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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 22. April 2010

 

 


Stenographisches Protokoll

62. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode             Donnerstag, 22. April 2010

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 22. April 2010: 9.05 – 21.38 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erste Lesung: Bundesfinanzrahmengesetz 2011 bis 2014 – BFRG 2011–2014

2. Punkt: Bericht über den Antrag 932/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzwert für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)

3. Punkt: Bericht über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV – BGBl II Nr. 316/1999)

4. Punkt: Bericht über den Antrag 933/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die „Deklaration von Duftstoffen in Lufterfrischern oder Ähnlichem“

5. Punkt: Bericht über den Antrag 594/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz vor unerwünschten Mehrwert-SMS

6. Punkt: Bericht über den Antrag 872/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend freiwillige Kennzeichnung des SAR-Wertes von Mobiltelefonen

7. Punkt: Bericht betreffend den Bericht des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/1; Band 6 – WIEDERVORLAGE

8. Punkt: Sammelbericht über die Petitionen Nr. 38, 39, 41 und 42 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14 und 18

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundesverfassungsgesetz BGBl I 127/2009, geändert wird (980/A)

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG) geändert wird (984/A)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 2

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (1000/A)

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG), BGBl. I Nr. 103/1998, geändert wird (1047/A)

13. Punkt: Ersuchen der Bundespolizeidirektion Wien (GZ E1/90828/1/2010) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger

14. Punkt: Ersuchen der Bundespolizeidirektion Wien (GZ E1/90837/1/2010) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Bir­git Schatz

15. Punkt: Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (GZ 22 St 116/09z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 10

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeant­wortung 4323/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 39

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ...... 165

Redner/Rednerinnen:

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ... 165

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 167

Bundesministerin Mag. Claudia Bandion-Ortner ............................................... ... 169

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................ ... 170

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 171

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 173

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 174

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der schriftlichen Aus­schussberichte 678, 679 und 680 d.B. gemäß § 44 (2) der Geschäftsordnung ........................................................... 39

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 39

Wortmeldung des Abgeordneten Ing. Norbert Hofer betreffend Ausführungen des Abgeordneten Öllinger in Bezug auf ehemalige Mandatare ................................................................................. 150

Fragestunde (9.)

Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft .................................... 10


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 3

Petra Bayr (59/M); Ing. Hermann Schultes, Stefan Markowitz, Mag. Christiane Brunner, Ing. Norbert Hofer

Peter Mayer (57/M); Gerhard Huber, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Harald Jannach, Gerhard Steier, Maximilian Linder

Ing. Norbert Hofer (61/M); Mag. Josef Auer, August Wöginger, Ernest Windholz, Mag. Werner Kogler

Mag. Christiane Brunner (62/M); Bernhard Themessl, Elmar Mayer, Erwin Hornek, Christoph Hagen

Ing. Robert Lugar (63/M); Dr. Gabriela Moser, Dr. Susanne Winter, Andrea Gessl-Ranftl, Anna Höllerer

Mag. Kurt Gaßner (60/M); Franz Eßl, Dr. Wolfgang Spadiut, Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Harald Jannach

Johannes Schmuckenschlager (58/M); Mag. Rainer Widmann, Mag. Christiane Brunner, Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Mag. Josef Auer

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 10

Ausschüsse

Zuweisungen ...........................................................................  38, 95, 213, 217, 221, 229

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeits­marktes für neue EU-Mitgliedstaaten (1097/A)(E) ............................................................................................................................. 119

Begründung: Ing. Norbert Hofer ................................................................................ 122

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ....................................................................... 128

Debatte:

Werner Neubauer .................................................................................................... ... 133

Josef Muchitsch ...................................................................................................... ... 134

August Wöginger .................................................................................................... ... 136

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 138

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 140

Dr. Andreas Karlsböck ........................................................................................... ... 142

Heidrun Silhavy ....................................................................................................... ... 144

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................ ... 146

Karl Öllinger ............................................................................................................ ... 147

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 150

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 152

Wilhelm Haberzettl ................................................................................................. ... 154

Oswald Klikovits ..................................................................................................... ... 155

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ... 157

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ... 159

Mag. Birgit Schatz (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 160

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 161

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager .................................................................... ... 162


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 4

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 163

Bundesminister Rudolf Hundstorfer .................................................................... ... 164

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 1097/A(E) ............................. 164

Verhandlungen

1. Punkt: Erste Lesung: Bundesfinanzrahmengesetz 2011 bis 2014 – BFRG 2011–2014 (660 d.B.)      ............................................................................................................................... 40

Redner/Rednerinnen:

Bundeskanzler Werner Faymann ......................................................................... ..... 40

Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll .......................................................................... ..... 42

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 47

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................. ..... 50

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 52

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ..... 55

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 58

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 61

Jakob Auer .............................................................................................................. ..... 63

Harald Vilimsky ....................................................................................................... ..... 66

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 68

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 70

Renate Csörgits ...................................................................................................... ..... 73

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ..... 74

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein .................................................................... ..... 75

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ..... 76

Ing. Robert Lugar .................................................................................................... ..... 78

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ..... 79

Dr. Martin Bartenstein ............................................................................................ ..... 80

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ..... 81

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ..... 82

Ernest Windholz ..................................................................................................... ..... 83

Walter Schopf .......................................................................................................... ..... 84

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ..... 85

Bernhard Themessl ................................................................................................ ..... 86

Gerhard Huber ........................................................................................................ ..... 87

Dr. Günther Kräuter ............................................................................................... ..... 88

Mag. Peter Michael Ikrath ....................................................................................... ..... 89

DDr. Werner Königshofer ...................................................................................... ..... 90

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ..... 91

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ..... 92

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 93

Franz Eßl .................................................................................................................. ..... 94

Maximilian Linder .................................................................................................... ..... 94

Zuweisung der Regierungsvorlage 660 d.B. an den Budgetausschuss ......................... 95

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 932/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzwert für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) (667 d.B.) ....................................................... 96

Redner/Rednerinnen:

Mag. Johann Maier .................................................................................................. ..... 96

Anna Höllerer .......................................................................................................... ..... 97

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 98

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ..... 98


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 5

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ..... 99

Claudia Durchschlag ................................................................................................. 100

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 667 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Grenzwert für polyzyklische aromatische Kohlenwasser­stoffe (PAK) (E 93) ............. 101

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 891/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV – BGBl II Nr. 316/1999) (666 d.B.) ............................... 101

Redner/Rednerinnen:

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 101

Johann Hell .............................................................................................................. ... 103

Gabriele Tamandl .................................................................................................... ... 103

Mag. Roman Haider ................................................................................................ ... 105

Stefan Markowitz .................................................................................................... ... 105

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 106

Johann Rädler ......................................................................................................... ... 107

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 666 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV – BGBl II Nr. 316/1999) (E 94)                             107

4. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 933/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend die „Deklaration von Duftstoffen in Lufterfrischern oder Ähnlichem“ (668 d.B.) .............................................................. 108

Redner/Rednerinnen:

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 108

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 109

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 110

Mag. Birgit Schatz .................................................................................................. ... 110

Sigisbert Dolinschek .............................................................................................. ... 111

Hannes Weninger ................................................................................................... ... 111

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 668 d.B. beigedruckten Ent­schließung betreffend die „Deklaration von Duftstoffen in Lufterfrischern oder Ähnlichem“ (E 95) ..................... 112

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 594/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz vor unerwünschten Mehrwert-SMS (669 d.B.) ....................................................................................................................................... 112

6. Punkt: Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den An­trag 872/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend freiwillige Kennzeichnung des SAR-Wertes von Mobiltelefonen (670 d.B.) ............................................................................................. 112

Redner/Rednerinnen:

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 113

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 114

Dr. Gabriela Moser ............................................................................................  115, 178

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 117

Dr. Wolfgang Spadiut ............................................................................................. ... 118


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 6

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 119

Bernhard Vock ........................................................................................................ ... 176

Ing. Erwin Kaipel ..................................................................................................... ... 177

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erdverkabelung der geplanten 110-kV-Leitung Graz–Wern­dorf in Tieflage zum Schutz der AnrainerInnen vor elektromagnetischer Strah­lung – Ablehnung ......................................................  178, 179

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 669 und 670 d.B. ........................... ... 179

7. Punkt: Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-21 d.B.) des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/1; Band 6 – WIEDERVORLAGE (623 d.B.) ................................... 179

Redner/Rednerinnen:

Wolfgang Zanger .................................................................................................... ... 180

Mag. Christine Lapp ............................................................................................... ... 181

Dr. Wolfgang Spadiut ............................................................................................. ... 181

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 182

Mag. Kurt Gaßner ................................................................................................... ... 183

Dorothea Schittenhelm .......................................................................................... ... 183

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 184

Mag. Josef Lettenbichler ........................................................................................ ... 185

Mag. Ruth Becher ....................................................................................................... 185

Christian Faul ............................................................................................................. 186

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 187

Mag. Werner Kogler ................................................................................................ ... 188

Kenntnisnahme des Berichtes III-21 d.B. ..................................................................... 189

8. Punkt: Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 38, 39, 41 und 42 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14 und 18 (653 d.B.) ........................... 189

Redner/Rednerinnen:

Dr. Susanne Winter .................................................................................................... 190

Mag. Rosa Lohfeyer ................................................................................................... 190

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ....................................................................... ... 191

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 193

Leopold Mayerhofer ............................................................................................... ... 194

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 195

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 196

Hannes Weninger ................................................................................................... ... 197

Dr. Gerhard Kurzmann .......................................................................................... ... 198

Hermann Gahr ......................................................................................................... ... 199

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 200

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 200

Maximilian Linder .................................................................................................... ... 202

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 203

Jochen Pack ............................................................................................................ ... 203

Gerhard Huber ........................................................................................................ ... 204

Johann Hechtl ......................................................................................................... ... 205

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................ ... 205

Mag. Katharina Cortolezis-Schlager .................................................................... ... 207

Johann Hell .............................................................................................................. ... 207

Anna Franz .............................................................................................................. ... 208


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 7

Hermann Lipitsch ................................................................................................... ... 208

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 209

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 653 d.B. ...................................................... 210

9. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundes­verfassungsgesetz BGBl I 127/2009, geändert wird (980/A)               210

Redner/Rednerinnen:

Dieter Brosz ............................................................................................................ ... 210

Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher ............................................................................... ... 211

Johann Singer ......................................................................................................... ... 212

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 212

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 213

Zuweisung des Antrages 980/A an den Verfassungsausschuss ................................. 213

10. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG) geändert wird (984/A) ................................................................................................... 213

Redner/Rednerinnen:

Tanja Windbüchler-Souschill .................................................................................... 213

Otto Pendl ................................................................................................................... 214

Günter Kößl ............................................................................................................. ... 215

Werner Herbert ....................................................................................................... ... 216

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 216

Zuweisung des Antrages 984/A an den Ausschuss für innere Angelegenheiten ......... 217

11. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommen­steuergesetz geändert wird (1000/A) .... 217

Redner/Rednerinnen:

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ... 217

Marianne Hagenhofer ............................................................................................. ... 218

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 219

Mag. Daniela Musiol ................................................................................................... 220

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 220

Ridi Maria Steibl ......................................................................................................... 221

Zuweisung des Antrages 1000/A an den Finanzausschuss ......................................... 221

12. Punkt: Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammer­ge­setz 1998 – WKG), BGBl. I Nr. 103/1998, geändert wird (1047/A)                            222

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ..................................................................................................... 222

Franz Kirchgatterer .................................................................................................... 223

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ............................................................................... 224

Mag. Daniela Musiol ................................................................................................... 225

Ing. Robert Lugar ....................................................................................................... 227

Mag. Dr. Martin Graf ................................................................................................... 227


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 8

Zuweisung des Antrages 1047/A an den Ausschuss für Wirtschaft und Industrie ...... 229

13. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Bundes­polizeidirektion Wien (GZ E1/90828/1/2010) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger (678 d.B.) ........................................................................................................ 229

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 229

14. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Bun­despolizeidirektion Wien (GZ E1/90837/1/2010) um Zustimmung zur behörd­lichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Birgit Schatz (679 d.B.) ....................................................................................... 229

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 230

15. Punkt: Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staats­anwaltschaft Wien (GZ 22 St 116/09z) um Zustimmung zur behördlichen Verfol­gung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler (680 d.B.) ......................................................................................................... 230

Redner:

Mag. Ewald Stadler .................................................................................................... 230

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 233

Annahme des Ausschussantrages ............................................................................... 233

Eingebracht wurden

Anträge der Abgeordneten

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für neue EU-Mitgliedstaaten (1097/A)(E)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Nationalrats-Wahlordnung und das Europa-Wählerevidenzgesetz geändert werden (1098/A)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beibehaltung der 13. Familienbeihilfe (1099/A)(E)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen betreffend transparente Finanzie­rung der Krankenversicherung – versicherungsfremde Leistungen (1100/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Über­gangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für neue EU-Mit­gliedstaaten (1101/A)(E)

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Errichtung gentechnikfreier Schutzzonen in Österreich (1102/A)(E)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bevorzugung von Eltern am Arbeitsmarkt (1103/A)(E)

Dr. Peter Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sonderfinanzierung zur Sanierung von Unterkünften des österreichischen Bundesheeres (1104/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 9

Maximilian Linder, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufrecht­erhaltung der verfassungsrechtlich verankerten Verpflichtung zur militärischen Landes­verteidigung der Republik Österreich (1105/A)(E)

Ulrike Königsberger-Ludwig, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Ing. Norbert Hofer, Mag. Helene Jarmer, Sigisbert Dolinschek, Kolleginnen und Kollegen betreffend Service- und Signalhunde (1106/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundesverfassungsgesetz über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre geändert wird, sowie ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­bezüge­gesetz und das Bezügegesetz geändert werden (1107/A)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen zur Attrakti­vie­rung von (Lehr-)Berufen im Tourismus (1108/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend fragwürdige Umfrage zum Rauchverbot in Lokalen (5117/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend den BAWAG-Prozess (5118/J)

Peter Stauber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­ver­teidigung und Sport betreffend Zukunft der Bundesheer-Kasernen in Kärnten (5119/J)

Peter Stauber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Förderung der Elektromobilität in Kärnten (5120/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Influenza Berichterstattung und Risikobewertung (5121/J)

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Wis­sen­schaft und Forschung betreffend Unregelmäßigkeiten bei Aufnahmetests an der Fachhochschule (FH) Joanneum (5122/J)

Gerhard Steier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Grenzraumüberwachung, Assistenzeinsatz und Zukunft der Exekutive im Burgenland (5123/J)

Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die negativen Auswirkungen der durch „Vulkanasche“ herbeigeführten Luftraumsperre auf den heimischen Tourismus (5124/J)

Franz Riepl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Lehre mit Matura (5125/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Finanzen betreffend Arbeitsstrich in der Herbststraße (5126/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminis­ter für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Arbeitsstrich in der Herbststraße (5127/J)

Sonja Ablinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Datenlage über AsylwerberInnen (5128/J)

 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 10

09.05.24Beginn der Sitzung: 9.05 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Spindelberger, Dr. Schüssel, Dr. Glawischnig-Piesczek, Schenk und Dr. Strutz.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem ande­ren Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht: Die Bundesministerin für Inneres Dr. Maria Fekter wird durch den Bundesminister für Wirt­schaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner vertreten.

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Ich gebe bekannt, dass die heutige Sitzung von 9.05 bis 13 Uhr vom ORF live über­tragen wird.

09.06.04 Fragestunde

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Fragestunde.

Die Fragestellungen durch die Damen und Herren Abgeordneten werden, wie ja bereits Routine, von den beiden Redner/innenpulten im Halbrund vorgenommen. Die Beant­wor­tung durch den Herrn Bundesminister erfolgt vom Rednerpult der Abgeordneten.

Für die Anfrage- und ZusatzfragestellerInnen jeder Fraktion ist jeweils 1 Minute Rede­zeit vorgesehen. Zur Beantwortung der Anfrage steht dem Herrn Bundesminister eine Redezeit von 2 Minuten zur Verfügung, für die Zusatzfragen 1 Minute.

Kurz vor Ende der jeweiligen Redezeit werde ich mit einem Glockenzeichen darauf aufmerksam machen.

Ich beginne jetzt – um 9.06 Uhr – mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir kommen als Erstes zur Anfrage 59/M der Frau Abgeordneten Bayr. – Bitte.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Meine Frage lautet:


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59/M

„Welche Schritte werden Sie setzen, dem Thema Mehrweg mehr Beachtung zu schen­ken und so den KonsumentInnen wieder Wahlfreiheit zwischen Mehrweg- und Einweg­flaschen zu geben?“

Mich bewegt diese Frage deswegen – und nicht nur heute, am Internationalen Tag der Erde, sondern generell; und nicht nur mich, sondern auch viele Zuschauerinnen und Zu­schauer –, weil wir sehr besorgt darüber sind, dass Österreich von den Klima­ver­pflichtungen, die wir eingegangen sind, doch relativ weit weg ist und wir nur einen sehr, sehr kleinen Beitrag dazu leisten, den Klimawandel, die Klimaerwärmung einzudäm­men.

Gleichzeitig wissen wir, dass 415 000 Tonnen CO2-Äquivalent nur aus dem Bereich der Getränkeverpackungen kommen, und davon 80 Prozent von Einwegflaschen. Die Steigerung der Mehrwegquote wäre ein effektiver Beitrag zum Klimaschutz und wird vielen Menschen in Österreich wieder die Wahlfreiheit zwischen Einweg- und Mehr­wegflaschen geben. Momentan finden Sie keine Mehrwegflaschen in den Regalen.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete! Hohes Haus! Auch ich darf Ihnen einen schönen guten Morgen wünschen.

Zum Thema Mehrweg: Ja, auch ich bin für Wahlfreiheit für die Konsumentinnen und Konsumenten, und die Bürger haben sich auch entschieden. In Umfragen sagt nämlich eine überwiegende Mehrheit der Bürger, ja, sie wollen Mehrwegflaschen kaufen. – In der Praxis ist es aber dann ganz umgekehrt. In der Praxis entscheidet sich eine über­wiegende Mehrheit der Bürger gegen das Mehrwegsystem.

Ich kann Ihnen das auch anhand von Zahlen darlegen. Vor 13 Jahren wurden im Be­reich der Wassermehrwegverpackung noch 90 Prozent über Mehrweg gekauft, heute sind es nur mehr 19 Prozent. Bei den Limonaden waren es 43 Prozent, heute sind es nur mehr 9 Prozent. Insgesamt ist bei Mehrweg ein Rückgang von 50 Prozent auf 20 Prozent zu verzeichnen; das heißt, die Konsumenten wollen lieber Einweg.

Es geht mir nicht darum, dass Mehrweg ein Selbstzweck ist, sondern es muss die ökologische Gesamtbilanz stimmen. Wir haben mit der Wirtschaft eine freiwillige Vereinbarung getroffen, zu der sich die Wirtschaft aber bindend verpflichtet hat, um die Gesamtökobilanz zu optimieren und Treibhausgase und Emissionen zu reduzieren. Wir sind gerade in der Phase der Bewertung, und die Abfallwirtschaft ist einer der wenigen Sektoren, wo wir heute die Kyoto-Ziele, die Klimaschutzziele erreichen, weil dort 40 Prozent Treibhausgase reduziert wurden.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Bayr.

 


Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Wir haben dieselben Zahlen, wir sehen nur andere Gründe. Ich glaube, dass die Gründe genau darin liegen, dass es keine Wahlmög­lich­keit gibt, weil einfach keine Mehrwegverpackungen mehr angeboten werden und die KonsumentInnen daher nicht danach greifen können, weil die freiwillige Selbstver­pflich­tung der Industrie offensichtlich nicht funktioniert.

Es gibt ja aus dem Jahr 2008 eine Abfallrahmenrichtlinie der Europäischen Union, die wir heuer auch noch in nationales Recht umsetzen müssen. Mich würde dazu interes­sie­ren, warum Sie denn die oberste Prämisse dieser Abfallrahmenrichtlinie, nämlich Abfälle zu vermeiden, nicht auch als Chance sehen und wieder eine gesetzlich verbindliche Mehrwegquote schaffen, um so auch Anreize zu geben und die Geträn­


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kehersteller und auch den Getränkehandel wirklich verpflichten, wieder Mehrweg­gebinde für Getränke anzubieten.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, klare Priorität hat natürlich Abfallvermeidung, flächendeckende Erfassung des Mülls und möglichst viel Rezyklierung – also Zurückführung in den Stoffkreislauf. Wir sind, so behaupte ich, weltweit führend, was die Wiederverwertung von Abfällen anlangt – und an dieser Stelle ein herzliches Danke allen, die dazu beitragen! Wenn ich mit Vertretern öster­reichischer Abfallwirtschaftsunternehmen international unterwegs bin, um neue Ge­schäfts­felder zu erschließen, wird uns das überall bestätigt.

Ich überprüfe auch das Thema Mehrweg. Es gibt eine Studie, die aktuell vorliegt und die wir im Rahmen einer Arbeitsgruppe sehr genau analysieren werden. Unterm Strich muss ein Nutzen für die Umwelt herauskommen, aber es soll auch der Wille des Bür­gers berücksichtigt werden.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Ing. Schultes.

 


Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister, die österreichische Abfallwirtschaft ist international anerkannt und hat einen sehr guten Ruf, speziell was die getrennte Sammlung der Verpackungen betrifft. Es arbeiten hier alle mit, jeder weiß genau, was er zu trennen hat. Das hat sich natürlich gut auf die Restmüllmengen ausgewirkt, und die positiven Aspekte für Umwelt und Klimaschutz sind ja bekannt. Was bedeutet das für Österreich?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben zirka 1,1 Millionen Tonnen an jährlichem Aufkommen von Verpackungen. Entscheidend ist, dass es eine ordentliche Ressourcenbewirtschaftung gibt, dass also, wie ich es vorhin auch gesagt habe, möglichst viel in den Stoffkreislauf zurückkommt, und das gelingt auch: Zirka 800 000 Tonnen der 1,1 Millionen werden wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt:

Es ist das ganz im Sinne einer nachhaltigen Bewirtschaftung unseres Abfalls. Es wird also nicht irgendwo deponiert, nicht schlicht verbrannt, wie es andere Staaten der Welt tun, sondern zurückgeführt. Ich darf Ihnen das vielleicht anhand des Glaseinsatzes dokumentieren, indem ich ein paar eindrucksvolle Zahlen nenne.

Allein dadurch, dass die Bürger Glas sammeln und wieder in den Stoffkreislauf zurück­führen, ersparen wir uns 158 000 Tonnen Quarzsand, 51 000 Tonnen Kalk, 217 Mil­lionen Kilowattstunden elektrische Energie, 5,7 Millionen Kubikmeter Erdgas. Die Menge an Energie, die wir dabei sparen, reicht für 33 000 Haushalte. Daher von dieser Stelle ein herzliches Danke an die Bürgerinnen und Bürger dafür, dass sie dabei mittun und ordnungsgemäß Stoffe wieder in den Stoffkreislauf zurückführen.

Wie gesagt, wir erreichen die Kyoto-Ziele in vielen Sektoren leider nicht. Wir erreichen sie heute in der Landwirtschaft, und wir erreichen sie in der Abfallwirtschaft, weil dort 40 Prozent der Treibhausgase seit 1990 reduziert wurden. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Marko­witz.

 



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Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Sehr geehrter Herr Minister, Plastiksackerln sind umweltschädlich, aber sie werden verstärkt gekauft, weil sie viel günstiger sind als die alternativen Verpackungen.

Meine Frage: Welche Schritte werden Sie setzen, damit die Alternativen in Zukunft gekauft werden? – Wobei die Quintessenz nicht sein kann, dass man dann quasi die Preise auf Plastiksackerln erhöht.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es gibt weltweit verschiedenste Modelle, was die Plastiksackerln anlangt. Das große ökologische Problem sind die dünnen Plastiksackerln, die Folien, wie man sie zum Beispiel im Mittelmeerraum – in Spanien, in Italien – findet, wenn man einkaufen geht, und die dann auch im Meer landen. Sie führen zu einer ungeheuren Verschmutzung der Meere und auch zu Problemen für die Meerestiere. Wir haben das auf der europäischen Ebene im Rahmen der Umweltminister diskutiert, um dort Reduktionen von riesigen Mengen zu erreichen – aber nicht nur in Europa, das ist ein weltweites Problem.

Ziel muss sicher sein, in der österreichischen Abfallwirtschaft so viel Abfall wie möglich zu vermeiden und sukzessive Plastiksackerln auf andere Verpackungssysteme umzustellen. Es gibt tolle Initiativen wie zum Beispiel, agrarische Rohstoffe, Stärke ein­zusetzen, um damit den Abfall kompostierbar und wiederverwertbar zu machen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Brun­ner, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Bundesminister, es ist schon angesprochen worden, Abfallvermeidung ist das oberste Ziel in der Abfallwirtschaft. Das sieht auch die Abfallrahmenrichtlinie so vor. Darum geht es ja auch in der Diskussion um Mehrweg – Einweg.

In Österreich ist das Abfallaufkommen, das für die Entsorgung relevant ist, durch die Wirtschaftskrise schon zurückgegangen, wir haben aber sicher auch noch mehr Vermeidungspotenzial. Daher meine Frage: Wie schätzen Sie die Entwicklung des Abfallaufkommens in Österreich ein, wenn wir unsere Potenziale alle nützen, und was heißt das für die Entsorgungskapazitäten in Österreich?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, die von Ihnen erwähnte Wirtschaftskrise hat massive Auswirkungen auf den ganzen Sektor. Es fand gestern die große österreichische Abfallwirtschaftstagung in Eisenstadt statt, wo alle großen Player der Abfallwirtschaft aus Österreich zusammengekommen sind. Wenn Sie sich erinnern: Vor wenigen Jahren waren getrennte Abfälle, Chargen, zum Beispiel im Kunststoff oder in Kunststoffunterkategorien, am Markt ungeheuer relevant und haben tolle Preise erzielt. Wir haben diese Mengen beispielsweise gar nicht verbrannt, sondern in den Stoffkreislauf zurückgeführt, und das wurde teilweise in Länder wie China exportiert. Das alles hat sich jetzt durch die Wirtschaftskrise völlig umgedreht, weil die Rohstoffpreise stark gesunken sind und sogar Schiffe auf dem Meer mit derartigen Abfallmengen nach Europa zurückgekommen sind.

Ich glaube, dass es notwendig ist, unseren Weg konsequent weiterzugehen, die Bür­gerinnen und Bürger zu animieren, Abfall zu vermeiden oder möglichst viel Abfall in


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den Stoffkreislauf zurückführen, damit wir weiterhin eine saubere Umwelt haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Ing. Hofer, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Bundesminister, Sie haben den Kreis­lauf angeführt, der wesentlich ist. Je mehr in den Kreislauf zurückgeführt wird, desto weniger steht für thermische Abfallverwertung zur Verfügung. Auch aufgrund der Wirt­schaftskrise gibt es jetzt weniger Rohstoffe. Wie sehen Sie die Zukunft der thermischen Abfallverwertung in Österreich?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir können stolz darauf sein, dass wir in Österreich auch im Sinne der vorigen Fragen etwa 70 Prozent der Abfallmenge, die anfällt, wieder in den Stoffkreislauf zurückführen. Das ist ein gewaltiger Betrag im Sinne der Nachhaltigkeit.

Die thermische Verwertung von Abfall ist ein bedeutender Aspekt. Im Rahmen der Energiestrategie, die wir vorgelegt haben, spielt die thermische Verwertung der Rest­müllmengen, die nicht mehr verwertet werden können, eine große Rolle gerade im groß­städtischen Bereich. In Wien gibt es zum Beispiel die Fernwärme, mit der wir auch einen Teil der sozusagen erneuerbaren Energien abdecken können. Ja, das hat Poten­zial, und das wollen wir maximal nutzen.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 57/M des Herrn Abgeordneten Mayer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Geschätzter Herr Bundesminister, die öster­reichische Landwirtschaft hat im Vergleich mit anderen Ländern einen hohen Anteil an jungen Bäuerinnen und Bauern, und gerade diese Gruppe braucht planbare Arbeits­bedingungen für die Zukunft. In Zeiten, in denen wir volatile Preise auf den Agrar­märk­ten vorfinden und gekürzte Agrarbudgets zu erwarten sind, brauchen wir Initiativen, die hier gegenwirken.

Sie haben vor Kurzem die Initiative „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ vorgestellt. Dazu meine Frage:

57/M

„Was sind die Ziele und Hauptinhalte der von Ihnen vor Kurzem vorgestellten Initiative ‚Unternehmen Landwirtschaft 2020‘?“

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es ist tatsächlich so, dass wir eine sehr junge Landwirtschaft und auch eine weibliche Landwirtschaft haben. Das bestätigt, dass unsere bisherige Agrarpolitik erfolgreich war. (Ruf bei der SPÖ: Das hat aber andere Gründe!)

Wir haben eine der jüngsten Landwirtschaften in der Europäischen Union: Im Bereich bis zum 35. Lebensjahr liegen wir an der zweiten Stelle in Europa. In vielen Bereichen wird debattiert, dass mehr Frauen in entsprechende Positionen kommen sollen. Im Agrarbereich ist das bereits vollzogen: 40 Prozent der bäuerlichen Betriebe werden von Frauen geführt. Eine heimische Land- und Forstwirtschaft wäre undenkbar, hätten da nicht die Frauen Führungspositionen.


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Aber es geht darum, wie wir uns in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln, und daher habe ich vor Kurzem eine breite Strategiediskussion unter dem Titel „Unter­nehmen Landwirtschaft 2020“ vorgestellt, wo es mir darum geht, dass alle relevanten Stakeholder – auf Bundesebene, auf Länderebene, in den Kammern, die Bäuerinnen und Bauern selbst – gemeinsam eine Strategie entwickeln, wie sich unsere Land­wirtschaft in den nächsten zehn Jahren entwickeln, wie sie sich positionieren, welche Themenfelder sie abdecken soll.

Ich sehe drei große Aspekte in diesem Bereich:

Erstens: Wettbewerbsfähigkeit. – Ich will eine produzierende Landwirtschaft haben, die einerseits auf die Natur Rücksicht nimmt, auf die Lebensgrundlagen Boden, Luft, Wasser, die aber sehr wohl hochwertige Lebensmittel erzeugt und damit einen Heim­markt sichert und der österreichischen Bevölkerung mit hochwertigen, sicheren Lebens­mitteln den Tisch deckt. Ich will aber auch eine wettbewerbsfähige Landwirt­schaft, die sich international bewährt, die auch im Export erfolgreich ist, was die Le­bensmittel anlangt.

Als zweiten, zusätzlichen Aspekt sehe ich die erneuerbare Energie. Hier hat die Land- und Forstwirtschaft eine Schlüsselrolle in der Zur-Verfügung-Stellung von agrarischen Rohstoffen zur Energieproduktion, für Biomasse, auch in anderen Bereichen. Hier haben wir ein Riesenpotenzial in Richtung eines energieautarken Österreich.

Letztlich sehe ich als dritten Aspekt eine betriebsindividuelle Entwicklungs­möglich­keit für unsere heimischen Bäuerinnen und Bauern. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeord­neter Mayer.

 


Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Bundesminister, ein Themenschwerpunkt ist ja auch die gemeinsame Agrarpolitik nach 2013.

Meine Frage dazu: Wie ist denn momentan der Stand der Diskussion auf europäischer Ebene zu diesem Thema?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben ab 2014 eine neue EU-Finanzperiode und daher auch eine neue Bewertung der Politik­bereiche, so auch der gemeinsamen Agrarpolitik. Die Diskussion hat bereits im Vorjahr begonnen. Österreich ist mit unseren Expertinnen und Experten des Lebensministeriums und allen agrarischen Institutionen voll dabei.

Mir geht es um eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Agrarpolitik, die ja viele Erfolge in Österreich gebracht hat, die sich aber auch den neuen Herausforderungen stellt. Die Weltbevölkerung wächst ständig. In wenigen Jahrzehnten wird es einen Anstieg von derzeit 6 Milliarden Menschen auf 9 Milliarden Menschen geben. Das geht mit einem enormen Bedarf an Lebensmitteln einher. Es kommen aber auch neue Herausforderungen dazu, wie der Klimawandel, von dem die Landwirtschaft betroffen ist, auf den sie aber auch Antworten liefert, zum Beispiel erneuerbare Energien.

Es geht mir um die kontinuierliche Weiterentwicklung der Agrarpolitik. Zukünftig müs­sen die Bauern profitieren  das ist klar , aber es müssen auch die Konsumentinnen und Konsumenten einen Vorteil daraus ziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Huber, bitte.

 


Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Geschätzte Frau Präsident! Herr Bundes­minister! Was unternehmen Sie, um den Import von gentechnisch verseuchten


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Futtermitteln nach Österreich zu unterbinden? Können Sie sich vorstellen, künftig nur mehr jene viehhaltenden Betriebe zu fördern, die gänzlich auf Gentechnik verzichten?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Abgeordneter, klares Ziel ist, dass wir möglichst viel am heimischen Futtermittelmarkt mit eigenen Futtermitteln abdecken. Das ist auch ein Aspekt bei der heimischen Biospritproduktion. Gerade vor Kurzem sind Studien aufgetaucht, die angeblich belegen, dass Biosprit ökologisch schlecht ist.

Ich bin nicht für einen Biosprit, für den der Regenwald abgeholzt wird und der dann nach Europa importiert wird. Das ist ganz klar. Aber ich bin sehr wohl für eine heimi­sche Biospritproduktion, zum Beispiel wie in Pischelsdorf, wo als ein Neben­produkt Eiweißfuttermittel für die Viehhaltung, für die Hühnerfütterung entstehen. Wir brauchen dieses Eiweiß, und ich bin auch dabei, eine Strategie zu entwickeln, wie wir impor­tiertes Soja sukzessive verdrängen und hier eine heimische Produktion aufziehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pirkl­huber, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Bundesminister, die Situation in der Landwirtschaft ist äußerst prekär. Viele Bäuerinnen und Bauern, gerade im Grünlandbereich und in der Milchwirtschaft, stehen vor dem Aus. Ihr Konzept „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ ist durchaus legitim, greift aber an sich zu kurz und gibt keine Antwort auf die Fragen, die die Bäuerinnen und Bauern derzeit besonders bewegen.

Daher meine Frage: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie im Rahmen der Agrar­reform 2013 vorschlagen, die gegen Preis- und Lebensmitteldumping wirken sollen, um angesichts der Wirtschaftskrise eine effiziente Arbeitsplatzsicherung für die bäuerlichen Betriebe zu erreichen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Meinung nicht, was mein Konzept „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ anlangt. Sie kön­nen ja noch gar nicht die Ergebnisse bewerten, denn wir haben die Diskussion erst begonnen. Sie sagen schon, bevor die Diskussion beginnt, dass das nichts ist. Ich sehe das nicht so, weil wir allumfassend den gesamten Sektor diskutieren und weiter­entwickeln wollen, und da sind alle Ideen gewünscht. Auch wenn Sie gute Ideen haben, werden wir uns dem nicht verschließen.

Zum zweiten Punkt: Die aktuelle Diskussion um die Situation der landwirtschaftlichen Betriebe ist eindeutig. Wir haben die Milchkrise, behaupte ich, auch durch den mas­siven Einsatz der Agrarpolitik gut gemeistert. Durch den Eingriff der Politik haben sich die Milchpreise wieder erholt und damit die Märkte stabilisiert. Die erneuerbare Energie und die Verwertung zum Beispiel von schlechten Getreidepartien ist ein Modell zur Preisstabilisierung im Getreidebereich. Klar ist, dass wir einfach an die heimischen KonsumentInnen appellieren, der österreichischen, sicheren Lebensmittelqualität die Treue zu halten. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jannach, bitte.

 


Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Minister, im Landwirtschaftsministerium ist 2008 die „Grüne Offensive“ ausgerufen worden. Im Jahr 2009 ist mit „Zukunftsfeld


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Bauernhof“ die nächste Agraroffensive ausgerufen worden. Das geschah alles im Hinblick darauf, die Landwirtschaft fit für die Zukunft zu machen. Jetzt, im Jahr 2010, haben wir die nächste Agraroffensive, nämlich „Unternehmen Landwirtschaft 2020“, die sich wieder mit den Herausforderungen der Landwirtschaft befassen soll.

Ich frage Sie: Welche Ergebnisse haben die „Grüne Offensive“ 2008 und das „Zu­kunftsfeld Bauernhof“ 2009 ergeben, auf denen dieses neue „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ aufbaut? Deren Ergebnisse sollen ja in das neue Projekt einfließen. Uns sind bisher leider keine Ergebnisse dieser Agraroffensiven bekannt.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich freue mich, dass Sie die Initiativen des Lebensministeriums registriert haben. Tatsächlich haben die „Grüne Offensive“ und das „Zukunftsfeld Bauernhof“ stattgefunden, und es gab sehr intensive Debatten. Bei der „Grünen Offensive“ gab es im Rahmen von Arbeits­kreisen tolle Ideen, die jetzt auch in die Strategie „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ einfließen.

Im Rahmen von „Zukunftsfeld Bauernhof“ gab es in ganz Österreich zwölf große Bauernversammlungen mit etwa 5 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die ihre Sorgen und Wünsche eingebracht haben. Diese Versammlungen haben vom Neu­siedler See bis zum Bodensee stattgefunden, weil wir eine vielfältige Landwirtschaft haben, und die Ergebnisse und die Vorschläge dieser Diskussionen werden in das Konzept, in die große Strategie für die nächsten Jahre, „Unternehmen Landwirt­schaft 2020“, einfließen. Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Gerade wir wissen, dass sich im Landwirtschaftsbereich jährlich die Bedingungen ändern. Daher ist es wichtig, sich jährlich zu positionieren und große Linien weiterzuentwickeln. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Steier, bitte.

 


Abgeordneter Gerhard Steier (SPÖ): Herr Bundesminister, welcher Stellenwert wird der Gefährdung des Grundwassers und damit des Trinkwassers im Rahmen des Masterplans „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ und der Professionalisierungs­offen­sive der heimischen Agrarbetriebe zukommen, da unter anderem die Errichtung indus­trieller Schweinemastanlagen, zum Beispiel in der Nähe der Stadtgemeinde Neufeld im Burgenland, knapp unterhalb der UVP-Pflicht laufend zunimmt?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben in Österreich keine industrielle Landwirtschaft, und wir wollen keine industrielle Landwirtschaft. (Beifall bei der ÖVP. Zwischenruf des Abg. Mag. Kogler.)

Zum zweiten Punkt, diesem von Ihnen zitierten Projekt: Es ist klar – und das muss man auch der Bevölkerung sagen –, dass, auch wenn es unterhalb der UVP-Pflicht liegt, ein ordnungsgemäßes Genehmigungsverfahren, ein rechtsstaatliches Verfahren durchge­führt werden muss, egal ob es sich um einen Schweinestall, einen Rinderstall oder was auch immer handelt. Dazu sind die Gesetze da. Da muss der Schutz der Bevölkerung und auch des Grundwassers klar gegeben sein. Im „Unternehmen Landwirt­schaft 2020“ spielt natürlich der ökologische Aspekt eine zentrale Rolle.

Das österreichische Umweltprogramm für die Landwirtschaft, das ÖPUL, hat gebracht, dass Boden, Luft und Wasser sauber gehalten werden und auch zukünftig sauber gehalten werden sollen. Das ist eine Uraufgabe der heimischen Land- und Forstwirt­


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schaft. Wir wollen das auch weiterhin machen. Wir reduzieren dabei Düngermengen, Pflanzenschutzmengen und fördern biologische Landwirtschaft. Das ist für die Konsu­mentinnen und Konsumenten ein großer Vorteil. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Linder, bitte.

 


Abgeordneter Maximilian Linder (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Bundesminister, gerade im Bergbereich zielt die Förderpolitik sehr stark auf die Land­schaftserhaltung und die Landschaftspflege ab. Laut Strategiebericht des Bundes­finanzrahmengesetzes 2011 bis 2014 beträgt der Konsolidierungsbedarf für die Landwirtschaft bis zu 7 Prozent.

Meine Frage: Wie wollen Sie gewährleisten, dass die fleißigen Bäuerinnen und Bauern weiterhin die Landschaft im Bergbereich pflegen und so die Erhaltung der Kultur­landschaft für die einheimische Bevölkerung wie auch für den Tourismus sicherstellen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, eine zentrale Auf­gabe der österreichischen Bäuerinnen und Bauern, nicht nur im Berggebiet, sondern in ganz Österreich, ist neben der Lebensmittelproduktion und der Sauberhaltung von Boden, Luft und Wasser die Landschaftspflege – im Berggebiet wie im flachen Land. Gerade auch aus touristischen Gründen ist das wichtig.

Der Tourist bewundert stets die einzigartige Landschaft Österreichs, und da haben die Bauern auch zukünftig eine Schlüsselfunktion inne. Es ist auch richtig, dass die Bäue­rin­nen und Bauern im Berggebiet besondere Unterstützung brauchen. Ich bekenne mich klar dazu. Das österreichische Bergbauernprogramm gewährleistet das.

Deswegen habe ich im Vorjahr eine Berglandwirtschaftskonferenz in Tirol, auch mit unseren ausländischen Nachbarn, die sich im Alpenbogen befinden, veranstaltet, um auch zukünftig in der gemeinsamen Agrarpolitik der europäischen Union eine Unter­stützung für unsere Bergbäuerinnen und Bergbauern zu gewährleisten. Die brauchen das, weil sie unter enorm erschwerten Bedingungen nicht nur die Landschaft erhalten, sondern auch Muren- und Lawinenabgänge verhindern und damit für die Gesamt­gesellschaft wichtige Leistungen erbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur Anfrage 61/M des Herrn Abgeordneten Ing. Hofer. – Bitte.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Frau Präsident! Herr Bundesminister! Tatsache ist, dass wir in den nächsten Jahren mit massiven Steuererhöhungen zu rech­nen haben, dass es eine große Belastung für die Bürger geben wird – leider.

