und bei den fluorierten Gasen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Brunner.)

Wir erreichen die Kyoto-Ziele nicht im Verkehr, in der Industrie und bei der Abwärme. Das heißt, die Landwirtschaft vollbringt Leistungen. Das ist die biologische Landwirt­schaft, aber auch die konventionelle Landwirtschaft, die im ÖPUL Dünger reduziert, Pestizide reduziert. Deswegen ist es ja auch richtig, wie Kollege Auer gesagt hat, dass wir auch flächenstärkeren Betrieben einen Anreiz geben, im ÖPUL zu bleiben und umweltfreundlich zu wirtschaften. Daher erreichen wir die Klimaschutzziele in der Land­wirtschaft auch heute in der österreichischen Klimabilanz.

Weil Sie hier auch immer wieder den Bioeinstiegsstopp hervorheben und es so dar­stellen, als bekämen die Biobauern keine Förderung mehr: Tatsache ist, dass es einen Einstiegsstopp sowohl für konventionelle als auch für Biobauern gibt, weil die Periode eben 2013 endet und die Bauern aber eine fünfjährige Verpflichtung eingehen und es eine Garantie geben muss. Jeder Bauer versteht das. Wenn Sie in der Praxis mit einem Bauern reden, sagt der: Ja.

Es kann aber jetzt sehr wohl ein Biobauer, wenn er Flächen von konventionellen Bauern dazukauft, dazupachtet, diese biologisch bewirtschaften, und er bekommt dafür auch eine Prämie. Eine Ausweitung der Fläche ist garantiert, und darum geht es ja, dass mehr Fläche biologisch bewirtschaftet wird, mit der Bedeutung, dass das mit dem Markt einhergeht, denn es hat keinen Sinn, dass alle plötzlich zu Biobauern werden, wenn auf dem Markt etwas ganz anderes nachgefragt wird.


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Wir haben derzeit bei Bio einen Marktanteil von 6 bis 7 Prozent, und 93 Prozent der Bevölkerung ernähren sich konventionell, und auch das muss respektiert werden. Daher ist es auch wichtig, dass wir eine wettbewerbsfähige, innovative konventionelle Landwirtschaft im Gleichklang haben, um den Tisch der heimischen Bevölkerung zu decken. Das ist unser großes Anliegen.

Bei der Gentechnik ist es ganz klar: Wir haben uns immer dafür ausgesprochen, dass es ein Selbstbestimmungsrecht bei der Gentechnik gibt, dass wir in Österreich selbst bestimmen können, ob wir das haben wollen. Wir wollen Gentechnik nicht einsetzen.

Mittlerweile hat sich die Kommission auch dieser Meinung angeschlossen, sie muss das noch in Rechtsmaterien kleiden, aber der Weg der österreichischen Agrarpolitik ist einer, der gentechnikfrei ist. Wir tragen diese Idee auch nach Europa weiter. Wir haben viel Zustimmung von vielen Menschen bekommen und bekommen dort neue Partner. Wir werden unseren Einsatz auf europäischer Ebene nicht aufgeben, weil ich das als große Chance für Österreich sehe.

Abschließend zur Frage – auch das haben wir bereits mehrmals in diesem Hohen Haus diskutiert –, wie es nach dem Jahr 2013 weitergeht. Klar ist, dass wir nach 2013 weiterhin eine gemeinsame Agrarpolitik wollen. Ich habe im Oktober des Vorjahres Vertreter von 20 Mitgliedstaaten nach Wien eingeladen; alle 20 Staaten waren höchst­rangig, die meisten mit Ministern, vertreten. Es ist um die Milchwirtschaft gegangen, darum, Antworten für die Milchwirtschaft zu finden, aber auch Antworten für die gemein­same Agrarpolitik, gerade mit unseren osteuropäischen Nachbarn.

Wir sind übereingekommen, dass wir weiterhin eine gemeinsame Agrarpolitik haben wollen, dass auch das Agrarbudget ausreichend dotiert werden muss, dass es da keine Kürzungen geben darf, dass wir aber keine Renationalisierung haben wollen, weil es zu einem unnötigen Wettbewerb käme, der zum Schaden der Bauern wäre.

Wir wollen eine starke erste und zweite Säule, und wir wollen auch, dass der ökolo­gisch nachhaltige Weg unserer Landwirtschaft weitergeht. Frau Binder-Maier, Sie haben mich gefragt, ich gehe daher auch auf dieses Thema ein.

Wir haben schon mehrmals über unsere Vorstellungen für die Zeit nach 2013 disku­tiert. Wir wollen die Agrarpolitik sehr wohl um neue Aspekte weiterentwickeln, nämlich um den Klimawandel, um Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelversorgung. Daher ist es in der Einheitswertdebatte nicht fair, wenn seitens der Arbeiterkammer quasi Steuerflucht suggeriert wird, was dann den Eindruck erweckt, als würden die Bauern keine Steuern zahlen, was ja genau so nicht ist.

Aber es ist sehr wohl sinnvoll, dass auch das Steuersystem vereinfacht wird – das gilt ja für alle Bereiche. Allerdings soll die Pauschalierung des Steuersystems, die gerade für die kleinen Bauern ein Vorteil ist, erhalten bleiben. Darum geht es bei dem Bewer­tungsgesetz, denn die größeren Bauern sind ohnedies in der Buchhaltungs­pflicht. Man sollte klar und deutlich darüber diskutieren und den Bauern diese Chancen auch weiterhin geben. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Businessplan, den Sie erwähnt haben, ist das Konzept „Unternehmen Landwirt­schaft 2020“, wo klare Vorstellungen enthalten sind, wie es mit der Landwirtschaft ab 2014 weitergehen soll, nämlich ein Businessplan, eine Unternehmensstrategie für jeden Betrieb, der dann durch die Beratung im Kammerbereich dem Bauern zugute kommt, wo er je nach individueller Betriebsvorstellung klar sagen kann: Dorthin will ich mich mit meinem Betrieb entwickeln, ich kenne meine Kostenstruktur und kann daher auch effizienter arbeiten! Das sind auf jeden Fall unsere Perspektiven.

Abschließend zur Bäuerinnenfrage: Hier im Hohen Haus hat sich die Opposition über die österreichweite Aktion, die ich für die Bäuerinnen gemacht habe, lustig gemacht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 113

Kollege Jannach, Sie haben sich lustig gemacht darüber, dass man da für die Bäuerin­nen Aktionen setzt.

Ja, ich stehe dazu, dass wir die Bäuerinnen, die 41 Prozent unserer Betriebe führen, unterstützen. Diese haben oft eine Mehrfachbelastung, Familie, Pfleglinge zu Hause und müssen auch noch den Betrieb führen. Dazu stehe ich und das werde ich auch weiterführen, weil es wichtig ist, dass wir die Bäuerinnen auch in Zukunft unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

14.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die einschlägigen Bestimmungen in der Geschäftsordnung und erteile Ihnen das Wort.

 


14.50.38

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister hat im Zusammenhang mit dem Beitrag der Landwirtschaft zum Klimaschutz behauptet, dass auch der Düngereinsatz bei den konventionellen Betrieben zurückgehe. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Dass das ÖPUL insgesamt zur Reduktion beiträgt!)

Ich berichtige tatsächlich, Grüner Bericht, Seite 24: Der Düngemitteleinsatz hat sich von 2007 auf 2008 von 187 000 auf 229 000 erhöht, und zwar ganz wesentlich, und auch der Pflanzenschutzmitteleinsatz hat sich von 2007 auf 2008 leider von 3 527 Tonnen auf 4 226 Tonnen erhöht, und zwar langjährig. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das ist keine tatsächliche Berichtigung, das ist eine Verdrehung!)

Herr Minister, auch wenn Sie noch so keppeln, wird das nichts helfen. (Beifall bei den Grünen.)

14.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Pirklhuber, die tatsächliche Berichtigung ist damit erledigt. (Abg. Grillitsch: Das war keine Berichtigung!)

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Muchitsch. 2 Minuten Rede­zeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.51.38

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein lieber Freund Fritz Grillitsch, die Landwirtschaft geht uns alle an, und deswegen halte ich es nicht für sinnvoll, wenn wir einander gewisse Dinge vorwerfen. Der Grüne Bericht gibt uns tolle Informationen, und es gibt Handlungsfelder, wo wir uns unterhalten sollten, wie wir etwas besser machen können.

Diese drei Schwerpunkte, die drei für mich selbst wichtigen Punkte möchte ich kurz darstellen. Punkt eins ist die Verteilung von Förderungen. Ich möchte jetzt nicht näher auf Beispiele eingehen. Sie alle kennen diese Zahlen, wo eben die einen sagen, die großen Bauern bekommen zu viel, und die anderen sagen, die kleinen Bauern bekommen zu wenig. Interessant ist, beide haben recht. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das ist so, und da sind wir uns auch einig. Hier muss man wirklich darüber reden, inwieweit man die Förderungen anders verteilen kann.

Der große Bauer bekommt 77 800 €, während der kleine Bauer 2 000 € bekommt. Das ist der Unterschied zwischen Groß und Klein. Auch unter Berücksichtigung des Flächenausmaßes, unter Berücksichtung der Bearbeitung von Höhen, Tiefen, Wäldern, Steilheit und allem, was es da gibt, gibt es eindeutig zu große Unterschiede. Das ist meine persönliche Meinung. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Der zweite Bereich ist die Kennzeichnungspflicht von Produkten. Die Konsumenten wollen nicht mehr getäuscht werden. Die Konsumenten wollen wissen, was sie kaufen, woher die Rohprodukte kommen. Kommen die Rohprodukte aus dem Ausland und werden sie in Österreich verarbeitet, dann muss man es auch entsprechend kenn­zeichnen. Dieser Konsumententäuschung müssen wir uns entgegenstellen und gemeinsam Lösungen finden.

Der letzte Bereich ist etwas, was die Konsumenten auch nicht wollen, nämlich Massen­tierhaltung. Die Konsumenten wollen keine Tiere, die auf engstem Raum in Rekord­zeiten hochgemästet und dann auf den Markt geworfen werden. Das wollen die Konsumenten nicht, sondern sie wollen kleinstrukturierte landwirtschaftliche Betriebe auch in Zukunft erhalten.

Wir brauchen, glaube ich, ein Bündnis zwischen den Konsumenten und den öster­reichischen Bauern – mit dem Ziel, wirklich hundertprozentig heimische Produkte zu fairen Preisen zur Verfügung zu stellen, um so ein sicheres Einkommen zu erzielen. „Vertrauen statt schwindeln“, muss die Devise sein, „Hinschauen statt wegschauen“ bei Schlachthöfen, wenn es darum geht, wie Fleisch verarbeitet wird. Und 100 Prozent österreichische Ware in die Verpackung hineintun und nicht nur draufschreiben. Das wäre eigentlich das Ziel. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.54.41

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Bäuerinnen werden im Grünen Bericht in zwei Kapiteln genannt, und zwar im Kapitel „Frauen in der Landwirtschaft“ und im Auszug bezüglich der „Forschungsarbeit: Betriebsleiterinnen in Österreich“. In beiden wird ein Bild der Bäuerinnen gezeigt, das sich gewandelt hat.

Die Bäuerinnen tragen zunehmend mehr Verantwortung in der österreichischen Land- und Forstwirtschaft. Sie sind ein wichtiger Motor des Fortschritts und der Innovation in den bäuerlichen Unternehmungen. Und vor allem haben sich auch die Daten und Fakten gewaltig geändert. Das wird im Grünen Bericht auch belegt. 41 Prozent der Betriebe werden von Frauen bewirtschaftet. Das waren Mitte der achtziger Jahre noch 17 Prozent, also die Bäuerinnen sind extrem im Vormarsch.

Wir wissen allerdings, dass ein Großteil der Frauen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb führen, aber auch jener, die in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten, keine landwirtschaftliche Ausbildung haben, dass viele davon Späteinsteigerinnen sind, dass sie allerdings natürlich auch den Auswirkungen der Agrarmärkte ausgeliefert sind, dass sie also die Liberalisierung, die stattfindet, selbstverständlich zu ertragen haben, aber auch mehr Wissen haben müssen in der Agrarpolitik und in der Agrarwirtschaft, um in den eigenen Betrieben gegensteuern zu können.

Wir wissen, dass wir in der Landwirtschaft ein hervorragendes Bildungssystem haben. Frau Schenk ist jetzt nicht im Raum, aber sie hat sich diesbezüglich zu wenig erkun­digt. Wir kennen das LFI, wo es wirklich Programme gibt, die von der Basisausbildung in der Landwirtschaft bis hin zu Spezialkursen und Seminaren alles anbieten.

Wir wissen natürlich auch, dass der Fokus auch künftig auf diese Bildung, Aus- und Weiterbildung zu richten ist und selbstverständlich auch auf die Frauenförderung in der Landwirtschaft. Der Erfolg des ländlichen Raums und der Landwirtschaft wird von der gleichwertigen Teilnahme von Frauen an den einschlägigen Programmen und auch an


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den Entscheidungsprozessen, wenn es um Landwirtschaft und ländlichen Raum geht, abhängig sein.

In puncto Gleichstellung ist in den Betrieben sehr viel geschehen. Da hat sich einiges bewegt. Und es zielt auch der Entschließungsantrag, der heute von vier Parteien eingebracht wurde, darauf ab, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen auch im „Österreichischen Programm für die Ländliche Entwicklung 2007 – 2013“ weiter forciert wird. Wir vertrauen hier auf den Herrn Bundesminister, der auch einen Be­gleitausschuss zum „Österreichischen Programm für die Ländliche Entwicklung 2007 – 2013“ eingerichtet hat. Eine Arbeitsgruppe arbeitet seit Juni 2009 genau zu diesem Thema.

Der Herr Bundesminister hat auch bewiesen, dass er auf der Seite der Frauen steht. Es sind sehr effiziente frauenspezifische Projekte vom Herrn Bundesminister selbst initiiert worden, sie werden auch mitgetragen und mit begleitet. Genau darum geht es, dass die Frauen mit ihren Leistungen in den Mittelpunkt gestellt werden, dass sie ihre Leistungen öffentlichkeitswirksam präsentieren können. Ich bin sicher, dass wir mit Unterstützung des Herrn Bundesministers im Sinne der Gleichstellung der Frauen in der Landwirtschaft sehr viel weiterbringen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Faul. 2 Minu­ten; das geht sich bis zur Dringlichen aus. – Bitte.

 


14.58.25

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Grillitsch, wir brauchen keine Taferl. Wir stehen mit unserem rot-weiß-roten Panther und dem rot-weiß-roten Adler für österreichische Qualität. (Der Redner zeigt auf seine Krawatte. – Zwischenruf des Abg. Grillitsch.)

Weil Anni Höllerer gerade geredet hat: Seit ich mich für den österreichischen Wein eingesetzt habe – lass mich ausreden, lieber Fritz Grilltisch –, trage ich dieses Zeichen als Warnung auch für euch (der Redner zeigt auf den Revers seines Sakkos), dass man dem Qualitätsbegriff, den wir da immer von oben fordern, nachkommen muss.

Warum wir uns heute zu dieser Käsegeschichte noch einmal melden, hat folgenden Grund – Fritz, gerade du bist ein Paradebeispiel dafür –: dass alle anderen schuld sind, wenn etwas aufbricht, nur ihr nicht, die Landwirtschaftskammer ganz sicher nicht. Es ist der Landwirt, der Landeshauptmann schuld, es wird ein Misstrauensantrag gegen den Gesundheitsminister gestellt. Jeder ist schuld, nur nicht ihr.

Herr Bundesminister, jetzt sage ich Ihnen etwas – ich bin der Sache nachgegangen –: Sie haben im Prinzip recht, wenn Sie sagen, es gibt keine Export-, Importförderungen. Es ist hundertprozentig richtig, was Sie im Ausschuss gesagt haben. Diese 700 000 € Förderungen kann man aber so oder so auslegen. Ich weiß, dass das für die Mager­milch gedacht war, aber ich sage Ihnen jetzt die andere Geschichte. – Jakob Auer liest die Zeitung, aber eure Börse, das Spekulieren mit den Gesundheitsmitteln, mit dem Essen, mit den Produkten ... (Abg. Jakob Auer: Welche Börse?) – Ich erkläre es dir gleich.

Auf den Topmärkten in Amsterdam wird die Milch um 5, 10 Cent gekauft. Das heißt, wir werden unterfahren. Dann wird sie nach Bayern geliefert. 22 000 Kilo Milch nach Bayern liefern, das kostet nur 1 000 €, das heißt 5 Cent pro Kilo! Und die Weiter­lieferung des Topfens nach Hartberg kostet auch nur 5 Cent. Das heißt, im Prinzip ist alles viel zu billig und bietet den Anreiz, dass man die Milch durch ganz Europa fährt, dass es keine Qualitätsmilch mehr ist und dass sie dann verarbeitet wird und mit dem


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österreichischen Rot-Weiß-Rot-Zeichen vermeintlich noch als Hartberger Bauernkäse verscheppert wird. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.)

Da werden viele Leute getäuscht. Da gibt es keine Qualitätskontrolle. Und wenn uns bei den Konsumenten das passiert wäre – weil ihr über die Arbeiterkammer diskutiert habt –, wären wir als VKI, muss ich sagen, längst dagegen eingeschritten. (Zwischen­ruf des Abg. Grillitsch.) Ihr duckt euch wieder und sagt: Wir hätten als Landwirt­schaftskammer die Verpflichtung, aber wir tun nichts! – Du brauchst nichts zu zeigen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dring­lichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.01.05Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines generellen Rauchverbotes in den Räumen der Gas­tro­nomie (1063/A)(E)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrags 1063/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Durch die Forschungsarbeit der letzten Jahrzehnte ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und zahlreichen Krankheiten unleugbar belegt worden, ebenso wie er sich für das Passivrauchen erhärtet. Rund ein Drittel aller Krebserkrankungen in den Industrie­ländern sind lt. einer Aussendung des Hauptverbandes der österreichischen Sozialver­sicherungsträger anlässlich des Weltkrebstages auf das Rauchen zurückzuführen. Auch die dadurch verursachten Kosten für die Gesellschaft werden immer präziser untersucht und man kann von einem Anteil von 4 – 8 Prozent an den Gesundheits­ausgaben ausgehen.

Österreich hat im OECD-Vergleich (OECD-Studie Society at a Glance 2009) bei den 15-jährigen die höchste Raucherquote (24 % bei den Burschen und 30 % bei den Mädchen) und ein besonders frühes Raucheinstiegsalter von 11 Jahren.

Zum internationalen Vergleich von Politikmaßnahmen zur Tabakprävention euro­päischer Länder wurde von führenden Experten eine Rangliste der Wirksamkeit möglicher Maßnahmen erstellt. 28 europäische Länder wurden 2004 und 2005 gereiht und in beiden Reihungen liegt Österreich am Ende des Feldes: nur Lettland, Rumänien und Luxemburg erreichten weniger Punkte. 2007 fiel Österreich schließlich bei der Reihung von 30 Ländern auf den letzten Platz zurück, da die oben genannten Länder inzwischen ihre Tabakgesetze novellierten. Dagegen hat das wegen Ausnahmere­gelungen und fehlenden Sanktionsmaßnahmen zahnlose österreichische Tabakgesetz den Anschluss an den internationalen und europäischen Fortschritt verloren.

Es ist erwiesen, dass preisbezogene Maßnahmen und Rauchverbote an öffentlichen Orten die größte Wirkung in der Bekämpfung der Schädigungen durch Tabakkonsum entfalten. Rauchverbote stellen - neben dem Anreiz für Raucher zu geringerem Kon­sum - die wirksamste Möglichkeit dar, Nichtraucher direkt vor Belastungen durch Passiv­rauch zu schützen. Es mehren sich daher Initiativen überstaatlicher Institutionen


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wie der WHO oder der EU für umfassendere bzw. wirkungsvollere Regelungen zu Rauchverboten.

Die Europäische Kommission veröffentlichte im Jänner 2007 ein Green Paper, in dem mögliche Maßnahmen zum Nichtraucherschutz und verschiedene Verwirklichungs­möglichkeiten besprochen werden, wobei von der Kommission ein gesetzliches Rauchverbot an öffentlichen Orten präferiert wird. Gleichzeitig steigt auch die  Akzep­tanz in der Bevölkerung für Rauchverbote. In einer aktuellen Online-Befragung sprachen sich 55 Prozent der befragten ÖsterreicherInnen für ein generelles Rauch­verbot in Lokalen aus. Nur 20 Prozent der Befragten erachten die derzeitige Form des Nichtraucherschutzes als wirklich sinnvoll.

Die derzeitige Regelung ist eine typisch „österreichische Nicht-Lösung“. Die Definition der verschiedenen Lokaltypen und ihre Verpflichtung zum Nichtraucherschutz sind schwammig formuliert. Die zu schaffende räumliche Trennungen in Raucher- und Nichtraucherbereiche in Einraumlokalen über 49 m² stellen die Gastronomen vor große finanzielle Herausforderungen und auch danach ist eine ausreichende Luftqualität nicht zu erwarten.

Für die Beschäftigen wurden zwar kollektivvertragliche Vereinbarungen bezüglich Kün­digung wegen Passivrauchens ausgehandelt, ein tatsächlicher Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz gilt aber weiterhin nicht für Beschäftigte in der Gastronomie. Die Befürch­tungen von negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Einführung einer rauchfreien Gastronomie haben sich nicht bewahrheitet. Geringe Umsatzrückgänge waren nur vorübergehend und bei den meisten gar nicht zu beobachten.

Lt. Untersuchungen in  Irland, Schottland und Kanada haben von Verboten Betroffene nach rund zwei Jahren auch im eigenen Haushalt oder sogar ganz das Rauchen aufgegeben. Und in Spanien, das als Vorbild für Österreich galt („Spanische Lösung“) plant die Regierung jetzt nach dem Anstieg des Tabakkonsums zwischen 2006 und 2008 um 1,3 % ebenfalls ein generelles Rauchverbot in allen geschlossenen und öffentlich zugänglichen Räumen. Generell kann der Trend beobachtet werden, dass schwächere Regelungen wie in Finnland oder freiwillige Vereinbarungen wie in Deutschland oder England, in strengere Gesetze um gewandelt werden.

Es wäre daher höchst an der Zeit, dass auch in Österreich im Bereich der Tabak­prävention entsprechende und effektive Maßnahmen gesetzt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Der Bundesminister für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat bis spätestens 19.5.2010 eine Novelle des Tabakgesetzes zur Beschlussfassung vorzulegen, die in den Räumen der Gastronomie ein generelles Rauchverbot vorsieht.

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Glawischnig-Piesczek als Antragstellerin zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht über­schreiten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 118

15.01.37

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Herr Gesund­heitsminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Seit über einem Jahr ist nun dieses Gesetz in Kraft, nach dem in der Gastronomie rauchfreie Zonen hätten einge­richtet werden sollen. Die Zufriedenheit ist enden wollend. Im Gegenteil: Es herrscht maximale Unzufriedenheit bei allen Beteiligten, absolutes Chaos auch bei den Betrof­fenen. Sie wissen nicht, worauf sie sich verlassen können. Immer wieder hört man auch, dass die Europäische Union im Jahre 2012 auf Basis des ArbeitnehmerIn­nen­schutzes ohnehin generell rauchfreie Gastronomie verordnen wird. Man stellt sich daher in der Gastronomie die Frage: Soll man jetzt umbauen oder soll man nicht um­bauen? (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Sehr viele Menschen, die sehr unzufrieden sind, die sich mittlerweile auch über Volks­initia­tiven zusammengeschlossen haben, wollen auch ein Volksbegehren einbringen.

Unter dem Strich haben wir das Ergebnis eines großen politischen Murkses vor uns. Und es ist, glaube ich, an der Zeit, nach ordentlichen Lösungen zu suchen und ordent­liche Konsequenzen zu ziehen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist der Zeitpunkt, über neue Lösungen nachzudenken, und ich möchte Ihnen heute hier ein bisschen zur Seite stehen, Herr Gesundheitsminister, damit wir hier auch zu guten, neuen Lösungen kommen.

Schauen Sie sich den Nichtraucherschutz/Nichtraucherinnenschutz im Moment an! Wir investieren in ganz Österreich in ein Messstellennetz Feinstaub, neben sehr stark befahrenen Straßen, in dicht verbauten Städten. Überall haben wir Feinstaubgrenz­werte­messungen. Und es gibt dann immer wieder Alarmmeldungen: Die Feinstaub­grenzwerte sind überschritten worden! Es gibt dann Mahnschreiben von der Euro­päischen Union. Die Kommission sagt: Österreich muss Taten setzen! Dann schreiben wir Partikelfilter für die Lkws vor. Dann sagen wir: Wir müssen Umweltzonen in der Stadt machen! Also eine Fülle von Maßnahmen draußen, im Freien, auf der Straße, neben der Straße.

Und dann gehen die Menschen in ein Lokal, setzen sich in den Nichtraucher-/Nicht­raucherinnenbereich und haben um eine zehnmal höhere Belastung, als sie den Grenzwerten entspricht, deren Übersteigen wir draußen bekämpfen wollen. Ist das nicht ein bisschen absurd? (Beifall bei den Grünen.) Also ich frage mich schon, welche Prioritäten man da setzt.

Die Belastungen sind nach wie vor sehr hoch. (Zwischenruf.) – Wenn Sie sagen, ich sei absurd, dann, so meine ich, sollten Sie einmal darüber nachdenken, was es für einen Betroffenen heißt, der vielleicht acht Jahre lang in der Gastronomie als Nicht­raucher/als Nichtraucherin gearbeitet hat und dann einen Lungenkrebs hat. Also was sagen Sie diesen Betroffenen? Auf der ganzen Welt haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das Recht auf einen rauchfreien Arbeitsplatz, nur in der Gastronomie eben nicht. Ich finde das nicht absurd. Wir sollten darüber sehr intensiv nachdenken, wie wir da zu besseren Lösungen kommen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Amon, auf den immer wieder der Blick der Rednerin fällt: Frau Kollegin! Das war der Kollege Petzner!) Ach so, ich habe jetzt da in der ÖVP jemanden angeschaut. Ich entschuldige mich. Okay, dann meine ich den Kollegen Petzner. Gut.

So, also wir haben Grenzwertüberschreitungen außerhalb von Lokalen, allerdings in Lokalen das Zehnfache dessen, was überhaupt von der Europäischen Union erlaubt ist. Und ich glaube, dass wir alle darüber nachdenken sollten, wie man das in Zukunft vermeidet oder verringert.


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Alexander van der Bellen hat einmal einen sehr schönen Satz gesagt: Ich verkürze mein Leben, das ist meine irrationale, unvernünftige, aber immer noch individuelle Entscheidung! – Das ist absolut richtig! Und ich möchte dir auch dein liebstes Ver­gnügen nicht nehmen, genauso wenig wie ich das vielen anderen nicht nehmen will, die aus Lust und Freude einfach rauchen.

Ich habe auch meine Laster. (Abg. Petzner: Welche?) Die sage ich Ihnen jetzt nicht. Aber die habe ich natürlich genauso. Im Gegenteil: Ich bin eine sehr lustfreundliche Person. (Abg. Grosz: Das ist ja fast eine Drohung!) – 43 Prozent der Erwachsenen rauchen. Sie sollen das auch tun, das ist ihre individuelle Entscheidung. Sie wissen auch, dass sie sich damit unter Umständen auch schädigen können, aber das ist ihre individuelle Entscheidung.

Wenn es dann allerdings um Jugendliche, vor allem auch um Kinder geht, um 9-Jährige, um 10-Jährige und 11-Jährige, dann sollten die Alarmglocken läuten. Schauen wir uns einmal an, wie das beim Jugendschutz überhaupt ist.

Jugendschutz – Föderalismusdschungel. In Oberösterreich, Salzburg, Kärnten und in der Steiermark ist Rauchen für Menschen bis 16 generell und überall verboten. In Wien, Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg dürfen sie rauchen, allerdings nicht auf öffentlichen Plätzen und bei öffentlichen Veranstaltungen. – Das ist der Jugendschutz in Österreich. Das ist wahrlich ein Problem, behaupte ich.

Wir haben jetzt mittlerweile Statistiken, aus denen hervorgeht, dass die ersten Ziga­retten von jungen Menschen im Alter von neun Jahren geraucht werden. (Abg. Grosz: Das Haschisch wolltet ihr ja einmal freigeben!) Das sind Kinder, das sind Kinder mit neun Jahren.

Dann haben wir die Einstiegsaltersfrage: Jugendliche beginnen mit elf faktisch täglich zu rauchen. Wir haben mehrere hundert Jugendliche im Alter von elf Jahren, die in Österreich täglich eine Zigarette rauchen.

Das geht dann weiter: Mit zwölf Jahren sind es bereits mehrere Tausend, mit 13 Jah­ren über 6 000. Wenn sie 15 sind, wo sie es eigentlich noch gar nicht dürften, zumindest in Teilen von Österreich, ist es dann schon die Hälfte, mit 16 und 17 ist es dann mehr als die Hälfte der Jugendlichen, die raucht. Ich glaube, das kann uns nicht egal sein.

Auch im internationalen Vergleich hat der Österreicher eine bedauernswerte Stellung. In anderen Ländern ist es durchaus gelungen, das Rauchen bei Jugendlichen unat­traktiver zu machen.

Also ich möchte jetzt nicht die klassischen Länder wie Amerika, besonders New York und Kalifornien, Kanada aufzählen. Auch in Europa ist es in einigen Ländern gelungen, diesen Anteil der Jugendlichen auf unter 10 Prozent zu bringen. Bei uns sind es bei den 15-Jährigen 30 Prozent der Mädchen, die rauchen, und 24 Prozent der Burschen. Das schreit nach Aktion, das schreit nach politischer Aktion.

Ich habe vor ein paar Monaten an den Gesundheitsminister eine Anfrage eingebracht, wo ich nachgefragt habe, welche Maßnahmen er sich im Bereich der Jugendprävention vorstellt.

Die Antwort ist wirklich lesenswert, denn wenn ich als Mutter das ernst nehme, was er mir hier geschrieben hat, dann rufe ich 24 Stunden lang Fernsehen und Gummibärli auf und mache überhaupt nichts mehr, um zu versuchen, meine Kinder in eine gesunde Richtung zu lenken. Er hat nämlich gemeint, das sei bei Jugendlichen so schwierig, die machten unterm Strich ohnehin das, was sie wollen. Deswegen probiere


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man gar nicht erst, sie zu beeinflussen. Das ist der Kern seiner Antwort. Und ich finde, das ist wahrlich zu wenig.

Da sollte man sich wirklich ein Beispiel an anderen Ländern nehmen. Prävention bei jungen Leuten erfordert in erster Linie einmal Geld. Es erfordert eine institutionelle Basis, also dafür muss sich jemand zuständig fühlen. Und dann erfordert es Pro­gramme, innerhalb der Schule, außerhalb der Schule.

Es sollte so sein, dass Jugendliche nicht sagen: Na gut, wenn ich zum Chinesen gehe, stinke ich auch nach Öl oder Fett! – Das ist nicht das Problem! (Abg. Grosz: Zu welchem Chinesen gehen Sie da, wenn Sie dann so „stinken“? Das ist diskriminierend gegenüber allen Chinesen!) Vom chinesischen Öl oder Fett kann man nicht so schnell einen Lungenkrebs bekommen.

Das ist die Problematik, nämlich: Es gibt überhaupt keine Aufklärung oder Präven­tionsarbeit, um das wirklich zu verdeutlichen, was es wirklich bedeutet, wenn man zwischen elf und 20 ... (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Grosz.) – Könnten Sie mir vielleicht ein bisschen zuhören, Herr Kollege Grosz? Sie haben die letzten zwei Tage so viel und so schnell geredet (Beifall bei den Grünen), dass Sie jetzt durchaus einmal zuhören könnten. – Danke.

Also es braucht Geld, es braucht jemanden, der zuständig ist, und es braucht vor allem auch einen gewissen Ehrgeiz, dass man dieses Problem auch angehen möchte.

Ich weiß nicht, ob Sie wissen, wie viel das Tabaksteueraufkommen tatsächlich ist. Das ist nämlich ein ordentlicher Brocken, das sind 1,4 Milliarden €. Und jetzt würde ich gerne den Kollegen Grosz einmal fragen: Schätzen Sie, wie viel von diesen 1,4 Mil­liarden € tatsächlich an die Gesundheitssysteme für Prävention überwiesen werden! Ungefähr. Eine Zahl. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Es sind satte 12 Millionen € öster­reichweit! Alleine die Jugendlichen bringen an Tabaksteuer 60 Millionen € auf. Ich bin der Meinung, dass mindestens diese Summe in Präventionsprogramme bei Jugend­lichen gehen sollte. Mindestens! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Grosz: Wie viel gehen ins Gesundheitswesen?)

Je mehr geraucht wird, desto mehr sollte in Prävention gehen.

Diese 12 Millionen € werden an die Krankenkassen überwiesen zur Prävention, alles andere versinkt im Budget, alles andere versumpert im Budget. – „Versumpert“ ist vielleicht das falsche Wort. Das Geld wird sicher für sinnvolle Dinge ausgegeben, aber ich glaube trotzdem, dass man zumindest dieses Volumen, das die Jugendlichen verrauchen, dafür verwenden sollte, sie von dieser Sucht auch in irgendeiner Weise wieder loszubekommen.

Ich erzähle Ihnen noch ein paar äußerst abstruse Dinge, die wir im Gesundheitssystem vorfinden. Wenn jemand einen klassischen Raucherkrebs hat, zum Beispiel einen Stimmbandkrebs, wird sehr viel Geld in die Hand genommen: für die Strahlentherapie, für die Chemotherapie unter Umständen, aber es wird kein Geld in die Hand genom­men, um dieser Person vielleicht auch in irgendeiner Weise beiseite zu stehen mit Psychotherapie, mit Entwöhnungstherapie, um die Ursache seiner/ihrer Krankheit zu erforschen und so von dieser Krankheit loszukommen.

Wir investieren dann monatelang nicht – dann kommt die Person wieder und hat wie­der einen Stimmbandkrebs und muss weiterhin bestrahlt werden! Ich finde, das ist nicht zielführend. Man sollte meines Erachtens auch sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen, um Menschen auch wirklich dabei zu unterstützen, vor allem kranke Men­schen, sich zu entwöhnen, und man sollte auch eine Psychotherapie unterstützen. (Beifall bei den Grünen.)


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Und ich bin noch zu weiteren Skurrilitäten vorgedrungen. Es ist allein schon historisch nicht uninteressant: Dr. Ausserwinkler hat 1992 ein wegweisendes Gesetz präsentiert; es war damals das modernste Gesetz Europas. Seit damals allerdings ist die Tabak­gesetzgebung weitgehend zum Stillstand gekommen. 1995 hat dann Kalifornien das absolute Rauchverbot in Restaurants erlassen. Daraufhin sind dort die Umsätze sehr schnell stärker hinaufgegangen als erwartet. Das ist sehr interessant gewesen.

In Österreich haben wir allerdings bis zum heutigen Tag eine unbefriedigende Situation in der Gastronomie. Das ist, glaube ich, unbestreitbar. Stellen Sie sich vor, Sie sind eine Kellnerin, Sie sind eine junge Frau, Sie sind schwanger und arbeiten in der Gastronomie. Ich denke, Sie kennen alle diesen Mutter-Kind-Pass (die Rednerin blättert in einem solchen Pass), haben auch hie und da schon einmal darin geblättert. Es sind teilweise ziemlich beunruhigende Sachen, die da drinnen stehen. Ich möchte Ihnen das vorlesen: Man weiß heute, dass schon beim Rauchen einer Zigarette das Herz des Kindes um ein Viertel rascher schlägt als vorher, dass das Kind wenig Sauerstoff bekommt, dass die Zufuhr von Nährstoffen durch das mütterliche Blut geringer wird. Babys von Müttern, die in der Schwangerschaft aktiv oder passiv rauchen, sind häufig zarter, schwächer als Kinder von Nichtraucherinnen. Und: Passiv­rauchen kann Ursache für plötzlichen Kindstod sein.

Ich finde, es gibt nichts Schrecklicheres als die Angst vor plötzlichem Kindstod. Ich glaube, das kennen alle Eltern: die Angst, dass man in die Wiege hineinschaut – und das Kind lebt nicht mehr!

Und dann liest man in diesem Mutter-Kind-Pass, Passivrauchen erhöht das Risiko von plötzlichem Kindstod. – Wie geht es mir jetzt als Kellnerin in einem sogenannten Umstellungsbetrieb? Ein Umstellungsbetrieb gilt als Nichtraucherbetrieb, und ich muss genauso noch im Rauch arbeiten. Ich finde, das ist nicht zumutbar, das ist einfach nicht in Ordnung! Da brauchen wir andere Regeln. (Beifall bei den Grünen.)

Acht Jahre als nichtrauchende Person in der Gastronomie – und das Lungenkrebs­risiko ist verdoppelt! Trotzdem: Lungenkrebs ist nicht als Berufskrankheit anerkannt für die Gastronomie. Auch das finde ich nicht in Ordnung, auch das ist unzumutbar, das müssen wir jedenfalls ändern.

Mittelfristig wird, wie ich glaube, daran kein Weg vorbeiführen. Die Europäische Union wird genau auf dieser Basis des Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerschutzes europa­weit die rauchfreie Gastronomie verordnen. Ich finde es fairer und anständiger, jetzt bereits klare Regeln für alle zu machen und auch der Gastronomie eine Sicherheit zu geben, als dann immer wieder etwas zu ändern. Viele haben dann vielleicht schon tausende Euros investiert und sind dann nicht nur äußerst verunsichert, sondern auch verdrossen, was die Politik betrifft, die das eigentlich hätte vorhersehen müssen.

Nun noch zum ArbeitnehmerInnenschutz. – Da gibt es wirklich skurrile, ganz skurrile Regeln. Manche von Ihnen sind wahrscheinlich damit vertraut. Es gibt sogenannte Grenzwerte, Begrenzungen für Schadstoffe auf dem Arbeitsplatz. Allerdings betreffen diese Schadstoffgrenzwerte ausschließlich die Schadstoffe, die durch das Arbeiten selbst entstehen, also das Lösungsmittel beim Malen, den Leim beim Tischler, auch den Lärm. Das Rauchen allerdings wird da nicht mit hineingerechnet, das Rauchen ist komplett irrelevant. Wer raucht, wird da nicht mitgezählt.

Auch diesbezüglich habe ich den Gesundheitsminister befragt, und was war die Ant­wort? Diese ist auch mehr als bemerkenswert: Forschungsergebnissen zufolge ist es nicht möglich, Grenzwerte für Tabakrauchbelastung festzulegen, unterhalb derer Passivrauchen gesundheitlich unbedenklich wäre. Folglich legen wir gar keinen Grenz­wert fest.


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Das kann es ja wohl nicht sein! Da alles schädlich ist, gibt es keinen Grenzwert, deswegen kann es, egal in welchem Ausmaß, auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh­mer hereinprasseln? Das ist eine wirklich sehr österreichische Lösung, und das gehört jedenfalls geändert, das ist unzumutbar! (Beifall bei den Grünen.)

Wenn man sich das auf der ganzen Welt ansieht – ob das jetzt Bayern ist, wo wir seit fünf Jahren die rauchfreie Gastronomie haben, ob wir das in Italien beobachten, in Frankreich, in Deutschland und in den skandinavischen Ländern, das lässt sich flächen­deckend auf der ganzen Welt beobachten –: Es gibt flächendeckend eine positive gesundheitspolitische Entwicklung, nämlich die Abnahme der Herzinfarkte bei der Gesamtbevölkerung. Das ist, egal, wo man sich das anschaut, ob das New York oder Rom, Kalifornien oder Schottland ist, nachweislich überall so. Wir haben aber jetzt schon genug Zeit gehabt, uns das auch im Detail anzusehen: Es gibt eine Abnahme der Herzinfarkte in der Gesamtbevölkerung nach diesen Rauchverboten, und das ist jedenfalls sehr, sehr positiv!

Auf der anderen Seite sind die befürchteten Einnahmenverluste, die Umsatzrückgänge nicht eingetreten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es hat bei manchen leichte Rückgänge gegeben, aber es hat sich dann wieder normalisiert, und in manchen Ländern sind die Umsätze jetzt sogar deutlich höher als vorher.

Wir können das gerne diskutieren. Es gibt eine Untersuchung der Europäischen Union aus dem Jahr 2007, es gibt eine Reihe von Untersuchungen, die ganz aktuell sind, die können wir ja jetzt gern gemeinsam diskutieren. Aber viele Experten sagen, Umsatz­einbußen hat es nur sehr eingeschränkt und nur sehr kurz gegeben, und dann sind die Umsätze wieder nach oben gegangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Sie können dann gerne herauskommen und das Gegenteil behaupten; gerne, ich freue mich über entsprechende Fakten.

Und was ich besonders absurd finde: Was glauben Sie, wie die Raucher- und Nichtraucherlokale gekennzeichnet sind? Die Nichtraucherlokale sind mit Rot gekenn­zeichnet und die Raucherlokale mit Grün. Ich glaube, da könnte uns auch etwas Besseres einfallen!

Herr Gesundheitsminister, ich habe schon ein paar Fragen an Sie. Wir haben jetzt das erste Mal die Gelegenheit, auch mit Ihnen in dieser Frage ordentlich zu diskutieren. (Abg. Amon: Das ist aber ein Dringlicher Antrag!) Es ist ein Dringlicher Antrag, selbstverständlich! Wir wissen schon sehr genau, was wir wollen. Allerdings möchte ich dem Herrn Minister auch die Möglichkeit geben, auch noch zu ein paar anderen sehr wichtigen Fragen Stellung zu nehmen.

Das ist vor allem die Frage der Jugendprävention. Was haben Sie jetzt tatsächlich vor? Es kann ja nicht sein, dass Sie auf diesen Floskeln sitzen bleiben. Es wird eine Gesamtstrategie verfolgt, die wird erst erarbeitet, wird mit den Ländern abgestimmt, und: Sie wissen, ich bin ohnehin für eine Vereinheitlichung des Jugendschutzes, aber ich bin nicht zuständig! Vielleicht können wir da heute auch ein paar ernsthaftere, wirklich ambitionierte Vorhaben von Ihnen hören.

Und was ich auch noch gerne von Ihnen wissen möchte, das ist: Sie haben auch in der Anfragebeantwortung festgestellt, es wurden keine entsprechenden Erfahrungen gemacht, was Einbußen in der Gastronomie betrifft. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das ist eine offizielle Anfragebeantwortung aus Ihrem Ressort, vielleicht kann man das dem Kollegen Matznetter von Ihrer Fraktion noch mitteilen. Zumindest mir haben Sie das geantwortet.

Was mich auch noch sehr interessieren würde, ist, wie Sie tatsächlich zur rauchfreien Gastronomie stehen und ob wir nicht in diesen Tagen auch eine Entscheidung treffen


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sollten, die tragfähig ist auch für die nächsten Jahre und jedenfalls auch neue euro­päische Regelungen vorwegnehmen kann und damit auch Sicherheit für alle Beteilig­ten bringt. (Beifall bei den Grünen.)

15.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Stöger zu Wort gemeldet. Ich mache darauf aufmerksam, dass die Redezeit ebenfalls 20 Minuten nicht übersteigen soll. – Bitte.

 


15.18.37

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, diplômé: Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Ich möchte meine Rede mit einem Zitat beginnen:

„Dieses Gesetz ist daher nicht nur unter dem Blickwinkel von Schwarz-Weiß- oder Alles-oder-nichts-Kategorien zu sehen, sondern es ist ein Kompromiss [...].Das bietet in Zukunft schon Möglichkeiten und Sicherheiten an, dass Nichtraucher bedeutend besser als bisher geschützt werden. [...] Einigen ist das zu wenig – ich sehe das –, anderen ist bereits das zu viel.“

Ich habe meine Rede mit einer Aussage des von mir sehr geschätzten Abgeordneten Grünewald begonnen, der das bei der Beschlussfassung des Tabakgesetzes gesagt hat, und ich meine, es drückt auch aus, womit dieses emotionale Thema Tabak, Umgang mit Tabak, Umgang mit Rauchen behaftet ist.

Was sagt das Gesetz aus? – Das Gesetz ist 2008 mit 125 Stimmen der Sozialdemo­kraten, der Volkspartei und der Grünen beschlossen worden; 23 Abgeordnete dieses Hauses stimmten dagegen. Das Gesetz ist am 1. Juli 2009 teilweise in Kraft getreten, die letzten Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, des Tabakgesetzes, treten erst mit 1. Juli 2010 in Kraft.

Was waren die zentralen Neuerungen dieses Bundesgesetzes? – Die ganz zentrale Neuerung war, dass auch in der Gastronomie ein Rauchverbot erlassen wird, und zwar gibt es in der österreichischen Gastronomie ein grundsätzliches Rauchverbot. – Es gibt jedoch Ausnahmen, und diese Ausnahmen sind – das gebe ich zu – sehr weit gefasst, werden aber nach einer Übergangsphase immer weniger werden.

Ausgenommen von dieser Bestimmung sind Betriebe, die weniger als 50 m² Fläche haben. Dort kann der Wirt entscheiden, ob er Rauchen zulässt oder nicht. Betriebe zwischen 50 und 80 m² Fläche fallen in die Übergangsregelung, die jedoch mit 1. Juli 2010 endet. In diesen Lokalen kann man rauchen, wenn eine Abtrennung vorhanden ist. In Lokalen mit über 80 m² Fläche braucht man hingegen klar getrennte Raucher­räume. Es steht auch fest, dass Tabakwerbung in Österreich nicht mehr gestattet ist.

Das sind die wesentlichen Inhalte des Tabakgesetzes – und das hat dazu geführt, dass in Österreich das Rauchen tatsächlich reduziert werden konnte.

Rauchen, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein emotionales Thema, das die Men­schen in ihrem Leben unmittelbar trifft. Insofern kann man das jeden Tag diskutieren – und es ist auch gut so, eine Auseinandersetzung darüber zu führen –, aber als Gesundheitsminister bin ich auch daran gebunden, was das Hohe Haus, was Sie hier im Parlament entscheiden. Sie haben eine Entscheidung getroffen, und diese Ent­scheidung ist daher von meiner Seite her voll und ganz anzuerkennen. Die Verwaltung hat eine Entscheidung der Abgeordneten zum Nationalrat zur Kenntnis zu nehmen und damit eben entsprechend umzugehen.

Meine Damen und Herren, mein Zugang dazu ist: Beim Thema Rauchen muss man die Menschen erreichen. Wir wissen, dass es Verbote gibt, und Frau Klubobfrau Gla­


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wischnig hat auch angesprochen, dass es in Bezug auf Kinder und Jugendliche ein Rauchverbot gibt. In Österreich dürfen Kinder und Jugendliche nicht rauchen, und man darf ihnen selbstverständlich auch keine Tabakwaren verkaufen.

Tatsache ist jedoch auch, dass sich manche über Verbote hinwegsetzen; das ist wirklich ein Problem. Aber: Mit einer Law-and-order-Politik werden wir dem Thema Rauchen nicht Herr werden. Mir geht es daher, wie gesagt, darum, die Menschen zu erreichen und viele Menschen dazu zu gewinnen, das Rauchen zu reduzieren. Gerade auch im Hinblick darauf wurde mit dem neuen Tabakgesetz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht.

Tatsächlich gibt es ein Problem bei den Jugendlichen – darüber brauchen wir gar nicht erst zu diskutieren –: Es wird von Jugendlichen zu viel geraucht. Jede Zigarette, die geraucht wird, ist eine zu viel – und das alles, obwohl es für sie – theoretisch – ein Rauchverbot gibt und ebenso ein Verkaufsverbot von Tabakwaren an Jugendliche.

Auf Presse- und Fernsehberichte hin habe ich Vertreter des Fachverbandes der Tabakbetriebe eingeladen und mit ihnen darüber diskutiert. Der Fachverband der Tabakindustrie beziehungsweise der Tabakverkäufer hat klargemacht: Wenn jemand raucht, wenn jemand Zigaretten aus Trafiken bekommt und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, dann führt das dazu, dass man den Trafikanten zur Verantwortung zieht – was auch zur Folge haben kann, dass er die Konzession zum Betrieb einer Trafik verlieren kann.

Der Fachverband der Trafikanten steht dazu, dass Kindern und Jugendlichen keine Tabakwaren verkauft werden.

Ziel eines Gesundheitsministers ist es, dass nicht geraucht wird. Rauchen schädigt ganz sicher die Gesundheit. Insofern gibt es keinen Grenzwert, unter dem Rauchen akzeptabel wäre. Es ist so, dass auch das Passivrauchen die Gesundheit beein­trächtigt. Insofern kommt ein Grenzwert, unter dem das Rauchen erlaubt wäre, nicht in Betracht.

Ich möchte diese Gelegenheit jetzt auch dazu benutzen, die Gastronomiebetriebe einzuladen, ein Gastronomiebetrieb für die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung zu sein – und die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung raucht nicht. Die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung möchte sich in Gaststätten aufhalten, in denen es keine schlechte Luft gibt. Ich lade daher alle Wirte ein: Setzen Sie das Tabakgesetz um! Wenn Sie in Ihrer Gaststätte das Nichtrauchen einführen, dann ist auch klar, dass Sie eine andere Zielgruppe haben, aber es wird die Mehrheit der Bevölkerung sehr froh sein, bei Ihnen gesunde und gute Luft vorzufinden! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich darf Ihnen, sehr verehrte Damen und Herren, kurz jene Aktivitäten darstellen, die wir im Gesundheitsministerium ständig setzen. Das Gesundheitswesen bemüht sich, die Menschen dahin gehend zu unterstützen, vom Rauchen wegzukommen. Das Bundesministerium für Gesundheit betreibt gemeinsam mit den Ländern und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger das sogenannte Rauchertelefon, das Auskunft darüber gibt, wohin man sich in den einzelnen Bundesländern wenden kann, sodass man letztendlich vom Rauchen wegkommt. Wir haben Informationen und Broschüren für bestimmte Zielgruppen zusammengestellt – für schwangere Frauen, für Kinder –, eben darüber, wie man auch mit dem Rauchen umgeht.

Es gibt Angebote zum Entzug für Raucher, sogenannte Raucherseminare, und so weiter; das alles bietet die Sozialversicherung an. Wir haben gemeinsam mit dem ORF die Kampagne „Bewusst gesund“ vor, und darin ist ein zentrales Thema: Information an Jugendliche, damit sie nicht rauchen.


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Erinnern darf ich in diesem Zusammenhang daran, dass die Umsetzung von Gesund­heitsthemen Aufgabe der Länder ist; wir bewegen uns da im Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung. Der Gesundheitsbereich ist von den Bezirksverwaltungsbehörden, von den Bundesländern umzusetzen – und teilweise sind, was eben den Arbeitnehmer­schutz anlangt, auch die Arbeitsinspektorate gefordert.

Jedenfalls wird jeder Österreicher/jede Österreicherin am 1. Juli 2010 sagen können: Ich besuche keine Gaststätte, wenn darin geraucht wird! Und aufgrund der Kenn­zeichnung der Lokale wird ganz klar ersichtlich sein, wo geraucht werden darf und wo nicht.

Zusammenfassend: Dieses Tabakgesetz hat in Österreich dazu geführt, dass auch in den Gaststätten das Rauchen grundsätzlich nicht mehr gestattet ist. Es gibt Aus­nahmen, und diese Ausnahmen haben dazu geführt, dass in Zukunft mehr rauchfreie Räume für die Bevölkerung zur Verfügung stehen.

Ich habe mich klar und deutlich den Wünschen der Gastronomie entgegengestellt, die eine Verlängerung der Übergangsfrist haben wollte. Ich sage noch einmal ganz klar: Seit Juni 2008 hat jeder Gastronom gewusst, wie das Gesetz und seine Wirkung in Zukunft ausschauen werden. Zwei Jahre lang haben Gastronomen Zeit gehabt, zu handeln. Mir tut daher niemand leid, der in Zukunft Strafen bekommt, wenn er sich nicht an das Gesetz hält. Ich lade alle ein: Machen Sie ein Nichtraucher-Lokal! (Beifall bei der SPÖ.)

Ich habe auch schon angesprochen, dass das Bundesministerium für Gesundheit eine Evaluierung des Tabakgesetzes in Auftrag gegeben hat. Ich werde zu gegebener Zeit – das wird nicht mehr lange dauern – die Öffentlichkeit von diesen Ergebnissen informieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Wer sich in Zukunft nicht an das Gesetz hält, wird mit Strafen zu rechnen haben. Diese Leute tun mir nicht leid. Das Geld wird dem Sozialbereich zukommen. Ich persönlich leiste meinen Beitrag darüber hinaus: Ich rauche nicht und möchte auch ein gutes Beispiel für die Jugend sein. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

15.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub kommt eine Gesamtrede­zeit von insgesamt 25 Minuten zu.

Als erster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dr. Grünewald zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Cap: Wir wollen aber Van der Bellen! – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Zwischen uns geht nicht ein Löschblatt! – Abg. Dona­bauer: Wir wollen jemanden, der sich auskennt!)

 


15.31.29

Abgeordneter Dr. Kurt Grünewald (Grüne): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sie haben mich zitiert. Ob ich mich jetzt darüber freuen soll oder nicht, habe ich noch nicht entschieden. Ich gebe natürlich zu, ich habe gedacht, dieses Gesetz ist ein Kompromiss und ein erster Schritt.

Jeder Kompromiss ist ein erster Schritt, nur muss man sich dann anschauen, was daraus entsteht. Man hat gesehen, dieses Gesetz ist äußerst bürokratisch umzuset­zen, vielfach vage und schafft Interpretationsräume oder zumindest Konflikt- und Streitpunkte. Es wurde eigentlich sehr zögerlich, hinhaltend, retardiert umgesetzt.


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Wie Sie sagen, wir wären erst im Juli zu einem Erfüllungsgrad gekommen, den ich jetzt gar nicht phantasieren möchte. Der wäre nie 100 Prozent gewesen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: 2 Prozent!)

Ich komme in dieser Frage nicht umhin, auch etwas über mich zu sagen, und da möchte ich ehrlich sein. Ich war wenige Monate, vielleicht nur wenige Wochen bei den Grünen, da erhielt ich ein Mail sinngemäß folgenden Inhaltes: Der Gesundheits­sprecher der Grünen, der Krebsarzt Grünewald, raucht – er soll zurücktreten.

Gut, Sie sehen, ich habe das nicht getan. Ich stehe immer noch da. (Abg. Mag. Wurm: Rauchen oder nicht rauchen? – Das ist hier die Frage!) Ob ich jetzt zur Rede nur von unserem Klub gerufen wurde oder ob ich dazu berufen bin, werden Sie entscheiden.

Man muss sich fragen: Wie bewirkt man politische Verhaltensänderungen? Über Jahrhunderte haben sich die Erziehungswissenschaft, wenn sie sich damals so nannte, oder die Psychologie vorwiegend an der Vorbildwirkung von Personen orientiert und daran geklammert, wenn sie etwas erreichen wollten. Die Keuschheit der Märtyrer sollte unsere Keuschheit beflügeln, der Anstand der Politiker den Anstand der Öster­reicherinnen und Österreicher, die Vorbildfunktion von Sportlern wurde bis ins Privatleben hinein verfolgt und hat dazu geführt, dass ein Bundeskanzler in Gummi­stiefeln Hochwasser geschöpft hat, Bundespräsidenten Händchen gehalten haben, wo es keine Händchen mehr gab und so weiter und so fort. (Heiterkeit bei den Grünen.)