Nun wird in diesem Zusammenhang immer wieder von einer Ökologisierung des Steuersystems gesprochen. Das ist aber nicht der Fall. Wenn man Steuern ökolo­gisiert, dann heißt das, dass die Arbeitskosten gleichzeitig massiv sinken. Genau das passiert hier nicht. Es sollen Massensteuern erhöht werden, aber die Arbeitskosten werden nicht gesenkt. Das Nettoeinkommen der Österreicher steigt leider nicht.

Meine Frage:

61/M

„Was werden Sie unternehmen, damit die von Vizekanzler Pröll in Eckpunkten angekündigte Steuerreform nicht eine lupenreine Geldbeschaffungsaktion bleibt, sondern zu einer sinnvollen ökologischen Steuerreform wird, die Forschung forciert, Arbeitskosten entlastet und die thermische Sanierung weiter unterstützt?“


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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Sie sagen, dass es zu einer massiven Steuererhöhung kommt. – Das ist noch nicht ausgemacht!

Wir stehen erst am Beginn der Debatte über die Sanierung des Finanzhaushaltes, wo es natürlich auch um Steuern geht. Derzeit werden Vorschläge diskutiert. Es liegt die Idee einer Ökologisierung des Steuersystems vor. Leider wird es in der Öffentlichkeit oft so diskutiert, als ob es um die Erhöhung einer einzelnen Steuer ginge, zum Beispiel der CO2-Steuer oder der Mineralölsteuer. Das ist zu wenig. Das ist keine Ökolo­gisierung des Steuersystems. (Abg. Dr. Lichtenecker: So ist es, ja!) Sie und ich wissen, dass die Ökologisierung des Steuersystems etwas anderes bedeutet, nämlich einen umfassenden Umbau des Steuersystems in der Form, dass, wer sich umweltfreundlich verhält, belohnt wird, und wer sich umweltschädlich verhält, belastet wird. Das ist der Sinn. Andere Länder haben es vorgemacht, wie auch schon gesagt wurde.

Ein derartiger Umbau hätte den Effekt, dass er vor allem neue Arbeitsplätze schafft, damit natürlich den Faktor Arbeit entlastet, und selbstverständlich muss es auch einen sozialen Ausgleich geben. Das ist in derartigen Konzepten vorgesehen, wie auch die Wissenschaft belegt. Ich als Umweltminister halte es jedenfalls für sinnvoll, dass wir eine Ökologisierung des Steuersystems einleiten, weil sie Österreich nachhaltig mehr Chancen einräumt und auch mehr bringt. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Hofer.

 


Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Nun ist eine derartige Ökologisierung aufkommensneutral für die Bürger. Wir brauchen aber, wie wir wissen, 4 Milliarden € Mehreinnahmen aufgrund der Wirtschafts- und der Bankenkrise. Energiekosten und auch die Besteuerung der Energie werden steigen.

Meine Frage daher: Was werden Sie unternehmen, damit die bereits einmal durch­geführte thermische Sanierungsoffensive so rasch wie möglich fortgesetzt wird?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Die Aktion betreffend die thermische Sanierung, die wir im Vorjahr mit 100 Millionen € gestartet haben, war sicher eine der erfolgreichsten Maßnahmen dieser Bundesregierung. (Abg. Dr. Moser: Warum wird sie nicht fort­gesetzt?) Die thermische Sanierung hat Sinn und ist Teil der Energiestrategie.

Gerade im Bereich der thermischen Sanierung gibt es auch für den Einzelbürger enorme Einsparungseffekte. 50 Prozent der Energiekosten kann man einsparen, bei manchen Projekten, wenn vorher schlecht isoliert war, sogar bis zu 80 Prozent. Das wird ein Teil der zukünftigen Konzeption sein, dass wir, wenn wir die Ökologisierung des Steuersystems einleiten, auch Geld dafür verwenden, thermisch zu sanieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Auer, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Josef Auer (SPÖ): Guten Morgen, Herr Minister! Die Förderung der thermischen Sanierung von Gebäuden ist ja eigentlich eine Win-win-Situation. (Abg. Dr. Moser: Ja, aber Sie ...!) Einerseits löst ja die Investition von Fördergeldern in solche Sanierungsmaßnahmen das rund Sechsfache an Umsätzen aus, und der Rückfluss an Steuergeldern ist auch noch wesentlich höher als das eingesetzte För­


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dergeld. Andererseits ist die thermische Sanierung auch noch ein wesentlicher Beitrag zur Steigerung der Energieeffizienz.

Die Kehrseite der Medaille ist aber, dass sich Leute, die weniger Einkommen haben, die thermische Sanierung nicht leisten können. Das ist die Krux an der ganzen Sache.

Daher meine Frage: Werden Sie sich für ein Kreditmodell für sozial schlechter gestellte Leute einsetzen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Sie haben die Vorteile der thermischen Sanierung erwähnt. Die liegen auf der Hand. Da erspart sich der Bürger bares Geld, wenn er durch Sanierungsmaßnahmen enorm an Heizkosten spart, und trägt damit zu den Klimaschutzzielen bei, keine Frage. Sie wissen, dass die thermische Sanierung, wie wir sie im Vorjahr organisiert haben, keine Kreditförderung war, sondern ein finanzielles Anreizsystem, das Menschen motivieren sollte, das Haus oder Teile des Hauses zu sanieren. Das war sehr erfolgreich. Ich möchte auch darauf verweisen, dass wir mit den Bundesländern, wo es ja die großen finanziellen Mittel der Wohnbauförderung gibt, übereingekommen sind, dass mehr in Richtung Sanierung gegangen wird.

Meiner Meinung nach soll bei einer Ökologisierung des Steuersystems, wie wir es vorhin diskutiert haben, auch ein sozialer Ausgleich erfolgen. Das ist Teil der Kon­zeption, wo eben auch die soziale Stärke der Haushalte berücksichtigt werden soll. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Wöginger, bitte.

 


Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister, bei Treibstoffen wie Erdöl und Erdgas gibt es immer wieder große Preisschwankungen, die die Konsumenten stark belasten. Das Ziel muss also sein, sich von Öl und Gas unab­hängiger zu machen. (Abg. Mag. Korun: Genau ...! – Zwischenruf der Abgeordneten Dr. Pirklhuber und Dr. Lichtenecker. – Abg. Grillitsch: Wollen Sie das nicht? Frau Lichtenecker will das nicht!)

Deshalb steht auch die ÖVP für eine Ökologisierung des Steuersystems, und das ist keine Geldbeschaffungsaktion, sondern bedeutet mehr Arbeitsplätze, „Green Jobs“, zusätzliche Mittel für Forschung und Entwicklung und vor allem auch für die bereits angesprochene thermische Sanierung. Herr Bundesminister, beim Konjunkturpaket war die thermische Sanierung für Private und auch für Betriebe bereits ein Schwer­punkt.

Meine Frage: Welche Effekte wurden mit dieser thermischen Sanierung erzielt und wie wird sich die thermische Sanierung Ihrer Meinung nach weiterentwickeln?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, für die im Vorjahr gestartete Aktion zur thermischen Sanierung waren ursprünglich 100 Millionen € vorgesehen, zur Hälfte für private Haushalte und zur Hälfte für Betriebe. Wir haben ein enormes Interesse bei den privaten Haushalten gesehen. Innerhalb von eineinhalb Monaten war der Topf sozusagen ausgeschöpft. Wir haben dann eine Umschichtung vorgenommen, weil auf der betrieblichen Seite weniger Interesse bestand, sodass jetzt summa summarum über 14 900 Projekte mit den 100 Millionen € gefördert worden sind.


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Wir sind derzeit in der Phase der Evaluierung, aber man kann sagen, dass in etwa 600 Millionen € an Investitionen ausgelöst wurden. Das ist gerade in der Wirtschafts­krise ein wichtiger Impuls für die Bauwirtschaft. Damit haben wir in etwa 5 000 bis 6 000 Arbeitsplätze gesichert und geschaffen, also ein wichtiger Aspekt, der auch zu­künftig bei einer Ökologisierung des Steuersystems zu verfolgen ist.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Windholz, bitte.

 


Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Herr Bundesminister, der Rechnungshof kritisierte, dass die von der Energiesteuerrichtlinie der EU gebotene Möglichkeit für eine Ökologisierung der Energieabgabe nicht genutzt wurde.

Meine Frage: Haben Sie sich als CO2-Steuerbefürworter je für einen ökologischen Lenkungseffekt für Energieabgaben eingesetzt?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das ist ja genau der Punkt der Ökologisierung des Steuersystems, die im Übrigen in der Energie­strategie für Österreich auch von allen Experten aus verschiedenen politischen Lagern vorgeschlagen wurde. Das kann eine CO2-Steuer sein, das kann die Erhöhung der Mineralölsteuer sein. Es geht nicht um das singuläre Diskutieren einer einzelnen Steuer, wie viel rauf oder wie viel runter, sondern um ein Gesamtkonzept. Das bedeu­tet eben Ökologisierung des Steuersystems, bei der letztendlich umweltfreundliches Verhalten belohnt werden soll und wir uns sukzessive von den fossilen Energieträgern distanzieren.

Sie sehen, der Ölpreis steigt momentan wieder. In Österreich besteht eine unglaub­liche Abhängigkeit von Öl und Gas, das teilweise aus Krisengebieten stammt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Keine ... und erneuerbare Energien für Österreich!) Mein Ziel ist ein energieautarkes Österreich, damit wir möglichst unabhängig von der Energieversor­gung aus dem Ausland werden, möglichst viel Energie im eigenen Land erzeugen und nicht ständig von derartigen Preisschwankungen abhängig sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Kogler, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Bundesminister, man könnte ja den Eindruck gewinnen, dass Sie jetzt schon in grünen Anzügen herumlaufen und nicht mehr nur mit grüner Krawatte. Das ist alles super. Ich mache Sie aber darauf aufmerk­sam, dass Sie auf die Bundesverfassung angelobt sind (Zwischenruf des Abg. Hörl) und die Bevölkerung ein Recht darauf hat, dass die Bundesregierung verfassungs­konform vorgeht.

Wann also werden Sie diese Vorschläge, von denen Sie hier reden, aber über die Sie überhaupt nichts Genaues sagen, dem Hohen Haus zuleiten? Sie wissen ganz genau, dass hier im Oktober ein Budget eingebracht werden muss.

Also noch einmal die Frage: Werden Sie dafür sorgen, dass die Bundesregierung die Verfassung einhält? (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich freue mich zum einen, dass Sie mein Outfit sehr genau beobachten, und zum anderen freue ich mich noch mehr, dass Sie auch meine Ideen mittragen. (Abg. Dr. Moser: Das sind ja


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unsere Ideen, eigentlich!) Ich halte die Ökologisierung des Steuersystems für richtig. Wenn Sie mich oder einen Mandatar hier fragen, ob wir die Verfassung einhalten, dann beantwortet sich das, glaube ich, von selbst. Wir sind auf die Bundesverfassung abgelobt, das ist ganz klar. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Moser und Mag. Wurm.) Sie haben ja auch registriert, dass wir heute im Anschluss an die Fragestunde das Bundesfinanzrahmengesetz diskutieren werden. Wir sind jetzt in der Phase, diese Konzepte zu entwickeln.

Ich meine, Sie werden mit mir doch darin übereinstimmen, dass eine Ökologisierung des Steuersystems, ein Umbau des Steuersystems nicht von heute auf morgen erfolgen kann, wenn er seriös ist – und darauf haben die Österreicher und Öster­reicherinnen Anspruch. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 62/M der Frau Abgeordneten Mag. Brunner. Ich bitte um die Frage.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Bundes­minister! Die ÖBB planen, das Kraftwerk Spullersee zu erweitern und dazu Wasser von den ursprünglichen Teilen des Lech abzuleiten. Dabei handelt es sich um ein „Natura 2000“-Gebiet, um ein Gewässer, das in sehr gutem Zustand ist und daher nach Wasserrahmenrichtlinie zu erhalten ist. Es sind dort auch 10 Millionen € an Steuermitteln in die Revitalisierung geflossen, und das Ganze hat auch einen touris­tischen Wert. Es ist als Naturpark ausgewiesen und daher auch nach dem Gewässer­bewirtschaftungsplan zu schützen. Sie entscheiden in erster und letzter Instanz über die Genehmigung dieses Kraftwerks.

Daher meine Frage:

62/M

„Werden Sie das Wildflusssystem des Lechs vor Ableitungen für das ÖBB-Kraftwerk Spullersee schützen?“

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, wie Sie richtig gesagt haben, plant die ÖBB-Infrastruktur Bau AG die Erweiterung des Kraftwerks Spullersee. Dieses Verfahren läuft und ist bei der obersten Wasserrechtsbehörde in meinem Haus anhängig. Ich bin nicht der Einzige, der da entscheidet, sondern es ent­scheiden auch andere Institutionen. Das Land Tirol hat beispielsweise bereits einen positiven naturschutzrechtlichen Bescheid erlassen; auch das Land Vorarlberg müsste einen diesbezüglichen Bescheid erlassen; das BMVIT hat einen eisenbahnrechtlichen Bescheid erlassen.

Man muss die Dinge – und darauf hat jeder Anspruch, der ein Projekt einleitet – von beiden Seiten sehen. Die ÖBB planen, dort erneuerbare Energie zu produzieren. Andererseits ist, wie Sie sagen, der Lech ein sehr wertvolles ökologisches Gewässer. Die Bergbauern sind auch betroffen, weil es dort um ihre Wasserrechte geht. Auf jeden Fall hat jeder Anspruch darauf, dass diesbezüglich in einer Wasserrechtsverhandlung ordnungsgemäß vorgegangen wird.

Es hat vor Kurzem einen Dialog in Vorarlberg gegeben, auf Einladung des dortigen Landesrats Schwärzler, bei dem die Beteiligten – also einerseits die betroffenen Bauern und Grundbesitzer und andererseits die ÖBB – dabei waren, und man hat sich darauf geeinigt, dass eine Nachdenkpause stattfindet, weil die beiden Gruppierungen


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sozusagen nicht zusammenkommen sind, und dass in den nächsten Monaten nach einer Lösung gesucht wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Frau Abgeordnete Mag. Brunner.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Sie haben die verschiedenen Verfahren angesprochen, aber für die wasserrechtliche Genehmigung sind allein Sie zuständig. Sie haben selbst die betroffenen Bäuerinnen und Bauern erwähnt, die ja von der Enteignung ihrer Wasserrechte bedroht sind. Das hängt letztlich auch von Ihrer Genehmigung ab.

Daher meine Zusatzfrage: Wann ist mit einer Entscheidung Ihres Hauses, mit einer Genehmigung oder Nicht-Genehmigung – aus unserer Sicht kann es aus den Gründen, die ich vorher schon erwähnt habe, ruhig eine Nicht-Genehmigung sein – zu rechnen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich habe gerade erklärt, dass sowohl die ÖBB als auch die Bauern eine Nachdenkpause vereinbart haben und in den nächsten Monaten weiter über das Projekt reden wollen. (Abg. Dr. Pirklhuber: Wann? Uhrzeit?) Daher werde ich jetzt diesen Gesprächen nicht vorgreifen. Es macht Sinn, dass sich die Beteiligten zusammensetzen und vielleicht ein gemeinsames Projekt entwickeln. – Danach entscheidet die Behörde. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Weitere Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Themessl, bitte.

 


Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Guten Morgen, Herr Bundesminister! Ja, im Gegensatz zu den Grünen sind wir für den Ausbau der Wasserkraft. Wenn wir irgendwann energieautark werden wollen, müssen wir das machen. (Abg. Jakob Auer: Da wart’s ihr ja dagegen in Lambach! Blau und Grün, eine unheilige Allianz war das! Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenecker.)

Sie haben gesagt, dass Landesrat Schwärzler jetzt eine Nachdenkpause verordnet hat, weil in den Vorgesprächen mit den Anrainern gewisse Fehler passiert sind.

Können Sie als Minister ausschließen, dass es sich hier nicht um ein reines Ablen­kungsmanöver gehandelt hat, und können Sie versichern, dass dann, wenn nach die­ser Nachdenkpause wieder weiterverhandelt wird, die Grundstückseigentümer, die Besitzer, die Alpgenossenschaften auch wirklich miteingebunden werden?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das war ja der Sinn der Besprechung in Vorarlberg, die auf Einladung des Landesrates Schwärzler erfolgte, die Beteiligten an einen Tisch zu holen. Das geschah in Absprache mit uns, weil es Sinn macht, dass man zusammenkommt, wenn die Fronten zwischen den Grundbesitzern, den Bauern und den ÖBB verhärtet sind.

Das Ergebnis war nicht eine Verordnung einer Nachdenkpause, sondern man hat sich schlicht und einfach darauf geeinigt, dass man sagt, wir sind nicht zusammen­gekommen, daher reden und verhandeln wir weiter – und das halte ich durchaus für sinnvoll. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mayer, bitte.

 



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Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister! Frau Präsidentin! Das Kraftwerk Spullersee gehört zu den ältesten Wasserkraftwerken in Europa über­haupt. Es hat dazu gedient, die Arlbergbahn mit Strom zu versorgen. Das war eine sehr wichtige Initiative, die damals gesetzt wurde. Überhaupt gehört die Wasserkraft zu jenen Faktoren, die den Reichtum meines Heimatbundeslandes mit besiegeln. Wir haben die Chance, Druckkraftwerke zu nutzen – ob das die Illwerke, VKW oder sonst etwas ist –, sehr intensiv wahrgenommen.

Folgende Frage ist daher schon erlaubt: Alle sprechen sich gegen die Nutzung der Atomenergie aus. Wir in Vorarlberg haben aus den Wasserkraftwerken sogar eine dreifache Win-Situation zustande gebracht: Wir haben sie touristisch ausgenützt, sie sind ökologisch nicht schädlich gebaut, sondern sogar ein Anreiz, und sie sind auch für den Wohlstand des Landes entscheidend.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, die Zeit ist um. Sie müssen, bitte, die Frage formulieren.

 


Abgeordneter Elmar Mayer (fortsetzend): Wenn man sieht, eine welch wichtige Rolle die erneuerbaren Energien spielen, stellt sich die Frage: Denken Sie, dass Österreich ohne verstärkten Ausbau der Wasserkraft die ehrgeizigen Ziele im Bereich der erneuerbaren Energie erreichen kann?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ja, ich bin für die Nutzung der Wasserkraft, auch für den Ausbau der Wasserkraft, aber das kann keinen Freibrief dafür bedeuten, dass überall und an jeder Stelle gebaut wird. Absolut haben natürlich bei hochrangigen, hochsensiblen ökologischen Situationen, etwa bei einzig­artigen Gewässern, sehr wohl der Schutz und natürlich auch die Interessen der Grund­eigentümer Vorrang. Wir leben in einem Rechtsstaat, und es kann keinen Freibrief für die Wasserkraft geben. Das ist von Fall zu Fall zu überprüfen.

Wir haben in der Energiestrategie festgelegt, dass ein Teil der Erreichung der Ziele im Bereich erneuerbare Energie der Ausbau der Wasserkraft ist. Wir haben versucht, ein realistisches Potential hineinzuschreiben und keine Märchenzahlen, unter gleich­zeitiger – und das betone ich als Umweltminister sehr stark – Berücksichtigung der Ökologie und der Einzigartigkeit der österreichischen Flusslandschaften. Das soll gewahrt sein. Ich behaupte, dass beides geht, dass wir beides unter einen Hut bringen können, nämlich Ökologie und Ökonomie. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hornek, bitte.

 


Abgeordneter Erwin Hornek (ÖVP): Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit Ende März dieses Jahres wurde der erste nationale Gewässerbewirtschaftungsplan in Kraft gesetzt.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, meine Frage: Was ist in diesem nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan für besonders sensible Flussstrecken vorgesehen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Diskussion über den nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan war eine sehr lange, weil es auch eine sehr schwierige Materie ist. Einerseits gab es, wie ich vorher erwähnt habe, massive Bedenken, dass die Wasserkraft beschränkt wird, und andererseits gab es


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betreffend den Umweltschutz die Befürchtungen, dass sozusagen der letzte Gebirgs­bach verbaut wird.

Mein Ziel war es, Ökologie und Ökonomie zu vereinbaren. Das ist in langen, zähen Verhandlungen gelungen, und ich bin stolz auf das Ergebnis, das von beiden Seiten getragen wird, nämlich von der Energiewirtschaft, die sagt, ja, wir haben beim Wasser­kraftausbau ein Potential, aber auch von der Ökologiebewegung, die sagt, ja, es ist gelungen, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. Tatsache ist, dass zwei Drittel der österreichischen Fließgewässer – die Seen haben Trinkwasserqualität, aber die Fließgewässer eben nicht – keinen guten ökologischen Zustand haben, und den gilt es, auch im Rahmen der EU-Vorgaben zu verbessern. Das findet sich hier.

Für besondere Gebiete ist ein Kriterienkatalog vorgesehen, mit sensiblen, weniger sensiblen und mit hochsensiblen Gebieten und Flussstrecken.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Hagen, bitte.

 


Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrter Herr Bundesminister, ich stelle Ihnen jetzt eine klare Frage und erwarte mir auch eine klare Antwort.

Das Kraftwerksprojekt am Spullersee widerspricht dem nationalen Gewässer­bewirt­schaftungsplan, der seinerseits auf der EU-Wasserrahmenrichtlinie basiert. Warum wurde das Projekt aus diesen Gründen noch nicht gänzlich gestoppt?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe bisher immer klare Antworten gegeben, so tue ich das auch jetzt:

Das müssen Sie die ÖBB fragen, die das Projekt ja eingereicht haben und die selbst freiwillig gesagt haben, sie machen eine Nachdenkpause und reden noch mit den betroffenen Bauern. Ich halte das für vernünftig und schließe mich dem an. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 63/M des Herrn Abgeordneten Ing. Lugar. – Bitte.

Die eingereichte Anfrage, 63/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wie wollen Sie als Umweltminister verhindern, dass die österreichischen Steuerzahler mit über 300 € im Jahr zusätzlich belastet werden und damit das Budgetloch durch eine CO2-Steuer gestopft werden soll?“

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Minister, die geplante CO2-Steuer wäre eine reine Massensteuer. Ein ökologischer Lenkungseffekt ist praktisch nicht zu erwar­ten. Es ist also wieder einmal eine reine Geldbeschaffungsaktion für den Finanzminis­ter. Sozial Schwache würden gerade durch diese CO2-Steuer besonders belastet, da sie in ihren schlecht isolierten Wohnungen keinerlei Möglichkeit haben, CO2 einzu­sparen. Das heißt, zusätzlich würden sie auch noch den internationalen Zertifikate­handel fördern, und dadurch würden keine echten CO2-Einsparungen erreicht werden.

Wie wollen Sie, Herr Minister, verhindern, dass durch diese CO2-Steuer gerade in der Krise die österreichischen Haushalte mit bis zu 300 € mehr belastet würden? Glauben Sie nicht, dass es bessere Möglichkeiten gäbe, das Budgetloch zu stopfen und trotzdem einen ökologischen Effekt zu erzielen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das Bild, das Sie


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hier von der CO2-Steuer gezeichnet haben, ist ein Horrorszenario, wie es vielleicht in einzelnen Medien vorgekommen ist. Eine Ökologisierung des Steuersystems ist etwas ganz anderes als das, was Sie hier geschildert haben. Da geht es nicht um das simple Erhöhen einer Steuer – der CO2-Steuer, der Mineralölsteuer – und das war es, sondern es geht um den Umbau des Steuersystems.

Wichtig ist, zu erkennen, dass umweltfreundliches Verhalten stärker belohnt werden soll als bisher – das ist auch ein allgemeiner Wunsch in der Bevölkerung –, und wer sich umweltschädlich verhält, soll eben belastet werden. Natürlich muss es da einen sozialen Ausgleich geben.

Sie haben recht, es gibt in Österreich Haushalte, die sozial nicht so gut gestellt sind, und wenn diese steuerlich eine Mehrbelastung haben, dann muss es da einen Ausgleich geben. Niemand hat eine Interesse daran – weder der Finanzminister noch ich als Umweltminister –, dass die Menschen in Österreich verarmen.

Aber andere Staaten haben einen derartigen Lenkungseffekt vorexerziert. Deutschland hat damit beispielsweise 250 000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Es ist richtig, dass wir einen Ausstieg aus den fossilen Energieträgern vorbereiten, die einerseits ohnehin weniger werden und andererseits völlig den Spekulationen ausgesetzt sind. So steigt jetzt der Erdölpreis wieder, obwohl genug Erdöl da ist. Wir sind völlig abhängig von der Energieversorgung, und da müssen wir herauskommen. Dazu müssen wir unser Steuer­system umbauen und auch unser Energiesystem, nämlich in Richtung Energie­autarkie, also möglichst Selbstversorgung mit Energie, den Bedarf aus heimischen Ressourcen abdecken. – Dafür stehe ich und das halte ich für sinnvoll! (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich Herrn Abgeordnetem Lugar die Möglichkeit gebe, eine zweite Frage zu stellen, darf ich, weil heute der „Girls’ Day“ ist, an dem sich auch das Parlament beteiligt, die jungen Damen – die „Girls“ sozusagen – auf der Besuchergalerie, die uns heute im Parlament besuchen – es sind 41 an der Zahl –, sehr herzlich begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)

Herr Abgeordneter Ing. Lugar, bitte.

 


Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Bundesminister, Sie behaupten immer wieder, dass die CO2-Steuer und die Mineralölsteuer keine ausgemachte Sache sind, aber man hört von Ihnen nur diese beiden Steuern. Es gibt ja von Ihnen sonst keinerlei Vorschläge. Wenn Sie andere Vorschläge haben, die mehr Ökologisierung bewirken würden, dann bitte raus damit!

Wir können hier nur jene Dinge bewerten, die im Gespräch sind, die Sie angeregt haben, und da gehört die CO2-Steuer nun einmal dazu. Sie wollen ja damit 1,5 Milliar­den € lukrieren. Das heißt, wenn Sie schon genau wissen, wie viel Sie lukrieren wollen, dann können Sie doch auch bessere Ideen entwickeln, um dadurch einen ökologischen Effekt zu erzielen und im ökologischen Sinn wirklich etwas zu bewegen, und nicht nur den reinen Geldbeschaffer spielen.

Deshalb, Herr Umweltminister, meine Frage: Glauben Sie nicht auch, dass es für Sie als Umweltminister notwendig wäre, hier weiter zu denken und wirklich eine ökologische Steuerreform anzugehen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Frau Präsidentin, es sind ja nicht nur „Girls“ hier, sondern auch „Boys“ – auch reifere „Boys“ und „Girls“. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.) Insofern ist es gut, dass wir hier heute die


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Ökologisierung des Steuersystems diskutieren, denn es geht ja vor allem um die Zukunft der jungen Menschen.

Es ist in mehreren Zeitungen gestanden, dass ich eine Erhöhung der CO2-Steuer will oder dass mein Kollege Mitterlehner die Erhöhung der Mineralölsteuer will, aber wir haben das nie so gesagt. Wir haben immer gesagt, dass es eine Ökologisierung des Steuersystems geben muss, wie es die Experten im Zusammenhang mit der Energie­strategie vorgeschlagen haben: einen Umbau des Steuersystems mit einem Ausgleich und einer Verwendung dieser Gelder zum Beispiel in Richtung stärkerer Förderung der erneuerbaren Energie, in Richtung mehr Förderung der thermischen Sanierung.

Bei der letzten Klubklausur des ÖVP-Klubs haben wir ja derartige Dinge auch ent­wickelt, und das wurde auch medial präsentiert. Das hat Sinn! Das bringt der öster­reichischen Bevölkerung etwas und verändert Österreich positiv und nachhaltig. Wir haben die Pläne und haben sie auch öffentlich präsentiert. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Moser, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Seit 13 Jahren haben die Grünen ein Zukunftskonzept für Jugendliche: das Raus aus der Abhängigkeit von Erdölimporten und die Umsteuerung, ökologisch gezielt und sozial gerecht, entwickelt durch ein ökosoziales Steuersystem. Seit 13 Jahren!

Jetzt sind Sie praktisch unser bester Vertreter in der Regierung, denn Sie plädieren ja dafür. Mein Problem ist aber: Sie machen nichts, Sie setzen nichts um, Sie nehmen keine konkrete Maßnahme in Angriff!

Herr Minister, seit zehn Jahren ist die thermische Sanierung ein grünes Kernthema. Sie haben den Sanierungsscheck wieder gestrichen.

Meine Frage: Was machen Sie konkret? Unsere Forderung heißt: Raus aus der Erdöl­falle, hin zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, zu einer sozial gerechten und ökologisch sinnvollen PendlerInnen-Förderung und endlich die Einführung eines Sanierungschecks!

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, Sie sagen, seit zehn Jahren haben Sie diese Ideen. Ich bin seit eineinhalb Jahren Minister, und ich bemühe mich, diese Konzepte auch umzusetzen.

Aber eines darf ich Ihnen schon sagen: Die ökosoziale Marktwirtschaft kommt aus dem bäuerlichen Bereich, aus Bauerbundkreisen und wurde in der ÖVP unter Josef Riegler entwickelt. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich halte die ökosoziale Marktwirtschaft für ein Gesellschaftsmodell für die Zukunft, denn der Kommunismus ist glorios gescheitert, mit Spätfolgen für die Staaten der Welt, die davon betroffen waren, und der schrankenlose Kapitalismus ohne Kontrolle und Transparenz hat die Welt an den Rand einer Weltwirtschaftskrise geführt.

Es ist, wie ich meine, das österreichische Konzept einer ökosozialen Marktwirtschaft, wo jeder seinen fairen Anteil bekommt, ein sinnvolles. Daher hat es auch Sinn, aus der Abhängigkeit von der Energieversorgung aus dem Ausland herauszukommen und mög­lichst viel erneuerbare Energie zu installieren – nicht um jeden Preis, da muss man schon Berechnungen machen, aber es ist der richtige Weg, plus Energieeinsparung und plus Energieeffizienz.


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Das ist ein Zauberwort insgesamt, wo gerade österreichische Umwelttechnologiefirmen vieles dazu beitragen. Das Österreich-Haus bei der Olympiade war ein Passivhaus. Wir propagieren jetzt diese Technologie in Nordamerika, weil es da um Energie­effizienz und um Energieeinsparung geht, Arbeitsplätze bei uns sichert und neue schafft.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Dr. Winter, bitte.

 


Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minister! Die österreichische Bundesregierung übernimmt immer sehr gerne eine Vorreiterrolle bei staatlichen Maßnahmen – in der EU und, wenn es möglich ist, auch in der Welt. Diese Maßnahmen kosten den Steuerzahler immer sehr viel Geld.

Sie haben sich auch in Ihrem Ministerium sehr hohe Klimaziele gesetzt. Reizworte bei der Bevölkerung sind diesbezüglich ganz sicher die Ökologisierung des Steuer­systems, Klimawandel durch Menschenhand, CO2 und auch die Emissionszertifikate.

Meine Frage: Herr Minister, würden Sie bitte den zusehenden Österreicherinnen und Österreichern sagen, wie viel Steuergeld in den letzten fünf Jahren für den Emissionszertifikatehandel ausgegeben worden ist?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr verehrte Frau Abgeordnete, Sie müssen das jetzt präzisieren: Meinen Sie das Geld, das über das JI/CDM-Programm aufgewendet wurde, wo wir sozusagen Umweltprojekte im Ausland unterstützen und dabei Emis­sionsrechte bekommen? (Abg. Dr. Winter: Nein!) Das meinen Sie nicht  sondern insgesamt? (Abg. Dr. Winter: Ja!) Diese Zahlen müsste ich Ihnen nachliefern, weil der Emissionszertifikatehandel ja nicht nur über mein Ministerium, sondern auch über die Betriebe läuft. Das kann ich Ihnen gerne nachliefern.

Wir haben über das JI/CDM-Programm in etwa 45 Millionen € pro Jahr aufgewendet, wo wir gleich die CO2-Emissionen gutschreiben können. Das ist ein Teil unserer Klima­schutzpolitik.

Weil Sie gesagt haben, dass die Bevölkerung – zumindest habe ich es so verstanden – eine Ökologisierung des Steuersystems nicht will: Ich glaube das nicht! Ich glaube, wenn man das argumentiert und den Menschen erklärt, in welche Richtung es geht, dann werden sie auch die Vorteile verstehen und erkennen, dass das Sinn macht.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Gessl-Ranftl, bitte.

 


Abgeordnete Andrea Gessl-Ranftl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, als Abge­ord­nete des Bezirkes Leoben, wo die voestalpine Donawitz ein Hüttenwerk betreibt, das europaweit zu den Hüttenwerken mit der saubersten Umweltbilanz zählt, ihren CO2-Ausstoß bei der Stahlproduktion beinahe an die Grenze des technisch Machbaren gesenkt hat und den Höchststand an Belastungen erreicht hat, kenne ich die Prob­lematik einer zusätzlichen Belastung durch die CO2-Steuer.

Meine Frage dazu: Wie wollen Sie verhindern, dass Betriebe, die die zusätzliche Belastung durch die geplante CO2-Steuer nicht verkraften, schließen beziehungsweise abwandern? Wie wollen Sie in diesem Zusammenhang die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor Arbeitslosigkeit schützen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 29

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich bin unter anderem auch mit der Voest in ständigen Gesprächen, gerade was den Klimaschutz anlangt. Es ist richtig, dass die Voest enorme Anstrengungen unternimmt und ein vor­bild­liches Unternehmen ist, was den Klimaschutz anlangt. Es ist ja durch die Produktion der größte Emittent von Treibhausgasen.

Es ist das Ziel der Weltklimaschutzverhandlungen, dass die Stahlindustrie in China, in den USA oder anderswo außerhalb der Europäischen Union auch Klimaschutz­maß­nahmen setzt, damit wir die Arbeitsplätze erhalten. Ich als Umweltminister habe auch ein großes Interesse daran, dass wir in Österreich Arbeitsplätze erhalten, und deswegen stehe ich ja auch in enger Kooperation zum Beispiel mit der Voest.

Bei einer Ökologisierung des Steuersystems sollte es, wie wir es schon besprochen haben, einen sozialen Ausgleich geben, aber auch für die energieintensive Industrie Ausgleichsmaßnahmen, damit diese im Wettbewerb bestehen kann. Das ist Teil der Konzeption und auch wissenschaftlich untermauert.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Höllerer, bitte.

 


Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Energiesparen und Energieeffizienz sind in aller Munde. Wir wissen aber, dass der Energieverbrauch von 1970 bis jetzt auf 1 088 Petajoule gestiegen ist –das ist beinahe eine Verdoppelung. Auf Sektoren heruntergebrochen heißt das, dass 16 Pro­zent des Energieverbrauchs in Österreich auf die Produktion energieintensiver Unter­nehmen geht und dass 19 Prozent auf KMUs, auf Klein- und Mittelbetriebe, und auf Haushalte aufgewendet wird. 30 Prozent wird in Gebäuden für Raumwärme, Warmwasser und für die Kühlung verwendet, und 35 Prozent verbrauchen wir für unsere Mobilität.

Die Energieversorgung Österreichs auf ein erneuerbares und effizientes System umzustellen, ist eine Herausforderung, kann aber auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gute Chancen bergen. Die Österreicherinnen und Österreicher wollen auf jeden Fall – und darauf vertrauen sie auch – ...

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete, Ihre Zeit ist abgelaufen. Bitte die Frage!

 


Abgeordnete Anna Höllerer (fortsetzend): ... zukünftig die beste Energieversorgung haben. Sie wollen, dass Energie natürlich auch leistbar ist und der CO2-Eintrag gestoppt wird, und sie sind auch dafür, etwas dazu beizutragen.

Energieeffizienz und Energiesparen entlastet die Haushalte, und das ist auch für den Klimaschutz wichtig.

Sehr geehrter Herr Bundesminister, welche Maßnahmen können in dieser Hinsicht von den Bürgerinnen und Bürgern gesetzt werden?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bevor ich dem Herrn Bundesminister das Wort erteile, ersuche ich alle Abgeordneten, die Zeit wirklich einzuhalten, denn sonst geht sich das nie aus.

Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, bei der zukünftigen Erreichung der Klimaschutzziele ist mehr erneuerbare Energie ein wichtiger Schritt, aber genauso wichtig ist es, Energie einzusparen und Energie effizient zu verwenden,


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wie Sie richtig gesagt haben. Das ist ein wichtiger Punkt, und da haben wir sehr viel Potenzial. Mir geht es darum, bei der Bevölkerung das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass man selbst sehr viel machen kann, was gar nicht viel beziehungsweise gar nichts kostet, und dadurch kann man sich auch selbst viel ersparen.

Weil wir den sozialen Aspekt besprochen haben: Wir wissen, dass es Haushalte gibt, die sich nicht einmal die Energiekosten leisten können. Aber wir wissen auch, dass sich gerade diese Haushalte oft nicht optimal verhalten, zum Beispiel, was das Lüften im Winter anlangt, was das Verstellen von Heizkörpern mit Möbelstücken anlangt, was den Standby-Modus beim Fernseher oder Sonstiges anlangt. Das heißt, wir haben da zahlreiche Möglichkeiten. Ich habe im Lebensministerium eine Broschüre aufgelegt, die zeigt, wo man sich sehr viel Geld ersparen kann. Man kann insgesamt bis zu 650 Millionen € im Jahr einsparen, ohne dass man einen Euro investiert. Das ist gerade für die Haushalte von enormer Bedeutung und dient außerdem auch noch den Klimaschutzzielen.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 60/M des Herrn Abgeordneten Mag. Gaßner. – Bitte.

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Bis vor Kurzem waren führende ÖVP-Agrarier noch der Meinung, dass wir keine Neubewertung der landwirtschaftlichen Grundstücke, keine Neuberechnung der Ein­heits­werte brauchen. Nun hat sich doch die Erkenntnis durchgesetzt – und dazu hat uns der Verfassungsgerichtshof sozusagen verurteilt –, dass wir die Einheitswerte neu berechnen müssen.

Meine Frage daher:

60/M

„Inwieweit werden Sie im Zuge einer Neubewertung der landwirtschaftlichen Einheitswerte die Gelegenheit wahrnehmen, für mehr Steuergerechtigkeit – vor allem innerhalb der Bauernschaft – zu sorgen, um damit mehr inneragrarische Solidarität zugunsten der Grünland- und Bergbauern sicherzustellen?“

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Steuergerechtig­keit ist natürlich auch mir ein wichtiges Anliegen. Wir haben diese im landwirt­schaft­lichen System auch verankert, und zwar über das Einheitswertsystem beziehungs­weise über die Pauschalierung der Steuerleistung. Da gibt es auch Differenzierungen. So haben die von Ihnen zitierten Betriebe – etwa die Futterbaubetriebe – beispiels­weise unterschiedliche Hektarsätze, im Gegensatz zu den Marktfruchtbetrieben beziehungsweise den Ackerbaubetrieben. Da wird berücksichtigt, dass diese in einer schwierigen Lage sind. So beträgt im Jahr 2008 der landwirtschaftliche Hektarsatz bei Futterbaubetrieben 549 € und bei den Marktfrucht- beziehungsweise Ackerbaubetrie­ben das Doppelte, nämlich 1 120 €. Also das heißt, die haben eine viel größere Be­mes­sungsgrundlage und damit eine höhere Steuerleistung.

Das, was aber wichtig ist, ist der Umstand, dass wir das System der steuerlichen Pau­schalierung erhalten. Gerade Sie fordern immer ein, dass wir kleine Betriebe unter­stützen. Die ÖVP tut das auch, denn die steuerliche Pauschalierung dient gerade den kleinen bäuerlichen Betrieben. Wie Sie wissen, sind die großen bäuerlichen Betriebe buchpflichtig. Dazwischen liegen die Betriebe, die von 65 000 € bis 150 000 € Einheits­wert eine Gewinnermittlung im Rahmen einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung haben.


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Aber die größeren Betriebe müssen eine Buchführung machen. Das heißt, gerade für die kleinen Betriebe ist dieses System wichtig.

Mir und auch dem Finanzminister, der ja für das Bewertungsgesetz zuständig ist, geht es darum, dass wir dieses System bewahren, weil es einerseits den kleinen Bauern Kosten erspart und andererseits auch der Finanzverwaltung Kontrollkosten erspart, weil es vereinfacht ist. Dieses System wollen wir weiter bewahren, weil wir den Bauern Sicherheit geben wollen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Gaßner, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Bundesminister, auf der anderen Seite würde aber eine einfache Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, eine einfache Buchhaltung durchaus einiges an Kennzahlen für Ihr „Unternehmen Landwirtschaft 2020“ liefern. Sie sprechen ja da von Unternehmen, und dort sind Kennzahlen wichtig, dort sind Ent­schei­dungsgrundlagen wichtig. Daher frage ich mich schon, ob nicht eine Buchführung dazu führen würde, steuerlich besser dazustehen.

Herr Bundesminister, meine Frage: Wie stehen Sie dazu, dass man auch für die Landwirte – so wie für jeden anderen Unternehmer – eine solche Buchhaltung ein­führt? Die Beratungsreserven und die Beratungsmöglichkeiten durch die Landwirt­schaftskammern sind ja schier unbegrenzt.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zum Ersten: Es kann heute jeder bäuerliche Betrieb – auch jeder kleine Betrieb – freiwillig Buchführung machen. Das ist eine betriebsindividuelle Entscheidung.

Zum Zweiten: Teil der Konzeption meiner Strategie „Unternehmen Landwirt­schaft 2020“ ist, dass die Bauern ihre Kosten kennen und daher eine Strategie für ihren Betrieb entwickeln. Aber es ist ein Unterschied, ob man eine Buchhaltung hat oder ob man dann auch im Sinne dieser Buchhaltung steuerpflichtig ist. Da geht es schon um eine andere Qualität.

Ich habe in diesem Zusammenhang auch den Vorwurf, der von der AK erhoben wurde, dass die Bauern Steuerflucht betreiben würden, als extrem unfair und ungerecht empfunden, weil das nicht stimmt. (Beifall bei der ÖVP.)

Gerade die Pauschalierung stellt bei den kleinen bäuerlichen Betrieben die Basis dar. Wie Sie wissen, haben die Bauern im Vorjahr ein Einkommensminus von 20 Prozent gehabt. Angesichts dessen hier jetzt zu sagen, bei den Bauern gäbe es eine Steuerflucht (Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner– Sie haben es nicht gesagt, aber andere –, ist nicht fair. Das ist nicht richtig, und ich hoffe, dass wir auf eine sachliche Ebene zurückkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Eßl, bitte.

 


Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister, wir haben in Österreich eine vielfältige Landwirtschaft, und das System der Direktzahlungen und der Leistungsentgelte an die österreichischen Bäuerinnen und Bauern kommt eigentlich allen entgegen.

Wir haben in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern eine sehr kleinstrukturierte Landwirtschaft. Daher die Frage: Welche Maßnahmen sind vorgesehen, um insbe­sondere diesen kleinen Betrieben entgegenzukommen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 



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Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, es ist richtig, ein Ergebnis unserer Agrarpolitik ist es, dass wir eine bäuerliche Landwirtschaft und eine der kleinststrukturierten – und damit vielfältigsten – Landwirtschaften Europas haben. Das bedeutet aber andererseits eine enorme Herausforderung für die Politik, weil es diese Betriebe schwer haben. Im Sinne der steuerlichen Bemessung, wie wir es vorhin diskutiert haben, brauchen die kleinen Betriebe auch dort eine Kostenentlastung und damit eine einheitliche Besteuerung, eine vereinfachte Besteuerung.

Das, was Sie sagen, passiert auch: Wir unterstützen die kleinen Betriebe mit verschiedenen Maßnahmen. Zum Beispiel gibt es bei den Betriebsprämien, die die Bauern bekommen, einen Freibetrag von 5000 €, der nicht gekürzt wird, der der sogenannten Modulation nicht unterliegt. Es werden die Prämien nach Betriebsgröße gekürzt, und die kleinen Betriebe bis 5000 € erfahren keine Kürzung. Das sind immerhin 65 Prozent der Betriebe in Österreich. Wir haben Größendegressionen beim Umweltprogramm, wo bei größeren Betrieben gekürzt wird. Wir haben Sockelbeträge bei den Bergbauern und so weiter – viele Maßnahmen, die gerade die kleinen bäuerlichen Betriebe unterstützen sollen.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Spadiut, bitte.

 


Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Minister, die Neuberechnung der Einheitswerte steht an, wobei gemunkelt wird, dass die Waldflächen bei der Berech­nung den landwirtschaftlichen Nutzflächen gleichgestellt werden sollen.

Die SPÖ fordert eine Einnahmen-Ausgaben-Buchhaltung für alle Landwirte. Das heißt auf Deutsch: Es wird versucht, die Landwirte, die sich zurzeit in einer finanziell sehr angespannten Situation befinden, vermehrt zur Kasse zu bitten.

Deswegen meine Frage: Herr Minister, werden Sie im Ministerrat gegen eine Neube­wertung der landwirtschaftlichen Einheitswerte stimmen, wenn nicht gesichert ist, dass nicht Großbauern gegen Kleinbauern und Landwirte unterschiedlicher Bereiche gegeneinander ausgespielt werden und ein konkretes Konzept zur Verteilung der land­wirtschaftlichen Förderungen vorliegt?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich unterstütze den Gesetzentwurf des Finanzministers, der das Bewertungsgesetz in Begutachtung geschickt hat, vor allem, weil klar ist, dass die Bauern so wie alle anderen Berufs­gruppen in Österreich der Steuerpflicht unterliegen, dass aber viele Bauern – kleine Bauern – einfach zu wenig Einkommen haben, um tatsächlich Steuern zu zahlen.

Immerhin zahlen in Österreich 2,7 Millionen Menschen keine Steuer. Dazu gehören kleine Bauern, aber auch Arbeitnehmer und Angestellte, die ein geringes Einkommen haben. Ich will nicht, dass Bauer gegen Bauer ausgespielt wird, wie es manche tun, sondern ich will, dass einfach der, der steuerpflichtig ist, der Einkommen hat, wie es auch in der Landwirtschaft vorkommt, Steuern zahlt. Und so ist es ja auch: Die größe­ren Betriebe, die mehr Einkommen haben, haben eine Buchhaltung und müssen Steu­ern zahlen, wenn sie genug Einkommen haben – außer sie erwirtschaften ein Defizit. Dieses System soll auch kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dr. Pirkl­huber, bitte.

 



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Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Das pauschalierte Ein­heits­wertsystem ist ein traditionell gewachsenes System, und es ist sicher notwendig und richtig, sich das einmal genau anzusehen. Darum eignet es sich wenig für, sage ich einmal, kurzfristige, rasche politische Steuermaßnahmen. Es wäre notwendig, da genauer hinzusehen.

Der Einheitswert ist die Basis für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge, und es ist unbestritten, dass die Kleinbetriebe bis zu den ersten 15 Hektar bezogen auf den Einheitswert prozentuell die höchsten Sozialversicherungsabgaben leisten, und auch die Direktvermarkter müssen nach den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben zusätzliche Beiträge zahlen. (Zwischenruf des Abg. Grillitsch.) Unsere Aufgabe wäre es, diese Betriebe zu sichern.

Daher meine Frage: Welche Maßnahmen werden Sie zur Verbesserung der Chancen für die bäuerliche Direktvermarktung ergreifen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, das, was Sie ausgeführt haben, zeigt ja gerade das, was wir vorhin diskutiert haben: Wenn Bauern ein Zusatzeinkommen lukrieren, wie zum Beispiel aus der Direktvermarktung, dann leisten sie auch mehr Abgaben. Das passiert ja. (Abg. Dr. Pirklhuber: Genau das passt ja nicht!) Das unterstreicht ja nur, dass das System funktioniert, dass es richtig ist und auch Sinn ergibt.

Es gibt Berechnungen, wonach es Kosten von 350 Millionen € verursachen würde, wenn alle Bauern, auch die kleinen, in die Buchführungspflicht kämen – Kosten, die nichts brächten, die jedoch die Ertragskraft der kleinen Bauern, die auch im Berggebiet wirtschaften, extrem schwächten.

Die Direktvermarktung ist ein wichtiges Standbein. Es gibt Unterstützungen im Rahmen von Investitionen; dazu stehe ich auch weiterhin. Oft übernehmen die Direktvermarkter gerade im ländlichen Gebiet die Funktion eines Nahversorgers, weil es den Greißler nicht mehr gibt. Und heute stellen wir in Österreich den Trend fest, dass die Men­schen – vielleicht ist das auch ein Ergebnis der Wirtschaftskrise – mehr regionale Lebensmittel mit garantierter Herkunft und von sicherer Qualität haben wollen. Das unterstütze ich.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Jannach, bitte.

 


Abgeordneter Harald Jannach (FPÖ): Herr Minister, leider haben Sie mir auf die erste Frage kein einziges konkretes Ergebnis der bisherigen Agraroffensiven genannt, was ich mir gewünscht hätte. Aber jetzt geht es um die Einheitswerte.

Sie sagen, eine Neubewertung der Einheitswerte, eine Verschiebung der Feststellung sei sinnvoll, allerdings mit der Begründung, dass die Bauern 2009 ohnehin schon hohe Einkommensverluste erlitten hätten.

Daraus schließe ich, dass Sie das verschieben, weil es 2009 schon einen Einkom­mensverlust gegeben hat und es durch eine Neubewertung der Einheitswerte zu einer zusätzlichen Belastung gekommen wäre. (Ruf bei der ÖVP: Das stimmt ja nicht!)

Wir haben hier die Berechnungen der Landwirtschaftskammer Kärnten – die kennen Sie ja, das ist keine Vorfeldorganisation der FPÖ –, die aussagen, dass die kleinen Grünlandbetriebe bei einer Neubewertung massiv, mit bis zu über 80 Prozent belastet und die großen Ackerbaubetriebe massiv entlastet würden.


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Meine konkrete Frage: Können Sie ausschließen, dass es – so wie die Berechnung der Landwirtschaftskammer Kärnten es ergibt – nach der Neufeststellung der Einheitswerte zu einer zusätzlichen Belastung der kleinen und mittleren Grünlandbetriebe und einer großen Entlastung der großen Ackerbaubetriebe kommt?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, die Berech­nun­gen, die Sie hier zitieren, in Ehren, aber ich halte mich an das, was Faktum ist.

Faktum ist, dass der Finanzminister ein Gesetz in Begutachtung geschickt hat, das die Hauptfeststellung für die Einheitswertfeststellung verschiebt, und zwar nicht mit dem Argument, dass die Bauern ein Einkommensminus haben – das ist mein Argument, das das zusätzlich unterstützt –, sondern mit dem Argument, dass die Hauptfest­stel­lung eines zusätzlichen Bürokratieaufwandes bedarf.

Sie wissen ganz genau, dass, wenn es zu einer Neubewertung der Einheitswerte kommt, Bodenproben gezogen werden müssen, eine neue Datengrundlage geschaffen werden muss und so weiter. Der finanzielle Mehraufwand für die Finanzadministration wäre so hoch, dass die zu erwartenden Mehreinnahmen aufgefressen würden. Daher hat sich der Finanzminister dafür entschieden, die Hauptfeststellung zu verschieben.

Mit der Tatsache, dass wir im Vorjahr ein kräftiges Einkommensminus gehabt haben, wird das nur untermauert. Ich sage das, weil suggeriert wird, dass in der Landwirt­schaft der Reichtum ausgebrochen wäre, was nicht der Fall ist.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zur Anfrage 58/M des Herrn Abgeordneten Schmuckenschlager. – Bitte.

 


Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Geschätzter Herr Bundes­minis­ter, Sie haben in Ihrer Energiestrategie für Österreich unter Einbindung zahl­reicher Interessenverbände, der NGOs und vieler Fachexperten zahlreiche Fragen aus dem Bereich der Ökologisierung unserer Energieversorgung aufgearbeitet und haben, während andere noch in grünen Träumereien schwelgen, wirklich Nägel mit Köpfen gemacht. Es geht über den Umweltbereich hinaus ja auch um die Sicherstellung der Energieversorgung unseres Landes.

Daher meine Frage:

58/M

„Was sind die wesentlichen Elemente der Energiestrategie für Österreich?“

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, Österreich ist wieder Energie- und Klimaziele eingegangen, wie 1997 in Kyoto so auch jetzt, im Jahr 2008. Bis 2020 wollen wir die Treibhausgase um 20 Prozent reduzieren und 34 Prozent mehr erneuerbare Energie haben.

Das, was wir, der Wirtschaftsminister und ich, erstmals in Österreich gemacht haben, war, einen Plan aufzustellen, wie wir diese Ziele auch erreichen, und wir haben die Energiestrategie ausgearbeitet. Allerdings haben wir das nicht im stillen Kämmerlein im Ministerium gemacht, sondern unter Beiziehung von rund 180 Expertinnen und Experten aus allen Bereichen, aus den Kammern, von den Sozialpartnern, von NGOs, Bioenergieverbänden und der Energiewirtschaft, die ihren Input liefern konnten, und haben in der Energiestrategie dargelegt, wie wir unsere Klima- und Energieziele


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erreichen sollen. Das ist ein Quantensprung und, wie ich behaupte, ein Meilenstein nicht nur in der Energiegeschichte Österreichs, sondern auch in der Klimageschichte. Wir haben klare Strategien und wollen Österreich zum Nutzen der Menschen nach­haltig positiv verändern, weil uns das mehr Unabhängigkeit von der Energiever­sorgung aus dem Ausland bringt, neue Jobs – „Green Jobs“ – schafft und die Lebensqualität der Menschen dadurch erhöht.

Die Schlüsselbereiche dabei sind Energieeinsparung und Energieeffizienz, Energieversorgungssicherheit und als dritter Pfeiler mehr erneuerbare Energie. Ein Teil davon ist die Ökologisierung des Steuersystems, weitere Teile sind ein Klimaschutz­gesetz, das notwendig ist, mehr erneuerbare Energie in vielen Bereichen, thermische Sanierung, weil wir die Sanierungsrate anheben wollen, weil man dadurch viel Geld sparen kann, und auch die Forcierung neuer Formen der Mobilität, zum Beispiel Elek­tro­mobilität.

Das sind Themenbereiche, die Österreichs Wirtschaft neu positionieren können, neue Arbeitsplätze schaffen können und vor allem die ökologische Situation in Österreich eindeutig verbessern.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Bitte, Herr Abgeordneter Schmuckenschlager.

 


Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Minister, wir wissen, dass die Bereitschaft der Bevölkerung, Energie zu sparen, groß ist. Gerade dem Ge­bäudebereich kommt, um die Ziele in energie- und klimapolitischen Belangen zu erreichen, eine zentrale Rolle zu.

Wie sehen in der Energiestrategie für Österreich die Maßnahmen im Gebäudebereich genau aus?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, wir haben vorhin die thermische Sanierung diskutiert. Diese soll ausgebaut werden. Ein Teil der Ener­gie­strategie ist der gesamte Bereich der Raumwärme. Durch nicht sanierte Gebäude haben wir enorme Wärmeverluste, das ist klimaschädlich und kostet den Einzelbürger viel Geld. Daher ist das Ziel der Energiestrategie, die Sanierungsrate anzuheben.

Wir haben derzeit pro Jahr eine Sanierungsrate von etwa 1 Prozent, die bis 2020 auf 3 Prozent angehoben werden soll. Das wären rund 700 000 Gebäude, die in Österreich saniert würden. Das wäre ein gewaltiger Impuls für unsere Wirtschaft, würde gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Arbeitsplätze schaffen und den Klimaschutzzielen dienen.

Eine Ökologisierung des Steuersystems würde bedeuten, dass wir von dort Geld nehmen – wie wir es ja unlängst diskutiert haben –, 100 Millionen € jährlich, um mehr Incentives zu generieren und mehr in die thermische Sanierung zu gehen.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Wid­mann, bitte.

 


Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Umweltminister, das BZÖ drängt seit Beginn dieser Legislaturperiode auf ein nachhaltiges Energiekonzept. Sie haben jetzt geschildert, dass Sie gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister versucht haben, dieses in Form der Energiestrategie für Österreich zu erarbeiten. Allerdings haben Sie das Parlament dabei nicht miteinbezogen. – Das ist ein erster Kritikpunkt.


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Der zweite Kritikpunkt ist, dass es ein reines Expertenpapier ist, das in vielen Bereichen sehr vage ist. Mich stört im Besonderen, dass es ein Maßnahmenbündel ist. Es ist nicht vernetzt, nicht interaktiv und auch nicht in Summe durchdacht.

Aber das Wichtige wird Folgendes sein: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie mit welchen Mitteln in welchem Zeitrahmen umsetzen, damit die Energie- und Klimaziele in Österreich auch tatsächlich erreicht werden können?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Nein, sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich teile Ihre Meinung nicht, dass das ein inkohärentes und unkonkretes Papier ist. Die Energie­strategie für Österreich enthält 317 Maßnahmen, die von unabhängigen Experten und Expertinnen erarbeitet wurden, die sagen, wenn wir die Maßnahmen umsetzen, die sich darin finden, können wir die Klima- und Energieziele erreichen.

Diese Maßnahmen wurden zusätzlich von vier unabhängigen Institutionen – dem Wifo, dem Umweltbundesamt, der Energieagentur und der E-Control – bewertet (Abg. Bucher: Die sind von Rot und Schwarz abhängig!), um zu sehen, welche Öko-Effekte es gibt, ob das, was da vorgeschlagen wurde, überhaupt realistisch ist – das wurde nachgewiesen –, welche Arbeitsplätze geschaffen werden und welche Klimaeffekte wir erzielen können. All das ist hier festgehalten.

Richtig ist, dass das jetzt noch gesetzlich umgesetzt werden muss. Es sind viele Gesetze angesprochen, und es ist die Arbeit der nächsten Monate und Jahre, diese Maßnahmen konsequent umzusetzen.

Es hat nie jemand behauptet, dass die Energiestrategie der Plan ist – und eins, zwei, drei, morgen wird sie umgesetzt. Sie muss jetzt natürlich mit Leben erfüllt werden.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Frau Abgeordnete Mag. Brun­ner, bitte.

 


Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Landwirt­schaftsminister! Ich möchte jetzt nicht von Ihnen hören, wie toll erneuerbare Energie ist und welche Möglichkeiten wir dadurch haben, weil es klar ist, dass wir in erneuerbare Energie gehen müssen, dass das die Klimaschutzmaßnahme ist und gerade für junge Menschen Arbeitsplätze bietet.

Ich möchte von Ihnen auch nicht hören, was gemacht werden soll (Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich: Was wollen Sie hören?), sondern was tatsächlich gemacht wird. Vor diesem Hintergrund ist mir die Energiestrategie auch viel zu wenig konkret, denn es ist ein Bündel von Maßnahmen enthalten, aber eben nichts Konkretes, und wir wissen nicht, wie es finanziert wird und wann tatsächlich was kommen soll.

Was für mich viel zu wenig enthalten ist, ist der klare Ausstieg aus fossilen Energie­trägern, den Sie ja selbst angesprochen haben.

Meine Frage ist: Warum sieht die Energiestrategie vor, dass im Jahr 2020 mehr Ener­gie aus Kohle kommen soll, als das heute der Fall ist, wenn Sie aus fossiler Energie und Kohle aussteigen wollen?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrte Frau Abgeordnete, auch Ihnen muss ich sagen, dass es nicht stimmt, wenn Sie sagen, dass in der Energiestrategie nichts Konkretes steht. Es sind sehr hohe politische Ansagen enthalten, nämlich zum einen, dass wir den Energieverbrauch, der nach wie vor jährlich steigt, bis 2020 auf dem


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Niveau von 2005 bei 1 100 Petajoule stabilisieren wollen. Das ist eine schwere politi­sche Ansage, ein großes politisches Ziel.

In der Energiestrategie steht ganz genau drin (der Redner zeigt ein Exemplar der „EnergieStrategie Österreich“), wie wir das 34-Prozent-Ziel erreichen, wo wir erneuer­bare Energie, Fernwärme ausbauen und so weiter. Das sind sehr konkrete Maß­nahmen. Es steht hier auch eindeutig, wie wir die Treibhausgase reduzieren werden.

Ich bin aber nicht ganz Ihrer Meinung, denn ich denke schon, dass wir die Debatte über die erneuerbare Energie in Österreich führen müssen. (Abg. Mag. Brunner: Ja eh!) Sie wissen, dass es genug Gruppierungen gibt, die die erneuerbare Energie nicht so positiv sehen wie wir beide. Das ist ein Aspekt, den wir intensivieren müssen, weil kein Weg daran vorbeiführen wird.

Diese Maßnahmen konsequent umzusetzen führt uns auf den richtigen Weg. (Abg. Mag. Brunner: Das war nicht meine Frage!)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek, bitte.

 


Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Bundesminister, im vorliegen­den Papier sind durchaus ambitionierte Ziele enthalten, da gebe ich Ihnen recht. Bei den Maßnahmen haben wir zum Beispiel im Zusammenhang mit der Ökostrom­förderung die Aufhebung der Deckelung vermisst, ebenso, dass man die Mehrwert­steuer bei erneuerbarer Energie neu verhandelt oder neu setzt.

An den Reaktionen konnte man sehen, dass die Landwirtschaft und die Industrie mit dem Papier durchaus zufrieden sind. Die Arbeiterkammer hat noch Probleme im Bereich der Umsetzung.

Meine Frage daher: Was macht Sie so sicher – vor allem wenn man sieht, was bisher an Zielen nicht erreichbar war und dass das Hunderte Millionen gekostet hat –, dass diesmal bei der Umsetzung die Maßnahmen so greifen, dass die Ziele nicht wieder nicht erreicht oder umgekehrt nur so erreicht werden, dass bei den Arbeitnehmern und Bürgern Steuermaßnahmen hängen bleiben?

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Bundesminister, bitte.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, ich habe erwähnt, dass bei der Erarbeitung der Energiestrategie die Sozialpartner dabei waren, also nicht nur die Landwirtschaftskammer und die Wirtschaftskammer, sondern auch die Arbeiter­kammer. Dass einzelne Expertinnen und Experten das kritisch sehen, liegt in der Natur der Sache. Klar ist aber, dass Österreich die Ziele, bis 2020 mehr Klimaschutz zu machen und mehr erneuerbare Energie zu haben, bereits eingegangen ist, und daher müssen wir das ernst nehmen.

Wir können uns nicht zu Zielen verpflichten und dann nichts tun, sondern wir müssen konkrete Maßnahmen umsetzen. Und das steht in der Energiestrategie, teilweise auch sehr konkret. Wenn wir sagen, dass die Sanierungsrate von Wohnraum von 1 Prozent auf 3 Prozent angehoben werden soll und dass wir 2020 in Österreich 250 000 Elektroautos haben wollen, dann ist das eine starke Ansage und ein großer Hand­lungsauftrag. Wir haben im Bereich der erneuerbaren Energie konkrete Zahlen drin: Verdoppelung der forstlichen Biomasse, der landwirtschaftlichen Biomasse, stärkerer Ausbau der Fernwärme. Das bringt den Menschen und auch dem Klima und der Umwelt etwas.

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Mag. Auer, bitte.

 



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Abgeordneter Mag. Josef Auer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Minister, bevor ich meine Frage stelle, möchte ich Sie um etwas bitten. Sie haben vor ein paar Minuten wieder einmal gesagt – das hört man sehr oft –, dass über 2 Millionen Österreicherinnen und Österreicher keine Steuern zahlen. (Abg. Bucher: 2,7 Millionen!) Richtig ist, dass sie keine Einkommensteuer zahlen. Ich würde Sie schon bitten, dass wir das in Zukunft immer in der richtigen Form bringen.

Was Sie nicht gesagt haben, ist, dass es sehr viele Großkonzerne und viele Kapi­talisten, wenn ich das hier so sagen darf, gibt, die wirklich sehr, sehr wenig Steuern zahlen in Anbetracht dessen, was sie eigentlich zahlen könnten. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine konkrete Frage ist: Welche erneuerbaren Energieträger haben auf Basis der Maß­nahmenvorschläge zur Energiestrategie Ihrer Einschätzung nach das größte Ausbaupotenzial und in welcher Höhe könnten Sie sich das bei der Photovoltaik vorstellen? (Abg. Grillitsch: Das war jetzt keine Frage, das war eine Zumutung!)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Bitte, Herr Bundesminister.

 


Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, zu Ihrer vorheri­gen Bemerkung möchte ich schon sagen, dass ich mich dagegen wehre, dass manche die Bauern so darstellen, als wären sie – Zitat – „Steuerflüchtlinge“.

Mir ist es nur darum gegangen, dass die Bauern genauso behandelt werden wie alle anderen Staatsbürger. Wer ein hohes Einkommen hat, bezahlt Steuern, und wer ein geringes Einkommen hat, sei es ein Arbeitnehmer oder ein Bauer, ist eben von der Steuer befreit, damit er ordentlich leben kann. Nichts anderes will ich. Da habe ich eben gesagt, dass 2,7 Millionen Menschen in Österreich keine Einkommensteuer zahlen (Abg. Bucher: Lohnsteuer!), keine Lohnsteuer zahlen, weil sie eben kein derart hohes Einkommen haben.

Zu Ihrer Frage: In der Energiestrategie steht zum Beispiel sehr genau, dass die forst­liche Biomasse Potenzial zur Verdopplung hat und die landwirtschaftliche Biomasse großes Potenzial hat. Es wäre eine eigene Biogasstrategie vorgesehen. Im Bereich der Photovoltaik wird sehr großes Potenzial gesehen, wobei auch da richtig ist, dass sie kompetitiver, wettbewerbsfähiger werden muss, weil da die eingesparte Tonne CO2 nach wie vor sehr teuer erkauft wird. Ich bin sehr wohl dafür, dass die Sonnenenergie genutzt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich bedanke mich beim Herrn Bundesminister und bei den Fragestellerinnen und Fragestellern.

Die Fragestunde ist beendet.

10.25.49Zuweisung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich weise die eingelangte Regierungsvorlage: Bundesgesetz, mit dem das Hochschulgesetz 2005 geändert wird (676 der Beilagen), dem Unterrichtsausschuss zu.

10.26.02Ankündigung eines Dringlichen Antrages

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen haben vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum gleichen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 1097/A(E) der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen zur


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Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für neue EU-Mitgliedstaaten dringlich zu behandeln.

Gemäß der Geschäftsordnung wird der Dringliche Antrag um 15 Uhr behandelt wer­den.

10.26.40Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 4323/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich weiters mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 4323/AB der Anfrage 4312/J der Abgeord­neten DDr. Königshofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Vorkommnisse in den Staatsanwaltschaften Wien und Graz durch die Frau Bundesministerin für Justiz abzuhalten.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diesen stattfinden.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Um die Punkte 13 bis 15 der Tagesordnung in Verhandlung nehmen zu können, ist es gemäß § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung er­for­derlich, von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der Ausschussberichte abzu­sehen.

Bei den Punkten 13 bis 15 handelt es sich um die Berichte des Immunitäts­aus­schus­ses

über das Ersuchen der Bundespolizeidirektion Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Karl Öllinger (678 der Beilagen) und

über das Ersuchen der Bundespolizeidirektion Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten Mag. Schatz (679 der Beilagen) sowie

über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten Mag. Stadler (680 der Beilagen).

Ich bitte jene Damen und Herren, die der Abstandnahme von der Aufliegefrist für diese Ausschussberichte ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: In der Präsidialkonferenz wurde Konsens über die Dauer der Debatten erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 7 „Wiener Stunden“ vereinbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 98 Minuten, Freiheitliche 88 Minuten, Grüne 77 Minuten und BZÖ 74 Minuten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 40

Für die Zeit der Fernsehübertragung der Debatte anlässlich der ersten Lesung über das Bundesfinanzrahmengesetz 2011 bis 2014 wurde folgende Redeordnung verein­bart: Bundeskanzler 10 Minuten, Vizekanzler 15 Minuten, dann vier Redner-/Rednerin­nenrunden mit zunächst je 10 Minuten, dann 7 Minuten, dann 5 Minuten und dann 4 Minuten. Der Aufruf der Redner/Rednerinnen erfolgt nach Fraktionsstärke.

Die vorsitzführende Präsidentin/der vorsitzführende Präsident verteilt spätestens vor Beginn der letzten Runde – nach Rücksprache mit den Klubvorsitzenden – die verblei­bende Redezeit auf die fünf Fraktionen in der Weise, dass noch alle Fraktionen in der Fernsehzeit gleichmäßig zu Wort kommen.

Allfällige tatsächliche Berichtigungen werden erst nach der Fernsehübertragung aufgerufen.

Weiters schlage ich gemäß § 57 Abs. 4 vor, die Redezeit jedes Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die eben dargestellten Redezeiten.

Wer diesem Vorschlag zustimmt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist ein­stimmig angenommen.

10.30.011. Punkt

Erste Lesung: Bundesfinanzrahmengesetz 2011 bis 2014 – BFRG 2011–2014 (660 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst der Herr Bundeskanzler. Die Redezeit beträgt vereinba­rungs­gemäß 10 Minuten. – Bitte.

10.30.18

Bundeskanzler Werner Faymann: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Vizekanzler! Verehrte Mitglieder der Regierung! Sehr verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Eine Budgetkonsolidierung damit zu beginnen, dass man eine Vorschau bis zum Jahr 2014 vorlegt und Verantwortlichkeiten in den einzelnen Bereichen stärkt, ist ein neuer Weg, den dieses Haus vor mehreren Monaten gemeinsam beschlossen hat.

Eine Vorschau hat einen Vor- und einen Nachteil: Sie hat den Vorteil, dass man unter gewissen Annahmen so etwas wie eine mittelfristige Politik vorbereitet, sie hat aber auch den Nachteil, dass man von Annahmen bis zum Jahr 2014 ausgeht, von denen man zur Stunde nicht sagen kann, ob sie so eintreten werden. Niemand wäre vor fünf Jahren in der Lage gewesen, das heurige Jahr richtig zu prognostizieren, die Annah­men so zu treffen, dass sie mit den heutigen Gegebenheiten übereinstimmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ja einzigartig, was Sie da machen! Stellt sich der Bundeskanzler her und sagt, er weiß gar nicht, ob das so kommt!)

Eine Vorschau, ein Rahmengesetz ist so etwas wie ein Pfad, der für die Verant­wortlichen so etwas wie eine Richtung für einnahmen- und ausgabenseitige Maßnah­men vorgibt, innerhalb welcher Leistungen zu erbringen sind. Ein Abbau der von den Wirtschaftsforschern prognostizierten Verschuldung kann nur erreicht werden, wenn sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite etwas geschieht. Dass sich die Bevölkerung fragen wird, ob es da sowohl bei den einnahmen- als auch bei den ausgabenseitigen Maßnahmen gerecht zugeht, ist etwas, wofür wir verantwortlich zeichnen. (Abg. Mag. Kogler: Die fragen eh so auch!)


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Gerecht zugehen heißt, dass die, die in der Vergangenheit weniger beigetragen haben, aber zu mehr in der Lage gewesen wären, insbesondere bei einnahmenseitigen Maß­nahmen – unter Prüfung der sozialen Gerechtigkeit – verstärkt herangezogen werden. Nicht deshalb, weil jeder von ihnen Schuld an der Wirtschaftskrise trägt – es gibt auch solche, wie etwa Finanzmärkte und Spekulanten, die mit der Schuld direkt in Zusam­menhang zu bringen sind –, sondern weil sie einfach in der Lage sind, mehr für unsere staatlichen Aufgaben beizutragen.

Die staatlichen Aufgaben werden nicht weniger, die staatlichen Aufgaben sind in einer Wirtschaftskrise genauso wichtig wie in einer Hochkonjunktur. Die Stärkung der Bildung, die Stärkung der Wirtschaft im Zusammenhang mit Forschung, Entwicklung, die Sicherung von sozialen Netzen, die den Wohlstand garantieren, die Sicherung von Gesundheitssystemen sind in der Krise nicht billiger – es sind nur die Einnahmen geringer.

Wir wollen in einigen Bereichen zulegen, weshalb wir gefordert sind, in jedem Ressort effizienter zu werden. Effizienz ist eine Möglichkeit, um woanders etwas verteilen zu können. Ausgaben zwischen Bereichen, die durch Doppelgleisigkeiten, durch Büro­kratie, vielleicht durch Leistungen, die nicht mehr so notwendig sind, entstehen, sind in Frage zu stellen, um Kapazität für die eigentlichen Aufgaben materieller, finanzieller, inhaltlicher Art zur Verfügung zu haben.

Wir haben die zweitgeringste Arbeitslosigkeit und Jugendarbeitslosigkeit auch deshalb, weil Kaufkraft vorhanden ist, weil die Bevölkerung auch in dieser schwierigen Zeit für den heimischen Markt in der Lage ist, durch ihre Kaufkraft die Wirtschaft in vielen Bereichen in Schwung zu halten. In anderen Ländern ist das nicht mehr der Fall.

Das heißt, die Stärken unserer Kleinbetriebe, unserer Mittelbetriebe, unsere Inves­titio­nen, die Kaufkraft in unserem Land sind etwas, das uns hilft, dass wir in Europa die zweitgeringste Arbeitslosigkeit haben. Daher sind auch all diese Maßnahmen daran zu messen, ob sie im Hinblick auf die wesentlichen Punkte soziale Sicherheit und Be­schäf­tigungspolitik eine Leistung erbringen. Denn eines ist sicher: Keine Politik – auch keine einnahmenseitige – kann besser, stärker und langfristiger sein als Wachstum. Wachstum ist die einzige Chance, ein Land wieder aus der Krise zu bringen und die Beschäftigung mittel- und langfristig zu erhöhen. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Die Wirtschaftsforscher haben ganz klar gesagt, 2 Prozent Wachstum sind so etwas wie eine Untergrenze, damit die Beschäftigung wieder steigt. Wir dürfen also das Wachstum nicht behindern, wir dürfen nicht zusehen, wenn die Kaufkraft sinkt. (Abg. Scheibner: Wieso machen Sie es dann?) Kaufkraftstärkung ist daher ein wichtiges Element unserer Politik.

Wir dürfen dort, wo wir Investitionen bei Konjunkturprogrammen beschlossen haben, nicht zur Tagesordnung übergehen (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler), son­dern müssen sehr genau nachrechnen, schauen, ob die Investitionen durchgeführt wurden, da ein Teil dieser Konjunkturprogramme die Investitionen und damit auch die Beschäftigung stärken soll.

Wir haben also vor den Augen der Öffentlichkeit vieles vorzubereiten, das in Zahlen gegossen, in allen Details festgelegt beim jeweiligen Budget diesem Haus vorzulegen und dann hier zu beschließen sein wird. Es wird also Ende dieses Jahres für das nächste Jahr ein Budget geben, das sich in diesem Rahmen zu halten hat, das aber in den Details natürlich dann feststeht, wenn es für Ende dieses Jahres vorbereitet wird. (Abg. Ing. Westenthaler: Nach der Wiener Wahl!)


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Es wird im nächsten Jahr ein Budget für zwei noch schwierigere Jahre vorzulegen sein – außer es ändern sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen und das Wachstum ist stärker als angenommen, die Einnahmen sind besser. Wenn die Situation besser wird, ist es ohnehin leichter, eine Politik anzupassen.

Wir stehen also am Beginn eines Pfades, der von den heutigen Annahmen ausgeht.

Ich möchte auch sehr deutlich sagen, dass alle Antworten auf die Spekulationen und auf die Frage, wie weit wir von Griechenland entfernt sind, von uns sehr viel Präzision und Genauigkeit verlangen. Sie wissen, dass die Prognose der Europäischen Kom­mission für 2010 Österreich mit 70 Prozent Verschuldung des Bruttoinlandsproduktes sieht und Griechenland mit 125 Prozent. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Das sind 160 Milliarden € Unterschied! Und das muss durch aktives Handeln auch so bleiben. Wir werden nicht zufällig nicht wie Griechenland, sondern wir werden durch aktives Handeln Österreich nie in eine Situation bringen, wie sie Griechenland derzeit erlebt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Daher ist es notwendig, dass wir diese Verantwortung wahrnehmen und gemeinsam sozial gerecht (Abg. Mag. Kogler: Sagen Sie einmal etwas zum Finanzrahmen!), engagiert vorgehen für Beschäftigung, für Strukturwandel, etwa im Bereich der neuen Technologien, im Bereich der Umwelttechnologien, Marktchancen in unserem Land in der Wirtschaft, in der Bildung, in der Ausbildung, in der Forschung vorbereiten. So gehen wir in der Krise gerecht vor und schaffen für nach der Krise die besten Voraussetzungen für unser Land. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.38


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Vizekanzler und Finanz­minis­ter Dipl.-Ing. Pröll zu Wort. Vereinbarte Redezeit: 15 Minuten. – Bitte.

 


10.38.12

Bundesminister für Finanzen Vizekanzler Dipl.-Ing. Josef Pröll: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen auf der Regie­rungsbank! Hohes Haus! Wenn heute irgendwo in Österreich ein Kind geboren wird, dann hat es bereits 23 942 € Schulden. (Abg. Ing. Westenthaler: Danke, Herr Finanzminister!) Ein Schuldenrucksack, der unverantwortlich groß ist und der, wie der Herr Bundeskanzler angesprochen hat, wenn wir nichts tun, im Jahr 2014 pro Kind bereits auf 31 500 € angewachsen sein wird!

Es gibt aber auch gute Nachrichten – und da bin ich bei dem Thema, das uns ab heute beschäftigen wird –: Mit dem heutigen Tag sagen wir dieser unfairen Zukunftsbelas­tung gemeinsam den Kampf an: das Bundesfinanzrahmengesetz als erster wichtiger Meilenstein zur Bekämpfung der Schulden, zur Bekämpfung der Zinszahlungen (Abg. Ing. Westenthaler: Wer soll Ihnen das glauben?) und für die Zukunft der nächsten Generationen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kogler: Beim Grasser hat es auch so angefangen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir leben auch in einer außergewöhnlichen Zeit, und das dürfen wir nicht vergessen: ein Jahr nach der größten Wirtschafts­ka­tastrophe – man kann das so nennen –, nach dem größten Wirtschaftseinbruch in Österreich, in Europa und international seit den dreißiger Jahren.

Wir standen letztes Jahr in der Finanz-, im Bereich der Realwirtschaft und des Arbeits­marktes vor einer wirklichen Katastrophe, aber wir haben es aufgrund unseres sozialen Systems, durch den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Österreich – darauf sollten wir stolz sein – gemeinsam geschafft – auch mit vielen einstimmigen Beschlüssen hier im Hohen Haus –, diese Katastrophe abzuwenden.


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Ich nenne noch einmal die Zahlen, weil uns Zahlen natürlich in den nächsten Monaten auch sehr intensiv beschäftigen werden.

Wir hatten 2008 ein Plus im Wirtschaftswachstum von 2 Prozent. Ein Jahr später, 2009, minus 3,6 Prozent in Österreich. Besser als andere, aber immer noch dramatisch genug.

Wir hatten einen Arbeitslosigkeitsanstieg um 22,6 Prozent auf 260 000 Arbeitslose im Jahr 2009, und wir hatten vor einem Jahr im April einen Höchststand an kurzarbeiten­den Menschen mit knapp 60 000.

Wir vergessen das oft in der hitzigen Debatte, wo wir herkommen, was die Herausforderungen waren und was sich als Dramatik abgezeichnet hat.

Die Exporte sind 2009 um 20 Prozent eingebrochen. Für ein exportorientiertes Land wie Österreich, wo am Export Hunderttausende Arbeitsplätze hängen, eine Riesen­herausforderung, und trotzdem – Hand aufs Herz – sagen sich heute viele Menschen, auch die, die heute zuhören und vor den Fernsehschirmen sitzen: Ich habe eigentlich kaum etwas gespürt. Und warum – da nehme ich heute ganz bewusst Regierung und Opposition in ein Boot – haben die meisten, fast alle, nichts gespürt? – Weil wir niemanden im Regen stehen haben lassen, was Arbeitslosigkeit betrifft, weil wir sie mit der Kurzarbeit bekämpft haben, weil wir mit der Steuerreform und mit den Konjunkturpaketen den ärgsten Schaden abgewendet haben. Gemeinsam! Eine große Errungenschaft des Jahres 2009. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist alles nicht selbstverständlich. Vor einem Jahr haben uns auch viele wegen des Engagements in Osteuropa unter die Lupe genommen. Nobelpreisträger haben den Teufel an die Wand gemalt: Österreich wird untergehen. Und dass das alles nicht geschehen ist, ist keine Selbstver­ständlichkeit, weil man ja sieht, dass selbst Staatsbankrotte – siehe Island, Ungarn, Lettland und jetzt die Diskussion um Griechenland – nicht ausgeschlossen, sogar mög­lich sind.

Warum ist es in Österreich anders gekommen? – Weil wir uns auf unsere Stärken auf diesen Märkten konzentriert haben, die richtigen Antworten gegeben haben, weil wir im Inland und auch in der Europäischen Union, in den Ratsformationen, im Finanzminis­ter­rat und beim Rat, gemeinsam für Europa alles getan haben, um die Krise zu meis­tern, die Wirtschaft wieder zu stärken und auch den Menschen in unserem Land zu helfen.

Ich könnte jetzt noch die Summen aufführen, die wir eingesetzt haben, und werde dann auch noch eine Abrechnung geben über das Jahr 2009. Konjunkturpakete, Steuer­reform, Bankenpakete und Arbeitsmarktpakete: Meine sehr geehrten Damen und Herren! WIFO, IHS, OECD, Europäische Kommission – ich könnte die Liste fortset­zen – bescheinigen uns, volkswirtschaftlich, politisch, wirtschafts- und finanzpolitisch das Unumgängliche, das Richtige sinnvoll getan zu haben.

Aber es ist klar, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass uns das extrem belas­tet, was wir hier einzusetzen hatten, im Vergleich mit früheren Jahren. Die Zahl des Jahres 2009 heißt, dass wir, verbunden mit den automatischen Stabilisatoren, für Konjunkturprogramme, für die Wirtschaft, für die Entlastung der Menschen in der Steuerreform 3,5 Prozent unserer Wirtschaftsleistung zur Bekämpfung eingesetzt haben, das sind 9,7 Milliarden €, die wir krisenbedingt zusätzlich in die Hand genommen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben damit Arbeitsplätze gesichert, Konjunktur belebt, die Haftungen für Unternehmen übernommen und auch – das hat der Bundeskanzler angeführt – die Kaufkraft gestärkt und damit bewiesen, dass der


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private Konsum eine der zentralen Säulen der Krisenbewältigung des Jahres 2009 gewesen ist.