Also ich bin da für modernere Wissenschaften; die Erziehungswissenschaft und die Psychologie haben Fortschritte gemacht. Da gibt es so etwas wie die paradoxe Intervention. Mein abschreckendes Beispiel als Raucher betrachten Sie bitte als Teil einer paradoxen Intervention. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Dr. Matznetter. – Heiterkeit bei der SPÖ.) Ich werde immer wieder gefragt, wie ich dieses Leben aushalte, und sage dann: Wenn ich das täte, was ich anderen immer rate, wäre ich ein glücklicher, zufriedener und sportlich aktiver Mensch. (Abg. Dr. Matznetter: Wer weiß?!) Ich bin das nicht in allen Belangen, und es liegt aber sozusagen einzig und allein an mir.

Gelegentlich denke ich auch, dass man sich bei der Lebensqualität eines Politi­kers/einer Politikerin, wenn man dann noch hungern, sich vegan ernähren und auf Wein und Rauchen verzichten sollte (Ruf beim BZÖ: Oder auf das Essen verzichtet!), auch gleich erschießen könnte. (Allgemeine Heiterkeit.) – Haben Sie keine Angst, nicht hier am Pult und auch nicht morgen! Das ist nicht die Frage. (Allgemeiner Beifall.)

Kurzum, Sie sehen, ich bin kein Vorbild. Ich kann nur alle davor warnen, meinem Lebensstil nachzueifern, und ich gebe heute allen Österreicherinnen und Österreichern die Chance zu zeigen, dass sie klüger, charakter- oder – ich sage lieber – willens­stärker sind als ich. Sie haben die Chance. Hören Sie mit dem Rauchen auf! – Über Essen und Trinken steht heute nichts in der Tagesordnung. (Allgemeine Heiterkeit.) Fürchten Sie sich nicht! Glauben Sie mir: Nur wer das Laster kennt, kann darüber sprechen. Teile der Kirche haben das nicht berücksichtigt. (Neuerliche allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei den Grünen.)

Die bisherigen Maßnahmen zum Nichtraucherschutz waren vage, und dieses Politik­versagen hat letztlich zu diesem Dringlichen Antrag geführt und ist Resultat dieses Politversagens oder Resultat falscher Hoffnungen. Der Antrag – das möchte ich nicht nur im Interesse der Grünen, sondern im Interesse vieler betonen – wird keine lustfreie oder suchtfreie Welt erschaffen können. Das wäre eine Illusion. Er bietet aber Chancen für ein gesünderes Leben, ohne ein gesünderes Leben zur Pflicht für alle zu machen.

Wenn – Kollegin Glawischnig hat das ganz gut gesagt – Jugendliche heutzutage dieses Risikoverhalten an den Tag legen, das international Aufsehen erregt, dann –


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sagen Experten – wird es dazu kommen, dass in den nächsten 20, 30 Jahren die steigende Lebenserwartung in Österreich und anderswo auf der Welt kippen wird. Das können wir uns als Politikerinnen und Politiker eigentlich nicht wünschen. Das kann kein politisches Ziel sein.

Glauben Sie mir: Rauchen Sie nicht, beschließen Sie vernünftige Gesetze – und glauben Sie einem Schwererziehbaren! – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Oberhauser zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 6 Minuten. – Bitte.

 


15.37.21

Abgeordnete Dr. Sabine Oberhauser, MAS (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Glawischnig hat es schon gesagt, Bundesminister Ausserwinkler war einer der Ersten mit dem Tabakgesetz. Man darf auch nicht vergessen zu erwähnen, es war Maria Rauch-Kallat, die bei der Novellierung des Tabakgesetzes schon daran gescheitert ist, den Tabakschutz in der Gastronomie umzusetzen. Sie hat sich damals sehr bemüht. Es ist der NichtraucherIn­nenschutz am Arbeitsplatz umgesetzt worden, aber das ist auch nicht flächendeckend passiert. Ich bekomme noch täglich Anrufe aus den verschiedensten Bereichen, in denen gesagt wird, dass der ArbeitnehmerInnenschutz nicht eingehalten wird, dass in Büros weiter geraucht wird, dass sich NichtraucherInnen belästigt fühlen. Das heißt, wir haben gültige Gesetze, sehr strenge Gesetze, was den ArbeitnehmerInnenschutz betrifft, und noch immer nicht die völlige Durchsetzung.

Was die Frage des Nichtrauchens in der Gastronomie betrifft, so habe ich aus meinem Herzen nie eine Mördergrube gemacht. Diejenigen von Ihnen, die in der letzten Legislaturperiode schon da waren, wissen, was meine Position war, und an der hat sich – nicht alleine aus gesundheitspolitischen Überlegungen, sondern auch aus all den Gründen, die Sie heute hier vorgebracht haben – nichts geändert.

Ich könnte jetzt sagen, das habe ich immer schon gesagt. Die Kolleginnen und Kollegen aus meinem Klub wissen, dass es genau jene Punkte waren: die Frage des Gleichheitsgrundsatzes, der Vernaderung, des ArbeitnehmerInnenschutzes, der nicht eingehalten wird, und die Frage der Ungleichbehandlung von kleinen und von großen Lokalen. Ich kann Ihnen auch sagen, man merkt es ja auch am Applausverhalten zu den einzelnen Redebeiträgen, das hat mit Fraktionen nichts mehr zu tun, sondern das sind Lebenseinstellungen, das sind unterschiedliche Positionen in den unterschied­lichsten Fraktionen, die dazu führen, dass man dafür, dagegen oder für den Mittelweg ist.

Das Gesetz, das wir jetzt beschlossen haben, war und ist für mich ein Kompromiss. Man kann es auch die österreichische Lösung nennen. Das heißt, zu versuchen, einer­seits eine Lösung mit einem Verbot zu finden, andererseits aber auch mit Aus­nahmeregelungen weiterzukommen. Wozu es führt, das werden wir sehen. Ich brauche zum Beispiel nur den Tourismusverband herzunehmen. Die Hotellerie hat gesagt, sie ist für ein komplettes Rauchverbot. Ganz klar kann man das mit den Räumlichkeiten regeln. Die Kaffeehausbesitzer sagen, das gehört zur Kaffeehaus­kultur, das geht nicht. Das heißt, da können wir es nicht so regeln. Wir Politiker haben jetzt versucht, all diesen unterschiedlichen Positionen – vom Hotel über das kleine Café bis hin zum großen oder auch zum denkmalgeschützten Restaurant – Rechnung zu tragen.

Wofür ich aber plädieren möchte, ist Folgendes: Wir haben ein Gesetz mit sehr langen Übergangsfristen in Kraft treten lassen, die jetzt enden, und wir sollten dem Gesetz


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auch einmal die Chance geben und schauen: Haben diese Übergangsfristen etwas bewirkt? Hat die Gastronomie umgebaut – ja oder nein? (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: 2 Prozent haben umgebaut!) Der Gesundheitsminister hat gesagt, er ist derzeit am Evaluieren, wie es jetzt ausschaut, um dann zu sehen, wie es weitergeht. (Zwischenruf.) Aber die von der Gastronomie waren diejenigen, die das Gesetz so wollten. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie die unterschiedlichen – ich sage jetzt einmal – netten Überredungsversuche stattgefunden haben. Das ist genau das, was sie wollen. Sie wollen umbauen und sie wollen trennen. Jetzt geben wir ihnen die Chance – und da bin ich beim Minister –, sie wissen sehr lange, dass umgebaut gehört, und sie sollen es auch tun. Wenn wir draufkommen, dass es nicht funktioniert hat, dann werden wir uns ohnehin etwas überlegen müssen. Da bin ich ganz Ihrer Meinung.

Für diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die sie vielleicht nicht mehr bekommen oder die sie noch bekommen: Ich glaube, kein Gesetz dieser Welt hat uns so viele Spam-Belästigungen gebracht wie dieses. Einerseits kamen Spam-Mails von militanten Rauchern (Abg. Weinzinger: Was?!), die uns mit gechipten Impfungen, mit der Frage, ob Kdolsky von der Tabakindustrie gesponsert ist oder ob ich von Pfizer gesponsert bin, mit Strafanzeigen und all diesen Dingen terrorisiert haben.

Die Nichtraucher waren in der Frage bei Weitem nicht so militant. Da kam eher der Versuch der Hoffnung, das zu unterstützen, und die Bitte, auch ihre Wünsche irgend­wie umzusetzen. Das heißt, wir sind mit einer österreichischen Lösung konfrontiert. Ich sage jetzt einmal, geben wir ihr noch die Chance, die Übergangsfrist quasi ablaufen zu lassen und dann zu schauen, was passiert. Der Gesundheitsminister hat gesagt, wenn es dann nicht funktioniert, dann wird es wohl einen zweiten Schritt geben müssen. Wir werden sehen, was uns das Ende des Jahres noch bringt. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

15.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rasinger zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


15.42.08

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Ich glaube, es wird Sie wahrscheinlich wenig verwundern, wenn ich als Arzt eine sehr vehemente Position habe. Ich bin schon 15 Jahre durchgehend im Parlament vertreten. Ich bin aber Realist und sehe ein, dass man manchmal auch Kompromisse eingehen muss, weil wir alle Menschen sind, die Lust und Laster oft miteinander vereinen wollen, wie Herr Abgeordneter Grünewald schon gesagt hat.

Als Arzt bin ich vehementer Nichtraucher. Ich sage Ihnen auch, warum. Ich habe einfach zu viele Menschen sterben sehen, und das Interessante war die Beobachtung, dass mir viele Menschen, die am Ersticken waren, die nach einem schweren Herz­infarkt letztlich gestorben sind, Lungenkrebs oder eine andere Krebserkrankung hatten, immer wieder dasselbe gesagt haben: Warum hat mich keiner davon abgehalten?

Trotzdem hat es mich immer wieder verblüfft, dass von den Leuten, die man nach einem Herzinfarkt auf Rehabilitation schickt, ein Jahr später 50 Prozent wieder rauchen. Nur 50 Prozent schaffen den Entzug. Auch das muss ich als Arzt akzeptieren.

Als Gesundheitspolitiker habe ich Folgendes nie verstanden: Wenn es viele Verkehrs­unfälle gibt, dann würde es keinem Menschen auf der Welt einfallen, noch größere Unfallspitäler zu bauen, sondern man wird schauen, dass man durch Geschwindig­keits­beschränkungen, Radar und so weiter die Zahl der Verkehrsunfälle senkt. In Österreich sterben 12 000 Menschen vorzeitig am Rauchen, im Schnitt acht Jahre frü­


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her, 30 Prozent der Bevölkerung rauchen. Ich glaube, da besteht schon Handlungs­bedarf.

Jetzt komme ich aber zum Gesetz. Da möchte ich mich auch nicht herumdrücken. Das Gesetz war und ist ein Kompromiss, dem Gott sei Dank auch die Grünen damals zugestimmt haben. Darum, glaube ich, ist es nicht ganz fair, wenn man jetzt sagt, das ist alles zu vage und schreit nach Action. Ich glaube, man muss manchmal auch zu einem Kompromiss stehen. Der Kompromiss beinhaltet einen österreichischen Kom­promiss, der mit der Gastronomie ausgehandelt wurde. Wenn das Gesetz erst am 1. Juli in Kraft gesetzt wird, also in zwölf Wochen, so kann man, finde ich, nicht in ein bestehendes Gesetz sozusagen ein Gesetz hineinschießen. Ich glaube, das gebieten die Fairness und der Vertrauensschutz. Auch Wirte haben das Recht, auf ein Gesetz zu vertrauen, und wir müssen als Gesetzgeber auch Vertrauen vermitteln, denn da geht es um teure Umbauten, und ich kann nicht einfach sagen, die Spielregeln ändere ich mitten im Spiel. – Erstens.

Zweitens hat der Herr Minister gesagt, es wird eine Evaluation geben. – Ich bin ge­spannt. Ich habe meine persönliche Evaluation. Ich beobachte den Nichtraucher-beziehungsweise Raucherschutz seit 25 Jahren und muss sagen, die Situation ist deutlich besser geworden. Ich würde mir wünschen, dass sie noch besser wird, aber sie ist besser geworden.

Drittens – nach Vertrauensschutz und Evaluation –: Wenn man jetzt die Wirte singulär herausgreift und sagt, das sind die Sündenböcke, dann muss ich Ihnen sagen, es gibt auch Orte außerhalb der Gastronomie, an denen geraucht wird. Das Problem ist nicht nur an Lokalen festzumachen. Die Situation in Österreich ist alles andere als gut. Frau Abgeordnete Glawischnig, da gebe ich Ihnen voll und ganz recht. Vor allem, was die Rate bei den Jugendlichen anbelangt, sind wir Weltmeister, aber im negativen Sinn. Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn man sich die Jugendschutzgesetze anschaut und sieht, dass man vor dem 16. Lebensjahr weder Tabakwaren erwerben noch rauchen darf, und dann hört, dass 42 Prozent der unter Sechzehnjährigen regelmäßig rauchen, dann, glaube ich, sind auch andere gefordert – nicht nur die Wirte, sondern zum Beispiel auch die Eltern. (Beifall bei der ÖVP.)

Dass Rauchen gefährlich ist, vertrete nicht nur ich. Es wundert mich aber, dass 30 Prozent der Bevölkerung rauchen, obwohl auf den Zigarettenschachteln groß und deutlich alle grauslichen Sachen der Welt draufstehen.

Ich als ÖVP-Gesundheitssprecher plädiere daher für ein Paket. Machen wir die Evaluation, schauen wir, ob das funktioniert, strafen wir auch, wenn es nicht funk­tioniert! Wir brauchen auch mehr Aufklärung, mehr Prävention. Wir brauchen auch eine Erhöhung des Preises. Rauchen ist zu billig, es deckt nicht einmal den Preis der Schäden. Wir müssen auch einmal andere Gesetze beachten, nicht nur die Trennung in den Lokalen, sondern auch den Jugendschutz. Machen wir außerdem mehr Pro­gramme zur Raucherentwöhnung!

Ich erlebe jetzt die Nichtraucherschutzgesetze seit 15 Jahren. Am Anfang war es ein Problem, dass sich im Fußball Austria Memphis vom Sponsor trennt. Dann gab es die ersten Bahnhöfe, die wir rauchfrei gemacht haben, dann waren es die Aufschriften. Ich garantiere Ihnen, es wird einen nächsten Schritt geben, vielleicht schaffen wir ihn. Ich werde es sicher promoten, dass man da wieder einen Schritt schafft. Am Ende werden hoffentlich weniger Rauchen und weniger Leid stehen, aber keine verrückten Dinge wie etwa, dass man, wie ich gehört habe, in Kalifornien nicht einmal mehr am Strand rauchen darf. Das halte ich schon für sehr lustfeindlich, da tut mir schon jetzt der Van der Bellen leid. (Allgemeine Heiterkeit. – Zwischenruf des Abg. Ing. Hofer.)


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Ich hätte noch einen Vorschlag. Ich bin schon längere Zeit im Parlament (Ruf bei der SPÖ: 15 Jahre!), und früher konnte ich am Abend die Augen kaum mehr offenhalten, weil der Rauch die Tränenflüssigkeit negativ beeinflusst, wenn man Kontaktlinsen­träger ist. Wir sind auch im Parlament schon weit gekommen. Ein Raum wurde rückgewidmet. Dort hat der Didi Keck sein Arbeitszimmer, weil niemand im Couloir rauchen wollte. Vielleicht schaffen wir es, das gesamte Parlament rauchfrei zu gestalten. Vielleicht sind wir dazu imstande. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und SPÖ.)

15.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Themessl zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


15.49.01

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, quer durch alle Parteien, wie sie hier sitzen, wissen die Raucher, dass Rauchen nicht gesund ist. Das ist wahrscheinlich ein offenes Geheimnis, über das man nicht diskutieren muss. Aber das darf nicht dazu führen, dass der Nichtraucherschutz so weit geht, dass die Raucher permanent diskriminiert werden. In der Zwischenzeit artet das in vielen Dingen aus. Jetzt geistern da Zahlen durch die Gegend, dass in den Ländern, wo ein generelles Rauchverbot herrscht, der Tabakkonsum drastisch zurückgehe. Andere Zahlen bestätigen wieder, dass das nicht stimmt, dass das nur im ersten Moment so war. In Italien zum Beispiel war bei der Einführung des absoluten Rauchverbotes ein Rückgang von 2,7 Prozent zu verzeichnen, im Jahr darauf ist der Prozentsatz wieder auf 3,8 angestiegen; ebenso in Frankreich.

In Liechtenstein wurde vor circa zweieinhalb Jahren ein Rauchverbot eingeführt, das aber auf Druck der Bevölkerung wieder zurückgenommen wurde. Nach gut einem dreiviertel Jahr wurde in den Liechtensteiner Lokalen wieder die österreichische Lösung eingeführt, weil der Druck – nicht von den Wirten, sondern von der Bevöl­kerung – so groß geworden ist.

Wenn man vernünftige Lösungen findet – und ich denke, die österreichische Lösung ist gar nicht so unvernünftig, nur muss sie halt auch eingehalten und umgesetzt werden –, können Raucher und Nichtraucher sehr wohl weiterhin in Frieden nebeneinander leben.

Zu dem, was Sie, Herr Bundesminister Stöger, bezüglich der Forderung der Wirte gesagt haben: Ich hab damals die Sendung „Im Zentrum“ gesehen, in der es um das Thema Rauchverbot in Lokalen beziehungsweise getrennte Raucherräume in Lokalen gegangen ist. Da war auch ein Vertreter der Wirte anwesend, und der Wunsch der Wirte war ein anderer, als Sie das jetzt darstellen: Die Wirte sind ja absolut nicht abgeneigt, diese Lösungen in ihren Lokalen umzusetzen. Sie wissen aber, dass dafür eine Menge Geld aufgewendet werden muss – nicht nur für die räumliche Trennung, sondern auch, um gewerbebehördliche Vorschriften umzusetzen wie zum Beispiel Lüftungsanlagen, die auch nicht gerade billig sind. Die Wirte haben aber die Befürch­tung, dass sie jetzt diese Investitionen tätigen – die Übergangsfrist läuft ja mit 30. Juni aus –, dass das dann aber innerhalb von einem Jahr von der EU per Verordnung gekippt wird. Sie wollten von Ihnen also eine Sicherheit haben, wenn sie jetzt schon zigtausende Euro investieren. (Abg. Dr. Matznetter: Richtig!)

Sie haben damals wortwörtlich darauf gesagt, Sie können garantieren, dass das so lange hält, solange Sie Gesundheitsminister sind. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das ist eine schwache Ansage!) Na, gut, das ist jetzt nicht unbedingt eine Garantie, denn ich weiß nicht, wie lange Sie Gesundheitsminister sind. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Matznetter und Silhavy.) Ich nehme an, dass Sie es bis zum Jahr


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2013 sind, intern in Ihrer Partei ist schon darüber diskutiert worden, dass man Sie vielleicht vorher ablöst, aber es gibt jedenfalls keine Sicherheit für die Wirte.

Unser Antrag, den wir vor einigen Wochen hier im Hohen Haus eingebracht haben, hatte zum Ziel, dass man den Wirten wirklich diese Rechtssicherheit geben kann, und, wenn das nicht möglich ist, zumindest diese Übergangsfrist verlängert, bis eine Ent­scheidung seitens der EU gefallen ist, ob das Ganze jetzt gekippt wird und europaweit ein Rauchverbot in Lokalen verhängt wird oder nicht.

Ich denke, das wäre nur fair, denn es ist schon äußerst unfair, von den Wirten zigtausende Euro an Investitionen zu verlangen und ihnen dann nächstes Jahr mitteilen zu müssen, das war für die Katz’, das war’s und danke – denn aus der Tabaksteuer zurückzahlen wird der Herr Gesundheitsminister das Geld ja auch nicht. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


15.52.51

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Bundesminister! Es ist doch unbestritten, dass Rauchen die Gesundheit gefähr­det. Daher ist es ja nicht nur kurios, sondern es bringt uns auch nicht weiter, wenn wir hier alle darüber diskutieren, wie gefährlich Rauchen für die Gesundheit ist. Bei diesem Antrag der Grünen, aber auch bei den Plänen der Bundesregierung geht es ja um etwas anderes. Es geht ja nicht darum, die dauerhaften Erkrankungen der Atemwege in Frage zu stellen, den Kehlkopfkrebs, Magen-Darm-Erkrankungen, Arterien­verkal­kung, Kreislauferkrankungen, den Bluthochdruck, die Folgeerscheinun­gen bis hin zum Tod. Das ist ja vollkommen unbestritten.

Wir treffen uns ja hier auch nicht, um über den Schweinsbraten und seinen Fettanteil und die Auswirkung von Cholesterin auf die Schlaganfallgefahr von Schweins­braten­genießern der österreichischen Wirtshauskultur zu sprechen. Ich glaube nicht, dass das der Sinn und Zweck der Übung ist.

Wir diskutieren ja auch nicht über das Glas Wein, das in Österreich oft angeboten und auch getrunken wird, und dessen Zusammenhang mit der Leberzirrhose. Wir disku­tieren ja hoffentlich auch nicht über die Forderung der Grünen, Haschisch freizugeben, und die psychische Abhängigkeit, die dadurch entsteht.

Rauchen ist gesundheitsgefährdend. Das wissen wir, und jeder, der selbst raucht, muss auch damit rechnen, dass er seiner Gesundheit und seinem Körper einen schlechtestmöglichen Dienst erweist.

Uns geht es darum, dass der österreichischen Politik und dem österreichischen Regulierungswahn auch Einhalt geboten werden muss. Schauen wir uns die Vorhaben der Bundesregierung und den Antrag der Grünen an! Dieser Antrag sieht eine Beschlussfassung vor, die „in den Räumen der Gastronomie ein generelles Rauch­verbot vorsieht“. Punkt!

Dieser Befehl an die österreichischen Gastronomen, deren Lokale in ihrem Besitz und in vielen Fällen auch in ihrem Eigentum stehen, dieser Antrag und diese Diskussion kommen ja eigentlich einer Zwangsentmündigung, einer Vormundschaft der Gastro­nomen in Österreich gleich. Darum geht es ja eigentlich de facto und darüber sollten wir auch diskutieren. (Beifall beim BZÖ.)

Daher frage ich Sie, sehr geehrte Frau Glawischnig, was Sie sich eigentlich dabei denken, in den Besitz dieser Gastronomen einzugreifen, und ob Sie wirklich der Mei­


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nung sind, dass Sie als Politikerin, die nicht selbst in der Privatwirtschaft steht, es sich erlauben sollten, in die Geschäftsgebarung und in die Geschäftsausrichtung der Unter­nehmen, der Kleinbetriebe und der Mittelbetriebe, nämlich der Gastronomen in Öster­reich, einzugreifen.

Das ist de facto die Gretchenfrage. Sie heulen hier mit Ihrem Antrag durchaus mit der großkoalitionären Verbotspolitik mit, die wir ja seit Jahren bekämpft haben, nicht zuletzt mit einer Unterschriftenaktion, die damals Peter Westenthaler und ich initiiert haben, die innerhalb weniger Wochen 19 034 Unterschriften ins Parlament gebracht hat.

Die Unterzeichner haben im Übrigen nicht unterschieden, ob Rauchen oder Nicht­rauchen gesünder ist die Frage ist geklärt, auch für jene, die unterschrieben haben –, sondern das waren Menschen, die gesagt haben, sie sind für die Wahlfreiheit der Gastonomen in Österreich. Der Gastronom muss selbst entscheiden, welche Aus­richtung sein Betrieb in Zukunft haben wird.

Wir vom BZÖ haben ein Modell vorgeschlagen, das bis heute leider nicht umgesetzt ist, und daher befinden wir uns heute auch nach wie vor in diesem Chaos. Daher sind ja diese Diskussion und dieses Gesetz so chaotisch! Deswegen fühlen sich ja die Gastronomen in Österreich gepeinigt – jene Gastronomen, die jetzt Investitionen tätigen –: weil man nicht dem Vorschlag gefolgt ist, zu sagen: So, meine lieben Wirte, wir als Gesetzgeber geben euch jetzt mehrere Möglichkeiten im Rahmen der Wahlfreiheit, und ihr müsst sehen, welche dieser Möglichkeiten ihr annehmt und welche zu eurem Geschäftsmodell passen! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Und was sagst du zur schwangeren Kellnerin? Die hat auch keine Wahlfreiheit! Die kriegt einen Mutterschutz ...!)

Es gibt das Raucherlokal – das absolute Raucherlokal! –, das auch als solches gekennzeichnet ist. Das ist der Wirt, der sagt: Ich will, dass in meinem Lokal in Zukunft auch weiterhin geraucht wird. Das gehört zu dem Lokal. Im Hawelka ist immer geraucht worden, das ist in Ordnung so, das gehört quasi zur Kultur unseres Wirts­hauses – in dem Fall: unseres Kaffeehauses – dazu. – Wahlfreiheit heißt, er soll in Zukunft sein Lokal klar und deutlich deklarieren, am Eingang: Raucherlokal.

Wahlfreiheit heißt, dem Wirten auch freizustellen, die Entscheidung zu treffen: Nein, ich will ein Nichtraucherlokal!, dafür auch Sorge zu tragen und dieses auch klar auf freiwilliger Basis zu kennzeichnen.

Oder die dritte Variante, ein Wirt, der sagt: Ich möchte auf beide Kundschaften nicht verzichten, ich mache quasi ein gemischtes Lokal, sorge aber dafür, dass der Nicht­raucherschutz ein größtmöglicher ist. – Da muss er auch als Unternehmer investieren.

Ich frage mich, warum wir das bis heute in einer aufgeklärten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts in Österreich nicht zusammengebracht haben. Da geht es nicht um den sogenannten österreichischen Kompromiss, den der Gesundheitsminister und seine Vorgängerin zu verantworten haben, der zu einem Chaos geführt hat. Nein, da geht es um den logischen Hausverstand.

Ich weiß nicht, warum wir uns nicht dazu durchringen können, in dieser Debatte unter diesen drei Prämissen endlich Klarheit in Österreich zu schaffen: Raucherlokale, absolute Nichtraucherlokale und Lokale, die mit den technischen Mitteln vom Abzug bis zur Lokaltrennung und so weiter selbständig trennen und das dann auch so kenn­zeichnen. Ich verstehe nicht, warum das nicht möglich sein soll.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Haltung des BZÖ, die ich heute hier vertrete, ist ein klares Ja zum Nichtraucherschutz, denn wir wissen, dass die Freiheit der Nicht­


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raucher, nicht zuletzt auch aus gesundheitlichen Gründen, eine höhere sein muss als die der Raucher.

Aber das kann nicht darin münden, dass wir hier in kommunistischer Manier die Betriebe Österreichs zwangsenteignen und ihnen in Zukunft vorschreiben, was sie zu tun haben. (Abg. Dr. Zinggl: Geh, red doch nicht so einen Blödsinn!) Wo endet eigentlich Ihr Regulierungswahn? Endet Ihr Regulierungswahn darin, dass Sie in fünf Jahren den Betrieben vorschreiben, Sie dürfen nur mehr Gerichte mit 45 Kalorien anbieten? – Na, wie hätten Sie es gerne? Sagen Sie es doch! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sag was zur schwangeren Kellnerin!)

Wer A sagt, muss auch B sagen! Frau Glawischnig, da bitte ich Sie tatsächlich, einmal in Ihrem politischen Leben konsequent zu sein. Sie sollten den Satz auch zu Ende denken. (Abg. Mag. Kogler: Dir wäre schon geholfen, wenn ...!  Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek.)

Nur immer ein bisschen herumwurschteln in den politischen Feldern – dort sind wir ein bisschen politisch, da greifen wir ein bisserl rein und dort tun wir ein bisschen – geht nicht.

Wenn Sie für Verbote und Regulierung in diesem Land sind, dann sagen Sie es, dann seien Sie aber auch konsequent bis hin zu Ihrem Lieblingsthema, nämlich der Freigabe der harten Drogen in diesem Land. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Aber geh!) Da kennen Sie ja keine Skrupel, wenn es darum geht, jungen Menschen Zugang zu Einstiegsdrogen zu ermöglichen, wenn es darum geht, Substitolmissbrauch zu par­donieren, wenn es darum geht, Drogenkonsumräume – wie zum Beispiel in der steirischen Landeshauptstadt – zu ermöglichen. Da gibt es einen eigenen Drogenkon­sumraum, wo Spritzen auf Krankenschein angeboten werden. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Als Therapie! Sie haben ja keine Ahnung!) Das einzige Glück, das wir in Graz haben, ist, dass das derzeit noch dem Suchtmittelgesetz widerspricht und selbst das Gesundheitsministerium sagt, dass so ein Projektbetrieb, wie Sie ihn sich wünschen, nicht der österreichische Gesetzeslage entspricht.

Aber das wollen Sie ja: Sie wollen Drogenkonsumräume haben. Sie wollen, dass die Leute sich spritzen können, sich vergiften können (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Therapie! Keine Ahnung!), weil es dann offenbar einfacher ist, die Leichen im unmittelbaren Umfeld dieses Drogenkonsumraums wegzuräumen, anstatt dass man sie irgendwo suchen müsste. Das ist offenbar Ihr Ziel, aber dann sollten Sie so konsequent sein. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sag was zur schwangeren Kellnerin!)

Was wollen Sie also jetzt? Verbote für alles, was gesundheitsschädlich ist – oder die Freiheit? Seien Sie ein Mal konsequent in Ihrer politischen Linie und bedienen Sie nicht zehn politische Töpfe! Sie kennen sich bei der Hälfte nicht aus und scheitern beim restlichen Drittel. Das bringt nichts, Frau Glawischnig.

Dieses Chaos, das nicht zuletzt auch Sie vertreten, die Sie ja die gleiche Linie wie der Herr Gesundheitsminister vertreten, dieses Chaos hat dazu geführt, dass Österreichs Gastronomen derzeit Investitionen auf gut Glück tätigen. Jeder wird allein gelassen und probiert jetzt einmal, diese Gesetze selbst zu interpretieren. Jeder ist dazu gezwungen, Investitionen zwischen 15 000 € und 25 000 € zu tätigen. Bei Ihrem Klub­obmanngehalt kein Problem, Frau Klubobfrau, das sehe ich schon ein.

Aber ein Wirt, der am Tag vielleicht 15 oder 17 Gäste hat, der ein Lokal mit wenigen Tischen hat und selbst im Lokal stehen muss, weil er sich keine Angestellten leisten kann – und das ist der Großteil der sogenannten „Tschecherln“, auf gut Steirisch


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gesagt –, kann das nicht bezahlen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Der hat sicher keine 50 Quadratmeter! Rechnen!)

So ist das, Frau Klubobfrau, damit wir Sie wieder einmal in die Realität des öster­reichischen Lebens zurückholen, das ist nämlich auch notwendig. Das sind nicht VIP-Veranstaltungen, wo man quasi weit weg von den Lebensgewohnheiten der Öster­reicherinnen und Österreicher ist – nein, hinein in die Realität! „Mitten in den Achten“, Frau Klubobfrau, führe ich Sie jetzt hin. Der Großteil sind Gastronomen, die selbst im Betrieb stehen müssen. (Abg. Mag. Stadler in die Reihen der Grünen deutend : Schokolade ist auch schädlich!)

Diese Betriebe, die vorne und hinten „crashen“, weil sie nicht mehr wissen, wie sie den Betrieb aufrechterhalten sollen, sind jetzt dazu gezwungen, auf gut Glück Investitionen zwischen 15 000 € und 25 000 € zu tätigen, bekommen keine Kredite und wissen nicht einmal, wie sie die Strafen bezahlen sollen, Frau Klubobfrau. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... so ein Quatsch!)

Im Übrigen bekommen sie auch keine Kredite, denn die ÖVP hat in weiser Voraussicht ein Bankenpaket beschlossen, damit genau jene Klein- und Mittelbetriebe ja keine Kredite bekommen, denn das Geld dient ja dazu, Spekulationsgeschäfte im Osten abzudecken, wie wir wissen. Das wissen wir in diesem Haus, das haben wir ja schon festgestellt. (Beifall beim BZÖ. Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von BZÖ und ÖVP. Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Wie stellen Sie sich das jetzt vor, Frau Glawischnig? Wir vom BZÖ wollen in Zukunft die Wahlfreiheit, wir wollen keine Regulierung. Das ist unsere Linie gegenüber den mündigen Bürgerinnen und Bürgern und Unternehmern in Österreich. – Ich danke Ihnen. (Beifall beim BZÖ.)

16.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill ge­langt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.03.29

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist ja wieder einmal bezeichnend: Bis der Herr Kollege Grosz vom BZÖ an dieses Rednerpult getreten ist, war es ja wirklich eine sehr konstruktive und inhaltlich gute Debatte. Dann kommt der Herr Grosz (Abg. Grosz: Und macht alles hin! Und wieder alles vorbei! So ist es!), betreibt hier steirischen Landtagswahlkampf und ist einfach polemisch. – Das bringt es nicht! Herr Grosz, das bringt es nicht, weil Politik ja keine persönliche Geschmacksfrage darstellt. Politik muss Rahmenbedingungen schaffen und vor allem Kinder und Jugendliche schützen – und das geht mit Wahlfreiheit auf keinen Fall.

Sie wissen vielleicht – und wenn nicht, dann sage ich es Ihnen jetzt –: Rund um die Uhr können in Österreich Tabakwaren gekauft werden – Grundnahrungsmittel nicht, aber Tabakwaren! 2 Prozent der Betriebe haben bis jetzt umgebaut (Zwischenruf des Abg. Mag. Haider), 98 Prozent der Betriebe noch nicht. Was ist mit denen, die noch nicht umgebaut haben? Immer die Verantwortung den Eltern zuzuschieben ist meiner Ansicht nach fahrlässig. (Zwischenruf des Abg. Prinz.) Gerade die Politik hat da enormen Handlungsbedarf. (Beifall bei den Grünen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Rauchen ist eine Sucht. Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren, das kann man nicht schönreden, das kann man nicht verleugnen: Rauchen ist eine Sucht, und Österreich ist ein Raucher- und Raucherin­nenland. Das ist auch eine Tatsache. Jede Wissenschaft, jede Studie zeigt ganz klar,


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dass es nur zwei Maßnahmen gibt, die auch wirklich greifen und die daher umgesetzt werden sollten.

Die erste Maßnahme wäre, das Rauchen aus dem öffentlichen Leben wirklich zu verbannen. Gerade Lokale sind Hotspots des öffentlichen Lebens. Gerade aus den Lokalen müsste der blaue Qualm verbannt werden. Die zweite Maßnahme wäre, die Kosten für die Tabakwaren zu erhöhen – und das alles zusammen mit einer guten Strategie, mit einer guten, nachhaltigen Strategie der Prävention, gerade für Kinder und Jugendliche. – Prävention ist nämlich der Schlüssel und nicht das Tabakgesetz, das offensichtlich nicht umgesetzt wird.

Ich frage mich: Herr Bundesminister, wovor haben Sie als Gesundheitsminister Angst? Die Gesetze greifen eindeutig nicht, nur 2 Prozent der Betriebe sind bis jetzt umgebaut. (Ruf bei der SPÖ: Stimmt ja nicht!) Die Zahlen betreffend Raucher und Raucherinnen sind erschreckend. Weil Sie das ins Treffen geführt haben: Das Tabakwerbeverbot hilft überhaupt nicht, Jugendliche vor dem Konsum zu bewahren, denn Jugendliche rauchen weiterhin wie Schlote. Das wissen wir.

Noch einmal zum OECD-Vergleich: Bei den 15-Jährigen die höchste Raucherquote: 24 Prozent aller 15-jährigen Burschen rauchen, 30 Prozent aller 15-jährigen Mädchen rauchen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Das Raucheinstiegsalter liegt bei 11 Jahren, der Jugendschutz greift da ganz eindeutig nicht. (Abg. Franz: Aber das ... hilft auch nicht! Kommen Sie zur Sache!) Der Nikotinkonsum wird nicht verbannt.

Rauchen ist im Namen des Jugendschutzes, im Namen des Kinderschutzes aus dem öffentlichen Bereich zu verbannen, und Lokale gehören zum öffentlichen Bereich. (Abg. Silhavy: Überzeugen muss man!)

Jetzt noch ein Beispiel: Als Jugendsprecherin bin ich ja öfters unterwegs, und es kommt vor, dass in den Lokalen Gratiszigaretten – von der Tabakindustrie forciert – angeboten werden. Es wird nicht nachgefragt, wie alt die Jugendlichen sind – über­haupt nicht! Das kann es nicht sein. Das muss verhindert werden. Wenn ich Kindern und Jugendlichen Gratiszigaretten in die Hand drücke, braucht sich keiner zu wundern, dass die Kinder und Jugendlichen auch rauchen. (Beifall bei den Grünen.)

16.07


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Matznetter gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte.

 


16.07.59

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Gesundheits­minister! Ich war ja, bevor Herr Abgeordneter Grünewald ans Rednerpult getreten ist, wild entschlossen, gegen diese populistischen Auswüchse der Grünen und den Verrat an so vielen ihrer Grundsätze hier eine Brandrede zu halten. – Ehrlich gesagt, dieses sehr nette Statement des Abgeordneten Grünewald hat mich milde gestimmt.

Vielleicht einmal das Sachliche vorweg: Wie der Herr Bundesminister richtig ausgeführt hat, stehen wir erst vor den letzten drei Monaten der Übergangsphase einer Regelung, die Folgendes klar festschreibt: Wir haben in Österreich in geschlossenen Räumen ein Rauchverbot – und zwar in allen öffentlichen Räumen, die geschlossen sind, mit einer ganz kleinen Ausnahme. Auch in der Gastronomie herrscht Rauchverbot, mit den bezeichneten Ausnahmen: bis 50 Quadratmeter Wahlfreiheit und die Möglichkeit des Umbaues bis 80 Quadratmeter in der Übergangsfrist. Sonst gilt: separierte Räume. Das heißt, wir haben im Moment keinen Anlass und keine Notwendigkeit, etwas zu tun.

Das Zweite – das sage ich bewusst als Wirtschaftsvertreter –: Die Wirte haben be­gonnen zu investieren. Ich habe in den letzten Monaten sehr viele Betriebsbesuche gemacht. Die Endarbeiten, das heißt den endgültigen Einbau von Wand und Türen,


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haben die meisten bis zu der Zeit aufgeschoben, wenn draußen die Gastgärten geöffnet sind: erstens, weil sie in dieser Zeit die Gäste draußen bedienen und daher drinnen die Lokale umbauen können, und zweitens – das habe ich auch immer wieder gehört, da muss ich dem Kollegen Themessl recht geben –, weil viele Wirte, wie sie sagen, den Umbau machen werden, aber möglichst spät, weil sie nicht sicher sind, ob die Politik nicht gleich wieder die Gesetzeslage ändert.

Genau das ist das falsche Signal! Wir müssen in diesem Bereich klare Signale setzen (Beifall bei der ÖVP), und die Gastronomie hat einhellig gesagt: Bitte gebt uns wenigstens fünf Jahre, wenn wir investieren, dann wissen wir Bescheid und können mit der Regelung leben.

Ganz will ich aber die Grünen hier nicht auslassen. Ich komme aus einer politischen Bewegung, in welcher sich in 120 Jahren die Neigung herausgebildet hat, zu glauben, dass man sehr wohl weiß, was für die Menschen gut ist. Und da neigt man halt sehr dazu, auch Gesetze zu machen, wo man alles haarklein regeln will. Aber genau das ist nicht immer gut.

Ich erinnere mich noch an die Zeit zurück, als ich gegen Zwentendorf war oder als ich in der Hainburger Au unter den Besetzern war, von denen viele meine Freunde waren, und da war eine der leuchtenden und tragenden Ideen die, dass nicht alles, was man regeln, ordnen, anstreichen, betonieren oder sonst machen kann, auch geschehen soll, sondern dass bestimmte Dinge auch so sein dürfen, wie sie sind.

Und da fordere ich euch Grüne auf: Denkt wirklich darüber nach, ob es gescheit ist, den Weg, alles reglementieren zu wollen, weiterzugehen? Denn: Irgendwann kommt die Veganer-Frage: Wieso esse ich in einem Lokal, in welchem neben mir einer isst, der eine tote Tierleiche auf dem Teller hat? Ich fühle mich angeekelt, wie komme ich dazu? – Ganz ernsthaft! (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

Und irgendwann kommt die Alkohol-Frage. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Nein, ernsthaft! In der Geschichte ist sie immer gekommen. Wir haben in diesem Land zwei­mal absolute Verbote gehabt, und zwar im 17. und im 18. Jahrhundert, in der schlimmsten Form des Absolutismus. Als die Missionare Indianer für den Tabak­konsum ausgepeitscht haben, war er bei uns verboten. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Grünen.)

Ich brauche in diesem Haus nicht zu sagen, wann das zweite Mal bei uns das absolute Rauchverbot verhängt worden ist. (Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.) Sie wissen, in welchem Zeitalter das war, daher keine Aufregung! Es sei den Grünen ins Stammbuch geschrieben, weil ich es mir von ihnen wünsche: Seid heikel in diesen Fragen! Schaut und denkt darüber nach, wo ihr geschichtlich steht!

Es gibt 500 Jahre Tabakkonsum. Jeder möge nachschauen, wann er verboten war, welche Bewegungen das Verbot wollten, welche dann für dessen Aufhebung gesorgt haben. Übrigens war bei der Prohibition in 14 Bundesstaaten nicht nur Alkohol, son­dern auch Tabakkonsum verboten. Schaut euch das an, und dann entscheidet, ob es die richtige Linie ist! Das sage ich deswegen, weil ich auch in meiner politischen Bewegung immer ein bisschen dafür kämpfen muss, dass wir nicht alles und jedes bis ins kleinste Detail regeln. Mit diesem versöhnlichen Appell möchte ich mit Kurt Grüne­wald eine Zigarette rauchen gehen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Obernosterer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 



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16.12.35

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Redebeiträge haben mich, muss ich sagen, zum Teil sehr verwundert, egal, von welcher Fraktion sie gekommen sind. (Abg. Petzner: Auch die von der eigenen Fraktion? Auch die von Rasinger?) Was den Antrag von den Grünen betrifft, die darin ein generelles Rauchverbot fordern, und was die Argumente, die in den Debattenbeiträgen vorgebracht wurden, betrifft, so muss ich sagen: Ich verstehe es überhaupt nicht, warum die Gastronomie für all das herhalten sollte, was hier an Argumenten vorgebracht wurde.

Wir sind in Österreich eigentlich alle stolz gewesen – Sie können sich sicherlich noch alle daran erinnern –, dass wir in Europa das einzige Parlament waren, das damals ein neues Tabakgesetz, wo der Nichtraucherschutz beschlossen wurde, verabschiedet hat. Damals ist keine einzige Fraktion für ein komplettes Nichtrauchen in den öffent­lichen Lokalen, zumindest in der Gastronomie, eingetreten. Es haben drei Fraktionen dafür gestimmt. Das waren die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP und die Kollegen von der grünen Fraktion. Sofern ich mich richtig erinnere, hat man vom BZÖ und von der FPÖ nicht deshalb nicht mitgestimmt, weil es ein Rauchverbot geben soll, sondern deswegen, weil ihr noch mehr Wahlfreiheit haben wolltet. Das war eure Argumentation.

Herr Bundesminister! Ich habe Ihren Worten heute hier sehr aufmerksam zugehört, und ich habe auch gelesen, was in den Zeitungen gestanden ist, und da kann ich eigentlich nur sagen: Ich stimme komplett mit dem überein, was Sie hier gesagt haben.

Schauen wir uns einmal das Beispiel Italien an! Da sagt man, das funktioniere dort so super. Wisst ihr, wie in Italien das so super funktioniert? Es wird auf der Straße vor dem Lokal geraucht. Und wenn es regnet, wird ein Dach aufgespannt, damit man im Trockenen steht. Und wenn es kalt wird, werden außenherum Zelte heruntergelassen und Heizpilze hingestellt.

Jetzt soll mir einer erklären, was daran so anders ist als bei uns, wo es laut unserer Gesetzgebung betreffend das Rauchverbot in der Gastronomie einen rauchfreien Hauptraum, eine rauchfreie Zone geben muss und wo es daneben einen Raum geben kann, wo man rauchen darf.

Ich bin ein Mann aus der Praxis. Wir haben zuhause einen Gasthof auf dem Land und ein Hotel. In unserem Hotel haben wir seit sieben Jahren ein Rauchverbot. Und wisst ihr, warum? Nicht deshalb, weil es ein diesbezügliches Gesetz gibt, sondern des­wegen, weil ich als Unternehmer und als Wirt zielgruppenorientiert arbeite. Und wenn ich mich entscheide: Ich will diese Zielgruppe haben!, dann mache ich es auch demgemäß. Ich als Unternehmer entscheide darüber. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Grosz: Das wollen wir auch! Dann können Sie ja unserem Antrag gleich zustimmen!)

Ich habe aber auch einen Gasthof auf dem Land, den ich über den ganzen Winter am Abend zusperren könnte, hätten wir in Österreich ein generelles Rauchverbot. Kein einziger Verein würde nach den Proben ins Dorfgasthaus gehen, dort zusam­men­sitzen, ein paar Glaseln trinken und eine dazu rauchen, wenn dort das Rauchen verboten wäre. Er würde im Vereinslokal bleiben, denn dort kann er neben dem Trinken auch eine Zigarette rauchen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich glaube, dass wir ein beispielhaftes Gesetz haben, mit dem wir dem Nicht­raucher­schutz Rechnung tragen, aber nach wie vor, da wir wissen, dass so viele Leute rauchen, dem Wunsch, im Lokal rauchen zu können, auch Genüge tun.

Übrigens: Jetzt ein bestehendes Gesetz zu ändern würde meiner Meinung nach gegen den Vertrauensgrundsatz verstoßen. Denn: Die Wirte jetzt investieren zu lassen und


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dann die Gesetzesbestimmungen zu ändern, da würde der Oberste Gerichtshof auch noch etwas mitzureden haben.

Weil immer das Argument kommt, die Gastronomie sei schuld, dass die Jugend raucht: Bitte lassen wir die Verantwortung dort, wo sie hingehört! Wir alle wissen – zumindest diejenigen, die geraucht haben –, wo wir das Rauchen gelernt haben, nämlich im Garten auf dem Bankerl oder in irgendwelchen versteckten Ecken, aber nicht in Lokalen, keiner von uns. Das wissen wir alle ganz genau. Aber dann, wenn man ein Problem allgemein nicht in den Griff bekommt und wenn man von Elternseite her glaubt, bei den eigenen Kindern nicht durchgreifen zu können, das schwächste Glied dafür verantwortlich zu machen, nämlich die Gastronomie, dann ist das nicht okay. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Genau!)

Ich glaube, dass Österreich europaweit eines der besten Nichtraucherschutzgesetze hat (Abg. Hörl: Weltweit!), mit dem der Wahrheit am meisten entsprochen und bei dem den Tatsachen auch wirklich in die Augen geschaut wird. Das sollten wir nicht ver­gessen! Einige Länder haben uns schon nachgeahmt, und es werden uns noch so manche folgen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.18


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Vilimsky gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 6 Minuten. – Bitte.

 


16.18.29

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst Worte des Dankes und der Bewunderung sagen. Eine Danksagung geht in Richtung des Professors Grünewald, der eine unglaublich spritzige und gute Rede gehalten hat, für die er gerade noch nicht mit dem grünen Parteiausschluss bedroht wurde. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.) Wer zwischen den Zeilen gelesen hat und auch vermag, ihn richtig zu deuten, der hat seine Botschaft schon richtig verstanden. Gut hat er das gemacht, intellektuell, spritzig, ganz anders als die grüne Klubobfrau. Und gut war auch, was der Herr Matzenetter gesagt hat und was er dem entgegengehalten hat, was hier von grüner Seite gekommen ist.

Wissen Sie, was für mich das Grundproblem des Ganzen ist? – Ich wohne im Bereich des Wiener Stadtparks, und wenn ich durch den Stadtpark gehe, passiert mir das, was allen im Stadtpark passiert, auch den Eltern mit Kindern, nämlich: Du kommst durch den Stadtpark nicht durch, ohne mindestens dreimal damit konfrontiert worden zu sein, ob man nicht etwas brauche. Ob man nicht etwas brauche, das heißt, ob man nicht irgendwelche Drogen konsumieren oder kaufen wolle. Das alles ist irgendwie ohne Probleme möglich. (Abg. Grosz: Das ist offenbar die Stammklientel!) Möglicherweise! Aber dass man dann, nachdem man den Stadtpark durchquert hat, vielleicht auf einen Kaffee geht oder ein Bier trinkt und dazu eine Zigarette raucht – ich bin einer, der sich auch dazu bekennt, dass er gerne raucht; ich bin vielleicht einer der letzten Dinosaurier hier, die dazu auch stehen –, soll auf einmal nicht mehr möglich sein.

Da gibt es aus meiner Sicht eine völlig falsche Prioritätensetzung, Kollege Rasinger: dass man nichts dagegen macht, dass in Wien auf offener Straße Drogen verkauft werden, Drogen konsumiert werden, und auf der anderen Seite hier eine Schein­diskussion aufgemacht wird (Beifall bei der FPÖ), die wir bislang in guter und bester österreichischer Tradition gut bewältigt haben, indem ein friedliches, ein gedeihliches, ein gutes Nebeneinander und Miteinander von Rauchern und Nichtrauchern möglich war.


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In jüngster Vergangenheit hat es eine recht interessante Geschichte gegeben, und zwar gab es im Fernsehen einen Diskussionsbeitrag mit Helmut Schmidt, der zu Problemen der deutschen Politik Stellung bezogen hat, und da war es überhaupt kein Problem, dass es für Helmut Schmidt eine Ausnahmeregelung gegeben hat, und zwar hat er einen Aschenbecher vor sich gehabt und hat eine nach der anderen rauchen dürfen. Der Redakteur, der ihn befragt hat, hat ihn nicht geklagt wegen Passivrauchens oder ist ganz narrisch geworden, weil er vielleicht gesundheitlich beeinträchtigt worden wäre. Übrigens: Helmut Schmidt erfreut sich eines hohen Alters. Also ganz so ohne Weiteres kann da ein Zusammenhang mit der Gesundheitsgefährdung auch nicht vorhanden sein.

Was irgendwo noch interessanter war: Vor zwei Jahren gab es ein Konzert der Rolling Stones im New Yorker Beacon Theatre, im Herzen New Yorks, wo die Tabak­ge­schichte so verpönt ist wie sonst nirgendwo, und da hat Keith Richards auf der Bühne geraucht ohne irgendein Problem. Auch unter den Gästen und den Zuhörern dieses Konzertes war keiner, der durch den Passivrauch in Mitleidenschaft gezogen wurde.

Es war für mich beides Ausdruck einer Zeit – sie strahlt noch ein bisschen in die jetzige hinein –, als alles noch halbwegs normal war, und jetzt beginnt sich das in eine Richtung zu entwickeln, wo man die Augen vor den richtigen Problemen verschließt und irgendwelche Scheindiskussionen aufmacht, wo es in Wahrheit keine Probleme gibt. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Herr Kogler, ich behaupte Folgendes: Die Regelung in den Lokalen, wo man sagt, man trennt das Lokal ab in einen Raucher- und in einen Nichtraucherbereich, was nach genauen gesetzlichen Determinationen zu erfolgen hat, funktioniert nicht. Es funk­tioniert aber nicht deswegen nicht, weil die Wirten, wie Sie, Herr Stöger, behaupten, unwillens wären, sich an die Gesetzeslage zu halten, sondern es funktioniert deshalb nicht, weil sie es wirtschaftlich einfach nicht schaffen. Nehmen Sie das einmal zur Kenntnis!

Der Erste, der in diesem Bereich gesagt hat, er macht ein Vorzeige-Nichtraucherlokal, war der Herr Kammerer von Wein & Co. Er hat sich interviewen lassen von allen öster­reichischen Medien, hat gesagt: Das ist etwas unglaublich Tolles! In weiterer Folge hat er gesagt: Die Gäste sind qualitätsvoller geworden, sie konsumieren teurere Ware, und unter dem Strich ist es für mich ein Geschäft! Aber was war denn drei Monate später? Da hat er kleinlaut das Ganze wieder zurücknehmen müssen.

Ich gebe Ihnen ein anderes Beispiel: Gehen Sie einmal, gar nicht weit, in das Lokal „Commotion“ hinter dem Parlament! Das wurde mittlerweile zum dritten Mal übernom­men. Das ist eines der ersten Lokale, die sich an das neue Gesetz gehalten haben und die den Umbau gesetzeskonform gemacht haben: einen abgetrennten Raucherbereich, der kleiner war, hinten und vorne einen Nichtraucherbereich. Im Raucherbereich hat es gewurlt, draußen im Nichtraucherbereich ist keiner gesessen. Dann sind die Raucher weggeblieben. Dann hat der Betreiber aus wirtschaftlicher Not, aus dem Zwang, zu überleben, das Ganze umgetauscht, ist jetzt noch in der Übergangsfrist, also noch im gesetzlich ordentlichen Bereich unterwegs, und er kann jetzt halbwegs überleben. Geht es nach dieser Regelung, wird auch dieser Wirt wahrscheinlich bald seine Pforten schließen müssen.

Daher denke ich, dass wir zurückkehren sollten zu einer guten österreichischen Rege­lung, wo der Raucher Respekt hat vor dem Nichtraucher und dann, wenn es den Nichtraucher stört, vielleicht keine raucht oder sich an einen anderen Tisch setzt, wo aber das Miteinander möglich sein muss.

Was Kollege Matzenetter gesagt hat, nämlich, dass es sehr wohl in einer Zeit ... (Abg. Mag. Wurm: Matznetter!) Matzenetter! Entschuldigen Sie mir diese nicht korrekte


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Aussprache! Ich werde ein Privatissimum machen im Raucherkammerl mit dem Kollegen Matzenetter. War das jetzt richtig? (Abg. Mag. Wurm: Nein! Matznetter!) Wir probieren das später noch einmal! (Abg. Dr. Rasinger: Matznetter!) Wir üben das auch miteinander!

Lesen Sie den Rudolf Burger, der vor wenigen Tagen im „Kurier“ zu lesen war, einer der wenigen letzten österreichischen intellektuellen Querdenker, die es noch gibt! Er ist nämlich in einer wundervoll erfrischenden Art und Weise über den ganzen Verbots­wahn, der zurzeit bei uns herrscht, hergezogen und hat auch ein bisschen die Hinter­gründe beleuchtet. Ich möchte Ihnen seine Aussage – sie ist durchaus provokant – mit auf den Weg geben, weil ich auch von einem hohen grünen Repräsentanten ange­sprochen wurde, der es wundervoll findet, wie da Burger intellektuell mit einer Ent­wicklung, die zurzeit im Laufen ist, abrechnet.

Da wird der österreichische Intellektuelle und Professor Burger angesprochen zum Thema Rauchen und zum volkswirtschaftlichen Argument, und Burger antwortet Folgendes:

„Da kommt etwas ganz Faschistoides dazu – abgesehen davon, dass in der Öffent­lichkeit rauchen zu dürfen, eine Forderung der 48er-Revolution war, die eine ganze Kultur geprägt hat. Alle großen Intellektuellen und Politiker, Sartre, Malraux, Churchill, de Gaulle, waren Raucher, der einzig militante Nichtraucher war Hitler.“ – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Petzner gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.25.29

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Gesundheitsminister! Meine Damen und Herren! Ich habe ja den Verdacht, dass es den Grünen in Wahrheit um etwas ganz, ganz anderes geht. Ich kann mir bildlich vorstellen, dass sich die grünen Chefstrategen, der Herr Brosz und der Herr Kogler, mit der Frau Glawischnig zusammengesetzt haben, die Köpfe geraucht haben, sonst nichts, und gesagt haben: Wir haben innerparteilich ein Problem, seitdem der Herr Professor nicht mehr da ist, kommen wir in den Medien nicht mehr vor! Als die Glawischnig in Karenz war, war es noch ein bisschen besser, aber seit sie wieder da ist, haben wir Grüne ein Problem, daher müssen wir uns jetzt irgendein Aufregerthema suchen – egal welches –, damit wir medial irgendwie wieder vorkommen!

Sie von den Grünen haben sich halt das generelle Rauchverbot ausgesucht, um mediale Präsenz sicherzustellen. Dann haben Sie den ORF herbestellt, der vorher wieder schön von der Tribüne aus mit einem eigenen Kamerateam gefilmt hat. Da sind wir wieder bei dem, was wir gestern diskutiert haben. Und heute in der „ZiB1“ wird wieder im Auftrag des Herrn Pius Strobl die Headline lauten: Die Grünen haben wieder eine große Initiative gestartet und wollen jetzt ein generelles Rauchverbot in Öster­reich. So wird es ablaufen, so haben sie es geplant. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Herr Kogler, das Problem, das Sie dabei haben, ist – und da wird Ihnen daher auch die Auftragsarbeit durch den ORF nicht helfen –, dass Sie völlig an der Lebenswelt und an der Lebensrealität der Österreicherinnen und Österreicher vorbei agieren, und zwar nicht nur beim Rauchverbot und bei der Frage des Nichtraucherschutzes, sondern in Ihrer Politik insgesamt, was auch dazu führt, dass Sie politisch wie auch stimmen­mäßig nicht mehr vom Fleck kommen. (Abg. Mag. Brunner: Das sagen gerade Sie!)

Das ist der einzige Grund, der da dahinter liegt: dass Sie versuchen, mit diesem Thema ein bisschen für Aufregung zu sorgen, um irgendwie wieder medial vorzu­kom­


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men. Sie wissen nämlich selbst am besten, dass Ihr Antrag derzeit verfassungsrecht­lich nicht einmal möglich ist. Es gibt zahlreiche Juristen, die das auch öffentlich bereits gesagt haben, nämlich dass das generelle Rauchverbot, wie Sie es vorschlagen, meine Damen und Herren von den Grünen, alleine schon deshalb nicht möglich ist, weil es gegen den sogenannten Vertrauensschutz verstoßen würde und daher sofort wieder aufgehoben werden würde, weil die Wirten, die jetzt um sehr viel Steuergeld ihr Lokal umgebaut haben, nach Ihrem Gesetzesvorschlag ihr Geld im wahrsten Sinne des Wortes beim Fenster hinausgeworfen hätten.

Also es geht das verfassungsrechtlich gar nicht, was Sie da beantragen – abgesehen davon, dass es völlig unsinnig ist. Das ist der zweite Aspekt, der hier zutage tritt. Es ist nicht nur das Problem, das die Grünen als Partei haben, sondern es ist auch ihre problematische Geisteshaltung, die sie auch mit diesem Antrag zum Ausdruck bringen. Dahinter steckt nämlich eine Politik oder eine Vorstellung von Politik, Staat und Gesell­schaft, wo der Staat alles reguliert, wo der Staat bis ins kleinste Detail vorschreibt, was man darf und was man nicht darf, wo der Staat überall hineinregiert und sagt, was erlaubt und was verboten ist.

Diesen Nachtwächterstaat wollen Sie! Diese totale Regulierungswut wollen Sie! – Wir nicht, sondern wir stehen für die Einzelverantwortung, für die Freiheit des Einzelnen und haben daher auch für den Raucherbereich oder für die Frage des Raucher­schut­zes ein eigenes Modell beziehungsweise einen eigenen Ansatz entwickelt, der meiner Meinung nach sehr vernünftig ist, weil er die Verantwortung weg vom staatlichen Gesetzgeber hin zum einzelnen Bürger bringt, hin zu den Menschen, hin zu den Wirten, die selbstbestimmt und frei entscheiden sollen, welchen Weg sie gehen wollen.

Das wäre auch die richtige Lösung für das Chaos, das wir jetzt vorliegen haben mit dem derzeitigen Rauchergesetz, das ja die Ministerin Kdolsky beziehungsweise ihr Nachfolger, Minister Stöger, zu verantworten hat, wo sich in Wahrheit niemand aus­kennt, weil es viel zu kompliziert ist, und wo draußen großer Unmut über die derzeitige Regelung herrscht.

Lösen wir das Chaos ganz einfach in der Form, wie es auch Kollege Obernosterer schon gesagt hat, der in seinem eigenen Betrieb, den ich ja auch kenne, schon vor­gelebt hat, wie es richtig wäre, nämlich dass man sagt: Die Wirte sollen selbst entscheiden und der Markt soll selbst regeln, was die Raucher- und Nichtraucher­bereiche betrifft. Die Wirte sollen selbst entscheiden, ob sie ein Raucherlokal, ein Nichtraucherlokal oder ein gemischtes Lokal haben wollen. Dann werden die Gäste, die Kunden für sich entscheiden: Möchte ich in ein Raucherlokal, in ein Nichtraucher­lokal oder in ein gemischtes Lokal gehen?

Dadurch wird sich das auch von selbst regeln: Die Lokale, die nicht ankommen, werden das auch wirtschaftlich zu spüren bekommen, die, die ankommen, werden die anderen mitziehen, und das Problem wäre auf ganz einfache, unkomplizierte, demo­kratische Art und Weise gelöst. Wir hätten diese ganze Diskussion über irgendwelche Größen- und Quadratmeterregelungen, Schutzbauten und Umbauarbeiten vom Tisch und würden die Entscheidungsinstanz weg vom Gesetzgeber hin zu den Menschen geben. (Beifall beim BZÖ.)

Ich glaube, das ist ein Ansatz, der grundvernünftig und auch logisch ist. Ich würde mir wünschen, dass auch die Vertreter der Österreichischen Volkspartei das mittragen, weil ich aus Zwiegesprächen weiß, dass sie unseren Vorstoß eigentlich ganz klug finden.

Zum Beispiel Kollege Rasinger, der strikter Nichtraucher ist, könnte für sich sagen: Ich besuche nur Nichtraucherlokale!, er muss ja in kein Raucherlokal gehen. Oder Petzner, der Raucher ist – alle wissen, Rauchen ist ungesund, auch ich, aber es ist trotzdem


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so –, geht dann eben in ein Raucherlokal. Der Markt regelt und steuert das selbst, und die Menschen wie auch die Wirte können selbstbestimmt und frei entscheiden, welchen Weg sie betreffend Rauchen gehen wollen.

Unterstützen Sie diese Initiative, die ich in Form folgenden Antrages einbringe:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petzner, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlfreiheit für Wirte und Gäste – freie Deklaration zum Raucher- oder Nichtraucherlokal

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Gesundheit wird ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der den Umbauzwang für die Gastronomie durch eine Regelung ersetzt, die Wirten die Möglichkeit einräumt, ihre Lokale ganz oder teilweise für Raucher oder Nichtraucher zu betreiben und die Wahlmöglichkeit der Gäste durch eine entsprechende von außen erkennbare Deklaration der Lokale gewährleistet.“

*****

Ein einfacher, aber effizienter und unkomplizierter Ansatz zum Wohle der Touristiker, zum Wohle der Wirte, zum Wohle der Raucher und der Nichtraucher. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

16.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Antrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petzner, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlfreiheit für Wirte und Gäste – freie Deklaration zum Raucher- oder Nichtraucherlokal

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde betreffend Schaffung eines gene­rellen Rauchverbotes in den Räumen der Gastronomie

Die gesetzlich festgelegte Übergangsfrist zur Schaffung von getrennten Raucher- und Nichtraucherräumen in der Gastronomie geht zu Ende, und viele Gastwirte haben aufgrund der baulichen Gegebenheiten nicht die Möglichkeit, hier eine klare Trennung in eine Raucher- und Nichtraucherzone vorzunehmen.

Aus diesem Grund muss es solchen Wirten in der Gastronomie möglich sein sich zu entscheiden, ob sie ein reines Raucherlokal oder ein reines Nichtraucherlokal führen wollen.

Das BZÖ spricht sich klar und deutlich gegen eine Verbotspolitik und eine Allmacht des Staates bis in die persönlichen Lebensbereiche jedes Menschen hinein aus - und aus diesem Grund ist es auch die Aufgabe des mündigen Bürgers, sich für ein Lokal zu entscheiden, das ein Nichtraucherlokal ist oder Räume für Nichtraucher bereit hält, um nicht in Kontakt mit Rauchern zu gelangen.


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Vice versa haben auch Raucher als mündige Bürger des Staates zu akzeptieren, dass ihnen nur wenige Lokale oder Räumlichkeiten zur Verfügung stehen, wenn sie öffent­liche Bereiche oder Lokale aufsuchen und dort rauchen wollen.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Gesundheit wird ersucht, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der den Umbauzwang für die Gastronomie durch eine Regelung ersetzt, die Wirten die Möglichkeit einräumt, ihre Lokale ganz oder teilweise für Raucher oder Nichtraucher zu betreiben und die Wahlmöglichkeit der Gäste durch eine entsprechende von außen erkennbare Deklaration der Lokale gewährleistet.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schatz. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.32.58

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von meiner Kollegin Windbüchler-Souschill gepriesene Gelassenheit in dieser Debatte erstaunt mich eher, muss ich sagen. Ich höre von den Gesundheits­sprechern der Regierungsparteien, dass sie mit der jetzigen Situation unzufrieden sind, sie sagen: Na ja, es war halt ein Kompromiss! Was heißt das aber? – Das ist letzten Endes eine totale Bankrotterklärung Ihrer Politik, denn offensichtlich haben Sie sich der Tourismuslobby völlig unterworfen. Was steht höher: Tourismuslobby oder effizienter Gesundheitsschutz? Ich muss sagen, ich bin schon ziemlich schockiert von dem, was ich hier von Ihnen gehört habe.

60 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wissen sehr wohl, was es heißt, von Rauch oder auch Passivrauch belastet zu sein, und daher sprechen sich 60 Prozent der Österreicher und Österreicherinnen für ein Rauchverbot in Lokalen aus. (Abg. Silhavy – eine Ausgabe der Zeitschrift „NEWS“ in die Höhe haltend –: Da steht aber etwas anderes drin!) – Also das wurde so publiziert.

Rauchen ist einfach keine Kleinigkeit. Sie alle wissen, dass das Risiko, an Lungen­krebs, an Kehlkopfkrebs, an chronischer Bronchitis zu erkranken, extrem hoch ist und dass dieses Risiko auch bei Passivrauchern extrem hoch ist. Gut, ich kenne unsere Gesetze. Auch wir sagen, dass jeder persönlich entscheiden muss. Jeder muss persönlich entscheiden, wie er sich ruinieren will. Kollege Grosz, der jetzt nicht im Saal ist, sagt, es ist der Schweinebraten. Ja, jeder kann Alkohol trinken. Jeder ist auch für den Stress, den er sich macht, verantwortlich. Jeder kann das selbst entscheiden.

Aber, Kollege Matzenetter (Rufe: Matznetter! Matznetter! – Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Matznetter! Ohne e!), okay, der Kollege von der SPÖ (Abg. Mag. Gaßner: Welcher Kollege von der SPÖ? Matznetter?), es gibt einfach eine Gruppe, die nicht selbst entscheiden kann: Das sind die Passivraucher, vor allem die allergrößte Gruppe der Passivraucher, die eben nicht selbst entscheiden können, die über 300 000 im Gastgewerbe Beschäftigten. Die können nicht entscheiden! Sie werden von all den 52, glaube ich, krebserregenden Substanzen, die sich im Tabakrauch befinden, voll geschädigt. Sie brauchen unsere Unterstützung ganz massiv. (Beifall bei den Grünen.)


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Zur Wahlfreiheit – leider ist Kollege Grosz nicht im Saal, aber andere haben das auch so angeführt. Kollege Rasinger hat kurz das Beispiel mit dem Verkehr gebracht, ich würde das gerne weiterführen. Wir verbieten es auch, dass jemand 180 km/h fahren darf, sei es auf der Bundesstraße oder auf der Autobahn. Nicht nur, damit er geschützt ist und wir nicht die Kosten seines Unfalls tragen müssen, sondern auch, damit er nicht am Straßenrand alle niedermäht.

Es gibt Materien, da muss das Gesetz, da müssen wir eingreifen, um Betroffene, am Rande Betroffene zu schützen. Genau darum geht es in dieser Frage. Ich verstehe nicht, warum Sie alle das offensichtlich nicht nachvollziehen können.

Die Beschäftigten im Gastgewerbe brauchen unsere massive Unterstützung, unseren Schutz. Wir wissen, das ArbeitnehmerInnenschutzgesetz versagt beim Schutz der Beschäftigten im Gastgewerbe total, was den Nichtraucherschutz betrifft. Es regelt zwar das Rauchverhalten von Kollegen untereinander, das Rauchverhalten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, aber die Gäste sind nicht involviert. Das sagt sogar die Verfassung, da kann sich der ArbeitnehmerInnenschutz nicht einmischen. Auch die gesetzlichen Grenzwerte – Klubobfrau Glawischnig hat es schon angeführt – werden da nicht schlagend. Der ArbeitnehmerInnenschutz versagt in Bezug auf Nichtraucher­schutz im Gastgewerbe total. (Beifall bei den Grünen.)

Sicher, es gibt diese Schutzbestimmungen – nennen wir sie einmal so – in den Kollek­tivverträgen. Aber ich sage Ihnen ehrlich, wenn man kündigt, weil man durch Passiv­rauchen so belastet ist, und dann die Abfertigung doch bekommt, ist das keine Schutzmaßnahme. Das klingt einfach nach dem Beruhigen von schlechtem Gewissen.

Meine Damen und Herren, die Unternehmen – so viel zum Kollegen Petzner – sind eben nicht bereit, ihre Mitarbeiter vor dem massiven Krebsrisiko, das durch Passiv­rauchen entsteht, zu schützen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Sie sind eben nicht bereit, das ist der Punkt. Genau deshalb müssen wir das tun. Deshalb muss der Gesetzgeber eingreifen und die über 300 000 Mitarbeiter vor diesem hohen Krebsrisiko, vor diesen 52 Substanzen, die im Tabakrauch enthalten sind, schützen. Ich meine, es kann doch nicht so schwer sein, das zu verstehen.

Meine Damen und Herren! Das ist der Grund beziehungsweise auch das ist der Grund dafür, warum das Rauchen in Lokalen künftig nicht mehr möglich sein soll. (Beifall bei den Grünen.)

16.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Silhavy gelangt als Nächste zu Wort. – Bitte.

 


16.38.14

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Hohes Haus! Wenn man die bisherige Diskussion betrachtet, kann man sagen: Raucher und Nicht­raucher, Raucherinnen und Nichtraucherinnen waren am Rednerpult, ebenso die GesundheitssprecherInnen. Es waren die Wirtschaft, der Tourismus und VertreterInnen von ArbeitnehmerInnenschutzinteressen am Wort. Im Wesentlichen hat man aber erkennen können, dass quer durch die Fraktionen sehr unterschiedliche Positionen gegeben sind, weil Rauchen eben nicht nur ein Sachthema, sondern sehr wohl auch ein emotionales Thema ist.

Deshalb glaube ich, dass der wesentlichste Punkt bei allen Veränderungen – und das war ein bisschen ein Pferdefuss bei der Entstehung der letzten Regelung – die Ein­beziehung der Betroffenen ist, nämlich die Einbeziehung jener, die das Gesetz zu vollziehen haben, aber auch die Einbeziehung der RaucherInnen und NichtraucherIn­nen.


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Denn eines stimmt schon – und ich weiß das auch von anderen Firmen –, als die Sozialräume in Raucher- und Nichtraucherräume getrennt wurden – wobei nicht alle Raucherräume zur Verfügung gestellt haben –, war es so, dass sich die Firmen häufig beklagt haben, weil alle Kolleginnen und Kollegen im Raucherraum waren, da sie die Gesellschaft und die Unterhaltung mit Rauchern und Raucherinnen nicht missen wollten. Das hat sich inzwischen ein bisschen verschoben. Das ist am Anfang natürlich noch etwas geballter in der Ausformung, aber es hat sich ein bisschen verschoben.

Zu dem Thema, dass die Gastronomie und die Tourismuswirtschaft auch heute noch sehr unterschiedliche Positionen haben, kann ich jedem und jeder nur die letzte Ausgabe des „NEWS“ empfehlen, darin lautet ein Artikel: „Der Streit der Wirte um das neue Rauchergesetz“. Darin wird auf der einen Seite die Forderung nach einem generellen Rauchverbot zitiert, wenn man Investitionen nicht auf fünf Jahre hindurch sichern kann.

Im Übrigen möchte ich auch noch betonen, Herr Minister, dass ich Ihre ehrliche Ant­wort sehr schätze (Ruf bei der FPÖ: Na, no na!), denn jeder, der sagt, er könne etwas über die eigene Gesetzgebungsperiode hinaus sicherstellen, macht etwas vor. Nie­mand weiß, wie sich Gesetzesmaterien in Zukunft gestalten werden, wenn andere politische Zusammensetzungen gegeben sind. Also ich würde das nicht kritisieren, sondern sagen, es wäre jeder von Ihnen aufgefordert, gleich ehrlich zu arbeiten und zu agieren. Dann würden die Menschen auch wissen, dass sie sich darauf verlassen können.

Auf jeden Fall noch einmal der Hinweis darauf (die Rednerin hält eine Ausgabe der Zeitschrift „NEWS“ in die Höhe): Der eine Wirt ist also für ein generelles Rauchverbot, wenn es keine Garantie geben kann. Der Zweite sagt: Das ist ja keine Belastung, 2 700 € kostet die Schiebetür, die notwendig ist, um diese Trennung vorzunehmen. Der Dritte sagt: selbst entscheiden.

Es ist ein Kompromiss geworden, und ein Kompromiss hat natürlich immer die Tücke, dass er nie alle zufriedenstellt, aber, wenn es ein guter Kompromiss ist, von der Mehr­heit positiv gesehen wird. Im Großen und Ganzen ist es, so wie es momentan aus­schaut, so, dass wir einmal abwarten müssen, wie es ab 1. Juli 2010 ausschaut, was die Evaluierung ergeben wird, wie es wirklich greift.

Ich finde das, was Sie, Herr Bundesminister, am Anfang gesagt haben, besonders wichtig: Wir müssen die Menschen erreichen. Genau das ist der springende Punkt. Ich habe 30 Jahre lang nicht sehr wenig geraucht, ich bin seit 25. März 2006 rauchfrei und hoffe, ich bleibe es auch, ich bemühe mich darum. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Hörl: Bravo!) Danke schön. Ja, ich freue mich auch darüber, dass ich es geschafft habe, ich sage das offen und ehrlich.

Ich bin keine militante Nichtraucherin. Ich verstehe, dass Menschen zum Rauchen nicht in ein Kammerl zusammengepfercht werden wollen. Ich bin aber der Meinung, dass wir dieser Gesetzeslage, die wir jetzt haben, eine Chance geben sollten, dass wir evaluieren sollten, was herausgekommen ist. Es ist das, wie gesagt, ein Kompromiss, der aufgrund der unterschiedlichen Betroffenheiten, die die Menschen bei diesem Thema haben, entstanden ist.

Ich glaube, dass das ein lebbarer Kompromiss ist, und ich würde auch die Grünen ersuchen, weiter einen fairen Prozess zu verfolgen, abzuwarten, bis die Übergangs­bestimmungen vorbei sind, und dann zu schauen, was herauskommt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.43



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 146

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Franz gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.43.01

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bin seit ein paar Jahren Nichtraucherin. Ich bin sehr glücklich damit, bin aber noch sehr, sehr gerne Passivraucherin, und das verstehen viele nicht. (Abg. Mag. Steinhauser: Das ist eine einzigartige Position!)

Ich möchte das Beispiel einer Lokalbesitzerin erzählen, einer umtriebigen, engagierten jungen Wirtin mit einem 80 Quadratmeter großen Lokal. Dieses Lokal fällt natürlich genau in diese Übergangsregelung, und sie hat sich überlegt, was sie nun tun solle. Sie hat sich dafür entschieden, ihre rauchende Stammkundschaft nicht zu vergrämen und einen Raucherbereich mit entsprechender Lüftungsanlage einzurichten, und hat auch entsprechend Geld in die Hand genommen, Geld investiert.

Nun wollen die Grünen ein generelles Rauchverbot. Sie können sich vorstellen, dass der Blutdruck meiner bekannten Wirtin steigt, und die Aufregung ist berechtigt. Sie wird sich fragen, wo die Rechtssicherheit in Österreich ist. Sie wird sich auch zu Recht fragen, wo der Vertrauensgrundsatz ist, und sie wird auch sagen: Ich muss mich doch auf die bestehenden Gesetze, die beschlossen wurden, verlassen können, ich habe ja entsprechend viel Geld in mein Lokal gesteckt!

Eine andere Geschichte ist aber der OECD-Vergleich, der mir tatsächlich Sorge be­reitet. Dass wir die höchste Raucherquote bei Jugendlichen haben, ist wirklich kein Ruh­mesblatt für Österreich, und auch das frühe Raucheintrittsalter ist äußerst bedenklich. Da ist Feuer am Dach, da müssen wir etwas tun! Wir müssen dringend gegensteuern, aber auf einer anderen Ebene.

Da ist die Pädagogik gefragt. Wir brauchen Schwerpunktsetzungen an den Schulen. Es braucht gemeinsame Anstrengungen der Schulpartner – der Eltern, der Lehr­personen, der Schülerinnen und Schüler und auch der Schulärzte. Ich könnte mir eine Kampagne ähnlich jener bezüglich der Zahnprophylaxe vorstellen. Auch da wurden gute Ergebnisse erzielt, Karies wurde ja reduziert. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neu­gebauer: Eine sehr gute Idee!)

Ich bin dafür, dass wir die derzeitige gesetzliche Regelung beibehalten. Das ist ein Gesetz, das unter Beteiligung der Betroffenen zustande gekommen ist, und deshalb ist der Kompromiss gut. Wir wissen, dass mit ähnlichen Nichtraucherschutzgesetzen, wie sie beispielsweise in Spanien und Portugal bestehen, gute Erfahrungen gemacht wurden.

Im Dringlichen Antrag der Grünen steht etwas über fehlende Sanktionsmaßnahmen – das stimmt nicht. Es gibt Strafen, die bis zu 30 000 € gehen können, und es wurden schon etliche Strafen verhängt.

Abschließend möchte ich feststellen, dass ich froh bin, dass wir in Österreich in Bezug auf den Nichtraucherschutz einen guten Mittelweg gehen und nicht die Bevormundung mit überschießenden Regelungen im Mittelpunkt steht. Wir brauchen aber Rechts­sicherheit. Bei uns hat der Vertrauensgrundsatz zu gelten, deshalb darf das bestehende Gesetz nicht schon wieder geändert werden. Wir haben maximalen Arbeitneh­mer­schutz – dieser muss natürlich gewährleistet sein. Wir müssen auch die Gesetzes­übertretungen, die es ja auch gibt, ahnden.

Wir haben aber die große Verantwortung gegenüber unseren Kindern und unserer Jugend, sie von jeder Art von Abhängigkeit, so auch vom Rauchen, abzuhalten. Deshalb: Setzen wir verstärkt präventive Maßnahmen, starten wir schwerpunktmäßig Nichtraucherkampagnen an Schulen, weisen wir Erwachsene, vor allem Eltern und


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Lehrpersonen, auf ihre Vorbildwirkung hin! Mit unserem Gesetz haben wir einen guten Mittelweg gewählt. Bewusstseinsbildung ist wichtiger als Bevormundung. (Beifall bei der ÖVP.)

16.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 6 Minuten. – Bitte.

 


16.47.34

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Dass Rauchen ungesund ist, haben heute, glaube ich, schon alle gesagt. Vor allem die Raucher haben immer wieder betont, dass sie es ohnehin wissen, und es ist auch ganz klar, dass es jeder weiß.

Wir Freiheitlichen haben diesem Gesetz nicht zugestimmt, weil wir von Anfang an gesagt haben, dass das eine Falle ist, in die die Wirte teilweise gelockt werden sollen, die jetzt teure Investitionen tätigen müssen – und dann kommt irgendwann von der EU, dass ein totales Rauchverbot umzusetzen ist. Jetzt sind die Grünen aber noch schlim­mer als die EU, denn sie wollen ein Gesetz auskegeln, das sie selbst mitbeschlossen haben und das noch nicht einmal ganz in Kraft getreten ist. Also das ist völlig irrwitzig, aber das sind eben die Grünen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die grüne Klubobfrau zitiert heute hier aus dem Mutter-Kind-Pass, dass Rauchen ungesund ist, und sagt dann: Jetzt frage ich mich, was denkt sich eine werdende Mutter? – Ich frage mich auch! Was denken sich 40 Prozent der werdenden Mütter, die trotzdem weiterrauchen? Was denken sich diese Eltern, wenn sie Kinder in Woh­nungen aufwachsen lassen, wo mindestens ein Elternteil raucht und wahrscheinlich auch im Kinderzimmer und im Schlafzimmer geraucht wird? Das sind die großen Probleme, denn dabei sind kleine Kinder bereits Passivraucher (Beifall bei der FPÖ), und das zieht sich dann durch.

Jetzt ein Gesetz zu wollen, das nur in der Gastronomie ein generelles Rauchverbot verlangt, ist eine Augenauswischerei und geht in Wirklichkeit am Sinn des Ganzen vorbei. Das bringt keinen einzigen Menschen weg von der Zigarette, das heißt, insge­samt wird die Bevölkerung nicht gesünder. Das Passivrauchen, das ich in zwei Stunden in einem Lokal habe, ist bei Weitem nicht so tragisch wie die Umstände, unter denen viele Kinder in Österreich groß werden müssen. Das sind die wirklichen Prob­leme und da sollten wir ansetzen, aber das wird mit Verboten nicht gelingen. Das können wir nur schaffen, wenn wir ein Umdenken erreichen, wenn wir Präventiv­maß­nahmen ergreifen, und wenn wir die Menschen auch aufklären.

Frau Glawischnig, wenn Sie sich so rührend einsetzen für Kinder, dann frage ich mich schon, warum Ihre Kollegin Windbüchler-Souschill – dort hinten sitzt sie – heute hier wörtlich gesagt hat – ich habe das mitgeschrieben –: Die Verantwortung den Eltern zuzuschieben ist fahrlässig.

Bitte schön, was ist denn das überhaupt für eine politische Ansage?! Wenn es aus Ihrer Sicht fahrlässig ist, die Verantwortung den Eltern zu geben, dann frage ich mich schon: Wem sollen wir jetzt die Verantwortung geben? Den Grünen? – Na, da sehen wir ja, was herauskommt. Da haben wir dann alle eineinhalb Jahre irgendein anderes Gesetz, mit dem Sie Ihr eigenes Gesetz wieder aufheben. Das ist fahrlässig.

Fahrlässig ist das, was Sie hier fordern. Es sind ja die Grünen, die zwar einerseits die Freigabe von Drogen fordern, aber auf der anderen Seite wollen Sie dann in der Gastronomie das absolute Rauchverbot. Das ist ein Widerspruch in sich, etwas, das in keiner Weise zusammengeht und zusammenpasst. (Beifall bei der FPÖ.)


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Schauen Sie sich doch an, was Sie hier so großartig loben: In Italien, da funktioniert das ja „fantastisch“. Wenn dann alle vor den Lokalen stehen, dann ist das „wunderbar“, denn dann hören die Leute plötzlich auf, in den Lokalen zu rauchen. Na „großartig“! Und was haben Sie damit erreicht? (Abg. Mag. Schwentner: Insgesamt wird weniger geraucht!) – Gar nichts, außer dass die Straßen verschmutzt sind. Die Leute rauchen genauso viel weiter. Also für die Gesundheit bringt ein absolutes Rauchverbot überhaupt nichts.

Wissen Sie, wir sind immer dafür eingetreten, dass wir eine absolute Wahlfreiheit haben, sowohl für die Wirte als auch für die Gäste. Und wenn es so ein großer Erfolg wäre, ein Nichtraucherlokal zu machen, dann wäre Österreich doch längst über­schwemmt von Nichtraucherlokalen! – Ich persönlich kenne kein einziges. Also, so ein großartiger Erfolg kann es nicht sein, und so gewünscht kann es offensichtlich auch nicht sein.

Daher ist es schon eine Forderung zu sagen, nicht nur die Wirte sollen eine Wahl­freiheit haben, sondern natürlich sollen auch die Gäste eine Wahlfreiheit haben. Dann haben wir eine Win-win-Situation für alle, denn dann kann sich auch jeder und jede Beschäftigte in der Gastronomie aussuchen, wo er oder sie arbeiten möchte. Jeder kann dann frei entscheiden: Ich möchte in einem Raucherlokal arbeiten, und damit setze ich mich dem Rauch aus – oder ich möchte es nicht. Und genau darum geht es.

Sie kommen hier mit irgendwelchen wirren Argumenten, die überhaupt nicht ineinander passen, die sich selbst widersprechen. Das ist ein Weg, den Sie gehen können, und ich bin froh, dass Sie da keine Mehrheit bekommen. Denn ich sage Ihnen schon eines: Es ist ganz, ganz verwerflich, dass man hier Leuten etwas aufbrummt, die daraufhin Investitionen vornehmen, und das dann selbst, bevor es noch in Kraft getreten ist, wieder auskegeln will. Das bedeutet, den Leuten etwas vorzuspielen und hier mit den Menschen zu spielen – und das Ganze unter dem Vorwand der Gesundheit, von der in diesem Antrag überhaupt nichts drinnen steht. Für die Gesundheit bringt ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie überhaupt nichts! (Beifall bei der FPÖ.)

16.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Keck. Ich stelle die Uhr auf 4 Minuten. – Bitte.

 


16.52.19

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich rauche seit drei Jahren nicht mehr (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ – Abg. Mag. Gaßner: Bravo, Didi!), und ich habe viele Jahrzehnte lang sehr intensiv geraucht. Ich habe jeden Tag ein Packerl oder mehr geraucht; meistens war es mehr. Und auch meine Freunde und viele Bekannte haben geraucht.

Natürlich war uns allen bewusst, dass das Rauchen ungesund ist, und natürlich war uns allen klar, welche Folgen das Rauchen nach sich ziehen kann: Krebs, Asthma, Hauterkrankungen, Herz- und Kreislaufbeschwerden zum Beispiel. Und ich gebe auch zu, dass mich die normalen Begleiterscheinungen, die das Rauchen mit sich bringt, als Raucher auch sehr gestört haben, nämlich die verrauchte Kleidung, die man einfach hat, was man dann riecht, oder, was sehr tragisch für mich war, auch die Kurzatmigkeit beim Sport, die sich dadurch eingestellt hat. Und trotzdem habe ich, wie viele Hundert­tausende andere auch, jahrzehntelang keine Sekunde daran gedacht, das Rauchen zu beenden.

Ich habe verdrängt, dass im Tabakrauch etwa 4 000 chemische Substanzen enthalten sind, die krebserregend sein können. Ich habe verdängt, dass jedes Jahr mehr als


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14 000 Menschen an den unmittelbaren Folgen des Rauchens sterben. Und ich habe auch wirklich verdrängt, dass mein Leben durch das Rauchen verkürzt wird.

Meine Damen und Herren! Alle Raucher hier im Saal wissen, dass die schwarzen Warnhinweise auf den Zigarettenschachteln nur ein schwacher Versuch sind, vom Rauchen abzuschrecken. Auch der mittlerweile recht hohe Preis für die Zigaretten ist nur für wenige Raucher eine echte Hürde, die sie dazu bewegt, mit dem Rauchen aufzuhören – noch dazu, wo die Mindestpreisregelung ja jetzt durch den Europäischen Gerichtshof aufgehoben wurde. Da ist jetzt als Erster Herr Minister Pröll aufgefordert, durch eine Änderung des Tabaksteuergesetzes eine Verbilligung der Zigaretten zu verhindern. Das ist sehr, sehr wichtig!

Meine Damen und Herren! Nichtraucher müssen es auch hinnehmen, wenn neben ihnen geraucht wird. Sie müssen als Passivraucher alle krebserregenden Chemikalien aufnehmen, und sie müssen mit verrauchter Kleidung nach Hause gehen, auch wenn sie selbst keine einzige Zigarette geraucht haben. Für mich, meine Damen und Herren, steht fest, dass der Staat im Zusammenhang mit dem Rauchen eine Verantwortung zu tragen hat und dass er auch, wie im Straßenverkehr, durch Gesetze und Regelungen dafür sorgen muss, dass durch das Rauchen so wenige Menschen wie möglich zu Schaden kommen. Vor allem unbeteiligte Dritte, nämlich Nichtraucher, Kinder und Schwangere müssen geschützt werden.

Aus meiner Sicht als Betriebsrat und Gewerkschafter sind auch die Kolleginnen und Kollegen in der Gastronomie zu schützen. Selbst wenn diese Raucher sind, erhalten sie ohne Schutz am Arbeitsplatz ein Vielfaches an Nikotin und Teer von dem, was sie als Private erhalten würden. Meine Damen und Herren, ich frage Sie wirklich: Wie erklären Sie einer Kellnerin oder einem Kellner, dass in der Industrie bei der Arbeit mit Giftstoffen Schutzkleidungen getragen werden müssen und Zulagen bezahlt werden, während man sie oder ihn aber völlig schutzlos in ein Raucherlokal lässt?

Dass unser Staat für einen rigorosen Nichtraucherschutz eintritt, ist für mich natürlich sonnenklar. Es darf nicht die Minderheit der Raucher mit ihrer Sucht das Leben der Mehrheit der Nichtraucher beeinträchtigen.

Meine Damen und Herren, ich trete für den absoluten Nichtraucherschutz ein! Es muss weit mehr geschehen als das, was wir jetzt auch als Gesetz vorliegen haben. Sie alle wissen, dass wir das Tabakgesetz erst 2008 novelliert haben und dass diese Maß­nahmen erst mit 1. Jänner 2009 in Kraft getreten sind. Wir haben ein Jahr Erfahrung mit diesem Gesetz, und viele Übergangsfristen enden überhaupt erst Mitte 2010. Zusätzlich haben viele Café- und Restaurantbetreiber horrende Investitionen vorge­nommen und haben ihr Lokal nach diesem Gesetz neu ausgerichtet.

Meine Damen und Herren, ich habe es gesagt: Ich bin für aktiven Nichtraucherschutz. Ich will aber prüfen und will wissen, ob dieses Gesetz funktioniert, oder ob es tatsächlich nur schwarze Schafe gibt, bevor wir überhaupt neue Gesetze machen.

Ich gebe den Grünen aber trotzdem darin recht, dass das, was wir hier haben, keines­falls ein Endpunkt sein darf. Mein Ziel ist aber ein solides Gesetz, an dessen Beratung der Gesundheitsausschuss, das Ministerium und auch externe Experten beteiligt sind. Populismus können wir in dieser Diskussion nicht brauchen. Einen Populismus, der alle Raucher aus dem Sichtfeld verbannt, brauchen wir nicht. Wir wollen das Rauchen aus den Köpfen wegbekommen.

Was Sie als Grüne wollen, liebe Kollegin Glawischnig, ist eine optische Korrektur. Das, was wir wollen, ist eine nachhaltige Gesundheitspolitik. – Unterstützen Sie uns dabei, anstatt um billige Schlagzeilen zu buhlen! (Beifall bei der SPÖ.)

16.56



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 150

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Klikovits. (Abg. Grosz: Die Stimme des Burgenlandes!) Ich stelle die Uhr auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.57.03

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist zumindest eine allgemein anerkannte Tatsache, dass das Leben lebensgefährlich ist. Und dass das Rauchen das zusätzlich beschleunigt, haben wir heute auch von vielen Vorrednern bereits gehört. Ich selbst gehöre gleichfalls zu jenen, die nach dem Grundsatz leben: Nur wer das Laster kennt, kann darüber sprechen!, so wie Grünewald es formuliert hat, und habe auch 20 Jahre lang geraucht und bin jetzt schon zehn Jahre lang rauchfrei. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bin deswegen zehn Jahre lang rauchfrei, weil ich ein positives Beispiel dafür bin, dass Prävention in den Schulen auch sozusagen im Umkehreffekt auf die Eltern übertragen werden kann. – Ich möchte Ihnen das erklären.

Als mein Sohn in dieses Alter gekommen ist, in dem, wie Frau Glawischnig es ange­sprochen hat, die Kinder zu rauchen beginnen – also mit 11, 12, 13 Jahren –, wurde ihm und seinen Mitschülern in der Schule mit Gesundheitsfibeln vermittelt, dass das Rauchen schädlich ist, dass es ungesund ist und was alles passieren kann. Dann hat mir mein Sohn erklärt, dass ich zu rauchen aufhören soll, weil er nicht will, dass ich sterbe. Und ich habe mit ihm einen Deal geschlossen und habe gesagt: Ich höre auf zu rauchen, und du versprichst mir, dass du nie zu rauchen beginnst! – Und beide haben wir uns daran gehalten. (Beifall bei der ÖVP.)

Warum erzähle ich das? – Weil ich der Auffassung bin, dass bei allen Maßnahmen, die wir setzen und gesetzt bekommen, die auch hier von uns gesetzt werden im Zusam­menhang mit dem Nichtraucherschutz, ... (Abg. Dr. Graf: Das war aber auch freiwillig? Eine freiwillige Entscheidung war das, oder?) – Das war natürlich eine freiwillige Entscheidung. Ich komme schon noch darauf zu sprechen, Herr Präsident. Es war natürlich eine freiwillige Entscheidung, wie es viele freiwillige Entscheidungen im Leben gibt, um sozusagen seine Gesundheit zu erhalten. Denn: Wenn wir zu viel essen, zu viel trinken oder zu wenig Bewegung machen, dann tragen wir ja auch nicht zu unserer Gesundheit bei. – Auch das ist eine freiwillige Entscheidung, und das ist heute schon angesprochen worden.

Aber worauf will ich hinaus? – Ich möchte Ihnen vielleicht noch ein paar Zahlen nennen, die, glaube ich, auch in einem Zusammenhang mit dem Antrag der Grünen stehen. Wenn Frau Glawischnig vorhin erwähnt hat oder in ihrem Antrag formuliert, dass es möglich ist, dass man mit Preiserhöhungen auch das Rauchen verhindern kann, so kann ich dem nur bedingt zustimmen.

Frau Glawischnig! Im Jahre 1980 haben die Zigaretten im Durchschnitt 15 Schilling gekostet, das ist 1,09 €. Im Jahr 1990 haben sie 1,82 € gekostet – und jetzt, ab Mai, kosten sie 3,50 €. Die Anzahl der neuen Nichtraucher ist leider nicht entsprechend gestiegen. Ich kann Ihnen auch hier Zahlen nennen: Der Anteil der täglich Rauchenden ab 16 Jahren ist bei den Männern von 38,7 Prozent im Jahr 1972 auf 27,5 Prozent im Jahr 2006 gesunken. Bei den Frauen ist leider Gottes der umgekehrte Effekt entstanden: 1972 waren es 9,8 Prozent, und heute sind es 19,4 Prozent der Frauen, die rauchen.

Ich glaube daher, dass es sehr wichtig ist, so wie meine Vorredner es auch ange­sprochen haben, dass wir nicht den Wirten die Verantwortung dafür übertragen können, dass in Österreich nicht geraucht wird, und dass wir mit diesem Gesetz einen wirklich guten Kompromiss gefunden haben, um sozusagen das Zusammenleben zwi­


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schen Rauchern und Nichtrauchern in einer ordentlichen Art und Weise und mit einem ordentlichen Gesetz zu regeln.

Ich bin auch dafür, dass wir uns ansehen, wie sich diese Situation in den nächsten Jahren entwickelt. Und ich bin mir sicher, dass es uns mit guten Präventions­maß­nahmen gelingt, dass künftighin derartige Gesetze wahrscheinlich nicht mehr notwen­dig sein werden, weil wir dann schon mit guter Überzeugungsarbeit dafür gesorgt haben, dass niemand mehr in diesem Land raucht. (Beifall bei der ÖVP.)

17.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Weinzinger zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 6 Minuten. Die Gesamtrestredezeit der Freiheitlichen beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


17.02.07

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Geschätzte Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister! Bei den letzten paar Rednern bin ich mir vorgekommen, als wäre ich bei der Versammlung einer Selbsthilfegruppe ehemaliger Raucher. Jeden Augenblick hat einer gemeldet: ich habe vor vier Jahren aufgehört – Applaus, Applaus –, ich habe vor zehn Jahren aufgehört – Applaus – und so weiter und so fort. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Einer, Herr Abgeordneter Keck, hat auch das unterstrichen, was ich schon seit Langem sage: Die abgesprungenen Jesuiten sind die größten Gegner der Kirche, und die abgesprungenen Raucher sind die größten Gegner der Raucher. – Also, ich bin Raucher. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Rasinger: Er wird sich noch bekehren!)

Ich bekenne mich dazu. Ich weiß, dass es nicht gesund ist, aber ich bekenne mich dazu. Und Sie werden vielleicht wissen, wenn Sie auf den entsprechenden Seiten nachschauen, dass ich nicht mehr zu den Allerjüngsten gehöre, sondern vermutlich zu den Ältesten hier im Haus.

Meine Damen und Herren, ich bin aber nicht nur Raucher, sondern ich bin auch einer, der sehr gern in Gasthäuser geht; in Gasthäuser oder Wirtshäuser. Der Unterschied ist der: Ein Wirtshaus ist für den Wirt da, und ein Gasthaus ist für den Gast da. Aber wie auch immer, ich gehe gern in Gasthäuser und sitze dort gern an Stammtischen. Das mache ich schon seit der Zeit, bevor ich – nicht: Raucher wurde, sondern bevor ich mich mit der Politik beschäftigt habe. Und das tut recht gut, wenn man im Gasthaus am Stammtisch sitzt und mit den Leuten redet.

Und da kann ich Ihnen schon eines schildern oder bekannt geben: Nicht der über­wiegende Teil, sondern alle, die Raucher und die Nichtraucher, lehnen es zutiefst ab, dass man nicht mehr – rauchend oder nicht rauchend – beieinander sitzen kann in einem Gasthaus. Von den Wirten will ich gar nicht reden, welche Probleme die sehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht weiß der eine oder andere von Ihnen, dass ich aus Schärding bin, und Schärding liegt an der bayerischen Grenze. Es war einmal ein großer, wunderbarer Freistaat Bayern, der es jahrzehntelang gewohnt war, unter der erträglichen Fuchtel einer sehr, sehr starken, weit über der absoluten Mehrheit liegenden CSU zu leben. Und diese sehr, sehr starke und weit über der absoluten Mehrheit liegende CSU kam einmal auf die Schnapsidee – im wahrsten Sinn des Wortes –, die strengsten Raucher­gesetze einzuführen, die die EU überhaupt kennt – in vorauseilendem Gehorsam unseren EU-Bonzen gegenüber.

Und man tat es. Und es hat sich darüber weniger die Gesamtheit der Wirte, sondern hauptsächlich die Bevölkerung maßlos aufgeregt, also wirklich maßlos! Bei uns in


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Schärding konnten wir miterleben, wie ganze Stammtische von Neuhaus über die Brücke nach Schärding gekommen sind und in unseren sehr schönen, noch rauch­fähigen Wirtshäusern um „Asyl“ gebeten haben. (Ironische Zwischenrufe.) Das waren „Asylanten“, die wir sehr geschätzt haben. Diese „Asylanten“ haben wir uns gefallen lassen, denn die haben auch Geld herübergebracht. Und die Wirtshäuser jenseits der Grenze waren leer.

Dann kam die Wahl für die CSU – der Jakob (auf Abg. Jakob Auer weisend) nickt, denn er weiß es noch –, und da hat diese CSU aber eine solche Ohrfeige bekommen, dass sie seither weit weg von der absoluten Mehrheit ist. Weit weg!

Jetzt ist mir schon klar, dass die Grünen diese Gefahr nicht fürchten müssen, weil sie auch sehr weit weg von irgendeiner absoluten Mehrheit sind und daher diese nicht verlieren könnten, wenn sie so ein Rauchergesetz einführen wollen. Aber nehmen wir doch aufeinander Rücksicht! Das kann doch nicht so schwierig sein, das ist über Generationen hinweg gegangen. Selbstverständlich wird man in einem Auto, in dem sich ein Kleinkind befindet, nicht rauchen! Und selbstverständlich nimmt man Rück­sicht, wenn eine Mutter mit Kindern im Gasthaus sitzt und dort isst! Dann wird man eben dort nicht rauchen, und der Wirt wird ihr selbstverständlich, wenn sie das will, den Raum anbieten, wo eben nicht geraucht wird.

Aber lassen wir doch diese Entscheidungsmöglichkeit frei! Natürlich wäre das am besten, was heute wiederum von Abgeordnetem Grosz gebracht wurde und was auch unsere Haltung ist: Die Wirte können selbst entscheiden – Raucherwirtshaus, Nicht­raucher­wirtshaus oder gemischtes Wirtshaus. Das ist der Weg einer freien Gesell­schaft – und nicht einer gegängelten Gesellschaft! (Beifall bei der FPÖ.)

Was wollen wir denn noch alles verbieten? Was wollen wir denn noch alles gängeln? Was wollen wir denn noch alles vorschreiben? – Das ist wie in einem Staat, wie wir ihn genau nicht wollen: in einem autoritären Staat. Wenn wir einen autoritären Staat hätten und wenn der autoritäre Staatschef ein Nichtraucher-Fanatiker wäre – wie es vor 80 Jahren auch bei uns einer war –, dann würde er sagen: Rauchen wird mit – na ja, damals hat es sehr „hübsche“ Strafen gegeben! – bestraft.

Meine Damen und Herren, bleiben wir eine freie Gesellschaft! Kämpfen wir für diese freie Gesellschaft! Das Rauchen ist ein Teil davon, und die freie Entscheidung der Wirte ist ein Teil dieser freien Gesellschaft. Und für diese freie Gesellschaft trete ich ein. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Großruck. – Abg. Vilimsky: Genau!)

17.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Strutz. – Bitte.

 


17.08.10

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (ohne Klubzugehörigkeit): Hohes Haus! Herr Bundes­minister! Zunächst zu meinem Vorredner: Was wir, glaube ich, im Hohen Haus nicht machen sollten, ist, nach Mehrheiten zu schielen und Gesetze deshalb zu verab­schieden oder auch nicht zu verabschieden, weil uns vielleicht der eine oder andere Wähler abstrafen wird. Diese Entscheidung liegt beim Bürger.

Es sollte auch nicht so sein, dass wir hier sagen: Lassen wir den Wirten die Ent­scheidung, ob sie ein Raucherlokal aufsperren oder ob sie sich für den Nichtraucher­schutz entscheiden! – In Wirklichkeit geht es um die Gesamtbevölkerung und in Wirklichkeit geht es um Fakten.

Ich werde diesen Antrag unterstützen, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, dass Rauchen schädlich ist. Es ist zunächst einmal, in erster Linie, schädlich für die Raucher – das ist deren persönliche und eigene Sache –, es ist aber in zweiter Hin­sicht auch eine Belastung und ein Schaden für unser Gesundheitssystem und, wie ich


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glaube, ein großer volkswirtschaftlicher Schaden, weil, wie auch medizinische Studien zeigen – es sind Ärzte und Vertreter der medizinischen Berufe heute hier am Redner­pult gestanden und haben das bestätigt –, durch Rauchen gesundheitliche Schäden verursacht werden, die wir letztlich alle zu tragen und zu finanzieren haben.

Am meisten zu Schaden kommen jene, die nicht rauchen, und vor allem jene, die sich dagegen nicht wehren können – das sind ungeborene Kinder im Mutterleib, das sind Kinder, die man im Kinderwagen beobachten kann, während die Mutter in Raucher­lokalen ihren Kaffee und vielleicht dazu eine Zigarette konsumiert, das sind Personen, die Lokale im öffentlichen Bereich aufsuchen und einfach als Passivraucher geschädigt werden.

Was ich hier aber kritisieren möchte ist, dass dieses Gesetz, das der Herr Bundes­minister als einen Kompromiss bezeichnet hat – Kompromisse sind immer schlecht – ein wahrlich schlechtes Gesetz ist. Niemand hat damit Freude, und Sie werden nie­manden finden, der sich für dieses Gesetz ausspricht: weder die Nichtraucher, die keine Freude mit diesem Gesetz haben, noch die Raucher, die sich dadurch in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, noch die Wirte noch die Konsumenten.

Deshalb ist es, glaube ich, dringend notwendig, dass dieses Gesetz novelliert und über­arbeitet wird. Warum? – Weil auch der Vollzug nicht funktioniert beziehungsweise nicht ernst genommen wird. Es gibt Hunderte, wenn nicht Tausende Anzeigen, die Ihnen, Herr Minister, bekannt sind, aber ich habe noch nie davon gehört, dass jemand, der gegen dieses Gesetz verstoßen hat, auch tatsächlich abgestraft wurde.

Deshalb glaube ich, dass es notwendig ist, hier auch ein deutliches Zeichen zu setzen. Ich glaube, dass die Mehrheit der Bevölkerung, vor allem jene jungen Menschen, die noch keine Sprachmöglichkeit auch hier im Hohen Haus haben und die Leidtragende dieser Auswüchse sind, ein neues Gesetz verdient. – Ich werde deshalb aus per­sön­lichen Gründen diesen Dringlichkeitsantrag unterstützen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Grosz: Sehr gut! Erste Bruchlinien zwischen FPÖ und FPK!)

17.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte.

 


17.12.09

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Frau Dr. Glawischnig, als Nichtraucher und Inhaber einer Gastgewerbe­konzession kann ich Ihnen sagen: Lassen Sie die Leute endlich in Ruhe mit Ihrem totalitären, missionarischen Weltverbesserungskreuzzug, mit Ihrem Regulierungswahn! Lassen Sie die Menschen einfach selbst entscheiden: Lassen Sie sie entscheiden, ob sie als Gast in ein Raucher- oder in ein Nichtraucherlokal gehen wollen (Zwischenrufe bei den Grünen), lassen Sie vor allem auch die Wirte entscheiden, ob sie ein Raucher­lokal, ein Nichtraucherlokal oder eines mit zwei getrennten Räumen führen wollen! – Wie kommen Sie dazu, dauernd in unternehmerische Entscheidungen von Gastwirten eingreifen zu wollen?

Damit bin ich aber auch schon beim Thema: Frau Glawischnig, Sie haben vorhin gesagt, viele Wirte haben Tausende Euro investiert und sind jetzt verunsichert und verdrossen wegen des drohenden EU-weiten Rauchverbots. – Ich kann Ihnen sagen: Sie sind verdrossen und sie sind verunsichert, aber sie sind verunsichert und verdros­sen wegen dieses völlig unnötigen Antrags, der nur Verwirrung stiftet. Das ist der Grund, warum die Wirte verdrossen sind!

Dann haben Sie noch gesagt, wenn man sich die ganze Welt anschaut, gäbe es überall Rauchverbote. – Ich habe mir das einmal genau angeschaut. Es gibt unter den


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34 europäischen Staaten nur fünf, in denen es ein Rauchverbot gibt – Frankreich, Großbritannien, Schweden, Slowenien und Italien (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ..., Deutschland, ...!) –, in anderen, wie Tschechien, der Slowakei, Rumänien und Ungarn gibt es überhaupt keines, und in den 25 anderen Staaten, dazu gehört auch Deutsch­land, gibt es eine ganze Menge Ausnahmen. Da gibt es Größenobergrenzen der Lokale, die sich Raucherlokal bezeichnen dürfen, in Dänemark zum Beispiel 40 Qua­drat­meter, in der Schweiz 80 Quadratmeter und 100 Quadratmeter in Spanien und Portugal. – Da sind die 50 Quadratmeter von Österreich noch sehr großzügig.

Dazu gibt es noch eine ganz Fülle von Kuriositäten. In Irland – die hatten das erste und strengste Rauchverbot – ist inzwischen für geschlossene Gesellschaften das Rauchen erlaubt, in Norwegen bei Veranstaltungen. Das führt dazu, dass die Gastronomen ganz schön kreativ darin geworden sind, geschlossene Gesellschaften und Veranstaltungen zu organisieren.

Wissen Sie, warum man europaweit von diesen generellen Rauchverboten wieder abrückt? – Diese Zahlen musste ich lange suchen, denn die werden nämlich wirklich überall unter Verschluss gehalten.

In Irland haben in den ersten beiden Jahren von den 12 000 Pubs gleich einmal 1 000 zugesperrt, der Umsatz ist um 16 Prozent zurückgegangen, 7 500 Arbeitsplätze sind verloren gegangen. – Frau Glawischnig, sagen Sie das der Kellnerin, die Sie schützen wollen (Zwischenruf der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek), sagen Sie das der Kellnerin, die möglicherweise gerne in einer rauchfreien Umgebung arbeiten möchte, das aber gar nicht mehr kann, weil ihr Arbeitsplatz weg ist, weil sie den Arbeitsplatz verloren hat (Abg. Mag. Schwentner: ... die Quelle! – Zwischenruf der Abg. Mag. Schatz), weil das Gasthaus wegen eines Rauchverbots zugesperrt hat! Sie kann nämlich überhaupt nicht mehr arbeiten, Frau Dr. Glawischnig!

Gehen wir weiter! – Schottland: Umsatzverluste bei Getränken von 39 Prozent in Pubs. – Wissen Sie, was das für die österreichische Gastronomie heißen würde, wenn es nicht einmal einen Rückgang von 39 Prozent, sondern nur von 10 Prozent gäbe, und das in diesen Zeiten, Frau Glawischnig?!

New York: Arbeitsplatzverluste: 2 650 im Bundesstaat New York in den USA, Einfüh­rung des Rauchverbots 2003. Verlust des New Yorker Inlandsprodukts: 37 Millionen €.

Kanada: Umsatzrückgang von 20 Prozent in Bars und Pubs. (Abg. Mag. Kogler: Alkohol für alle!)

Frau Dr. Glawischnig, mit diesem Antrag beweisen Sie nur eines, nämlich, dass Sie wieder einmal versuchen, mittels dieser alten totalitären linken Salami-Taktik ein beste­hendes Gesetz, eine bestehende Gesetzeslage Schritt für Schritt auszuhöhlen.

Daher ein ganz klares Nein zu einem generellen Rauchverbot, und Nein zu einem Grünen-Diktat. (Beifall bei der FPÖ.)

17.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. – Bitte.

 


17.16.35

Abgeordneter Maximilian Linder (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Rauch­verbot in Lokalen: Dieses Gesetz, denke ich, kann nicht dazu dienen, dass die Wirte als Erzieher auftreten, kann nicht dazu dienen, dass die Wirte als Gesundheitsapostel auftreten müssen und die Wirte dafür verantwortlich gemacht werden, ob die Leute gesund sind oder nicht.


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Wenn es darum geht, dieses Gesetz umzusetzen, so, meine ich, soll es so sein, dass es für die Wirte machbar und umsetzbar ist, und soll es so sein, dass es für die Wirte möglich ist, auf den Umsatz und auf die Gästeschicht zu vertrauen, ohne sie verärgern zu müssen. Wenn ich heute höre, dass die Wirte frei entscheiden sollen, dann kann ich nur sagen: Derzeit ist es nicht möglich, dass wir frei entscheiden, denn derzeit sind wir Wirte dazwischen drinnen und sollen den Gästen erklären, was geht und was nicht geht.