Aber – und das ist der entscheidende Schlüsselsatz jetzt nach dem Jahr der Kri­se 2009 – das hat alles Geld gekostet, sehr viel Geld sogar. Und deswegen müssen wir jetzt dazu übergehen, diese starke Belastung für die Republik, für die Zukunft unserer Kinder und die nächsten Generationen wieder ins Lot zu bringen. Die nächste Herausforderung der Krisenbewältigung steht jetzt erst vor uns, und wir beginnen mit dem Finanzrahmen heute einen ganz entscheidenden Schritt. Wir müssen verhin­dern – das zeigt sich auch in anderen Ländern, etwa in Griechenland, drama­tisch –, dass die Finanzkrise, die zur Wirtschaftskrise wurde, zur Budgetkrise für Österreich wird. Das ist der Schlüssel, den wir in der Hand haben, den wir selbst jetzt gestalten können und mit dem wir auch die richtigen Dinge anzugehen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

„Schulden fressen unsere Zukunft auf“, habe ich heute gelesen. Ja, Schulden fressen unsere Zukunft auf – ein richtiger Satz. Deswegen müssen wir sparen. Sparen ist der Schlüssel zum Brechen der Ausgabendynamik, weit über die Krisenbewältigung hinaus.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir erwarten heuer ein Defizit von 4,7 Pro­zent, das sind über 13 Milliarden €. Ohne Sanierungsmaßnahmen würde das Budget­defizit im nächsten Jahr bereits auf 5 Prozent ansteigen. Die Zinsen für die Schulden, die wir haben, würden von rund 6,7 Milliarden Zinsleistung im Jahr 2009 bis 2014 auf 10,6 Milliarden € steigen. Das ist – es sitzen hier heute Minister auf der Regierungs­bank – das Zehnfache des Umweltbudgets, was wir für Zinsen ausgeben in der Rech­nung für die Zukunft, das ist das Dreikommafünffache dessen, was wir für die innere Sicherheit aufwenden können. Und das sind Zahlen, die eine Dynamik haben, die es unbedingt zu bremsen gilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeder Steuerzahler bringt im Schnitt in Österreich pro Jahr 1 100 € nur für Zinsen unserer Staatsschuld auf, da ist noch kein Euro für Schuldentilgung eingesetzt. 1 100 € Zinszahlung für jede Österreicherin und jeden Österreicher! Und deswegen müssen wir sparen – sparen für die Zukunft des Landes, für mehr Freiraum für Zukunftsinvestitionen und auch für Offensivfelder. Nur zu sparen mit dem Rasenmäher, das wäre das glatt falsche Signal, und das tun wir ganz bewusst gemeinsam nicht. Sparen, Schwerpunkte setzen bei Bildung, Sicherheit, Forschung und beim Klimaschutz!

Wir müssen auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück auf den Wachs­tumspfad. Wir dürfen dabei nicht länger zögern, und deswegen ist es gut, dass wir auf Basis des neuen Haushaltsrechtes fristgerecht den Bundesfinanzrahmen in diesen Tagen ins Parlament gebracht haben; mit einer Perspektive bis 2014, mit einer gesetz­lichen Bindung für die Ressorts, um Perspektive für die Zukunft zu geben.

Eine Neuverschuldung – ich habe die Zahlen genannt – von 4,7 Prozent, ein Schuldenstand von 70,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, knapp 200 Milliarden € in der absoluten Zahl, machen klar, dass wir die Debatte hier im Hohen Haus sehr inten­siv und gemeinsam zu führen haben, wie wir denn Zinszahlungen runterführen, Defizite verringern und den Schuldenstand für die Zukunft entsprechend wieder zurückführen.

Wir müssen – und das zeigt der Bundesfinanzrahmen – bis 2013 die Differenz zwi­schen Ausgaben und Einnahmen des Bundes um rund 6 Milliarden € verringern. Ich habe mit Bundeskanzler Werner Faymann und wir haben in der Regierung gemeinsam ausgemacht, dass die Senkung der Ausgaben 60 Prozent des Gesamtpakets ausmachen soll und nur 40 Prozent die Erhöhung der Einnahmen. Das ist ein aus­gewogenes Paket. Das ist aufgrund der Schwere der Krise, der Dynamik der Staats­


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schulden aufgrund der Krise und aufgrund der Größe des Pakets, das es zu bewältigen gilt, ein fairer Balanceakt: 60 Prozent ausgabenseitig – und Sparen als Schwerpunkt – und 40 Prozent bei den Einnahmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden auch diese Mammutaufgabe, die es jetzt bis in den Herbst zu bewältigen gilt, innerhalb des Rahmens alle Details mit den Ministerien, was das Sparen betrifft, zu verhandeln, erledigen, wir werden aber natürlich auch in Gespräche und Verhandlungen mit den Bundesländern eintreten. Das ist überhaupt keine Frage. Alles, was wir zwischen Bund, Ländern und Gemeinden gemeinsam voranbringen, alles, worin wir effizienter werden und mehr sparen, verrin­gert die Steuerlast. Mehr sparen heißt weniger Steuern. Das muss unser Ziel sein, auch in den nächsten Wochen und Monaten, gerade auch zur Kaufkraftstärkung und zur Entlastung der Menschen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Hohes Haus! Ein sehr offenes Wort am Beginn dieser Debatte: Dieser Sparkurs wird auch nicht schmerzfrei ablaufen. Es wird auch nicht genügen, die Reichen zu schröpfen, auch wenn das in der Debatte für manche noch so verführerisch klingt. Nur, mit Verlaub: Banken, Konzerne, Superreiche haben wir in Österreich nicht genug, um allein mit deren Leistung den Einsparungsbedarf in dieser Größenordnung zu decken. (Abg. Mag. Kogler: Aber auch nicht so wenig, dass Sie sie dauernd übersehen müssen!) Daher, Herr Abgeordneter Kogler, sei hier auch die Wahrheit gesagt: Jeder wird seinen Beitrag leisten müssen, genauso wie jeder Einzelne in diesem Land ja auch von den Maßnahmen zur Krisenbewältigung profitiert hat.

Diesen Ausgleich zu gestalten, diesen Ausgleich sozial gerecht und wirtschaftlich vernünftig zu gestalten, werden wir im Bundesfinanzrahmen, werden wir in der Budgetplanung, werden wir auf der Einnahmenseite ganz konsequent verfolgen.

Es gibt für mich auch eine Prämisse aus grundsätzlicher wirtschafts- und finanz­politischer Sicht, die ich vertrete und für die ich arbeite: Zuerst Sparen und Effizienz steigern, alles tun, um das Wachstum anzukurbeln – jedes Zehntelprozent Wachstum verringert die Sozialausgaben, erhöht die Einnahmen und bringt die richtige Dynamik für die Zukunft –, und erst im dritten Schritt dann auch über die Einnahmen im Detail diskutieren, bei denen ich überzeugt bin, dass wir, so wie beim Sparen, einen guten Mix finden werden, der sozial gerecht und leistungsgerecht, sozial verträglich und wirtschaftlich vernünftig ist. Das wird die Handlungsanleitung für die Zukunft sein, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dieser Bundesfinanzrahmen, oftmals kritisiert und vielleicht auch noch nicht ganz verstanden, weil neu und einstimmig hier beschlossen, setzt auch ganz neue Signale in die richtige Richtung, was die Disziplin zum Sparen und auf der Einnahmenseite be­trifft. Wir haben ein österreichisches Stabilitätsprogramm, das wir in Brüssel vorgelegt haben. Entlang dieser Parameter wird der Bundesfinanzrahmen ent­sprechend zu entwickeln sein.

Die Ausgabensumme beträgt 2011 im vorgesehenen Rahmen rund 69,1 Milliarden € und 2012 rund 70,1 Milliarden €, 2013 dann 70,9 Milliarden € und 2014 72,3 Milliar­den €. Das ist eine Rücknahme am Anfang und nur mehr ein sehr moderates Wachs­tum in den Staatsausgaben. Damit versuchen wir – und werden es auch schaffen –, zum Ersten klaren Sparwillen zu zeigen aufseiten der Ressorts und bei den politischen Maßnahmen und auf der zweiten Seite auch die zarte Pflanze der Konjunktur in Österreich nicht abzuwürgen, sondern entsprechend zu unterstützen.

Es gibt klare Schwerpunkte, die wir im Bundesfinanzrahmen setzen, wo wir weniger Kürzungspotenzial sehen, im Gegenteil, wo wir offensiver sind als in anderen Bereichen. Das sind die Bereiche Bildung, Forschung und Entwicklung, es sind die


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innere Sicherheit und der Bereich Arbeitsmarkt, die weniger zur Konsolidierung beitragen sollen als andere Politikbereiche. Auch das eine wichtige Botschaft: Nicht mit dem Rasenmäher, sondern mit klarer Schwerpunktsetzung, um das Richtige für Österreich zu tun. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sollten diesen Bundesfinanzrahmen nicht kleinreden. Noch nie zuvor gab es so etwas, und kein anderes Land der Europäischen Union kennt eine derart moderne, vorausschauende Budgetplanung, wie sie dieser Bundesfinanzrahmen darstellt. (Abg. Mag. Kogler: Na ja!) Er ist nicht auf meinem „Mist“ gewachsen. Es waren meine Vorgänger, die ihn gemeinsam entwickelt haben, und Sie, die ihn hier im Parlament klug und richtig einstimmig angenommen haben. Alle waren dafür, denn wie in einem Unternehmen, das wirtschaften muss, wie in einer Familie ist es gut, nicht nur ans nächste Jahr zu denken, sondern einen längerfristigen Rahmen anzulegen. Deswegen bin ich froh, dass wir diesen Bundesfinanzrahmen bis 2014 gemeinsam heute hier präsentieren und in der weiteren Folge im Parlament auch entsprechend diskutieren werden.

Diese Schuldenbremse, die wir damit einziehen, ist der richtige Weg und die richtige Perspektive und gibt – lassen Sie mich das am Schluss noch sagen – nicht nur für die Österreicherinnen und Österreicher, nicht nur für unsere eigene Perspektive ein richtiges Signal (Abg. Bucher: Die Schulden sind höher als vorher!), sondern dieser Bundesfinanzrahmen, meine sehr geehrten Damen und Herren – reden Sie das nicht klein, Herr Abgeordneter Bucher –, gibt ein wichtiges Signal an die internationalen Finanzmärkte. Die ganze Welt, die Rating-Agenturen schauen auf Europa. Sie schauen sich jedes einzelne Land an. Wir sind die Ersten, die so etwas vorlegen, wir sind die Einzigen mit einer Perspektive bis 2014. Wir sind die Einzigen, die eine klare Disziplin anlegen, unter 3 Prozent zurückzukommen.

Das tut gut im Rating der internationalen Agenturen. Wir zahlen weniger Zinsen als alle anderen für unsere Staatsschuld, und es ist auch ein wesentlicher Punkt, dass wir der internationalen Gemeinschaft frühzeitig und klar präsentieren: Österreich ist hand­lungs­bereit, einsatzfähig, wir haben uns die richtigen Dinge zur richtigen Zeit auch für die Zukunft vorgenommen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Bis Herbst sind dann konkrete Maßnahmen gefragt, sind die Strukturen zu hinter­fragen, Verhandlungen mit den Bundesländern zu führen. Ich habe das angesprochen.

Mein Ziel ist es auch, meine sehr geehrten Damen und Herren, fristgerecht ins Parlament zu kommen, um die Jahresplanung für das nächste Jahr vorzulegen. Das ist eine große Aufgabe. Es geht um ein Volumen, wie wir es nie bewegt haben und das wir gemeinsam in den nächsten Wochen und Monaten auch entsprechend auszuverhandeln haben.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich bin zuversichtlich, aus mehreren Gründen, dass es gelingen kann. (Abg. Mag. Kogler: Halten Sie sich ans Präsidialprotokoll! Das geht auf die Redezeit!)

Zum Ersten, Herr Abgeordneter, weil die Österreicherinnen und Österreicher das nötige Gespür haben für das Notwendige.

Zum Zweiten: Wir sollten uns nicht vom billigen Populismus leiten lassen, weder hier im Hohen Haus noch insgesamt. Ich appelliere auch an alle, diesen Grundsatz, dass wir nicht aufeinander losgehen, sondern gemeinsam aufeinander zugehen, als Grund­satz für diese Debatte zu nehmen. Die Sozialpartner, alle politischen Parteien, die Länder und Gemeinden, wir gemeinsam sind gefordert, und ich nehme die Genannten auch ausdrücklich in die Pflicht, gemeinsam für Österreich das Richtige in den nächs­ten Monaten, für die nächsten Jahrzehnte zu tun.


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Die Chance haben wir mit dem Finanzrahmen. Der erste Eckpunkt ist eingeschlagen. Ich freue mich auf eine intensive, faire und auf Fakten basierende Diskussion über die Zukunft Österreichs. (Anhaltender Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

10.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Redezeit ist ausgewogen. Die Überziehung des Herrn Vizekanzlers wurde durch den Herrn Bundeskanzler eingespart. (Bundes­kanzler Faymann: Ich habe schon gespart! – Heiterkeit, Beifall und Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap mit einer Redezeit von 10 Minuten zu Wort. – Bitte.

 


10.55.30

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Wir haben natürlich heute eine Gelegenheit, hier im Parlament anhand des Bundesfinanzrahmen­gesetzes die grundsätzliche Diskussion zur Krisenbewältigung zu führen.

Ich glaube – und das wäre auch mein Appell an die drei Oppositionsparteien –, man sollte auch in dieser Frage zuerst einmal an Österreich denken, an die Menschen, die hier leben und arbeiten. Ich würde anregen, dass man wirklich nach Wegen sucht, dass wir hier gemeinsam an Lösungen arbeiten, kurz, dass wir fünf Parteien hier einmal zusammenhalten in der Krise (Abg. Bucher: Immer, wenn ihr in der Enge seid, dann sollen wir zusammenhalten!) und dass wir ein Signal aus diesem Haus aus­senden an die Bevölkerung, alle fünf Parteien, wie wir es schon einmal gemacht haben. (Abg. Mag. Kogler: Sie sollten jetzt einmal die Wahrheit sagen!) Erinnern Sie sich an dieses eine Bankenhaftungspaket, wo alle fünf Parteien damals das beschlossen haben, dass wir gemeinsam an dieser Krisenbewältigung arbeiten. Nicht nur Kopfschütteln, Kopfschütteln ist noch keine Krisenbewältigung, sondern daran arbeiten, Herr Bucher! Das ist einmal das Entscheidende, und daran wollen wir uns jetzt orientieren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man kann auch ein bisschen stolz sein, auch als Opposition. (Abg. Bucher: Aber nicht auf die Regierungsarbeit!) Wenn Österreich in der Arbeitslosenquote bei 5 Prozent liegt, die Europäische Union hingegen bei 9,6 Prozent, dann kann man auch stolz sein. (Abg. Bucher: Vergleichen Sie nicht mit Griechenland, sondern mit der Schweiz!) Stolz kann man auch darauf sein, dass wir den richtigen Weg gehen und dass wir die richtigen Beschlüsse gefasst haben, und bei manchen Beschlüssen haben Sie ja mitgewirkt. Warum verleugnen Sie oft auch Ihre eigene Arbeit? Das verstehe ich nicht. Sie müssen einen ziemlich depressiven Politikzugang haben. Ich will Ihnen ein bisschen helfen, dass sich das ändert, und heute soll einmal ein Weg in diese Richtung gehen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Schauen Sie, es wird gesagt, die Eurozone wird 0,8 und Österreich wird 1,5 Prozent Wachs­tum haben. Damit sind wir noch nicht zufrieden, wir wollen mehr haben, und wir sagen ja auch, wenn ein Wachstumseinbruch kommen sollte, dann wird man gleich wieder versuchen, mit den Mitteln des Staates dagegenzuhalten, so wie wir es bis jetzt ja auch getan haben. Aber auch das kann uns ein bisserl stolz machen, dass wir eben eine Basis haben, eine Struktur haben, dass wir eine günstigere Wachstums­per­spektive haben. – Beim Kollegen Kogler setzt die Einsicht schon ein. Er hat das erste Mal jetzt hier eine zustimmende Äußerung getätigt. Ich hoffe, das geht weiter.

Daher meine ich, dass wir deswegen auch für einen handlungsfähigen Staat sind (Abg. Bucher: War er das bisher nicht?), damit er die Zukunftsfestigkeit auch mit öffentlichen Geldern garantieren kann – Stichwort: Bildung –, die soziale Sicherheit, die Lebens­planung absichern kann und trotzdem dabei eine Krisenfestigkeit entwickeln kann. Das


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heißt, wir brauchen einen handlungsfähigen Staat. Wir müssen schauen, dass die Zinsendienste möglichst gering sind, dass möglichst viel Geld in der Staatskasse ist, das vernünftig für die Zukunft, für die soziale Sicherheit, für die Gesundheit, für den Wettbewerb, für die kleineren und mittleren Unternehmer eingesetzt werden kann (Abg. Bucher: Aber Sie kürzen ja!), die in Wirklichkeit schuldlose Opfer dieser Finanz- und Wirtschaftskrise geworden sind.

Da haben wir doch einen Grundkonsens. Sagen Sie mir, wo Sie dem, was ich bis jetzt gesagt habe, nicht zustimmen können. Ehrlich! (Abg. Bucher – ein Exemplar des Strategieberichts zum Bundesfinanzrahmengesetz in die Höhe haltend –: Aber da drinnen kürzen Sie doch!) Oder Sie wollen einfach nicht zustimmen, weil heute ein schlechter Tag ist. Aber ich glaube, da gibt es doch die Möglichkeit, einen Konsens zu finden. (Beifall bei der SPÖ.)

Was ich besonders wichtig finde, ist eben dieser Einnahmen-Ausgaben-Mix; 60 zu 40, in Wahrheit 50 zu 50, wenn man es sich genauer anschaut. Das, finde ich, ist positiv. Warum? – Wir alle wissen, dass es entscheidend ist, dass wir das Defizit von 4,7 wieder auf 2,3 absenken können (Abg. Bucher: Einfach so über den Daumen!), aber nicht Absenken des Defizits, weil Sparen ein Wert an sich ist und wir alle diesen Dreieckshut von der Ersten Österreichischen Sparkasse aufhaben oder weil wir der EU eine Freude machen wollen, sondern weil wir wollen, dass der Staat handlungsfähig ist, dass er intervenieren kann, dass er Wachstumspolitik machen kann, dass er Beschäftigungspolitik machen kann, das Bildungssystem modernisieren, das Gesund­heits­system modernisieren kann. (Abg. Bucher: Kollege Cap, Sie machen ja alles noch schlechter!)

Da sollten Sie freudig auf das Angebot einsteigen und mit uns gemeinsam versuchen, diesen Zukunftsweg zu beschreiten. Schließlich wollen Sie ja auch gewählt werden. Jemand, der immer nur mieselsüchtig schaut, wird auf die Dauer nicht gewählt werden, sondern gewählt wird der, der Zukunftsoptimismus versprüht. Und das, glaube ich, das machen wir! (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ.)

Daher, glaube ich, ist es auch berechtigt, dass man darüber nachdenkt, nein, dass man sagt, dass dies schuldlose Opfer sind und schon einmal zur Kasse gebeten wur­den durch hemmungslose Spekulanten, durch eine Finanzwirtschaft mit Auswirkungen auf die berühmte Realwirtschaft. Das muss man übersetzen: Das heißt, da gibt es Superspekulanten, ausgehend von Amerika, in der Londoner City und wo sonst noch überall, die in Wirklichkeit dafür gesorgt haben, dass fleißige Unternehmerinnen und Unternehmer, fleißige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Kasse gebeten wor­den sind. Und das ist es, was so wehtut.

Deswegen habe ich gestern schon gesagt, das ist auch ein systemisches Problem. Es geht nicht darum, was Einzelne unter dem Motto „das Böse ist immer und überall“ tun, sondern da muss man über das System nachdenken. Und das ist noch lange nicht irgendetwas Böses, sondern es kann durchaus etwas Konstruktives sein. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Joseph Stiglitz, der viel geachtete Ökonom, ist einer der vielen, die in Wirklichkeit darauf auch hingewiesen haben. Da wir so für Transparenz sind, werden wir uns jetzt natürlich alles anschauen, alles! Es ist interessant, dass dann in der „Presse“ – nicht gerade primär ein ArbeitnehmerInnen- und Gewerkschaftsblatt – schon einmal gestan­den ist, als wir diese Transparenzdatenbank diskutiert haben, dass, sei es durch Dop­pelgleisigkeit oder sonst wie, die Unternehmensförderung in Österreich 5,5 Prozent des BIP, also doppelt so viel Geld wie im Durchschnitt der EU, beträgt. Das sollte man schon auch sehen und berücksichtigen. Ich sage nicht mehr. Da wir allerdings immer für Transparenz sind, sollte man auch das sehen.


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Wenn man über neue Steuern nachdenkt (Abg. Bucher: 50 : 50!), sollte man in erster Linie auch die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit stellen, auch das ökologische Element ist durchaus ein berechtigtes. Nur sage ich, wenn man bei Treibstoffen, Heizöl und all diesen Produkten, die ohnehin schon teurer geworden sind, auch noch über Besteuerungen nachdenkt, dann wird es schwierig, weil es Auswirkungen auf die Infla­tion hat. Das ist ein ökonomischer Gedankengang: Es hat Auswirkungen auf die Infla­tion. (Zwischenrufe beim BZÖ.) – Ja, Sie sagen eh schon, dass ich recht habe. Daher sollte man in Wahrheit darüber nachdenken.

Und es ist auch wichtig, dass man sich diese Frage stellt (neuerliche Zwischenrufe beim BZÖ) – na ja, die Frage ist schon auch berechtigt –, was die Mittelschichten betrifft, ein sehr produktiver Teil. Und die Mittelschichten sagen zu Recht – und ich möchte da sagen, wir sind auch die Verteidiger der Mittelschichten, der Menschen mit kleinerem und mittlerem Einkommen, aber vor allem auch der Mittelschichten – ... (Ironische Heiterkeit beim BZÖ. – Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Man kann nicht eine Diskussion über die Finanzierung der Krisenlasten führen, wenn man ausschließlich sagt: Was zahlen die Mittelschichten, was zahlen die kleinen und die mittleren Einkommensbezieher? – Und was ist mit den oberen Zehntausend? Seien wir doch ehrlich: Was ist mit den oberen Zehntausend? – Da kann man nicht bloß sagen, da ist der Ertrag zu gering, daher lassen wir die oberen Zehntausend unter sich und sie sollen weiter reich sein, aber zahlen sollen die Mittelschichten, da bekommen wir mehr raus, sondern: Das ist auch eine Frage der Moral. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Daher sage ich, die oberen Zehntausend soll man auch langsam in unsere Überlegungen einbringen.

Deswegen gibt es ja diese Debatte, die es anhand der Frage der Einnahmen in letzter Zeit zu Recht immer gegeben hat. Es ist ja erfreulich, dass wir über 3 000 Privat­stiftungen haben. Es ist erfreulich, dass 60 Milliarden € damit im Land sind und damit gearbeitet werden kann. Erfreulich – unterschreibe ich sofort.

Die Frage ist, ob der Zwischensteuersatz nicht auch noch einen Bewegungsspielraum zur Krisenfinanzierung zulässt. Da hat es einige Privatstifter gegeben (Abg. Strache: Das war der Voves!), die sogar in die Medien gegangen sind und gesagt haben: Österreich hat so ein tolles Stiftungsrecht, ich fühle mich so total wohl. Daher kann ich durchaus akzeptieren, dass der Zwischensteuersatz erhöht wird. Man könnte auch über eine Vermögenszuwachssteuer, Börsenumsatzsteuer oder Finanztransaktions­steuer nachdenken, worüber gerade in der EU diese Debatte geführt wird. (Abg. Bucher: Jetzt geht das Rätselraten über neue Steuern schon wieder los!) Die könnte sehr viel ergeben, nur müssen wir da gemeinsam vorgehen. Wir haben ohnehin einen Fünf-Parteien-Antrag hier im Haus beschlossen: Ja zur Transaktionssteuer. – Haben wir es oder haben wir es nicht? Sie müssen sich bloß erinnern. Das haben wir ja getan.

Es gibt auch da Berührungspunkte. Ich finde, das ist ein wichtiger Punkt, der sich an die Spekulanten richtet. Das hätte auch einen Lenkungseffekt, weil gleich wieder die Spekulationswut ausgebrochen ist. Man sollte sich die Bonizahlungen bei den Mana­gern und die Absetzbarkeit der Managergehälter und der Bonizahlungen jetzt einmal genauer anschauen, denn das Erste, woran die Manager denken, sind anscheinend ihre eigenen Einkommen und Bonizahlungen. Das ist nicht in Ordnung für die Verantwortung, die sie oft auch im negativen Sinn bei Misserfolg zwar zu tragen haben, was sich aber nirgends umsetzt. Es sind immer der Arbeitnehmer und die Arbeit­nehmerin diejenigen, die letztlich zum Handkuss kommen. Das geht bis zur Schließung von Steuerschlupflöchern. Ich habe mit Interesse den Versuch verfolgt, da mehr Transparenz hineinzubringen und die Steuerflüchtlinge ein bisserl stärker zur Kasse zu bitten. Richtig, richtig, richtig.


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Es geht bei der Krisenbewältigung – und das hat der Herr Finanzminister und Vize­kanzler ja gesagt – um soziale Verträglichkeit. Da wollen wir ihn aber beim Wort nehmen, und da können die drei Oppositionsparteien mitmachen. Wir sagen seit Grün­dung unserer Partei, der SPÖ, dass die soziale Gerechtigkeit auch ein Produktivfaktor ist, auch ein Konsumfaktor. (Abg. Strache: Gelebt habt ihr genau das Gegenteil in den letzten Jahren!) Mehr Geld in den Taschen der Österreicherinnen und Österreicher ist mehr Konsum, ist mehr Wachstum, sichert die Arbeitsplätze. Das darf man alles nicht vergessen, das gehört dazu. Wachstum ist entscheidend auch bei der Finanzierung des Sozialstaates, des Gesundheitssystems, der Zukunftsbereiche wie der Bildung und der Wettbewerbsfähigkeit.

Daher: Handlungsfähiger Staat, aber sozial gerecht. Dann wird es Zustimmung in der Bevölkerung geben. Das ist das, was wir einfordern. Ich hoffe, dass wir dafür auch die Unterstützung in der Bevölkerung bekommen. Sie könnten mitmachen, dann bekom­men Sie auch die Unterstützung. (Beifall bei der SPÖ.)

11.05


Präsident Fritz Neugebauer: Meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir die vereinbarte Redeeinteilung bis 13 Uhr durchbringen wollen – ich werde jeweils 15 Sekunden vor Ablauf der Redezeit ein kleines Glockenzeichen geben –, brauchen wir wirklich Disziplin bei der Redezeit.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dkfm. Dr. Stummvoll. – Bitte.

 


11.06.09

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundes­kanzler! Herr Vizekanzler! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regie­rungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den letzten Monaten sehr viel Geld in die Hand genommen – der Vizekanzler hat die Zahl genannt –, fast 10 Milliarden €, mit einer einzigen Zielsetzung, dass die Menschen in diesem Land von der Krise möglichst wenig spüren.

Wenn wir uns heute umschauen, müssen wir sagen, Österreich steht in allen Be­reichen der Wirtschaftspolitik und der Sozialpolitik besser da als die Mehrzahl der EU-Staaten. Und ich glaube, das Krisenmanagement dieser Bundesregierung hat mit Unter­stützung der Parlamentsmehrheit hervorragend funktioniert. Das muss man auch einmal feststellen. Wenn man sich in Europa umschaut, sehen wir, wir stehen besser da als die meisten anderen europäischen Länder. Was es wiegt, das hat’s, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir, alle Fraktionen gemeinsam – ich habe mich damals selbst sehr bemüht –, haben einvernehmlich das Bankenpaket beschlossen. Wir haben zwei Konjunkturpakete beschlossen, ein Arbeitsmarktpaket beschlossen, wir haben die größte Steuersenkung zur Stützung des Konsums beschlossen, mit 3 Milliarden €. Natürlich hat das Geld gekostet. Meine Damen und Herren, im Grunde gab es aber keine Alternative.

Hans-Werner Sinns, der Chef des Münchner ifo Instituts, hat einmal gemeint, alle Staaten dieser Welt haben als Mittel zur Krisenbekämpfung die Staatsverschuldung ein­gesetzt. – Das ist richtig, aber es gab keine Alternative.

Was heißt das aber, meine Damen und Herren? – Das heißt, dass jetzt die noch größere Herausforderung vor uns liegt. Ich sage ganz offen, dass man sich leichter politisch einigen kann, wie man mehr Milliarden ausgibt, als sich zu einigen, wie man Defizite abbaut. Daher liegt die größere Herausforderung noch vor uns.

Ich zitiere Herrn Dominique Strauss-Kahn, den Chef des Währungsfonds, der vor zwei Wochen in Brüssel im Finanzausschuss gemeint hat, wir müssen auf eines sehr, sehr Acht geben. Die globale Finanzkrise hat zu einer Wirtschaftskrise geführt, und nun


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droht konkret die Gefahr, dass aus der Wirtschaftskrise eine Krise der Staatsfinanzen wird.

Meine Damen und Herren, ein deutlicher Warnruf des Internationalen Währungsfonds, der gestern auch in einer Aussendung, in einer Publikation darauf hingewiesen hat, dass die Staatsverschuldung in allen europäischen Ländern seit dem Zweiten Welt­krieg noch nie so hoch war wie derzeit. Also ich glaube, wir können hier nicht sagen, wir haben das alles besser bewältigt, sondern eine große Herausforderung liegt noch vor uns.

Machen wir uns nichts vor! Ich sage das allen, die meinen, wir könnten weiter Dinge auf Schulden finanzieren. Machen wir uns nichts vor! Weltweit haben wir den Beweis, dass es auf Dauer nicht gut gehen kann, über die Verhältnisse zu leben. Die globale Finanzkrise wurde im Grunde ausgelöst dadurch, dass es in Amerika eine exzessive öffentliche und private Verschuldung gegeben hat. Die jetzige Krise in Griechenland –genau das Gleiche. Die Griechen haben jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt, meine Damen und Herren. Das heißt, hier muss man zeitgerecht gegensteuern, wenn nicht eintreten soll, der Vizekanzler hat es zitiert, dass die Schulden unsere Kinder auffressen. Das heißt, hier ist wirklich Leadership gefragt, hier ist gefragt, dass wir diese Herausforderung entsprechend annehmen.

Und ich glaube, da kann man sagen, dass dieses Bundesfinanzrahmengesetz, das wir derzeit vorliegen haben, wirklich ein Quantensprung ist, ein Quantensprung in der Budgetpolitik, dank auch Willi Molterer. Du hast die Vorarbeiten damals für das Gesetz geleistet. Es kommt zur richtigen Zeit. Wir haben hier eine Schuldenbremse ein­gezo­gen. Wir hatten noch nie – und kein anderes europäisches Land hat das – eine ver­pflichtende Obergrenze für alle Staatsausgaben bis 2014, ein hervorragendes Instru­ment, um Sparsamkeit, Sparen für die Zukunft des Landes auch entsprechend technisch umzusetzen.

Herr Vizekanzler, du hast gestern einen sehr schönen Satz gesagt, der hat mir unglaublich gefallen, und ich möchte ihn wiederholen. Du hast gesagt: Wer mehr spart, braucht weniger Steuern. – Ich glaube, das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren.

Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, ich betrachte diesen Slogan des Herrn Vizekanzlers und Finanzministers auch als Appell zu einem, ich würde fast sagen, Leistungswettbewerb aller Minister dahin gehend, wer die Sparziele am besten erreicht. Und vergessen wir dabei nicht, Sparen heißt auch in den sensiblen Bereichen wie zum Beispiel Gesundheit, Sicherheit, Bildung nie Sparen zu Lasten der Ge­sund­heit, Sparen zu Lasten der Bildung, sondern es heißt nur, die Mittel für diese Bereiche effizienter einsetzen. Das heißt für mich Sparen. Da sind, bitte, alle Regierungs­mitglieder gefordert. Ich bin sehr froh, dass wir dieses Bundesfinanzrahmengesetz haben, das, wie gesagt, diese Obergrenze hier festlegt.

Zur Formel: 60 Prozent durch Einsparungen, 40 Prozent durch Mehreinnahmen. (Abg. Ing. Westenthaler: Cap sagt 50 : 50!) Herr Klubobmann Cap, also da muss man schon sehr Acht geben. Zwischen 60 zu 40 und 50 zu 50 ist schon ein gewaltiger Unter­schied. (Abg. Strache: Leicht auf- und abgerundet!) Ich halte mich an das, was vereinbart ist: 60 Prozent durch Einsparungen, 40 Prozent durch entsprechende steu­er­liche Einnahmen. (Beifall bei der ÖVP.) Das ist schon ein wesentlicher Punkt, Herr Kollege Cap.

Ich glaube, eines muss man auch sagen, weil ich erst vorige Woche bei der Sitzung der Finanzausschussobleute der nationalen Parlamente in Madrid war: Wir brauchen in diesem Bereich, wir brauchen auch in der Finanzpolitik mehr Europa, wir brauchen mehr Europa im Bereich der neuen Finanzmarktarchitektur. Eine nationale Finanz­


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aufsicht alleine ist sinnlos. Wir brauchen mehr Europa. Wir brauchen mehr Europa, etwa auch im Bereich der Bankensteuer. Es wäre sehr klug, wenn sich Europa im Bereich der Bankensteuer abstimmen würde.

Wir brauchen zweifellos auch mehr Europa im Bereich der Budgetpolitik. Wir müssen auch die Wettbewerbsfähigkeit stärker koordinieren, nicht nach unten, sondern nach oben, weil Europa ohnehin Gefahr läuft, in eine Sandwichposition zwischen der Dynamik in Nordamerika einerseits und der Dynamik in Asien andererseits zu kommen. Also da sind wir wirklich unglaublich gefordert. (Beifall bei der ÖVP.)

Zu den Ausführungen des Kollegen Cap, der sich auch mit dieser Thematik beschäftigt hat. Das ist durchaus legitim. wir brauchen auch einnahmenseitige Maßnahmen, gar keine Frage. Da müssen wir reinen Wein einschenken. Es gibt weltweit kein Stabilitäts­konzept, das nur ausgabenseitig orientiert ist. Wir brauchen beides.

Ich zitiere den Herrn Bundeskanzler, er hat gesagt, die große Chance sind Wachstum und Beschäftigung. Wenn das so ist, Herr Bundeskanzler, muss man auch alle Steuerideen danach beurteilen: Sind sie wachstums- und beschäftigungsschädlich oder ‑freundlich? (Abg. Bucher: Genau!)

Zur Verteilungsgerechtigkeit, Herr Kollege Cap. Ich bin für die Verteilungsgerechtig­keit. Aber vergessen wir nicht, vor der Verteilungsgerechtigkeit kommt die Leis­tungs­gerechtigkeit. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bucher: „Gute“ oder „böse“ Steuern!) Denn ich kann nur das verteilen, was vorher erarbeitet wurde. Geben wir uns keinen Phantasien hin. Zuerst muss die Leistung da sein, dann kann ich das verteilen, was im Sinne der sozialen Gerechtigkeit auch notwendig ist. (Zwischenruf des Abg. Brosz.)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns daran halten und wenn wir uns auch daran halten, dass Sparen und Steuern Erhöhen nicht allein der Zweck sein kann, wenn wir auch eine Botschaft versenden wollen, wir brauchen auch Offensivstrategien für die Zukunft, dann, muss ich ehrlich sagen, gefällt mir das Konzept des Vizekanzlers Ökologisierung des Steuersystems deshalb so gut, weil es eine unglaublich starke offensive Komponente enthält. (Abg. Strache: Massensteuern!) Es enthält die Kom­ponente mehr Mittel für Forschung und Entwicklung, mehr Mittel für Green Jobs, mehr Mittel für Wärmedämmung und Energieeffizienz. Das ist eine Offensivstrategie! Wir investieren in die Zukunft dieses Landes, meine Damen und Herren. Und Sparen heißt Spielraum zu haben, um in die Zukunft zu investieren. Das ist der richtige Weg.

Herr Vizekanzler, Herr Bundeskanzler, Sie haben die Parlamentsmehrheit an Ihrer Seite. Wir werden diese Herausforderung gerne annehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

11.13


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Klubobmann Strache. – Bitte. (Abg. Bucher – in Richtung des Abg. Dr. Stummvoll –: Das wäre der richtige Finanz­minister gewesen!)

 


11.13.44

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werter Bundeskanzler! Werter Vizekanzler! Werte Mitglieder auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es war ja schon sehr interessant, heute eingangs die Worte des Herrn Bundeskanzlers zu hören, der uns in seiner Vorschau auf das Bundesfinanzrahmengesetz eigentlich mitgeteilt hat, dass am Ende ohnehin alles quasi ein Holler sein kann, weil die Zahlen, die man prognostiziert, am Ende natürlich auch völlig andere sein können. Das war in seiner Prognose durchaus interessant.

Es war auch interessant, dass der Herr Vizekanzler nichts Konkretes gesagt hat, außer dass die Belastung der Bürger mit weiteren Steuererhöhungen im Grunde genommen feststeht. Er hat aber keinerlei konkrete Darlegungen zum Besten gegeben, wo er sich


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das konkret vorstellt, außer im Bereich der Ökologisierung, die immer wieder als Schlagwort verwendet wird. Es war auch interessant, dass der Herr Vizekanzler Öster­reich heute permanent mit Griechenland, mit dem Negativbeispiel verglichen hat anstatt mit den Positivbeispielen wie der Schweiz oder Norwegen. Also offenbar hat er selbst schon gar nicht mehr so einen großen Glauben an seine eigene Fähigkeit als Finanzminister, denn anders kann ich mir gar nicht erklären, warum er immer wieder diese Vergleichsfälle zum Besten gegeben hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich habe schon den Eindruck, da ist ein bisschen das Bild eines Jammers in der Bundesregierung gegeben, und wir erleben, dass man nicht bereit ist, dort anzusetzen, wo es notwendig wäre, ausgabenseitig endlich auch wirklich Einsparungsmaßnahmen zu setzen. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Der Finanzrahmen!)

Der WIFO-Chef, Herr Aiginger, sagt ja auch zu Recht, kurzfristig wäre ausgabenseitig im Bereich der Verwaltungs- und Gesundheitsreform ein Einsparungsvolumen in der Höhe von 5 Milliarden € gegeben. Genau dort muss man ansetzen. Langfristig sprechen die Experten wie der WIFO-Chef, aber auch der Rechnungshof von einem jährlichen Einsparungspotential von über 11 Milliarden € in diesem Bereich.

Genau dort haben Sie endlich anzusetzen, damit Sie nicht immer wieder durch ver­waltungstechnische Mehrausgaben die jungen Menschen und die übrigen Staatsbürger in diesem Land weiter verschulden und gefährden. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau dort verschlafen Sie seit zehn Jahren Ihre Verantwortung für die Republik und für die Menschen in diesem Land.

Aber dann kommen Sie her und sind wieder besonders einfallsreich, nach dem Motto, die Loch-auf- und die Loch-zu-Politik zu betreiben. Sie sagen, wir sind wieder ein­fallsreich, Massensteuern sind jetzt die richtige Antwort, nämlich bei Gas, Strom, Benzin, wir setzen dort an, wo man wirklich die Masse trifft und die Masse auch belasten kann und natürlich auch die sozial Schwächsten der Gesellschaft noch weiter gepresst und gedrückt werden können. – Das ist Ihre Antwort im Bereich der Ökologisierung der Steuern, die Sie immer wieder zum Besten geben.

Da muss man doch den Menschen reinen Wein einschenken, dass Sie natürlich vorhaben, den Bürgern weiter Geld aus der Tasche zu ziehen, nämlich über 4 Milliar­den €, die Sie an Steuererhöhungen vorhaben, obwohl wir ein Höchststeuerland sind und obwohl Sie, Herr Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll, auch vor Monaten gesagt haben, es darf keine neuen und weiteren Steuern geben, weil das dem Wirtschaftsstandort Österreich abträglich wäre. Es wäre unverantwortlich, haben Sie gesagt, für den Wirtschaftsstandort Österreich, über weitere Steuern nachzudenken, weil man damit in Zeiten der Krise den Wirtschaftsstandort schädigen und kaputt machen würde. – Das waren Ihre Worte.

Und dann, Monate später, gehen Sie her und konterkarieren selbst Ihre eigenen Worte. Das zeigt, dass Sie nicht glaubwürdig Politik betreiben, wenn Sie so agieren, wie Sie das in den letzten Wochen und Monaten gemacht haben.

Dann sagen Sie doch den Österreichern, wohin das Geld fließen soll, das Sie mit Steuer­mehreinnahmen vorhaben hereinzuholen! Das sind unter anderem die 800 Mil­lionen, nämlich 835 Millionen €, die jetzt natürlich auch an österreichischer Staatshilfe in Richtung Griechenland fließen sollen. Das sind die 800 Millionen € Nettobeiträge, die wir jährlich nach Brüssel in die Europäische Union einzuzahlen haben. Das sind nun einmal auch jene Staatshilfen, die den österreichischen Banken zufließen, ohne ausreichende gesetzliche Kontrolle, ohne dass die Manager mit Gehaltsdeckelungen konfrontiert worden sind. Diese können weiter 3 bis 4 Millionen Jahresgage kassieren, weiterhin auch munter spekulieren, weil es keine Mechanismen gibt, die das hintan­


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halten. Das sind die Gelder, für die die Steuerzahler jetzt sozusagen zur Kasse gebe­ten werden sollen. Da muss man halt die Wahrheit sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das kann es nicht sein! Genau das kann und darf es nicht sein! Wir sagen daher ein klares Nein zu diesen Plänen der Bundesregierung, wo man eigentlich nichts anderes vorhat, als wieder ordentlich in die Brieftaschen der Österreicher hineinzu­greifen, anstatt ausgabenseitig, wo es notwendig wäre, nämlich im Bereich der Ver­wal­tungs- und Gesundheitsreform, anzusetzen oder vielleicht einmal bei den Subventions­töpfen anzusetzen.