Ich meine aber auch, dass, wenn es heute geheißen hat, es sei auf das Gesetz zu vertrauen, eines ganz wichtig zu wissen wäre, nämlich, dass man auch auf die EU vertrauen kann in Bezug darauf, was kommt und was passiert. – Ich bin absolut der Meinung, dass man den Wirten die Freiheit einräumen soll, aber dann auch mit dem Wissen, dass wir über den 1. Juli hinaus nicht investieren müssen, dass wir nicht gezwungen werden, irgendwelche Maßnahmen zu setzen, viel Geld auszugeben – auf die Gefahr hin, dass die EU vielleicht in ein, zwei, drei Jahren kommt und uns anschafft, dass wir rauchfreie Zonen schaffen müssen oder überhaupt ein komplett rauchfreies Lokal machen müssen.

Deshalb denke ich Folgendes: Wenn wir das Gesetz so belassen, dann sollten wir aber auch hergehen und beschließen, die Frist wenigstens bis zu dem Zeitpunkt zu verlän­gern, da die EU eine klare Entscheidung gefällt hat, denn ich möchte nicht in ein, zwei Jahren vor den Wirten stehen und sagen: Liebe Freunde, ihr habt investieren müssen, das war hinausgeschmissenes Geld! – 10 000 €, 15 000 €, 20 000 €; ich will gar nicht von 40 000 €, 50 000 € reden, denn für viele kleine Wirte sind allein schon 10 000 € ein riesengroßer Betrag. (Zwischenrufe der Abgeordneten Keck und Petzner.) – Nein, Stefan Petzner.

Deshalb meine ich: Belassen wir es dabei, aber einigen wir uns darauf, dass wir die Frist verlängern, dass wir die Frist hinausschieben und den Wirten den Druck zu investieren nehmen. Dort, wo es möglich war, wo es bisher problemlos ging, haben die Wirte es getan, dort haben sie die Trennung zwischen Rauchern und Nichtrauchern herbeigeführt; schwierig sind jene Bereiche, wo bis jetzt nichts getan wurde – da sind große Investitionen notwendig.

Deshalb verlange ich, dass wir die Frist einfach nach hinten schieben. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abg. Grosz und dem das Rednerpult verlas­senden Abg. Linder.)

17.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schwentner. – Bitte.

 


17.19.26

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Minister! Es ist schon interessant: Ich bin erst ein bisschen mehr als ein Jahr im Nationalrat, aber meine Kollegin Moser hat mir gesagt, solch eine persönliche Betroffenheitsdebatte hat sie in den ganzen 16 Jahren noch nicht erlebt. Jeder und jede hat sich geoutet, ob sie aufgehört hat zu rauchen oder nicht, ob die Kinder rauchen, ob sie sonst irgendwelche Probleme mit dem Nichtrauchen oder Rauchen haben. – Es ist schon einigermaßen skurril, und Gott sei Dank ist das nicht bei jeder Gesetzesdiskussion in dem Ausmaß der Fall.

Interessant ist auch, dass manche hier Stammtischbegeisterte sind, manche begeis­terte PassivraucherInnen. Interessant ist, wie lange – zu lange – sich manche im Park in falscher Umgebung aufhalten, bis sie ins Lokal finden und sich damit beschäftigen, ob es tatsächlich Probleme mit der Raucherregelung gibt.


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Interessant ist auch, was manche unter Selbstbestimmtheit und Freiheit verstehen. – Herr Petzner, das sollte man einmal gesondert diskutieren.

Interessant ist auch, wenn von uns klare Signale gefordert werden, wenn wir des Populismus beschuldigt werden – Herr Matznetter ist jetzt nicht da –, denn wenn etwas populistisch ist, dann ist es diese Regelung, wie sie jetzt vorherrscht, dass nämlich jeder irgendwo rauchen darf, jeder irgendwo nicht rauchen darf, dass es irgendwo ein Kammerl gibt und es allen und jeder und jedem recht gemacht werden soll, nur: Es werden einige vergessen, nämlich die, die dort arbeiten: die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen respektive die Frauen. (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt auch eigenartige Formen von Stilblüten, die dann dieses „Wir-machen-es-allen-recht-Gesetz“ treibt, Herr Minister, nämlich wenn es um die schwangeren Frauen geht: Wir sind von einem Betrieb kontaktiert worden, einem sogenannten bekannten Über­gangsbetrieb, der uns mitgeteilt hat, dass er seine schwangere Arbeitnehmerin leider nicht in den vorzeitigen Mutterschutz schicken kann, weil das in Übergangsregelungs­lokalen nicht geht – dieser Übergang dauert immerhin eineinhalb Jahre. Das heißt, das betrifft viele schwangere Frauen, viele Schwangerschaften, es gibt viele betroffene Kinder, und wir alle waren uns heute schon einig, dass es offensichtlich allen bewusst ist, was es heißt, mitzurauchen, was es heißt, passiv zu rauchen und davon gefährdet zu sein, vor allem bei werdenden Müttern. Diese Frauen können nicht in den vor­zeitigen Mutterschutz gehen!

Sie, Herr Minister, sagen uns in einer Anfragebeantwortung zwar, dass Sie sich inten­siv für die werdenden Mütter bemühen und verweisen auch auf diese Übergangs­regelung, nur: In dieser Übergangsregelung steht lediglich drinnen, wie die Übergangs­rege­lung funktioniert – und eben auch, dass sie sich gar nicht um werdende Mütter bemüht.

Sie sagen in der Anfragebeantwortung weiter, dass es ohnehin nicht mehr so lange dauert und dass man sich in allen Fällen um individuelle Lösungen bemüht: „Im permanenten Kontakt mit allen Beteiligten“ – so wörtlich – ist das Ressort mit Betrof­fenen, mit Arbeitnehmerschutz, mit ÄrztInnen, mit der Sozialversicherung damit beschäftigt, einvernehmliche Lösungen zu finden.

Aber das ist es eben: Man kann nicht individuelle Lösungen pro Fall erzeugen! Bei dem Ding hapert es an einem vollkommen losen, nicht haltbaren Gesetz, das man dringend ändern muss, von dem man sich jetzt, nachdem man sehen konnte, dass das nach der Zeit nicht funktioniert, sozusagen einfach neue Versionen einfallen lässt und deswegen konsequent zum Nichtraucherschutz, zum Nichtrauchergesetz übergehen muss. – Ich sehe keine andere Möglichkeit.

Ich sehe auch keine andere Möglichkeit für die Frauen, die in Raucher- und Nicht­raucherlokalen – also in derzeit anerkannten Lokalen – arbeiten, weil selbst diese von ihrem Chef abhängig sind. Sie brauchen nicht nur eine ärztliche Bestätigung, um in den vorzeitigen Mutterschutz gehen zu können, sondern auch den Goodwill ihres Arbeit­gebers, der nämlich entscheidet (Abg. Mag. Stefan: Der Arbeitgeberin!), ob sie dann in den vorzeitigen Mutterschutz ... – So ist es! (Abg. Mag. Stefan: Der Arbeitgeberin!) – Des Arbeitgebers und der Arbeitgeberin, genau! In diesem Fall habe ich nicht ge­gendert, aber das kann ich gerne nachholen, ganz extra für Sie, Herr Stefan. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Weinzinger.)

Es ist nicht einzusehen, dass eine Frau, die in den vorzeitigen Mutterschutz gehen will und manchmal gar nichts davon weiß, noch dazu warten muss, bis ihr Chef damit einverstanden ist (Abg. Mag. Stefan: Chefin!), weil er dreimal bestätigen muss: dass in dem Lokal, in dem sie arbeitet, geraucht wird, dass es keine Möglichkeit gibt, in einem


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anderen, einem Nichtraucherraum zu arbeiten und dass sie tatsächlich gefährdet ist. – Das ist die Regelung, und diese halte ich für untragbar.

Das ist nur ein Teil dieses Gesetzes, das einfach mehrere Lücken hat und in diesem Fall nicht funktioniert, das hat sich gezeigt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


17.24.31

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich musste mich noch einmal zu Wort melden, weil Sie ja alle heute hier Zeugen eines fast historischen Momentes wurden, meine Damen und Herren, wenn Sie die Wortmeldung des Herrn Dr. Strutz zur Frage des Rauchverbotes verfolgt haben.

Da gibt es eine Fraktion oder da gibt es Abgeordnete, die sich abgespalten haben. Sie sind nun drei wilde Abgeordnete in der letzten Reihe, und diese spalten sich jetzt intern noch einmal ab, obwohl sie gar kein Klub sind. (Abg. Mag. Gaßner: ... das draußen aus! – Abg. Mag. Stefan: Die Bedeutungslosigkeit meldet sich zu Wort! 0,7 Prozent! Da kann man nichts mehr spalten!) Herr Strutz hat hier nämlich angekündigt, dass er entgegen der Parteilinie der FPK, was auch immer das ist, und entgegen der Parteilinie der FPÖ – Herr Stefan, hören Sie einmal zu! – und entgegen der Linie des Herrn Linder, der wieder eine ganz andere Politik verfolgt, dem Antrag der Grünen und damit dem totalen Rauchverbot zustimmt. (Abg. Mag. Stefan: ... Skandal!)

Das heißt, es bildet sich hier eine Links-Rechte-Chaos-Allianz aus einem wilden Abge­ordneten und den Chaoten von den Grünen. – Das sind ganz erstaunliche Entwick­lungen, auf die ich Sie hinweisen möchte, meine Damen und Herren.

Das zeigt einmal mehr, wes Geistes Kind auch Herr Kollege Strutz ist und wie lächer­lich das eigentlich ist, was unter der Regie des Herrn Uwe Scheuch vollzogen wurde. Das belegen die Herren und belegt Herr Strutz auch mit seinem heutigen Verhalten. (Die Tonanlage beginnt laut zu knattern.) – Da donnert sogar das Mikrofon und protestiert. – Danke. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Rasinger: Das ist der Scheuch!)

17.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grosz. – Bitte.

 


17.26.12

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Hohes Haus! Da geht es ja nicht darum, dass man sich etwas (die Tonanlage beginnt wieder zu knattern) – da donnert es auch – vor der Türe ausmacht und irgendwelche Befindlichkeiten ausdrückt, nein, es geht schon um die Verlässlichkeit von Fraktionen und Parteien. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Stefan: 0,7 Prozent!)

Sie wissen ja, dass diese drei Herren Tick, Trick und Track erst unlängst versucht haben, aus drei durch wundersame Osterwandlung fünf zu machen und so zu Partei­förderungen zu kommen.

Da frage ich mich schon, was die letzten exakt 99 Tage passiert ist seit diesem 16. Dezember, als sich die FPK – Kürzel; Langbezeichnung: Familie Panzerknacker – gegründet hat, dass jetzt die nächste Kernspaltung stattfindet, dass jetzt aus quasi mittlerweile einer Fraktion, die durch die Gunst und Würde des Präsidenten in einem Schlurf dort oben in der letzten Reihe sitzt, sich jetzt noch drei unterschiedliche Frak­tionen bilden, das heißt, sich wahrscheinlich in Zukunft vier Klubs bilden, nämlich die FPÖ des Herrn Strache, das FPK samt Alimente-Zahlungsabteilungen des Herrn Strutz, das FPK des Herrn Linder und zu guter Letzt noch die Zweigstelle Sektion Jury. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.)


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Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ja doch noch Grenzen, und wir sollten uns doch wirklich ernst nehmen! (Abg. Mag. Stefan: ..., wen soll ich ernst nehmen?) Ich ersuche Sie wirklich: Befreien Sie uns von Ihrem Anblick! Gehen Sie – ich weiß nicht was – machen: Gehen Sie Läuse melken, Kühe melken – alles! –, Ihr drei dort hinten, aber bitte schön, das hat doch nichts mehr mit Politik zu tun, dass beim erstbesten Moment das Kabarett „Die Gespenster“ wieder auftaucht und (Zwi­schenrufe bei der FPÖ) man es selbst bei einem Thema wie diesem Antrag – einem Dringlichen Antrag der Grünen – zustande bringt, drei verschiedene Meinungen hier draußen am Pult zu vertreten. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Freies Mandat!)

Die steirischen Freiheitlichen werden sich sehr freuen, wenn wir sagen, dass Teile der Freiheitlichen die Wirte in Zukunft in die Knechtschaft führen wollen. Da wird sich dann Herr Kurzmann sehr freuen und sich bei seinem Parteifreund Strutz herzlich bedanken. (Abg. Mag. Stefan: ... die KPÖ doppelt so viele Stimmen hat wie das BZÖ! – Weitere Zwischenrufe bei FPÖ und Grünen.)

Ich frage mich: Wofür war das alles notwendig? – Ich meine, 1,2 Millionen € hat diese Truppe unten an Parteiförderungen ungerechtfertigt einkassiert. Sie leben auf Regi­ments­kosten, bestreiten Ihren Lebensunterhalt auf Kosten der Steuerzahler, und dann erleben wir heute ein letztklassiges Schauspiel, wie ich es selten in diesem Haus erlebt habe. (Abg. Mag. Stefan: Welches Schauspiel ... denn Sie mit 0,7 Prozent?) Also treten Sie zurück! Nehmen Sie Ihren Hut und ziehen Sie sich in die Unwürde Ihres privatwirtschaftlichen Misserfolgs zurück! – Ich danke Ihnen. (Beifall beim BZÖ.)

17.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.28.51

Abgeordneter Maximilian Linder (ohne Klubzugehörigkeit): Liebe Kollegen! Ich bin so etwas von überzeugt von der Intelligenz der Steirer: Die 0,7 Prozent haben wirklich alles gesagt! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.29


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ...

Es ist gerade eine Wortmeldung eingegangen.

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Restredezeit Ihrer Fraktion: 6 Minu­ten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Aber es war nicht uninteressant, was der Herr Grosz da gesagt hat!)

 


17.29.30

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Schauen Sie, es ist ja nicht so, dass die freiheitliche Fraktion auf unsere Bewertungen oder gar auf unsere Verteidigung angewiesen wäre, aber diesmal ist es einmal so, dass während der Debatte zu einer Dringlichen Anfrage beziehungsweise zu einem Dringlichen Antrag die Abgeordneten halbwegs – halbwegs! – nach ihrer Einschätzung und Meinung hier Stellung nehmen, und das war für niemanden leicht – Sie haben ja auch die sehr ausgewogene Stellungnahme des Professors Grünewald hier genießen dürfen.

Wenn dann aber Herr Abgeordneter Strutz zum Rednerpult geht, dort seine Meinung sagt und andere etwas anderes sagen, dann halte ich das bei all Ihrem Hang zur notorischen Unfugtreiberei, Herr Abgeordneter Grosz, nicht mehr für legitim, dass Sie zum Rednerpult kommen und in einer ellenlangen Rede die einzelnen Abgeordneten mit den Beiträgen, die sie gemacht haben, abqualifizieren, und dann sollen sie sich alle


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aufspalten. Das interessiert keinen Menschen hier! (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Wenn wir es endlich einmal schaffen, dass da eine Debatte passiert, wo ganz offen­sichtlich in jeder Fraktion unterschiedliche Meinungen vorherrschen und das auch zum Ausdruck kommt bei all den Problemen, die wir ohnehin mit dem sogenannten Klubzwang haben – jede Fraktion hat es in Wahrheit nicht so leicht –, dann muss nicht ausgerechnet einer zum Rednerpult hinunterlaufen und sich, wenn es endlich einmal so passiert, über die anderen lustig machen! Bei aller Wertschätzung zu Ihren Pointen, die Ihnen zwischendurch offensichtlich zufällig passieren: Lassen Sie uns zwischen­durch damit einfach in Ruhe! (Anhaltender Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

17.31

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ein weiterer Wunsch für eine Wortmeldung liegt definitiv nicht mehr vor.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungs­an­trag 1063/A(E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Schaffung eines generellen Rauchverbotes in den Räumen der Gastro­nomie“.

Wer für den Antrag ist, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Der Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen ferner zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Petzner, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wahlfreiheit für Wirte und Gäste – freie Deklaration zum Raucher- oder Nichtraucherlokal.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

17.32.14Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nunmehr zur Durchführung einer kurzen Debatte.

Diese betrifft den Antrag des Herrn Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber, dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zur Berichterstattung über den Antrag 578/A betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird, eine Frist bis 20. April 2010 zu setzen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz gemeldet. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.32.34

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Prä­sident! Eine Wortmeldung zur Geschäftsbehandlung: Herr Kollege Grosz hat vorhin in seiner Suada die drei Sitzplätze im Plenum dort hinten als „Schlurf“ bezeichnet. (Abg. Grosz: Nein! Der Schlurf rauf, der Fraktion!) – Noch schlimmer! Was meinen Sie?

Jedenfalls hat er offensichtlich Räumlichkeiten hier im Haus, im Plenarsaal als „Schlurf“ bezeichnet. Auch wenn die Baufälligkeit und Reparaturbedürftigkeit des Gebäudes offensichtlich außer Streit steht: Ist diese Bezeichnung hier als „Schlurf“ angemessen für die Würde des Hauses? (Beifall bei der FPÖ.)

17.33



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 160

Präsident Fritz Neugebauer: Ich glaube, bevor wir uns über die Dialektik hier verbreitern, darf ich als gestandener Wiener sagen: Ich kann darin nichts Nachteiliges erkennen. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Grosz: Danke!) Es ist ein Gang. (Abg. Grosz: Der eng ist!) Ich gehe ausnahmsweise davon aus, dass Herr Kollege Grosz nichts Nach­teiliges sagen wollte. (Beifall beim BZÖ.)

*****

Ich mache darauf aufmerksam, dass der erste Redner 10 Minuten Redezeit zur Verfü­gung hat, alle weiteren Redner nicht länger als 5 Minuten.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller, Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Herr Kollege, bitte.

 


17.33.59

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die vorherige Debatte hat ja gezeigt, dass gesundheitsrelevante Themen durchaus viele Facetten haben. Wir haben in den letzten Tagen auch schon über die Qualitätssicherung der Lebensmittel diskutiert. Im Konkreten geht es bei diesem Fristsetzungsantrag darum, dass unsere Hausaufgaben auf der gesamten Ebene gemacht werden und wir wirklich Qualitätssicherung für Lebensmittel in Öster­reich garantieren.

Hauptproblem und -thema ist der Etikettenschwindel. Ich möchte daran wieder anknüpfen. Wir haben in der heutigen Agrardebatte schon einiges über die Herkunfts­kenn­zeichnung besprochen. Es geht einfach darum, dass bei der Frage, was notwendig wäre, um mehr KonsumentInnen-Schutz, mehr Sicherheit für die Konsu­mentinnen und Konsumenten zu gewährleisten, immer wieder auf das AMA-Gütesiegel verwiesen wird.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit feststellen, dass wir in der letzten Ausschusssitzung einen ganz konkreten Entwurf vorgebracht haben, der darauf abzielt, dieses Gesetz so weit zu verbessern, dass das Argument auch endlich berechtigt ist. Ich möchte Ihnen in den nächsten paar Minuten zeigen, wo wir konkret das Problem sehen.

Das AMA-Gesetz regelt zwei Gütezeichen: das AMA-Gütesiegel und das AMA-Bio­zeichen. Wenn man sich über die Jahre anschaut, wie dieses Zeichen auf dem Markt verwendet wurde, muss man leider feststellen, dass damit immer wieder Etiketten­schwindel betrieben wurde.

Ich habe hier ein einseitiges Inserat mit AMA-Fleisch, AMA-Gütesiegel und Weide­tieren. (Der Redner hält das genannte Inserat in die Höhe.) Ich habe damals, im Jahr 2007, eine Anfrage an den Minister gemacht und gefragt: Wie gibt es das, dass mit Weidetieren geworben wird, obwohl jeder weiß, dass das AMA-Gütesiegel nichts mit Weiderindern zu tun hat? – Daraufhin habe ich die Antwort bekommen: Der Lizenz­partner hat diese Bilder so verwendet, und es ist diesem freigestellt, wie er das in Szene setzt.

Da sehen wir schon, wie schnell Konsumententäuschung auch mit staatlichen Zeichen möglich ist, wenn dem nicht Vorschub geleistet wird.

Ich möchte einen ganz aktuellen Anlass hernehmen, um Ihnen klarzumachen, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht. Wir stehen kurz vor Ostern. Es gibt in allen Supermärkten, in allen Märkten derzeit eine Menge an verschiedenen Eiern, an ge­färbten Eiern, an Freilandeiern, an Bodenhaltungseiern und natürlich an Bioeiern.


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Hier habe ich eine Eier-Packung, auf der steht: „regional & fair“, „6 Premium-Ostereier aus Freilandhaltung“. (Der Redner hält einen Eierbehälter in die Höhe.) Man schaut als Konsument und sieht: Aha, das AMA-Gütesiegel. Gefärbt mit Biofarben, steht ver­merkt. Dann liest man vielleicht noch nach: Mit Biofarben laut EG-Ökoverordnung für Österreich gefärbt. – Ja, Freilandeier, Biofarben, das werden doch Bioeier sein, natür­lich! Das AMA-Gütesiegel ist auch drauf. Das sind also österreichische Bioeier! Natürlich greife ich zu diesen, das wird schon passen.

Sehen Sie, solch ein Fall zeigt wieder einmal deutlich, wie staatliche Zeichen nicht vor klassischer Trittbrettfahrerei geschützt werden. Das passiert da, meine Damen und Herren, mit einem staatlichen Zeichen, mit dem AMA-Gütesiegel! (Abg. Eßl: Ist das AMA-Biogütesiegel oben?) – Nein, nicht das AMA-Biozeichen! Das heißt nicht AMA-Biogütesiegel, das heißt AMA-Biozeichen, Kollege Eßl! Das ist schon die erste Schwie­rigkeit für den Konsumenten: Er muss immer unterscheiden zwischen AMA-Biozeichen und AMA-Gütesiegel: Oje, was ist eigentlich drauf? (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Kogler: Ein Saustall ist das!)

Es stehen das AMA-Gütesiegel und ein Bioverweis drauf, der eindeutig verboten ist, weil Bioverweise per Erlass und per europäische Gesetzgebung ausschließlich für Biolebensmittel verwendet werden dürfen. Sie sind ausschließlich für diese Lebens­mittel zu verwenden. (Abg. Mag. Kogler: Ein Kennzeichnungssaustall ist das!)

Ich finde es schon unglaublich, dass diese Einrichtung, die Agrarmarkt Austria, die Sie immer so hochhalten, es bis heute nicht geschafft hat, in ihren normativen Dokumen­ten, in ihrer Qualitätssicherung sicherzustellen, dass wirklich der Konsument mit Ver­trauen zugreifen kann und weiß: Aha, AMA-Biozeichen ist Bioprodukt, das ist ein Bioei! Wenn Sie zulassen, dass Erzeugergemeinschaften wie in diesem Fall die Konsu­men­ten definitiv hinters Licht führen können, dann, muss man sagen, besteht Handlungs­bedarf. Und das ist auch der Grund dafür, dass wir hier diesen Fristsetzungsantrag einbringen.

Ich habe letzte Woche mit Kollegin Glawischnig sehr schön zeigen können, wie viele Produkte es gibt, wo „Österreich“ draufsteht, aber „Österreich“ nicht drinnen ist. Die Bezeichnungen sind ja herrlich. „Alpenwurzerl“ – das sind Fleischprodukte, mit rot-weiß-roter Fahne: aus Österreich! (Der Redner hält eine Packung Dauerwurst in die Höhe.) Da ist natürlich kein AMA-Gütesiegel drauf, aber die rot-weiß-rote österreichi­sche Fahne.

Es ist aber nicht gesichert, dass da österreichische Rohstoffe drinnen sind. Im Jahr 2009 importierten wir 119 000 Schlachtrinder aus vier Staaten: Tschechien, Slo­wakei, Ungarn und Slowenien. Wir importieren 600 000 Schlachtschweine, lebendige Schweine, die aus Norddeutschland zu österreichischen Schlachthöfen angekarrt wer­den. Ich finde, ehrlich gesagt, da erfolgt Konsumententäuschung auf der gesamten Linie.

Ich habe hier noch ein Produkt von einem Produzenten, der ein besonderes Zeichen – das wird man von den Bankreihen aus nicht sehen, aber ich werde es Ihnen erläutern! –, ein rot-weiß-rotes A-Zeichen verwendet. (Der Redner hält neuerlich eine Packung Dauerwurst in die Höhe.)

Das ist ein Zeichen, das auf Basis des alten Gütesiegelgesetzes vergeben wurde, das Gütesiegelgesetz, das wir endlich reformiert haben wollen, wozu wir endlich eine Vorlage der Bundesregierung im Hause haben wollen. Denn dieses Gütesiegel sichert nicht zu, dass 100 Prozent der Rohstoffe aus Österreich stammen, sondern nur 50 Prozent. Und wenn man die Etikettierung hinten liest – ich habe das gemacht –, sieht man, dass „Bergsteiger“ draufsteht und „Dauerwurst, Zutaten: Schweinefleisch, Rindfleisch, Speck“, aber kein Hinweis, welche 50 Prozent aus Österreich sind. Das ist


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Etikettenschwindel. (Abg. Öllinger: Die Verpackung!) – Die Verpackung, sicher, die auf jeden Fall!

Das ist die Art und Weise, wie der Konsument derzeit auf der gesamten Länge betro­gen wird. Wir sind überzeugt davon, dass es nicht so geht, dass man immer nur Minister Stöger hinstellt und sagt, was er alles schneller und noch besser machen soll, und nicht selbst bereit ist, einen gemeinsamen Weg zu finden.

Meine Frage an Sie von ÖVP und SPÖ ist: Werden Sie ein Gütesiegelgesetz gemein­sam vorlegen, wo genau dieser Etikettenschwindel endlich wirklich abgestellt wird (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Für Wahlfreiheit!) und die Wahlfreiheit der Konsu­menten zu Recht endlich hergestellt wird, wo man weiß: Okay, rot-weiß-rote Fahne geht eben nur, wenn die Herkunft qualitätsgesichert nachvollziehbar ist!? – Derzeit ist das leider nicht so.

Der zweite wesentliche Aspekt: Wir haben heute schon einen gemeinsamen Antrag zum Verbot der Gentechnik-Kartoffel Amflora eingebracht. Die zweite große Baustelle sind die gentechnikhältigen Futtermittel. Über 600 000 Tonnen Sojafuttermittel kom­men in Österreich in die Futtertröge, und dann bekommen die Tiere, die so gefüttert werden, auch noch das AMA-Zeichen. Das kann es nicht sein!

Ich erwarte mir, wenn 80 Prozent der KonsumentInnen in Österreich für gentechnik­freie Lebensmittel sind, dass auch bei Vergabe des AMA-Gütesiegels selbstver­ständlich bei der Fütterung ausschließlich gentechnikfreies Soja verwendet wird.

Warum ist das jetzt noch nicht so? Warum wehrt sich die ÖVP so stark? Der größte Importeur von gentechnikhältigen Futtermitteln ist die Firma Toepfer. Da könnte man meinen, das sei eine deutsche Firma mit Sitz in Hamburg. Eigentümer ist inzwischen natürlich ADM, Archer Daniels Midland Company, einer der größten amerikanischen Agrarkonzerne. Wer sitzt im Aufsichtsrat? – Herr Buchleitner von der RWA. Ja, selbst­verständlich! Dann sagen Sie die Gründe, warum Sie dagegen sind! Dann sagen Sie, weil die Raiffeisen Ware Austria an den gentechnikhältigen Futtermitteln verdient! Aber sie könnte auch daran ... (Abg. Öllinger: Wer ist „RWA“?) – Raiffeisen Ware Austria. (Abg. Öllinger: Danke!) Bitte, gerne! Für jene, die das nicht wissen.

Aber – das sage ich positiv – sie könnte auch daran verdienen, wenn sie gentechnik­freie Futtermittel mit unseren Partnern in Mittel-/Osteuropa mit anderen Produkten, mit Eiweißkulturen entsprechend vertriebe. Das ist eine Herausforderung, die wir unbe­dingt meistern müssen.

Wir treten für volle Transparenz für die KonsumentInnen ein. Dazu brauchen wir ein neues Gütesiegelgesetz, das auch das AMA-Gütesiegel beinhaltet, wo auch das AMA-Gütesiegel endlich im Rahmen eines Gütesiegelgesetzes geregelt wird.

Das soll aus unserer Sicht fünf Punkte berücksichtigen. Es braucht ökologische Krite­rien für die Produktion und Verarbeitung. Es müssen Herkunft und Gentechnikfreiheit klar sein. Es muss klar sein, dass Tierschutz eine wichtige Rolle spielt. Es müssen die Standards jährlich durch unabhängige Kontrollstellen überprüft werden. Und es müs­sen Sanktionen für Verstöße vorgesehen sein und die entsprechende Transparenz hergestellt werden.

Meine Damen und Herren, das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Wir Grüne werden dafür kämpfen. Jetzt vor Ostern, wie gesagt: Das (den Eierbehälter neuerlich in die Höhe haltend) gehört abgestellt! Es kann nicht sein, mit Bio Eindruck zu schinden und Trittbrett zu fahren mit jenen Bäuerinnen und Bauern, die wirklich die höchsten Qualitätserfordernisse erfüllen. Das AMA-Qualitätslabel muss auch gen­technik­freie Fütterung beinhalten.


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Stimmen Sie dem zu und schauen Sie, dass wir diesen Antrag in Kürze im Ausschuss behandeln! – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Öllinger: Ich bin für das Berufs­bild eines Gütesiegel...!)

17.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Maier. – Bitte.

 


17.44.21

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Pirklhuber hat die Position der Grünen zur Lebensmittelkennzeichnung, zu einem Gütezeichen sehr ausführlich dargelegt. Auf den Antrag, den wir heute diskutieren, ist er kaum eingegangen, insbesondere nicht auf den Inhalt beider Bestimmungen, die geändert werden sollen.

Ich möchte nur ein paar Klarstellungen vornehmen, Wolfgang Pirklhuber! Das AMA-Gütezeichen ist kein staatliches Zeichen. Ich möchte das mit aller Deutlichkeit festhalten. Das wird immer wieder vermengt. Eine staatliche Gütezeichenregelung wird es nach der Vereinbarung zwischen SPÖ und ÖVP, wie wir sie im Regierungs­über­einkommen getroffen haben, geben. Es wird ein Gütezeichengesetz geben, und es gibt dazu auch einen einstimmigen Beschluss dieses Hauses.

Kollege Wolfgang Pirklhuber, du bist in deinem Redebeitrag in erster Linie auf die Her­kunftsproblematik eingegangen. Jetzt sage ich noch etwas ganz klar: Die Herkunfts­kennzeichnung kann nicht über ein Gütezeichengesetz geregelt werden, sondern nur über die EU-Informationsverordnung, die vor Kurzem den EU-Umweltausschuss pas­siert hat. Wir werden im Juni 2010 sehen, welche Möglichkeiten die Mitgliedstaaten haben, um Herkunftskennzeichen tatsächlich in ihrem Bereich zu normieren und aus­zu­weisen.

Eine dritte Feststellung zur Rede des Kollegen Pirklhuber: Diese Täuschungshand­lungen, die er dargestellt hat, sind jetzt bereits verboten. Es gibt einen klaren Tat­bestand in § 2 und § 5 des Lebensmittelsicherheits- und Verbraucherschutzgesetzes, wonach eine Irreführung in der Aufmachung grundsätzlich verboten ist.

Das Problem, das wir haben – und das ist nicht das Problem des Bundes –, liegt in der Lebensmittelaufsicht der Bundesländer. Für die Lebensmittelaufsicht sind die Organe der Bundesländer zuständig. Es liegt beispielsweise, Kollege Pirklhuber, am Kollegen Anschober in Oberösterreich, dass er entsprechende Kontrollen veranlasst. (Zwischen­ruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Ich habe mich über Aussagen des Kollegen Anschober in der Öffentlichkeit gewundert, dem offenbar überhaupt nicht bewusst war, dass es bereits eine Verbotsbestimmung im LMSVG gibt, und der öffentlich den Nationalrat aufgefordert hat, eine derartige Regelung zu schaffen.

Ich halte noch einmal fest: Die Kontrolle der bestehenden lebensmittelrechtlichen Bestimmungen liegt allein an der Lebensmittelaufsicht der Bundesländer, gleichgültig, ob das die Steiermark, Salzburg, Burgenland oder Wien ist. Die Lebensmittelaufsicht hat im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung diese gesetzlichen Bestimmungen eben zu kontrollieren.

Jetzt komme ich noch einmal zum Antragstext zurück. Die Grünen verlangen in Ihrem Antrag eine Änderung des AMA-Gesetzes – ich darf es vielleicht erläutern, Kollege Pirklhuber, da das von dir nicht gemacht wurde! –, indem in § 3 Abs. 1 Z 2 eine Ergänzung vorgenommen werden sollte, dass es auch Aufgabe der AMA sein sollte, eine gentechnikfreie Produktion sicherzustellen.


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Darüber kann man natürlich diskutieren. Ich persönlich bin der Meinung, dass es eine hoheitliche Aufgabe wäre und nicht die Aufgabe der AMA, eine gentechnikfreie Pro­duktion sicherzustellen. Denn das, Kollege Pirklhuber, hängt mit der Erklärung der Kommission zusammen, die es seit Kurzem gibt. Die Kommission will vorschlagen, dass die Mitgliedstaaten künftig selbst über den Anbau genetisch veränderter Organis­men entscheiden können.

Was heißt das? – Es wird Aufgabe des zuständigen Gesundheitsministers und des zuständigen Landwirtschaftsministers sein, für eine gentechnikfreie Produktion zu sorgen. Es wird aber nicht die Aufgabe der AMA sein, das zu regeln. Daher sehen wir keine Veranlassung, diesem Antrag derzeit zuzustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

17.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


17.49.09

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Pirklhuber hat einen Antrag betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Gesetz 1992 geändert wird, und einen Fristsetzungsantrag dazu eingebracht. Gesprochen hat Kollege Pirklhuber allerdings über das Gütesiegelgesetz. Ich glaube, wir sollten uns doch mit dem vorliegenden Antrag auseinandersetzen.

Kollege Maier hat auch mit dem letzten Satz erwähnt, was Kollege Pirklhuber mit seinem Antrag bezweckt: erstens, dass man der AMA die gentechnikfreie Produktion als Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich übertragen soll, nämlich durch diesen § 3 Abs. 1 Z 2 im AMA-Gesetz.

Zweitens sollen aufgebrachte Marketingbeiträge für biologisch erzeugte Produkte, auch wenn sie nicht als solche vermarktet werden, ausschließlich für Absatzförderungs­maßnahmen für Produkte aus biologischer Produktion verwendet werden. Das wird geregelt in § 21j Abs 2 des AMA-Gesetzes.

Ich darf dazu feststellen, was die gentechnikfreie Produktion betrifft: Diese Möglichkeit ist bereits jetzt im AMA-Gesetz durch § 21a abgedeckt, auch wenn es da nicht explizit erwähnt wird. Es heißt da konkret: § 21a Abs. 1 Z 2 ermöglicht die Verwendung des Agrarmarketingbeitrages zur Förderung von allgemeinen Maßnahmen zur Qualitätsver­besserung und -sicherung bezüglich dieser Erzeugnisse sowie zur Vermittlung von für die Verbraucher relevanten Informationen hinsichtlich Qualität, Aspekte des Ver­braucher­schutzes und des Wohlergehens der Tiere sowie sonstiger Produkteigen­schaften dieser Erzeugnisse.

Jetzt könnte man natürlich sagen, wenn man es erwähnt, dann ist eigentlich all das, was nicht erwähnt ist, nicht möglich. Das könnte durchaus auch ein Schuss nach hinten sein. Daher ist es, glaube ich, nicht unbedingt zweckmäßig, dass man das jetzt so macht.

In den AMA-Qualitätsrichtlinien für das AMA-Gütesiegel ist die Gentechnikfreiheit als freiwilliges Modul bereits enthalten. Und ich weise noch einmal darauf hin: Wenn das AMA-Gütesiegel auf der Packung ist, dann kann man garantiert davon ausgehen, dass der Rohstoff tatsächlich zu 100 Prozent aus Österreich kommt, außer bei Mischpro­dukten, wenn zum Beispiel im Joghurt Vanille oder in der Wurst Pfeffer enthalten ist, der von woanders kommt. Aber beim Fleisch und bei der Milch ist zu 100 Prozent Österreich drinnen.

Was den zweiten Punkt betrifft, diese Zweckbindung für die Bio-Absatzförderung: Kol­lege Pirklhuber sagt, dass nur die tatsächlich als Biomilch verwendete Milch als Basis für die Zuweisung der AMA-Marketingmittel herangezogen wird. Das stimmt nicht, weil bereits seit dem Jahr 2008 die gesamte Biomilchproduktion dafür herangezogen wird.


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Noch etwas: Ich glaube, dass es nicht unbedingt vernünftig wäre, dass man alles genau aufsplittet und in Einzelteile zerlegt. Ich kann sagen, jetzt habe ich Bio da. Dann kann ich bei Bio noch unterscheiden, mache ich für Milch separate Werbung, für Fleisch separate Werbung, für Obst und für Gemüse und was es sonst noch an Produkten gibt, eine separate Schiene bei der Werbung. Bleibe ich jetzt bei der Milch – was mache ich dann? Mache ich dann noch eine separate Werbeschiene für die aus Silofutter erzeugte Milch und eine zweite Werbeschiene für Milch aus silofrei erzeugter Fütterung? Dann muss ich noch unterscheiden: Mache ich für Heumilch, die bio ist, eine separate Werbeschiene und für Heumilch, die nicht bio ist, eine separate Werbeschiene?

Ich glaube, das ist nicht ganz zielführend, sondern da sollte man es doch beim horizontalen Ansatz belassen, da wird man in der Zukunft sicherlich besser fahren.

Abschließend: Ich glaube, dass dieser Antrag insgesamt überschießend ist und wir daher den Fristsetzungsantrag auch nicht brauchen. Ich glaube, dass dieser Antrag des Kollegen Pirklhuber insgesamt höhere Kosten und eine geringere Effizienz bringen würde. Aus diesem Grund wäre es nicht richtig, dem zuzustimmen. Wir werden daher auch dem Fristsetzungsantrag in diesem Fall die Zustimmung nicht geben. (Beifall bei der ÖVP.)

17.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jannach. – Bitte.

 


17.54.09

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! Wir werden dem Fristsetzungsantrag zustimmen, einfach aus dem Grund, dass wir wieder einmal eine Sitzung des Landwirtschaftsausschusses haben. Wir haben ja gesehen, es gibt unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema, und ich bin dafür, dass wir das im Ausschuss besprechen.

Es geht uns aber nicht nur um die Punkte, die in diesem Antrag angesprochen sind. Bei der Gütesiegel- und Markenzeichenverordnung sind wir uns, glaube ich, alle einig, das haben wir auch schon mehrfach erörtert, und da gibt es auch schon ent­sprechende Anträge dazu. Es gehört dieser ganze Wust einfach einmal bearbeitet, denn das ist für den Konsumenten tatsächlich unzumutbar. Spätestens seit dem „Hart­berger Bauernquargel“ müssten alle Alarmglocken schrillen, dass man einmal aufräumt mit den ganzen Sachen, denn das ist lupenreine Konsumententäuschung. Da müsste man dringend etwas tun. (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Natürlich können Sie jetzt sagen, wenn das Gütezeichen drauf ist, kann der Kon­sument genau erkennen, dass es ein österreichisches Produkt ist. In Wirklichkeit ist es so, dass der Konsument das nicht erkennen kann, weil er nicht so weit ist, dass er darauf schaut, und weil er sich in dem ganzen Wust von Gütezeichen nicht auskennt.

Dieser Antrag wird wahrscheinlich abgelehnt werden, aber wir wollen in der nächsten Ausschusssitzung natürlich auch über die AMA diskutieren, denn es gibt wesentliche Punkte im Bereich der AMA, über die man tatsächlich reden muss, denn die AMA ist mittlerweile wirklich ein riesiger Verwaltungsapparat geworden. Ich sage es heute bewusst, auch wenn es ein böses Wort ist, aber das hört man von vielen Bauern: Was die AMA bei den Kontrollen macht, ist eine reine Schikane für die Landwirte! Das muss man wirklich sagen. Und da muss man wirklich versuchen, von unserer Seite, von Parlamentsseite, auch vonseiten des Ministeriums, Einfluss auf die AMA dahin gehend auszuüben, dass man da mit Maß und Ziel vorgeht.


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Wir brauchen eine Mindestgrenze bei den Förderungen. Ich kann doch nicht wegen einer 200-€-Förderung einen halben Tag einen Kontrolleur hinschicken, der 3 000 € kostet! Das geht nicht!

Da gibt es viele Dinge, über die wir bei der AMA diskutieren müssen.

Oder: die Sache mit den Merkblättern. Man muss sich wirklich einmal fragen, wem diese Dinge einfallen, die man mir als Landwirt vorschreibt, diese Cross-Compliance-Regelungen. Ich habe mir das Merkblatt ausgedruckt, da stehen ja ganz „lustige“ Dinge drinnen, die Anforderungen für mich als Landwirt, damit ich bei diesen Förder­maß­nahmen mitmachen kann.

Da steht zum Beispiel drinnen: „Es muss genügend geeignetes Personal für die Tierpflege vorhanden sein.“ – Also ich als Landwirt muss genügend geeignetes Per­sonal zur Verfügung stellen. No na, das ist eh ganz klar, sonst betreibe ich doch die Landwirtschaft nicht!

Ich habe aber noch „Sonstige Anforderungen“ zu erfüllen; vor allem im Tierhaltungs­bereich ist das schon einigermaßen kurios: „Gebäude, Unterkünfte und alle Ein­richtungen müssen leicht zu reinigen und für die Tiere ungefährlich sein.“ – No na, ich bin Landwirt, das werde ich doch wohl in meinem eigenen Interesse machen. Da brauche ich doch nicht diese Vorschrift dazu.

„Lüftungs-, Fütterungs- oder Tränkanlagen sind regelmäßig auf Funktionalität zu prü­fen.“ – Na bitte, wem fällt denn so etwas ein? Kein einziger Landwirt wird seine Tiere verdursten oder verhungern lassen.

„Eine qualitativ und mengenmäßig ausreichende Futter- und Wasserversorgung ist sicher­zustellen.“ – All das sind doch Vorschriften, die haarsträubend sind! Ich frage mich aber auch, wie man das kontrollieren will.

Oder, wenn man eine automatische Fütterungsanlage hat: „Diese müssen täglich kon­trolliert werden. Störungen sind unverzüglich zu beheben.“ – Das schreibt mir die AMA vor, dass ich das machen muss. Das macht jeder Landwirt automatisch! Da wird nur Papier produziert.

Oder: Kälber in Stallhaltung müssen mindestens zweimal täglich gefüttert und einmal täglich kontrolliert werden. – Bitte, was sollen denn solche Vorschriften?! Außerdem ist das alles nicht zu kontrollieren. Wie soll denn der AMA-Kontrollor kontrollieren, ob ich meine Kälber zweimal täglich füttere. Das geht nicht! (Zwischenruf bei der ÖVP.) Das steht drinnen bei den Regelungen, die ihr herausgegeben habt. Das ist ganz kurios.

Etwas Lustiges habe ich auch noch gefunden, etwas, was man unbedingt einhalten muss; da geht es um die Schweinehaltung: „Eine Bucht zum Decken darf keine Hinder­nisse aufweisen, ein ungehindertes Umdrehen des Ebers muss möglich sein.“ (Heiter­keit bei der FPÖ. – Beifall des Abg. Neubauer.)

Das wird mir vorgeschrieben. Das sind Dinge, die selbstverständlich sind! Das ist unglaublich. – Also es gibt viele Dinge, die man im Bereich der AMA ändern muss.

Eine andere Sache ist, und das ist nicht mehr so lustig: Wir haben 180 000 Betriebe und 100 000 Kontrollen im Jahr, und das ist wesentlich zu viel. Wir brauchen eine Verein­fachung bei der Antragstellung. Wir brauchen bei der Flächenermittlung eine einheitliche Regelung, denn einmal zählen die Quadratmeter, einmal zählen die Ar, da darfst du runden, einmal wird das Orthofoto herangezogen, jetzt wird die Digitalisierung herangezogen. Keiner kennt sich da mehr aus. Jedes Mal, jedes Jahr sind die Flächen anders – und vor Gericht zählt der Grenzstein. Das ist überhaupt eine Regelung, die nicht haltbar ist.


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Wir brauchen weniger Bürokratie, und da müssen wir auf jeden Fall über die AMA reden. Dazu werden wir die nächste Sitzung des Landwirtschaftsausschusses nutzen, und ich hoffe, es gibt sie möglichst bald. (Beifall bei der FPÖ.)

17.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


17.59.00

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich habe jetzt diese Unterscheidungen und Differenzierungen zwischen AMA-Gütesiegel und anderen Gütesiegeln nicht ganz verstanden, und das ist ja genau das Problem und das, was zur Verwirrung beiträgt. Es ist für die Konsumenten schwierig, auseinander­zuhalten, auf welches Gütesiegel sie sich verlassen können, was genau wo drinsteht, was welches Gütesiegel bedeutet, und deswegen sollte das Ganze schon aus einem Guss kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Auch wenn sie genau schauen, können viele österreichische Konsumentinnen und Konsumenten nicht erkennen, ob das Produkt tatsächlich aus Österreich kommt, ob auch die Rohstoffe aus Österreich kommen. Ich denke, wenn man als KonsumentIn in Österreich einkaufen geht, dann sollte man schon sicher sein können, dass dort, wo Österreich draufsteht, auch wirklich Österreich drinnen ist und auch die Rohstoffe aus Österreich kommen.

Viele Menschen in Österreich wollen bewusst einkaufen, wollen sich bewusst ernäh­ren, und da darf man die KonsumentInnen nicht verunsichern, nicht verwirren, sondern da muss man mit einer ordentlichen Kennzeichnung dazu beitragen, dass ihnen das Einkaufen leichter gemacht wird. Die Kennzeichnung dient zur Aufklärung, damit es leicht gemacht wird, bewusst einzukaufen, auch österreichische Produkte zu unterstüt­zen, anstatt hier noch zusätzlich zu verwirren. Es ist ja auch für eine bewusst einkau­fende KonsumentIn fast unmöglich, diesen ganzen Gütesiegel- und Kennzeichnungs­dschungel zu durchschauen.

Ich meine, die Gütesiegel sind nicht nur eine Sicherheit für die KonsumentInnen, son­dern auch für die Regionen. Schauen wir uns doch einzelne Fälle an, so beispielsweise diese Sache mit dem „Hartberger Quargel“. Was immer die Ursachen und so tragisch die Folgen waren, aber: Wenn in einem Produkt Rohstoffe drinnen sind, die von irgendwo kommen, nur nicht aus der angegebenen Region, und dann passiert etwas, dann fällt der Schaden doch auf diese Region zurück.

Ein ordentliches Gütesiegel, bei dem man sich sicher sein kann, dass das wirklich das regionale Produkt ist und dass die Rohstoffe dafür auch wirklich aus der angegebenen Region kommen, trägt auch zur Sicherheit der Regionen und der regionalen Betriebe bei. (Beifall bei den Grünen.)

Ich glaube, dass österreichische KonsumentInnen, wenn sie Fleisch essen wollen – so sie das eben tun wollen –, auch wirklich österreichisches Fleisch essen wollen. Und da reicht das AMA-Gütesiegel eben nicht aus, weil es nicht zwingend ist. Das heißt, es kann passieren, dass Tiere, die in Österreich lediglich geschlachtet werden, als österreichisches Fleisch verkauft werden. Und ich denke, da dürfen die Konsu­mentInnen nicht weiter in die Irre geführt werden.

Es muss sichergestellt sein, dass man sich auf die Qualität verlassen kann – und dass man sich auch auf den Tierschutz verlassen kann, denn ich glaube, niemand in Öster­reich möchte Fleisch essen, das von irgendwo herangekarrt wird, wo alle genau wis­sen, welche Tierquälerei damit verbunden war und ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 168

Es kann nicht sein, dass man Tiere nur zur Profitmaximierung mästet, dann dort schlachtet, wo es halt gerade am billigsten ist – und dafür die Tiere über Tausende Kilometer quer durch ganz Europa transportiert, wobei hinzukommt, dass wir ja wissen, wie diese Tiertransporte erfolgen: Zeiten werden nicht eingehalten, es gibt Langzeit-Tiertransporte, die Versorgung der Tiere ist nicht ausreichend und so weiter und so fort.

Damit muss Schluss sein! Tiertransportzeiten müssen beschränkt werden! Auch die Exportsubventionen für Lebendtiertransporte müssen abgeschafft werden, und wir brauchen ordentliche Kontrollsysteme, damit sich die KonsumentInnen nicht nur auf die Qualität verlassen können, sondern auch sicher sein können, dass die Tiere nicht auch noch unnötig gequält wurden.

Unsere Forderungen noch einmal: ein neues Gütesiegelgesetz, mit dem Gütesiegel staatlich anerkannt werden, mit klaren Kriterien, was die Herkunft angeht, was den Tierschutz angeht, was ökologische Kriterien angeht. Und: Die Bio-Marketingbeiträge der AMA müssen ausschließlich den Bio-Bauern zugute kommen.

Österreichische Produkte haben bei den Österreicherinnen und Österreichern einen hohen Stellenwert. Diese Produkte haben auch hohe Qualität – und das sollten wir nutzen, um diese Produkte entsprechend zu kennzeichnen und so sicherzustellen, dass wir in Österreich auch wirklich unsere eigenen heimischen Produkte essen. (Beifall bei den Grünen.)

Im Übrigen bin ich der Meinung, Österreich braucht – neben der Kennzeichnung von Lebensmitteln – ein eigenständiges, unabhängiges und engagiertes Umweltminis­te­rium. (Beifall bei den Grünen.)

18.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


18.03.54

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Geschätzter Herr Präsident! Hohes Haus! In einem einzigen Punkt gebe ich Herrn Kollegem Pirklhuber recht: Da besteht wirklich Handlungsbedarf. Ja, da geht es um einen sehr, sehr großen Skandal, aber eines vorweg: In jedem Fleischpäckchen, auf dem das AMA-Gütesiegel oben ist, ist ein österreichisches Produkt drinnen. Das ist unumstritten! (Beifall beim BZÖ. – Zwi­schenruf der Abg. Mag. Brunner.)

Der viel, viel größere Skandal ist aber: Bei jedem einzelnen Stück Fleisch, das die österreichische Konsumentin/der österreichische Konsument kauft, wo das AMA-Gütesiegel oben ist, steht nicht drauf, dass das Tier zwei Jahre lang mit gentechnisch verseuchtem Soja, importiert aus Brasilien, gefüttert wurde! Das ist wirklich ein Skandal, denn diese Produkte essen die Leute auch! (Beifall beim BZÖ.)

Bestände von gentechnisch verseuchten Futtermitteln haben wir ja heute nicht nur im Fleisch, sondern die sind überall drinnen – sogar im Fisch, in Eiern, in Truthähnen, ja im ganzen Geflügel. Aber dennoch gibt es für all diese Produkte das AMA-Gütesiegel! Das ist ein großer Skandal, eine geradezu unglaubliche Irreführung der Konsumen­tinnen und Konsumenten! Das müssen wir sofort abstellen.

Die ÖVP müsste da aktiv werden, wenn sie den Mut dazu hätte, denn sie hat verstanden, worum es da geht. – Ich muss ehrlich sagen, Kollege Maier von der SPÖ hat leider nicht kapiert, worum es da geht. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, Produkte von Tieren, ernährt mit gentechnisch verseuchten Futtermitteln, mit dem AMA-Gütesiegel zu verbinden, das ist einfach eine Frechheit. Das gehört sofort abgestellt! Im Gegenteil: Uns in Österreich sollte es gelingen, das


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 169

Füttern mit gentechnisch verseuchtem Futter zu verbieten! Der österreichische Land­wirtschaftsminister könnte das – trotz EU, denn diese hat uns bis heute nicht beweisen können, dass das Verabreichen von gentechnisch verseuchtem Futter nicht gesund­heitsschädlich ist.

Ganz im Gegenteil: Es gibt Studien der Veterinärmedizinischen Universität Wien mit Mäusen, dass es mit diesem Futter in der zwölften Mäuse-Generation zu gewaltigen Mutationen kommt. – Wer kann denn das bitte verantworten?! – Herr Grillitsch, Sie lachen jetzt wenigstens nicht, aber ich frage Sie noch einmal: Wer kann denn das verantworten?! Verantwortet das eine Bundesregierung, wenn Menschen in Österreich in 100 Jahren massive Störungen haben werden – und das nur, weil Raiffeisen und einige Großkonzerne profitgierig sind? Das gehört doch abgestellt. Das sind wir doch den österreichischen Konsumentinnen und Konsumenten, aber auch den Landwirten schuldig. (Beifall beim BZÖ.)

Verstanden hat aber offensichtlich auch niemand, welche Auswirkungen das für die Region Österreich, für den Agrarstandort und überhaupt für den Standort Österreich hat.

Wenn man in Österreich ohne gentechnisch verseuchte Futtermittel auskommen würde, dann wäre das eine ehrliche Produktion, dann würde unser Land wirklich zum Feinkostladen Europas werden, ja ich würde sogar sagen, zum Feinkostladen der Welt.

Solche Futtermittel sind ja wirklich nicht notwendig, denn wir können heute mit Vollfett-Sojabohnen ausreichend für den Eiweißbedarf sorgen – und da träfe man sozusagen gleich zwei Fliegen mit einem Schlag: Getreidemarkt und Getreidebauern wären sofort saniert, und der Landwirt bekäme für sein Produkt wieder einen fairen Preis, einen Preis, von dem er leben könnte – und niemand brauchte ein schlechtes Gewissen zu haben, resultierend aus einer Politik, die mittels Lobbyismus von einigen Großkonzer­nen in eine Richtung getrieben wird, dass die ganze Bevölkerung mit gentechnisch verseuchten Lebensmitteln vergiftet wird.

Meine Damen und Herren, es wäre ganz, ganz dringend, die einmalige Chance zu nützen, dass Österreich diesbezüglich in der EU eine Vorreiterrolle einnimmt, dass unser Land so wirklich eine Modellregion wird und dass vor allem auch die Land­wirtschaft von dieser Geißel befreit wird. Den Landwirten selbst ist es ja oft gar nicht bewusst, was sie da anrichten. Ich glaube, es ist relativ einfach, da einen ersten Schritt zu setzen, nämlich indem die AMA einfach kein AMA-Gütesiegel mehr hergibt für Schweinefleisch, für Geflügel, für Fisch, für Rindfleisch, für Kalbfleisch, wo nicht sicher­gestellt ist, dass die Betriebe ausnahmslos gentechnikfrei gefüttert haben.

Lacht da nicht seitens der ÖVP, sondern macht eine Politik mit Hausverstand und mit Herz! Nehmt eure Verantwortung wahr, denn da geht es wirklich um die gesamte Bevölkerung unseres Landes und nicht um das Wohl von Raiffeisen und einiger Kon­zerne.

Nützen wir die Chance! Sanieren wir Österreich auch diesbezüglich, und werden wir Vorreiter in der gesamten EU! Das würde uns hundertprozentig gedankt werden – und die Landwirte könnten wieder ruhigen Gewissens produzieren! (Beifall beim BZÖ.)

18.09


Präsident Fritz Neugebauer: Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Pirkl­huber, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft zur Berichterstattung über den Antrag 578/A der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber,


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Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das AMA-Ge­setz 1992 geändert wird, eine Frist bis 20. April 2010 zu setzen.

Wenn Sie für diesen Antrag sind, bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

18.09.45Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir nehmen die Verhandlungen über die Punkte 2 und 3 der Tagesordnung wieder auf.

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prinz. – Bitte.

 


18.10.04

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Debatte um den Grünen Bericht – in den vielen Wortmeldungen – ist ja schon des Öfteren der Einheitswert angesprochen worden. Dazu nur eine Bemerkung: Herr Kollege Gaßner, wenn man Vergleiche zum Jahr 1988 herstellt, dann bitte auch zu vergleichen, welche Preise die Bauern 1988 für die Produkte erhalten haben, wie viel 1988 zum Beispiel eine Mechaniker- oder Maurer-Stunde gekostet hat und wie viel unsere Betriebsmittel. Das bitte in die Betrachtung mit einzubeziehen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.– Ich bitte dich als Landwirtschafts­sprecher, durchaus auch innerhalb der SPÖ wachsam zu sein. Aussagen wie die des Herrn Kollegen Kräuter in der letzten Woche oder die des Herrn Arbeiterkammer-Direktors Muhm lassen nichts Gutes ahnen, sondern wecken eher Befürchtungen bei den Landwirten.

Der Grüne Bericht ist eine gute Grundlage, um Rückschau zu halten, was im ver­gangenen Jahr geschehen ist. Zu diesem Bericht ist hinzuzufügen, dass das Jahr 2008 noch unter wesentlich besseren Voraussetzungen und unter einem guten Stern gestanden ist. Inzwischen hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch die Landwirtschaft voll erwischt. Ein besonders deutlicher Hinweis darauf ist der Agrarpreisindex. Wenn man sich diesen Index anschaut, dann sieht man, dass wir im letzten Jahr ein­schließlich der öffentlichen Gelder bei einem Wert von 98,9 Prozent waren – und das ausgehend von der Preisbasis 1995.

Das unterstreicht einmal mehr die Wichtigkeit der öffentlichen Mittel für die Struktur einer bäuerlichen Landwirtschaft. Bei den Futterbaubetrieben sind wir beispielsweise bereits so weit, dass rund 70 Prozent des Einkommens aus öffentlichen Mitteln kommen. Diese Gelder gibt es aber nicht fürs Nichtstun, und sie liegen nicht brach. Nein, ganz im Gegenteil, dahinter steht Leistung, Leistung wie zum Beispiel gesunde Lebensmittel oder das Offenhalten und die Pflege der Kulturlandschaft.

Die bäuerliche Landwirtschaft ist ein wichtiger Investor im ländlichen Raum. Rund 4 Milliarden € werden pro Jahr für Maschinen, Gebäudeinvestitionen und Betriebsmittel ausgegeben. Ein wesentliches Ziel der Agrarpolitik ist es, den bäuerlichen Familien ein angemessenes Einkommen zukommen zu lassen – in der Vielfalt der Kombinations­möglichkeiten, die es eben gibt. Der Vergleich zu anderen Berufsgruppen zeigt, dass der bäuerliche Bereich wesentlich benachteiligt ist. Einschließlich der öffentlichen Gel­der – diese Zahlen sind aus dem Grünen Bericht Oberösterreich – verdient ein Arbeit­nehmer pro Monat brutto 2 500 € auf 12 Monatsgehälter gerechnet, Arbeitskräfte in der Landwirtschaft 600 € weniger, also rund 1 900 €.

Welche Möglichkeiten gibt es, hier gegenzusteuern? Eine Möglichkeit liegt klar auf der Hand: Sich nicht nur in Umfragen zu heimischen Lebensmitteln zu bekennen, sondern diese auch zu kaufen – und zwar zu fairen, gerechten und kostendeckenden Preisen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 171

Die Bauern garantieren dafür hochwertige Lebensmittel, die Wertschöpfung bleibt im Inland, und Arbeitsplätze werden gesichert. Jeder Arbeitsplatz in der Landwirtschaft sichert in den vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen drei weitere Arbeitsplätze.

Besonders wichtig ist mir auch eine Kennzeichnung, die ihrem Namen gerecht wird. Dort, wo heimische Produkte auf der Verpackung angepriesen werden, müssen wirk­lich heimische Produkte drin sein.

Dem Grünen Bericht für das Jahr 2008 stimmen wir gerne zu. (Beifall bei der ÖVP.)

18.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


18.13.41

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen! Liebe Kollegen! Der Grüne Bericht ist ein wichtiges Papier, enthält wichtige Grundlagen für unsere politische Tätigkeit und sehr viele interessante Daten und Fakten, jedoch fehlt mir ein Kapitel darüber – das habe ich bereits in der letzten Dis­kussion um den Grünen Bericht gesagt –, wie es den Arbeitnehmern und Arbeitneh­merinnen vor allem in der Forstwirtschaft ergeht. Wir lesen eigentlich tagtäglich über schwere Arbeitsunfälle. Wir lesen leider auch wöchentlich über tödliche Arbeitsunfälle im Bereich der Forstwirtschaft. Es wäre daher interessant, wenn wir im Grünen Bericht dieses Kapitel in Zukunft ebenfalls abhandeln würden.

Meine Damen und Herren, ich möchte auch ein paar Fakten zum Thema Bauern­sterben erwähnen. Die Zahlen sind ja aus dem Bericht ersichtlich, und ich denke, es wäre doch notwendig, hier geeignete Maßnahmen einzuleiten. Herr Minister, Sie haben diesbezüglich quasi von einem Businessplan gesprochen. Ich denke auch, dass es im Bereich der Förderungen Möglichkeiten gäbe, gegen dieses Bauernsterben etwas zu tun.

Ich möchte zum Schluss noch auf einen ganz wichtigen Punkt zu sprechen kommen. Ich weiß schon, dass Sie, Herr Minister, nicht direkt zuständig sind, ich spreche hier mehrere Minister in der Regierung an. Es geht darum, dass die Bundesbeschaf­fungsagentur für weite Bereiche des Bundesheeres – für viele Kasernen, vor allem in Oberösterreich, wie mir immer wieder gesagt wird – Milch und Milchprodukte ankauft. Wir wissen sehr genau, dass diese Milch und diese Milchprodukte nicht in Österreich angekauft werden, sondern vor allem in Deutschland, obwohl das gesamte Bundes­heer Interesse daran hat, dass österreichische Produkte und vor allem Produkte von österreichischen Bauern angekauft werden. – Herr Minister, ich ersuche Sie, darauf einzuwirken, dass in Zukunft in unseren Kasernen Produkte aus Österreich und Pro­dukte von Österreichs Bauern angekauft werden! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schmuckenschla­ger. – Bitte.

 


18.16.05

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich hätte Herrn Pirklhuber gern noch kurz etwas gesagt, aber er ist jetzt nicht anwesend; vielleicht kann man es ihm ja ausrichten. Er hat vorhin die Problematik rund um die Spritz- und Düngemittel in der Landwirtschaft erwähnt. Ich wollte ihm nur anbieten, dass ich ihm einmal eine Preisliste vorbeibringe. Er wird sich davon überzeugen können, dass angesichts des Sparwillens unserer Bauern sicherlich nur das Nötigste verwendet wird, sicherlich kein Liter und kein Gramm Düngemittel mehr, als absolut notwendig ist. (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 172

Als vor 50 Jahren im Rahmen des Landwirtschaftsgesetzes der Grüne Bericht einge­führt wurde, ging es um eine preisgünstige Ernährungssicherheit für die Bevölkerung und um die Teilnahme der bäuerlichen Bevölkerung an der allgemeinen Wohlstands­ent­wicklung. Ich glaube, das sind Themen, die heute noch genauso aktuell sind wie damals. Wir haben zwar den Bericht des Jahres 2008, in dem wir mit leichten Steige­rungen beim Einkommen rechnen konnten, doch wir kennen auch das Jahr 2009, in dem wir leider dramatische Rückgänge zu verzeichnen hatten. Dies lässt sich zurück­führen auf die Volatilität der Märkte und die Instabilität. Es ist ganz wichtig, Maß­nahmen zu finden, die Märkte zu stabilisieren und die Preise zu stützen.

Das Ziel des Grünen Berichts ist natürlich die Debatte hier im Plenum, und ich möchte dem Ministerium für diesen umfangreichen Bericht wirklich danken. Es wird oft kritisiert, dass der Berichtszeitraum zu lange zurückliegt, das Jahr 2008 nicht mehr repräsentativ ist. Ich glaube aber, dass der Bericht viele Kennzahlen enthält und es dem einen oder anderen, der heute hier zu dieser Debatte gesprochen hat, nicht schadet – auch wenn die Zahlen aus dem Jahr 2008 sind –, sich über die Gesamtlage ein Bild zu machen und sich etwas genauer zu informieren.

Ein besonderes Segment möchte ich herausgreifen, und zwar anlässlich des Welt­wassertages, der diese Woche stattgefunden hat. Wir haben mit der österreichischen Landwirtschaft – und hier durch den österreichischen Weg einer nachhaltigen Acker- und Wiesenbewirtschaftung – einen ganz wesentlichen Anteil daran, einen der größten Schätze und höchsten Güter unseres Landes zu bewahren – und unsere Leistung ist unser Trinkwasser. Über 1 Milliarde Menschen auf dieser Welt haben kein sauberes Trink­wasser. Es ist eine Leistung der österreichischen Land- und Forstwirtschaft, dafür zu sorgen, dass in Österreich für die Gesamtbevölkerung Trinkwasser in bester Qualität zur Verfügung steht.

Österreichs Bäuerinnen und Bauern tragen seit jeher zur Grundversorgung bei und decken den Tisch. Es ist aber auf Dauer nicht möglich, höchstmögliche Qualität zu niedrigsten Preisen und unter strengsten Bedingungen zu erzeugen. Daher brauchen wir hier Unterstützung. In Zukunft werden wir mehrere Wege gehen müssen. Das ist auf der einen Seite die Grundversorgung, auf der anderen Seite eine Strategie, wie wir mit der weiteren Produktion umgehen. Wir haben hier die drei „T“, denn wir sprechen von dem Teller, dem Trog und dem Tank, wir sprechen von der Ernährung, von der Futterwirtschaft und von der Energiewirtschaft, und in dieser Priorität sehen wir es auch.

Es kann nicht sein, dass wir Lebensmittelproduktion und Energieproduktion gegen­einander ausspielen. Da gibt es kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Gerade die bauernbunddominierte Agrarpolitik der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass wir der Garant sind für die Grundsicherung und die Grundversorgung unserer Bevöl­kerung und für ein intaktes Ökosystem. (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner.) Die Kompetenz des Bauernbundes liegt ja vor allem darin, dass wir selbst praktizierende Landwirte sind und daher wissen, wovon wir sprechen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der Begriff Nachhaltigkeit ist nicht umsonst ein Wert unserer Bauern, und nicht umsonst hat er sich im Programm der ÖVP zur Richtschnur unseres politischen Han­delns entwickelt.

Ich wollte noch kurz auf die Ausführungen des einen oder anderen eingehen, es zahlt sich aber zum Teil in der fachlichen Diskussion nicht aus. – Herzlichen Dank, Herr Minister! (Beifall bei der ÖVP.)

18.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 173

18.20.15

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kollegin­nen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass die biologisch bewirtschaftete Fläche in Österreich – also die Anzahl der Biobetriebe – im Jahr 2008 deutlich zugenommen hat. Allein im Bezirk Liezen – Sie kennen den Bezirk, Herr Minister – haben wir mehr als 2 000 Bauern, zirka ein Drittel davon sind Biobetriebe. Die große Mehrheit dieser Biobetriebe – also drei Viertel davon – sind im Übrigen Bergbauernbetriebe.

Ja, es stimmt, Biobetriebe bekommen mehr öffentliche Fördergelder, aber sie tun ja auch etwas dafür. Es gibt sehr strenge gesetzliche Regelungen, die sie einhalten müs­sen. Ich möchte nur einige nennen: Es muss die Bodenfruchtbarkeit gegeben sein, es dürfen keine synthetischen Dünger verwendet werden, es dürfen keine Spritzmittel verwendet werden, es muss natürlich auch eine artgerechte Tierhaltung gegeben sein – der Auslauf für die Tiere ist verpflichtend –, und die Förderung der Kreislaufwirt­schaft muss gegeben sein. Es wird den Biobauern ganz sicher nicht leicht gemacht.

Für uns Sozialdemokraten und die sozialdemokratischen Bauern sind diese Biobe­triebe eigentlich Leitbetriebe. So würden wir es uns in Zukunft vorstellen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir jetzt schon anfangen, gemeinsam zu überlegen und zu diskutieren, was nach dem Jahr 2013 sein wird, wenn dieses Bio-Förderprogramm ausläuft. Wird es wirklich auslaufen? Gibt es ein Nachfolgeprogramm? Wir sollten jetzt schon beginnen, uns darüber zu unterhalten, und nicht erst 2013, wenn es schon zu spät ist, denn wir sehen, Biobetriebe sind im Kommen, es werden immer mehr, und sie sind vor allem beliebt. (Beifall bei der SPÖ.)

18.22


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


18.22.24

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Meine geschätzten Damen und Herren! Der Grüne Bericht ist ein statistisches Werk, das Aussagen trifft über die Einkommensentwicklung, aber auch die Möglichkeit schafft, Vergleiche anzustellen. Und ich bin der Meinung, man sollte dies auch tun.

Wenn die Politik heute teilweise kritisiert worden ist, weil es einen Strukturwandel gibt, so sage ich: Machen wir Vergleiche mit den übrigen Ländern Europas! Wenn ich Ihnen sage, dass es in Bayern, das wesentlich größer ist als Österreich, nur mehr 100 000 Bauernhöfe gibt – oder knapp darunter – und in Österreich 185 000 Bauernhöfe, wer­den Sie zugeben müssen, die Politik in Österreich kann nicht so schlecht gewesen sein in den letzten Jahren. Und wenn man ganz Europa vergleicht, dann verstärkt sich dieser Eindruck. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Vorrednerin hat gesagt, dass für die Biobetriebe nicht genug getan wird. Es gibt kein Land in Europa und auf der Welt, in dem so viel für die Biobetriebe gemacht wird. Ich bin selbst praktizierender Biobauer und weiß, wovon ich rede. Wir haben die größte Dichte an Biobauern, und es gibt so viel Unterstützung für die Biobauern wie sonst nirgendwo in Europa. Das sollte man durchaus auch einmal erwähnen. Die Situation der Bauern ist sicherlich nicht rosig. Wir müssen Maßnahmen setzen, aber wir müssen die richtigen Maßnahmen setzen und nicht Maßnahmen in eine falsche Richtung.

Der Grüne Bericht 2009 unterlegt die Entwicklung im Jahr 2008, in dem wir eine relativ gute Preisentwicklung gehabt haben. Damit ist auch gewährleistet, dass wir die Ver­sorgungssicherheit, die Lebensmittelsicherheit entsprechend garantieren.

Ziel unserer Politik ist die flächendeckende Bewirtschaftung durch bäuerliche Familien­betriebe. Wir werden den Bäuerinnen und Bauern auch Bedingungen bieten, die es ermöglichen, Einkommen zu erwirtschaften. Das heißt: verlässliche Agrarpreise und


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 174

Direktzahlungen. Verlässliche Agrarpreise machen heute nicht mehr die Politiker, sondern Angebot und Nachfrage, der Markt macht sie.

Ich nehme die Anregung des Kollegen Schopf gerne auf und darf dazusagen, dass auch Minister Darabos aufgerufen ist, zu schauen, dass in den Kasernen heimische Lebensmittel verwendet werden. (Abg. Elisabeth Hakel: Es ist Minister Pröll!) Wir haben im Bundesland Salzburg darum gekämpft, bis Landeshauptfrau Burgstaller letztendlich Einsicht gezeigt hat und wir in den Landeskrankenanstalten wieder mit heimischen Produkten untergekommen sind. Es war ein harter Kampf; wir haben gewonnen, wir haben es geschafft. (Beifall bei der ÖVP.)

Daneben gibt es natürlich noch die Möglichkeit der Mengensteuerung. Die macht Sinn, aber nur in einem wirtschaftlich abgegrenzten Raum, wie es zum Beispiel die Euro­päische Union ist. Ich halte es für verwerflich, wenn Politiker heute noch – Kollege Huber zum Beispiel – den Bauern einreden, nur wenn man bei der Quotenregelung innerhalb Österreichs die Saldierung abschafft, werden die Preise besser. Ganz und gar nicht werden sie besser! Es ist ein Nachteil für die Bauern (Zwischenruf bei der FPÖ), weil dadurch die Quotenpreise steigen und innerhalb Europas die vermarktete Milchmenge nur um ein Tausendstel sinkt, was keine Auswirkungen auf den Preis hat.

Es gäbe noch sehr viel zu sagen. Es ist auch notwendig, dass man das Thema Eigentum in Zukunft entsprechend hart behandelt und dahintersteht, auch was die Be­steuerung betrifft. Wenn vonseiten der Sozialdemokraten per Presseaussendung 200 Millionen € verlangt werden, indem man den Einheitswert abschaffen und in Zu­kunft eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung haben will, dann werden wir uns dage­gen – wie gegen jede neue Form der Besteuerung von Eigentum – entsprechend zur Wehr setzen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Der Pröll hat gesagt, es gibt keine Tabus!)

18.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


18.26.25

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Grüne Bericht ist als Analyse- und Informationsinstrument für die Agrarpolitik ein wirklich angebrachtes Mittel, und ich möchte mich auch recht herzlich bei allen Bäuerinnen und Bauern bedanken, die dafür ihre Daten freiwillig zur Verfügung stellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich bedanke mich aber genauso bei meinen Vorrednern für die vielen Bekundungen zur kleinbäuerlichen Agrarstruktur bei uns in Österreich. Das ist nämlich genau das, was die Konsumenten wollen und brauchen, das, was akzeptiert wird.

Wir haben jetzt viel über den Strukturwandel geredet, und eines möchte ich schon anmerken: Man kann herauslesen, dass sich der Strukturwandel seit 1995 verlangsamt hat und wir in Österreich für die kleinen Betriebe doch sehr gute Rahmenbedingungen vorfinden. Ich denke hierbei an die Pauschalierungsverordnung, genauso an viele Kleinerzeugerregelungen oder auch an Größenmodulationen in den Umweltprogram­men. Das bringt uns Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Ländern. Das höre ich immer wieder bei meinen Gesprächen mit Berufskollegen aus Deutschland – aus Bayern –, und kann das immer wieder feststellen.

Zur Einkommensverbesserung für die kleinen Betriebe tragen natürlich auch unsere Genossenschaften und Erzeugergemeinschaften bei – genauso auch der Bio-Ver­band –, die einen guten Marktauftritt für die kleinen Betriebe ermöglichen. Das ist sehr wichtig, wie auch die Handschlagqualität und die Zahlungsgarantie, die diese Gemein­schaften ermöglichen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 175

Wir wissen ganz genau, wie es war, als in der Vergangenheit die Viehhändler das Vieh von den Bauern entgegengenommen haben, von Schlachtbetrieben kassiert und sich dann verspekuliert haben, in den Konkurs geraten sind, das Geld nicht mehr zu den Bauern geflossen ist und alle durch die Finger geschaut haben. Herr Abgeordneter Huber, Sie brauchen keine Angst zu haben, Sie sind damit nicht gemeint.

Aber wie sieht es tatsächlich aus in den sensiblen Bereichen, die uns wichtig sind, bei den Bergbauernbetrieben zum Beispiel? Hier haben wir ein Einkommensplus von 5 Prozent gehabt – im Vergleich zum Durchschnitt der Betriebe, in denen nur 1 Prozent erreicht worden ist –, aber genauso auch im Biobereich, in dem wir ein Plus von 4 Prozent verzeichnen konnten. Wie dieses Plus von 4 Prozent entstanden ist, hat mein Vorredner, Franz Eßl, sehr gut dargestellt.

Die Einkommenssituation 2009 war – und das haben schon viele Vorredner ange­merkt – nicht sehr gut, ein Minus von 20 Prozent ist natürlich sehr dramatisch. Aber ich sehe hier einen Lichtblick, zum Beispiel in der Energiestrategie für Österreich, mit der wir den Bauern eine neue Einkommensquelle eröffnen können. Hackschnitzel statt Heizöl oder Biogas statt Erdgas sind hier nur Schlagworte, die schon längst Realität sind. (Zwischenruf der Abg. Elisabeth Hakel.)

Die Bauern leiden unter der Volatilität der Preise am Markt, und die Spekulation auf agrarische Rohstoffe trifft sie hart. Die gemeinsame Agrarpolitik ist gefordert, die Rah­menbedingungen nach 2013 entsprechend zu gestalten, sodass es auch für unsere Bauern hier in Österreich passt. Dementsprechend müssen wir uns einbringen. Ich bin davon überzeugt, dass unser Bundesminister, Niki Berlakovich, das ganz her­vorragend meistern wird. Wir wissen das aus der Vergangenheit. Als es zum Beispiel in der Gentechnikfrage um das Anbauverbot ging, hat er das ganz vorzüglich gemeis­tert. Ich bin da also guter Hoffnung. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.30


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, den vorliegenden Bericht III-90/624 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer für die Kenntnisnahme eintritt, den bitte ich um ein zustimmendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Pirklhuber, Mag. Gaßner, Grillitsch, Jannach, Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend nationales Anbauverbot für die Gentechnik-Kartoffel „Amflora“ von BASF.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich um Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 87.)

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Dringlichkeit der Wahrnehmung der Koordinierungsfunktion des Landwirtschaftsministers in der Einheitswertfrage.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Linder, Jury, Dr. Strutz, Jannach, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kennzeich­


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nungs­pflicht für Schweinefleisch aus Zucht- und Produktionsabläufen mit chemischer Kastration mittels Impfeingriff.

Wer für diesen Entschließungsantrag ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Er findet keine Mehrheit und ist damit abgelehnt.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, seinen Bericht 625 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

18.32.4. Punkt

Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regie­rungs­vorlage (610 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden (626 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich rufe den 4. Punkt der Tagesordnung auf.

Auf eine mündliche Berichterstattung wird verzichtet.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Jannach. – Bitte, Herr Kollege.

 


18.32.55

Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Bei diesem Marktordnungsgesetz geht es in erster Linie um die 6-Millionen-€-Milchkuh­prä­mie, die für die heimischen Landwirte ausgeschüttet werden soll, zur Rettung des Milchmarkts. Und weil ihr von der ÖVP auch ein Plakat mitgenommen habt, Taferln, habe ich auch etwas mitgebracht. (Der Redner hält ein Plakat in die Höhe.)

Das machen die 6 Millionen € Förderung aus für einen Liter Milch, bitte. (Abg. Grillitsch: Das stimmt sogar!) Das stimmt, das ist richtig gerechnet, mehrfach nach­gerechnet. Das macht es aus für einen Liter Milch, und das soll dann die Rettung des heimischen Milchmarktes sein. (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das hat doch niemand behauptet! Das versuchen Sie zu suggerieren!) Also für uns ist das uner­hört! – Herr Minister! Sie können danach antworten, aber jetzt bin ich am Rednerpult. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Jury und Linder. Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Keine Frage!)

0,22 Cent der Liter Milch! Und das dauert dann auch noch ein Jahr! Seit einem Jahr wird das den Bauern versprochen, jetzt wird das wahrscheinlich im Sommer oder vielleicht erst im Herbst oder was weiß ich wann ausgezahlt. 0,22 Cent je Liter Milch!

Jetzt kann sich das jeder ausrechnen: Wenn jemand 100 000 Liter Kontingent hat, und das haben nicht alle Bauern, dann sind das 200 € pro Jahr. Und das soll die Ent­schädigung sein dafür, dass der Milchpreis von über 40 Cent auf 25 Cent und jetzt auf vielleicht 30 Cent gefallen ist?! – Das kann keine Entschädigung sein, das kann keine Lösung sein! Wir werden diesem Marktordnungsgesetz in dieser Form nicht zustim­men. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Jury und Linder.)

Und das wollen Sie heute feiern?!

Eine Reise möchte ich noch in Betracht ziehen, weil ich davon gerade in der Zeitung gelesen habe, das ist diese Fahrt nach Chicago. Es geht da darum, dass diese Termin­börsen den Preis für die Landwirtschaft kaputt machen. Es geht um den Handel mit Agrarrohstoffen. Es freut mich sehr, dass der Herr Minister da hingefahren ist und mit denen gesprochen hat. Für diese Reise bin ich, das muss ich wirklich sagen, nur war


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das ein Jahr zu spät. Wir von der FPÖ haben schon vor einem Jahr ein Verbot der Spekulation mit Agrarrohstoffen gefordert.

Jetzt hat es ein Jahr gebraucht, bis auch die ÖVP draufgekommen ist, dass das eigent­lich das Grundübel ist, dass der Handel auf den internationalen Märkten die Preise für die Landwirtschaft mit kaputt macht. Trotzdem muss ich gratulieren, dass Sie hingefahren sind. Ich hoffe, dass auch ein Ergebnis herauskommt. Sehr zuversichtlich bin ich nicht. Ich habe schon beim ersten Tagesordnungspunkt, beim Grünen Bericht, darauf hingewiesen, dass wir endlich einmal Taten sehen wollen.

Bei der Lebensmittelkennzeichnung sagt der Herr Minister: Das geht den Gesundheits­minister an, das kann ich nicht im Alleingang, da geht gar nichts. Zuerst müssen wir einmal reden. Das ist so beim Einheitswert, der die Landwirtschaft betrifft. Das geht den Finanzminister an, das ist ganz klar. Über alle anderen Dinge, die die Landwirt­schaft betreffen, müssen wir mit der EU reden. Das geht nicht!

Wir wollen aber jetzt Taten sehen, denn die Einkommenssituation in der Landwirtschaft ist dramatisch! Und darum ersuche ich Sie wirklich noch einmal von diesem Rednerpult aus: Diese 0,22 Cent sind nicht die Rettung des Milchmarktes! Da können Sie zehn Mal in der Zeitung inserieren: 6 Millionen € für die Bauern! – Das schädigt nur das Image der Bauern, weil in der Bevölkerung der Eindruck entsteht, die Bauern bekom­men schon wieder 6 Millionen €. Inserieren Sie besser die 0,22 Cent!

Mit einer gescheiten Milchmarktordnung auf europäischer Ebene, die die Mengen anständig reguliert, können wir wesentlich mehr erreichen, und das kostet nicht einmal diese 6 Millionen €, das kostet ein Zeichen mit der Hand in Brüssel, nämlich einmal die Hand heben und sagen: Wir wollen den liberalisierten Milchmarkt nicht haben! – Danke. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Jury.)

18.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


18.36.23

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Das war wieder ein typisches Beispiel, an dem man sieht, dass wir die Taten setzen und dass Sie aber die Taten nicht sehen oder nicht sehen wollen. Das, was wir jetzt erlebt haben, war keine Milchmädchenrechnung, Herr Kollege Jannach, sondern das war wirklich eine Milchbubenrechnung, die Sie jetzt angestellt haben. (Abg. Jannach: Das ist die Wahrheit!) Wirklich eine Milchbuben­rechnung, denn: Wir haben ein Maßnahmenpaket geschnürt – ich weiß nicht, haben Sie das nicht wahrgenommen? –, unter anderem mit 26 Millionen € für die Milchkuh­prämie ab dem Jahr 2010. Wir haben die Weide- und Auslaufprämie ausgeweitet. Der Herr Bundesminister hat eine Stärkung der Liquidität herbeigeführt: 70 Prozent der Betriebsprämienauszahlung wurde vorgezogen. Das war eine national umgesetzte Maßnahme.

Wir haben die Quotenerhöhung nicht durchgeführt – im Sinne der Milchbauern. Wir haben die Saldierung verschärft. Wir haben sie nicht abgeschafft, meine lieben Kolle­ginnen und Kollegen, sondern wir haben sie verschärft, mit dem Ergebnis, dass es erstmals für das Milchwirtschaftsjahr 2008/2009 keine Überlieferung mehr gibt! (Abg. Jannach: Es ist ohnehin „alles paletti“!)

Wir haben also recht behalten, wir haben das Richtige für die Bäuerinnen und Bauern getan. Und ich sage Ihnen ehrlich, das werden wir uns auch in Zukunft von niemandem streitig machen lassen. Das sollten wir offen diskutieren, denn am Ende des Tages wissen die Bauern genau, auf wen Verlass ist. (Beifall bei der ÖVP.)

18.37



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 178

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirkl­huber. – Bitte. (Abg. Mag. Molterer – in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Dr. Pirklhuber –: Ein weiterer Milchbube!)

 


18.38.03

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Wer war das? – Ah, Kollege Molterer, der Ex-Landwirtschaftsminister. Herr Kollege Molterer, es ist sehr interessant, wenn man die Analyse liest. Wir haben heute schon ausführlich über den Grünen Bericht diskutiert, und ich werde Ihnen jetzt zu Gehör bringen, was die Sozial­partner und die Landwirtschaftskammer, die dort mit im Boot ist, genau zum Milchmarkt gesagt haben. Sie haben gesagt: Die Ursachen für den derzeitigen Verfall der Milch­er­zeugerpreise liegen auch in der Überproduktion von Milch in Europa und in Österreich.

Das haben alle Sozialpartner einstimmig beschlossen. Das ist im Grünen Bericht nachzulesen. Da sind wir wieder dort: Und was sind die politischen Schlussfolgerungen daraus? – Diese Novelle zum Marktordnungsgesetz ist es zweifelsfrei nicht! Wa­rum? – Wie verteilen Sie die 6 Millionen €? Sind die 6 Millionen € wirklich die Lösung des Problems, nämlich die Lösung des Milchmarktproblems in Europa? Ich sehe das ganz klar: In Europa!

Was kann von Österreich und in Österreich getan werden? – Auch dazu gibt es eine Empfehlung. Die Empfehlung 5 der §-7-Kommission lautet zum Beispiel, sich auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass ein adäquates Modell der Mengensteuerung beibehal­ten wird. – Jawohl! Wir wollen eine Beibehaltung der Mengenregulierungen in Europa, und dazu braucht es einen konsequenten politischen Weg. Den vermissen wir!

Dieses Marktordnungsgesetz, werte Kolleginnen und Kollegen, im Umfang von 6 Mil­lionen €, diese 0,22 Cent – Kollege Jannach hat das richtig ausgerechnet –, werden keinen Betrieb am Leben erhalten. (Abg. Grillitsch: Das behauptet ja auch niemand!)

Na gut: Das behauptet niemand, sagt Kollege Grillitsch. – Ja wozu machen wir dann Agrarpolitik? Doch bitte darum, bäuerliche Arbeitsplätze in der Milchwirtschaft in Österreich zu erhalten! (Beifall bei den Grünen.)

Warum? – Weil sie die hoch qualitativen Produkte im Alpenraum erzeugen. Wir haben einen Standortvorteil! Wir könnten uns, wenn wir das wollen – und das ist auch ein Vor­schlag der §-7-Kommission –, dafür einsetzen, dass endlich der Begriff „Alpenmilch“ in Europa etabliert wird. (Abg. Mag. Molterer: Die Alpen des Burgenlandes!) Das ist Herkunftsregelung! (Zwischenruf bei der ÖVP: Wir haben das schon!) Ja, ihr in Salzburg, aber es geht um eine verbindliche Regelung, die sicherstellt, dass keine Markttäuschung passiert, dass unsere Milch, die Wertschätzung dieser Milch auch auf dem Markt einen entsprechenden Preis erzielt. (Beifall bei den Grünen.)

Und wenn das drinnen steht, dann steht auch drinnen: Klare Kennzeichnung jener Produkte, bei denen Milch durch andere Zutaten ersetzt wird, die sogenannte Analog-Produktion. Sie wissen, Schummelschinken, Analogkäse, diese Dinge sind nach wie vor nicht wirklich gelöst. Da sind wir auch aufgefordert zu handeln.

Wie gesagt: Das Marktordnungsgesetz ist leider wieder einmal ein Zeichen dafür, dass Sie nicht bereit sind, die grundsätzlichen Aufgaben anzugehen, nämlich mehr Gerech­tigkeit in das österreichische Agrarsystem zu bringen. Es wäre interessant gewesen, die Verordnungsermächtigung, die darin enthalten ist, konkreter im Ausschuss zu dis­kutieren.

Sie waren nicht bereit, mit uns im Ausschuss über die derzeitigen Verhandlungen über die Zukunft der Milchquotenregelung in Europa zu diskutieren, und das halte ich ganz einfach für wirklich unmöglich, Herr Minister. Ich habe Sie im Ausschuss gefragt bezie­hungsweise gebeten, dass die Kollegin Klausner, die dort die Verhandlungen führt und


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die anwesend war (Abg. Grillitsch: Klauser, nicht Klausner!) – Klauser, von mir aus –, berichtet, welche Position sie vertritt, welche Position Österreich vertritt. Keine Antwort vom Herrn Minister! Er hat uns nicht sagen können, welche Position Österreich im Hinblick auf die Zukunft der Milchquotenregelung im Detail in die Verhandlung einge­bracht hat. Bis heute hat kein Abgeordneter dieses Hauses, kein Fachabgeordneter ein Positionspapier dazu erhalten. Dieser Marktordnungsnovelle werden wir auf keinen Fall zustimmen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und löst überhaupt kein Problem des Milchmarkts. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

18.42


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


18.42.03

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ja, in ganz Europa gab und gibt es einen massiven Verfall des Milchpreises. Die Nachfrage nach Milch sinkt, es ist zu viel Milch am Markt, und die Bauern bekommen für die Milch Preise, die sich nicht mehr rechnen, Herr Huber.

Es ist erfreulicherweise gelungen, dass EU-Gelder aus dem Titel Marktstörungsmaß­nahmen zur Verfügung gestellt werden, insgesamt 300 Millionen € für ganz Europa, davon 6 Millionen € für Österreich. Es ist dies ein Tropfen auf den heißen Stein, und dieser Betrag muss bis 30. Juni 2010 direkt den Milchbauern zufließen.

Um die Auszahlung nicht zu gefährden, werden wir von der SPÖ der vorliegenden No­velle die Zustimmung geben. Ich halte jedoch fest, dass sich unsere Fraktion eine Begünstigung für jene Milchbauern gewünscht hätte, die ihre Lieferquoten einhalten und nicht überliefern und dadurch das System bisher stabilisiert haben. Der Koalitions­partner war dazu leider nicht bereit. (Abg. Huber: Jetzt haben wir etwas gelernt!)

Wir von der SPÖ stehen auf der Seite der kleinen und mittelgroßen Bauern und fordern seit Jahren effektive Mittel und Modelle, die nicht nur Großbauern unterstützen. Deshalb ersuche ich Sie alle, sehr geehrte Damen und Herren: Arbeiten wir gemein­sam an sinnvollen Zukunftsmodellen für unsere Landwirtschaft, damit solche einma­ligen Zahlungen erst gar nicht nötig sind. – Danke. (Beifall bei SPÖ.)

18.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


18.43.55

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, den Strukturwandel in der Land­wirtschaft, den gibt es wirklich. Wir sollten jetzt einmal unseren Landwirten, unseren Bauern das Gefühl geben, dass wir stolz sind, dass auch die Bundesregierung hinter ihnen steht und dass sie Maßnahmen ergreifen wird, die ihnen helfen können, ihre Existenz abzusichern.

Da seid ihr überhaupt nicht innovativ, habt keine Ideen. Es wäre so einfach – ich habe das schon öfter aufgezeigt –, wenn man aus den Landwirten Energiewirte machen würde, wenn man ihnen mit Photovoltaik, mit Parabolrinnen, mit Parabolspiegeln, mit einem anständigen Ökostromgesetz unter die Arme greifen würde. (Beifall beim BZÖ. – Ruf bei der ÖVP: In Lienz vielleicht!)

Nein, ihr seid da total fantasielos, absolut fantasielos. Lienz ist da sehr geeignet, Lienz ist die sonnenreichste Stadt Österreichs mit sehr, sehr wenigen Bauern, weil immer mehr Bauern, vor allem die Milchbauern, von euch zum Zusperren gezwungen werden. Das beweist auch der Grüne Bericht, der Jahr für Jahr eindeutig dokumentiert, dass


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man das nur mit einem rigorosen Eingreifen in die Milchmengensteuerung der Milch­ablieferung, der Milchanlieferung nachhaltig regeln kann. Das wäre tatsächlich ein Instrument, das in der Lage wäre, die finanzielle Situation der österreichischen Milch­bauern endlich aufzubessern.

Viele Landwirte beenden wegen der niedrigen Preise, weil sie ihre Kosten nicht mehr decken können, ihre Tätigkeit, sperren den Stall zu. Und was passiert? – Ihre Milch­quote, ihr Eigenkapital – ihr von der ÖVP habt das Milchkontingent immer das Eigen­kapital der Bauern genannt – wird vernichtet. Mit den Kontingenten ist es nämlich heute so, dass der Nachbarbetrieb oder jeder andere liefern kann, soviel er will, er bekommt für die Milch gleich viel. Das ist die sogenannte Saldierung, und aufgrund dessen gibt es diese Überlieferung und der Preis ist katastrophal im Keller. (Abg. Grillitsch: Red doch nicht so einen Blödsinn! Also wirklich!)

Auch wenn es in den letzten Monaten zu einer kleinen Verbesserung gekommen ist, nehmt euch doch ein Beispiel an anderen Ländern! Herr Bundesminister, bitte vergleichen Sie nicht immer mit Norddeutschland, vergleichen wir uns einmal mit Bayern, vergleichen wir uns mit Südtirol! Aus diesem Grund ist diese Saldierungsregel umgehend auszusetzen und in der Praxis abzustellen. Im System kann diese Reserve durchaus erhalten bleiben, die dann auch zwischen den produzierenden Landwirten gehandelt werden kann, aber die Kontingente der Landwirte, die aufhören, die müssen vom Markt angekauft werden, die muss der Bund ankaufen. Das haben wir alles schon einmal gehabt. Es sollte jedoch auch der betroffene Landwirt die Chance bekommen, innerhalb von zehn Jahren zum Beispiel wegen einer Hofnachfolge sein Kontingent wieder zurückzukaufen.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, die Saldierung der Milchquote auszusetzen und die freiwerdenden Milch­kontingente in der Form anzukaufen, dass Landwirte bis zu zehn Jahre lang die Möglichkeit haben, ihre Kontingente wieder zu erwerben sowie sich in allen Gremien der EU für eine europäische Gesamtlösung für einen fairen Milchpreis einzusetzen.“

*****

(Beifall beim BZÖ.)

18.47


Präsident Fritz Neugebauer: Der Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Huber, Dr. Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maß­nahmen zur Milchpreisregelung in Österreich als Vorbereitung für eine europäische Gesamtlösung, eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft über die Regierungsvorlage (610 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Marktordnungsgesetz 2007 und das Marktordnungs-Überleitungsgesetz geändert werden (626 d.B.)

Der Grüne Bericht dokumentiert Jahr für Jahr „nachhaltig“, dass nur ein rigoroses Eingreifen in die Mengensteuerung der Milchablieferung tatsächlich in der Lage ist, die finanzielle Situation der österreichischen Milchbauern zu verbessern.


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Viele Landwirte beenden wegen des niedrigen und nicht kostendeckenden Milch­preises ihre Milchlieferungen. Anstatt diese nicht gelieferte Milchmenge zu streichen und damit das Überangebot an Milch zu senken, wird den Landwirten auch für über ihrem Kontingent liegende Milch der selbe Preis bezahlt wie für die kontingentierte Milch. Mit dieser Methode, der so genannten „Saldierung“ bleibt gleich viel Milch auf dem Markt und der Milchpreis erholt sich nicht.

Aus diesem Grund ist die Saldierungsregel umgehend auszusetzen und damit die Praxis abzustellen, dass im System eine „Reserve“ erhalten bleibt, die zwischen den Milch produzierenden Landwirten weitergegeben werden kann.

Die Kontingente der Landwirte, die aufhören Milch zu produzieren, müssen vom Markt genommen und vom Bund aufgekauft werden. Jedoch dazu sollen die betroffenen Landwirte die Möglichkeit haben, über einen Zeitraum von 10 Jahren (Hofnachfolge) die Kontingente wieder zurückzukaufen.

Wir erwarten uns von dieser in Österreich zu setzenden Maßnahme auch Auswirkun­gen auf die europäische Milchpreispolitik und Landwirtschaftsminister Berlakovich ist aufgefordert sich auf europäischer Ebene in allen Gremien für eine Gesamtlösung einzusetzen die es den Landwirten ermöglicht, für ihre Milch wieder einen fairen Milch­preis zu erzielen.

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigen Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft wird aufgefordert, die Saldierung der Milchquote auszusetzen und die freiwerdenden Milch­kontin­gente in der Form anzukaufen, dass Landwirte bis zu zehn Jahre lang die Möglichkeit haben, ihre Kontingente wieder zu erwerben sowie sich in allen Gremien der EU für eine europäische Gesamtlösung für einen fairen Milchpreis einzusetzen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Es gelangt nun Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich zu Wort. – Bitte.

 


18.47.54

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich danke den Regierungsparteien, dass sie dem vorliegenden Gesetz die Zustimmung erteilen. Sie ermöglichen damit, dass ein zu­sätzlicher Baustein in der Bewältigung der Milchkrise für die Bauern Realität wird. Es ist der Opposition unbenommen, dass sie sagt: Wir sind dagegen und wollen nicht, dass die Bauern das Geld bekommen. – Das müssen Sie den Bauern erklären. Jeden­falls ich tue das nicht. Ich versuche, alles Geld, das möglich ist, für die Bauern zu lukrieren. Wenn es nach Ihnen geht, schicken wir das Geld, die 6,5 Millionen €, eins zu eins wieder nach Brüssel zurück. „Gratuliere“! Das ist Bauernhilfe à la Opposition! (Beifall bei der ÖVP.)

Auf jeden Fall: Sie müssen das gesamte Paket sehen! Es war im Jahr 2007 der Milchpreis relativ hoch, auch deswegen, weil es gelungen ist, auf den asiatischen Märkten neue Absatzmöglichkeiten zu finden. Dann ist die Milchpantscherei gekom­men, es sind dort Kinder gestorben. Der asiatische Markt ist zusammengebrochen, ein


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Milchmarkt für Europa mit großer Perspektive. Zusätzlich ist durch den hohen Milch­preis Milch aus der Rezeptur verdrängt worden beim Speiseeis, bei der Keksfabrikation in ganz Europa. Daher hat es ein Überangebot gegeben.

Unsere Konzeption, meine Konzeption war, dass wir Angebot und Nachfrage ins Gleich­gewicht bringen, das heißt, dass wir den Milchmarkt räumen. Das Gesamtpaket beinhaltet zum einen Exporterstattung und Lagerhaltung und Intervention. Insgesamt wurden in etwa 700 Millionen € investiert, um Milchpulver und Butter aus dem Markt herauszukaufen. Das war ein Teil der Hilfe für die Milchbauern.

Der zweite Teil: Aussetzung der Quotenerhöhung. Das habe ich in Österreich gemacht, um nicht zusätzlich die Produktion anzuheizen.

Dritter Punkt: ein Vorziehen der Direktzahlungen, die normal Ende des Jahres kom­men, in den Oktober hinein. Wir waren der erste Staat in Europa. Auch da hat es Bedenken Ihrerseits gegeben, das vorzuziehen. Ich sagte jedoch Ja dazu. Je früher die Bauern die Liquidität bekommen, umso früher können sie sich bewegen, und ich habe das durchgezogen. Die Bauern haben früher ihr Geld bekommen, und dann sind andere europäische Staaten nachgekommen und haben das in ihren Ländern auch so gemacht, um die Bauern früher mit Liquidität auszustatten.

Zusätzlich gibt es die Milchkuhprämie, die heuer ausbezahlt wird. Dieses Geld jetzt und Weideprämien, Auslaufprämien, Verschärfung der Saldierung – all diese Maßnahmen sind ein gesamtes Paket für die Milchwirtschaft, das letztendlich in der Konsequenz dazu führt, dass der Milchpreis wieder steigt.

Der Milchpreis lag in Österreich in etwa bei 25 Cent, und jetzt liegt er im Durchschnitt in etwa bei 33 Cent. (Abg. Dr. Pirklhuber: Und er wird weiter steigen!) Das ist eine Tendenz, die positiv ist, ein notwendiges Signal für die Bauern. Auch das heutige Marktordnungsgesetz für die Bauern ist ein solches, getreu dem Prinzip: Jeden Euro, der in Brüssel für die österreichischen Bauern zur Verfügung steht, den holen wir ab und den zahlen wir aus.

Das, was dadurch zusätzlich erreicht wird, ist, dass dieses Gesetz die Basis für eine Verordnung bildet, damit wir zum Beispiel gerade auch kleineren Bauern etwas mehr geben können. Die bekommen einen Sockelbetrag. Das ist vorgesehen, um kleinere Bauern zu unterstützen, und die anderen bekommen es dann aliquot zu ihrer Quote – unbürokratisch direkt zu den Bauern, ohne Diskriminierung.

Das Geld wird über die AMA ausbezahlt, klar und transparent. Ich danke auf jeden Fall dafür, dass Sie das machen, dass wir das so auszahlen können. Das ist eine große Unterstützung im Gesamtpaket, und so werden wir auch alle anderen Bereiche bear­beiten.

Eines noch: Wir haben eine Initiative gestartet – weil Sie hier von Alpenmilch reden –, die Heumilch-Initiative, die sich auf ganz Österreich und auf die Bauern bezieht, die unter gewissen Kriterien Heumilch produzieren. Sie finden, wenn Sie draußen die Zeitung anschauen, ein Inserat der AMA, wo die Heumilch auch beworben wird. Also, das, was Sie hier fordern, ist absolut Realität, es wird gemacht. Wir hoffen, dass der Konsument das auch honoriert und dass er eben nicht nur sagt, die Bauern sollen gewisse Auflagen haben, sondern er soll diese Produkte auch kaufen. Hoffentlich macht es der Konsument und hält auch die Treue. – Das tun wir.

Ich finde es extrem unfair, Kollege Pirklhuber, dass Sie hier in der Öffentlichkeit erklären, dass ich im Ausschuss keine Auskunft gebe. Ich setze mich 4, 5, 6 Stunden hin und erkläre Ihnen, was die High-Level-Group macht, was unsere Experten machen, und Sie stellen sich hier her und sagen, Sie hören, Sie erfahren da nichts. Ich finde das


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ungeheuerlich. Das ist nicht fair und nicht in Ordnung. (Beifall bei der ÖVP. Zwi­schenrufe des Abg. Dr. Pirklhuber.)

18.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Eßl. – Bitte.

 


18.52.12

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Meine sehr geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf einmal den Vorwurf, dass wir die Bauern zum Zusperren zwingen, entschieden zurückweisen. Ganz im Gegenteil, wir bremsen den Strukturwandel. Und wenn wir die Politik anderer Fraktionen machen würden, dann gäbe es heute nur mehr hundert­tausend Bauern in Österreich.

Die erfolgreiche Politik des Bauernbundes ist es, dass wir viele Maßnahmen setzen. Wir haben das Gesamte im Blick: Milchprämie von 3,55 Cent, Milchkuhprämie mit 60, 40 und 30 € pro Kuh, je nach Größenordnung. Und wenn ich beim Beispiel von 20 Kühen bleibe, mit 100 000 Litern Kontingent, sind das dann 4 770 € – und das schaut dann ein bisschen anders aus als die 220 €, die Herr Jannach da präsentiert hat. Bekennen wir uns also zu den Leistungen der Bauern, und unterstützen wir sie! (Beifall bei der ÖVP.)

18.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


18.53.16

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf namens der Sozialdemokraten in diesem Haus sagen: Die vorliegende Marktord­nungs­novelle ist zugegebenermaßen ein schwieriger Kompromiss gewesen. Das ist außer Diskussion. Es ist eine Maßnahme der Bundesregierung, um die Bauern ange­sichts der Milchsituation zu unterstützen. Es war eine intensive Diskussion – ich verweise nur darauf, dass allein der Abänderungsantrag über 41 Seiten umfasst hat. Und ich möchte an dieser Stelle die Konstruktivität der Sozialdemokraten schon unter­streichen, vor allem die Verhandlungsbereitschaft unseres Agrarsprechers Gaßner.

Wir haben auch sehr viele Vorschläge eingebracht – leider sind diese Vorschläge weitestgehend nicht anerkannt worden. Zum Beispiel haben wir einen Vorschlag zur Lösung der Über- und Unterlieferung von Milch eingebracht, nämlich ein Zu- oder Abschlagsystem einzuführen. Da wurde uns von den Experten des Ministeriums sogar gesagt, dass das eine brauchbare Lösung wäre, dass das aber zu bürokratisch ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das mit der Macht des Bauernbundes in der Agrar­bürokratie nicht zu lösen wäre, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend möchte ich sagen: Uns ist dieser Teilschritt wichtig. Wir sagen, es ist ein Teilschritt, es ist besser als gar kein Schritt, und es ist vor allem besser als ein Rückschritt – für die Bauern und für mehr Einkommensgerechtigkeit, vor allem für die kleinen Bauern in Österreich. (Beifall bei der SPÖ.)

18.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


18.55.04

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im letzten Jahr erlebten wir eine Agrarkommissarin, die ziemlich untätig war, was die Situation der europäischen Milchbauern betrifft. Sie hat die ganze Situation irgendwie so ver­standen, dass sie gesagt hat: Naja, es wird schon wieder werden, ihr werdet schon sehen, der Markt wird das schon regeln.


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Wir haben unserem Landwirtschaftsminister viel zu verdanken, denn er hat die Initia­tive ergriffen und sich Verbündete auf EU-Ebene gesucht und somit nochmals 300 Millionen € für den Milchmarkt mobilisiert. (Ruf bei der SPÖ: Wo? Abg. Grillitsch: Der Minister hat das gemacht!) Nun ist es so, dass diese 300 Millionen € auf Österreich herabgebrochen 6 Millionen € ausmachen, und diese werden so schnell und so unkompliziert wie möglich an die Milchbauern verteilt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wenn man hier von den einzelnen Rednern hört, dass die Überlieferer angeblich begünstigt werden, muss ich korrigieren und festhalten, dass das nicht so ist. Die Milchprämie wird auf die Milchquote aufgeteilt, und wer die Quote nicht hatte, bekommt sie somit also nicht. – Somit ist auch dieses Argument entkräftet.

Eines möchte ich zum Schluss noch anmerken: Märkte, die gänzlich ohne Regeln sind, bergen ziemlich große Gefahren in sich, und deren Reparaturen kosten meistens mehr, als der freie Markt gebracht hat. Seit der Wirtschaftskrise wissen wir, dass das nicht nur für den Milchmarkt gilt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

18.56

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 610 der Beilagen.

Ich ersuche jene Kolleginnen und Kollegen, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustim­mung erteilen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Milchpreisregelung in Österreich als Vorbereitung für eine europäische Gesamtlösung.

Wer sich diesem Entschließungsantrag anschließt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

18.57.215. Punkt

Bericht des Umweltausschusses über den Antrag 953/A(E) der Abgeordneten Dr. Wolfgang Spadiut, Kolleginnen und Kollegen betreffend konsequente Hal­tung Österreichs im internationalen Artenschutz (630 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich rufe nun den 5. Punkt der Tagesordnung auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


18.57.50

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätz­ter Herr Bundesminister! Geschätztes Hohes Haus! Wir haben heute ein sehr außergewöhnliches Thema, nämlich den Schutz der Elefanten, denn es gibt eine internationale Konferenz in Doha. CITES heißt das Abkommen, das dort verhandelt wird, und es geht darum, gemeinsam für den Schutz der Elefantenpopulationen auf dieser Welt zu sorgen. Europa hat dabei eine gemeinsame Position, und das Thema war: Kann man Elefanten durch totalen Schutz schützen, oder kann man durch eine beschränkte Nutzungsmöglichkeit von Elefanten ihren Schutz verbessern?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 185

Es haben einige Länder, wie zum Beispiel Botswana, Namibia, Simbabwe und Süd­afrika, diesen „Schutz durch Nutzung“-Status bekommen, und es funktioniert in diesen Ländern gut. Zwei weitere Länder wollten diesen Status haben, haben ihn aber nicht bekommen. – So war das Abstimmungsverhalten, und im Ausschuss hat es dazu eine lebhafte Diskussion gegeben.

Das zum Thema Elefanten. Falls es Sie interessiert: Es gibt auf der Welt noch ungefähr 500 000 bis 700 000 afrikanische Elefanten, und diese großartigen Tiere zu schützen ist uns sicher ein großes Anliegen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

18.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


18.59.27

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Elefanten oder Tiere überhaupt kann man natürlich so und so nutzen, nachhaltig und nicht nachhaltig. Ich bin sehr froh, dass diese Artenschutz­konferenz wenigstens für die Elefanten heute gut ausgegangen ist und die Elefanten Tansanias und Sambias weiterhin in der strengsten Schutzkategorie geblieben sind. Das war nicht ganz so einfach.

Für viele andere Spezies ist es nicht so gut ausgegangen. Zum Beispiel für Haie, den Thunfisch oder Korallen bedeutet diese Konferenz einen großen, großen Rückschlag, was sehr schade ist. Aber wie gesagt, uns geht es heute um die Elefanten.

Die Europäische Union hat sich bei dieser Konferenz meiner Meinung nach nicht besonders mit Ruhm bekleckert. Sich einfach nur der Stimme zu enthalten, ist zu wenig, obwohl damit – zugegebenermaßen – wenigstens das Ergebnis möglich ge­macht wurde, dass der Schutz von Elefanten nicht heruntergesetzt und der Handel mit Elfenbein nicht vereinfacht wird. Das ist in der Tat durch die Enthaltung der EU zustande gekommen.

Aber eigentlich würde ich mir von einer Europäischen Union in so einer Frage eine offensive Haltung erwarten, die wirklich den Naturschutz, den Artenschutz, den Biodiversitätsschutz in den Vordergrund stellt. Auch die Rolle Österreichs innerhalb der Europäischen Union ist keine, von der ich glaube, dass wir damit dem internationalen Jahr der Biodiversität wirklich gerecht geworden sind.

Der Beamte, der Österreich bei dieser Konferenz vertreten hat, hat offensichtlich die These bestätigt, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt und dass eventuelle Hobbys oder Freizeitbeschäftigungen offensichtlich durchaus dazu führen, sich dann innerhalb der Europäischen Union in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. (Bun­desminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Das stimmt nicht! Das stimmt nicht!) Da der Herr Bundesminister jetzt hinter mir sagt: Stimmt nicht, stimmt nicht, stimmt nicht!, würde ich ihm gerne mit Christian Morgenstern kommen (neuerliche Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich), der da sagt:

„Und er kommt zu dem Ergebnis: Nur ein Traum war das Erlebnis. Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“

Das sagt ein Mann, dem gerade etwas passiert ist und der einfach die Realität ausblendet. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Brunner.)

Ich glaube, dass diese Artenschutzkonferenz sehr deutlich gezeigt hat, dass sie an sich als Instrument zu hinterfragen ist und dass sowohl die Konstruktion dieser Konferenz als auch die Arbeitsweise dieser Konferenz sehr kritisch zu beleuchten sind – weil sich sehr klar gezeigt hat, dass dieses Gremium in Wirklichkeit nicht die


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Fragen von Naturschutz, von Artenschutz in den Vordergrund stellt, sondern vor allem, vor allem, vor allem wirtschaftliche und Handelsinteressen. (Präsident Dr. Graf über­nimmt den Vorsitz.)

Es haben sich asiatische Länder höchst effektiv durchgesetzt, über das Lobbying Japans wird viel diskutiert und viele Länder meinen, da können sie sich noch einiges abschauen und einiges dazulernen. Also ich glaube, dass wir die zwei Jahre bis zur nächsten Konferenz durchaus dazu nutzen sollten, zu überlegen, wie wir denn dieses Instrument von CITES an sich weiterentwickeln könnten, wie wir es zu einem wirklich effektiven Naturschutz-, Artenschutzinstrument mit Zähnen machen können – denn eine Konferenz, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Koralle besser um den Hals als im Meer aufgehoben ist, betreibt nicht die Art von Artenschutz, die ich mir als Sozialdemokratin vorstelle. Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Mag. Brunner.)