Über 6 Prozent des BIP, des Bruttoinlandsproduktes, nämlich über 16,5 Milliarden € pro Jahr, werden an Subventionen vergeben. Ich meine, dort wäre doch einmal zu überlegen, ob da die eine oder andere Subvention sinnvoll oder nicht sinnvoll ist, ob sie nicht besser beim Leistungsträger aufgehoben wäre, damit man endlich den Faktor Arbeit entlasten kann, die Lohnnebenkosten senken kann. Dort wäre in Zeiten der Krise, in Zeiten einer Rekordarbeitslosigkeit anzusetzen, in der ja viele Experten auch sagen, ja wer weiß, ob wir die Talsohle überhaupt bereits erreicht haben. Viele Ex­perten befürchten ja, dass diese Talsohle erst kommen wird, nämlich mit dem Jahr 2011, wo wir befürchten müssen, dass die Krise nicht eine Situation erlebt, wie manche das positiv sehen, nämlich dass wir wieder ein leichtes Wirtschaftswachstum erleben werden, sondern das leider Gottes nicht eintreten kann und dass wir vielleicht eine Rekordarbeitslosigkeit erleben.

Wir werden es vielleicht erleben, dass eine Finanzblase, die durch Geldnachdruck künstlich sozusagen noch einmal am Platzen gehindert wurde, vielleicht doch noch platzt und dass am Ende vielleicht eine Inflation sehr viel Leid über die Bürger der Europäischen Union, auch die Österreicher, bringt, weil man vielleicht versucht, sich über den Markt, nämlich auf Kosten des Mittelstandes, auf Kosten der fleißigen Arbeit­nehmer und der Masse in Europa, zu sanieren.

All das steht als Bedrohungsszenario im Raum. Da erwarte ich mir wirklich mehr Verantwortung vonseiten der Bundesregierung, solchen drohenden Entwicklungen ernsthafter entgegenzutreten. Wir wollen das abwenden. Wir wollen nicht, dass der Mittelstand weiter zerbröselt und zerbricht. Und wir wollen nicht haben, dass kleinere und mittlere Unternehmer heutzutage eine Kreditklemme erleben müssen, in ihren Betrieb gar nicht investieren können, dadurch Arbeitsplätze verloren gehen und dadurch auch die Konkurrenzfähigkeit nicht mehr gegeben ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diese Kreditklemme hat doch einen Hintergrund. Und das ist Basel II. Wo sind Sie innerhalb der Europäischen Union tätig, um diese Basel II-Kriterien zu hinterfragen, die dazu führen, dass die Firmen der kleineren und mittleren Unternehmer kaum mehr Kredite erhalten, wenn sie nicht eine hundertprozentige Eigenbesicherung haben?

Dann steht Basel III in Vorbereitung. Man hat vor, im Herbst Basel III der Öffentlichkeit zu präsentieren. Spätestens im Jahr 2011, nämlich Ende 2011/Anfang 2012, soll Basel III in der Europäischen Union in Kraft gesetzt werden. Dann hat man vor, das weiter zuzuspitzen und zu verschärfen.

Wenn man dann einmal hinterfragt, was die Einführung von Basel III die österreichi­schen Banken kosten wird, dann hört man: 8 Milliarden € wird die Umstellung die öster­reichischen Banken kosten.

Na wer wird denn das wieder bezahlen? Das wird wieder an die Bankkunden weitergegeben werden, wird zu einer weiteren Kreditklemme und Zuspitzung der Kreditklemme führen. Wir sollten einmal diese Hintergründe beleuchten und die Probleme an der Wurzel anpacken. Und genau das vermisse ich bei Ihnen. Genau dazu sind Sie nicht bereit. (Beifall bei der FPÖ.)


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Herr Vizekanzler, da leben Sie genau das, was Sie heute selbst angesprochen haben, nämlich die Schuldenrucksack-Politik für die jungen Menschen im Land! Genau denen bürden Sie mit Ihrer Politik weiterhin unverantwortliche Kosten auf, weil Sie eben nicht bereit sind, effizient das Problem an der Wurzel anzupacken und auch offen und ehrlich über gewisse Entwicklungen zu sprechen.

Österreichs Abgabenquote ist mit 43 Prozent exorbitant hoch. Es gibt den Faktor Belastung mit Abgaben in Österreich, die extrem ungleich verteilt sind. Es gibt eine Verwendung von Steuermitteln in manchen Bereichen, die ineffizient ist. Es gibt eine Schattenwirtschaft, die nicht bekämpft wird.

Wer redet denn heute von den fast – wie Experten sagen – bis zu 300 000 ost­euro­päischen Nachbarn, die tagtäglich zu uns kommen, um im Bereich der Schatten- und Schwarzwirtschaft tätig zu sein? Das müssten wir in Wirklichkeit auch abstellen, damit unsere Unternehmer eben nicht in Zeiten der Krise von der Schwarzwirtschaft an die Wand gespielt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben eine Schattenwirtschaft, die 10 Prozent des BIP betrifft. Dort wären Poten­ziale vorhanden, wo man tätig werden kann. Nicht wieder beim Steuerzahler ansetzen und sagen: Ja, die 40 Prozent der österreichischen Steuerzahler, denen nehmen wir noch einmal das Geld weg, die schröpfen wir noch einmal weiter! So wird dieses System nicht aufrechtzuerhalten sein.

Und da bin ich bei Ihnen, Herr Vizekanzler. Dann haben Sie allen Grund und das Recht, uns mit Griechenland zu vergleichen, denn dann droht uns nämlich genau so ein Szenario, wenn Sie so weitertun und in diesen Bereichen nicht die Notbremse ziehen.

Natürlich muss man auch darüber nachdenken, wie man Steuerhinterziehung, Steuer­flucht und Spekulanten entgegentreten kann. Auch das ist eine Notwendigkeit, dort können wir uns finden. (Beifall bei der FPÖ. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: So ist es! – Abg. Dr. Graf: Da hat er mehr wie die vier Vorredner gesagt! Doppelt so viel gesagt wie die vier Vorredner!)

11.23

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


11.23.53

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Meine Herren auf der SPÖ-Seite der Regierungsbank! Meine Damen und Herren auf der ÖVP-Seite der Regierungsbank! Diese Wirtschaftskrise ist mit Sicher­heit zum allergeringsten Teil in Österreich verursacht worden. Deshalb sollten schon so viel Ehrlichkeit und Vernunft herrschen, dass wir hier einander nicht alles an den Schädel werfen.

Es ist mit Sicherheit so gewesen, dass wir uns über weite Strecken gemeinsam bemüht haben, da herauszukommen. Das hat auch gekostet. Warum Sie daraus ableiten, dass Sie sich dann entgegen unseren Hinweisen, dass es nämlich am Schluss notwendig sein wird, Steuererhöhungen vorzunehmen, das Recht heraus­nehmen können, ein Jahr lang die Bevölkerung einmal so richtig anzulügen – und jetzt appellieren Sie an die Einigkeit! –, ist mir nicht erklärlich; unter Beihilfstäterschaft der SPÖ, wie sich jetzt noch herausstellt. Auf das wird noch einzugehen sein.

Das zweite Problem, das Sie jetzt verursachen, ist: Ganz ungeniert kommt nach der Steuerlüge die Budgetunwahrheit. Sie kündigen an, dass Sie nicht im Herbst, wie es die Finanzverfassung vorsieht, das Budget vorlegen wollen – nämlich das, wo es dann wirklich an das Eingemachte geht, jetzt haben wir eben diesen Rahmen hier (Vize­


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kanzler Dipl.-Ing. Pröll: Haben Sie mir nicht zugehört?) –, sondern dass das einfach weiter nach hinten verschoben werden soll, weil offensichtlich diese Landtagswahlen sind.

Das werden wir Ihnen auch nicht durchgehen lassen, das kann nicht sein, nach der Steuerlüge die Budgetunwahrheit. Und ich sage Ihnen eines: Wir haben solche Loblieder auf diese Finanzverfassungsreform gesungen, wir alle, die wir diese maß­geblich mitgestaltet haben! Es stimmt, das ist auch eine gute Sache! Bruno Rossmann sitzt auf der Galerie. Er hat für die Grünen hier mitverhandelt. Das ist schon okay.

Aber sagen Sie mir, wo die Finanzverfassung vorschreibt, dass man auf das nächste Budget hin die nächste Unwahrheit sagt! Es gibt den Grundsatz der Budgetwahrheit, und Sie versuchen, mit Anlauf das Gegenteil zu machen. Ihr Glück ist, dass die Sanktionsmöglichkeiten relativ gering sind.

Aber ich sage Ihnen von der SPÖ und von der ÖVP – nämlich auf den Abgeord­netenbänken – schon: Sie sind mindestens so auf die Verfassung angelobt wie die Damen und Herren auf der Bundesregierungsbank. Dann schauen Sie rechtzeitig darauf, dass diese auch eingehalten wird! (Beifall bei den Grünen.) Sonst werden wir das in Ihren Wahlkreisen einmal erzählen. Dazu sind Sie nicht gewählt, dass Sie hier der Regierung noch die Räuberleiter machen, mit Sicherheit nicht.

Also geht es darum, dass wir rechtzeitig einen Konsens erzielen, wenn da schon appelliert wird – dann sind wir ja tatsächlich gerne wieder dabei, das darf ich jedenfalls für die Grünen sagen –, dass wir hier in Verhandlungen eintreten, um diese Wirt­schaftskrise – wie denn auch aus Staatssicht anders als über vernünftige Budget­politik – gemeinsam anzugehen.

Dieses Angebot steht ja. Deshalb beteiligen wir uns ja auch an den Österreich-Gesprächen. Ich werde einmal kurz darauf eingehen, wie gering die Fortschritte dort sind.

Aber jetzt noch zu diesem Problem: Ich habe nicht zufällig die eine Hälfte und die andere Hälfte der Regierungsbank angesprochen. Das nächste Problem, das Sie aufmachen, ist, dass Sie in den Medien und heute hier auch noch zu erkennen geben, dass wir in Wahrheit gar keine Bundesregierung als Ganzes mehr haben. Wir haben ein halbwegs verstecktes ÖVP-Budget – da gehören ja die Einnahmen auch dazu, Sie sagen ja nicht, wie Sie das genau machen wollen –, und wir haben die Idee eines SPÖ-Budgets bei den Einnahmen. Aber eines ist gewiss: Wir haben kein Regie­rungsbudget. Sie sagen eigentlich das glatte Gegenteil, was die Steuereinnahmen betrifft.

Ich sage Ihnen: Das kommt ja aus einem ganz anderen Grund, und deshalb wollen Sie die ganze Geschichte auch hinter die Landtagswahl verschieben, das kommt doch nur daher, weil Sie alle sich jetzt im Wahlkampf befinden und deshalb die SPÖ den Ihren erklärt: Eine Gerechtigkeitsaktion nach der anderen. Das hält einmal mindestens bis zum Parteitag im Juni. Jetzt wird geprobt, und dann wird man sehen. Und bei der ÖVP ist es ja nicht unähnlich.

Deshalb verlangen wir auch – der Nationalrat hat ein Recht, und diese ganzen Finanzverfassungsgesetze sehen das ja vor –, dass Sie als Bundesregierung dem Haus hier rechtzeitig – die Betonung liegt auf „rechtzeitig“ – ein Budget vorlegen. Nicht mehr und nicht weniger verlangen wir. Aber das sollten Sie einhalten. Ansonsten werden Sie diese Verdachtsmomente weiter gegen sich gelten lassen müssen. (Beifall bei den Grünen.) Und dazu sind Sie auch angelobt worden.

Okay, das war eine Schelte. Jetzt könnten wir fragen: Ja, was machen denn die Grünen in der Sache? Fragen Sie, ich sage es Ihnen! Wenn wir einen grünen Regie­


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rungschef und eine grüne Finanzministerin hätten (Heiterkeit bei der ÖVP – Abg. Kopf: Gott bewahre!), würden wir die Sache so angehen: Lachen Sie nicht zu früh! Wir würden es nämlich rechtzeitig und ehrlich machen. Das ist ja schon einmal was, ge­messen an dem, wie Sie momentan auftreten. (Beifall bei den Grünen.)

Schauen Sie, diese beschriebene Wirtschaftskrise ist ja wirklich ein starker Einschlag im Wirtschafts- und Sozialgefüge, nicht nur in Europa, auch in Österreich. Aber es ist ja vielleicht auch etwas sehr Wahres daran, dass jede Krise auch eine Chance ist. Wir sind der vollen Überzeugung, dass die Wege aus dieser Wirtschaftskrise grün sind, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Mit der notwendigen Innovationskraft und auch mit einem Willen zur Gerechtigkeit kann man da gut herauskommen. Das sind die zwei Schlüsselbegriffe, so glaube ich.

Sie sind ja auch zum Teil angedeutet worden. Ja, es ist nicht nur möglich, es ist sogar notwendig, diesen Weg aus der Wirtschaftskrise so anzutreten, dass er – und ich stelle es heute voran – ökologisch nachhaltig ist, weil das zweitens dazu führt, dass es wirtschaftlich vernünftig ist, weil da ein Haufen Arbeitsplätze entstehen wird – darauf wird noch einzugehen sein –, und dass es drittens vor allem auch sozial gerecht stattfindet. (Beifall bei den Grünen.)

Wie kann das nun gehen: nachhaltig, vernünftig und gerecht? Im Bereich des Sparens: Ja, wir bekennen uns dazu, aber dann reden wir einmal darüber, wo! Sie legen da einen Finanzrahmen vor und äußern sich kaum dazu. Also sparen ja, aber intelligent und richtig.

Zweitens: investieren. Das kommt überhaupt nicht mehr vor! Immer noch investieren, aber dort, wo es gebraucht wird.

Drittens: eine wirkliche Reform des Steuersystems, ein ökologischer Umbau des Steuer­systems.

Und viertens: Steuergerechtigkeit. Mit dem, was ich bis jetzt gesagt habe – wenn Sie mir zugehört haben –, ist ja noch kein Budget saniert. Das sage ich ja selbst. Bei dieser Budgetsanierung, wo es dann um die Mehreinnahmen geht – wobei Professor Van der Bellen und ich Ihnen schon seit eineinhalb Jahren erklären, dass es ohne diese nicht gehen wird –, soll es nicht nur gerecht zugehen – denn da kann man auch noch nachfragen, gerecht sagt ja heute auch schon jeder –, sondern es geht darum: Wo soll das geschehen, wo mehr, wo weniger, wo gar nicht?

Jetzt gehen wir auf diese vier Bereiche ein. Zuerst einmal: sparen – intelligent und richtig. Schauen Sie, bei diesen Österreich-Gesprächen haben wir immer über die Verwaltungsreform geredet. Herr Vizekanzler, es waren doch Sie, der mich und andere ständig gemaßregelt hat, wenn wir auf diese Probleme hingewiesen haben – die Sie jetzt im Übrigen endlich eingestehen –, dass wir das alles mit einer sogenannten Verwaltungsreform lösen werden! Das war von vornherein ein Unsinn, weil eine gute Verwaltungsreform im ersten Jahr nicht viel bringen kann. Diese wirkt mittel- und langfristig. Aber sie muss angegangen werden. Und ein paar Ersteffekte gibt es auch hier.

Aber es ist vor allem eine Föderalismusreform. Da muss etwas geschehen. Es muss dort etwas geschehen. Diese ganze Finanzrahmengeschichte lahmt doch schon daran, dass die Bundesländer erkennbar nicht in die Pflicht genommen werden. Erklären Sie da einmal diese Widersprüche, die hier drinnen stehen gegenüber dem, was Sie im Jänner noch nach Brüssel geschickt haben! Aber die werden es Ihnen dort schon sagen, dass das wieder alles nicht zusammenpasst. Das ist ja schon wie beim Grasser, da hat es auch schon so angefangen. (Heiterkeit des Abg. Bucher.)


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Schauen Sie, zum Unterschied von diesen Zwischenrufern beschäftigen wir uns auch wirklich noch mit den Zahlen! Das sollten Sie tun und dann zwischenrufen! Das werden Sie dann aber nicht mehr tun. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Die falschen Zahlen!)

Plötzlich haben die Länder um 0,6 Prozent des BIP mehr Spielraum nach unten, ein Mehrdefizit, obwohl sie durch die Steuereinnahmen des Bundes ... Und das ist ja überhaupt das Abenteuerlichste in dem Land: Wir hier müssen die Verantwortung für diese Einnahmen tragen, die Länder kassieren mit! Das tun sie auch bei diesen Steu­er­erhöhungen. Da kommen sie auf diese Art und Weise zu 1,3 Milliarden € mehr Steuer­erhöhungen, 1,5 Milliarden € gibt es zum Schluss mehr Defizit. Ja, was tun diese denn mit den 2,8 Milliarden ? Wo ist denn Ihre Kraft, von der Sie in diesen Verhandlungen immer reden? (Beifall bei den Grünen.)

Die tanzen Ihnen auf der Nase herum. Sie sollten sich da einmal aufstellen! Unsere Hand ist in dem Bereich ausgestreckt. Wir sagen, dass wir am Schluss ein gemein­sames Konzept machen sollen. Dazu stehen wir zur Verfügung. Und deshalb gehen wir auch in diese Österreich-Gespräche weiter hinein. Aber wenn das so weitergeht, werden wir sie boykottieren, denn wir brauchen am Schluss einen Konsens, dass diese Regierung in dem Haus endlich etwas zustande bringt.

Wie gesagt, dabei sind wir ja gerne bereit Sie zu unterstützen. Wir können bei den schädlichen Förderungen, die es gibt, einsparen. Es gibt einen Haufen ökologisch schädlicher Förderungen. Und wir müssen umgekehrt dort investieren – immer noch! –, wo es sinnvoll ist, genau wie Wirtschaftsforschungsinstitutschef Aiginger sagt: in die grünen Arbeitsplätze, jetzt noch! Das Geld geht sich aus. Das brauchen wir.

Genauso wie im Forschungsbereich, da kürzen Sie mit der Rasenmähermethode. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Nein! Sie wissen es ganz genau! – Abg. Rädler: Das stimmt ja nicht!) Sie haben nur die Schnitthöhe leicht unterschiedlich eingestellt. Dr. Konsemüller vom Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung sagt es ja selber: Wir müssen heute Geld in die Hand nehmen, um morgen eines zu verdienen. – Und recht hat er. Dann setzen Sie sich einmal mit ihm auseinander, bevor Sie hier andere Geschichten erklären! (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Nächster Punkt: ökologisch soziale Steuerreform und Steuergerechtigkeit. Im ersten Bereich geht es um den Umbau des Steuersystems, dass wir nämlich woanders die Steuern senken, denn sonst haben wir tatsächlich ein ökonomisches Problem. Das, was Sie vorbereiten, ist ein Torso, das ist ein Öko-Schmäh. Steuergerechtigkeit bedeutet, dass man wirklich einmal bei den Banken, bei den Konzernen und den Reichen, die Sie gerne übersehen (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Nein!), weil Sie sagen, ja, wo sind denn die, ... (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Das sagen wir Ihnen schon noch. Es geht nicht um eine Reichenverfolgung, es geht darum, dass alle einen fairen Beitrag leisten.

 


Präsident Fritz Neugebauer: Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (fortsetzend): Also: Sozial gerecht und ökologisch innovativ die Sache angehen. (Abg. Dr. Stummvoll: Leistungsorientiert!) Wir werden Ihnen da noch ein bisschen Unterstützung leisten, vielleicht schaffen Sie es ja dann. (Beifall bei den Grünen.)

11.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Bucher. – Bitte.

 


11.34.35

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat ja in seinem kurzen Statement von sich ge­


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geben – kurz und bündig –, es fehlt ihm der Durchblick. (Der Redner hält eine Glaskugel in die Höhe. – Ruf bei der SPÖ: Ein Hellseher!) Herr Bundeskanzler, diese magische Glaskugel soll Ihnen zum Durchblick verhelfen, soll Ihnen vor allem auch helfen, ein wenig in die Zukunft zu blicken, denn Hunderttausende Haushalte in Österreich, Familien müssen ein Haushaltsbudget verfassen, können nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen, sind daher gezwungen, sich Regeln aufzuerlegen, damit sie nicht pleitegehen. (Abg. Strache: Das ist die kleine Welt des Seppi Bucher! – Abg. Kickl: Gilt das auch für Gastronomen?) Diese Glaskugel soll Ihnen einen Beitrag für mehr Durchblick leisten. Vielleicht sehen Sie darin eine hoffnungsvolle Zukunft auf unser Land Österreich zukommen. (Beifall beim BZÖ. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: ... Hypo-Kugel!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben eine seriöse Diskussion einge­fordert. Sie haben eingefordert, dass auch die Oppositionsparteien Überlegungen an­stel­len sollen, wie wir aus dieser Krise herauskommen, vor allem auch, wie wir diese enorme Schuldenlast, die auf uns bürdet, in irgendeiner Weise abbauen können.

Eine seriöse Diskussion erfordert es auch, Herr Kollege Cap, dass man mit Ziffern, Zahlen und Einschätzungen einigermaßen genau umgeht. Da kann es nicht sein, dass der Herr Finanzminister sagt: 60 Prozent Einsparungen, 40 Prozent kommen über neue Steuern herein!, Sie kommen dann ans Rednerpult und sagen: Fifty-fifty, 50 : 50! – Was ist an dieser Diskussion ehrlich? Was ist seriös? Was sollen wir glauben? Der Unterschied nur in der Erstrechnung ist 1,2 Milliarden €. Das ist so eine „kleine“ Lappalie: 1,2 Milliarden € Unterschied in der Einschätzung, die Sie treffen! Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser Bundesregierung weiß die Linke nicht, was die Rechte tut, und weiß die Rechte nicht, was die Linke will. Das ist die Realität, an der Österreich derzeit verzweifelt. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Strache: So ist das bei der BAWAG auch der Fall gewesen!)

Herr Vizekanzler, Sie strapazieren immer wieder das neue Haushaltsrecht und das heutige Finanzrahmengesetz und sagen: Es ist ein Meilenstein, dass wir hier in Österreich die ersten Schritte gehen, das ist vorbildlich für Europa! – Das haben wir uns von Schweden abgekupfert und abgeschaut.

Wir haben das über viele Jahre hier in Österreich im Parlament verhandelt; ein wichtiges, richtiges Gesetz, eine richtige Maßnahme, aber diese Maßnahme dient nicht dazu, dass Sie hier Täuschen und Tarnen an den Tag legen und dass Sie uns nicht die Wahrheit darüber sagen, was Sie mit Österreich vorhaben, welche Steuern Sie vorhaben. Dazu dient dieses neue Haushaltsgesetz nicht, sondern es soll Klarheit schaffen, auch hier im Parlament Klarheit schaffen, und nicht Ihre Steuererhöhungs­pläne, die Sie offenbar wälzen, hinter den Vorhang kehren, weil Sie sich über die Dis­tanz retten wollen, weil wichtige Landtagswahlen bevorstehen. Das ist der eigentliche Grund, warum Sie uns nicht darüber aufklären, welche Steuerpläne Sie haben, Herr Finanzminister! (Beifall beim BZÖ.) Das ist die Wahrheit.

Sie haben ja ehrlicherweise zugegeben, dass Sie der Schulden-Vize der Republik sind. Noch niemals in der Geschichte der Zweiten Republik hat jemals ein Finanzminister 200 Milliarden € an Schulden zu verantworten gehabt. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Und warum? – Abg. Ing. Westenthaler: Das hält nicht einmal die Achillessehne aus!) Das haben Sie heute zugegeben. Aber dann seien Sie auch ehrlich, Herr Finanz­minister! Wir haben vor einem Jahr ein Bankenrettungspaket hier beschlossen. 100 Mil­liar­den € zur Abfederung der Bankenkrise, 100 Milliarden €! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Kärntner Hypo! Ihre Hypo!) Was haben Sie damals gesagt? Sie haben damals gesagt: Das wird ein Geschäft für die Republik! Das wird ein Geschäft für den Steuerzahler! – Das ist nachweisbar in Ihrer Rede. Am Ende zahlt die Rechnung der Steuerzahler, zahlt die Rechnung der Bankkunde. Das ist die Realität. Und das ist


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verfehlte Regierungspolitik, die wir an den Pranger stellen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Gehen Sie jetzt den Weg! Und strapazieren Sie nicht immer die Kärntner Hypo! Ich sage Ihnen etwas: Gehen Sie endlich daran, dieses Hypo-Desaster aufzudecken und aufzuklären! Sie haben hundert Leute auf die Reise geschickt, die dieses Desaster auf­klären sollen. Dann bringen Sie uns endlich einmal irgendwelche Resultate Ihrer Prü­fun­gen! (Beifall beim BZÖ. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Sie wissen es ja persönlich, was drinnen ist, wahrscheinlich!) Ich warte darauf, dass in dieser Bank endlich Aufklärung geschieht und dass jene, die diese Bankmisere verursacht haben, zur Verantwortung gezogen werden, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Aber sagen Sie uns, welche Steuerpläne Sie haben! Sagen Sie uns offen und ehrlich, an welche Steuern Sie denken! Werden es in Zukunft Massensteuern sein? Wird es eine Belastung geben, beispielsweise eine Erhöhung der Mehrwertsteuer oder der Mineralölsteuer? Wollen Sie in Zukunft die Pendler belasten, Herr Finanzminister? Ist das Ihre Absicht? Ist das Ihr Steuerplan? – Sagen Sie uns das endlich!

Hören Sie auf mit diesem Rätselraten, das Sie über die Medien veranstalten! Nicht wir als Opposition veranstalten dieses Rätselraten, sondern SPÖ und ÖVP richten sich über die Medien gegenseitig aus, welche Steuerpläne sie haben und welche Steuer­erhöhungen sie sich wünschen. Das ist abträglich für den Wirtschaftsstandort Öster­reich! Das ist unverantwortlich gegenüber der Wirtschaft! Die Wirtschaft will verant­wortungsvolle Politik! Sie will in der Zukunft Planbarkeit und Berechenbarkeit, vor allem in einer Zeit, in den nächsten Monaten, in denen eine enorme Krise auf die kleine mittelständische Wirtschaft zukommt. Da möchte sie wissen, welche Pläne Sie haben, welche Steuern und Abgaben Sie erhöhen wollen!

Es ist eine unverantwortliche Regierungspolitik, die Sie an den Tag legen, meine Damen und Herren, und die Sie jetzt hinauszögern wollen – ernsthaft hinauszögern wollen! – bis zum 20. Oktober, denn die Budgetrede des Finanzministers, meine sehr geehrten Damen und Herren, wird hier herinnen am 20. Oktober gehalten. Bis dorthin sollen wir jetzt ein Rätselraten veranstalten, welche neuen Steuern in Österreich eingeführt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das kann sich Österreich nicht leisten, das kann sich die österreichische Wirtschaft nicht leisten und das geht auf Kosten vieler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Da werden Arbeitsplätze vernichtet und gehen verloren, was Sie zu verantworten haben, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben derzeit einen Schuldenstand von 200 Milliarden €, eine Zinslast, die sich von 10 Milliarden € auf etwa 12, 13 Milliarden € in Zukunft ausdehnt. 15 Prozent unse­res Haushaltes geben wir bereits für Zinsen aus. Sie gehen jetzt her und erhöhen neuerlich die Steuern um 4 Milliarden €.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das muss man sich vorstellen: Wir haben derzeit in Österreich eine Steuer- und Abgabenquote von 43 Prozent. Das ist bereits der Plafond im europäischen Vergleich. Wenn Sie jetzt diese 4 Milliarden € dazulegen, dann sind wir bald bei einer Steuer- und Abgabenquote von 45 Prozent!

Kein EU-Mitgliedsland hat eine so hohe Steuer- und Abgabenquote wie Österreich! Kein europäisches Land wird in Zukunft solche Probleme haben, Betriebe anzusiedeln, wie Österreich, denn: Eine so hohe Steuer- und Abgabenquote vernichtet nicht nur die Arbeitsplätze, sondern sie sorgt auch dafür, dass sich viele Unternehmerinnen und Unternehmer entscheiden, sich von Österreich abzuwenden, und auf alle Fälle werden


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viele nicht nach Österreich kommen und für Arbeitsplätze in unserem Land sorgen. Und das haben Sie zu verantworten.

Wenn Sie schon aus Österreich einen „Nationalpark Hohe Steuern“ machen, Herr Finanzminister, wenn Sie schon diesen Weg beschreiten, dann orientieren Sie sich, bitte, einmal nicht an einem Pleiteland wie Griechenland, orientieren Sie sich einmal an der Schweiz! Das wäre höchst angesagt, Herr Finanzminister. (Rufe bei der ÖVP: An Kärnten! An Kärnten!) Wir sollten uns an den Besten orientieren und nicht an den Schlechtesten! Das muss die Zielsetzung einer Bundesregierung sein! (Beifall beim BZÖ.)

Stellen Sie sich vor, Herr Finanzminister: Selbst die Schweiz hat Banken – man möchte es nicht glauben –, die in bedrohliche Situationen geraten sind. Das sollte Ihnen einmal zu denken geben. Und die Schweiz hat eine Steuer- und Abgabenquote von 27 Prozent – und nicht von 45 Prozent, wie wir in Österreich. Sie verunsichern die Wirtschaft und riskieren Arbeitsplätze. Sie sollten darangehen, endlich einmal zu sparen und dafür zu sorgen, dass von oben herab, bei der Politik, mit den Sparmaßnahmen begonnen wird.

Wozu brauchen wir diesen riesigen, aufgeblähten Nationalrat, den Bundesrat, die Landtage in dieser Breite und Größe? Wozu auch die Landesregierungen in dieser Größe? – Da gehört endlich einmal der Hebel angesetzt und ein Signal an die Bevölkerung ausgesandt, dass es uns ernst ist mit der Sparpolitik in unserem Land und dass wir nicht die Steuerzahler und den Mittelstand schröpfen, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Wir erwarten uns, Herr Finanzminister, dass Sie nicht bei der Zukunft sparen. – Sie sparen bei den Familien, Sie sparen bei der Jugend und Sie sparen bei der Arbeit. Das ist ein Verbrechen an der Zukunft, das zu beseitigen und zu beheben ist – und dazu fordern wir Sie auf! – Danke schön. (Beifall beim BZÖ. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Der Strache ist leider besser! Der ist besser!)

11.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Krainer. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Jetzt liegt die Latte hoch!)

 


11.44.01

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Das war jetzt schon sehr abenteuerlich! – Herr Finanzminister, Sie haben ein schönes Geschenk bekommen. (Rufe beim BZÖ: Der Kanzler hat es bekommen!) Ich rate Ihnen: Verwenden Sie es nicht! Ich glaube, das ist das, was das BZÖ für die Politik in Kärnten verwendet hat. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: So ist es!) Und ich weiß nicht, ob irgendjemand da ist, der dann Österreich rettet, wenn wir eine ähnliche Politik machen würden, wie sie das BZÖ in Kärnten gemacht hat, woraufhin Österreich dann Kärnten retten durfte, mit dem Steuergeld aller Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der SPÖ.)

Die Politik beschäftigt sich seit nunmehr fast zwei Jahren schwerpunktmäßig mit der Finanz- und Wirtschafskrise. – Ich weiß, Kollege Westenthaler beschäftigt sich nicht mit diesen wichtigen Fragen. Der ist zu viel bei Gericht. (Abg. Riepl: Er ist auch vorbestraft! – Abg. Ing. Westenthaler: Ich hab noch keine Bank an die Wand gefahren, wie ihr die BAWAG! Ihr fahrt die Banken an die Wand!)

Zunächst stand die Verhinderung des Zusammenbruchs des gesamten Banken­sys­tems auf der Tagesordnung. Wir haben hier einstimmig das Bankenrettungspaket be­schlos­sen und haben damit verhindert, dass das gesamte Finanzsystem in Österreich kollabiert.


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Dann galt es, die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft, auf die Arbeits­plätze zu minimieren. Wir haben hier mehrere Konjunkturpakete, Arbeitsmarktpakete beschlossen, mit vielen wichtigen Maßnahmen – ob das die Kurzarbeitsregelung war, damit möglichst wenige Arbeitsplätze verloren gehen, ob das das Vorziehen öffent­licher Investitionen war, damit der Staat dort als Investor einspringt, wo Private nicht mehr einspringen können, oder ob das die Maßnahmen des Pakets gegen Jugend­arbeitslosigkeit waren, das auch sehr, sehr wesentlich war. – Und alle diese Maß­nahmen waren sehr erfolgreich.

Das Nächste, was wir hier beschlossen haben – leider nicht mehr einstimmig –, war die große Steuerreform, wo sehr, sehr viel Geld vor allem für die kleineren und mittleren Einkommen gekommen ist, zirka das 20-Fache der Steuerreform, die – weil Sie mit dem Kopf schütteln – die Orangen mitgemacht haben. (Abg. Scheibner: Tun Sie nicht Ihre vorbereiteten ... vortragen! – Abg. Strache: Das ist ja ein Holler, wieder! 2 Milliarden hat es gegeben, und 5 Milliarden hätten ...! – Das ist ja absurd! Das ist völlig absurd!) Es hat mehr Geld für Familien gegeben, und es sind bei dieser Steuerreform zum Beispiel auch Steuerprivilegien, die Sie gemeinsam, also Blau und Orange, eingeführt haben, gestrichen worden, nämlich die Steueroptionen für die Boni. Die haben wir gestrichen – etwas, was Sie eingeführt haben. Steuerprivilegien für Manager wurden auch gestrichen. (Beifall bei der SPÖ.)

Diese Maßnahmen waren erfolgreich – sie waren sehr erfolgreich. Man muss sagen, dass diese Bundesregierung hier in der Krise sehr erfolgreich agiert hat, wenn man sich anschaut, wie Österreich im Vergleich zu anderen Ländern in der Europäischen Union dasteht. Schauen wir uns an, wie es bei der Arbeitslosigkeit aussieht: Da hat Österreich die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit innerhalb der Europäischen Union. Bei der Jugendarbeitslosigkeit haben wir die drittniedrigste Arbeitslosigkeit in der gesamten Europäischen Union.

Und die Steuerreform hat vor allem eines verhindert: Nachdem die Exporte einge­brochen sind, nachdem die privaten Investitionen eingebrochen sind, haben wir es durch öffentliche Investitionen und vor allem durch den privaten Konsum durch die Steuerreform geschafft, dass der Inlandskonsum stabil bleibt und dass hier nicht noch mehr Arbeitsplätze verloren gehen und ein noch größerer Konjunktureinbruch statt­findet, wie in vielen anderen Ländern. – Heute ist es so, dass die Wirtschafts­forscher uns ein, wenn auch bescheidenes, so doch ein Wachstum für heuer und für die nächsten Jahre voraussagen.

Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, drei Fragen zu klären. Die erste bezieht sich in Wahr­heit darauf, noch die Lehren aus der Krise zu ziehen: Wie verhindern wir ein nächstes Mal? Die zweite Frage lautet, wie wir die Konjunktur und das Wachstum noch weiter stärken können. Und die dritte Frage lautet natürlich: Wie finanzieren wir die Kosten dieser Krise? Wie finanzieren wir die Ausgaben, die wir tätigen mussten, um die Auswirkungen der Krise möglichst gering zu halten?

Wir haben gestern im Rahmen der Aktuellen Europastunde auch schon klar dargelegt, dass die Sozialdemokraten die Ersten waren in Österreich – da hat Andi Schieder im September des letzten Jahres bereits das Finanzmarktreformpapier der Sozialdemo­kratie vorgestellt –, aber auch die erste und bisher einzige Partei auf europäischer Ebe­ne – wo gleich mit Beginn der Krise das Economic and Finance Network eingerichtet wurde, in dem nicht nur Politiker von sozialdemokratischen Organisationen sitzen, sondern genauso Wirtschaftsforscher, Gewerkschafter, Repräsentanten der Zivilgesell­schaft und im dem bereits seit eineinhalb Jahren daran gearbeitet wird, die richtigen Antworten zu geben –, die klare Antworten gegeben hat, wie wir aus dieser Krise herauskommen, wie wir sie finanzieren und auch, wie wir ein nächstes Mal verhindern. (Ruf bei der FPÖ: Es kommt nur nicht beim Wähler an!)


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Eine große Auszeichnung hat es auch gegeben, nämlich dass unser Staatssekretär im Finanzministerium, Andreas Schieder, vor wenigen Tagen zum Vorsitzenden dieses wichtigen politischen Think Tanks in Europa, was Wirtschafts- und Finanzpolitik betrifft, gewählt worden ist. Das ist eine ziemliche Auszeichnung nicht nur für ihn, sondern auch für Österreich (Abg. Petzner: Darum seid ihr europaweit so erfolgreich!), dass in diesem Bereich ein Österreicher zum Vorsitzenden gewählt worden ist, und darauf können wir alle stolz sein. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Petzner: Deswegen ist die SPÖ europaweit so erfolgreich!)

Heute geht es um die Rahmenbedingungen für die Frage: Wie finanzieren wir jetzt diese Krise in Österreich? (Abg. Ing. Westenthaler: Wann fängt denn der endlich mit seiner Rede an?) Die Regierung hat das Bundesfinanzrahmengesetz vorgelegt, in dem sie sagt, 60 Prozent wollen wir ausgabenseitig einsparen und zu 40 Prozent das Budgetdefizit einnahmenseitig reduzieren. Ich halte dies für sehr ausgewogen.

Es ist auch nicht mit dem Rasenmäher über die einzelnen Ressorts drübergefahren worden, sondern ganz explizit gesagt worden: Bei den wichtigen Zukunftsressorts Bildung, Wissenschaft, Forschung, auch bei Fragen der Sicherheit und vor allem im Bereich Soziales und Arbeitsmarkt gibt es geringere Sparziele als für die anderen Ressorts, weil hier sehr differenziert geantwortet werden muss, weil es vor allem auch darum geht, sich jetzt nicht noch tiefer in eine neue Krise hineinzusparen, sondern – das hat Kollege Kogler vollkommen richtig gesagt – weil es auch notwendig ist, sich aus der Krise hinauszuinvestieren und gerade in den Zukunftsbereichen auch zu schauen, dass wir jetzt Geld ausgeben, damit wir mit verbessertem Wachstum aus dieser Krise herauskommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Betreffend das ausgabenseitige Sparen hat zum Beispiel Frau Ministerin Schmied ein sehr viel beachtetes Papier vorgelegt, in dem sie klar gezeigt hat, wie sie sich das in ihrem Ressort vorstellt, nämlich dass man bei der Verwaltung spart und nicht bei der Zukunft der Kinder in der Schule. Ich kann nur von dieser Seite sagen – ich glaube, auch für die meisten anderen Parteien hier, jedenfalls aber für die SPÖ –, dass sie volle Unterstützung hat bei der Umsetzung der Verwaltungsreform innerhalb des Unterrichtsbereichs. (Abg. Dr. Rosenkranz: Ja, bei Häupl und Niessl! Das sind die Ersten, die da zustimmen!) Sie ist die Erste von den Regierungsmitgliedern, die das vorgelegt hat, in Abstimmung mit Kollegin Karl, und das ist vorbildhaft auch für alle anderen Kollegen, wie man mit der Verwaltungsreform hier klar Sparziele erreichen kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Als Letztes noch: Bei der einnahmenseitigen Frage geht es darum, dass wir die Grundsätze der Verursachergerechtigkeit verwirklichen, dass jene, die die Krise mitver­ursacht haben, und jene, die auch gerettet wurden, einen Beitrag leisten, dass es sozial gerecht ist – sprich, dass jene, die heute keinen oder einen zu geringen Beitrag leisten, wie Spekulanten, Stiftungen und dergleichen, einen besseren Beitrag leisten und da nicht mit Massensteuern gearbeitet wird – und dass es zukunftsgerecht erfolgt – das heißt, dass wir uns durch einnahmenseitige Maßnahmen auch nicht in der Zukunft Sachen verbauen, wie das durch Massensteuern der Fall wäre. (Beifall bei der SPÖ.)

11.51


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Auer. – Bitte.

 


11.51.35

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundeskanzler! Herr Vize­kanzler! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Kollege Bucher! An und für sich ist Ihr Mut, den Sie hier an den Tag legen, zu bewundern. Ich behaupte nicht, dass es Unverfrorenheit ist, aber Mut ist es schon, hier herauszugehen und dem Herrn


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Bundeskanzler oder dem Herrn Vizekanzler eine Weltkugel in die Hand zu drücken, damit der Blick oder der Durchblick besser wird. Offensichtlich ist dieses Kügelchen so klein, damit Ihr Kärnten nicht sichtbar ist, denn sonst würde man nämlich drauf­kommen, welches Desaster Sie dort verursacht haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Petzner: Was ist mit Raiffeisen? ... spekulieren?)

Es ist sensationell, was Sie dort anstellen. Man weiß ja nicht: Ist es die FPÖ oder ist es das BZÖ? Irgendwer war da einmal getrennt, dann war man wieder miteinander. Man weiß aber noch nicht genau, wer jetzt tatsächlich was vorhat in diesem Bundesland. (Abg. Strache: Der ÖVP-Martinz ist als Aufsichtsratspräsident gescheitert!)

Herr Kollege Petzner, Tatsache ist: Wenn es in Österreich eine Bank gibt, die größte Schwierigkeiten hat, dann gehen Sie in Ihr Bundesland! (Abg. Strache: Zum Herrn Martinz von der ÖVP!) Da haben Sie mehr als genug zu tun! In diesem Bundesland haben Sie mehr als genug zu tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Es wäre aber in diesem Zusammenhang auch einmal Folgendes zu fragen: Wo war denn der so viel gepriesene Rechnungshof, der uns immer erklärt, was zu prüfen ist? Ich erinnere mich, meine Damen und Herren: Wie hoch ist denn die Haftung dieses Bundeslandes bei dieser Bank? Was ist denn da passiert mit dem Rechnungshof? Hat er das nicht gesehen?