19.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Winter zu Wort. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.03.02

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Der Herr Minister Hundstorfer hat heute seinen Vortrag mit dem Satz begonnen, dass es ein guter Tag für ihn ist. Wir können sagen: Es ist auch ein guter Tag für den Artenschutz, insbesondere für die Elefanten. Nur: Generell noch über diesen Antrag zu reden, ist eigentlich hinfällig, denn es hat sich überholt. Diese Konferenz in Doha hat von 13. bis 25. März gedauert, und heute ist eben der 25. März.

Das zeigt ja auch, dass sich unsere EU-Leute diesbezüglich nicht so verhalten haben, wie wir uns das vorgestellt haben, es ist schwer enttäuschend. (Abg. Hörl: Na geh bitte!) Wir haben eine Stimme von 26 Leuten in dieser Konferenz, und das wirkt sich aus. – Gott sei Dank in diesem Fall nicht auf die Tiere, aber sehr wohl auf die EU und auch auf Ihr Ministerium, Herr Minister.

Das sieht man an den Zeitungsmeldungen. So heißt es zum Beispiel in der gestrigen Ausgabe der „Kronen Zeitung“ – da geht es allerdings um die Eisbären, die zum Abschuss freigegeben worden sind, aber auch diese gehören zu den geschützten, gefährdeten Tieren –: „Die Bestie Mensch hat wieder zugeschlagen.“

Die EU-Delegation hat nicht entsprechend gehandelt, und wenn Sie, Herr Minister, bitte heute in die „Kronen Zeitung“ schauen, dann werden Sie feststellen: Da ist ein Leserbrief an Sie gerichtet, bei dem es sich vielleicht lohnt, ihn zu beantworten. Es geht nämlich dabei darum, dass eben einer der Herren in Ihrem Ministerium sich absolut – nach Meinung dieses Leserbriefschreibers – gegen den Elefantenschutz ausgesprochen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

19.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. 5 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.04.51

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Herr Landwirt­schafts­minister! Hohes Haus! Von 13. März bis heute hat die bereits angesprochene Artenschutzkonferenz stattgefunden, und es ist dort um wichtige Entscheidungen für den Schutz von gefährdeten Arten gegangen: Elefanten, Eisbären, Thunfische, um nur einige zu nennen. Die Elefanten sind besonders massiv gefährdet, sie sind massiv durch illegale Jagd, internationalen Elfenbeinhandel und die Zerstörung ihres Lebens­raumes bedroht. 30 000 Elefanten sterben pro Jahr durch diese Aktivitäten.


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Deshalb gibt es auch seit 1990 ein Elfenbeinhandelsverbot, trotzdem – es ist schon erwähnt worden – haben bei dieser Konferenz jetzt zwei Länder, nämlich Tansania und Sambia, den Antrag gestellt, dass der Schutzstatus für Elefanten gelockert wird, nämlich dass von Anhang I auf Anhang II herabgestuft wird, was einer Legalisierung des Elfenbeinexports gleichkommt.

Das steht im Widerspruch zum Elfenbeinverbot, und es wäre auch ein Affront gegen­über allen anderen afrikanischen Ländern gewesen, die an andere Staaten, auch an die Europäische Union, herangetreten sind und massiv darum gebeten haben, diese Anträge nicht zu unterstützen. Nur noch einmal zur Verdeutlichung: In Tansania gibt es in den letzten drei Jahren um 34 000 Elefanten weniger, in Sambia ist der Bestand von 160 000 auf 26 000, also um 84 Prozent, zurückgegangen, und es konnten beide Länder nicht die geforderten Nachweise erbringen, dass das Elfenbein, das da gehan­delt wurde, auch aus legalen Quellen stammt.

Legale Quellen heißt, dass die Elefanten auf natürliche Wiese zu Tode gekommen sind. Illegale Jagd, Wildereien spielen da leider eine große Rolle. Wir haben deswegen einen Antrag eingebracht – nämlich genau vor der Entscheidung –, der im Umwelt­ausschuss letzte Woche behandelt wurde, ob dieser Schutzstatus gelockert wird oder nicht. Die Entscheidung hat letzte Woche stattgefunden. Dabei war der wesentliche Punkt, dass die Herabsetzung des Schutzstatus nicht erfolgt.

Deswegen haben wir auch massiv auf diesem Antrag beharrt und dem Antrag der Koalitionsparteien mit den anderen Oppositionsparteien nicht zugestimmt – weil es nämlich genau auf den wesentlichen Punkt angekommen ist, dass der Schutzstatus nicht gelockert wird. Alles andere wäre nur Augenauswischerei gewesen und hätte diese Lockerung ermöglicht.

Was Sie dort aber vertreten haben, Herr Landwirtschaftsminister, das geht aus einer Anfrage von uns hervor, wo klar gesagt wurde, dass das die österreichische Position war, nämlich die Position des Beamten, der uns dort vertreten hat.

Darin heißt es: „... Vor allem Elefanten, Löwen, Nashörner und Leoparden werden von Tierschutzorganisationen wie heilige Kühe behandelt, wobei gerade bei diesen Arten im politisch relativen stabilen südlichen Afrika erst die kommerzielle Nutzung ihren effektiven Schutz ermöglichte. Nachhaltige Trophäenjagd, neben Fototourismus und Biotopschutz, ist oft unabkömmlich.“

Also den Begriff „nachhaltige Trophäenjagd“ müssen Sie mir einmal erklären. Das ist ja schon ein Widerspruch in sich, und ich denke, da geht ganz klar hervor, welche Lobbys Sie eigentlich vertreten – Tierschutz und Artenschutz sicher nicht. (Beifall bei den Grünen.) Gott sei Dank konnten Sie sich aber bei dieser Konferenz nicht durchsetzen. Die Vertragsstaatenkonferenz hat diesen Anträgen nicht zugestimmt. (Zwischen­bemer­kung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.)

Der Elefantenschutz wurde nicht gelockert, das stimmt, und das war ein großer Erfolg für die Tierschützerinnen und Tierschützer, und hätten Sie dort unserer Position vertre­ten, hätten Sie uns diesen Erfolg auch schildern können. Das können Sie so jetzt leider nicht. (Beifall bei den Grünen.  Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich.) – Das stimmt sehr wohl, das ist Ihre Anfragebeantwortung, das müssen Sie bei sich im Haus klären.

Wir werden dem Antrag, der heute auf der Tagesordnung steht, jetzt trotzdem zustim­men. Wenn die Artenschutzkonferenz noch anstehen würde, würden wir nicht zustim­men, weil der entscheidende Punkt nicht drinnen ist, aber die Entscheidung ist schon gefallen – Gott sei Dank positiv. Dieser Antrag ist ein allgemeines Bekenntnis zum


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Artenschutz und eine Unterstützung für die afrikanischen Länder, deswegen stimmen wir dem heute zu.

Andere Tiere, wie zum Beispiel die Eisbären, hatten bei dieser Konferenz nicht so viel Glück wie die Elefanten. Der Antrag, die Jagd auf Eisbären und den Handel mit Fellen und anderen Jagdtrophäen zu verbieten, hat sich nicht durchgesetzt – vor allem auch aufgrund des einhelligen Widerstandes der Europäischen Union.

Da ist es für mich auch ein bisschen schizophren, Herr Minister, wenn Sie in Schön­brunn Patenschaften für Eisbären übernehmen und dann bei der entscheidenden Konferenz dafür sorgen, dass der Schutz der Eisbären eben nicht gewährleistet wird. Ich fordere Sie auf, endlich einmal klarzustellen, welche Lobbys Sie eigentlich ver­treten. Deswegen noch einmal: Österreich braucht ein eigenständiges, unabhängiges und engagiertes Umweltministerium! (Beifall bei den Grünen.)

19.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. 1 Minute Redezeit. – Bitte.

 


19.10.18

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Am 29. Jänner habe ich einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem der Herr Umweltminister dazu aufgefordert wurde, sich im Namen Österreichs dafür einzusetzen, dass der Elefantenschutz entsprechend den Ansuchen der beiden afrikanischen Länder nicht aufgeweicht wird.

Nach langem Hin und Her im Ausschuss und einer längeren Besprechungspause wurde von der ÖVP ein Abänderungsantrag eingebracht, der dann von ÖVP, SPÖ, BZÖ und SPÖ unterstützt wurde. Am Montag haben die Vertragsstaaten des Washing­toner Artenschutzübereinkommens beschlossen, den Schutz der afrikanischen Elefan­ten nicht zu lockern.

Der Antrag Tansanias auf Herabsetzung und Herabstufung des Elfenbeinhandels wurde mit 59 zu 50 Stimmen abgelehnt. Sambia zog daraufhin seinen Antrag zurück und wollte nur mehr die Herabstufung des Elefantenhandels. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Die EU hat – das ist ganz interessant – nach stundenlanger Diskussion beschlossen, sich zu enthalten. Der Antrag von sieben Staaten für einen besseren Elefantenschutz mit Unterstützung einer großen Mehrheit afrikanischer Elefanten-Staaten wurde von der EU überhaupt abgelehnt. Die Anträge können aber theoretisch im Plenum wieder eröffnet werden. In diesem Fall ist dann die EU das Zünglein an der Waage.

Interessant ist, dass Österreich in der EU weiterhin die Triebfeder ist – dies trotz abgeschlossener Diskussion! –, wenn es darum geht, eine Wiederaufnahme zu erreichen. (Abg. Großruck: Weil wir so viele Elefanten haben!) Wir wissen genau, wie viele Elefanten getötet werden. Trotz dieser gravierenden Missstände konnte sich die EU lediglich dazu durchringen, den Elfenbeinhandel abzulehnen. Was eine Lockerung des Elefantenschutzes anlangt, enthielt sich die EU.

Während sich Deutschland für den Elefantenschutz engagiert, hat sich Österreich für die Anträge Tansanias und Sambias starkgemacht. Eines verwundert mich: Österreich hat sich für die Anträge Sambias und Tansanias starkgemacht, obwohl im Ausschuss beschlossen wurde, sich für aktiven Elefantenschutz einzusetzen und eine Herab­setzung abzulehnen. (Beifall bei BZÖ und Grünen.)


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Man wusste genau, dass dies am 25. März, also heute, im Plenum mehrheitlich ange­nommen wird, hat aber gegen den Beschluss des Ausschusses gehandelt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Unglaublich!)

Meine Damen und Herren, ich frage mich, wofür Anträge im Ausschuss behandelt und abgestimmt werden, wenn sich dann kein Mensch, weder der Herr Minister noch seine Untergebenen oder Abgesandten, daran hält! Das müsste sich, meine ich, baldigst ändern, sonst werden die Ausschusssitzungen zu einem einzigen Kasperltheater! – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

19.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminis­ter Berlakovich zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


19.13.35

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich ersuche Sie dringend, sich in Ihren Wortmeldungen nicht lediglich auf Zeitungsmel­dungen zu beziehen, sondern Fakten widerzuspiegeln! (Abg. Dr. Pirklhuber: Stimmt es also nicht?)

Man kann es sich natürlich so leichtmachen, wie Sie es gemacht haben, und sagen, die armen Elefanten und so weiter, und von Wien aus die Probleme in anderen Ländern regeln. So simpel kann man es sich machen, aber die Welt ist komplizierter, als Sie es hier darstellen!

Faktum ist, dass dieses System – jenes System, wie es die Leute in Sambia und Tansania jetzt beabsichtigt haben, in vier afrikanischen Ländern funktioniert, nämlich in Namibia, in Botsuana, in Simbabwe und in Südafrika, nämlich ein aktives Bewirtschaf­tungs- und Managementsystem der Populationen, wobei gleichzeitig auch die Schutz­maßnahmen entsprechend unterstützt werden –, also Faktum ist, dass dieses System, ein aktives Managementsystem, besser funktioniert als ein System von Verboten! (Abg. Mag. Brunner: Nachhaltige Trophäenjagd?!)

Dass Sie hier wieder einmal eine Skandalisierung machen und einen Beamten, der sich absolut loyal verhalten hat, lediglich anhand von Zeitungsmeldungen verleum­den, finde ich schlimm, wirklich schlimm! (Beifall bei der ÖVP.)

Dabei wurde zu dieser ganzen Diskussion eine internationale Expertenkommission zusammengestellt, die auch im Zusammenhang mit der Europäischen Union vor Ort war und sich der Meinung des WWF, der IUCN, also international unverdächtiger Organisationen angeschlossen hat, die gesagt haben, man kann dem Begehren dieser afrikanischer Staaten Rechnung tragen! Ich meine, das sind doch unverdächtige Zeugen! Die Europäische Union hat versucht, sich dem fachlich zu nähern. – So viel dazu.

Tatsache ist, dass das Abstimmungsverhalten so war, dass Österreich bei Tansania und bei Simbabwe gemeinsam mit der Europäischen Union abgelehnt hat, sodass im Endeffekt beide Anträge abgelehnt wurden. Beim Eisbären wollte Österreich eine stärkere Unterschutzstellung unterstützen. In der Europäischen Union ist jetzt aber eine qualifizierte Mehrheit notwendig. Diese wurde nicht erreicht. Daher hat die Euro­päische Union im Gesamten dann dafür gestimmt, dass es keine stärkere Unter­schutzstellung des Eisbären gibt.

Mir geht es aber darum, dass man bei so einem Thema, wo es um viel Emotion geht – das verstehe ich –, trotzdem versucht, sich dem Thema einigermaßen sachlich zu nähern; und wenn internationale Organisationen diese Thematik sachlich diskutieren wollen, das auch dort zu belassen – und nicht eine Diskussion vom Zaun zu brechen,


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die völlig überzogen ist und auf eine Skandalisierung hinausmündet. Es ist schade, weil man ein sehr ernsthaftes Thema hier leider anders darstellt. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Spadiut zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die einschlägigen Bestim­mungen der Geschäftsordnung und erteile ihm das Wort.

 


19.16.28

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Der Herr Minister hat gesagt, ich hätte meine Informationen aus Zeitungsmeldungen. – Das ist falsch!

19.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Spadiut! Ich glaube, das ist ein Sachverhalt, der tatsächlich nicht berichtigbar ist. Das ist eine Argumentation, die man natürlich vertreten kann. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist ein Werturteil! – Abg. Dr. Spadiut: Das werde ich doch wohl sagen dürfen!) – Ja, das können Sie in einem zweiten Redebeitrag machen.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Hörl. Redezeit: 1 Minute. – Bitte.

 


19.17.11

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich stelle fest, die Grüne Fraktion ist offenbar bei Lichterkranz gegen Rosenkranz – so weit zu Ihren Bemühungen um den Naturschutz, liebe Frau Brunner! Ihre Kollegen sind alle weg. Was man beim BZÖ von Dringlichen Anträgen hält, konnte man bei der letzten Abstimmung sehen, bei der gerade noch sechs Leute da waren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Österreichs Position in Doha – der Herr Bundesminister hat es schon gesagt – war die des World Wildlife Fund. Was wollen Sie eigentlich vom Bundesminister? Und hören Sie auf, einen Beamten, der fachlich gebildet ist, der sich aufgrund von Tatsachen und sachlichen Ergebnissen hat leiten lassen, hier zu kritisieren. Gehen Sie ein bisschen mehr auf normale Dinge ein, Frau Brunner! (Abg. Mag. Brunner: Nachhaltige Tro­phäen­jagd!)

Wissen Sie, dass, wenn man ein Schnitzel isst, ein Tier geschlachtet wird? Und dass der Naturschutz und Elefantenschutz funktioniert, sieht man ja allein an der Tatsache, dass 500 000 bis 700 000 Elefanten in Afrika leben, Gott sei Dank. Faktum ist, dass 20 000 Elefanten eines natürlichen Todes sterben (Abg. Mag. Brunner: Und was ist mit den anderen?) und dass allein in diesen beiden Ländern, denen Sie mit Ihren Bemühungen die kontrollierte Nutzung dieser Tiere genommen haben, 38 000 Stück an Elefanten gewildert werden!

Gehen Sie zu Heilingbrunner, gehen Sie zu Ihren eigenen Leuten und fragen Sie sie, was sie erreichen, wenn sie gegen den Willen der Bevölkerung Naturschutz und Tierschutz machen wollen! Die werden Ihnen das sagen! Das haben Sie in Hainburg gesehen! (Beifall bei der ÖVP.)

19.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mag. Auer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.18.42

Abgeordneter Mag. Josef Auer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister! Nach so großen Tieren wie Elefanten und Eisbären möchte ich jetzt auf eine ganz kleine Gattung von Tieren zu sprechen kommen. (Abg. Grosz: Krokodile?!) – Nein,


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Krokodile sind ein bisschen größer, sie haben auch einen größeren Mund. Ich möchte über Bienen sprechen, und zwar über die Problematik des Bienensterbens. Es ist, glaube ich, auch für die Landwirtschaft ein sehr, sehr interessantes Thema. Ich habe auf dieses Thema bereits als Landtagsabgeordneter in Tirol hingewiesen.

Es ist ein internationales Problem, und es ist auch ein Problem bei uns in allen Bun­desländern. Es gibt schon viele Gebiete, wo es keine Bienen mehr gibt beziehungs­weise wo viel zu wenig Bienen vorkommen. Mit verantwortlich dafür ist unter anderem die Tatsache, dass es immer weniger Kleinimker gibt, wobei dieses Faktum natürlich mehrere Ursachen hat. Wenn es nicht gelingt, jetzige Kleinimker zu motivieren oder sogar neue dazu zu bringen, diese Arbeit für die gesamte Gesellschaft zu machen, dann wird das Bienensterben natürlich weitergehen.

Ich habe damals als Landtagsabgeordneter eine einstimmige Landtagsentschließung zusammengebracht, nämlich dahin gehend, dass das Bundesministerium mit der EU in Verhandlungen tritt, und zwar mit dem Ziel, dass es wieder zur Förderung von Kleinimkern kommt – diese wurde nämlich im Jahr 2003 eingestellt.

Wenn ich hier zum Beispiel in dem Raum fragen würde, ob das Thema gesunde Ernährung wichtig ist, würden sicher alle die Hände nach oben halten und sagen: Ja, das ist wichtig!

Wenn ich dann nach rechts schaue und die Landwirte frage, ob ein landwirtschaftlicher Ertrag wichtig ist – no na, alle Landwirte würden sagen: Landwirtschaftlicher Ertrag ist wichtig! So würden sehr, sehr viele Fragen mit Ja beantwortet. Wenn man dann aber fragt, ob die Kleinimker eine Unterstützung bekommen sollen, dann bleiben – das weiß ich aus Erfahrung – die Hände eher unten.

Es gibt aber sehr, sehr viele Fakten, die für die Imkerei, für die Bienen und Kleinimker sprechen. Nur ganz kurz ein paar Fakten: 80 Prozent der Fremdbestäubungen gehen auf das Konto der Bienen. Wer mehr für das Geld ist, dem kann man auch etwas sagen: Es gibt in der Literatur Schätzungen des Wertes der Bestäubungsleistung, die zwischen dem Zehn- und dem 150-Fachen des Honigwertes liegen. In Euro macht das allein in Österreich 450 Millionen € bis 6,75 Milliarden € aus!

Im Zusammenhang mit den Bienen gibt es wirklich sehr, sehr viel zu sagen. Mein Appell, sehr geehrter Herr Minister – und ich hoffe, dass Sie mir zugehört haben –, ist, dass wir wirklich in diese Richtung etwas machen. Wir müssen in diese Richtung etwas tun!

Zum Kollegen Grosz darf ich sagen: Er hat nicht sehr aufmerksam zugehört, das ist ja nicht seine Stärke. In der modernen Psychoanalyse, Herr Kollege Grosz, symbolisiert der Honig das Über-Ich als letzte Stufe der Arbeit an sich selbst. Vielleicht lassen Sie sich ein Glas Honig kommen, das würde Ihnen sicher helfen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit. (Abg. Dr. Moser: Zur Selbsterkenntnis!)

19.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.22.23

Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minis­ter! Hohes Haus! Der Verlust an biologischer Vielfalt ist neben dem Klimawandel mit Sicherheit die zweite große globale ökologische Herausforderung für die Menschheit.

Es ist nicht nur die Vernichtung von Lebensräumen die einzige Ursache für das Artensterben, sondern vor allem auch der illegale Handel von zahlreichen wildlebenden


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 192

Tier- und Pflanzenarten – und wir alle kennen natürlich die Problematik des illegalen Handels. Wir haben dies auch schon mehrmals von meinen VorrednerInnen gehört.

Aus diesem Grund müssen die Maßnahmen zum Schutz und zur Pflege wildlebender Tiere und Pflanzen in ihrer natürlichen und historisch gewachsenen Vielfalt intensiviert werden. Bestehende Gesetze und Abkommen, wie das Washingtoner Artenschutz­über­ein­kommen müssen verstärkt kontrolliert und sogar noch straffer werden. Es darf auf keinen Fall sein, dass unsere Fauna und Flora durch die Habgier einiger Geschäf­temacher zerstört wird!

Daher ist auch das Verlangen einiger afrikanischer Staaten, das Handelsverbot für das Rohelfenbein und somit den Schutzstatus für Elefanten zu lockern, striktest abzu­lehnen. Afrikas Elefantenbestände konnten sich dank dieses Verbotes in den vergan­genen Jahren zwar erholen, aber eine Überpopulation ist keineswegs vorhanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle sind nun gefordert! Wir müssen Ver­antwortung übernehmen. Wir müssen bereit sein, uns mit aller Kraft dafür einzusetzen, den Reichtum unserer Erde und damit die Lebensgrundlage der gesamten Menschheit langfristig zu bewahren, denn die Menschheit ist zur Zeit dabei, in wenigen Jahr­zehnten zu zerstören, was die Natur in Millionen von Jahren geschaffen hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Steier. 2 Mi­nu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.24.29

Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Die Entschließung, die wir aktuell diskutieren, beinhaltet die Aufforderung an den Umweltminister, sich im Rahmen der 15. Vertrags­staatenkonferenz des Washingtoner Artenschutzübereinkommens für den Schutz des afrikanischen Elefanten einzusetzen und Anträge zum Abverkauf von Rohelfenbein abzulehnen.

Weiters wird die EU aufgefordert, am Aufbau von wirksamen Einrichtungen zur Unter­bindung des illegalen Elfenbeinhandels in engem Dialog mit den betroffenen Staaten mitzuwirken. Fest steht, dass die Positionierung sehr wichtig war, was die ersten Resultate in Doha dokumentieren.

Meine geschätzten Damen und Herren, angesichts der bisherigen Resultate der Arten­schutzkonferenz ergeht es den Elefanten aber immerhin besser als Thunfischen und Eisbären. Denn: Insgesamt gesehen ist die bisherige Bilanz der Konferenz sehr ernüchternd. Anträge, den internationalen Handel mit Eisbärenfellen und anderen Jagdtrophäen zu verbieten, wurden bereits abgelehnt, auch der Handel mit dem Blau­flossenthunfisch bleibt erlaubt. KritikerInnen sprechen von einem Kniefall vor Wirt­schaftsinteressen, der über den Erhalt von Artenvielfalt gestellt wird.

Ich darf insgesamt betonen: Angesichts der Tatsache, dass 2010 das internationale Jahr der Artenvielfalt ist, ist das eine bedenkliche Entwicklung! In Österreich selbst sind im Bereich der Biodiversität rund 4 000 Arten vom Aussterben bedroht. Es ist daher höchste Zeit, dass wir alle gemeinsam unsere Anstrengungen verstärken, um dem Artensterben Einhalt zu gebieten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

19.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr.  Pirklhuber. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 193

19.26.25

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Den Kollegen Steier und Auer kann ich nur wirklich mitbejahend sagen: Biodiversität – ganz wichtig, Sie haben völlig recht, Herr Kollege Auer, und man kann sich nicht, wie Kollege Grosz, über ein so wichtiges Thema wie die Biodiversität lustig machen. Das kann es nicht sein!

Aber eines muss ich Ihnen jetzt sagen, Herr Bundesminister: Wenn Sie sich hinter einen Beamten schützend stellen, wie Sie das hier gemacht haben (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Vor einen Beamten!) – Sie sagen, vor einen Beamten, gut –, Sie haben sich nicht hinter ihm versteckt, sondern haben sich schützend vor ihn gestellt, haben aber gleichzeitig einen Abgeordneten dieses Hauses bezichtigt, er hätte seine Informationen nur aus den Medien! Und der Herr Präsident lässt diesen Abgeordneten das nicht einmal richtigstellen!

Ich muss schon sagen: Da übernehme ich gerne diese Aufgabe. Denn: Ich finde es ungeheuerlich (Zwischenrufe bei der ÖVP), dass Österreich bei dieser Artenschutz­konferenz diesen Schutzanspruch, den wir im Ausschuss heftigst diskutiert haben, über diesen Beamten nicht vollzogen hat!

Das kann man belegen mit diesem Mail. Das ist keine Information aus den Medien. Dieses Mail ist an uns gerichtet. Ich lese Ihnen das jetzt vor: Liebe Kollegen! Wir brauchen dringend Unterstützung aus Politik und Öffentlichkeit in Österreich hier auf der Artenschutzkonferenz zum Thema Elefanten. Bitte setzt euch dafür ein, dass Österreich die gestrige Entscheidung gegen die Anträge Tansanias und Sambias akzeptiert – genau die Grüne Forderung, keine Freigabe des Elfenbeinhandels! – und nicht unterminiert. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und weiter heißt es in diesem Mail: Statt mit seinem Insistieren die EU und den Entscheidungsfindungsprozess in Misskredit zu bringen, sollte sich Österreich klar an die EU-Position halten und die Ablehnung des Antrages durch die CITES-Vertrags­staaten akzeptieren. Grüße von der Artenschutzkonferenz in Doha. – Zitatende, eine NGO-Vertreterin.

Sehen Sie, das ist Realität! Und das ist Ihre Politik, die leider am Parlament vorbei­geht! (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Warum verschweigen Sie die Person?!)

19.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 630 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 88.)

19.28.516. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (584 d.B.): Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abän­de­rung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls (619 d.B.)


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7. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (585 d.B.): Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (620 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (603 d.B.): Bundes­gesetz über die Beteiligung Österreichs an der 5. allgemeinen Kapitalerhöhung der Asiatischen Entwicklungsbank (AsEB-5) (621 d.B.)

9. Punkt

Bericht des Finanzausschusses über den Antrag 994/A(E) der Abgeordneten Lutz Weinzinger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Möglichkeit des Aus­schlusses aus der Währungsunion (622 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 6 bis 9 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Weinzinger. Freiwillige Redezeit­be­schränkung: 2 Minuten. – Bitte.

19.30.30

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den Tagesordnungspunkten 6 bis 9 geht es, wie wir schon gehört haben, um zwei Doppelbesteuerungsabkommen. Das sind Folgen der Lockerung unseres Bankgeheimnisses, und man kann darüber sehr trefflich diskutieren.

Es geht weiters um die Beteiligung an der Kapitalerhöhung der Asiatischen Entwick­lungsbank. Auch darüber kann man trefflich diskutieren, schon allein, wenn man hört, wie einige asiatische Staaten uns inzwischen überholen – und wir beteiligen uns dort an der Entwicklungshilfe einer Entwicklungsbank.

Aber darüber will ich jetzt nicht sprechen, sondern hauptsächlich über einen Ent­schließungsantrag, über den in der letzten Ausschusssitzung interessiert diskutiert wurde, wo ich ein bisschen zum „Deppen“ gemacht wurde. (Zwischenrufe bei ÖVP und BZÖ.) – Aber da bin ich nicht wehleidig, kein Problem. Im Endeffekt, glaube ich, wäre es für das Plenum interessant, zu wissen, worum es sich dabei handelt. Es handelt sich um folgende Entschließung:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesminister für Finanzen werden ersucht, sich dafür einzusetzen, dass Staaten wie Griechenland, deren makroökonomi­sche Kennzahlen einen Verbleib in der gemeinsamen Währungsunion nicht rechtfer­ti­gen, aus dieser ausgeschlossen werden und ihre alten Währungen wieder einzufüh­ren haben.

Von Floatingbeschränkungen wie etwa den Schwankungsbandbreiten des EWS ist bis auf weiteres unbedingt abzusehen.‘


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Das war der Gedanke. Was steckt dahinter? – Dahinter steckt schlicht und einfach, dass die europäischen Staaten, insbesondere die Mitglieder der Euro-Zone, in den vergangenen Jahren, de facto seit Einführung der Währungsunion, bereits zig Milliar­den € in Griechenland investiert haben, und das gleich auf mehrfache Weise: nicht nur durch den Ankauf griechischer Staatsanleihen, sondern etwa auch durch die mehr als großzügige Landwirtschafts- und Regionalförderung und so weiter. – Einen Zinsen­vorteil hatten sie auch. Was herausgekommen ist, erleben wir jetzt.

Dass ich mit meiner Meinung in dieser Angelegenheit, dass sich die Euro-Zone von Griechenland verabschieden sollte, nicht allein dastehe, ist einem Wirtschaftsbericht im „Kurier“ vom Donnerstag, dem 11. März, zu entnehmen, in dem in Balkenlettern steht: „‚Empfehle den Abschied vom Euro.“ Finanzhilfen der reichen EU-Staaten für Griechenland sind für Spitzenökonom Hans-Werner Sinn der falsche Weg. – Hans-Werner Sinn ist einer der bedeutendsten Ökonomen der Bundesrepublik Deutschland.

Auch im „SPIEGEL“ – und der „SPIEGEL“ ist auch kein ganz unbedeutendes Blatt – ist im Hinblick auf Griechenland von einem Fass ohne Boden die Rede, und zwar in einem Streitgespräch, bei dem es auch darum geht, wie denn das weitergeht.

Den Zeitungen entnehmen Sie heute und gestern, dass die Bundesrepublik Deutsch­land einfach nicht mehr bereit ist, den Zahlmeister Europas zu spielen. Und wir segeln eigentlich immer geschickter Weise im Windschatten der Bundesrepublik Deutschland in solchen Sachen.

Es wäre daher tatsächlich positiv, zu überlegen, ob wir, das Parlament, unseren zu­ständigen Minister auffordern – beziehungsweise ihn bitten, aber bleiben wir beim Wort „auffordern“, denn es ist ja unser Recht! –, Möglichkeiten zu überprüfen, dass sich Griechenland, um uns nicht weiter zu belasten, aus der Euro-Zone – nicht aus der EU, aber aus der Euro-Zone –, entfernen muss (Beifall bei der FPÖ) – so lange, bis es sich wieder erholt hat und seine Wirtschaft und seine Gesellschaftsordnung in Ordnung gebracht hat; dann kann man ja wieder darüber reden. Ich bitte Sie, diesem Antrag vielleicht doch die Zustimmung zu geben. (Beifall bei der FPÖ.)

19.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Stummvoll. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 1 Minute. – Bitte.

 


19.35.31

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich nehme unmittelbar Bezug auf meinen Kollegen Lutz Weinzinger, den ich sehr schätze, aber wenn hier ein Ausschluss von Griechenland aus der Euro-Zone verlangt wird, dann fällt mir nur ein: Denn sie wissen nicht, was sie tun. (Abg. Dr. Kurzmann: Denn Sie wissen nicht, was Sie sagen!)

Was wäre die Konsequenz? – Die Konsequenz wäre eine massive Spekulation gegen die dann wieder eingeführte Drachme. Es würde der Anleihen- und Aktienmarkt sofort kollabieren, und ein Dominoeffekt würde die nächste große Finanzkrise auslösen.

Was Sie zitiert haben, Herr Kollege Weinzinger, das war sicherlich der Stand von vielleicht vor zwei Wochen. Da haben manche noch überlegt, ob das eine Variante wäre. Der letzte Stand ist – und das ist ja die Causa prima heute und morgen bei der Tagung der Regierungschefs in Brüssel –: Es wird eine gemeinsame Hilfe vom Inter­nationalen Währungsfonds und der EU – Kommission, EZB – geben, und natürlich auch bilaterale Hilfe.

Man kann Griechenland aus folgendem Grund nicht allein lassen: Es geht nicht um Griechenland, sondern im Grunde genommen geht es um die Zukunft des Euro. Gestern hat der frühere deutsche Finanzminister Waigel völlig zu Recht in der „FAZ“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 196

gesagt: Wenn wir den Euro nicht gehabt hätten, gerade jetzt in der Finanzkrise, wäre Europa ein währungspolitisches Trümmerfeld. – Ich glaube, dem ist nichts hinzuzu­fügen: ein Trümmerfeld!

Gerade der Euro hat verhindert, dass Spekulationen gegen einzelne europäische Wäh­rungen, wie es früher war, stattgefunden haben. Insofern ist der Euro – Gott sei Dank – ein Schutzschild gegen internationale Spekulationen und damit auch ein Schutzschild gegen weltweite Spekulationen, die eine neue Finanzkrise hätten auslösen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

19.37


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten. – Bitte.

 


19.37.23

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Griechen brauchen Geld, und die Europäer – also auch die Österreicher – sollen gefälligst zahlen. Wenn man die Diskussion in der Vergangenheit und auch die Diskussion im Hohen Haus und im Ausschuss verfolgt, hat man das Gefühl, es gibt überhaupt keine Alternative dazu.

Die Griechen haben das Problem, dass sie sich im Moment Geld zu einem hohen Zins­satz leihen müssen, und das soll schlecht sein. Es ist schlecht für Griechenland, das ist keine Frage, aber es ist gut für die Banken, die diese Staatsanleihen gekauft haben und damit statt 3 bis 4 Prozent 6 bis 8 Prozent an Rendite eingefahren haben und gut verdient haben

Wenn man sich diese Banken ansieht, die jetzt zum Staat laufen und sagen: Bitte schaut, dass der Zinsspread – wenn man das übersetzt, ist das ja nichts anderes als ein Risikoaufschlag –, dass dieser Risikoaufschlag sich nicht erhöht, weil die Anleihen dadurch an Wert verlieren!, dann sieht man den Hintergrund dieser ganzen Diskussion. Die europäischen Banken fürchten sich davor, dass dieser Zinsspread sich ausweitet und die Anleihen vice versa an Wert verlieren. Da geht es um zig Milliarden, die hier abzuschreiben wären, und genau das ist der Grund, warum die Regierungen ein­springen sollen: um diesen Zinsspread, der angeblich von bösen Spekulanten nach oben getrieben wird, einzuschränken.

Aber was steckt dahinter? – Es sind nicht nur diese Spekulanten. Natürlich, die haben auch einen gewissen Anteil, aber in erster Linie geht es darum, dass all jene, die den Griechen Geld geben, nicht mehr glauben, dass die das auch dementsprechend zurückzahlen können. Das nennt man Risiko. Das sind Hochrisikoanleihen, und da bekommt man nun einmal mehr Zinsaufschlag dafür, da bekommt man mehr Rendite, weil auch ein höheres Risiko drinsteckt.

Jetzt frage ich Sie: Wenn sich eine deutsche Bank, an statt deutsche Anleihen mit 4 Prozent zu kaufen, griechische Anleihen mit 8 Prozent kauft, über Jahre den Profit einstreift und dann, wenn es Probleme gibt, sagt, um Gottes Willen, da war ja ein Risiko drin, das haben wir nicht gewusst, na, was glauben Sie, warum dieser Risiko­aufschlag bezahlt wird? (Zwischenruf des Abg. Dr. Stummvoll.) – Eben weil ein Risiko drinsteckt! Deshalb sollte der Steuerzahler dieses Risiko den Banken auf keinen Fall abgelten.

Wir haben den Banken schon genug Geld gegeben und genug bezahlt, jetzt muss endlich Schluss sein. All jene, die in der Vergangenheit mit diesen Anleihen gut ver­dient haben, müssen auch jetzt das Risiko tragen, dass diese Anleihen unter Umstän­den zum Teil oder überhaupt nicht mehr zurückgezahlt werden. Genau das ist der


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Punkt: Wir müssen zu einem System kommen, in dem Betrügereien, in dem Gier, in dem Spekulation nicht belohnt werden.

Im Moment wird Griechenland für die falschen Zahlen, die geliefert wurden, belohnt, indem man ihnen jetzt, wo es auffliegt, beispringt. Im Moment werden die Banken belohnt, die Hochrisikoanleihen gezeichnet haben und jetzt auf dem Risiko sitzen blei­ben.

Deshalb: Wenn wir neue Regeln machen, dann müssen wir die Rechtschaffenheit, das Augenmaß belohnen. Wenn wir neue Regeln machen, müssen wir auch darauf vertrauen können und darauf pochen, dass auch die alten Regeln eingehalten werden, denn was bringen uns neue Regeln, wenn man schon die alten mit Füßen getreten hat?

Es muss also aufhören, dass Gewinne etwas für einige wenige sind und Verluste die Allgemeinheit zahlt. Das ist etwas, womit Schluss sein muss. Wir müssen die Recht­schaffenen belohnen und nicht die Betrüger. – Danke. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Dr. Königshofer.)

19.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Krainer. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.41.26

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kurz und bündig: Die Doppelbesteuerungsabkommen setzen dieses Amtshilfedurch­füh­rungsgesetz um, bei dem es darum geht, dass vice versa wir Informationen über Menschen bekommen, die Zinserträge im Ausland vor uns verstecken wollen, und umgekehrt auch andere Länder Informationen über Menschen bekommen, die Zinserträge vor dem jeweiligen eigenen Finanzminister verstecken wollen. Das unter­stützen wir. Das ist ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit, und das ist gut so.

Das Zweite, die Aufstockung der Beiträge zur Asiatischen Entwicklungsbank, unter­stützen wir auch. Da geht es um wichtige Infrastrukturprojekte, die vor allem auch für unsere Wirtschaft, die dorthin exportieren will, von Bedeutung sind. Ich habe noch keinen südostasiatischen Staat gesehen, der einen anderen Staat „überholt“. Die sind alle relativ fix, also quasi angewachsen an der Erde.

Auch wenn China eine größere Wirtschaftsleistung hat als Österreich, so ist das kein Wunder, dort leben ein „bisschen“ mehr Menschen als in Österreich. Und dass die uns und auch Deutschland – unter Anführungszeichen – „überholen“, ist echt kein Wunder, weil es auch zehn Mal so viele Menschen sind. Insofern ist das eine natürliche Sache.

Zur Frage Griechenland: Natürlich ist es absurd, zu sagen, es soll ein Land aus der Euro-Zone ausgeschlossen werden, da das a) gar nicht vorgesehen ist und b) es jetzt immer vordergründig eine Diskussion über Griechenland gibt und immer gesagt wird, natürlich haben Spekulanten ihren Anteil.

Dann erklären Sie mir aber einmal: Was ist denn das wahre Risiko? Was ist denn die „wahre Schuld“ – unter Anführungszeichen? Was ist denn der echte Preis, und was ist jetzt nur ein Spekulationspreis?

Eines ist der Euro auf jeden Fall ist, nämlich ein Schutz vor Spekulation – wie das auch Kollege Stummvoll gesagt hat –, aber auch ein Schutz für uns vor Abwertungen. Jedes Mal, wenn Italien abgewertet hat, hat das für Österreich 40 000 Arbeitsplätze weniger bedeutet.

Der Euro verhindert das und bringt enorme Stabilität auch für uns, gerade für ein exportorientiertes Land. Das ist im Prinzip gut so. Wir haben im Hauptausschuss


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 198

gerade gestern über die Frage diskutiert – ich will mich jetzt nicht wiederholen –, dass es jetzt nur vordergründig um Griechenland geht. Es geht natürlich genauso um Portugal, es geht natürlich genauso um Spanien, und es kann natürlich genauso um Österreich gehen, weil auch Österreich – mit dem Spread zu Deutschland – bereits Opfer von Spekulationen war, die bei uns noch nicht nachhaltig waren, aber wir haben es auch schon gespürt, und das verteuert sehr schnell.

Es stellt sich prinzipiell die Frage, wie wir spekulationssicherer werden können, und das geschieht sicher nicht durch den Ausschluss von Griechenland. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Dr. Stummvoll.)

19.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Königshofer. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.44.22

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Europa, die EU und die Währungsunion stehen vor einem riesigen, vor einem dramatischen Problem, nämlich vor dem Währungsproblem des Euro. Da kann man die Sache jetzt schönreden, wie man will, dieses Problem steht jetzt an.

Ich war in der ersten Maihälfte 2002 in Argentinien. Das war genau die Zeit, in der die argentinische Regierung beschlossen hat, die Bindung des Peso an den US-Dollar aufzuheben, also die Koppelung des Peso zu beenden, die zehn oder 15 Jahre gedauert hat, weil die argentinische Wirtschaft diese dort doch gegebene Hartwäh­rungspolitik nicht mehr ausgehalten hat.

Effekt war, dass der Peso sofort 80 Prozent an Wert zum Dollar verloren hat und die argentinischen Bürger in Buenos Aires vor den Banken gestanden sind und ihre letzten Spargroschen abholen wollten.

Meine Damen und Herren! Die südeuropäischen Länder, die sogenannten PIGS – Portugal, Italien – ich möchte aber auch Irland als „I“ dazunehmen –, Griechenland und Spanien stehen heuer dort, wo Argentinien vor acht Jahren gestanden ist. Der erste Staat, der massive Probleme hat, ist jetzt Griechenland, und auch die anderen werden noch dazukommen. Die Kritiker dieser Währungsunion haben ja schon vor zehn Jahren gesagt, dass es nicht funktionieren kann, wenn sich Staaten mit verschiedener Wirtschaftskraft, verschiedener Wirtschaftsleistung und -zielsetzung wie die südeuro­päischen Staaten und auf der anderen Seite die mittel- und nordeuropäischen Staaten zu einem Währungsverband zusammenschließen.

Da wird es, da muss es Friktionen geben, und die sind nun da. Deshalb halte ich unseren Entschließungsantrag, dass man eine Separierung – sage ich einmal – dieser Südwährungen zulassen kann, für gut und unterstützenswert. Wir müssen diesen südeuropäischen Ländern die Möglichkeit eines geordneten Rückzugs aus dem Euro geben, denn, meine Damen und Herren, das gelingt ja nicht von heute auf morgen. Sie müssen ja Geldscheine drucken; sie müssen das Geld verteilen; sie müssen Berech­nungen anstellen. Das kann von heute auf morgen nicht gelingen, zumal ja die Süd­europäer in einer strukturell einheitlichen Währung mit dem Euro verbunden sind. Die Argentinier hatten ja noch ihren Peso, die hatten ja noch ihr Papier- und ihr Münzgeld. Das haben die Südeuropäer nicht. Deshalb hat man Vorsorge zu treffen.

Die andere Lösung – es wurde ja von Herrn Kollegen Stummvoll angesprochen, das gehe nicht, schon aufgrund der Spekulationen, man müsse diese Länder drinnen behalten –, erfordert enorme Kosten. Angesprochen ist ein Europäischer Währungs­fonds.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 199

Sie wissen genau, Herr Kollege Stummvoll, was das bedeutet. Das ist ein weiterer Topf der Umverteilung von Nord- und Mitteleuropa nach Südeuropa. Wenn Sie bedenken, dass Griechenland allein heuer noch 57 Milliarden € braucht, um seine staatliche Sta­bilität zu garantieren – bis Sommer sollen 25 Milliarden € gegeben sein –, dann frage ich mich, was passieren wird, wenn Portugal kommt und 100 Milliarden € braucht, Spanien 200 Milliarden €, Italien 500 Milliarden €. Wer soll das alles bezahlen, meine Damen und Herren?

Italien wird das größte Problem werden. Italien hat 1 900 Milliarden € Staatsschulden. Italien zahlt dafür im Jahr 100 Milliarden € Zinsen. Wenn sich die Italiener auf einen Italo-Euro oder wieder die Lira abkoppeln, wird das Problem sein, dass sofort die Zinszahlungen in einer immensen Höhe anspringen, sich verdoppeln werden.

Da muss man auch Hilfestellungen geben. Wir müssen jetzt daran denken, dass die Zeit reif ist – das ist sie jetzt! –, dass die südeuropäischen Staaten wieder die Möglichkeit bekommen, in ihre eigenen Währungen, in einen eigenen Währungsver­bund, wenn es sein sollte, zurückzutreten. Dann haben sie auch wieder die Möglichkeit des Wechselkursmechanismus. Aber wir werden ihnen dabei helfen müssen, die Zinsproblematik zu bewältigen.

Unterstützen Sie unseren Antrag, damit wir rechtzeitig darüber nachdenken können! (Beifall bei der FPÖ.)

19.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. 5 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.49.27

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7, den Doppelbesteuerungsabkommen: Ja, wir stimmen zu. Das ist exakt in der Folge der Umsetzung des Amtshilfedurch­führungsgesetzes ein Austriacum in der Lösung. – Soll sein. Wir haben uns dazu geradezu verpflichtet, wir haben im Herbst einen über mehrere Parteien gefundenen Konsens erreicht, und wir stehen dazu.

Man kann natürlich im Detail irgendwo immer noch etwas besser finden, denn wir hätten ja da oder dort sogar eine schärfere Regelung gewollt, aber jetzt ist es so, und es wird auch bei den künftigen Doppelbesteuerungsabkommen, so sie diesem Gedan­ken entsprechen, so sein.

Viel spannender ist ja die Fragestellung Griechenland, die durch einen Antrag der freiheitlichen Fraktion als Tagesordnungspunkt 9 auch auf der Agenda steht. Also das sehen wir schon ein bisschen differenzierter. Sagen wir einmal so, was der Abge­ordnete Königshofer einleitend gesagt hat, die Fragestellung, ob es in den neunziger Jahren nicht gescheiter gewesen wäre, dass bestimmte Staaten der Europäischen Währungsunion gar nicht beigetreten wären, nämlich zum beiderseitigen Nutzen, wenn man so will, der nördlichen und der südlichen Länder, das war damals schon auch meine Position, das stimmt, nämlich aus dem Grund, weil ja diese Länder dadurch in verschiedenen Fällen des wirtschaftlichen Ausgleichs, der jetzt ja offensichtlich notwendig ist, ein Instrument nicht mehr haben, nämlich die Währungspolitik und, wenn man so will, die Abwertungsmöglichkeit. Umgekehrt ist natürlich richtig, dass diese Staaten dann umso eher spekulationsanfällig in ihren Währungen gewesen wären, und die Frage ist, was dann gewesen wäre. Dann hätte halt auch der IWF kommen müssen.

Jetzt haben wir halt die Fragestellung, was die Union tun soll. Rechtliche Mittel sind ja auf dieser Basis nur sehr wenige vorgesehen. In Wirklichkeit geht es auch da wieder


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 200

um Vereinbarungsebenen. Aber da bin ich schon der Meinung, dass man da so lange, wie es geht, als Union Zurückhaltung üben soll, weil zunächst einmal die Sanierungs­programme und der Druck darauf lasten müssen. Das ist ja auch geschehen. Dort geschieht ja tatsächlich etwas.

Da ist die Fragestellung aus meiner Sicht ja viel eher, was die richtige Strukturreform für solche Länder wie Griechenland ist. Jetzt, nachdem sie sich dort in eine solche Situation manövriert haben, müssen sie es sich auch gefallen lassen, dass diese Frage an anderen Orten wie zum Beispiel hier in Wien gestellt wird. Da fallen aber unsere Antworten möglicherweise unterschiedlich aus.

Ich bin schon der Meinung, dass die Maßnahmen – Abgeordneter Stadler hat ja bereits lang und viel darüber gesprochen – nicht so ausschauen dürfen, dass sie jetzt sozial völlig linear durchgehen, denn das ist ja dann in Griechenland auch politisch nicht durchsetzbar. Das kann man ja auch nicht wollen. Das muss schon etwas damit zu tun haben, dass dort einmal überhaupt Steuern gezahlt werden. Innerhalb dieser verbes­serten Steuermoral wird es gut sein, wenn jenen, die leichter einen Beitrag leisten können, dieser auch eher abverlangt wird.

Ich bin mir nicht sicher, ob der IWF genau diese Strategie verfolgt, weil er da bisher relativ ... – Man hat ja die Hoffnung, dass die auch aus der Finanzkrise gelernt haben könnten, aber nicht alle Sanierungsbemühungen des IWF in Krisenländern waren nach unserem Geschmack. Also da ist ja manchmal schon noch zusätzlich etwas ange­richtet worden.

Aber dass dort mehrere Bevölkerungsgruppen etwas beitragen werden müssen, ist doch völlig auf der Hand liegend und klar.

Jetzt muss man in Griechenland noch etwas unterscheiden, was auch für Süditalien gilt. Es gibt das Problem der Schattenwirtschaft, und es gibt durchaus das Problem der mafiösen Strukturen, im Übrigen auch in Rumänien. Und es gibt das Problem der klassischen – der bösen, wenn man so will – Korruption. Das sind alles gröbere Schadenspotentiale, die zum Teil auch mit Ursache für den ökonomischen Abstieg sind. Meines Erachtens muss man da genau hinschauen.

Die Schattenwirtschaft an sich ist jetzt nicht das größte Problem, denn da geschieht wenigstens etwas. Da werden Werte geschaffen, da erfolgt ein Austausch. Das Problem ist nur, dass die öffentliche Hand durch die Finger schaut, wo aber jetzt das Geld gebraucht wird.

Das heißt, da wird man sehr schlau eingreifen müssen, um nicht sofort die wirt­schaftlichen Aktivitäten weiter zurückzudrängen, denn das ist dort halt einmal die Kultur, wenn man sich diesen quasi überheblichen Ausdruck erlauben darf.

Bei diesen mafiösen Strukturen sollte man schon weniger Verständnis aufbringen. Die stiften nämlich Schaden, die schaden auch dem wirtschaftlichen Output. – Die Kor­ruption sowieso. Das ist schon einmal die Frage, das traue ich mich von diesem Rednerpult aus zu sagen. Wir stehen ja dafür, dass wir Korruption auf allen Ebenen bekämpfen wollen. Das ist natürlich in diesen Ländern ein viel größeres Problem als etwa bei uns. Das ist einfach so.

Ich bin schon der Meinung, dass auch diese Krise dazu genutzt werden sollte, dass man sagt, schaut einmal, wie ihr eure öffentlichen Strukturen für die Zukunft überhaupt auf die Reihe bekommt. Es ist doch nicht einsehbar, dass dort überhaupt nichts geschieht, zum Beispiel, was die Verhinderung von Brandgefahren betrifft. Da geht ja nichts weiter. Die brennen halb ab, die Leute gleich mit, aber es ändert sich nichts. Das kann es ja nicht sein!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 201

Ich bringe das nur deshalb als Beispiel, weil dort tatsächlich die Strukturen so sind, dass das bis in die kleinste Einheit hinunter sozusagen dazugehört, dass die öffent­lichen Entscheidungsträger, auch die Kollegialorgane entweder wegschauen oder sonst irgendwie zu Ineffizienz Anlass geben.

Ein derartiges Gesamtpaket kann dort, wie ich meine, sehr viel Nutzen stiften, wenn Druck darauf gelegt wird.

Am Schluss sollten wir vielleicht nicht allzu überheblich sein, denn immerhin leisten wir uns auch ein Griechenland – namens Kärnten! (Beifall bei den Grünen.)

19.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gradauer. Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


19.55.42

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Thema ist die Entwicklungshilfe – nicht die asiatische Entwicklungshilfe, sondern die afrikanische Entwicklungshilfe.

Sie erinnern sich, vor nicht allzu langer Zeit ist hier im Hohen Haus eine Entscheidung für Afrika gefallen und dafür, die Entwicklungshilfe, fast 500 Millionen € für fünf Jahre, als Geschenk zu übermitteln.

Ich war immer der Meinung, schenken kann man nur dann etwas, wenn man auch etwas zu verschenken hat. Das ist aber bei uns im Staate Österreich leider Gottes nicht der Fall. Bei einem derzeitigen Schuldenstand von mehr als 180 Milliarden €, Tendenz steigend, kann es sich Österreich meiner Ansicht nach angesichts dieses Schuldenberges nicht leisten, etwas zu verschenken, noch dazu, wo diese Entwick­lungshilfe in einem sehr fragwürdigen System angeboten wird. Das sage nicht ich, sondern ich habe es in einem sehr interessanten Buch, das ich Ihnen allen ans Herz legen möchte, nachgelesen. Der Autor ist Volker Seitz. Der Titel heißt „Afrika wird arm­regiert oder Wie man Afrika wirklich helfen kann“.

Dieser Volker Seitz ist im Auswärtigen Amt Deutschlands tätig gewesen, war viele Jahre in Ländern Afrikas tätig, zuletzt in der Botschaft von Kamerun in Jaunde. Er ist ein absoluter Kenner der Szene und schreibt dazu, wie die Steuergelder dort ankom­men, folgenden Satz – ich zitiere –:

„Steuergelder werden überall vergeudet, aber hier werden sie als Budgethilfe geradezu aus der Luft abgeworfen.“

Über die korrupten Machthaber, die es dort prächtig verstehen, Vermögen anzuhäufen und mit unserem Geld im Ausland Luxusvillen zu kaufen, schreibt er – ich zitiere –:

„Der ganze Kontinent wird zum Almosenempfänger, nicht wegen der Menschen und Völker, sondern weil sie Regierungen haben, die faul, raffgierig und größenwahnsinnig sind.“

Über die Wege dieser Entwicklungsgelder schreibt er – letztes Zitat –: „Selbst wenn Entwicklungsgelder zweckgebunden ausgegeben werden müssen, finden sie per Umweg doch den Weg in die falschen Kassen.“ 

Tatsache ist, dass wir zwischen 1960 und 2006 bis zu 2,3 Billionen Dollar als Entwick­lungshilfe nach Afrika geschickt haben. Mit welchem Ergebnis? – Die Bevölkerung ist heute ärmer denn je, das Geld fließt in falsche Kanäle, und das Schlimme daran ist, dass internationale Organisationen die Trostlosigkeit Schwarzafrikas ausnützen, um sich selbst zu bereichern. Da tun wir Freiheitlichen sicher nicht mit! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 202

Volker Seitz gibt in diesem Buch auch Anregungen, wie richtige Entwicklungspolitik gemacht werden sollte. Ich empfehle Ihnen nochmals, dieses Buch zu kaufen. Dann werden Sie wahrscheinlich nächstes Mal nicht dabei sein, wenn unsere Steuergelder zum Fenster hinausgeworfen werden. (Beifall bei der FPÖ.)

19.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Tamandl. 1 Minute Redezeit ist eingestellt. – Bitte.

 


19.59.36

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist natürlich schwierig, und Herr Kollege Kogler hat es angesprochen, wenn ein Land nicht nur seine Maastricht-Kriterien zum Eintritt in die Währungsunion durch getürkte Zahlen beziehungsweise durch Verschiebungen von Anschaffungen und Zahlungen in unterschiedliche Haus­halts­jahre erreicht hat, sondern wenn ganz einfach auch Tatbestände, die bei manchen wahrscheinlich zu Verhandlungsabbrüchen führen oder dazu, dass sie der Europä­i­schen Union nicht beitreten können, wie beispielsweise Korruption, irgendwelche andere mafiöse Vorgänge, Schwarzarbeit oder sonst irgendetwas, nicht abreißen.

Ich glaube, da muss die Europäische Kommission aber auch ein stärkeres Zugriffs­recht bekommen, um einen Kontrollmechanismus auch schon bei geringfügiger Über­schreitung dieser Kriterien zu haben. Sie wissen ganz genau, Österreich erreicht diese Kriterien auch nicht, und die EU „wachelt“ uns auch schon mit dem Blauen Brief.

Ich würde uns aber nicht wünschen, dass die EU oder die anderen 26 Mitgliedstaaten sagen, Österreich sollte aus der Währungsunion austreten. Nicht auszudenken, was das für unsere Wirtschaft bedeuten würde, was das im Hinblick auf die Teuerungsrate bedeuten würde, was das vielleicht für eine Währungsabwertung des alten, seinerzeit noch harten Schilling nach sich ziehen würde! (Zwischenruf des Abg. Dr. Königs­hofer.)

Die Frage könnte sich einmal stellen, wenn wir die Kriterien, die für die Währungsunion notwendig sind, in einem noch größeren Ausmaß überschreiten, und dann bin ich neugierig, wie Sie da herinnen das dann sehen.

Aber es ist wie immer: Der Standort bestimmt den Standpunkt; das ist ganz einfach so. (Beifall bei der ÖVP.)

20.01


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Haider. 2 Minuten Redzeit. – Bitte.

 


20.01.50

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Frau Kollegin Tamandl! Sie haben das wirklich nicht verstanden, ich sage es Ihnen noch einmal. Und zwar zitiere ich jetzt einfach Univ.-Prof. Hans-Werner Sinn, den Vorstand des Münchner ifo Instituts. Er hat ganz klar drei Szenarien im Umgang mit Ländern wie Griechenland entworfen und diese am Beispiel Griechenland erklärt.

Das eine Szenario, das, was jetzt diskutiert wird: eine dramatische Erhöhung der laufenden Finanzhilfen der EU an Griechenland. – Da legt sich Deutschland quer. „Europas starker Mann“, titeln die Zeitungen schon (der Redner zeigt einen ent­sprechenden Zeitungsausschnitt), weil sich Bundeskanzlerin Merkel zu Recht querlegt. So viel, Herr Kollege Matznetter, auch zu dem, was Sie im Ausschuss gesagt haben, dass der Vorschlag unsinnig sei. So kann es nicht sein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 203

Die zweite Möglichkeit, die Griechenland hat, ist eine innere sogenannte reale Abwer­tung durch Senkung der Löhne und Preise. – Da haben wir schon einen Vorgeschmack bekommen, was in Griechenland passiert, wenn man dieses Thema auch nur theoretisch anschneidet. Dann gibt es gleich bürgerkriegsähnliche Zustände.

Die dritte Option ist eben der Austritt aus dem Euro und die offene Abwertung. Frau Kollegin Tamandl, ich zitiere jetzt wieder nur Professor Sinn: „Wenn Griechenland aus dem Euro austritt, kann es abwerten, kann sein Leistungsbilanzdefizit verringern, kann wieder neue Bonität erlangen. Diese Abwertung macht die Exporte billiger, insbe­sondere auch den Export touristischer Dienstleistungen, was für Griechenland enorm wichtig ist.“

So unsinnig oder, wie Kollege Krainer gesagt hat, absurd ist das ganz und gar nicht, Frau Kollegin Tamandl.

Ich schaue mir jetzt nur die „Salzburger Nachrichten“ an, ein Interview mit dem Finanzminister. (Der Redner zeigt einen Zeitungsartikel.) Er wird gefragt, was er vom Szenario des Ausschlusses Griechenlands aus der Eurozone hält. Er sagt:

„Dem steht das Faktum entgegen, dass Griechenland sein Budgetdefizit um vier Prozentpunkte pro Jahr senken will und dass es Lehren aus der Krise zieht. Aber klar ist auch: Wenn die Griechen neuerlich die Regeln verletzen, dann haben wir eine neue Qualität der Diskussion.“

Da werden wir uns dann anschauen, was er unter „neuer Qualität der Diskussion“ versteht, denn dass sich Griechenland neuerlich nicht an die Regeln halten wird, wo wir schon gesehen haben, wie es mit Regeln in der Vergangenheit umgegangen ist, darauf können wir vertrauen. Wir werden dieses Thema sicherlich noch öfter hier herinnen behandeln, auch wenn Sie jetzt diesen Antrag ablehnen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Kuzdas. 3 Minuten sind eingestellt. – Bitte.

 


20.04.41

Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Kollege Weinzinger und Kollege Haider, es gibt natürlich auch andere Ökonomen, die man zitieren könnte, die vielleicht auch anderer Meinung sind. Zum Beispiel sagt der Ökonom Eichengreen (Abg. Mag. Haider: Das ist der Amerikaner!), der in der „Wiener Zeitung“ von gestern zitiert wird: „Eine Euro-Exit-Klausel wäre pervers“. „US-Topöko­nom Eichengreen warnt vor Finanzkatastrophe, wenn ein Land aus der Euro-Wäh­rungs­union austritt.“

Nicht alles, was Kollege Königshofer gesagt hat, ist unrichtig, aber das liegt schon einige Jahre zurück, und man kann das heute nicht mehr zurückdrehen. Mit dem Austritt oder, wie im Entschließungsantrag gefordert, mit dem Ausschluss aus der Währungsunion würde man ja einer Volkswirtschaft nichts Gutes tun. Es würde genau das heraufbeschworen, was wir verhindern wollen, nämlich die Finanzkrise neu oder ein finanzieller Super-GAU. Ich glaube, das will in Wirklichkeit niemand, das wollen auch Sie nicht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Königshofer.)

Kollege Van der Bellen hat es gestern schon gesagt, das schlimmste Finanzchaos wäre die Folge. Er hat das im Rahmen der außenpolitischen Debatte erwähnt. Die Gründe liegen auf der Hand: Griechenland müsste die Drachme einführen, müsste abwerten, und sobald die Investoren das mitkriegen, ziehen sie sofort die Investitionen ab. Der Aktien- und Anleihenmarkt würde kollabieren und würde in einer fürchterlichen Krise – ich sage: in einer Rezession – enden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 204

Was Spekulationen bewirken können, haben wir ja bei den Spekulationen mit dem ungarischen Forint gesehen. Österreich ist in der Währungsunion gut aufgehoben. Kollege Krainer hat es schon angedeutet, auch mit Österreich hat es Versuche gege­ben, und es ist nicht auszudenken, wären wir nicht in der Währungsunion und hätten wir noch den Schilling.

Ich stimme mit den Antragstellern überein, wenn sie meinen, dass Griechenland heuer nicht die Lösung finden wird. Bei Griechenland geht es um eine Verbesserung des Budgetdefizits um 10 Prozentpunkte, und da wird es einige Zeit brauchen, bis das Platz greift. Das wird nicht in zwei Jahren gehen, denn das wäre eine wirtschaftliche Vollbremsung, und auch die hätte Konsequenzen.

Das Zweite, was Griechenland braucht, sind Auflagen, damit es diese Vorbildwirkung, die Sie angesprochen haben, für Portugal, für Spanien eben nicht gibt. Es wird wahrscheinlich eine kombinierte Hilfe durch den IWF und die Europäische Union geben, gescheiter wäre wahrscheinlich eine Kontrolle durch die Währungsunion, durch die Euro-Staaten. Aber leider ist es eben so, und momentan auch ohne Alternative. – Danke.(Beifall bei der SPÖ.)

20.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. 1 Minute wird für Sie eingestellt. – Bitte.

 


20.07.46

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Deutschland und Frankreich haben sich in diesen Minuten in Brüssel auf einen gemeinsamen Entwurf zur Unterstützung Griechenlands verständigt. Es war längst an der Zeit, selbstverständlich braucht es Solidarität von uns allen. Es ist auch klar, dass die Möglichkeit, Griechenland insolvent werden zu lassen, keine Alternative ist oder war. Das geht nicht, das soll nicht sein, das kann nicht sein. Haben wir uns darauf verständigt, dass Bankinstitute zu groß sind, um in die Pleite schlittern zu dürfen, dann muss das für Mitgliedstaaten der Europäischen Union erst recht gelten, meine Damen und Herren.

Also Deutschland und Frankreich haben sich geeinigt. Das wird auch uns etwas kosten. Wir werden mit 2,86 Prozent da mitzahlen im Rahmen von bilateralen Krediten, die die Mehrheit an allfälliger Hilfe, wenn Griechenland eine solche wirklich benötigt, darstellen werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Königshofer.)

Einen Minderheitsanteil wird der Internationale Währungsfonds – nicht ganz über­raschend – zu tragen haben. Und es wird eine schnelle Eingreiftruppe gefordert, die für die Zukunft Derartiges verhindern soll, also eine Bereitschaftslösung. Das heißt, es gilt nach wie vor, dass der griechische Premierminister, auch der Finanzminister gesagt haben: Wir brauchen die Hilfe nicht. Wenn das so ist, dann ist es gut so, aber die Bereitschaft ist dann, wenn dies als Ultima Ratio notwendig ist, prinzipiell nicht nur gegeben, sondern auch strukturiert, und das ist wichtig. Wir werden uns nolens volens daran zu beteiligen haben.

Nicht ganz vergessen sollten wir, jetzt muss es der Internationale Währungsfonds sein, weil es einen Europäischen Währungsfonds noch nicht gibt. Das braucht viel an Vorarbeit, aber mittelfristig sollte die Europäische Union, sollte die Eurozone doch in der Lage sein, derartige Probleme aus sich heraus zu lösen, zum Beispiel mit einem Europäischen Währungsfonds, um nicht auf die Hilfe des Internationalen Währungs­fonds angewiesen zu sein. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

20.09



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 205

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Dr. Jarolim. 1 Minute Redezeit ist eingestellt. – Bitte.

 


20.10.04

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist müßig, jetzt die Diskussion noch weiter zu führen. Man kann es akzeptieren – oder man kann es nicht akzeptieren. Herr Professor Sinn ist ja kein Unbekannter. Er hat natürlich eine Menge von Theorien, und diese sind in höchstem Maße umstritten.

Es geht im Wesentlichen ja nicht nur um die Frage, ob man Griechenland ausschließen kann, sondern auch darum, was die Folgen dessen wären. Wenn Sie damit beginnen, ein Land – auch Portugal ist in Diskussion – auszuschließen, dann beginnt eine gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die die Union sprengt. Und das betrifft dann natürlich nicht nur Griechenland, sondern schlägt auf das gesamte Währungssystem durch, genauso auf die wirtschaftlichen Systeme.

Insofern kann man natürlich sagen: Wenn man an der Europäischen Union insgesamt zu zweifeln beginnt und den Rückzug anzutreten möchte, kann man das Projekt in Angriff nehmen. Aber das ist nicht unser Projekt, und insofern wäre ich da schon ein bisschen vorsichtig, weil es natürlich schon bedeutet, dass wir in der nächsten Zeit mit unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten hier sicherlich Geld investieren müssen; keine Frage.

Aber insgesamt, glaube ich, geht es um die Frage des Auffangens. (Abg. Dr. Königs­hofer: Das ist immer Ihre Ausrede!) Es gibt ja eine europäische Finanzierung, die Bank und verschiedene Linien. Und wenn sich jetzt Frankreich mit Deutschland über die Art der Finanzierung geeinigt hat – Deutschland ist ja an sich auf der Bremse gestanden –, dann ist das ein gutes Zeichen. Ich glaube, man kann nicht einfach sagen, sobald das erste Land eine wirtschaftliche Schwäche zeigt, wird die Union aufgelöst.

Das ist natürlich ein populistischer Ansatz von Ihrer Seite, den ich zwar nachvollziehen kann, aber zukunftsprägend kann das sicherlich nicht sein. Daher ersuche ich wirklich, diese Diskussion mit Vorsicht zu führen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. Redezeit: ebenfalls 1 Minute. – Bitte.

 


20.12.02

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! In der Kürze liegt die Würze. Ich möchte der Freiheitlichen Partei im Zusammenhang mit dem Doppelbesteuerungsabkommen heute noch etwas zum Nachdenken mit in den Abend und in die Nacht geben.

Ich glaube, es ist unbestritten, dass die Schweiz eine enorme Wertkraft besitzt, auch bei der Verteidigung des Bankgeheimnisses. Ich lege nahe, die „Neue Zürcher Zeitung“ vom 18. März zu lesen. Da steht:

Der Ständerat heißt die erste Serie der neuen Doppelbesteuerungsabkommen wider­standslos gut.

Und weiters: Dass die Schweiz nicht darum herum kommt, sich an die internationale Politik anzupassen, war im Ständerat unbestritten. Die Verträge wurden denn auch ohne Gegenstimme gutgeheißen und beschlossen. – Also einfach zum Nachdenken.


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Die Schweiz, wird in der Folge ausgeführt, hält selbstverständlich an ihrer Bastion des Bankgeheimnisses für die im Inland veranlagten Bürger fest. – Genau das haben wir mit dem Amtshilfedurchführungsgesetz schon getan und erreicht.

Eine Bitte noch an den Herrn Staatssekretär im Zusammenhang mit dem Bankge­heimnis, eine Hausaufgabe müssen wir da noch machen. Ich meine, wir stimmen überein, dass wir jene Form staatlicher Datenhehlerei, wie sie in Deutschland prakti­ziert wird, nicht wollen – sowohl aus Gründen des Datenschutzes als auch aus solchen der Rechtsstaatlichkeit nicht. Um das aber auszuschließen, bedarf es noch einer Schließung der Rechtslücke des § 164 Strafgesetzbuch, da dort derzeit nur die Hehlerei mit Sachen geregelt ist – historisch verständlich, aber nicht mehr zeitgerecht und zielführend. Daher ersuche ich auch den Herrn Staatssekretär, eine ent­sprechende Initiative gegenüber dem Justizministerium zu unterstützen, und lade alle Kollegen ein, das ebenso zu tun. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Aber zu­erst begleichen wir den Steuerbetrug, sonst sind wir nicht bereit!)

20.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haberzettl. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.14.07

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Es wird heute ein weiterer Schritt Österreichs gesetzt, um die Aufnahme in die sogenannte Schwarze Liste jener Länder, die als Steueroasen gelten, zu vermeiden, und zwar durch die vorgesehene Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Republik Österreich einerseits und den Ländern Irland und Schweden andererseits.

Dabei wird, wie bereits im Herbst des Vorjahres sehr eingehend diskutiert, das hier­zulande geltende Bankgeheimnis eingeschränkt und werden die neuen OECD-Grund­sätze für die internationale Amtshilfe bei der Verfolgung von ausländischen Steuer­sündern umgesetzt. Wir haben im Augenblick 14 solcher Abkommen bereits in Kraft gesetzt, heute kommen zwei dazu. – Ich denke, wir sind auf dem richtigen Weg. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer Stellungnahme hat sich Herr Staatssekretär Dr. Lopatka zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


20.15.06

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Reinhold Lopatka: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Einige kurze Anmerkungen von meiner Seite.

Von den Rednern der Freiheitlichen Partei ist jetzt sowohl die Frage aufgeworfen wor­den: War es sinnvoll, dieser Europäischen Union beizutreten?, wenn ich es richtig verstanden habe, als auch die Frage: Ist es sinnvoll, in der Eurozone zu sein?

Lassen Sie mich das doppelt beantworten. Vor einigen Wochen war der langjährige, sehr erfolgreiche sozialdemokratische schwedische Ministerpräsident Göran Persson hier in Wien, und im Zuge seines Aufenthaltes hatte ich auch die Möglichkeit, mit ihm ziemlich ausführlich ins Gespräch zu kommen. Er hat gemeint, wenn etwas gefährlich sein kann für Schweden, dann ist es eben, dass Schweden noch nicht in der Eurozone ist und es natürlich für Spekulanten interessant ist, hier auch auf die schwedische Währung entsprechende Angriffe zu starten.

Und das Zweite: Gestern war der neue Finanzstaatssekretär der Schweiz Dr. Michael Ambühl in Österreich, um sich bei uns zu erkundigen, wie die einzelnen Entwicklungen


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auf europäischer Ebene sind, weil eben die Schweiz nicht am Tisch sitzt, wenn die Ent­scheidungen fallen.

Zusammenfassend: Auch in schwierigen Zeiten, wenn es um Solidarität geht, wenn es darum geht, dass wir Ländern der Eurozone Kredite einräumen, sage ich Ihnen, unterm Strich war es hundertprozentig richtig, der Europäischen Union beizutreten und auch in der Eurozone zu sein. Das sage ich ganz klar und deutlich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Auch zu einem zweiten Punkt, weil die bescheidenen österreichischen Leistungen, die wir im Entwicklungsbereich erbringen, so massiv kritisiert worden sind, einige kurze Anmerkungen.

Erstens: Die Beiträge, die wir leisten, sind bescheiden. Es geht hier sehr oft schlicht­weg nur um Überlebenshilfe für die ärmsten Länder, wo tatsächlich ohne diese Hilfen das Überleben vieler Menschen nicht gesichert ist.

Zweitens geht es hier darum, einfachste Infrastruktur aufzubauen, wenn es um Was­ser­versorgung oder um andere notwendige Infrastrukturen geht.

Drittens: Bitte vergessen Sie nicht, dass einzelne österreichische Unternehmungen gerade im Bereich der Wasserwirtschaft, im Bereich der Energieversorgung dann von diesen internationalen Finanzinstitutionen Aufträge erhalten. Es ist das also keine Ein­bahn, sondern es gibt eine Reihe österreichischer Firmen, die hier sehr erfolgreich mit diesen internationalen Entwicklungshilfeorganisationen zusammenarbeiten.

Letzter Punkt: Die Anregung, die hier vom Abgeordneten Ikrath gebracht worden ist, dass unsere Experten sich mit den Experten des Justizministeriums zusammensetzen, um hier zu einer guten Lösung zu kommen, nehme ich gerne auf.

Abschließend danke jenen Abgeordneten, die diesen drei Stücken ihre Zustimmung geben werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Steindl. 1 Minute Redezeit ist eingestellt. – Bitte.

 


20.18.32

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag der Freiheitlichen, dass Griechenland aus der Europäischen Währungsunion ausscheiden soll, muss ich sagen, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Das würde Europa wirklich sehr schwer treffen, denn letztlich ist der Euro die gemeinsame Basis für eine gemeinsame Wirtschaft in Europa.

Natürlich müssen wir schauen, dass wir in Zukunft stringente Maßnahmen haben, was die Stabilitätskriterien betrifft. Hier wird man die Länder sehr stark in die Pflicht nehmen müssen. Es ist in der neuen Agenda 2010 – 2020 auch ein neuer territorialer Zusam­menhalt am Kontinent und in Europa vorgesehen, und diesen wird man auch weiter ausbauen müssen. Und wenn man, Herr Kollege Dr. Königshofer, dessen Ausfüh­rungen ich immer wieder schätze, die Hausausgaben nicht macht, so wie Argentinien sie viele Jahre nicht gemacht hat, dann kommt es eben zu diesen Inflationen. Das ist einmal ein Aufschieben, aber das wird diesen Staaten nicht helfen, und es kommt dann erst zum Crash. Insgesamt wäre das aus meiner Sicht keine Maßnahme, um den angeschlagenen Staaten zu helfen.

Wir haben festgestellt, dass wir in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit ein doch sehr starkes Europa haben, mit sehr viel Wirtschaftskraft, mit sehr viel Potenzial. Das sollten wir auch weiterhin nutzen. Und abschließend: Wir dürfen nicht vergessen, dass uns


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dieses gemeinsame Europa immerhin über 60 Jahre den Frieden gesichert hat. – Besten Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. 2 Minu­ten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.20.34

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Die 5. allgemeine Kapitalerhöhung der Asiatischen Entwicklungsbank halte ich für eine entwicklungs­poli­tisch sinnvolle Maßnahme, weil natürlich gerade in Krisenzeiten speziell in diesen Ländern, in dieser Region, auch die Nachfrage nach Krediten bedient werden muss, um dort Wirtschaftsleistungen auszubauen, um kleine Unternehmen gründen zu kön­nen, um damit Arbeitsplätze zu schaffen.

Es ist sehr beeindruckend, wie hier dokumentiert wird, wie mit einem eingesetzten Euro eine Hebelwirkung von 13 € an Krediteffekten entsteht. Aber abgesehen von dieser pekuniären Hilfe, die wir damit leisten, ist es natürlich auch notwendig, einen politisch sinnvollen Rahmen für eine gleiche und faire Entwicklung der Welt zu schaf­fen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass momentan zwischen der Europäischen Union und Indien über ein Freihandelsabkommen verhandelt wird, wo es um den Schutz von geistigen Eigentumsrechten geht, also um TRIPS, wo die Euro­päische Union den Anspruch hat, dass sie den Patentschutz verlängern möchte. Das heißt, dass es zunehmend schwieriger werden wird, gerade für Indien, zum Beispiel Generika zu produzieren, also Medikamente, wo dieser Patentschutz schon abgelau­fen ist. Generika sind aber in sehr vielen armen Ländern – und bei Weitem nicht nur in Indien; Indien hat da als eines der wenigen Entwicklungsländer auch eine Industrie dazu – die einzige Möglichkeit, kostengünstig Menschen überhaupt mit Medizin zu ver­sorgen.

Lassen Sie mich anhand des Beispiels HIV/AIDS nur eine Zahl bringen: 92 Prozent der Menschen aus Entwicklungsländern, die überhaupt Zugang zu einigermaßen moderner medikamentöser Behandlung haben, werden mit Medikamenten versorgt, die in Indien als Generika produziert werden. Hier diese Möglichkeit aufzuweichen, hier Bedingun­gen zu stellen, wäre mehr als fatal für Millionen und Abermillionen von Menschen.

Ich denke, wenn wir als Europäische Union, wenn wir als Österreich über dieses Frei­handelsabkommen diskutieren, dann muss eine kohärente und verantwortungsvolle Position uns leiten, und es muss uns die gesundheitspolitische Versorgung von Mil­lionen von Menschen mehr wert sein als die Aktienerträge einiger weniger durch einen verlängerten Patentschutz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Kaipel zu Wort. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.23.04

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Regierungsmitglieder! Meine Damen und Herren! Griechenland war gestern Thema und ist es auch heute, mit der Absicht, dieses Land aus der Währungsunion auszuschließen, was bisher laut Vertrag nicht möglich ist und wovor zahlreiche Ökonomen auch warnen, um Spekulanten nicht auf den Plan zu rufen, denn das hätte große Probleme für die Gesamtunion zur Folge.

Es hat bisher Kriterien für den Beitritt gegeben und auch Spielregeln zur Einhaltung und Überwachung dieser Kriterien. Die aktuelle Entwicklung in Griechenland zeigt


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allerdings, dass es Schwachstellen auf beiden Seiten gibt, für die es Lösungen zu finden gilt.

Griechenland wird sein Defizit in angemessener Zeit in ausreichendem Ausmaß zu reduzieren haben. Ob das in drei Jahren gelingt, das wird sich zeigen. Jedenfalls ist auch die Gefahr einer Rezession zu bedenken, und es gibt natürlich auch wirtschaft­liche und politische Grenzen.

Die Union wird ihre Unterstützung jedenfalls mit strikten Auflagen zu versehen haben, um nicht eine negative Vorbildwirkung für andere Länder zu haben. Wichtig ist jeden­falls, wie ich meine, dass es eine Problemlösung innerhalb der Union gibt. Das ist wichtig für das Vertrauen und stärkt die Union auch nach innen und nach außen.

Daher werden wir diesen Antrag nicht unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

20.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesordnungs­punkt ist Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. 2 Minuten sind eingestellt. – Bitte.

 


20.24.46

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Herr Bundesminister! Ich bleibe bei dem, was ich im Ausschuss gesagt habe, weil wir rechtlich auch keine andere Möglichkeit haben. Ein Ausschluss aus der Euro-Zone ist rechtlich nicht möglich und daher Ihr Antrag ein Unsinn.

Aber er ist auch ein politischer Unsinn. Der Euro ist unsere gemeinsame Währung, und in dem Moment, wo die Spekulationen beginnen, haben wir gemeinsam diese unsere Währung zu verteidigen. Und wir müssen uns auch dagegen wehren, wenn die Euro­päische Union als Ganzes gespalten werden soll.

Und die Spielereien mit dem nationalen Wähler – wie kann man Anti-Griechenland-Stimmung nützen, vielleicht weil Wahlen im größten deutschen Bundesland bevor­ste­hen und die deutsche Koalition vielleicht nur noch bei 40 Prozent Zustimmung liegt? –, diese Spielereien sind ein Wahlkampfgetöse.

Ich glaube, dass die Entscheidung von heute eine gute war. Deutschland und Frank­reich haben sehr spät – hoffentlich nicht zu spät – entschieden. Unsere Aufgabe ist es, diese unsere Währung zu verteidigen.

Und noch ein Punkt, einfach zum Nachdenken. Kollege Kogler hat es eigentlich scherzhaft gesagt: In jedem Währungsgebiet gibt es Gebiete, die schwächer sind, und Gebiete, die eine bessere wirtschaftliche Entwicklung haben. Die Lösung kann nie das Auseinanderreißen dieses Gebietes sein, weil die Folgen für alle extrem negativ sind. Jugoslawien ist uns ein warnendes Beispiel.

Richtig ist es, in den Gebieten, wo es Probleme gibt, eine entsprechende Strukturför­derung einzurichten, damit sie sich entwickeln können. Unser gutes Beispiel in Öster­reich ist das Burgenland – wahrscheinlich werden wir bezüglich Kärntens auch noch dafür sorgen müssen, dass es wieder an die anderen Bundesländer anschließen kann. Diese Aufgabe erledigen wir in der Europäischen Union mit den Strukturfonds. Das ist der Kern unserer Europäischen Union, und es wird Aufgabe sein, Griechenland aus der Misere herauszuführen.

Glauben Sie nicht, dass Sie mit Ihrer Agitation gegen Euro und Europäische Union etwas Gutes für unser Land tun! Wir waren so wie Deutschland einer der größten Pro­fiteure dieser europäischen Entwicklung. Es sind unsere Arbeitsplätze, es ist unser


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Reichtum des Landes, und wir haben davon profitiert, dass die Löhne dort hoch waren, weil somit unsere Firmen exportieren konnten.

In diesem Sinne schadet Ihre Politik auch dem lieben, kleinen Österreich als Teil der Union und als Teil der Eurozone. Lassen Sie sich das auch ins Stammbuch schrei­ben. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen beziehungsweise der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Protokoll zwischen der Republik Österreich und Irland und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 24. Mai 1966 in Wien unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen in der Fassung des am 19. Juni 1987 in Dublin unterzeichneten Protokolls, in 584 der Beilagen gemäß Artikel 50 Absatz 1 Ziffer 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, dem Abschluss des gegenständlichen Staatsvertrages: Protokoll zur Abänderung des Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Schweden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, in 585 der Beilagen gemäß Artikel 50 Absatz 1 Ziffer 1 Bundes-Verfassungsgesetz die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Weiters gelangen wir zur Abstimmung über den Entwurf betreffend ein Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der 5. allgemeinen Kapitalerhöhung der Asiati­schen Entwicklungsbank samt Titel und Eingang in 603 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit in dritter Lesung angenommen.

Schließlich gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag des Finanzausschusses, seinen Bericht 622 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 211

20.30.11 10. Punkt

Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Antrag 1008/A(E) der Abgeordneten Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber dem Bundesminister für Landesverteidigung und Sport (648 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Kunasek. Eingestellte Redezeit: 3 Minu­ten. – Bitte.

 


20.30.45

Abgeordneter Mario Kunasek (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute hier über einen Misstrauensantrag und über einen Bundesminister, der, wie ich meine, das Bundesheer und die Landesverteidigung vernachlässigt hat wie kein anderer in der Geschichte zuvor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Denken wir an das letzte Jahr, an das Jahr 2009, als wir hier auch über das Budget gesprochen haben, als wir bereits zuvor Horrormeldungen über die Medien ausgerichtet bekommen haben dahin gehend, wie es um das Bundesheer steht. Wir haben dann hier in diesem Haus ein Budget beschlossen. Herr Bundesminister Darabos hat es als das beste Budget gefeiert, das es jemals gab. Faktum war und Faktum ist, dass es für das Jahr 2009 61 Millionen € weniger gegeben hat, als der Budgeterfolg im Jahr 2008 ausgemacht hat, für das Jahr 2010 waren es 49,2 Millionen € weniger. Der Herr Bundesminister hat damals von einem Budget mit Augenmaß gesprochen und hat gemeint, er könne die Aufgaben und die Aufträge erfüllen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute wissen wir, dass das nicht richtig war und nicht richtig ist. Wir wissen, dass die Bundesheer-Reformkommission gescheitert ist und von einer Umsetzung in diesem Bereich gar nicht mehr die Rede sein kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es kommt aber noch schlimmer: Schaut man sich die Zahlen für die Jahre 2011 und 2012 an, ist festzustellen: 2011 gibt es 80,3 Millionen € weniger, 2012 129,5 Millionen € weniger. Da frage ich Sie wirklich ernsthaft, Herr Bundesminister: Wie können Sie hier behaupten, Ihren Aufgaben als Landesverteidigungsminister ernsthaft nachkommen zu können?

Es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder hungert der Herr Bundesminister das Bundesheer ganz bewusst aus – auch mit Hilfe der SPÖ und leider auch mit Hilfe der ÖVP –, oder der Herr Bundesminister ist da wirklich überfordert. Beides sind eigentlich Gründe, dass man sagen muss: Da können Sie Ihren Hut nehmen! Da sollten Sie Ihren Sessel räumen! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir alle wissen um die Baustellen im Bundes­heer. Aber was macht der Herr Bundesminister? – Anstatt sich der Diskussion zu stellen und den Landesverteidigungsausschuss mit dem zu befassen, was eigentlich seine Aufgabe wäre, dauert es acht Monate lang, bis wir einen Termin für diese Ausschusssitzung finden können. Der Herr Bundesminister tingelt von einem VIP-Zelt, von einer Sportveranstaltung zur nächsten. Der Herr Bundesminister ist zehn Tage lang in Vancouver und wundert sich dann, wenn Vorwürfe im Raum stehen und auch medial diskutiert werden, dass quasi über seinen Kopf hinweg Landesverteidigungs­politik gemacht werde.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Verantwortung eines Bundesministers ist, so wie beim Bundesheer die Kommandantenverantwortung, unteilbar. Da kann man nicht hergehen und sich sozusagen in Ausflüchte begeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein Wort noch zur ÖVP, die ja bezeichnenderweise im Verteidigungsausschuss nicht einmal eine Wortmeldung zu meinem Misstrauensantrag abgegeben hat: Ich habe schon gesagt, Sie machen hier bei diesem Spiel mit; als angebliche Bundesheerpartei oder Landesverteidigungspartei haben Sie sich zumindest schon längst verabschiedet. Ihr eigener ehemaliger ÖVP-Verteidigungsminister Lichal sagte, er weiß, dass der Herr Bundesminister als Verteidigungsminister fehl am Platz ist und darum lieber als Sportminister in Erscheinung tritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, abschließend ein ganz interessantes Schrei­ben, eine Presseaussendung der Zeitschrift „FORMAT“ betreffend einen morgen erscheinenden Artikel. Ich fordere wirklich den Herrn Minister auf, hiezu auch Stellung zu nehmen. In dem Artikel wird davon gesprochen, dass der Chef des Generalstabes, Edmund Entacher, mehrere Aufgaben des österreichischen Bundesheers als nicht mehr erfüllbar ansieht. Es gibt ein internes Strategiepapier, wonach selbst die Landes­verteidigung im Sinne von Ausbildung und der allgemeinen Einsatzvorbereitung bei Fortschreibung dieses Verteidigungsbudgets nur mehr mit größeren Aufgaben­be­schrän­kungen möglich ist.

Wörtlich heißt es: „Selbst der Bedarf der Priorität 1 ist in KEINER der präsentierten Budgetentwicklungsvarianten abdeckbar.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Priorität 1 sind nicht Kampfeinsätze, Prio­rität 1 ist der Fähigkeitserhalt am unteren Ende, das heißt keine Kampfeinsätze, son­dern die Verwaltung von Truppeneinheiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, so steht es um das Bundesheer. Ich fordere wirklich jeden Abgeordneten hier in diesem Haus auf – da sei an die eigene Verant­wortung jedes Abgeordneten appelliert –, heute ein Zeichen zu setzen und für die Landesverteidigung einzutreten. (Beifall bei der FPÖ.)

20.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Prähauser. 7 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.35.36

Abgeordneter Stefan Prähauser (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundes­minister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Dass dieser Antrag im Ausschuss keine Mehrheit gefunden hat, das wird ja niemanden verwundern. Wir werden diesen negativen Ausschussbericht in der Form unterstützen, dass er keine Anerkennung findet.

Ich mache mir die Mühe, ein paar Punkte aus diesem Antrag herauszupicken, um dessen Absurdität besser transportieren zu können.

Punkt 3 lautet: „Eurofighter belastet Heeresbudget“. – Meine Damen und Herren, ich glaube, wir haben in diesem Haus genug über Eurofighter diskutiert. Wir wissen über die Finanzierung Bescheid, wir wissen über die Bestellung Bescheid, und wir wissen auch darüber Bescheid, was diese Eurofighter inzwischen kosten.

Herr Kollege Kunasek, allerdings sollte man eines nicht vergessen: Bei der Beschaf­fung war Ihre Partei an vorderster Front mit dabei. (Zwischenruf des Abg. Dr. Königs­hofer.) Sie sagen auch in Ihrem Antrag: Natürlich kosten diese Flugzeuge viel Geld. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Erinnern wir uns daran, dass uns der Herr Vizekanzler oder damals auch der Herr Bundeskanzler versprochen haben, die Kosten für diese


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Flugzeuge aus dem Budget zu transportieren. Das hat nicht stattgefunden. Das wissen Sie. Aber Sie haben nichts dagegen unternommen.

Meine Damen und Herren! Wir haben auch öfters gehört, dass der Herr Bundes­minister scheinbar die Kasernen und das Bundesheer vernachlässigt hätte. Und man macht ihm zum Vorwurf, dass er, um der Wahrheit das Wort zu reden, auch gesagt hat, er sei eigentlich erst seit drei Jahren Verteidigungsminister. In den letzten 37 Jah­ren war es aber in der Tat so, dass es fünf Jahre lang FPÖ-Minister, 22 Jahre lang ÖVP-Minister, jedoch nur drei Jahre lang SPÖ-Minister waren.

Meine Damen und Herren! Jeder von uns weiß, wenn er ein Haus hat, wenn er ein Haus baut oder es von den Eltern übernimmt und die Eltern haben das Haus nicht gut betreut und saniert, dann wird der Erbe wenig Freude haben. Heute einem Minister all das, was in den letzten 40 Jahren versäumt wurde, vorzuwerfen und von ihm zu verlangen, es auf seine Kappe zu nehmen, das, meine Damen und Herren, ist absurd und entbehrt jeglicher Grundlage! (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn Sie den Herrn Bundesminister auffordern zurückzutreten, dann sollten Sie auch nachdenken, was zum Beispiel die Bundesheerreformkommission an Programm beschlossen hat. Ich war in der Evaluierungskommission dabei. Einige aus diesem Haus, einige Parteien waren dort nicht vertreten, weil sie es nicht der Mühe wert gefunden haben, da mitzutun. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Was dort allerdings klar zutage getreten ist, ist Folgendes: Die Ergebnisse der Bundesheerreform­kom­mission 2010 wurden von der Evaluierungskommission in den ersten 60 Prozent der Diskussionsminuten infrage gestellt. Nicht das, was inzwischen passiert ist, war wichtig, sondern das, was man selber formuliert hat, war plötzlich infrage gestellt.

Meine Damen und Herren! Ich frage Sie wirklich – und Sie waren damals mit Ihrer Partei dabei, Kollege Kunasek –, was man sich dabei gedacht hat, den Wehrdienst auf sechs Monate zu verkürzen. Hat man da nicht an die Miliz gedacht, war man nicht in der Lage abzuschätzen, was das für Folgen hat? – Heute haben wir die Folgen gemeinsam zu tragen. Anstatt aber Lösungen zu finden, befehden wir uns gegenseitig. Ich bitte noch einmal darum: Das Bundesheer ist zu schade für ein politisches Hickhack! Es sollte herausgehalten werden. Das haben wir auch versucht, in ver­schiedensten Ausschusssitzungen gemeinsam umzusetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kollege Fichtenbauer ist ein gutes Beispiel dafür, dass man das auch in einer guten Stimmung gemeinsam ausdiskutieren kann. Kollege Kapeller weiß ein Lied davon zu singen, was es heißt, gemeinsam vorzugehen, aber dann ist man erfolgreich. Wenn man sich natürlich gegenseitig in so einer schwierigen Materie Prügel vor die Füße wirft, wenn man einen Minister, der bemüht ist, mit den Mitteln, die ihm zukommen, auszukommen, nicht unterstützt, wird es eher hart. Wir können doch die Augen vor der Zukunft nicht verschließen! Wir kennen doch alle die Wirtschaftsmisere. Für die kann der Herr Minister wirklich nichts.

Eines sollte auch nicht passieren, dass wir nämlich bei diesen knappen Budgetmitteln plötzlich andere Diskussionen führen und andere, die dem Bundesheer nicht so wohl­gesinnt sind, fragen: Was ist Ihnen lieber? Die Pensionen zu sichern, eine gute Gesundheitspolitik oder wollt ihr einen neuen Panzer? – Diese Diskussionen wollen wir nicht! Dafür sind wir nicht zu haben. (Abg. Kunasek: Um das geht es gar nicht!)

Herr Kollege Kunasek, ich sage noch einmal: Überdenken Sie Ihren Antrag! Jeder kann einen Fehler machen. Aber es würde Ihnen gut anstehen, das einzusehen. Unterstützen Sie den Minister bei seiner Arbeit! (Abg. Kunasek: Da hat man Ver­antwortung!) Da er Ihr Dienstgeber ist, sollte Ihnen das viel wert sein. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.39



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 214

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.40.06

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Grünen haben mehrmals und mehrfach gefordert, dass Minister Darabos abgelöst werden soll, weil in den letzten dreieinhalb Jahren eine Nicht-Politik stattgefunden hat – und es daher endlich an der Zeit ist, dass Minister Darabos für diese gesamte Nicht-Politik die Verantwortung übernimmt. (Abg. Kunasek: Wenn die Grünen das sagen ..., Herr Minister!)

Erstens: Die Bundesheerreform wurde von Landesverteidigungsminister Darabos ruiniert.

Zweitens: Bei den Eurofightern hat Minister Darabos beschämenderweise und tat­sächlich die Seite gewechselt. Die Rüstungskorruption, die passiert, wird eindeutig verleugnet – und somit auch nicht aufgeklärt. (Abg. Amon: Das können Sie nur unter dem Schutz der Immunität sagen, Frau Kollegin!)

Drittens: Der Assistenzeinsatz, eine „neverending story“, wird nur deshalb aufrecht­erhalten, weil es einen Landtagswahlkampf gibt; davon bin ich überzeugt. Das wird aufrechterhalten, obwohl der Rechnungshof stark kritisiert hat, dass die beträchtlichen Kosten hiefür in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen. Aber dazu schweigt der Landesverteidigungsminister auch weiterhin.

Die Sicherheitsdoktrin ist ein nächster wichtiger Kritikpunkt an Bundesminister Darabos, denn in der Sicherheitsdoktrin bestehen Tendenzen in Richtung NATO. (Abg. Scheibner: Das ist ein Schwachsinn!) Und wenn nur eine Sekunde – eine Sekunde! – daran gedacht wird, die Neutralität aufzuheben, ist dieser Misstrauens­an­trag alleine schon berechtigt. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Amon: Applaus von der falschen Seite! – Abg. Mag. Stadler: Fürs Protokoll: Der Beifall ...!) – Wir haben nie verleugnet, dass die Grünen in den meisten Punkten bei diesem Entschließungsantrag der Freiheitlichen Partei mitgehen können. Es gibt aber einige Punkte, wo das ein bisschen schwieriger ist. Das wurde klar und deutlich gesagt.

Etwas muss hier auch noch einmal erwähnt werden, nämlich die Situation der Frauen im österreichischen Bundesheer. Wie schaut es wirklich aus mit der Drop-out-Rate? Warum gehen so viele Frauen wieder weg vom Bundesheer? Wie ist dort wirklich das Klima? Gibt es frauenfeindliche Bemerkungen, gibt es tatsächlich eine frauenfeindliche Stimmung beim österreichischen Bundesheer?

Das ist ja dann geradezu ausgeufert in diesem schier unglaublichen „Heer 4 U“-Video, das Sie wahrscheinlich ohnehin alle kennen. – Die Frage ist: Wie kann es sein, dass solch ein sexistisches Video für das Bundesheer überhaupt gedreht werden kann?

Nochmals: Wir Grünen sind nicht in allen Punkten einverstanden und d’accord mit dem Antrag der freiheitlichen Fraktion. Einerseits glauben wir, dass trotz der Frage, wie so etwas überhaupt passieren kann, ein sexistisches Video zu veröffentlichen und junge Männer sozusagen zum Bundesheer rekrutieren zu wollen ... Da das passiert ist, war die Reaktion nicht überzogen, sondern richtig. (Abg. Neugebauer: Wollen Sie damit Ihre Redezeit füllen?)

Und das Zweite ist, dass die finanziellen Mittel, die hiefür zur Verfügung gestellt wurden, gleichfalls zu kritisieren sind – alleine schon aufgrund der Wirtschaftslage.

Fakt ist, meine Damen und Herren: Unter Minister Darabos gibt es keine Landes­verteidi­gungspolitik. Und Fakt ist auch, dass er für seine Nicht-Politik endlich die


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Verantwortung übernehmen soll. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Er wird Landeshauptmann im Burgenland! Machen Sie sich keine Sorgen!)

20.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Kapeller. 1 Minute Redezeit. – Bitte. (Abg. Ing. Kapeller – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich brauche länger!)

 


20.43.59

Abgeordneter Ing. Norbert Kapeller (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Minister! Eine Verteidigungsrede für den Verteidigungsminister benötigt mehr als 1 Minute. Ich möchte mich hier – auch wenn nicht mehr sehr viele zusehen werden – recht herzlich bei den Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Bundesheeres dafür bedan­ken, dass sie auch unter oft erschwerten Rahmenbedingungen für die Sicherheit der Republik und der Menschen in dieser Republik Verantwortung übernehmen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es steht fest: Das Heer funktioniert auch und trotz Minister Darabos. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Das ist der Koalitionspartner!) Nur böse Zungen behaupten, das österreichische Bundesheer sei nicht einmal mit den eigenen Waffen zu schlagen.

Herr Bundesminister, ich beende nun dieses Wortspiel und möchte jetzt auf einige unbeleuchtete, ungesicherte und daher auch gefährliche Baustellen in Ihrem Ressort, die Sie zu verantworten haben, hinweisen.

Orientierungsschwierigkeiten durch die Doppelführung in der Ressortleitung bestehen; das ist evident. Ich möchte jetzt an vier Punkten festmachen, warum ich als Wehr­sprecher der ÖVP zu dieser Überzeugung gekommen bin. (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Hübner.)

Eine Frage, die ich voranstellen möchte – und die Stefan Prähauser als Wehrsprecher der SPÖ gleich selbst beantwortet hat –: Ab wann übernimmt ein Minister ministerielle Verantwortung? – Unserer Auffassung nach ab dem ersten Tag seines Amtsantrittes. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Nun zur Arbeit des Evaluierungsbeirates. Hochrangige und begeisterte – „NGOs“, möchte ich schon fast sagen – Berufsoffiziere des österreichischen Bundesheeres, Unteroffiziere haben in dem von Ihnen eingerichteten Gremium, das Sie auch geführt haben, ihre Arbeit geleistet – aber Sie, Herr Bundesminister, haben den Endbericht noch vor der endredaktionellen Behandlung im Nationalen Sicherheitsrat und auch im Ausschuss veröffentlicht und damit viele, die an der Erstellung dieses Berichtes mitgearbeitet haben, vor den Kopf gestoßen.

Herr Bundesminister Darabos, Sie haben dieses Gremium in Wahrheit ad absurdum geführt. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Abschließend möchte ich auf eine überraschende, aber sehr in Frage zu stellende große Investition, die derzeit „angeleiert“ wird, hinweisen, nämlich auf diese 70-Mil­lionen-€-Investition in das Upgrading des Hubschraubers Agusta Bell 212, wobei da schon zu betonen ist: Hier in Österreich investiert man in ein Fluggerät, das zeitgleich von der US Army außer Dienst gestellt wird. Da orte ich schon einen Sozialfighter-Darabos-Vertragsdeal-Effekt, inklusive hoher Ersatzteilbeschaffungskosten aufgrund alter Tranchen und Gerätschaft. (Zwischenruf der Abg. Mag. Lapp.)

Zum Schluss kommend: Herr Sportminister Darabos, treten Sie trotzdem nicht zurück! Wir werden Sie heute verteidigen. (Beifall bei der ÖVP. – Ironische Heiterkeit


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bei der SPÖ. – Abg. Grosz: Das ist der eigene Koalitionspartner! Gratuliere! Da braucht es keine Opposition!)

20.47


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Widmann. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.47.11

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Sport- und Fußballminister Darabos! Sehr geehrter Herr „Verteidigungs­minister Kammerhofer“! (Ruf beim BZÖ: Der ist eh da!) Ich darf zur Situation des Bundesheeres schon einige Dinge anmerken, insbesondere auch das, dass der Verteidigungsausschuss das letzte Mal am 18. März getagt hat – und vorher acht Monate lang keine Ausschusssitzung stattgefunden hat. (Abg. Grosz: Sportminister Darabos – Verteidigungsminister Kammerhofer!)

Heute wurde ja bereits ein Artikel aus dem morgigen „FORMAT“ zitiert, in dem Herr Generalstabschef Edmund Entacher ganz klar sagt, dass das Bundesheer mit diesen geringen Mitteln, die in dieser Koalition für das Heer zur Verfügung gestellt werden – und da kann sich die ÖVP nicht abputzen, denn das Budget hat ja ihr Finanzminister, nämlich Herr Pröll, vorgelegt –, eigentlich tot ist.

Das Einzige, was im Bundesheer noch aufrechterhalten werden kann, sind die Ver­waltungsaufgaben, sagt Generalstabschef Entacher. Verwaltungsaufgaben können mit diesem Geld erledigt werden, jedoch können damit langfristig keine Assistenzeinsätze, keine Grenzeinsätze, keine Auslandseinsätze und auch keine Katastropheneinsätze durchgeführt werden. – Und weitere Kürzungen stehen an.

Der Zustand des Bundesheeres ist erschreckend; eigentlich eine Zumutung für die Jugend, die in Kasernen schlafen muss, wo Schimmel an der Wand pickt und die Unterkünfte wirklich jeder Kritik spotten (demonstrativer Beifall des Abg. Mayerhofer), wo es keine Ausrüstung und nicht einmal ordentliche Kampfanzüge für die Grund­wehrdiener gibt.

Die Eurofighter seien – wird uns berichtet; offenbar auch im Auftrag des Herrn „Ver­teidigungsministers Kammerhofer“ – nur zu 30 Prozent bis 34 Prozent einsatzfähig; bei den Panzern detto.

Generalstabschef Entacher aber spricht eine klare Sprache – und daher muss man sagen: Diese Vernebelungskampagne im Verteidigungsausschuss, dass das Bundes­heer ja ohnehin einsatzbereit wäre, ist damit endgültig gestorben. Wir haben heute den Beweis dafür erhalten, wenn der höchste General des Heeres sagt: Das Bundesheer kann bestenfalls noch die Verwaltung erledigen, aber mehr schon nicht. (Beifall beim BZÖ.)

Die Heeresreform wurde auch von dieser Regierung zu Grabe getragen. Mit diesem Landesverteidigungsbudget von 0,78 Prozent des BIP – und wenn man die Euro­fighter-Rate abzieht, was man fairerweise tun muss, um zu sehen, was letztlich für das Heer tatsächlich übrig bleibt, und zwar für operative Tätigkeiten, dann kommt man bald auf eine Quote von lediglich 0,7 Prozent. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

1 Prozent des BIP hiefür zu erreichen, wie es in Ihrem Regierungsprogramm steht, davon sind Sie meilenweit entfernt. Das heißt, dass das Bundesheer letztlich nicht mehr überlebensfähig ist – und dass der verfassungsmäßige Auftrag, für den Sie eigentlich stehen müssten, nicht mehr erfüllbar ist, ist eine Schande für unser Land! Es ist eine Schande, dass das Bundesheer so ausgehungert wird!


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Ein wichtiger Eckpfeiler wäre die Miliz, aber die Miliz ist ja letztlich abgeschafft worden. Es gibt kein Geld mehr für Volltruppenübungen. Es gibt keine großen Übungen mehr. Der Nachwuchs fehlt, denn dieser wird dazu herangezogen, Systemerhaltungs­funk­tionen durchzuführen, beziehungsweise dazu, etwa im Burgenland einen vom Rech­nungshof stark kritisierten Grenzsicherungseinsatz durchzuführen, der de facto keine Effekte hat.

Sie wissen, was der Grenzsicherungseinsatz kostet: 20 bis 30 Millionen € pro Jahr. Sie wissen, was er bringt: drei bis vier Aufgriffe. Sie wissen, was das bedeutet: Die Grund­wehrdiener werden eigentlich nur als grün getarnte Bewegungsmelder missbraucht, haben aber eigentlich keine Befugnisse, haben keine Kompetenzen, obwohl sie eigent­lich eine bessere Ausbildung verdient hätten. Aber letztlich sind sie im Burgen­land ja nur für Wahlkampfeinsätze des zukünftigen Herrn Landeshauptmannes Darabos im Einsatz. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Dagegen muss man sich verwahren. Der nächste Anschlag ist aber schon im Anrollen, wenn Minister Darabos davon spricht, dass er sich auch das System fünf plus eins vorstellen kann. Jetzt haben sie gerade einmal sechs Monate, in Zukunft haben sie nur mehr fünf Monate Ausbildung, und ein Monat ist dann irgendwo in der Miliz abzu­dienen, die ja nicht stattfindet. Das heißt, auch diesbezüglich ist der nächste An­schlag auf das Bundesheer bereits geplant.

Das heißt, dass letztlich in Ermangelung einer guten Ausbildung für die GWDs diesem Heer auch die Einsatzkräfte für Assistenzeinsätze, für Katastropheneinsätze fehlen werden. Letztlich ist der Dienst für die Österreicher dadurch gefährdet.

Denken Sie an die Schneedrucklagen, denken Sie an das Hochwasser: Wir werden in absehbarer Zeit mit diesem Heer diese Aufgaben nicht mehr erfüllen können, weil die Grundwehrdiener bestenfalls zum Schneeschaufeln oder als Bewegungsmelder im Burgenland eingesetzt werden. Da frage ich mich: Was nützt eine Medienkampagne, im Zuge derer sich Minister Darabos schön abbilden lässt, wenn die Leute fehlen, wenn wir wissen, dass es im Jahr 2004 noch 31 700 Grundwehrdiener gegeben hat, während es im Jahr 2008 nur mehr 23 700 waren? Es kommen uns also die Grundwehrdiener abhanden. Es kommt uns der Nachwuchs abhanden. Wir sind nicht in der Lage, die Miliz entsprechend aufzufüllen, um auch die Aufgaben entsprechend zu erfüllen.

Es wäre notwendig – und dazu lade ich alle im Parlament ein –, dass wir uns im Landesverteidigungsausschuss wirklich sehr intensiv darüber unterhalten, was von der Bundesheerreform noch übrig geblieben ist, was man fairerweise noch umsetzen kann und welche Maßnahmen wir mittelfristig setzen müssen, um das Bundesheer noch am Leben zu erhalten. Dazu schlage ich Ihnen vor, wirklich kurzfristig ins Auge zu fassen, 1 Prozent des BIP für das Heer auszugeben.

Ich schlage Ihnen auch vor, das Modell des BZÖ für das Heer umzusetzen, dass wir eine Profitruppe bekommen, ein Berufsheer, verstärkt durch eine echte, freiwillige Miliz, und gleichzeitig die Wehrpflicht abschaffen, weil die Wehrpflicht de facto ja nur für Systemerhaltung und für sinnlose Grenzeinsätze im Burgenland, die eigentlich nichts bringen, missbraucht wird, wie ich bereits ausgeführt habe. (Beifall beim BZÖ.)

Wir brauchen aber auch Anreize für unsere jungen Menschen beim Bundesheer, und zwar durch eine bessere Ausrüstung, durch eine bessere Bezahlung, durch ein bes­seres Sozialsystem in diesen Bereichen. Wir brauchen auch für die Auslandseinsätze – das wurde schon angesprochen – ein sogenanntes Auslandseinsatzbefugnisgesetz, um die rechtliche Basis zu schaffen.


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Herr Minister Darabos! Herr Sportminister! Herr „Verteidigungsminister“ Kammer­hofer – der Antrag der FPÖ gilt ja eigentlich Ihnen! Ich sage Ihnen eines, Herr Minister Darabos: Sie sind der weitestgereiste, bekannteste und wahrscheinlich auch teuerste Sportminister dieser Erde. Sie sind aber letztlich der untauglichste Verteidigungs­minister, den diese Republik jemals gehabt hat. (He-Rufe bei der SPÖ.) Treten Sie zurück! Ich unterstütze den Antrag! (Beifall beim BZÖ. Abg. Mag. Gaßner: Treten Sie zurück! Abg. Dr. Jarolim: Das ist ein ziemlicher Holler gewesen!)

20.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Stauber zu Wort. 4 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.53.44

Abgeordneter Peter Stauber (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Herren auf der Regie­rungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Dass der vorliegende Ent­schließungsantrag, der einen Misstrauensantrag gegenüber unserem Verteidi­gungs­minister Norbert Darabos beinhaltet, heute als letzter Tagesordnungspunkt behandelt wird (Abg. Kunasek: Ist eine Schande!), ist ein wahrer Glücksfall, aber nicht für unseren Herrn Minister, sondern für Sie, die Antragsteller von der Freiheitlichen Partei, denn leider können die Damen und Herren vor den Fernsehgeräten nicht miterleben, welch sachlich falsche Anschuldigungen hier an den Minister gerichtet werden und welche politisch lächerliche Aktion das eigentlich darstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

Um es gleich vorwegzunehmen: Rücktrittsreif ist, glaube ich, nicht unser Herr Verteidi­gungsminister, sondern Sie, meine Herren Verteidiger der Sicherheitspolitik der FPÖ, und ganz besonders Sie, Herr Kollege Kunasek. Was Sie da in Ihrer Begründung für den Rücktritt anführen, das ist ja, was die Anschuldigungen betrifft, so dürftig, wie ich es noch nie gesehen habe. (Abg. Dr. Kurzmann: Aber wohl fühlen Sie sich nicht!) Tatsache ist nämlich, dass nicht Herr Verteidigungsminister Darabos für all diese Anschuldigungen verantwortlich ist, sondern diejenigen Politikerinnen und Politiker aus den Jahren 2000 bis 2006, die diese Sache verursacht haben. (Beifall bei der SPÖ. Rufe bei der ÖVP: Ja, ja! Abg. Grosz: Billig! Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Damals war nicht Darabos Minister, sondern Herr Kollege Scheibner, und damals war Grasser noch Finanzminister. Dies sind die wahren Verursacher der heutigen Situation. Wir leiden heute noch unter den finanziellen Auswirkungen dieses unseligen Euro­fighter-Ankaufs, der natürlich auch heute noch unser Verteidigungsbudget belastet.

Das war aber sicher nichts, was von unserem derzeitigen Verteidigungsminister verursacht wurde. Daher ist es wirklich eine beachtliche Leistung von unserem Herrn Minister, dass er trotz dieses eingeschränkten budgetären Spielraums und der vielen Altlasten, die er mit zu übernehmen hatte, einen positiven Leistungsnachweis über seine Arbeit erbringen kann.

Ich möchte ein paar Beispiele anführen: Er hat es geschafft, dass viele bauliche Maß­nahmen in den Kasernen in Angriff genommen werden, gerade auch draußen in den Bundesländern. Er hat eine deutliche Verbesserung der Situation für die Mann­schaft, für die Truppe zustande gebracht, was ganz besonders wichtig ist, und er hat außerdem das Bundesheer für die Frauen geöffnet. – Das ist Tatsache. (Abg. Steibl: Das war schon vorher!) Nicht von ungefähr ist im Jahr 2008 in Österreich erstmals eine Frau „Soldier of the Year“ geworden. Also auch das ist ein Verdienst des öster­reichischen Verteidigungsministers. (Beifall bei der SPÖ.)