Da Herr Kollege Strache und andere meinten – um zum Thema zu kommen –, wir sollten uns nicht nur mit den negativen Beispielen, sondern auch mit den positiven Beispielen vergleichen – Schweiz, Norwegen wurden genannt –: Herr Kollege Strache! Wissen Sie, wie hoch in der Schweiz das Antrittsalter bei den Pensionen ist? (Abg. Mag. Stadler: Stellen Sie keine aussichtslosen Fragen!) Wissen Sie, wie viel Selbst­vorsorge sie dort zu treffen haben? Wissen Sie Bescheid über die Sozialversicherung, über die Gesundheitspolitik in der Schweiz? – Ich möchte mich mit diesem Land nicht vergleichen, meine Damen und Herren! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Und wenn Sie auch Norwegen zitieren, dann fragen Sie auch, wie hoch das Pen­sionsantrittsalter für Mann und Frau in Norwegen ist! (Zwischenruf des Abg. Hagen.) Vielleicht wäre, wenn man schon Norwegen zitiert, auch zu berücksichtigen, dass dort ein Ölreichtum vorhanden ist, den wir nicht haben, meine Damen und Herren! (Abg. Strache: Sie vergleichen sich lieber mit Griechenland!)

Und wenn man schon so auch auf die Banken in Österreich losgeht, dann sollte man – und darum würde ich bitten – ein bisschen differenzieren. Es gibt Banken, die Flops hingelegt haben – ja, das ist unbestritten. (Abg. Petzner: Raiffeisen zum Beispiel!)

Aber, meine Damen und Herren, vielleicht sollte man auch darauf hinweisen, welch gewaltige Leistungen die österreichischen Banken zur Sicherung der Wirtschaft, zur Sicherung der Arbeitsplätze täglich unter Beweis stellen – gleich, welche Banken das sind. Vielleicht sollte man einmal ein wenig darüber nachdenken, wie hoch die Wertberichtigungen in den letzten Jahren waren. (Abg. Bucher: Raiffeisen! Giebel­kreuz!) Da könnte man vielleicht auch nachsehen, wie viele Firmen oder wie viele Zigtausend Arbeitsplätze in Österreich durchgetragen werden, meine Damen und Herren. Durchgetragen werden! (Abg. Strache: Der Raiffeisen-Lobbyist! Der Herr Raiffeisen-Lobbyist steht heute am Podium! Der Klub der Raiffeisen-Fraktion spricht, heute im Auftrag von Herrn Konrad persönlich!)

Dem Herrn Kollegen Strache fällt nichts anderes ein, denn wenn jemand erfolgreich ist, hat er ein gewisses Problem damit. Das weiß ich. (Beifall bei der ÖVP.) – Aber da sei


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er getröstet. (Abg. Bucher: Warum wurde Raiffeisen vor über 100 Jahren gegrün­det? – Das sollten Sie einmal beantworten als Aufsichtsrat!)

Herr Kollege Bucher, für Sie gilt dasselbe wie für Ihren parteipolitischen Bruder aus früheren Zeiten: Den Neid muss man sich erarbeiten, das Mitleid kriegen Sie umsonst! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Der Raiffeisen dreht sich im Grab um, wenn er Sie hören würde! – Ruf: Schwarze Überheblichkeit!)

Tatsache ist, dass dieses neue Bundesfinanzrahmengesetz gewisse Vorgaben gibt, durchaus ein neues Feld, durchaus eine neue strategische Ausrichtung bedingt und vielleicht für das eine oder andere Ministerium nicht gerade einfach ist – das sei zuge­geben –, aber Tatsache ist, dass gerade auch diese Prognosen auf einige Jahre hinaus wichtig sind, um Rahmen abzustecken.

Wenn Sie ein bisschen vergleichen, welche Prognosen es seitens der Opposition zum Budgetsaldo, zum Budgetergebnis des letzten Jahres gab und welche Debatten­bei­träge hier dazu geliefert wurden, dann frage ich mich ganz einfach: Welche Prognosen haben gestimmt? Jene des Bundesfinanzministers oder Ihre Prognosen? – Tatsache ist, die Zahlen waren fast noch besser als die Punktlandung, die vom zuständigen Bundesminister prognostiziert wurde. Sie waren fast noch besser! (Abg. Bucher: Ja, 200 Milliarden Schulden! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine „Punktlandung“!) – Da können Sie sich etwas abpausen! (Ruf: Jetzt wird es peinlich!)

Und genauso wird es mit Ihren Prognosen in der Zukunft sein, denn Tatsache ist nun einmal, ob es Sie schmerzt oder nicht: Österreich steht besser da als viele vergleich­bare europäische Staaten (Abg. Bucher: Auf Kosten der nächsten Generation!), steht wesentlich besser da als manche Länder im europäischen oder internationalen Ver­gleich. Tatsache ist, wir haben eine bessere Beschäftigungsquote – aber wir reden immer nur von den Arbeitslosen!

Meine Damen und Herren, ich zeige Ihnen hier eine Statistik: Österreich hat seit 1985 ein Bevölkerungswachstum von knapp 11 Prozent, aber bei den Beschäftigungszahlen ein Plus von 35,8 Prozent! Das ist eine Leistung, die hier erbracht wurde! (Abg. Strache: Das passt logisch nicht zusammen, wenn wir immer mehr Arbeitslose haben!) Auch was die Arbeitslosigkeit international betrifft, steht Österreich wesentlich besser da! (Abg. Mag. Stadler: Man muss nicht alles glauben, was der ÖVP-Pressedienst aussendet! – Heiterkeit beim BZÖ.)

Das ist Gott sei Dank einmal nicht vom Pressedienst! Es würde selbst genügen, ... (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) Dass der Kollege Stadler manches Mal schwarz sieht, das wissen wir, das macht aber kein Problem. Aber mir ist es lieber, schwarz zu sehen, als rote Zahlen zu haben – was der Fall wäre, wenn ich nach Ihrer Politik vorgehen würde, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Bucher: Schwarze Steuerwolken über Österreich!)

Es ist nun einmal Tatsache – viele reden von Griechenland, manche wollen uns sozu­sagen in seine Nähe rücken. Tatsache ist aber auch: Österreich hat ein Budgetdefizit von unter Umständen rund 70 Prozent des BIP, knapp darüber. (Abg. Ing. Westen­thaler: Ein Wahnsinn!) – Das ist relativ hoch, unbestritten. Aber – ohne uns damit zu trösten –: Haben Sie schon einmal gesehen, dass Großbritannien 92 Prozent hat? (Abg. Ing. Westenthaler: Wie viel hat die Schweiz? – Abg. Bucher: „Mit der wollen wir uns nicht vergleichen!“) Haben Sie schon einmal gesehen, Herr Kollege, wie viel Amerika hat? Die kommen knapp an die 100 Prozent! Ganz zu schweigen von den Japanern, die bei 186 Prozent liegen und Schwierigkeiten haben. (Abg. Strache: Wie schaut es in Marokko aus? Das wäre doch ein Vergleichsland für Sie! – Abg. Bucher: Bangladesch? – Das wären vielleicht unsere Vorbilder!)


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Jetzt weiß ich, das ist kein Trost, gar keine Frage, aber Tatsache ist, wir sollten nicht immer nur das Negative sehen.

Vielleicht wäre aber auch einmal nachzudenken über die Frage – gestern gab es ja die Aktuelle Europastunde mit dem Titel: „Die Krise überwinden – mit sozialer Gerechtig­keit ...“ –: Ist es sozial gerecht, in Europa derartig unterschiedliche Pensionsantrittsalter zu haben? Vielleicht wäre da auch mit in Betracht zu ziehen, dass jene Länder, die am meisten in die Europäische Union einzahlen, die höchsten Antrittsalter haben und andere sich nicht darum kümmern. Vielleicht wäre aber auch einmal darüber nach­zudenken, wenn man sozial und gerecht sein will: Wenn man alles besteuern will und alle möglichen Abgaben erfindet, wo bleibt denn die Besteuerung des Flugbenzins? (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vilimsky. – Bitte.

 


11.59.05

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kollegen! Ich habe den Eindruck, wir haben nicht nur eine veritable Finanz- und Wirtschaftskrise, sondern in erster Linie eine Regierungskrise: Wir erleben zurzeit die wahrscheinlich schwierigste Stunde in der Zweiten Republik, was den österreichischen Arbeitsmarkt betrifft, was das österreichi­sche Budget betrifft, was den Schuldenstand von über 200 Milliarden € betrifft, was einen explodierenden Zinsendienst betrifft – und beide, Kanzler und Vizekanzler, stellen sich vor den österreichischen Nationalrat, sondern eine Plattitüde, einen Steh­satz nach dem nächsten ab und sind genauso wenig, wie sie in den Ausschüssen in der Lage sind, eine Regierungsvorlage einzubringen, auch hier nicht in der Lage, dem österreichischen Nationalrat im Konkreten zu präsentieren, was sie an Vorhaben für die kommende Zeit in Planung gesetzt haben, damit Österreich nicht noch weiter absackt.

Eines muss man schon sagen in Richtung des Herrn Klubobmann Cap: Herr Klub­obmann, so geht es nicht! Sie stellen sich hier vor den Nationalrat – ich schätze ja sonst Ihre Bemühungen um den Parlamentarismus; Sie waren dabei nicht sehr erfolg­reich, aber Ihre Bemühungen in Ehren – und dodeln die drei Oppositionsparteien herunter wie irgendwelche Lausbuben, die nicht zustimmen wollen, weil der Tag heute nicht schön ist. – So geht es nicht! Das kann man in der Sektion Hernals machen, aber nicht vor dem österreichischen Nationalrat. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Cap, Sie sind Klubobmann der Kanzlerfraktion! Ein bisschen zu schimpfen auf die Londoner City und die Wall Street ist in Ordnung – das ist das Programm für die Sektion Hernals –, aber nicht hier in Ihrer Funktion, das sage ich Ihnen auch ganz deutlich. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Cap: ... Bezirk, darauf lege ich Wert!)

Bei den Roten habe ich generell den Eindruck, dass hier sehr viel Wasser gepredigt, aber dann doch sehr viel Wein getrunken wird. Schauen Sie einmal, wir haben ein Ereignis vor uns, bei dem man sieht, dass die Koalition funktioniert. Es gab eine kleine Anmerkung in der Tageszeitung „Heute“: Dort steht über Bürgermeister Häupl, der ein Feinschmecker der besonderen Art ist, dass ihm am 11. Mai vom Gault Millau der Titel des „Feinschmeckers des Jahres“ verliehen wird. Und dreimal dürfen Sie raten, wer die Festrede hält (Abg. Strache: Na wer? Der Konrad! Das ist die Verschränkung!): Das ist Christian Konrad. – Also im Kulinarischen gibt es durchaus eine Koalition, die funktioniert; im Inhaltlichen funktioniert sie überhaupt nicht.


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Jetzt möchte ich Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben – Griechenland ist heute hier sehr oft beschworen worden, und wir reden von 30 Milliarden €, die in Wahrheit 45 Milliarden € sind, denn die 15 IWF-Milliarden vergisst man dabei gerne –: In Wahr­heit ist ein Finanzbedarf von mindestens 80 Milliarden € gegeben, und wenn Sie ein bisschen über den Tellerrad der österreichischen Politik hinausblicken und sich heute etwa ein Interview des Chefvolkswirtes der Deutschen Bank ansehen, in dem es heißt, dass Griechenland 2011 weitere Zahlungen benötigen wird und – international ge­sehen; in Österreich hört man das nicht so – die Portugiesen jetzt ebenfalls an die Türe in Brüssel anklopfen – „Daily Telegraph“ von gestern – und dass hier ebenfalls Milliar­den benötigt werden, dann behaupte ich: Im Hinblick auf die Interessen der öster­reichischen Steuerzahler ist es grob fahrlässig, dass Sie einen Kredit über 900 Mil­lionen € aufnehmen, die Sie den Griechen als Kredit weitergeben wollen, denn das Geld können Sie abschreiben.

Es war so, dass Sie und Sie uns und der österreichischen Bevölkerung weismachen woll­ten, der Euro ist die größte Erfolgsstory, die es überhaupt gibt. Mitnichten, Herr Vizekanzler! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Geh bitte!) Wir haben von Anfang an davor gewarnt: Machen Sie das nicht, dass Sie schwache Volkswirtschaften und starke Volkswirtschaften miteinander vermischen, weil das auf Kosten der starken Volkswirtschaften geht! (Beifall bei der FPÖ.)

Und die zweite Warnung war, dass Sie jene Länder, die eine Hartwährungspolitik be­trieben haben, nicht vermischen sollen mit jenen, die eine Weichwährungs­philo­sophie haben, wie eben die südeuropäischen Länder. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Wir reden ja nicht nur von Griechenland, sondern wir reden auch von Italien, wir reden von Portugal und wir reden von Spanien, die heute 20 Prozent Arbeitslosigkeit haben. Auch das verschweigen Sie hier! (Abg. Amon: Das ist aber keine Weichwährungspolitik ...!)

Die Portugiesen werden jetzt noch zu finanzieren sein; im Sommer kommen Milliarden für die Spanier dran. – Auch wir zahlen das alles mit, und das ist eine Politik, von der ich sage, sie ist mit Sicherheit nicht im Interesse der österreichischen Steuerzahler. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich sage Ihnen: Das Konzept der Globalisierung und der Internationalisierung ist ge­schei­tert. Es findet auch statt, ohne die Bevölkerungen zu fragen. Wir haben 27 Länder in Europa, deren Bevölkerung nicht gefragt wurde über den Euro, über die Europäische Verfassung und darüber, wie es weitergehen soll – trotzdem wird es durchgepeitscht. Und Sie als Sozialdemokraten sollten sich die Frage stellen, was man inhaltlich tun könnte, nämlich, was man über das Schimpfen auf London und New York hinaus tun könnte.

Ich gebe Ihnen zwei Sachen mit auf den Weg: Glass-Steagall Act aus dem Jahre 1933 zum Beispiel (Abg. Strache: So ist es!), mit dem in der Depression beschlossen wurde, dass beim Bankgeschäft eine Trennung in das klassische Bankgeschäft und das Investmentgeschäft erfolgt. 60 Jahre lang hat das gehalten, bis irgendwann die Türen aufgegangen sind – das war aber nicht in den Dreißigerjahren. (Abg. Strache: Deregulierung auf ... der EU!) Heute diskutiert man in den USA darüber, das wieder einzuführen. Da höre ich überhaupt nichts von Ihnen. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich frage mich, im Sold welcher Bankleute Sie stehen, dass Sie hier nicht diese zen­trale Diskussion beginnen? – Das ist der Schlüssel: das Bankgeschäft vom Invest­mentgeschäft zu trennen. Wenn das nicht gelingt, haben wir ein Bankenpaket II und ein Bankenpaket III und können bald zusperren! (Beifall bei der FPÖ.) Da tun Sie nichts und gehen lieber ins „Steirereck“ feiern und lassen sich von Christian Konrad bejubeln, welch tolle Feinschmecker es in Ihrer sozialdemokratischen Spitze gibt.


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Reden wir auch – rein strukturell – nicht darüber, wo wir Österreicher sparen sollen, sondern reden wir darüber, ob wir die Zahlungen an Brüssel nicht zurückfahren könn­ten, unsere Netto-Millionen, weil wir sie jetzt brauchen und die Zeit für uns nicht mehr gegeben ist, das zu machen.

Eine internationale Geschichte gebe ich Ihnen noch mit auf den Weg: EU-Bürokratie. Auch da machen Sie überhaupt nichts, es kommt nicht einmal eine Beteuerung! Die Briten haben das gemacht: Die Briten haben ein Gesetz beschlossen, wonach jedes Gesetz auf seine Kosten hin evaluiert werden muss. In Großbritannien ist es so, dass 124 Milliarden Pfund nur für die EU-Bürokratie draufgehen, dafür, dass eine Vielzahl von Kommissaren nichts anderes macht, als die eigene Funktion zu rechtfertigen, das alles in 27 Mitgliedsländern umgesetzt werden muss und die Bürokratie uns allen von der Kostenseite her davonläuft.

Machen Sie etwas! Die Zeit drängt. – Zuzuwarten bis in den Spätherbst wird nicht möglich sein, denn da wird alles noch viel, viel schlechter sein. Stellen Sie sich einmal auf die Hinterfüße! Erreichen Sie irgendetwas in Brüssel und stellen Sie sich nicht her mit irgendwelchen Plattitüden und mit Schimpforgien auf London und auf New York. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.06


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Jetzt wird es hoffentlich seriöser! – Abg. Krainer: Das ist sicher!)

 


12.06.29

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Meine Damen und Herren! (Beim Versuch, das Rednerpult auf die passende Höhe einzustellen, senkt sich dieses immer weiter. – Abg. Strache: Oje, oje! – Abg. Mag. Stadler: ... der Vorredner! Der Herr Vorredner hat sich an das Rednerpult verkrampft!) – Oje, oje! Die Mechanik im Parlament ist eindeutig verbesserungsbedürftig. Die Fernsehzuschauer sehen, dass die eine oder andere kleine Reparatur tatsächlich notwendig ist.

Meine Damen und Herren, ich habe nichts gemacht, außer auf einen Knopf gedrückt – und das Ergebnis ist katastrophal. Das trägt aber zu meinem Frohsinn wenig bei: dem Frohsinn, den Kollege Cap vorhin beschrieben hat.

Thema Griechenland. – Ja, es stimmt schon, Herr Bundeskanzler: Österreich ist von griechischen Zuständen noch weit entfernt, vollkommen richtig! Die Griechen haben nicht nur eine Liquiditätskrise, sondern mittlerweile auch eine Insolvenzkrise, und das hat Österreich noch nicht, aber Ähnlichkeiten gibt es schon. Die Griechen sind ja nicht von heute auf morgen in diese Situation geschlittert. Die Griechen haben mindestens zehn Jahre lang die Augen vollkommen verschlossen, sie waren blind gegenüber den wirtschaftspolitischen Realitäten in ihrem Land und den Notwendigkeiten, die es zu tun gegeben hätte – und da gibt es Ähnlichkeiten mit Österreich, das muss ich Ihnen sagen. (Zwischenruf des Abg. Eßl.) Und das zeigt sich deutlich in diesem soge­nannten – sogenannten! – Strategiebericht, den Sie heute hier dem Parlament vorle­gen. Anlass zu Frohsinn, Herr Kollege Cap, sehe ich da überhaupt nicht.

Was soll das überhaupt, dieser Aufruf zum nationalen Schulterschluss? Was hat Herr Kollege Cap gesagt? – Wir sollen nicht mieselsüchtig dreinschauen, sondern gemein­sam mit den Regierungsparteien ein bisschen fröhlich sein. – Also was jetzt? Vielleicht um 12.10 Uhr ein kleines Tänzchen hier auf dem Parkett einlegen? – Das scheitert ja schon am Männerüberschuss im SPÖ-Klub. Da müsst ihr ja vorher eine anständige Frauenquote haben! (Heiterkeit und Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 69

Von diesen operettenhaften Beschwichtigungsversuchen halte ich nun einmal gar nichts. Bei Griechenland haben wir wirklich über die Zeit erlebt, wohin das führt. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Cap.)

Wenn man in diesem sogenannten Strategiebericht nach überprüfbaren Zielen sucht, Herr Kollege Stummvoll – er ist leider nicht da –, nach quantifizierbaren Zielen, die man nachprüfen, überprüfen kann, nach Fristen, in welchem Zeitraum was erreicht werden soll, findet man nichts davon. Jeder Unternehmensvorstand – da wird mir Kollege Bucher zustimmen – würde so etwas als vollkommen unzureichend zurückweisen, aber unsere Bundesregierung kann natürlich das an sich gute Konzept des Finanz­rahmengesetzes samt des zugehörigen Strategieberichtes auf diese Art verhunzen.

Das ist kein Strategiebericht, und das ist nicht einmal die Schuld des Finanz­minis­te­riums – jedenfalls nicht allein –, sondern die Ressorts sind offensichtlich unfähig, außer einigen Schlagworten irgendetwas zu benennen, was man dann sinnvollerweise als Strategie erkennen kann. Das zieht sich quer durch alle Kapitel, aber so richtig – auf gut Österreichisch ausgedrückt – geht einem – wie sagt man? – das Geimpfte auf, wenn man sich die Themen Bildung, Forschung und Entwicklung anschaut. Das ist wirklich interessant!

Im Vorwort, das mit „Budget- und wirtschaftspolitische Zielsetzungen“ überschrieben ist, lesen wir noch, „dass im Rahmen der Konsolidierungsstrategie Bildung und For­schung bevorzugt werden“ – bevorzugt werden! Dann schauen Sie sich doch einmal die Zahlen genau an, denn im Gegensatz zum Text, im Gegensatz zu den Worten, die da verwendet werden, lügen die Zahlen im Allgemeinen nicht – vorausgesetzt, sie sind nicht frei erfunden, aber diese Zahlen hier sollen ja Obergrenzen für die Ausgaben für die kommenden fünf Jahre, bis 2014, sein.

Wissenschaft und Forschung – das sind im Wesentlichen Universitäten –: konstant, leicht fallend, nominell von 3,7 Milliarden € auf 3,6 Milliarden € 2014. Das ist der Wis­sen­schaftsschwerpunkt der österreichischen Bundesregierung! Das ist genau die griechi­sche Politik der letzten zehn Jahre.

Was haben wir uns den Mund fusselig geredet! Bei Grasser hat das angefangen. Da haben wir noch gedacht: Na gut, der hat so eine Autohändlermentalität, hoher Umsatz, keine Investitionen, das ist halt irgendwie so. – Man hat Jahr für Jahr gehofft, es ändert sich etwas.

Jetzt können wir nicht mehr Jahr für Jahr hoffen. Das soll jetzt auch fünf Jahre bindend sein, bis 2014. Da soll man wirklich Frohsinn entwickeln, Herr Kollege Cap?!

Gehen Sie einmal auf die Uni: Reden Sie mit den Rektoren, reden Sie mit den Stu­dierenden und verbreiten Sie dort Ihren Frohsinn! (Beifall bei den Grünen.) Da bin ich aber gespannt, wie Sie zurückkommen.

Unter den Zielen der Wissenschafts- und Forschungspolitik steht unter anderem Fol­gen­des – ich kann irgendetwas herausgreifen –: „Qualitätssicherungssystem für den tertiären Bildungsbereich“. – Na, welche Qualität soll da gesichert werden, ohne die ausreichenden Euro, Herr Kollege Cap?  Erklären Sie uns das!

Weiter unten steht „Etablierung Österreichs als Wissenschafts- und Forschungs­stand­ort“. – Echt, Etablierung? Ich dachte, solch einen Standort haben wir schon, nur ist er halt zweit- oder drittklassig. Wir haben hier budgetmäßig einen Fahrschein in die Zukunft. Den Fahrschein haben wir, nur ist es dritte Klasse Holzbank. – Das ist es, was Sie unter Prioritätensetzung im Bereich der Wachstumspolitik verstehen!

Mir geht es ja nicht um die Professoren an sich – aber ich habe halt das Pech, dass ich einer bin –, sondern dass hier die wichtigen wachstumspolitischen Schwerpunkte für


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die Zukunft gesetzt werden müssen. Lesen Sie doch wenigstens die ... Ich weiß nicht, lesen reicht da offenbar nicht.

Das Aiginger-Interview gestern im „Standard“? – Spurlos vorübergegangen. WIFO-Monatsbericht März 2010 (den betreffenden Bericht in die Höhe haltend), vor wenigen Tagen herausgekommen: praktisch ausschließlich über erfolgreiche Konsolidierungs­stra­tegien. Ist irgendetwas dieser Konsolidierungsstrategien in diese Strategie einge­gan­gen, irgendetwas? Dort tritt man nämlich tatsächlich für einen Ausbau des Bildungs- und Wissenschafts- und Forschungsstandorts Wien und Österreich ein. Sie nicht – Sie nicht! (Beifall bei den Grünen.)

So werden Zukunftschancen vergeigt, so werden Wachstumsaussichten vergeigt – und das ist dieselbe Blindheit wie in Griechenland. Diesen Vorhalt mache ich Ihnen. In fünf Jahren sprechen wir uns wieder, und dann, wenn das eingehalten wird, werden wir leider noch viel weniger Sinn für Ihren Frohsinn haben, Herr Cap, als heute schon.

Abgesehen davon ist wirklich ärgerlich, was beim Außenministerium passiert. Das muss man sich einmal vorstellen: Das Außenministerium ist bisher schon am Zahn­fleisch gegangen, was das Budget betrifft (Präsident Neugebauer gibt das Glocken­zeichen.) – das waren lächerliche 500 Millionen € für alles –, und das sinkt bis 2014 real um 20 Prozent. (Abg. Kickl: Das war auch logisch, mit der EU!) Ja, wissen Sie, was das bedeutet? – Das ist die Aufgabe einer Außenrepräsentanz Österreichs! Das ist wirklich der Bankrott. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) – Leider habe ich nur 7 Minuten Redezeit, und der Herr Präsident verkürzt diese weiter.

Außerdem sind die Länder – diesen Satz gönnen Sie mir noch –, die Bundesländer, plötzlich aus der Konsolidierung vollkommen ausgenommen; im Jänner waren sie noch drinnen. In dem, was Sie nach Brüssel gemeldet haben, ist das Defizit der Länder und Gemeinden zusammengenommen von 2010 bis 2014 auf null zurückgestuft worden. Es bleibt jetzt unverändert! (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glocken­zeichen.)

Umso mehr soll der Bund, sollen wir wieder einmal machen. Wir sollen das alles verantworten, was die Länder nicht machen. (Beifall bei den Grünen.)

12.14


Präsident Fritz Neugebauer: Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Sie haben um 26 Sekunden überzogen, Herr Professor Van der Bellen. (Abg. Mag. Kogler: Ja, aber das waren ehrliche 26 Sekunden, Herr Präsident, keine ... 26 Kanzler...!)

Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


12.14.25

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Meine Damen und Herren! Ich bin froh, dass es Kollegem Van der Bellen nicht nachhaltig gelungen ist, das Rednerpult zu zerstören. Wir haben ja schon gestern in der Debatte immer wieder von den Regierungsfraktionen gehört – beispielsweise sehr erfrischend von Frau Abgeordneter Rudas –, es gäbe keine Vorschläge der Opposition und man würde von Regie­rungsseite darauf warten, endlich eine Guidance zu bekommen, wie man Österreich aus dieser Krise, aus dieser Wirtschaftskrise herausführt.

Sie haben das Pech, das jetzt immer wieder Fernsehübertragungen gemacht werden (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz), und die Bevölkerung hat sich ja heute ein Bild davon machen können, welche Strategien Sie von den Regierungsfraktionen hier haben. (Zwischenruf des Abg. Amon.)

Stimmt, das ist wunderbar: Wir haben die Vergleiche mit Großbritannien betreffend das Pensionsalter gehört (Abg. Bucher: Uganda, Bangladesch!), aber, Herr Kollege Cap –


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Sie wissen, wir diskutieren diesbezüglich immer wieder sehr gern –, das hat mich schon wirklich gewundert, dass gerade Sie von der Sozialdemokratie jetzt das mit dem 50 : 50 hier sagen; der Bundeskanzler sagt jetzt noch 60 : 40, also 60 Prozent Ein­sparungen, 40 Prozent Steuererhöhungen. (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll. – Zwischenruf des Abg. Bucher.)

Na ja, aber der Klubobmann der sozialdemokratischen Fraktion sagt: Sie wissen eh, das wird einmal 50 : 50 werden! – Schwamm drüber, ist ja nicht so tragisch. Herr Kollege Cap! 1,2 Milliarden € macht das aus, Ihr Fifty-fifty-Unterschied. – Also 1,2 Milliarden €, so flapsig, noch zusätzlich an höheren Steuern. Das ist mehr als das Doppelte des Familienpakets, das ist das gesamte Justizbudget, das ist das Dreifache des Budgets des Außenministeriums, dieses Fifty-fifty! (Abg. Ing. Westenthaler: Wie kommt er überhaupt dazu? – Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Ja, schmecks!

Meine Damen und Herren, genau das ist das Problem, mit dem wir uns hier auseinanderzusetzen haben. Wenn wir wollen, dass Österreich aus der Krise herauskommt – die Wirtschaft, aber auch die Bürger –, dann brauchen wir vor allem eines: Vertrauen in die Politik und Berechenbarkeit der Politik, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf der Abg. Mag. Rudas.)

Wir brauchen nicht solche Bemerkungen und auch nicht dieses Drüberfahren über die Opposition, sondern wir brauchen zunächst einmal die Kaufkraft der Bevölkerung. Sie, Herr Bundeskanzler, haben gesagt, Sie wollen die Kaufkraft stärken und nicht beein­trächtigen! (Abg. Dr. Cap: Was sind die Vorschläge?) – Ja, ja, die kommen, die kommen, Herr Cap! Ab dem heutigen Zeitpunkt brauchen wir von Ihnen jedenfalls keine Ratschläge mehr bei Vorschlägen (Abg. Dr. Cap: Vorschläge! Vorschläge! Nicht Ratschläge, Vorschläge!), weil fifty-fifty, diese Vorschläge, dass man dem Steuerzahler flapsig weitere eineinhalb Milliarden Euro hinaufdividiert, werden Sie von uns nicht hören. Das brauchen wir nicht, nein! (Beifall beim BZÖ.)

Wir brauchen eine Stärkung der Kaufkraft, meine Damen und Herren, wir brauchen das Vertrauen der Bevölkerung (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Rudas und Dr. Cap), dass sie auch investieren kann, wir brauchen Vertrauen der Wirtschaft. Die Wirtschaft, Herr Kollege Cap, schafft Arbeitsplätze, nicht die Politik, auch wenn Sie das vielleicht in Ihrer Karl-Marx-geschwängerten Bibliothek herauslesen können. (Abg. Dr. Cap: So geht es doch auch wieder nicht!) Wir brauchen das Vertrauen der Wirtschaft, dass sie auch entsprechend organisiert wird, und wir brauchen einmal – und das wäre interessant gewesen, Herr Kollege Cap – eine Aufgabenkritik. (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Rudas und Dr. Cap.)

Jetzt wäre die Zeit, dass wir einmal eine konkrete Diskussion über die Aufgaben des modernen Staates führen (Abg. Dr. Cap: Was ist der Vorschlag?), über eine schlanke Verwaltung, über eine Neuorientierung des Gesundheitssystems. (Abg. Dr. Cap: Was ist Ihr Vorschlag?) Es gibt ja in Ihrer Fraktion und in Ihrer Regierungsmannschaft sogar Leute, die Vorschläge haben, die Frau Unterrichtsministerin zum Beispiel. (Abg. Dr. Cap: Kann man das ins Protokoll aufnehmen? Er hat keine Vorschläge!)

Die Vorschläge der Unterrichtsministerin decken sich absolut mit unseren, wenn sie sagt, dass die Schulverwaltung bundesweit einheitlich koordiniert gehört, dass eine Ver­waltungsebene, nämlich die Bezirksschulräte, abgeschafft gehört, dass ein einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht für alle Lehrer installiert gehört – wunderbar! Das hat sie im Ausschuss gemeinsam auch mit Frau Ministerin Karl als Position der Regierung hier vorgetragen. – Ich habe ihr gesagt – weil Sie von Vorschlägen reden –: Zu 100 Prozent unterstützen wir das, denn das sind auch unsere Vorschläge und das sind auch die Vorschläge des Rechnungshofes.


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Und dann haben wir gefragt, wie wir es umsetzen, und wir haben gesagt: Gehen wir daran, das gemeinsam umzusetzen! – Daraufhin sagt dieselbe Frau Ministerin, die gute Ideen hat, sie habe kein Pouvoir, also keine Kompetenz, um das zu verhandeln (Abg. Ing. Westenthaler: Weil der Herr Cap 50 : 50 gesagt hat!), das müsste man mit den Ländern verhandeln. Das ist die jetzige Situation, Herr Kollege Cap.

So, und was ist jetzt mit ihm? – Jetzt ist er ruhig, jetzt versinkt er wieder in seine Notizen, denn da hört es nämlich auf! Meine Damen und Herren, auch wenn Sie Vor­schläge haben, trauen Sie sich nicht, sie durchzusetzen, weil Sie Angst haben vor den Landeshauptleuten, ganz egal, von welcher Fraktion sie kommen. Das ist ja das Problem, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Da brauchen wir eine starke ... (Zwischenbemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) – Nein bitte, machen Sie das nicht! Der Herr Vizekanzler, meine Damen und Herren, das ist ja überhaupt das Beste: Wir haben Österreich-Gespräche! – Das stimmt doch überhaupt nicht. Wo sind die Initiativen, damit wir endlich einmal wenigstens ein einheitliches Pensionsrecht im öffentlichen Dienst zusammenbringen, Bund, Länder und Gemeinden? – Das wären einmal interessante Dinge, um entsprechend zu sparen. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Immer wenn wir über die Kompetenzen auch der Länder diskutieren, kommt sofort das „Njet!“ aus den Landesbüros, und der Herr Vizekanzler und auch der Herr Bundes­kanzler sagen: Na ja, da können wir dann leider nichts machen! Das wäre einmal eine interessante Sache, anstatt ein Strategiepapier vorzulegen, aus dem wir eines konkret erfahren – wirklich wahr; dabei ging es um die Strategie für die Zukunft –: dass in der Präsidentschaftskanzlei eine neue Telefonanlage installiert wird. (Abg. Ing. Westen­thaler: Na bravo! Perfekt!) Das lesen wir in diesem Strategiepapier der österreichi­schen Bundesregierung; leider wirklich ein bisschen wenig.

Es geht doch wirklich darum, Schwerpunkte zu setzen, Schwerpunkte etwa im Bereich der Sicherheit. Meine Damen und Herren, wenn Sie bei der Landesverteidigung so viel einsparen wollen, wie Sie jetzt vorgeben, dann können Sie sie gleich auflösen, wenn Sie nicht endlich auch dazu übergehen, hier neue Strukturen zu schaffen. (Zwischen­bemerkung von Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll.) – Nein. Sie könnten zum Beispiel ein Freiwilligenprinzip schaffen, anstatt teure Grundwehrdiener zu finanzieren, die man nicht einsetzen kann. Das nur als kleines Beispiel.

Es geht darum, auch im Gesundheitsbereich endlich einmal einen Philosophiewechsel im Bereich Prävention herbeizuführen. Nicht jedes Spital in jedem Bundesland sollte die teuersten Geräte anschaffen – für sich selbst, aus reinen Prestigegründen –, die dann nicht ausgelastet sind.

Das alles ist notwendig, und das ist sehr mühsam, Herr Vizekanzler und Finanz­minister, Herr Bundeskanzler, sehr mühsam, denn da haben Sie überall mit Wider­stand zu rechnen. Es wäre aber sinnvoll und effizient und auch im Sinne einer sparsamen öffentlichen Verwaltung. (Beifall beim BZÖ.)

Einfacher ist es natürlich, den Steuerzahler zur Kasse zu bitten. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Der Herr Bundeskanzler und der Herr Vizekanzler haben noch vor wenigen Wochen garantiert: Es gibt keine neuen Steuern! – Jetzt überbieten sie sich mit neuen Vorschlägen für neue Steuern, aber auf wirklich sinnvolle Einsparungen durch eine Strukturänderung, durch einen Philosophie­wechsel warten wir leider vergeblich. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Darin, Herr Kollege Cap, würden wir Sie zu 100 Prozent unter­stützen. Aber Sie lassen ja sogar diejenigen, die Ideen haben – wie Ihre Unterrichts­ministerin –, im Regen stehen. (Beifall beim BZÖ.)

12.21



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 73

Präsident Fritz Neugebauer: Im Einvernehmen mit den Fraktionen sind die nächsten fünf Redebeiträge mit 4 Minuten und die übernächsten fünf Redebeiträge mit 3 Minuten limitiert.

Zu Wort gelangt nun Frau Kollegin Csörgits. – Bitte.

 


12.22.04

Abgeordnete Renate Csörgits (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Herr Kollege Scheibner, ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört (Abg. Bucher: Das glaube ich nicht!) und muss Ihnen sagen: Vorschläge haben Sie keine gebracht, aber das sind wir vom BZÖ auch gar nicht gewohnt. (Beifall bei der SPÖ.)

Sie sprachen unter anderem von Vertrauen. – Eines ist ganz deutlich: dass man dieser Bundesregierung unter der Führung von Bundeskanzler Faymann vertrauen kann, denn diese Bundesregierung hat in der Krise schnell und gut reagiert und viele Maß­nahmen gesetzt. Ich erinnere nur an die zwei Konjunkturpakete und an die Steuer­reform. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang sind mir auch die drei Arbeitsmarkt­pakete mit Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen, die hunderttausend Arbeitsplätze in Österreich abgesichert beziehungsweise geschaffen haben.

Sehr geschätzte Damen und Herren, durch diese rasche und gute Hilfe ist es gelungen, dass nach Monaten der Krise erstmals ein Rückgang bei den Zahlen der vorgemerkten Arbeitslosen in Österreich zu verzeichnen ist; ein kleiner Rückgang nur, aber ein Rückgang. Ich denke, es ist ganz entscheidend, dass dieser hervorragende, gute Weg, der eingeschlagen worden ist, auch weiter fortgesetzt werden muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Folgendes möchte ich ganz deutlich sagen, sehr geschätzte Damen und Herren: Diese Maßnahmen, die Wirkungen zeigen, sind nicht von selbst gekommen, sondern da wurde tolle Arbeit geleistet, vorbereitend von den Sozialpartnern einerseits und – und dafür gilt ihm mein ganz besonderer Dank – vom Sozialminister andererseits, der in mühsamen Verhandlungen gemeinsam mit dem Wirtschaftsminister diese Pakete auf den Weg gesetzt hat, die jetzt Wirkung zeigen und den Menschen in Österreich wirklich Hilfestellung geben. Herzlichen Dank dafür! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Amon.)

Natürlich – auch das ist schon gesagt worden – hat das Geld gekostet. Es wurde viel Geld in die Hand genommen, aber genau dieses In-die-Hand-Nehmen von Geld war notwendig, gut und richtig. Das sagt uns auch die OECD.

Sozialleistungen haben die Auswirkungen der Krise in Österreich deutlich entschärft. Jeder Euro, sehr geschätzte Damen und Herren, der in Sozialtransfer investiert wird, ist eine Maßnahme, die zweieinhalbfache Wirkung zeigt. Das heißt, Konjunkturpro­gramme, Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe, aber auch Pensionen sind ein wesentlicher Bestandteil dafür, dass sich die finanzielle Situation der privaten Haus­halte stabilisiert und natürlich auch wieder Mittel in die öffentliche Hand zurückfließen können. Das ist wichtig, entscheidend und gut.

Was lernen wir daraus? – Dass der Sozialstaat einen ganz wichtigen Beitrag in der Krise geleistet hat. Wir müssen die soziale Absicherung verbessern und nicht in Frage stellen, sehr geschätzte Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Daher ist es ganz wichtig, dass einerseits Maßnahmen gesetzt werden, damit das zarte Pflänzchen Konjunktur nicht wieder – ich sage das jetzt auf Wienerisch – eingeht, dass aber auf der anderen Seite auch sichergestellt ist, dass nicht jene Menschen zur Kasse gebeten, die die Krise nicht verursacht haben. Wen meine ich damit konkret? – In erster Linie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Arbeitslosen in Öster­


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reich. Diese haben durch ihren Jobverlust oder auch durch Kurzarbeit bereits einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet.

Alle Maßnahmen, sehr geschätzte Damen und Herren, die Menschen motivieren, wie­der in den Arbeitsprozess einzusteigen, und die Jobs schaffen, sind sinnvolle Maß­nahmen. Daher bin ich auch sehr froh darüber, dass in diesem Strategiebericht gute, wichtige Zielsetzungen angeführt sind (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Da steht überhaupt nichts drin!); so zum Beispiel auch Qualifizierungsmaßnahmen von Arbeitslosen.

Abschließend: Es ist klar, dass gespart werden muss. Alle müssen ihren gerechten Beitrag leisten. Aber es kann nicht so sein, dass als Mittel zur Budgetkonsolidierung Massensteuern eingeführt beziehungsweise vielleicht auch nur leicht erhöht werden, sondern es müssen auch die Superreichen in diesem Lande ihren gerechten Beitrag leisten. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


12.26.32

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Herr Bundeskanzler! Werte andere Regierungsmitglieder! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dem Kollegen Bucher, den ich eigentlich sehr schätze, dessen Wirtschaftskompetenz ich auch immer wieder sehr schätze (demons­trativer Beifall beim BZÖ), zugehört und mir gedacht, in Wirklichkeit ist die Opposition immer dafür gut, dass sie den Menschen in diesem Land Sand in die Augen streut. (Ruf beim BZÖ: Die Regierung!) Nein, Sie sind schon auch dafür verantwortlich, denn Sie haben heute hier gesagt, wir sollen uns nicht mit Griechenland vergleichen – was wir zweifelsohne nicht tun! Wir warnen nur davor, was passieren kann, wenn man nicht gegensteuert, wenn man ständig Schulden macht und diese Schulden nicht auch wieder abbaut.

Sie haben gesagt, wir sollen uns lieber mit Norwegen und der Schweiz vergleichen. – Beide Länder sind nicht in der EU, ich weiß also nicht, warum wir uns mit diesen beiden Ländern vergleichen könnten, wenn wir doch in der EU und auch in der Währungszone sind. (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und FPÖ. – Abg. Neubauer: Das war gut!) Das kann man überhaupt nicht miteinander vergleichen. (Abg. Scheibner: Möchten Sie damit sagen, dass es besser wäre, wenn wir nicht in der EU wären?)

Ich möchte aber schon auch Folgendes sagen, und ich glaube, das muss man auch zurechtrücken: Wir haben seit dem Jahr 2000 eine sehr gute und auch sehr wesentliche Wirtschafts- und auch Steuerpolitik betrieben. Wenn man sich die Defizit­zahlen und die Defizitentwicklung anschaut, dann sieht man ganz deutlich, dass wir beispielsweise in den Jahren 2001 und 2002 ein Defizit gegen null beziehungsweise einen ausgeglichenen Haushalt hatten und erst wieder durch die Steuerreform 2004 ein bisschen ins Defizit gekommen sind. Das wurde dann aber wieder abgebaut, denn – und das wissen wir – trotz kurzfristiger Einnahmenrückgänge aufgrund von Steuerreformen, weil der Staat dann weniger Steuern einnimmt, werden Arbeitsplätze geschaffen, wird das Wirtschaftswachstum angekurbelt, was in letzter Konsequenz auch wieder neue Steuern bringt.

Frau Kollegin Csörgits, Sie reden von Massensteuern, trauen sich aber gar nicht auszusprechen, was eine „Ökologisierung des Steuersystems“ in Wirklichkeit bedeutet. Das bedeutet nicht die Anhebung von Massensteuern. Ich kann Ihnen sagen, als Arbeitnehmervertreterin bin ich auch nicht dafür, dass es keinen Ausgleich gibt für Pendlerinnen und Pendler bei einer Erhöhung der Mineralölsteuer. Selbstverständlich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 75

brauchen wir einen sozialen Ausgleich! Wir brauchen eine vollkommene Neustruk­turierung der Pendlerpauschale. Wir haben uns hier in diesem Haus auch schon sehr oft darüber verständigt, dass das notwendig sein wird. Eine Ökologisierung des Steuer­systems bedeutet, dass man durch neue Arbeitsplätze, durch thermische Sanierung, durch sogenannte Green Jobs Arbeitsplätze neu schaffen kann, dass man Menschen, die einen Beruf erlernt haben, der vielleicht nicht mehr so interessant und ausbaufähig ist, und daher als unqualifiziert gelten, auf sogenannte neue Technologien umlernen kann. Das bringt wiederum neue Steuern.

Wenn es heißt, wir sanieren das Budget zu 60 Prozent über Einsparungen und zu 40 Prozent über Steuern, dann, denke ich, kann man nicht sagen, das sind zwingend neue Steuern, sondern da geht es auch um Steuern, die zusätzlich eingehen, wenn man dafür sorgt, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Einige von Ihnen haben es gesagt, einige von Ihnen verstehen es oftmals noch immer nicht oder wollen es nicht verstehen, aber es ist ganz einfach so: Nur die Wirtschaft kann Arbeitsplätze schaffen, und wir, auch als Arbeitnehmervertreter, müssen ein Part­ner sein für die Wirtschaft, damit uns die Arbeitsplätze erhalten bleiben und die Menschen in diesem Land, die arbeitslos geworden sind, wieder in den Arbeitsprozess hineinfinden! Dafür sind natürlich auch Qualifizierungsmaßnahmen notwendig.

Da wird weniger eingespart als in anderen Bereichen. Wir sind auf dem richtigen Weg – ich danke dem Herrn Finanzminister ganz herzlich dafür! (Beifall bei der ÖVP.)

12.30


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch-Jenewein. – Bitte.

 


12.30.42

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Dame, sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Nach dem Ausflug ins Jahr 2000 kommen wir wieder zurück in das Jahr 2010, Frau Kollegin Tamandl, denn heute haben wir Probleme. Wir haben 350 000 Arbeitslose, und das ist ein Plus von fast 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für diese Menschen ist es völlig irrelevant, was vor zehn Jahren in Österreich gewesen ist, sie wollen heute und auch in Zukunft Lösungen haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich ist das Land mit der niedrigsten Ersatzrate in Europa. Es gibt Menschen, die mit 600, 700 € im Monat auskommen müssen, aber Sie von der Regierung stellen sich hin und erklären, wie toll doch alles sei und wie gut noch alles werden werde.

Meine Damen und Herren! Wir haben so viel Steuergeld in die Banken geschleudert, wir haben die Banken gestützt, weshalb jetzt überhaupt kein Geld mehr da ist, um den Menschen etwas zurückzugeben. Wenn man den Strategiebericht durchliest, dann kann man sich eigentlich nur wundern. Abgesehen davon, dass nicht viel drinsteht, muss ich doch sagen, angesichts der darin enthaltenen Zahlen stellt man sich schon die Frage, wie denn das überhaupt erreicht werden soll. Es gibt bis heute keine einzige Antwort, die von Ihnen kommt.

Kollegin Csörgits hat sehr schön gesagt: Die Konjunktur ist ein zartes Pflänzchen. – Stimmt! Die Konjunktur schwächelt ziemlich und wird durch diese Maßnahmen jetzt noch einmal abgewürgt. Die Steuern werden erhöht, das heißt, die Kaufkraft sinkt weiter, die Arbeitslosigkeit wird weiter steigen. Und genau das ist der völlig falsche Weg. Wir werden von dieser Wirtschaftskrise direkt in eine Sozialkrise weiterschlittern, und das haben Sie zu verantworten mit Ihrem Nichtstun, mit Ihrem massiven Einsparen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 76

Wenn ich mir diesen Strategiebericht anschaue (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Geh, bitte!) ... – Da brauchen Sie nicht „Geh, bitte!“ zu sagen, Herr Finanzminister! Erklären Sie mir beispielsweise einmal den Bereich Gesundheit!

Fixe Ausgaben werden im nächsten Jahr halbiert. – Wie soll das funktionieren? Wird dann jedes zweite Bett nicht mehr belegt? Wird jeder zweite Rettungswagen in der Garage stehen bleiben müssen (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Geh, bitte!), müssen dann die Patienten im Krankenhaus vielleicht eine Nummer ziehen, und wenn sie eine gerade erwischen, werden sie nicht mehr behandelt? – Wie anders sollte es sonst funktionieren, wenn Sie 50 Prozent der Fixkosten einsparen wollen? Im Bericht gibt es überhaupt keine Erklärung. Sie schreiben einzig und allein von einer Sicherstellung der Versorgung trotz begrenzter Ressourcen. – Da können sich die Menschen jetzt bestimmt darauf verlassen, dass sie etwas bekommen werden!

Die Krankenkassen sind krank. – Es gibt überhaupt keine Pläne, überhaupt nichts wird gemacht. Seit Jahren ist dieses Problem bekannt, seit Jahren schiebt man es vor sich her, nichts geschieht.

Stichwort Pflegegeld. Es sollen Kürzungen kommen. – Sie haben das Codewort „Sach­leistungen“ gebracht. „Sachleistungen“, das ist in Wirklichkeit nichts anderes als eine Hintertür, um Kürzungen beim Pflegegeld einzuführen. Die Behindertenorganisationen laufen jetzt schon Sturm, aber Sie werden weitermachen. Es werden auch schon neue Kriterien für das Pflegegeld geplant. Das heißt im Klartext, jene, die es brauchen, werden weniger bekommen. Wo sonst sollte das Geld eingespart werden?

Oder: Familie. – Den Familien haben Sie in diesem Strategiebericht eine halbe Seite gewidmet. Wie man ja heute schon weiß, soll die 13. Familienbeihilfe überhaupt gestrichen werden. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Stimmt nicht!) – Herr Vizekanzler, Frau Staatssekretärin Marek hat schon laut darüber nachgedacht, selbstverständlich wird sie gestrichen werden. Wie sonst wollen Sie die Einsparungen schaffen?

Die vom Zeitrahmen her umfassendste Kindergeldvariante soll abgeschafft werden. Sie schreiben selbst, Sie wollen, dass die Familien nur mehr das einkommensabhängige Karenzgeld in Anspruch nehmen. Am besten weg vom Kindergeld hin zum Karenzgeld, maximal ein Jahr lang und dann sofort wieder ab in den Arbeitsprozess! – Sie sagen halt: um Familie und Beruf besser vereinen zu können.

Das ist das, was Sie wollen. Wir haben im Übrigen von Anfang an gewarnt, dass diese 13. Familienbeihilfe nicht der richtige Weg ist. Es wäre gescheiter gewesen, die Familienbeihilfe ordentlich zu erhöhen, anzupassen. Jetzt haben wir das Desaster. Sie haben eine 13. Familienbeihilfe eingeführt, die man natürlich ein Jahr später sofort wieder abschaffen kann. – So arbeiten Sie! (Präsident Neugebauer gibt das Glocken­zeichen.)

Das Ganze versuchen Sie jetzt noch unter einem Deckmantel zu halten, indem Sie nichts sagen und warten, bis die Landtagswahlen vorbei sind. – Dann kommt das böse Erwachen für die Bevölkerung!

Meine Damen und Herren von der Regierung, so wird es nicht gehen! Sie werden die Rechnung dafür noch präsentiert bekommen! (Beifall bei der FPÖ.)

12.34


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker. – Bitte.

 


12.34.52

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 77

Wir sollten für heute die Vergangenheitsbewältigung beenden und uns anhand des Bundesfinanzrahmengesetzes mit den wichtigen Zukunftsfragen beschäftigen. Diese wichtigen Zukunftsfragen sind selbstverständlich Bildung, Wissenschaft, Forschung, Klima- und Umweltschutz.

Wenn es letztendlich darum geht, das Budgetdefizit zu reduzieren, so geht es vorder­gründig nicht um irgendwelche Prozentzahlen und Absolutzahlen, sondern es geht darum, die Handlungsspielräume für die Zukunft zu sichern. Genau das sollten wir in dieser Form diskutieren. Die Frage ist natürlich: Wie kann intelligent gespart werden? Wie können Einnahmenstrukturen aussehen, die zukunftsfähig sind, die gerecht sind und die ökologisch sind?

Die Ausgaben betreffend möchte ich noch näher darauf eingehen, was Alexander Van der Bellen vorhin zum Thema Forschung und Entwicklung ausgeführt hat. Was Sie hier in diesem Strategiebericht vorlegen, betrifft zwei ganz zentrale Bereiche für die Entwicklung der Gesellschaft und der Volkswirtschaft in Österreich. Sie sehen eine Reduktion von 1,3, 1,4 Prozent im Bereich der Forschung und Bildung vor. – Herr Vizekanzler, Herr Finanzminister, ich sage Ihnen, das ist in dieser Form verant­wor­tungslos und kurzsichtig!

Sehen wir uns einmal die APA-Aussendungen der letzten halben Stunde an! Die Aussendungen von Statistik Austria heute belegen: Österreich verfehlt das 3-Prozent-Ziel in der Forschung ganz klar. Die Forschungsquote wird bei 2,76 Prozent liegen.

Ich sage Ihnen, das Lissabon-Ziel in dieser Form zu verfehlen wird gravierende Auswirkungen haben, aber das wird von Ihnen in dieser Form nicht zur Kenntnis genommen.

20 Minuten später schickt Wissenschaftsministerin Beatrix Karl eine Aussendung aus: „Beatrix Karl sieht Bestätigung und Auftrag für Bundesregierung“.

Das ist ein seltsames Selbstverständnis von Ziel-Erreichen, von Auftrag-Erfüllen, dass man eine klare Verfehlung von Zielen als Bestätigung für die Arbeit sieht. Sie müssen noch hart daran arbeiten, dass sich da endlich etwas bewegt.

Der ehemalige Finanzminister und heutige Unternehmer Androsch hat in den letzten Tagen vor Budgetkürzungen in der Forschung, die ja in dieser Form schon absehbar waren, gewarnt. Er sagt ganz klar: „Hier zu kürzen, heißt nicht sparen, sondern die Zukunft zu verspielen.“

Das bedeutet, Arbeitsplätze werden gekappt anstatt gesichert, was jetzt aber dringend notwendig wäre.

Wenn Sie sich die Gesamtsumme anschauen, dann erkennen Sie ein Minus in diesem Bereich von 348 Millionen € in den nächsten Jahren; eine drittel Milliarde € – eine unglaublich hohe Summe, noch dazu, wenn man bedenkt, dass man jetzt investieren muss, um die Zukunft zu sichern, um krisensichere Arbeitsplätze zu schaffen.

Unsere Bundesministerin für Frauenfragen weilt gerade unter uns. – Frau Ministerin, im letzten Strategiebericht hat es das Kapitel „Gender Aspekte – Überblick über die ge­plan­ten Pilotprojekte“ gegeben! Dieses zielte darauf ab, die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern zu reduzieren, zu überlegen, wie man die Budgets für die Frauen sozial gerecht gestalten kann. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Dieses Kapitel, Frau Bundesminister, existiert nicht mehr in dieser Form, und diese Symbolik zeigt, wie ernst Sie es meinen mit Zukunftsgestaltung und Gerechtigkeit in diesem Land – nämlich nicht wirklich ernst! (Beifall bei den Grünen.)

12.39



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 78

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte. (Abg. Ing. Lugar tritt ans Rednerpult und platziert dort einen gebündelten Stapel an Rechnungshofberichten. – Abg. Dr. Bartenstein: Bitte nicht, das Pult hält das nicht aus!)

 


12.39.19

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Hohes Haus! Uns Oppositionsparteien wird immer wieder vorgeworfen, wir bringen keine Ideen ein, wir haben keine Ideen, wir sollten endlich einmal Vorschläge einbringen. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Deshalb bringen Sie die Rechnungshofberichte?) Wenn man sich ansieht, was die Regierung hier macht, nämlich nichts, könnte man wirklich glauben, dass die Ideen fehlen. (Abg. Dr. Cap: Sind Sie der Rechnungshof?)

Wissen Sie, was ich hier habe? – Die meisten wissen es, die Fernsehzuschauer wahr­scheinlich nicht. Ich habe hier Rechnungshofberichte aus dieser GP. Das heißt, das sind die Berichte, die innerhalb gut eines Jahres an uns geliefert wurden, in denen genau drinsteht, was alles zu reformieren ist. Hier steht genau drin, was in der Verwaltung, was im Gesundheitsbereich, was in den Schulen, was in allen Bereichen zu reformieren wäre, und das nur im Zeitraum von einem Jahr, von gut einem Jahr. (Abg. Dr. Cap: Was sagen Sie?)

Deshalb: Wenn Sie schon keine Ideen haben, dann setzen Sie die Rechnungshofideen um, die im Übrigen von uns voll unterstützt werden. (Abg. Bucher: Ein Organ des Nationalrates!) Wir unterstützen den Rechnungshof. (Beifall beim BZÖ.) Wir unter­stützen die Ideen des Rechnungshofs. Und deshalb: Setzen Sie sie um!

Wenn ich mir das anschaue: Herr Moser sitzt immer wieder hier. Einmal im Monat sitzt Herr Moser hier und berichtet über seine Analysen. Jedes Mal werden ihm auch von der Regierung Rosen gestreut: wie wichtig er ist, welch gute Arbeit er leistet. Aber Herr Moser muss ja schon glauben, dass er es hier mit Berufsautisten zu tun hat, die einfach nicht wahrhaben wollen, dass massiver Reformbedarf besteht.

Der Gesamtreformbedarf beträgt mindestens 7 Milliarden €, aber hier wird nichts getan. Genau das ist der Punkt: Die Staatskassen sind leer, und anstatt hier sofort nach Steuererhöhungen zu rufen, wäre es an der Zeit, endlich die Rechnungs­hofemp­feh­lungen umzusetzen und im Sinne Österreichs die Verwaltung auf solide Beine zu stellen, um hier endlich etwas weiterzubringen. Das ist Ihre Aufgabe als Finanz­minister! (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Cap: Was ist Ihre Idee? Habt ihr eine eigene?)

Wenn Sie heute dieses Finanzrahmengesetz präsentieren und auch in einem Interview sagen: „Der größte Brocken der Arbeit ist erledigt“, dann glaube ich wirklich (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wer sagt das?), dass manche hier Berufsautisten sind. (Ruf bei der ÖVP: Herr Präsident! „Berufsautist“!) Denn es ist nichts damit erledigt, dass Sie sagen, man gibt sich eine Obergrenze, aber mit keinem einzigen Wort darauf hinweisen, wie wir das erreichen wollen. Es steht nichts Konkretes, nichts Verbind­liches drin, und es steht vor allem kein einziger Punkt des Rechnungshofs drin, obwohl es doch, wie Sie hier sehen, 4 000 Seiten gibt, wo man durchaus Anleihe nehmen könnte. Warum tut das niemand? (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wo sind Ihre Ideen?)

(Der Redner deutet auf die Rechnungshofberichte.) Hier stehen sie drin, unsere Ideen! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Ihre Ideen?) Ja, unsere Ideen stehen hier genauso drin, weil eines sicher ist (Abg. Ing. Westenthaler: ... Unterbrechungen hinter dem Redner­pult! – weitere Zwischenrufe beim BZÖ): Niemand hat ein Monopol auf die Wahrheit (Abg. Ing. Westenthaler: Unerträglich ist so etwas!), und die Wahrheit ist, dass Österreich massiv reformbedürftig ist. Das ist die Wahrheit. Wenn der Rechnungshof diese Wahrheit erkennt und wir von der Opposition das auch so erkennen, dann


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 79

können Sie uns nicht vorwerfen, dass sich diese beiden Meinungen decken. Das kön­nen Sie uns nicht vorwerfen.

Das Einzige, was ich Ihnen vorwerfen muss, ist, dass Sie das einfach ignorieren. Sie ignorieren, dass wir 200 Milliarden € an Staatsschulden haben (Abg. Bucher: Mehr!), plus die ausgelagerten Staatsschulden. Sie ignorieren, dass wir bald 15 Prozent unse­res Gesamtbudgets nur für Zinsen ausgeben müssen, Tendenz stark steigend! All das ignorieren Sie. Und deshalb, Herr Finanzminister: Wir brauchen Reformen, wir brauchen sie schnell, und was wir vor allem brauchen, ist, dass Sie endlich, endlich die Empfehlungen des Rechnungshofs umsetzen. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) – Danke schön. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Dr. Cap: Das war jetzt ein Trauerspiel! – Abg. Ing. Westenthaler: Er hat nur 3 Minuten Zeit! Und einer redet dauernd hinein!)

12.43


Präsident Fritz Neugebauer: Für die nächsten fünf Redebeiträge gilt ein Limit von jeweils 3 Minuten.

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte, Herr Kollege.

 


12.43.50

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Herr Kollege Lugar, ich bin selbst von Beruf Prüfer, würde aber nie auf die Idee kommen, dass die Vorschläge, die man einfach aus Kennzahlen heraus natürlich der geprüften Organi­sation als Leitlinie hineinschreibt, als Umsetzungsidee aufgefasst werden. Ich möchte es Ihnen an einem Beispiel erläutern.

Wenn Sie bei den 3,6 Milliarden an Einsparungen im Spitalsbereich glauben – mit dem Hinweis darauf, dass wir laut europäischer Statistik im Verhältnis mehr Spitalsbetten haben –, dass das zu lösen ist, indem wir die Spitalsbetten zusperren, dann sind Sie bei der Lösung, die uns Kollegin Belakowitsch-Jenewein vorgeschlagen hat: Dann müssten nämlich die Menschen bei uns wirklich gerade und ungerade Nummern ziehen, wenn sie ins Spital gehen. (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) Eine Spitals­reform ist deutlich komplizierter! Aber unser Gesundheitsminister wird das vernünftig machen. (Beifall bei der SPÖ.)

Nur, um gleich den Rest abzuspecken: Das BZÖ empfiehlt es uns, Kollege Auer hat schon darauf hingewiesen: Kommen Sie nicht immer mit der Schweiz! Ich gebe Ihnen einen kleinen Tipp. Schauen Sie sich einmal an, wie sich das Pro-Kopf-Einkommen in der Schweiz in den letzten 30 Jahren entwickelt hat. Dort waren sie drei Mal so reich wie wir. Heute haben wir knapp 30 000 € an Kaufkraft – was man pro Kopf kaufen kann, als Anteil am BIP –, die Schweizer haben gerade einmal 32 000 €, wir haben sie fast eingeholt. Das ist eine Wirklichkeit: Dieses unser Land ist deutlich besser als die Schweiz! Daher sollten Sie sich ein anderes Beispiel suchen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Ich komme zum Kern zurück und möchte die Gelegenheit auch dazu nützen – nach­dem hier sehr viele negative Dinge genannt worden sind –, einmal ein Kompliment auszusprechen für jene Dinge, über die man in der Zeitung immer nur liest, dass die Regierungsparteien streiten, dass sie nichts weiterbringen oder anderes. Seit den Nationalratswahlen 2006 – und keine der beiden Regierungsfraktionen wird sagen, dass es leicht war, die Zusammenarbeit zu übernehmen – wurde eine hervorragende Arbeit geleistet! Ich möchte auch erläutern, woran man das sieht. (Abg. Bucher: Am Schuldenstand! Über 200 Milliarden!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 80

Bleiben wir einmal beim Defizit; das ist ein gutes Beispiel, da Sie mit an der Regierung waren. 2005 betrug das Budgetdefizit noch über 4 Prozent, damals war keine Rede von einer Weltwirtschaftskrise. – Dieser Finanzminister schafft es heute, in der Weltwirtschaftskrise, es unter 5 Prozent zu halten, und wir werden uns in Kürze wieder 3 Prozent nähern. (Abg. Bucher: Ihr habt Hochkonjunktur gehabt und trotzdem ein Defizit gehabt! Das ist ein Kunststück!)

Nehmen wir die Schulden, die Sie heute genannt haben, Herr Kollege Bucher. Es ist gelungen, innerhalb von zwei Jahren, seit diese von Ihnen so kritisierte Zusammen­arbeit gegeben ist, unter 60 Prozent zu kommen und 2007 den Schuldenstand seit zwei Jahrzehnten das erste Mal ins Maastricht-Kriterium zu führen. (Abg. Bucher: Ihr habt 3 Prozent Wachstum gehabt und trotzdem ein Defizit gehabt! Das ist ein Kunst­stück, das hat es überhaupt noch nie gegeben!) Und weil diese gute erste Arbeit gelungen ist, weil wir diese Vorarbeit geleistet haben, ist heute unser Einsparungs­bedarf deutlich niedriger als in den meisten vergleichbaren europäischen Ländern. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Wir werden mit diesem Rahmengesetz ausgaben- und einnahmenseitig mit Maß und Ziel vorgehen. Übrigens ergibt sich das Fifty-fifty, wenn Sie Länder- und Gemeinde­anteile dazurechnen, das ist keine komplizierte Rechnung. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Wir werden das mit Maß und Ziel sozial gerecht durchführen, und wir werden unseren hervorragenden Platz, den wir uns in gemein­samer Arbeit erkämpft haben – mit der zweitniedrigsten Arbeitslosigkeit in Europa! –, mit diesem Rahmen einhalten. Ich gratuliere beiden Regierungsfraktionen zu dieser Arbeit! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


12.47.31

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Herr Vizekanzler! Liebe Regierungsmitglieder! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wenn diese Tage eines zeigen, dann ist es das, dass es kein Selbstzweck ist, geord­nete Staatsfinanzen zu haben. Der Blick nach Griechenland ist absolut notwendig. 45 Milliarden € sind es, die bisher durch Kommission und IMF bereitgestellt wurden. Der „Economist“ spricht sogar von 67 Milliarden €, die Deutsche Bundesbank von 80 Mil­liarden €, die die Griechen brauchen würden, allein um umzuschulden. Andere sprechen schon davon, dass Schulden wohl zum Teil auch erlassen werden müssten.

Österreich darf nicht Griechenland werden! Österreich ist auch weit davon entfernt, wir stehen deutlich besser da: Jüngst publizierte Statistiken sagen, in Sachen Budget­defizit sind wir bei etwa einem Viertel der Griechen, 3,4 Prozent zu über 13 Prozent, 13,6 Prozent der Griechen; auch was die Staatsverschuldung anbelangt, sind wir bei etwa der Hälfte. Aber ein warnendes Beispiel ist es allemal, genauso wie Finanz­minister Pröll auch zu Recht gesagt hat: Es ist schon eine Schallmauer, die durch­brochen wird, wenn wir in Österreich 200 Milliarden € an Staatsschulden verbuchen müssen. Das ist nicht erfreulich, das hat seine Ursachen, und das muss zu Nach­denklichkeit und vor allem zu Aktivität aufrufen.

Insgesamt hat die Regierung das Notwendige getan, um die Krise zu bewältigen und zu meistern; ich denke, besser als viele andere. Es ist dieser Strategiebericht, es ist dieses Bundesfinanzrahmengesetz jedenfalls ein Meilenstein: Auf zu neuen Ufern! Das mag noch nicht in allem und jedem perfekt sein, Herr Professor Van der Bellen, aber ein Meilenstein ist es allemal.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 81

Ich würde übrigens, Herr Klubobmann Cap, nicht leichtfertig an dieser Verteilung von 60 zu 40 Prozent rütteln. Das hat schon etwas für sich. Wir wollen ja vorderhand auch davon ausgehen, dass die Länder die höfliche, aber durchaus nachhaltig gemeinte Ein­ladung des Bundes ernst nehmen, ihren Konsolidierungsbeitrag von zirka 2 Milliar­den € zu leisten. Dann sind es nämlich 60 zu 40 Prozent.

Ich glaube auch, dass die 40 Prozent einnahmenseitig weh tun. Diese Wehklagen sind nicht einseitig verteilt, etwa nach dem Motto, das tut nur der ÖVP weh, der SPÖ und den SPÖ-Wählern nicht; glauben wir das bloß nicht! (Abg. Bucher: Den Steuerzahlern tut es weh!) Ich würde über diese 40 Prozent einnahmenseitig auch deswegen nicht leichtfertig diskutieren, weil wir, Herr Kollege Bucher, zwar keine Abgabenquote und Steuerquote von 45 Prozent haben – das ist falsch, genauso falsch, wie du gesagt hast, wir seien hier die Nummer eins in Europa (Abg. Bucher: Dort werden wir landen in zwei Jahren!) –, aber wir haben eine zwischen 42 und 43 Prozent, und das ist auch zu hoch! (Abg. Bucher: Jetzt kommen noch 4 Milliarden dazu!)

Ich war schon einmal in diesem Haus und auch woanders, als wir über 40 Prozent als erreichbares Ziel gesprochen haben. (Präsident Neugebauer gibt das Glocken­zeichen.) So gesehen also: Reden wir nicht leichtfertig darüber!

Zum Abschluss: Halten wir auch kurz inne und denken wir zurück an den 24. Sep­tember 2008, das ist gerade einmal 18 Monate her. Wissen Sie, wie teuer dieser 24. September 2008 war, als viele hier herinnen ausgabenseitige Belastungen von 1,1 Milliarden € beschlossen haben? (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.)

1,1 Milliarden €, das ist zufällig genau derselbe Betrag von 1,1 Milliarden €, den dieser Strategiebericht an einnahmenseitigen Erhöhungen für 2011 vorsieht. (Abg. Brosz: Da hat die ÖVP aber auch mitgestimmt!) Denken wir zurück: Vor 18 Monaten haben viele von uns schon gewusst, in welche Richtung es geht (Präsident Neugebauer gibt ein weiteres Mal das Glockenzeichen), und haben es trotzdem so beschlossen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

12.50


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


12.51.03

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! (Der Redner überprüft den Hebemechanismus beim Rednerpult.) Ja, jetzt fährt es wieder. – Die thermische Sanierung wurde angesprochen. Es besteht, glaube ich, Einigkeit in allen Parteien darüber, dass das etwas Gutes und Richtiges ist. Ich möchte hier aber auf eine Ungerechtigkeit hinweisen.

Es gibt private Eigentümer von denkmalgeschützten Bauten in Ortskernen, in Welt­kultur­erbe-Städten, die aufgrund dieses Schutzes keine Photovoltaik, die gefördert würde, keine Fassadendämmung, keine Isolierfenster oder Ähnliches verwenden dürfen, aus guten Gründen. Aber mit diesen Bauten macht die Stadt, macht der Staat gute Geschäfte, im Tourismus und Ähnlichem. Wir sind stolz darauf, aber sie haben dort die erhöhten Energiekosten, die nimmt ihnen keiner weg. Diese Ungerechtigkeit bitte ich bei der Diskussion über entsprechende thermische Sanierungen und die Förderung hier zu bedenken. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Bildungspolitik wurde bereits mehrfach in den Blickwinkel gerückt: Kindergärten, Schule, Universität. Hier wird es einen nationalen Kraftakt brauchen. Ein Regierungs­papier der Bundesregierung im Bereich der Schulverwaltungsreform liegt ja vor, Kollege Scheibner hat bereits darauf hingewiesen. Es ist ein gutes Papier, aber die


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Umsetzung fehlt, weil die Bundesministerin schon zweifach gesagt hat, dass sie nicht die Kompetenz dafür hat.

Herr Bundeskanzler, statten Sie offiziell die Frau Bundesministerin endlich mit dieser Kompetenz aus, damit sie überhaupt über diese Verwaltungsreform sprechen kann, damit eine Einsparung erzielt wird, damit das Geld nicht im allgemeinen Budgetloch verschwindet, sondern endlich in den Klassenzimmern beziehungsweise in den Hörsä­len der Universitäten ankommt! Das ist das Entscheidende bei der Bildungsreform. (Beifall bei der FPÖ.) Da man ja weiß, wie die Bundesländer politisch aufgeteilt sind, sind hier auch Bundeskanzler und Vizekanzler als Parteiobleute gefordert, endlich einmal eine Disziplin zu haben und sich bei ihren eigenen Parteifreunden durchzu­setzen.

Dass in der Bildungspolitik etwas schiefgeht, das hat die ÖVP, insbesondere der ÖAAB, auch schon bemerkt. Herr Bundesminister Spindelegger hat ja angekündigt, er werde ein eigenes Bildungskonzept vorlegen. Es ist bemerkenswert, dass der Außenminister und ÖAAB-Obmann das sagen muss. Aber es ist kein Wunder, denn man sieht, wenn es hier schiefgeht, dass der Außenminister sich einschalten muss. Bildungs- und Kulturpolitik ist nämlich mehr als linke Netzwerkerei, wenn man zum Beispiel die „rote Fini“ als Aufsichtsrat in die Volksoper setzt oder wenn man eine nordkoreanische Ausstellung fördern möchte, die sich wahrscheinlich nur der zukünf­tige Ex-Bundespräsident gerne anschauen möchte. (Beifall bei der FPÖ.)

Bildungspolitik ist auch mehr als Inserate zu schalten, millionenschwere Kampagnen zu starten, bis hin zu Namenspatronanzen für einen Zug, der „Neue Mittelschule“ heißt – und es kostet 16 000 €! (Zwischenruf des Abg. Petzner.) Es gibt Subventions­missbrauch im parteipolitischen Sinn. Letztlich wird sogar auch diese „Geschichts­stunde für Rosenkranz“ auf dem Ballhausplatz vom Unterrichtsministerium gefördert. Ich war dort. Als ich gesagt habe: „Bitte, gebt mir meine Geschichtsstunde, die da plakatiert wurde“, hat man mich nur verständnislos angeschaut. Also eine Geschichts­stunde ins Leere!

Machen Sie nicht nur die Umtextereien für die Bundeshymne (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), sondern sorgen Sie dafür, dass eine große Tochter Bundes­präsidentin wird – Sie haben die Chance am 25. April! (Beifall bei der FPÖ.)

12.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


12.54.23

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Dame und Herren von der Bundesregierung! Hohes Haus! Liebe Zuseherinnen und Zuseher hier im Saal und zu Hause! Ich möchte jetzt wieder zum eigentlichen Thema zurück­kommen. Was mir natürlich aufgefallen ist: Umweltpolitik ist leider kein großes Anliegen dieser Bundesregierung, denn in den Zielen des Strategieberichts kommt sie nicht einmal vor.

Herr Finanzminister, Sie haben schon angesprochen, wie klein das Umweltbudget an sich ist. Umso unverständlicher ist für mich, dass es gerade da zu in Relation beson­ders hohen Kürzungen kommt. Es kommt noch hinzu, dass wir insbesondere auch im Umweltbereich mit einer Krise zu kämpfen haben, nämlich der Klimakrise. Auch da sollten wir uns jetzt schon fragen: Wer zahlt für diese Krise? Wer wird für die Klima­krise zahlen?

Um die Klimakrise in den Griff zu bekommen (Abg. Weinzinger: Das erledigt der Vulkan in Island!), brauchen wir jetzt eine Ökologisierung des Steuersystems. Das ist


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eine der wichtigsten Maßnahmen, um gegen die Klimakrise angehen zu können. (Beifall bei den Grünen.) Denn nur so ist das Ganze auch sozial verträglich. Da frage ich schon in Richtung SPÖ: Halten Sie es für sozial verträglich, wenn wir jetzt nicht umstellen und die Menschen weiterhin hohe Energiepreise für fossile Energie zahlen lassen?

Ich tue das nicht, und die ökologische Steuerreform gewährleistet das. Ich halte es auch nicht für gerecht, wenn Konzerne mit Umwelt Profite machen, aber die Allgemein­heit dann die Umweltschäden zu tragen hat und auch noch dafür bezahlen muss. Das ist sozial nicht gerecht, und deshalb brauchen wir eine Ökologisierung des Steuer­systems. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Weinzinger.)

Ich finde es auch nicht gerecht, wenn wir jetzt nicht handeln und zukünftige Gener­ationen Umweltschäden in Kauf nehmen müssen und für diese Krise bezahlen müs­sen, nur weil wir jetzt nicht handeln. Auch deswegen brauchen wir eine Ökologisierung des Steuersystems.

In Richtung ÖVP möchte ich nur sagen: Das ist ein sehr, sehr wichtiges Projekt, und da wäre es sehr schade, wenn das zu einem Öko-Schmäh verkäme und nur einzelne Maßnahmen herausgegriffen würden, aber nicht ein gesamtes Konzept, eine gesamte Umstellung des Systems angegangen wird.

Es ist von meinen Vorrednern schon gesagt worden: Wir bieten unser Konzept an. Wir haben ein ausgearbeitetes Konzept zur Ökologisierung des Steuersystems, das die Umwelt schützt, mehr Klimaschutz bringt, die Arbeit entlastet, auch Investitionen in neue Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energie bringt, gerade auch für junge Menschen in Österreich, und auch sozial verträglich ist. Ich möchte Sie einladen, unseren Vorschlag entsprechend ernst zu nehmen und anzunehmen, nicht nur darüber zu reden, sondern ihn auch wirklich umfassend umzusetzen.

Im Übrigen bin ich der Meinung: Österreich braucht dazu auch ein starkes, unab­hängiges und engagiertes Umweltministerium. (Beifall bei den Grünen. – Ruf bei der ÖVP: Das haben Sie schon einmal gesagt!)

12.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Windholz. – Bitte.

 


12.57.31

Abgeordneter Ernest Windholz (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! (Abg. Ing. Westenthaler: „Herr Bürger­meister Windholz“ heißt das! – Beifall beim BZÖ.) Das vorgelegte Bundesfinanz­rahmengesetz ist eigentlich nichts anderes als ein massives Steuererhöhungs­pro­gramm, da wird einiges niederprasseln. Jetzt gibt es eben Wahltermine, und es wird noch hinausgezögert.

Typisch für diese Koalition: Nicht einmal im Prozentsatz sind sie sich einig! Wir sind jetzt noch nicht schlau geworden: 60 zu 40? 50 zu 50? – Als gelernter Österreicher gehe ich davon aus: Diese Koalition wird es schaffen, dass sie sich nach langem Kampf auf 55 zu 45 einigt. Ich sage Ihnen aber gleich: Die Inhalte sind untauglich! (Beifall beim BZÖ.)

Wenn ich das zu einzelnen Ressorts ausführen darf: Na was wird da auf uns zukommen? – Nehmen wir das Justizministerium her. Ich habe von diesem Rednerpult aus schon angekündigt, dass es massive Proteste geben wird. Da haben wir eine Ministerin gehabt, die gesagt hat: Das stimmt ja alles gar nicht, wir werden Verwal­tungsvereinfachungen machen, die Arbeit wird weniger, adäquat wird auch das Per­sonal entlastet. – Schauen Sie sich an, was jetzt los war, bei den Richtern, bei den Staatsanwälten: kläglich gescheitert!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 84

Wenn wir jetzt den Sprecher der SPÖ hören, Kollegen Krainer: Er hat schon eine geniale Formulierung entworfen. Er hat gesagt, das geht nicht nach der Rasen­mähermethode, da gibt es Einzelbereiche, die uns jetzt so wichtig sind, da machen wir geringere Sparziele. – Ich sage Ihnen ganz offen, da gibt es nicht geringere Sparziele. Denken Sie an den Bereich im Innenressort: Da brauchen wir nicht einzusparen, da brauchen wir endlich mehr Personal und eine Politik, die hinter der Exekutive steht, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Wo sind dann die Antworten? Der Druck der Bevölkerung wird kommen. Und was wird die Antwort sein auf das, was diese Bundesregierung macht? – Es wird der Ruf nach privaten Sicherheitsfirmen laut werden, nach Sicherheitskräften, die privat engagiert werden, und nach Gemeindewachen. Das ist doch keine Antwort auf das, was sich hier tagtäglich abspielt! (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir haben zum Beispiel das Außenministerium. Ich habe erst unlängst mit einem Botschafter gesprochen, und er hat mir in einem vertraulichen Gespräch gesagt: Wenn das alles Realität wird, wenn das alles umgesetzt wird, dann kommt es zu Schließungs­orgien von Botschaften!

Ist es Ihr Ziel in der Bundesregierung, Kontakte zu verlieren – auch für die Wirtschaft? Das sind oft Türöffner vor Ort, derer man sich bedienen kann. Die Exportwirtschaft wird darunter leiden. Der Vizekanzler sagt, wir machen das alles. Nehmen Sie zur Kenntnis: Er sagt schon, die Hälfte wird zugesperrt. Das ist eine schlechte Antwort. (Beifall beim BZÖ.)

Nehmen Sie sich einmal das Landesverteidigungsministerium vor. Wissen Sie, da kann man leicht sagen, sperren wir die Kasernen zu, verkürzen wir den Wehrdienst. Sie werden sehen. Ich kann mich gut erinnern an ein Szenarium mit Umweltkatastrophen – da schreien alle ganz laut nach einem funktionierenden Bundesheer.

Sie setzen einen Schritt dahin gehend, dass da überhaupt nichts mehr funktioniert.

Und zum Abschluss darf ich Ihnen sagen – so richtig symbolhaft für diese Bundes­regierung –: Es muss schon jedes Mal jemand herkommen, damit dieses Mikrofon hier funktioniert. Das spiegelt den Zustand dieser Bundesregierung wider. Mit dem, was Sie uns vorlegen, sind Sie bereits jetzt zum Scheitern verurteilt! (Beifall beim BZÖ.)

13.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Schopf. – Bitte.

 


13.01.11

Abgeordneter Walter Schopf (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Minister! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Diese Diskussion ist leider sehr geprägt von unserer Wirtschafts- und Finanzkrise. Es sind viele Maßnahmen wichtig, viele sind bereits erwähnt worden. Unser Bundeskanzler hat in den letzten Tagen eine Reihe von diesbezüglichen Vorschlägen unterbreitet und ich denke, dass diese Vorschläge sehr wichtig sind.

Meine Damen und Herren, wir brauchen – das wurde schon gesagt – mehr Vertei­lungs­gerechtigkeit. Viele Kolleginnen und Kollegen, viele Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer haben in den letzten Monaten beziehungsweise Jahren leider einen sehr großen, vor allem finanziellen Beitrag zur Bewältigung dieser Wirtschafts- und Finanz­krise leisten müssen.

Es haben heute bereits einige gemeint, diese Krise sei für viele fast nicht spürbar. Ich bin dazu anderer Meinung. Viele Kolleginnen und Kollegen hatten diese finanzielle Situation in unserem Budget sehr wohl gespürt. Es wurde ja gesagt: Über 60 000 Kol­leginnen und Kollegen waren in den letzten Monaten in Kurzarbeit. Wir haben aber


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noch immer Tausende Kolleginnen und Kollegen, die sich noch immer in Kurzarbeit befinden.

Meine Damen und Herren, Kurzarbeit bedeutet letztendlich im konkreten Fall für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Einkommensverluste von rund 10 Prozent. Da kann man sagen: Was bedeutet 10 Prozent weniger Lohn oder weniger Gehalt? Für viele Kolleginnen, die ein Nettoeinkommen von 1 000 € haben – und es gibt ihrer sehr, sehr viele –, bedeutet ein Einkommensverlust von 10 Prozent immerhin 100 €. 100 € sind für die betroffene Kollegin ein Vermögen!

Ich meine, dass wir gemeinsam darüber nachdenken müssen, die Besteuerung von Arbeit und Kapital gerechter zu verteilen. Wenn wir uns die Fakten ansehen, müssen wir feststellen, dass die Arbeit nicht nur in Form von Steuern, sondern auch durch die Sozialabgaben mit 41 Prozent „besteuert“ wird. – Das Kapital hingegen wird in Österreich zurzeit mit nur 26 Prozent besteuert.

Ich denke, da besteht für uns alle Handlungsbedarf! – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schittenhelm. – Bitte.

 


13.04.02

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Vizekanzler! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Eine sehr rege Diskussion in den verschiedensten Richtungen, aber unterm Strich eine Zielsetzung: möglichst rasch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise für unser Budget hintanzuhalten.

Heute ist der Girls’ Day. Ich komme gerade aus dem Sitzungssaal des Bundesrates, wo uns Frauensprecherinnen an die 50 Mädchen zugehört haben – mit großen Augen, sie setzen auch großes Vertrauen in uns –, was wir denn für ihre Zukunft wollen.

Wir wollen Zukunft für unsere Kinder und wir brauchen Sicherheit für unseren Wirt­schaftsstandort hier in Österreich! Die Wirtschaft hat sich mehr oder weniger stabilisiert und erholt sich langsam aufgrund der Maßnahmen, die die Regierung unter Vize­kanzler Josef Pröll gesetzt hat – das wurde heute ja schon gesagt.