Eine wichtige Rolle spielt er natürlich auch bei den Auslandseinsätzen. In diesem Bereich werden wir international anerkannt. Wir Österreicher können da mit absolut gutem und ruhigem Gewissen auftreten. Im Wissen um die gesamte wirtschaftliche


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Situation in Europa und in Österreich und da es zumindest mittelfristig keine reale auswärtige Bedrohung für unser Land gibt, sowie vor allem im Bewusstsein dessen, wie das Verteidigungsressort von 2000 bis 2006 geführt wurde, sollte eigentlich jeder hier verantwortliche Abgeordnete unserem Minister den Rücken stärken und ihn bei seiner zukünftigen Arbeit unterstützen. – Alles Gute, Herr Minister! (Beifall bei der SPÖ.)

20.57


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weinzinger. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.57.31

Abgeordneter Lutz Weinzinger (FPÖ): Herr Präsident! Meine Herren auf der Regie­rungsbank! Herr Verteidigungsminister! Jetzt haben Sie beachtliche SKH – ich über­setze es: Selbst- und Kameradenhilfe – miterlebt, von Ihrem Kollegen Prähauser und von Ihrem Kollegen Stauber. Sie haben auch miterlebt, wie sich ein Angriff des Abge­ordneten Kapeller im Laufe der Angriffshandlungen als Scheinangriff und sogar als Entlastungsangriff herausgestellt hat.

Herr Minister! Die Ministerverantwortung liegt bei Ihnen seit dem Augenblick, wo Sie Minister wurden (Abg. Dr. Jarolim: Wer sagt das?), und seit diesem Augenblick haben Sie darauf zu achten gehabt, dass die Landesverteidigungsfähigkeit in Österreich erhalten bleibt. – Und sie ist nicht erhalten. Sie ist absolut nicht erhalten, und das sagen auch Ihre höchsten Offiziere. (Abg. Dr. Jarolim: Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

Der Edmund Entacher, der Edi (Heiterkeit bei FPÖ und BZÖ Rufe: Der „Ed“!), ist bei mir eingerückt. Da war ich ein EF-Gefreiter und sein Gruppenkommandant, und er war EF-Jäger. Seit der Zeit kenne ich ihn, und seit der Zeit weiß ich, dass das ein aufrechter, geradliniger Offizier ist, ein Mann, der wirklich zu diesem Bundesheer steht. Selbst der ist langsam aber sicher am Verzweifeln mit diesem Bundesminister.

Es ist doch überhaupt keine Art, dass Ihre Verteidiger heute immer darauf hingewiesen haben, dass vorher andere Minister im Amt waren. Natürlich sind bei einem Regie­rungswechsel nachher andere Minister im Amt als vorher, aber selbstverständlich haben die Minister nachher ihre Aufgabe zu erfüllen, und wenn die Erfüllung der Aufgabe so aussieht, dass dieses ohnehin immer sehr, sehr schlecht behandelte Bun­desheer während Ihrer Amtszeit irgendwann einmal überhaupt nicht mehr einsatzfähig ist, dass die Stimmung in diesem Bundesheer am Boden liegt (Abg. Dr. Moser: Die ist schon im Keller!), dass die einzelnen Berufssoldaten überhaupt nicht mehr wissen, wie es weitergeht, dass die Jungmänner und die Rekruten um 16 Uhr niemanden mehr haben, der mit ihnen übt, der sie ausbildet oder der wenigstens da ist, weil nicht einmal die Überstunden bezahlt werden können, dann, muss ich Ihnen sagen, ist dieses Militär am Ende. Und das sollte es nicht sein.

Sie sind verantwortlich, und daher besteht unser Antrag auf Versagen des Vertrauens zu Recht. Es tut mir leid. Auch wenn Sie sich vielleicht wirklich bemüht haben, es war ein Fehlbemühen: Sie haben absolut das Gegenteil von dem erreicht, was wir alle von Ihnen erwartet haben. (Beifall bei der FPÖ. Abg. Dr. Moser: Sie haben auch nieman­den mehr, der für sie kocht!)

21.01


Präsidentin Mag. Barbara Prammer (den Vorsitz übernehmend): Es hat sich Herr Bundesminister Mag. Darabos zu Wort gemeldet. – Bitte. (Abg. Grosz: ND – Norbert Darabos! – Heiterkeit beim BZÖ.)

 



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21.01.01

Bundesminister für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Darabos: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Das Thema ist zu ernst, um darüber zu lachen. Es freut mich, dass Herr Abgeordneter Weinzinger zumindest meine Entscheidung, Herrn General Entacher (Abg. Grosz: Den Edi!) zum Generalstabschef zu machen, als richtig anerkannt hat.

Ich möchte aber vorweg gleich Folgendes sagen, bevor ich dann durchaus bereit bin, Herr Abgeordneter Kunasek, auf Ihre Argumente auch im Einzelnen einzugehen – diese sind in diesem Antrag zwar nur sehr vage formuliert, aber trotzdem werde ich versuchen, sie zu beantworten –:

Ja, ich stehe zu hundert Prozent zu meiner politischen Verantwortung für das Ver­teidigungsressort im Allgemeinen und für das österreichische Bundesheer, für seine Soldatinnen und Soldaten im Speziellen.

Ich stehe zu meiner politischen Verantwortung, dass das österreichische Bundesheer seinem verfassungsmäßigen Auftrag gerecht wird – und es wird ihm gerecht.

Ich stehe zu meiner Verantwortung, dass wir die erste Adresse sind, wenn es bei Katastrophenhilfe und Katastrophenschutz darum geht, den Menschen in Österreich Schutz und Hilfe zu bieten.

Und ich stehe zu meiner Verantwortung dafür, dass wir im Ausland eine Nation sind, die nicht nur eine gute Figur abgibt, sondern die eine Reputation genießt – ein kleines Land wie Österreich! –, von der man in anderen Bereichen nur träumen kann. Egal, ob es in der UNO ist oder in der Europäischen Union, österreichische Soldatinnen und Soldaten sind im Auslandseinsatz anerkannt, und das geht hinauf bis zum General­sekretär der UNO. – Das sollte man nicht gering schätzen, sondern eigentlich auch im Parlament loben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wozu ich aber nicht stehe und wofür ich keine politische Verantwortung übernehme, ist eine Kampagne, die nicht nur gegen mich geführt wird – das ist Ihr gutes Recht als Parlamentarier –, sondern die auch das österreichische Bundesheer in Misskredit bringt. Sie nehmen bewusst in Kauf, das österreichische Bundesheer zu schädigen (Abg. Hagen: Das brauchen wir nicht mehr zu schädigen ...!), das Image des öster­reichischen Bundesheers zu beschädigen – und das ist allein die Verantwortung der Oppositionspolitiker in einer eigenartigen Allianz von Grün, Blau und Orange. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich sage Ihnen noch etwas – politisch gesprochen, denn bisher wurde heute vom Rednerpult aus noch wenig Politisches gesagt : Ich stehe für ein Bundesheer, das gegen Tendenzen immun ist, die in die rechte Politik, in Rechtsextremismus abgleiten. (Abg. Mag. Stadler: Das ist die Hauptsache! Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Was hat das damit zu tun?) Ich kann Ihnen das gleich erklären.

Ich habe nicht immer die Unterstützung von allen Fraktionen in diesem Haus gehabt. Ich habe es ermöglicht, dass wir am Ulrichsberg nicht mehr tätig sind. Ich habe Persönlichkeiten aus dem österreichischen Bundesheer entfernt, die im Kosovo rechtsradikale Parolen gegrölt haben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe auch dafür gesorgt, dass ehemalige Nazi-Kasernen, die jetzt im Besitz des österreichischen Bundesheeres sind, historisch aufgearbeitet werden, was die würdige Bestattung von Opfern und auch eine Würdigung der historischen Verdienste betrifft. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.) Und ich sage das ganz be­wusst heute, weil das möglicherweise auch ein Grund dafür ist, warum ich angegriffen werde. Aber ich stehe dazu, und ich lasse mich durch Ihre Angriffe auch nicht beein­


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drucken. (Beifall bei der SPÖ. Abg. Mag. Stefan: Das meinen Sie aber nicht ernst! Die rechte Verschwörung ...!)

Nun zu den Fakten.

Ich habe vor drei Tagen gemeinsam mit dem Landeshauptmann des Burgenlandes und dem Bundeskanzler in Bruckneudorf einen Spatenstich für einen Neubau im Bereich der Heerestruppenschule gemacht. Eine Behausung für 50 Lehrer und für hunderte Kadersoldaten mit einem Investitionsvolumen von 12 Millionen €. 12 Mil­lio­nen € – „nichts“, oder? Ich habe nichts davon gehört, dass Sie einmal lobend er­wähnt hätten, dass das doch eine gute Investition in das österreichische Bundesheer ist. Das habe ich nicht gehört. (Abg. Amon: Das hat aber mit dem Landtagswahlkampf nichts zu tun!)

Mich tangiert die Pressearbeit, die Sie machen, nicht, aber ich würde Sie schon bitten, auch diese Tatsachen zu registrieren und auch zu registrieren, dass wir auch in andere Bereiche investieren.

Es gibt große Herausforderungen für das österreichische Bundesheer, keine Frage. Es hat jahrzehntelange Probleme – ich will gar nicht von Versäumnissen reden – im Bereich des Kasernenbaus, im Bereich der Kasernenrenovierung gegeben. Aber das kann man doch nicht einem Minister nach drei Jahren ankreiden. Das ist ein Prozess, den wir gemeinsam bewältigen sollen und auf Grundlage der Bundesheerreform auch bewältigen werden. Das ist zu durchsichtig und nur von parteipolitischer Agitation getragen, in dieser von mir schon angesprochenen unheiligen Allianz zwischen Blau, Grün und Orange. (Abg. Dr. Rosenkranz: Das ist aber die Opposition! Da kann man nichts machen! Das ist nun einmal so!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Kogler: Heilig brauchen wir eh nicht sein!) Brauchts eh nicht. (Abg. Mag. Kogler: Bei der Heiligkeit geht es ja gerade ein bisschen zu!) Das stimmt, ja. – Mit der Eröffnung neuer Unterkünfte in Bruckneudorf, mit dem Spatenstich dort (Ruf beim BZÖ: Wie viele Spatenstiche noch?), mit der Übergabe des Sanitätsmoduls beispielsweise für die C-130 in Linz-Hörsching Anfang April, um nur einige Beispiele zu nennen, zeigen wir, dass die Soldatinnen und Soldaten gute Arbeit in Österreich leisten. Wir geben auch jenen Kritikern die richtige Antwort, die massiv gegen das Bundesheer Stimmung gemacht haben und das auch noch machen.

Ich möchte zu den Fakten kommen:

Eurofighter. Es wurde behauptet, die Eurofighter seien nicht einsatzfähig. Das ist nicht richtig! Sowohl die Piloten als auch die Bediensteten machen einen tollen Job. Sie wissen, ich war kein Eurofighter-Befürworter. Ich bin jetzt aber als Minister dafür verantwortlich, dass dieses System etabliert und implementiert wird, und es ist auch gelungen, dieses System auf raschestem Wege zu implementieren. (Abg. Amon: Aber die ältere Tranche haben wir jetzt!)

Wir haben im Bereich der Eurofighter schon vom alten Vertrag her, Herr Abgeordneter, festgelegt, dass zum jetzigen Zeitpunkt 33 Prozent aller Eurofighter in Klarstand sein sollten. Es sind 35 Prozent, wir liegen also über der Vorgabe, die wir gegeben haben.

Wir schaffen es jederzeit, den österreichischen Luftraum mit einer Rotte, zwei Flug­zeugen, zu überwachen. Wir haben es geschafft, beim Weltwirtschaftsforum in Davos zeitgleich immer über zehn Eurofighter auf Klarstand zu haben, und wir haben im Notfall auch die Möglichkeit gehabt, diese Eurofighter in die Luft zu bringen. Das heißt, die Österreicher können beruhigt sein. Die Luftraumüberwachung – wir haben sie ja nicht für den Luftkrieg gekauft, das möchte ich noch einmal betonen – in Österreich


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funktioniert, und alles andere, was diesbezüglich auch medial von Ihnen weiterge­tragen wurde, ist eine Mär. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Panzern: Sie haben ja auch bezüglich der Panzer verbreitet, diese seien nicht einsatzbereit. Wir haben im Jänner 2010 70 Prozent aller Ulan-Panzer auf Klarstand und einsatzbereit gehabt. Das ist bei einem so hochkomplexen Waffensystem wie dem Ulan ein Wert, den es weltweit nicht gibt. Ich verstehe nicht, warum Sie das Bundes­heer auch in diesem Bereich schlechtreden. Ich jedenfalls werde bei der 4. Panzer­grenadierbrigade in Ried den Soldatinnen und Soldaten meine Wertschätzung für ihre Arbeit im Panzerbereich ausdrücken und ihnen diese auch persönlich überbringen. (Beifall bei der SPÖ.)

Zu den Kasernen: Ja, es gibt renovierungsbedürftige Kasernen, das ist richtig – so ehrlich bin ich –, und das schmeckt mir gar nicht. Aber man muss doch auch sehen, dass wir in den letzten Jahren über 300 Millionen € an Investitionsmittel in die Hand genommen haben, um die Infrastruktur zu verbessern. Das Bundesheer verwaltet 429 Liegenschaften, davon 69 Kasernen. Es gibt einen permanenten Sanierungsbedarf bei diesen Kasernen, aber es gilt, hier auch Prioritäten zu setzen, und ich setze diese Prioritäten.

Ich habe das Baubudget von 65 Millionen € auf 80 Millionen € im Jahr 2010 erhöht, ein Höchststand in der Geschichte des österreichischen Bundesheeres, ein Höchststand des Budgets für Sanierungsmaßnahmen.

Es gibt noch eine Vielzahl von weiteren Maßnahmen, die wir in meiner Amtszeit gesetzt haben, im Ausmaß von über 2 Milliarden €. Wir haben Lastkraftfahrzeuge um 156 Millionen € gekauft. Wir haben Radaranlagen um 40 Millionen € gekauft. Wir haben den Kampfanzug neu implementiert um 29 Millionen €. Wir haben Mehrzweck­fahrzeuge um 25 Millionen € implementiert. Wir haben ein neues Truppenfunksystem um 70 Millionen € implementiert. Wir haben das Flugfunknetz neu aufgebaut. Wir kaufen jetzt im Pionierpaket um 15 Millionen Arbeits-, Transport-, Sturm- und Flach­wasserboote.

Das alles können Sie doch nicht wegreden! Das sind Investitionen in der Höhe von 2 Milliarden €, und Sie sagen, das Bundesheer sei kaputt und es gebe keine Inves­titionen?! Sie sollten sich die Zahlen anschauen! Sie lächeln zwar, aber offensichtlich sind Sie nicht bereit, diese objektiven Zahlen zu akzeptieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich sage auch noch eines ganz offen: Ich war es, der die Milizübungen wieder einge­führt hat, die der Herr Minister Platter ausgesetzt hat! Ich war es, der diese Miliz­übungen eingeführt hat! Keine Kritik, ich möchte es hier im Hohen Haus nur festhalten. Zu sagen, die Miliz sei tot, und gleichzeitig nicht zu akzeptieren, dass ich die Miliz­übungen eingesetzt habe, ist ein politischer Spagat, den ich nicht verstehen kann.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die Budgetpolitik eine schwierige ist. Wir haben uns gemeinsam mit der ÖVP unter der Ägide von Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Pröll entschlossen, einen Konsolidierungskurs zu fahren, der vor kei­nem Ressort Halt macht.

Ich sage ganz offen: Die Heeresreform ist natürlich im besonderen Ausmaß davon betroffen. Wir können nicht in allen Punkten in der gleichen Geschwindigkeit und in der gleichen Qualität die Heeresreform umsetzen. Aber es ist jedenfalls so, dass die Fähigkeiten des österreichischen Bundesheeres zu 100 Prozent erhalten werden können.

Ich möchte ganz zum Abschluss noch einen Punkt sagen – da bin ich ein wenig erschüttert, muss ich ehrlich sagen –: Wie kommen Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, auf die Idee, dass ich die Sicherheitsdoktrin dazu nutzen würde, die


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Neutralität abzuschaffen? (Zwischenruf der Abg. Windbüchler-Souschill.) Ich meine, ich bin sozusagen der Garant dafür, dass die Neutralität in Österreich bestehen bleibt. Solange ich Minister bin, wird die Neutralität in Österreich nicht angegriffen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich lasse mir auch nicht – und das ist auch noch ein offener Satz in Richtung der Grünen; es ist ja sehr interessant, dass Herr Abgeordneter Pilz diese Diskussion nicht mitverfolgt (Ruf bei den Grünen: Er ist krank!), Entschuldigung, ich wusste nicht, dass er krank ist –, wie gesagt, ich lasse mir auch nicht von ihm Korruption vorwerfen oder lasse mich nicht in die Nähe von Korruption rücken. Und Sie haben es auch in einem Nebensatz angesprochen.

Sie können mich kritisieren. Sie können sagen, dass ich ein schlechter Verteidigungs­minister bin. Das alles ist okay. Aber eines wird jedenfalls der Fall sein: Wenn ich aus diesem Haus irgendwann einmal, wie alle von Ihnen, herausgehe, dann werde ich eines haben: eine reine Weste und auch das Wissen, dass ich nie etwas mit diesen Bereichen zu tun hatte. Deswegen bin ich enttäuscht – das sage ich ganz offen –, dass gerade die grüne Partei „verpilzt“ ist und diese Art der Skandalisierung mitmacht. Ich weiß von vielen Gesprächen, auch mit Ihren Abgeordneten, dass viele von Ihnen nicht zu dieser Politik stehen. Ich muss es aber akzeptieren, denn Sie stimmen ja heute gemeinsam mit Grün und Orange mit. Das ist Ihr Recht, das ist auch legitim, aber mit Ihrem Gewissen müssen Sie selbst ins Reine kommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein letzter Satz zum Abschluss: Ich habe mir diesen Antrag, Herr Abgeordneter Kuna­sek, der Sie ja selbst beim Bundesheer tätig sind, angeschaut. (Abg. Dr. Graf: Hoffentlich hat er dienstlich keine Schwierigkeiten!) – Nein, nein, da brauchen Sie keine Angst zu haben bei mir, er wird keine Schwierigkeiten haben. – Sie reihen in Ihrem Antrag Zeitungsartikel aneinander, und ich finde darin keinen Grund für ein Misstrauen. Wenn ich kreativ wäre – und ich versuche, kreativ zu sein –, könnte ich schon gewisse Misstrauensgeschichten für Minister orten, beispielsweise wenn ein Minister, der Ihrer Partei angehört hat, mit einem Saab-Gripen-Antrag in den Minister­rat hineingegangen ist und mit einem Eurofighter-Vertrag aus dem Ministerrat herausgekommen ist. Das ist vielleicht eine Frage, die man mit Misstrauen vom Parlament bewerten könnte. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, dass dieser Misstrauensantrag keine Grundlage hat. Ich bin aber auch weiter­hin bereit, mit Ihnen die Sachen zu diskutieren, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

21.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Höfinger zu Wort. – Bitte.

 


21.14.12

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren Bundesminister! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzter Herr Minister Darabos, gleich vorweg: Wir werden diesem Misstrauensantrag nicht zustimmen! (Abg. Grosz: Das ist nicht überraschend!) Wir sind stolz auf die Leistungen des österreichischen Bundesheeres, die es in der vielfältigsten Art und Weise erbringt.

Aber: Auffällig und unüberhörbar waren in den letzten Wochen und Monaten immer wieder Meldungen von Angehörigen, von Verantwortlichen des österreichischen Bun­desheeres und in den letzten Tagen und Wochen auch verstärkt Meldungen in den verschiedensten Medien. Dies aber nicht nur im Zusammenhang mit der Budget­entwicklung, sondern vor allem in strukturellen Fragen, in Fragen der wehrpolitischen


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Entwicklung und auch in der Frage der Identifikation des Ministers mit seiner Truppe. Hier klafft aus meiner Sicht eine Lücke, und darauf ist so manche Unzufriedenheit zurückzuführen.

Daher kann ich Sie nur auffordern, diese Lücke rasch zu schließen und im Sinne einer umfassenden Sicherheits- und Wehrpolitik wirklich Initiativen zu setzen. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

21.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Fichtenbauer gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 2 Minuten, mache aber darauf auf­merksam, dass die Gesamtrestredezeit der Freiheitlichen Partei 4 Minuten beträgt. – Bitte.

 


21.15.43

Abgeordneter Dr. Peter Fichtenbauer (FPÖ): Das ist doch schon ein guter Beginn! – Frau Präsidentin! Herren Bundesminister! Wahr ist, dass der Bundesminister ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Nur nicht grölen, schön zuhören! – Wahr ist, dass Herr Bundesminister Darabos ein Erbe vielfältiger Fehler seiner Vorgänger gewesen ist, insbesondere des Ministers Platter, ohne Zweifel. Die Kürzung des Wehrdienstes von acht auf sechs Monate ist ein katastrophaler Fehler gewesen. Es ist dies eine Maßnahme gewesen, die in der Miliz extreme Schwierigkeiten bereitet hat, da de facto eine konkrete Ad-hoc-Maßnahme – ich meine den Nachwuchs, der uns fehlt, und die Aufwuchsfähigkeit – extrem erschwert wurde.

Zudem läuft im Jahr 2013 die noch dienstpflichtige Ebene der Unteroffiziere aus, und es gibt keine Maßnahme, die sichtbar ist, um diesen offenen Trichter zu füllen. (Abg. Riepl: Sind Sie für eine Verlängerung des Wehrdienstes?) Reden Sie mir nicht dazwischen, Sie verstehen ja überhaupt nichts!

Faktum ist ferner, dass die SPÖ der größte negative Einpeitscher gegen die Luftraum­überwachung gewesen ist, den man sich vorstellen kann, und jetzt plötzlich jubelt, wenn verkündet wird, dass Eurofighter fliegt. Unsere Erfindung ist es nicht, dass kein ausreichender Klarstand besteht. Wir teilen Pressemeldungen, die der Wirklichkeit nicht entsprechen, keinesfalls, und wir nehmen mit Befriedigung zur Kenntnis, dass dies unrichtig ist.

Aber, Herr Bundesminister, ich habe einen Gesetzesantrag meiner Fraktion einge­bracht mit dem Ziel, das Bundesministeriengesetz zu ändern und die Kompetenz Sport aus der Landesverteidigung wieder zu entfernen, weil der Zorn, der entstanden ist, zeitgleich damit gewachsen ist, dass ein Prinzip sichtbar gilt: Sport zieht vor Militär! Und es ist evident sichtbar, dass Ihre Beschäftigung in der Sportkompetenz die für den Bereich der Landesverteidigung notwendige Zuwendung verhindert.

Beispiele dafür sind Vancouver und andere Begebenheiten. Ein Detail, und da bin ich mit Sicherheit richtig informiert: Im November 2009 – und ich weise darauf hin, dass Ihnen die Auslandsaktivitäten des Heeres ein besonderes Anliegen sind – war eine informelle Verteidigungsministerratsbesprechung in Brüssel anberaumt. Gegenstand war die in Aussicht genommene Ausbildung in Uganda für den Einsatzraum Somalia, der in einer EU-Komponente zur Beratung anstand. Sie hatten für das Briefing recht­zeitig vor diesem Termin keine Zeit. Als Notmaßnahme war ein Briefing auf dem Flughafen angesetzt vor Ihrer Brüssel-Reise. Auch das wurde durch Sportaktivitäten von Ihnen nicht wahrgenommen. Sie sind zu der Ministerratsbesprechung ohne Infor­mationsinhalt hingefahren und haben erst dort erfahren, was Gegenstand der Ange­legenheit ist.


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Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, dass Sie persönlich zu verantworten haben (Zwi­schenrufe bei der SPÖ) – das ist kein Gegenstand der Eisenbahn, das ist Fliegen, von Wien nach Brüssel –, dass Sie in Ihrer Kompetenzwahrnehmung auch vor dem Ausland nicht das richtige Gehör gefunden und Ansehen erworben haben. Daher folgen Sie dem Antrag, nicht mehr Sportminister zu sein und statt dessen ein umso besserer Heeresminister zu werden! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

21.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Köfer zu Wort. – Bitte.

 


21.20.26

Abgeordneter Gerhard Köfer (SPÖ): Frau Präsidentin! Werte Herren Bundesminister! Wahr ist, dass der vorliegende Antrag ein Paket von Peinlichkeiten ist, mit Kritik am österreichischen Bundesheer, Kritik, die schon zum Teil berechtigt erscheint, aber wo der Minister Darabos der falsche Adressat ist.

Es ist interessant, wer der Absender dieses Paketes ist. Der Antragsteller ist Herr Abgeordneter Kunasek von der FPÖ. Ich muss sagen: Dieser Antrag ist mehr als kühn. Denn, meine Damen und Herren von der FPÖ, Sie hätten drei Jahre lang Zeit gehabt, das Bundesheer auf den neuesten Stand zu bringen. Sie sind ja selbst an den Schalt­hebeln der Macht gesessen, doch passiert ist nichts. Zwischen dem letzten sozial­demokratischen Bundesminister Otto Rösch und Norbert Darabos liegen 24 Jahre – 24 Jahre, in denen eigentlich nichts geschehen ist. Wenn etwas geschehen wäre, dann müsste sich Minister Darabos nicht mit zum Teil höchst desolaten Soldatenunter­künften und einem völlig überalteten Fuhrpark beschäftigen.

Ähnlich verhält es sich auch bei der Kritik am Heeresbudget. Auch da ist nur der leiseste Ansatz von Kritik unberechtigt. Minister Darabos war es nicht, der die sündhaft teuren Eurofighter angeschafft hat, und er war es auch nicht, der die unselige Heeres­reform erfunden und mitbeschlossen hat. Im Gegenteil: Er muss das auslöffeln, eine Suppe, die er selbst nicht gekocht hat.

Herr Bundesminister! Sie haben ein sehr schwieriges, wenn nicht sogar ein unlösbares Amtserbe übernommen. Sie sind aber jemand, von dem ich glaube und dem ich es zutraue, dass er diese Probleme beim Heer wird lösen können. Wenn es einer kann, dann sind Sie es, geschätzter Herr Bundesminister Norbert Darabos. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

21.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.22.25

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich halte mich an die Kritik der Volksanwaltschaft, die sagt, die Kasernen sind in einem schlechten Zustand: Duschen im Keller des Nachbarhauses, Umkleiden am Dachboden, keine Spitalslifte und vieles andere mehr. Also, Sanierungen sind dringend notwendig.

Missstände gibt es auch vereinzelt beim Personal. Ich zitiere aus dem aktuellen Bericht der Bundesheerbeschwerde-Kommission, brandaktuell, heute gekommen: „,Krüppel, Idioten‘, so werden Rekruten genannt. Ein Unteroffizier versetzt Soldaten Fußtritte. Und das in Österreich 2009.“

Herr Minister! Das sind nur zwei Beispiele – jede Menge Herausforderungen für Sie! Das Bundesheer braucht dringend einen Energieschub, braucht dringend rasche


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Lösungen. Für eine erfolgreiche Arbeit im Sinne des Bundesheeres haben Sie unsere Unterstützung! (Beifall bei der ÖVP.)

21.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte. (Zwischenrufe bei der SPÖ in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Scheibner.)

 


21.23.40

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Meine Damen und Herren! Man sieht schon, die Debatte ist ein bisschen symptomatisch für die sicherheitspolitische Situ­ation Österreichs: Es findet nämlich keine Debatte über die Sicherheitspolitik und die Notwendigkeiten zur Aufrechterhaltung der Sicherheit Österreichs statt, und das schon seit Jahren.

Meine Damen und Herren! Wenn Kollege Prähauser – und ich meine, zu Recht – sagt, man dürfe die Aufwendungen der Landesverteidigung nicht ausspielen gegen andere Notwendigkeiten, etwa Pensionen, Sozialleistungen, Krankenversicherungen, dann möchte ich sagen: Das werden Sie von mir hier im Hohen Haus oft gehört haben, auch von der Regierungsbank aus. Es waren jedoch Ihre Abgeordneten, die genau diesen Vergleich immer wieder gebracht haben. Bei jeder Aufwendung für die Landes­verteidigung hat es geheißen: Das ist eine Verschwendung, da müssen die Pen­sionisten zahlen, da müssen die Kranken zahlen, da müssen die Schüler zahlen, es wäre viel besser gewesen, wenn man dieses Geld für diese Notwendigkeiten ausgegeben hätte!

Herr Minister Darabos, ich möchte mit etwas Positivem, das Sie gesagt haben, anfangen. Sie haben vollkommen recht, dass hier auch eine Kampagne gegen das Bundesheer gefahren wird und dass dabei auch übertrieben wird, denn wenn zum Beispiel kritisiert wird, dass bei den Kampfpanzern der Klarstand zu niedrig ist, dann muss ich sagen: Das ist falsch, und zwar nicht nur deshalb, weil diese entsprechend einsatzbereit sind, sondern auch deswegen, weil es unsinnig und eine Geldver­schwen­dung wäre, wenn man bei der jetzigen sicherheitspolitischen Situation 100 Prozent der Kampfpanzer immer einsatzbereit hätte. Das ist unnötig, ist Geldverschwendung, deshalb ist es auch ein falscher Vorwurf.

Betreffend die Kasernen wird deren Zustand zum Teil zu Recht kritisiert. Es ist richtig, dass viel passiert ist, aber nicht nur in den letzten drei Jahren, sondern in den letzten zehn oder 15 Jahren. Ich erinnere daran, dass man erst, als die polnische Flüchtlings­welle zu Anfang der achtziger Jahre gekommen ist, draufgekommen ist, dass in Götzendorf die Grundwehrdiener unter unmenschlichen Zuständen gehaust haben, denn dort hat man nämlich die Flüchtlinge einquartiert und hat gesagt, es ist unmög­lich, dass man dort Flüchtlinge einquartiert. Das war der Grund, warum dann Götzen­dorf in vorbildhafter Weise in den achtziger Jahren saniert worden ist.

Aber auch da ist übertrieben worden, denn wenn man die Bilder kennt, dann weiß man, dass etwa bei der Liegenschaft in Breitensee, einer große Kaserne, die leer stehenden Teile, die wirklich desolat sind, weil sie nicht benötigt werden, gefilmt wurden, die sanierten bewohnten Teile aber nicht gefilmt wurden. Das ist überhaupt keine Frage!

Aber, Herr Bundesminister, wenn dann von Ihnen, aber auch von Ihren Abgeordneten gesagt wird, schuld seien nur die Vorgänger, denn die hätten das alles zu verant­worten, dann ist das ganz einfach unehrlich und zeigt, dass man die ganze Situation nicht ernst nimmt.

Herr Kollege Stauber, Sie können mir alles Mögliche vorwerfen, auch Minister Fassl­abend, aber nicht, dass wir verantwortlich sind für die jetzige Misere, denn wir haben


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den Hubschrauber „Black Hawk“ angeschafft, die Kampfanzüge, die Sie jetzt belobigt haben, neu angeschafft, wir haben modernes Gerät für die Grenzüberwachung ange­schafft, Transportflugzeuge angeschafft und eine Sicherheitsdoktrin beschlossen, bei der wir uns sehr bemüht haben. Fragen Sie jene, die damals hier im Parlament mitverhandelt haben! Wir haben dafür einen eigenen Ausschuss gebildet. Wir haben uns hier sehr um einen nationalen Konsens bemüht. Ich habe den Eindruck, dass dieser nur deshalb verweigert worden ist, weil man der damaligen Regierung keinen Erfolg gönnen wollte. Und wir haben eine Heeresreform durchgeführt, die eine massive Einsparung auch im Verwaltungsbereich gebracht hat. (Beifall beim BZÖ.)

Weil immer wieder der Eurofighter angesprochen wird: Sie wissen aus unzähligen Berichten des Rechnungshofes und aus vielen Stunden Untersuchungsausschuss, dass dieser Beschaffungsvorgang wirklich klar durchleuchtet worden ist. Sie wissen auch, Herr Minister, weil Sie die Unterlagen haben, dass meine Bedingung für die Zustimmung zum Eurofighter die gewesen ist, dass er zusätzlich zum normalen Landesverteidigungsbudget budgetiert wird (Abg. Mag. Kogler: Dort hat das Unglück seinen Lauf genommen!) und dass auch alle zusätzlichen Betriebskosten dem Verteidigungsbudget zugemittelt werden müssen. Warum das in der Folge nicht passiert ist, werden Sie vielleicht besser beantworten können als ich. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Mag. Kogler: Das werden wir noch machen!)

Der Vergleich kam von Ihnen, dass man den Eurofighter von der Ausrüstung her herunterfährt. Dass die Einsparungen, die man dadurch erzielt hat, von Ihnen aber nicht für das Landesverteidigungsbudget verlangt worden sind, können Sie auch nicht Ihren Vorgängern vorhalten. Und dass man jetzt keine Ersatzteile hat, weil man eben die Ausrüstung heruntergefahren hat, liegt auch in Ihrer Verantwortung, Herr Ver­teidigungsminister.

Aber es geht mir um etwas Grundsätzliches, und da sind Sie nicht alleine verant­wortlich, sondern da sollte sich jeder, der in der Öffentlichkeit steht, überlegen, ob er auch wirklich ernsthaft dazu bereit ist, in eine unangenehme Diskussion einzutreten, denn jede ernsthafte Forderung, einer sicherheitspolitischen Wahrheit zu entsprechen, ist unangenehm, das will niemand hören: Das will keine Zeitung hören – darüber werden Sie keine positiven Schlagzeilen finden –, das möchte in Friedenszeiten, wenn nichts passiert, auch ein Großteil der Bevölkerung nicht hören und das will man wahrscheinlich auch in Zeiten von Wahlen – und es sind immer Wahlen; jetzt haben wir im Burgenland Landtagswahlen – nicht hören.

Aber Sicherheitspolitiker sind nicht da, um sich beliebt zu machen, sondern sie sind dazu da, das Notwendige zumindest zu verlangen. Es wird niemals so sein, dass man alles das bekommt, was man will und was notwendig ist, aber man muss es verlangen, denn wenn etwas passiert – und das haben wir in der Vergangenheit oft gehabt –, dann verlangt zu Recht die Bevölkerung, die vielleicht einen Monat vor diesem Ereignis noch gesagt hat: Das brauchen wir alles nicht!, dass die Sicherheitsorgane und auch das österreichische Bundesheer all diese Katastrophen und sicherheitspolitischen Situationen bewältigen kann. Verantwortlich sind dann die Minister und all jene Politi­ker, die die Entscheidungen zu treffen haben.

Für mich war es ein Schlüsselerlebnis, als ich damals in Galtür gestanden bin (Zwischenruf bei der SPÖ) – das ist nicht lustig, Frau Kollegin – und mir die Leute dort gezeigt haben, wo Dutzende Menschen umgekommen sind, weil wir die ent­sprechenden Hubschrauber nicht gehabt haben. Vor der Katastrophe in Galtür hat jeder gesagt: Die brauchen wir nicht!, und danach konnte die Anschaffung der „Black Hawk“ nicht schnell genug gehen. (Beifall bei BZÖ, ÖVP und FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Mag. Wurm.)


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Meine Damen und Herren, darum geht es: Es geht um nichts anderes als darum, dass man, bevor etwas passiert, bevor es eine Notwendigkeit gibt, die Stimme erhebt und sich dafür einsetzt, auch wenn es vielleicht das politische Amt kostet, weil man nicht mehr gewählt wird, dass man das Notwendige einfordert.

Herr Bundesminister! 1989, 1990 hatten wir eine ähnliche Diskussion. Nach dem Zerfall des Ostblocks hat man gesagt: Das brauchen wir alles nicht mehr!, und es waren wieder die Bundesheergegner, die gesagt haben: Können wir abschaffen! – Niemand hätte damals prophezeit, dass zwei Jahre später an unseren Grenzen gekämpft wird, dass das österreichische Bundesheer wirklich mit seinen Panzern, dem schweren Gerät und den Flugzeugen ausrücken muss, um unsere Grenzen zu vertei­digen. Niemand hätte das 1989 vorhergesehen! Und ich sage Ihnen: Es kann auch heute niemand, der sich ernsthaft mit Sicherheitspolitik beschäftigt, garantieren, was für Österreich in 10, 15 oder 20 Jahren sicherheitspolitisch notwendig sein wird. (Abg. Mag. Kogler: Aber dass wir mit unserem Bundesheer so weit hüpfen werden ...!) Abgeschafft ist schnell etwas, ein Wiederaufbau ist nur, wenn überhaupt, in vielen Jahren möglich. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir wissen heute, dass Sicherheitspolitik gemeinsam, etwa im Rahmen der Euro­päischen Union, unternommen werden muss. Da müssen wir auch – auch wenn das nicht gerne gehört wird – einen Beitrag leisten.

Herr Kollege Strache, ich sage das ganz offen: Sie haben sich beziehungsweise Ihre Fraktion hat sich heute hier hinter das Bundesheer gestellt. Aber dann muss man auch so weit sein zu sagen: Ja, auch Auslandseinsätze sind notwendig! Die Sicherheit Österreichs endet nicht an unseren Grenzen, sondern der Terrorismus, der auch uns betrifft, internationale Flüchtlingsströme, die auch uns betreffen, müssen an der Wurzel bekämpft werden; nicht nur mit militärischen Mitteln, aber unter Umständen auch.

Die Konflikte, die in Afghanistan, in Afrika oder sonst wo auf der Welt stattfinden, kommen, wenn wir nicht auch einen Beitrag zu deren Bewältigung leisten, auf Umwegen irgendwann einmal auch zu uns. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stefan.)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, Sie sollten nicht Schadenfreude an den Tag legen, dass jetzt dieser Minister hier sitzt und das die SPÖ trifft. Sie haben ja damals, sagen wir es ganz offen, dieses Ressort absichtlich an die SPÖ abgegeben; Sie hätten es ja auch behalten und Ihre Politik dort machen können.

Meine Damen und Herren, es geht darum, dass wir endlich einmal versuchen müssen, eine ernsthafte grundlegende sicherheitspolitische Diskussion zu beginnen – zu beginnen!

Herr Minister, eine Sicherheitsdoktrin kann man immer diskutieren, aber nur deshalb, weil sich die parteipolitische Lage verändert hat, zu sagen, dass sie geändert gehört, das ist der falsche Ansatz, denn Sicherheit ist nicht rot, nicht schwarz, nicht blau, nicht grün, nicht orange, sondern gegeben, und wir müssen mit den notwendigen Reak­tionen unsere Sicherheit garantieren. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn die Kollegin von den Grünen hier sagt: Wenn da irgendetwas von der NATO drinsteht, dann sind wir schon dafür, dass das geändert gehört!, muss ich sagen: Frau Kollegin, das österreichische Bundesheer befindet sich in NATO-Einsätzen im Kosovo. Wir sind Teil von NATO-Organisationen. Im Rahmen der Europäischen Union wird bei jedem Gipfel ganz klar gesagt, dass man auf die NATO-Strukturen zurückgreifen muss, weil niemand das Geld investieren kann und will, um hier Parallelstrukturen aufzu­bauen. – Diese Schemata, diese Scheuklappen aus dem Kalten Krieg sollte man doch jetzt endlich auch in Ihrer Fraktion abgelegt haben.


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Noch ein Punkt: Sie verteidigen jetzt auch wieder die Neutralität. Herr Minister Darabos! Lesen Sie bitte Artikel 23f, die Verfassungsänderung aus dem Jahr 1998 – SPÖ- und ÖVP-Regierung – und den Kommentar dazu: dass man damit die Neutralität, so, wie sie das Völkerrecht entwickelt hat, abgeschafft hat. Ein bisschen mehr Ehrlichkeit in der Sicherheitspolitik wäre also notwendig.

Wir haben viel zu tun. Ich habe es Ihnen oft angeboten: Für gute, positive Maßnahmen werden Sie in uns immer einen Partner finden. Sie aber haben bis jetzt nicht einmal das Gespräch in diesem Zusammenhang gesucht.

Es wäre notwendig, diese sicherheitspolitischen Grundausrichtungen vorzunehmen. Es wäre notwendig, auch das Vertrauen der militärischen Führung wieder zu gewinnen. Es wäre notwendig, die Miliz zu beleben. Sie haben recht damit, dass Sie die Übungen wieder eingeführt haben – das ist sehr positiv; ich selbst habe im September mit meinem Miliz-Bataillon eine Woche lang geübt –, aber es fehlt der Auftrag, und der kostet gar kein Geld, sondern da müsste man wirklich nur sagen: Aufgrund der sicherheitspolitischen Lage hat die Miliz einen klaren Auftrag, etwa beim Heimatschutz. Nicht irgendwo auf einem Truppenübungsplatz üben, sondern klar zur Kenntnis neh­men: die notwendige Infrastruktur, die Bahnhöfe, die Autobahnen, wichtige Gebäude. Es ist eine Aufgabe der Miliz, gemeinsam mit den präsenten Verbänden im Ernstfall diese Sicherungen vorzunehmen. Das gehört definiert und das gehört auch geübt – und kostet gar nichts. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Es ist aber wichtig und richtig, dass man zeigt, dass einem diese Einrichtung wichtig ist. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, letztlich geht es darum, dass man nicht nur in Sonntags­reden und bei Angelobungen positiv über das Bundesheer spricht, sondern dass man den militärischen Auftrag erfüllt, dass man das Bundesheer nicht demilitarisieren möchte, sondern einfach klarmacht: Es ist alles immer im Wandel, aber es gibt einen militärischen Auftrag des österreichischen Bundesheeres, dazu bekennen wir uns und den wollen wir auch in Zukunft entwickeln. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ. – Abg. Grosz: Darabos wird Landeshauptmann!)

21.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Mag. Kogler zu Wort gemeldet. Die Gesamtrestredezeit beträgt 12 Minuten. Herr Abge­ordneter, Sie haben mir nichts anderes vorgegeben, ich stelle die Uhr auf 12 Minu­ten. – Bitte.

 


21.36.37

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Ein paar Dinge muss ich schon zurechtrücken.

Der Zweitredner in dieser Debatte, Kollege Prähauser, hat den Erstredner und Antragsteller des Misstrauensantrages, der im Ausschuss behandelt wurde, zurecht­gewiesen und gesagt, dass er, der er doch in einem Dienstverhältnis zum Bundesheer stünde, sich lieber auf dieses besinnen und dem Minister da quasi keine Schwierig­keiten machen solle. – Ich finde, das geht ziemlich daneben! (Zwischenruf des Abg. Prähauser.)

Herr Abgeordneter Kunasek ist jedenfalls – dazu mag man stehen, wie man möchte – gewählter Abgeordneter und Mitglied dieses Hauses. Und als solches hat er nicht nur die Möglichkeit, sondern, wenn er es selbst glaubt und seinem Gewissen folgt, vielleicht sogar die Pflicht, auch Misstrauensanträge zu formulieren. Ich finde, es ist eine äußerst befremdliche Vorgangsweise, dass ein Abgeordneter dieses Hauses einem anderen unter Hinweis auf das Dienstverhältnis, weil der Minister sein Chef ist,


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das verbieten möchte. (Beifall bei Grünen, FPÖ und BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wenn, dann müssten Sie so konsequent sein und sagen: Bundesheerangestellte dürfen nicht Abgeordnete werden. Ich weiß nicht, ob ich mich dem anschließen würde, aber diese Vermischung geht auf keinen Fall – und das sollte zumindest im Protokoll stehen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.)

Der Minister selbst hat auf die gleiche Sache ganz anders reagiert. Er hat ausdrücklich gesagt: Es ist Ihr gutes Recht als Abgeordneter. Es laufe zwar so etwas wie eine Kampagne gegen ihn – er hat das mit ein bisschen der ihm eigenen Wehleidigkeit gesagt –, aber er hat das immerhin genau erfasst und gesagt: Das ist Ihr gutes Recht. – Das finde ich in Ordnung.

Aber jetzt zu den Punkten, warum wir unter dem Strich – weil Sie sich ja auch über unser Verhalten beschwert haben, Herr Bundesminister – diesem Misstrauensantrag nähertreten können, aber natürlich mit unseren eigenen Begründungen.

Ein Hauptpunkt ist der leidige Assistenzeinsatz in dem Bundesland, aus dem Sie kommen. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Denn: Wenn immer mehr dafür spricht, dass das eigentlich immer weniger bringt und nur mehr – jetzt können Sie sagen, dass das auch ein hohes Gut ist; Sie tun das ja offensichtlich – das subjektive Sicher­heitsempfinden dort eine solch große Rolle spielt, dann ist das halt zu wenig, noch dazu vor dem Hintergrund, dass wir es da mit einem offensichtlichen Verfassungsbruch zu tun haben. Das ist eben genau der Punkt, und das können wir nicht dulden.

Außerdem ist das auch noch ein Wahlkampfgag, denn das wird ohnehin auslaufen. Sagen Sie das lieber jetzt gleich den Leuten – auch im Burgenland. (Abg. Mag. Stadler: Nach der Landeshauptmann-Wahl! Er wird Landeshauptmann!) Sie geben sich als Mittäter mit dem Bundeskanzler und einem großen Kleinformat dafür her. Und das rechtfertigt dann schon das Misstrauen.

Sie verweisen darauf, dass Ihnen Abgeordneter Pilz, der nicht hier sein kann, auf eine Art und Weise (Heiterkeit und Zwischenrufe bei der SPÖ) – er ist krank, lachen Sie nicht! – zu nahe tritt, weil er Ihnen Korruption vorgeworfen habe. Dazu Folgendes: Ich war zumindest in dem einen Ausschuss dabei. Er hat Ihnen nicht Korruption vorge­worfen. Pilz hat nur festgestellt – und dafür hat er, meine ich, viele gute Gründe –, dass bei sehr vielen Beschaffungsvorgängen im Rüstungsbereich, auch im österreichischen Bundesheer, immer wieder Tendenzen auftauchen, die den Verdacht der Korruption nahelegen. Und das gehört untersucht. Das verlangt er.

Er hat Ihnen persönlich nicht Korruption unterstellt, mit Sicherheit nicht! Also brauchen Sie das hier nicht in Ihr Wehleidigkeits-Schatullerl einzupacken und uns damit nicht zu behelligen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Jetzt kommen wir zu dem Punkt, dass es tatsächlich ein Problem ist, wie es bei Rüstungsbeschaffungsvorgängen zugeht; Sie sollten da wirklich mehr Nachschau halten! Das beste Beispiel dafür ist ja aus meiner Sicht – auch wenn Sie da gerade von Abgeordnetem Scheibner vielleicht wieder Schützenhilfe bekommen haben – die Eurofighter-Beschaffung selbst; auf diese wird jetzt auch noch kurz einzugehen sein.

Jetzt ist es wieder heraußen, Vorgänger Scheibner hat es ja gesagt: Damals ist mit vereinbart worden, dass die Mehrkosten – und diese waren nicht zu gering, das haben wir im Untersuchungsausschuss schön herausgearbeitet. Es war ja auch schon entlang der politischen Vereinbarung des Kaufvertrages erkennbar, dass dieses System gegenüber anderen enorme Mehrkosten hat. Es wird schon so gewesen sein, wie Abgeordneter Scheibner es formuliert hat, dass er nur unter dieser Bedingung zugestimmt hat. (Zwischenruf des Abg. Kößl.)


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Richtig war, er geht mit einem anderen Gerät im Kopf in die Verhandlungen und kommt mit dem Eurofighter heraus und verteidigt sich so, wie wir es gehört haben. Das waren sozusagen die „Herbert, nimm das!“-Wochen: Nimm den Eurofighter, bezahlen tun ohnehin die anderen!

Und jetzt sitzen wir hier – wir haben es Ihnen gesagt! – und Sie sitzen auch da. Jetzt sitzen Sie ohnehin noch auf der Regierungsbank – Sie werden den Antrag ja über­leben –, aber gut sitzen Sie nicht mehr, weil das viel zu viel kostet, und das ist Ihnen auch gesagt worden.

Das, was wir für unsere Luftraumüberwachung gebraucht hätten – ich rede jetzt nicht darüber, ob ja oder nein, sondern unterstelle einmal, dass wir eine solche gebraucht hätten –, wäre viel billiger zu haben gewesen, und das von vornherein.

Ich bin neugierig, ob sich jetzt einmal irgendjemand findet – so lange ist das noch nicht her; nun laborieren wir ja an den Kosten –, der das wirklich rechtfertigt und verteidigt.

Abgeordneter Schüssel, Ihren gestrigen Beitrag zu den Fragen der Europäischen Union habe ich sehr genossen, das war sehr weise, aber Sie sollten vielleicht einmal noch zu dem damaligen Vorgang Stellung nehmen.

Sie alle haben doch das Gerät irgendwie gewürdigt und gemeint: Wir brauchen das, wir müssen in der obersten europäischen Liga spielen!, und so weiter. – Ja dann bekennen Sie sich halt jetzt zu den Kosten, die dieses System verursacht!

Eines ist klar: dass sich das mit der Budgetvorschau des Bundesheeres über mehrere Jahre, mit diesem Verteidigungsbudget, dem Ankauf des Systems Eurofighter und der gleichzeitig stattfindenden Bundesheerreform niemals ausgehen kann. Um das festzustellen, brauchen Sie gar nicht auf die Universität zu gehen, dazu reicht eigent­lich die Volksschulmathematik.

Es wäre also interessant zu sehen, dass sich auf Basis dieser Volksschulmathematik jetzt einmal irgendjemand dazu bekennt, dass das so war oder so ist. Es soll sich einmal jemand hier herstellen und sagen: Jetzt wird überall gespart – im April kommen ja die Rubriken über das neue Finanzverfassungsgesetz herein, die Einsparungen –, nur beim Bundesheer ist es mehr, damit sich das alles ausgeht: die Reform, das Verteidigungssystem in der Luft und dieses und jenes. Kommen Sie heraus und sagen Sie das! – Oder es tritt das ein, was von allen hier bejammert und besudert wird, und die Grünen und Pilz sind dann jene, über die Sie sich aufregen; wir, die wir es Ihnen immer gesagt haben. Nein, das können Sie nicht verdrehen, Sie alle werden sich dazu bekennen müssen!

Der SPÖ ist zugute zu halten, dass sie ähnlich argumentiert hat. Aber am Schluss, als sehr viele Fakten auf dem Tisch gelegen sind – auch aufgrund der Arbeit des Unter­suchungsausschusses –, haben Sie nicht die Courage gehabt, härtere Verhandlungen zu führen und möglicherweise – damals, jetzt ist es natürlich schwierig, darüber brauchen wir nicht zu reden – auf Ausstieg aus dem Vertrag zu verhandeln. Das war offensichtlich nicht Ihr Wille. Das haben Sie deshalb nicht gemacht, weil Sie diesen Koalitionspartner gehabt hätten, und dann wäre womöglich rund um den Deal noch viel mehr aufgeflogen. Mit Sicherheit!

Jetzt sage ich Ihnen zum Abschluss noch eines, weil Sie den Ausdruck gebraucht haben, die Fraktion „verpilzt“: Wenn das mit dem Namen eines Abgeordneten ge­schieht, wird man sonst immer ermahnt, man solle die Namen nicht verballhornen. Aber ich bin da ein bisschen großzügiger, ich weiß schon, was Sie damit sagen wollten.


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Ich sage Ihnen aber etwas ganz anderes: Diese Republik und dieses Parlament würden viel mehr Pilz brauchen! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Es gehört in dieser Republik wesentlich mehr aufgeklärt, damit mehr von dem ans Licht kommt, was Sie immer tatkräftig zudecken wollen. Aber mit Sicherheit! (Beifall bei den Grünen. – Zwi­schenruf des Abg. Grosz.)

Genau die Eurofighter-Beschaffung ist ein Vorgang, der durchaus auch noch inter­national beobachtet wird, bei dem nämlich aufgrund der Materialien des Unter­suchungsausschusses Transparency International und ähnliche Organisationen, die die Korruptionsanfälligkeit von Ländern beobachten, feststellen können, dass bei uns nichts weitergeht.

Wissen Sie, was von dem ganzen seltsamen Vorgang übrig geblieben ist? – Dass ausgerechnet Luftwaffenchef Wolf noch etwas nachgestierlt wird; sonst ist nichts übrig geblieben! (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, aber es wäre genug zu tun für die Staatsanwaltschaft. Aber die Staatsanwaltschaft ist auch an dieser Stelle verpoliti­siert – ich traue mich das zu formulieren –, und das ist das Problem in diesem Land.

Dieser Deal stinkt bis heute. Und Sie können bis heute nicht erklären, warum eine Werbeagentur, die da zwischengeschaltet wurde, 100 Millionen Schilling bekommen hat, nur um dieses Geschäft zu bewerben. Was soll denn das? Ein Werbeauftrag für die Eurofighter, eine 100-Millionen-Werbekampagne? Glauben Sie, der durchschnitt­liche Österreicher schlägt am Sonntag am Vormittag die „Kronen Zeitung“ auf, liest ein Inserat und denkt sich: So, morgen kaufe ich mir einen Eurofighter!, weil die so super inserieren? Das ist doch völliger Unsinn!

Die haben das Geld in das System eingeschleust, um die politische Landschaft zu pflegen, das wissen Sie ganz genau. Und bis heute ist nicht klar, wo das ganze Geld geblieben ist. Eines ist klar: dass diese Werbeagentur von den 100 Millionen bloß zu einem Drittel überhaupt Rechnungen vorlegen konnte! Wir haben ja im Unter­suchungs­ausschuss die Steuerakten ausgehoben, bevor Sie alles schwärzen haben lassen. Das haben wir noch gesehen!

Diese Rechnungen waren im Prinzip aber auch Scheinrechnungen. Das waren Presse­konferenzen um 100 000 €. Sie alle sind ja Profis bei Pressekonferenzen. (Zwischenruf des Abg. Kößl.) – Weil Sie dazwischenreden: Wann haben Sie die letzte Presse­konferenz um 100 000 € gemacht? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Kößl.) – Ja, eben.

Aufgrund dieser manipulativen Art und Weise war die Werbeagentur, die ja nichts anderes als eine Lobbying-Firma war, die von anderen Lobbyisten Geld eingeschleust hat – Sie erinnern sich an Herrn Steininger –, nicht in der Lage, das nachzuweisen. Es fehlen bis heute 66 Millionen Schilling. Wir werden nicht aufhören, dem nachzugehen, aber Sie können nicht so tun – auch nicht Sie, Herr Kollege Scheibner –, als wäre da alles ordentlich abgelaufen.

Deshalb sage ich Ihnen: Mehr Aufklärung und mehr Aufdeck-Abgeordnete würden dem Parlament guttun. Und es ist nicht gut, wenn Sie hier von der Regierungsbank aus etwas anderes verkünden. (Beifall bei den Grünen.)

21.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Es wird kein Schlusswort gewünscht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll59. Sitzung / Seite 233

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag des Landesverteidigungs­aus­schus­ses, seinen Bericht 648 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

*****

Die Tagesordnung ist erschöpft.

21.47.51Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1063/A(E) bis 1083/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 4980/J bis 4995/J eingelangt.

Schließlich ist eine Anfrage der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen an die Präsidentin des Nationalrates eingebracht worden.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die für Mittwoch, 21. April 2010, 9 Uhr, in Aussicht genommen ist, wird auf schriftlichem Weg einberufen werden.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.48.27Schluss der Sitzung: 21.48 Uhr

 

 

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