Aber wir müssen möglichst rasch in den gesunden Finanzhaushalt zurückfinden! Naturgemäß geht das nicht ohne Einschnitte, das wissen wir. Wenn wir heute alle vom Sparen reden, dann tue ich das auch, selbstverständlich, aber wir müssen auch wissen, was wir unter Sparen verstehen. Ich verstehe darunter das, was unser Finanzminister darunter versteht: Sparen heißt sehr wohl, die Lebensqualität der Menschen zu erhalten.

Das Haus Österreich ist ein Fünf-Sterne-Haus – und das in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Soziales. Diese fünf Sterne wollen wir uns erhalten! Sparen heißt auch, die Leistungen, die wir in allen Bereichen der Gesellschaft unseren Bürgerinnen und Bürgern geben, zu sichern, diese auch weiterhin finanzierbar zu machen. Das ist die Aufgabe, die wir haben! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Dr. Königs­hofer.)

Wenn von Einsparungen die Rede ist, meine Damen und Herren, dann natürlich auf Bundesebene – hier ist es ja gelungen. Da kann ich nur sagen: Hut ab, Herr Bundesminister, Herr Vizekanzler, dass es gelungen ist, alle Ministerien, alle Minister und Ministerinnen dazu zu bewegen, selbst im eigenen Ressort nachzuschauen: Wo können wir einsparen? Wo gibt es Doppelgleisigkeiten? Wo gibt es Möglichkeiten,


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überhaupt auszulagern? Das sollten auch die Bundesländer hinterfragen – und, das sage ich als Bürgermeisterin, auch wir in den Gemeinden.

Ich habe bereits am Montag mit meinen Mitarbeitern – das sind nur 45, aber immer­hin – festgelegt, in allen Abteilungen nachzuschauen, wo wir effizienter arbeiten kön­nen. Nur so wird es uns gemeinsam möglich sein, den Wirtschaftsstandort wieder zu sichern. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Auch in der Verwaltung legt unser Finanzminister Sepp Pröll Wert auf Qualität. Und wir haben enorme Qualität im öffentlichen Dienst! Daher bin ich dafür, dass wir in dieser Hinsicht effiziente Maßnahmen setzen, aber nicht außer Acht lassen, dass die Qualität, vor allem in den Bereichen Sicherheit und Soziales, nicht zu kurz kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir wollen die Schwerpunkte nicht nur in der wirtschaftlichen und finanziellen Stabi­lisierung des Landes setzen, sondern auch in einer nachhaltigen sozialpolitischen Ver­ant­wortung, in der wir uns alle befinden. Es geht um Sicherung der Beschäftigung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie darum – das ist für mich das wichtigste Ziel –, den sozialen Frieden in unserem Land zu sichern. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Themessl. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.07.34

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundeskanzler! – Er ist zwar nicht mehr da. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Doch, er ist nur draußen!)

Herr Vizekanzler, wissen Sie, Sie widersprechen sich laufend selber. Der Herr Bundes­kanzler hat heute als oberste Prämisse erwähnt, Wachstum sei die einzige Chance, und hat dabei davon gesprochen, dass 2 Prozent Wachstum das absolute Minimum ist, damit die Wirtschaft überhaupt anspringt. Wir wissen aber, dass wir momentan bei 1,3 Prozent liegen. Und Sie, Herr Vizekanzler, sprechen erstens vom Sparen – dazu fehlen Ihnen die entsprechenden Vorschläge, weil Sie sich nicht damit befassen –, zweitens vom Fördern des Wachstums, das ist Ihr sehr wichtiger Punkt, und drittens von Steuern.

Wenn Sie von Wachstum sprechen, dann dürfen Sie das Wort „Steuer“ und „Steuer­erhöhung“ überhaupt nicht in den Mund nehmen. Das ist ja absolut kontraproduktiv! Alle Wirtschaftsforscher werden Ihnen sagen, dass jede Steuererhöhung wachstums­hemmend wirkt. (Beifall bei der FPÖ.) Da bin ich nicht der Einzige, Ihre Berater in der Regierung, Herr Aiginger und Herr Felderer sprechen ja immer wieder davon. Offen­sichtlich glauben Sie ihnen zu diesem Zeitpunkt nichts. Sie glauben nur dann etwas, wenn man Ihnen Zahlen vorlegt, die nicht stimmen und dann nach zwei oder drei Mo­na­ten sowieso wieder revidiert werden müssen.

Ich sage Ihnen noch etwas. Sie haben heute erwähnt: Wer mehr spart, braucht weniger Steuern. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Ja!) Ich sage Ihnen, wer richtig und nachhaltig spart, braucht überhaupt keine Steuern! Ich werde Ihnen ein paar Punkte aufzählen, wo in diesem Budget Einsparungsmöglichkeiten sind.

Ich gebe schon zu, dass sie vielleicht nicht sofort wirken oder greifen. Aber wenn man sich dementsprechend damit auseinandersetzt, und das jetzt wirklich nachhaltig in Angriff nimmt, dann muss man eben die Gnade haben, dass immerhin in ein oder zwei Jahren sehr wohl die Auswirkungen zu spüren sind. Dann ist es sinnvoller,


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ein Jahr lang einen höheren Schuldenberg mitzutragen, weil das Budget dann durch die Einsparungspotentiale wirklich merklich und nachhaltig entlastet wird.

Alles, was Sie jetzt an Steuererhöhungen planen, bremst das Wirtschaftswachstum. Und ich sage Ihnen: Das Wirtschaftswachstum wird Ende des Jahres nicht über 1 Prozent liegen, sondern unter dem EU-Schnitt, unter 1 Prozent! Das heißt, wir haben 100 000 Arbeitslose mehr, das bedeutet für das Budget 2,5 Milliarden €. Ich habe es Ihnen gestern vorgerechnet.

Es gibt jede Menge Einsparungspotenziale. Wenn Sie nur die Einsparungspotenziale des Bundesrechnungshofes hernehmen und jene, die im Österreich-Konvent schon vor Jahren aufgezeigt wurden, dann reden wir von 10 Milliarden € und mehr – dann brauchen Sie keine neuen Steuern! Es wäre wesentlich sinnvoller, wenn Sie in den nächsten Wochen und Monaten Ihre ganze Energie dafür aufwenden würden, über das Sparpotenzial nachzudenken und Ihre Arbeitskreise endlich dazu zu bringen, Ergebnis­se auf den Tisch zu legen – anstatt noch zehn neue zu installieren, die sowieso kein Resultat ergeben, anstatt jetzt darüber nachzudenken, wie man die Bevölkerung mit neuen Steuern belastet.

Wie es einige Abgeordnete der Opposition heute hier schon erwähnt haben: Sie warten jetzt nur die Steiermark- und die Wien-Wahlen ab. Diese sind im Oktober. Und ich garantiere den Österreicherinnen und Österreichern jetzt schon, dass per 1. Jän­ner 2011 eine Steuerlawine und eine Belastung auf sie zukommen wird, die sich gewaschen hat! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Huber. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.11.04

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Herr Vizekanzler! Ich möchte kurz nachzeichnen, wie es zu diesem Weg der Steuererhöhungen gekommen ist.

Prölls Weg zur Steuererhöhung war das ganze letzte Jahr immer: „Ich kann nur sagen: ohne mich.“ – Und interessanterweise am 9. März 2010 legt er ein Budgetrahmen­gesetz vor, wo Mehreinnahmen von 1,7 Milliarden € angekündigt sind. (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Wie viel wird gespart?)

Am 21. April, also vor einem Jahr, hat der Herr Vizekanzler gesagt: „Wer jetzt über Steuererhöhungen oder neue Steuern redet, der hilft der Wirtschaft nicht auf die Sprün­ge, sondern stellt ihr ein Bein.“ – So hat uns Herr Finanzminister Pröll gewarnt.

Am selben Abend, in der „ZiB 2“, hat er zu Herrn Armin Wolf gesagt: „Ich habe Ihnen deutlich gesagt, es gibt keine neuen Steuern, das war auch eine Grundlage der Bildung dieser Bundesregierung.“ In der „ZiB 2“ erläuterte er weiter: Mit mir wird es in dieser Legislaturperiode keine neuen Steuern geben.

Am 28. April 2009 hat der Herr Vizekanzler in der „Pressestunde“ noch angekündigt: Mit mir sind neue Steuererhöhungen oder Steuern nie denkbar.

Am 17. Mai 2009 hat er uns dann interessanterweise aufgeklärt: Das Ärgste der Krise ist vorbei. – Das waren Ihre Worte. Aber wie man jetzt sieht, hat sich die Krise dramatisch verschärft, die Auswirkungen sind noch lange nicht vorbei.

Am 1. September im „Sommergespräch“, ganz gleich: Keine neuen Steuern.


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Am 15. Oktober: „Ich verwechsle nicht das Steuerrad mit der Steuerschraube.“ – Kapitän Pröll hält sich ganz, ganz stark an seinen Grundsatz: Es gibt keine neuen Steuern.

Am 23. Oktober spricht er dann von einer anderen Ausgabendisziplin und weiterhin: Mit mir wird es nie neue Steuern geben.

Und interessanterweise erst am 19. Jänner des heurigen Jahres schließt er zum ersten Mal eine Steuerbelastung der „Krone“ gegenüber nicht aus. Seit diesem Tag über­flügelt sich die Bundesregierung mit kreativen Einfällen, wie man zu neuen Massen­steuern kommen kann.

Die Bundesregierung will mit neuen Steuern Wachstum schaffen, haben wir da heute gehört. Sie wollen eine wahnsinnige Teuerung wieder anzünden, schwächen die Kaufkraft. Und das „Schönste“: Bis zum 20. Oktober wird überhaupt alles vertuscht – die Wahlen, die werden wir schon noch rüberbringen.

Herr Bundesminister, Sie müssen Taten setzen, Sie müssen handeln, Sie müssen ehrlich sein! Sie müssen der Wirtschaft und den Leuten sagen, was auf sie zukommt! Außerdem müssen Sie wirklich sparen, ehrlich sparen!

Wir von der Opposition haben es Ihnen schon oft genug vorgezeigt und vorgemacht, wo Sie kreativ, sofort Gelder einsparen können – anstatt die Gemeinden auszubluten durch null Investitionen. Mit diesen fehlenden Investitionen zünden Sie die Krise nur weiterhin an, das Pflänzchen des Aufschwungs lassen Sie komplett austrocknen!

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Dieser Strategiebericht ist hirnlos und sinnlos. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP. – Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Haben Sie überhaupt eine Idee geäußert? Eine Idee?)

13.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. Redezeit: ebenfalls 3 Minuten. – Bitte.

 


13.15.06

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Meine Damen und Herren! Das vom Vorredner ist irgendwie nicht satisfaktionsfähig. Ich konzentriere mich auf ein paar grundsätzliche Feststellungen.

Der Finanzrahmen soll verbindlich, mehrjährig, flexibel, klar und einfach verständlich sein. – So weit, so gut. Aber die Inhalte sollen auch gerecht und glaubwürdig sein. Es geht ja auch um die Lasten der Krisenbewältigung. Wer soll das jetzt tragen, wer soll das bewältigen? Die Arbeitnehmerinnen, die Arbeitnehmer, die durch Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen sind, die zusätzlichem Druck am Arbeitsplatz ausgeliefert sind? Oder sollen das die Banken sein? Sollen das die Vermögenden sein? Sollen das die Spitzenverdiener sein? Einkommen über 300 000 €, meine Damen und Herren, ein Solidaritätszuschlag von 5 Prozent?

Herr Finanzminister, Sie sagen, es betrifft 5 000 Personen – es sind 5 400 Personen, da sind wir uns einig. Und wir sind uns auch einig, dass man mit so einem Beitrag kein Budget sanieren kann.

Sie rechnen aber, abweichend von mir, den Ertrag auf unter 100 Millionen, offensichtlich mit 5 Prozent auf die Steuer. Ich rechne aber 5 Prozent auf das gesamte Einkommen, das ergibt bei 5 400 Personen 155 Millionen €. Und da sind wir uns be­stimmt auch wieder einig, nämlich dass das ein durchaus relevanter Betrag bezie­hungsweise eine relevante Größenordnung ist, die zum Budget sicherlich sehr, sehr wertvolle Beiträge leisten wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 89

Zur Glaubwürdigkeit noch, meine Damen und Herren: Wenn man als Bund Vorbild für Verwaltungsreformen in den Ländern sein möchte, dann appelliere ich wirklich, Herr Finanzminister: Beenden wir endlich das Schauspiel mit der ÖIAG! Denn: Die Sache mit Michaelis, mit seinen 700 000 €, der ja nur mehr zuständig ist für die Post, die Telekom und die OMV, die alle einen weiten Bogen machen, wenn sie ihn nur sehen – also das hat überhaupt keinen Sinn! (Abg. Hörl: ... ÖBB!)

Diese Doppelstruktur aufrechtzuerhalten, ist ein denkbar schlechtes Vorbild. Ich halte es für sehr, sehr wichtig, dass man hier als Bundespolitik vorbildlich agiert.

Jetzt noch etwas Zweites: Was Glaubwürdigkeit und die Aufklärung der Skandale betrifft, also BUWOG-Skandal, Hypo-Skandal – da möchte ich wirklich appellieren, dass die Behörden ein bisschen mehr Dampf machen und das ein bisschen ernsthafter und energischer betreiben, und zwar die Finanzbehörden einerseits und die Justiz andererseits. Denn eines ist klar: Die Bereitschaft der Bevölkerung, Belastungen mitzutragen und zu akzeptieren, hängt sehr stark mit Vertrauen zusammen; und dieses Vertrauen kann es nur geben, wenn einerseits Gerechtigkeit vorherrscht und anderer­seits Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte. (Abg. Hörl: Die Heißluft beginnt!)

 


13.18.10

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eine Anmerkung zur Aussage von Kollegem Kräuter: Ich halte die ÖIAG für geradezu unver­zichtbar, als Hitzeschild gegen jene parteipolitischen Begehrlichkeiten, die nicht zuletzt immer wieder aus Ihrer Partei kommen. – Aber das war jetzt nur ein Exkurs.

Ich glaube, wir können uns doch an manches erinnern, was wir in der Schule einmal gelernt haben. Da gab es das Schulsparen und es hieß: Schilling auf Schilling gespart, gibt eine feine Ferienfahrt.

Jetzt haben wir ein viel ernsteres Thema als eine Ferienfahrt, nämlich die Budget­konsolidierung, zu bestreiten. Und ich bin dankbar dafür, dass wir heute ein Gesetz beschließen, in dem sehr konsequente, sehr massive Einsparungsmaßnahmen be­inhaltet sind, die einen wesentlichen Beitrag zur Gesundung des Staatshaushaltes leisten werden. Jeder wird mir bestätigen, dass das Sparen in Österreich eigentlich sehr positiv besetzt ist. Die Sparquote aller privaten Haushalte kann sich sehen lassen. Auch die Damen und Herren auf der Galerie werden mir da sicher recht geben.

So hat das Sparen in Österreich auch ein durchaus freundliches, um nicht zu sagen fröhliches Gesicht. Dafür gibt es eine wohl bekannte Symbolfigur – den Sparefroh. (Der Redner stellt auf dem Rednerpult eine Figur des Sparefroh auf.)

Diesen Sparefroh möchte ich jetzt auch der Regierung und den anwesenden Regie­rungsvertretern mitgeben – als Ermutiger, dieses Vorhaben konsequent umzusetzen, aber gleichzeitig auch als freundlicher Ermahner, diesen Weg ohne Zaudern zu beschreiten – und der Regierung dabei gleichermaßen in unser aller Interesse viel Erfolg und Glück wünschen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Ikrath überreicht Bun­des­ministerin Heinisch-Hosek, Bundeskanzler Faymann, Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll sowie Staatssekretär Dr. Lopatka jeweils eine Sparefroh-Figur. – Abg. Öllinger: Aber dass wir kein Budget heute beschließen, das wissen Sie schon?!)

13.19



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 90

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Königshofer. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte. (Abg. Weinzinger – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dr. Königshofer –: Werner, für was wirbst du? Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 


13.20.18

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Präsident! Meine Dame und meine Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Das Budget ist eine sehr wich­tige Sache, für jedes Land. Es ist in Zahlen gegossene Politik. Ich las gestern im „Stan­dard“, dass der Internationale Währungsfonds bereits vor den zu großen Staats­schulden in allen Ländern warnt.

Es wird dort geschrieben: „Experten gehen davon aus, dass die Auswirkungen auf die Finanzlage der Staaten weit gravierender sein werden als in früheren Abschwüngen, weil“ – und da setzt auch unsere Kritik an, Herr Finanzminister – „Wachstum und Beschäftigung auf absehbare Zeit nicht das Vorkrisenniveau erreichen werden.“ – Zitatende.

Die Schulden Österreichs sind mittlerweile auf 200 Milliarden € angestiegen. Auch das steht im „Standard“. (Zwischenrufe der Abg. Mag. Hakl.) – Warum? Das wissen wir schon: weil es eine Krise gegeben hat, weil wir auch ein Bankenpaket geschnürt haben, et cetera, et cetera.

Aber: Bevor wir jetzt über eine Budgetsanierung reden – sei es ausgabenseitig, was ja wünschenswert wäre, was Sie immer versprochen haben, aber jetzt Schritt für Schritt zurücknehmen, oder einnahmenseitig, was Sie jetzt androhen –, sollten wir uns einmal die Frage stellen, meine Herren: Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, haben wir überhaupt noch die Budgethoheit im Lande? (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Ja!)

Nach all dem, was sich in den vergangenen Tagen und Wochen im Eurobereich zuge­tragen hat, muss man sich tatsächlich diese Frage stellen; denn, Herr Finanzminister: Wer trägt Ihnen denn auf, dass Österreich 858 Millionen € an Griechenlandhilfe bei­steuern muss? (Abg. Dr. Bartenstein: Unsere Vernunft, Herr Kollege, unsere Ver­nunft!)

Wahrscheinlich werden es laut dem Präsidenten der Deutschen Bundesbank sogar 80 Milliarden € sein, die Griechenland braucht – dann muss Österreich noch einmal eine Milliarde drauflegen. Deshalb stelle ich mir die Frage: Was tun wir in dieser Lage? Warum sollen wir die österreichischen Bürger, wie Sie es vorhaben, wie die Zitronen ausquetschen, nur um Millionen und Milliarden in dieses griechische Fass ohne Boden zu werfen?

Meine Damen und Herren! Gestern stand im „Standard“: Während die Griechen wieder streiken, feilen IWF und EU am Hilfspaket. – Zitatende. Heute steht in der „Tiroler Tageszeitung“, dass die Sorge wächst. Das griechische Defizit war letztes Jahr deutlich höher als angenommen (Abg. Rädler: Sie können aber schon Zeitung lesen?), statt 12,7 Prozent sind es 13,6 Prozent.

Wenn man ein Bruttonationalprodukt von 270 Milliarden € zugrunde legt, so sind das um 2,45 Milliarden € mehr ausgewiesenes Defizit – und das ist eine Katastrophe, meine Herren von der Regierungsspitze! (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: Damen!)

Meine Herren von der Regierungsspitze! Ich meine Kanzler, Vizekanzler und Finanz­minister. Daher fordere ich Sie auf: Stellen Sie sich in diesem Fall schützend vor Ihr Volk! Lassen Sie es nicht zu, dass die österreichischen Steuerzahler ausgepresst werden wie Zitronen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 91

Lassen Sie es nicht zu, dass die Pensionisten im Lande, über zwei Millionen Men­schen, keine Erhöhung mehr bekommen – dafür, dass sie dieses Land einmal auf­gebaut haben. Glauben Sie nicht, bei diesen Darlehen, die Sie den Griechen gewäh­ren, dass Sie jemals einen Cent zurückbekommen werden. Glauben Sie diese Geschichte von den Zinsen, die die Griechen bezahlen werden, nicht, auch das wird nicht eintreten. Das wären nur Geschenke.

Ich erinnere Sie daran, schon Homer hat einmal geschrieben: Hütet euch vor den Danaern, auch wenn sie Geschenke bringen! – Meine Herren, so schaut es aus. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe bei der ÖVP.)

13.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Mag. Widmann. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.24.31

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das Finanzrahmengesetz hat ja auch das Wort „Rahmen“ in sich, und das erinnert mich ein bisschen – sage ich einmal – an kleine Kinder, die ein Bild malen. Der Rahmen ist vorgegeben, und jedes kleine Kind weiß eigentlich, dass der Rahmen auch einen Inhalt braucht. Da kann man das Bild schön malen oder auch grauslich malen.

Das Problem, das wir derzeit vorfinden, Herr Vizekanzler und Herr Kanzler, ist, dass wir gar nicht wissen, wie das Bild aussehen wird. (Abg. Weinzinger: Wir kennen den Rahmen, das muss genügen!) Das ist die Kernfrage, Lutz Weinzinger: Welche Steuern haben Sie von der Regierung vor, in Österreich zusätzlich einzuführen, in welcher Höhe, und in welchen Bereichen wollen Sie einsparen?

Kollege Lugar hat Ihnen heute ein ganzes Paket von Rechnungshofberichten auf den Tisch gelegt, und mich würde interessieren, ob sich die Regierung auch schon einmal darüber Gedanken gemacht hat, das durchzusehen und aufzuarbeiten, welche Maß­nahmen in welchem Zeitrahmen welche Einsparungen bringen können. Wir vom BZÖ haben das gemacht, und ich kann es Ihnen sagen: Es sind mittelfristig Einsparungen in der Höhe von 7 Milliarden € locker möglich.

Man hat den Verdacht, dass – und es ist bereits erwähnt worden – Sie warten, bis die Wahlen im Burgenland, in der Steiermark und auch in Wien vorbei sind und dann die großen Grauslichkeiten herauskommen. Das kann man den Menschen in diesem Land eigentlich nicht zumuten. Wir wollen die Wahrheit wissen, wir wollen im Ausschuss diskutieren und wir wollen eine Lösung, die Österreich nach vorne bringt.

Eine Zahl hat mich besonders fasziniert: 12 Milliarden € an Mehreinnahmen bis 2014. 2014 sind 4,1 Milliarden € an Mehreinnahmen geplant. Wissen Sie, was das pro Haushalt in Österreich bedeutet, bei rund 3,6 Millionen Haushalten? Das bedeutet eine Mehrbelastung – und diese Zahl ist neu – von 1 200 € je Haushalt und Jahr, oder umgerechnet eine Mehrbelastung von 100 € je Haushalt und Monat. Das ist die Belas­tungskoalition, die hinter mir sitzt. Daher sagen wir vom BZÖ ganz klar: Nein zu neuen Steuern!

Wenn Sie daran erinnern, dass Sie das Budget bereits mit der Steuerreform 2009/2010 mit 2,3 Milliarden € plus 500 Millionen € für die Familien entlastet haben, dann sage ich Ihnen ganz klar, dass Sie ein Vielfaches von dem den Menschen jetzt wieder weg­nehmen werden. Wir brauchen klare Schwerpunkte für die Zukunft – auch das wurde angesprochen –, insbesondere im Sozialbereich. Wir dürfen den Sozialstaat nicht kaputtsparen.

Sie sparen im Arbeitssektor 3,5 Prozent ein. Es gibt keine Hinweise darauf, dass etwa auch das Pflegegeld angepasst wird. Es gibt keine Hinweise darauf, dass im


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 92

Behindertenbereich endlich Maßnahmen gesetzt und die Mittel aufgestockt werden; 2009 wurden sie gekürzt. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Sie die erneuerbare Energie und Energieeffizienz entsprechend dotieren und ausbauen.

Herr Minister Berlakovich hat heute gesagt, er habe tolle Strategien, aber keiner weiß, welche Mittel zu welchem Zeitpunkt zu welchem Zweck eingesetzt werden. Im Wissenschafts- und Forschungsbereich versagen Sie überhaupt völlig. Da behaupten Sie, teilweise Erhöhungen vorzunehmen. In Summe haben Sie ein Minus von 1,3 Prozent, und wenn heute die Statistik Austria festhält, dass wir mit 7,8 Milliarden € an Mitteln für Forschung und Entwicklung nur eine Forschungsquote von 2,76 Prozent erreichen, verfehlen wir damit das Lissabon-Ziel von 3 Prozent ganz klar und deutlich. Hinzu kommt antizyklisch, dass gerade auch die Wirtschaft jetzt weniger für Forschung und Entwicklung ausgibt.

Wir müssen auch über Tabus reden: Was ist mit den Studiengebühren, mit den Zu­gangsbeschränkungen? – Ich höre, die ÖVP ist gesprächsbereit. Ich höre, auch die FPÖ ist seit Neuestem gesprächsbereit, weil sie den Fehler eingesehen hat. (Zwi­schenrufe des Abg. Grillitsch.) Reden wir darüber, dass die Bildung, das Bildungs­angebot, ein guter Studienplatz auch etwas wert sein muss.

Wer gestern die „ZiB 3“ gesehen hat, der hat auch gesehen, was die Schweiz macht. Das sollten wir auch diskutieren, dass man etwa für ausländische Studenten kosten­deckende Studiengebühren einhebt. (Abg. Mag. Steinhauser den Finger an die Stirn führend –: „Kostendeckend“?!)

Denken wir darüber nach, ob das auch ein richtiger Schritt wäre, um Beiträge zu schaffen, denn die populistische Abschaffung der Studiengebühren hat den Univer­sitäten 150 Millionen € an Steuergeldern weggenommen, die jetzt dringend gebraucht werden. Die, die es wirklich brauchen, bekommen über die Studienbeihilfen ohnehin die entsprechende Unterstützung.

Ich fasse zusammen: Sparen Sie, nehmen Sie die Rechnungshofberichte ernst, werten Sie sie aus! Investieren Sie aber auch in Zukunftsfelder wie in Forschung, Entwicklung und Wissenschaft, wie in die Green Jobs bei der erneuerbaren Energie, und vergessen Sie die Armen und die sozial Schwachen in diesem Land nicht, um auch dort Schwer­punkte zu setzen.

Herr Finanzminister, ich schließe mit einem Zitat, das Sie vor einem Monat an dieser Stelle getätigt haben: „Herr Abgeordneter Scheibner! Zu Ihnen und dem BZÖ sage ich noch: keine neuen Steuern! Das war mein Ziel, und dazu stehe ich auch.“ (Vizekanzler Dipl.-Ing. Pröll: So ist es!) – Herr Vizekanzler, Sie sind umgefallen. Stehen Sie wieder auf, wir helfen Ihnen dabei! (Beifall beim BZÖ.)

13.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Ing. Schultes. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.29.32

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren der Bundesregierung! Hohes Haus! Das Bundes­finanzrahmengesetz ist für uns alle miteinander eine doch relativ neue Erfahrung. Wir wissen, dass wir mit den Zahlen, die darin stehen, keine Freude haben werden.

Wir wissen, dass die Diskussion darüber für uns alle eine große Herausforderung sein wird, und wir wissen auch, dass wohl noch einiges an Gestaltungsbedarf entwickelt werden muss. Aber diese Gestaltungsmöglichkeiten müssen wir uns erarbeiten – und wir werden sie nur erarbeiten können, wenn wir das Prinzip des Sparens ernst nehmen, das heißt Geld sinnvoll einsetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 93

Kaufkraft ist wichtig, aber besonders wichtig ist, dass es erwirtschaftete Kaufkraft ist, denn nur dann kann diese nachhaltig sein. Kaufen ohne Geld ist kaufen auf Kredit, und kaufen ohne denken ist Kaufrausch – daher werden wir sehr gut überlegen müssen, wie wir unser System weiterentwickeln, damit wir nicht die Schuldnerberatung in Anspruch nehmen müssen, wie das andere Länder in Europa leider schon tun.

Wenn wir überlegen, dass unsere zwei wesentlichen Kaufkrafträuber die Zinsen – wir zahlen jetzt schon 1 100 € Zinsen pro Erwerbstätigem – und die Energiekosten sind – denn das ist Geld, das das Land verlässt –, sage ich dazu nur zwei Zahlen: Steigen die Zin­sen, und das kann leicht passieren, um 1 Prozent, kostet uns das 1 700 bis 2 000 Mil­lionen €, und steigt der Energiepreis um 10 US-Dollar, kostet uns das 1 500 Millionen €.

Also wenn wir über Kaufkraft und Kaufkrafterhaltung reden, dann geht es darum, dass wir uns den finanziellen Spielraum erhalten, das heißt sinnvoll sparen, investieren und Chancen nützen. Auf der anderen Seite geht es dringend um die Umgestaltung unseres Energiesystems, sodass wir Kaufkraft im Land selber erwirtschaften und im Land halten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Notwendigkeiten müssen in den nächsten vier Jahren umgesetzt werden, deshalb ist der Rahmen so wichtig. Wenn es für uns um etwas geht, dann geht es darum: sinnvoll sparen, sinnvoll investieren und die Freiheit der Gestaltung bewahren. Das ist das oberste Prinzip. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Weinzinger: Können wir das noch? Wir können es nicht mehr!)

13.31


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haubner. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.31.52

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, mit dem Bundesfinanzrahmengesetz haben wir erstmals in der Geschichte unserer Repu­blik die Ausgabenstruktur – und somit vor allem die Ausgabenobergrenzen unseres Haus­haltes – verbindlich für vier Jahre festgelegt.

Das ist richtig und gut, und damit treten wir in punkto Neuverschuldung auf die Bremse – und auch das ist richtig und gut. Wir haben ein Krisenjahr hinter uns – wir haben die größte Krise nach 1945 –, und wir haben noch einen steinigen Weg vor uns. Doch wenn man sich die Zahlen anschaut, so sieht man, dass Österreich im europäischen Schnitt in absoluter Spitzenstellung liegt.

Wir sind beim Budgetdefizit Siebtbester, und wir haben zum Ende des Jahres 2009 eine Schuldenquote von 66,5 Prozent – das ist die Siebzehntniedrigste. Ich denke, wir haben unser Ziel auch klar definiert, nämlich das Defizit rasch abzubauen und wieder nach den Kriterien des EU-Stabilitätspaktes hauszuhalten.

Offen ist nur der Weg zu diesem Ziel, und auf diesem Wege werden wir uns auch von der Wirtschaft massiv dafür einsetzen, dass in die Diskussion um die ausgabenseitigen Einsparungspotenziale dieselbe Dynamik hineinkommt wie bei den Erfindungen von neuen Steuern – ich glaube, das ist auch ganz wichtig.

Wir brauchen klare Signale für Einsparungen und Strukturreformen in der Bürokratie, im Schul- und Gesundheitssystem. Effizienzsteigerungen werden wir leider nur mit offenen und transparenten Diskussionen erreichen. Da gilt es ebenfalls, jetzt gleich zu beginnen. Sepp Pröll hat es gestern und heute schon gesagt: Zuerst sparen und Effizienz steigern, dann Wachstum sichern und neues Wachstum generieren.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 94

Die Wirtschaft braucht dieses Wachstum, um die Arbeitsplätze und den Standort zu sichern. Ideen für mehr Wachstum und Impulse liegen, genauso wie Vorschläge für Effizienzsteigerungen, am Tisch. Starten statt warten ist unsere Devise. (Beifall bei der ÖVP.)

13.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Eßl. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.34.07

Abgeordneter Franz Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir heute das Bundes­finanzrahmengesetz diskutieren, dann zahlt es sich auch aus, sich Zwischentöne und auch die Aussagen einiger Oppositionsabgeordneter anzuhören. Ich habe den Herrn Strache gehört, der gesagt hat, wir sollten alle Förderungen streichen – er hat es sinngemäß so gesagt –, also auf null stellen. (Abg. Mag. Stefan: Dann hören Sie aber schlecht! Dann verstehen Sie aber schlecht! Zwischenruf des Abg. Weinzinger.)

Die Bäuerinnen und Bauern werden sich bedanken, wenn die FPÖ will, dass es in Zukunft keine Direktzahlungen mehr gibt, denn wir haben keine Überlebenschance und keine Wettbewerbschance ohne diese Direktzahlungen.

Dieses vorliegende Bundesfinanzrahmengesetz ist ein ganz wichtiger Schritt, damit wir wieder aus der Krise finden. Wir haben eine Finanzkrise zu bewältigen, wir haben eine Wirtschaftskrise zu bewältigen, und das Finanzrahmengesetz ist ein erster wichtiger Schritt, dass es keine Budgetkrise wird. Wir haben in der jüngsten Vergangenheit eigentlich schon die geeigneten Maßnahmen getroffen, um uns in die richtige Richtung zu bewegen.

Wir haben Konjunkturpakete beschlossen, eine Steuerreform im Ausmaß von 3 Mil­liarden €, wir haben Arbeitsmarktpakete beschlossen – und wir stehen besser da als andere Länder Europas. Wir haben auch alles getan, damit die Bürger möglichst wenig von dieser Krise spüren, und das hat natürlich Geld gekostet. In Summe sind nahezu 10 Milliarden €, über 9 Milliarden €, in die Hand genommen worden, um die Krise zu bewältigen.

Ich glaube, dass jetzt der geeignete Zeitpunkt ist, um zu schauen, dass das Budgetdefizit wieder sinkt. Wir erwarten 4,7 Prozent, wir wollen wieder zurück auf 2,7 Prozent. Im Übrigen haben andere natürlich wesentlich höhere Defizite. Ich nenne Griechenland mit 13,6 Prozent, Irland mit 14,3 Prozent, die Eurozone mit 6,3 Prozent – aber das soll nicht nur als Vergleich dienen, sondern einfach als Hinweis, dass wir gut sind, aber noch besser werden wollen.

In Summe, glaube ich, ist dieses Bundesfinanzrahmengesetz ein brauchbarer Vor­schlag für die Zukunft unseres Landes und für die Bürger in unserem Land. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP. Abg. Weinzinger: Danke auch!)

13.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Linder. 5 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.36.54

Abgeordneter Maximilian Linder (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Vom Herrn Finanzminister haben wir heute in eindrucksvoller und dramatischer Weise geschildert bekommen, wie schlimm es um unser Budget und um unsere Staatsschulden steht. 200 Milliarden € Schulden, 4,7 Prozent Neuver­schul­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 95

dung, 1 100 € Pro-Kopf-Verschuldung – 1 100 € pro Kopf brauchen wir, um die Zinsen zu zahlen. (Abg. Hörl: In Kärnten ist das ... !)

Was haben wir an Vorschlägen gehört? – Wir haben gehört, dass es 4,1 Milliarden € neue Steuern geben soll, und eines haben wir noch gehört, nämlich dass wir in Österreich nicht genug Superreiche haben, um diese Steuern zu tilgen. Das heißt, in dem Bereich werden wir nicht viel tun können, bei den Superreichen. (Abg. Grillitsch: Von Kärnten haben wir auch viel gehört!)

Allerdings haben wir eines gehört, nämlich dass die Opposition keinen billigen Popu­lismus an den Tag legen soll. Wir sollen gemeinsam mit der Regierung das Richtige für Österreich tun, alle miteinander gemeinsam. Ich glaube, wenn wir gemeinsam arbeiten und gemeinsam entscheiden sollen, Herr Finanzminister, sollen wir auch Informationen bekommen, dann müssen Sie auch die Offenheit haben und sagen, wo die Grauslichkeiten versteckt sind und wen es wo treffen wird.

Als Nächstes kommt der Kollege Cap heraus und erklärt uns, wie wichtig es ist, dass wir, alle fünf Parteien, für Österreich arbeiten, dass wir, alle fünf Parteien gemeinsam, unsere Ideen einbringen, um das Budget zu sanieren und um die Schulden in den Griff zu bekommen. Auch die Kollegin Rudas hat gestern erklärt, dass wir alle mitarbeiten müssen und wir von der Opposition unsere Gedanken einbringen sollen.

Im gleichen Atemzug hören wir aber schon vom Kollegen Cap, dass die Steuer­gerechtigkeit sehr wichtig ist und dass wir unbedingt die Manager besteuern müssen; die Manager-Boni müssen besteuert werden.

Der Kollege Pröll, der Vizekanzler Pröll hat gestern aber noch gesagt, dass man da nicht viel tun darf. Österreich braucht die besten Manager, die wir bekommen können, und da dürfen wir mit dem Geld nicht viel strafen und anfangen, die zu bremsen. Aber wir sollen mit euch gemeinsam mitstimmen, wir sollen mit euch gemeinsam arbeiten, wenn ihr selbst nicht wisst, in welche Richtung der Zug geht und aus welcher Richtung die Grauslichkeiten kommen sollen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Jury.)

Der Herr Vizekanzler hat ganz vollmundig erklärt, 60 : 40 ist ein gutes Verhältnis, der Kollege Cap kommt heraus und sagt 50 : 50 werden es werden. Diese 1,2 Milliarden €, die schupfen wir unter den Tisch – aber wir sollen mit euch mitstimmen und dabei sein. Ihr wisst nicht worum es geht, in welche Richtung es geht, verratet uns nichts, aber wir sollen mit euch mitmachen. (Abg. Grillitsch: Ganz nach Kärntner Stil!)

Das Einzige, das wir verlangen, ist, dem Bürger gegenüber offen und ehrlich und der Wirtschaft gegenüber verlässlich zu sein, damit wir wissen, in welche Richtung es geht, dass wir von der Wirtschaft kalkulieren können, dass wir wissen, was uns erwartet und was die Bürger erwischt.

Ich bin mit dem Kollegen Kogler nicht sehr oft einer Meinung, aber wenn er heute sagt, dass das Einzige, was wir haben, zwei verschiedene Regierungsbudgets sind, so muss ich ihm recht geben. Ich hoffe, dass sich eines davon durchsetzt, und dass nicht die Amanda Klachl von der „Kleinen Zeitung“ recht bekommt, wenn sie schreibt:  „ÖVP und SPÖ haben zwa verschiedene Steuermodelle. Als Kompromiss kommen alle zwa.“ – Ich hoffe, dass uns das nicht erwartet. (Beifall bei der FPÖ.)

13.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Ich weise die Regierungsvorlage 660 der Beilagen dem Budgetausschuss zu.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 96

13.40.322. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 932/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Grenzwert für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) (667 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Maier. Eingestellte Redezeit: 4 Mi­nu­ten. – Bitte.

 


13.41.10

Abgeordneter Mag. Johann Maier (SPÖ): Herr Präsident! Werte Mitglieder der öster­reichischen Bundesregierung! Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute werden mehrere konsumentenpolitische Themen diskutiert – einige werden beschlossen, einige werden abgelehnt. Wir haben uns im konsumentenpolitischen Aus­schuss darauf geeinigt – und ich möchte das vorweg sagen, auch in Richtung Oppositionsparteien –, uns mit den Anträgen der Opposition wirklich auseinander­zusetzen, sie in Behandlung zu nehmen, und wenn wir Anträge ablehnen, dann wer­den sie von uns eben abgelehnt.

Wir werden das auch heute bei zwei Anträgen tun. Aber gleichzeitig sind wir bemüht – und das ist die Linie, die Kollegin Gabi Tamandl und ich gemeinsam pflegen –, darauf zu schauen, dass es bei gemeinsamen Anliegen auch zu Fünf-Parteien-Anträgen kommt. Das ist eine Linie, die wir im konsumentenpolitischen Ausschuss vertreten, und ich sage das jetzt allen: Solche Fünf-Parteien-Anträge hat es in dieser Periode bereits gegeben.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jetzt geht es um eine Rege­lung für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, sogenannte PAKs, die schwerst kanzerogen sind und für die es auf europäischer Ebene keinen Grenzwert gibt und keine Regelung, welche Mengen in Produkten insgesamt enthalten sein dürfen.

Wir müssen Österreich ein Kompliment insofern machen, als sich auch vergangene Umweltminister bemüht haben, den Grenzwert von polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffen bei einzelnen Produktgruppen zurückzudrängen. Es gibt eine Verordnung aus dem Jahre 2003, wonach es eine Begrenzung für PAKs in Wurftauben gibt, weil Wurftauben das größte Problem bei polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffen dargestellt haben.

Österreich ist in dieser Frage führend und wird mit dem heutigen Beschluss einen weiteren Schritt gehen und auf europäischer Ebene für die Festlegung eines PAK-Grenzwertes eintreten.

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die Gelegenheit auch dazu nützen, darauf hinzuweisen, dass wir gemeinsam, die Konsumen­ten­schutz­sprecher aller Fraktionen, wieder für eine Präsentation des Vereins für Konsumen­teninformation gesorgt haben. Der Informationsstand steht für alle Abgeordneten, für alle Bediensteten des Hauses zur Verfügung und befindet sich in der Säulenhalle.

Gleichzeitig haben wir, da es auch unter den Beschäftigten immer wieder Probleme gibt, erstmals eine Beratung in Konsumentenangelegenheiten für die Bediensteten des Hauses organisiert. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Vereins für Konsumenteninformation für ihre


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 97

Tätigkeit in der Beratung, aber auch bei der Produktuntersuchung bei vergleichenden Warentests recht herzlich zu bedanken. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Abg. Dolinschek.)

Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit diesem Antrag sind wir in dieser Frage europaweit führend. Ich darf Sie einladen, diesen Antrag sowie auch die beiden folgenden Anträge zu unterstützen und diesen Anträgen Ihre Zustimmung zu geben. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

13.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


13.45.28

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minis­ter! Ich werde versuchen, diese polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe und was dahintersteht ein bisschen zu erklären.

Kunststoffe begleiten uns ja im Alltag, wir finden sie überall: im Auto, im Kinderspielzeug, in Plastikküchengeschirr genauso wie in Griffen von Werkzeugen oder in Sportgeräten. Sie sind uns im alltäglichen Gebrauch als eher elastische, form­bare Masse bekannt. In Wahrheit ist es aber so, dass die Ursprungsform der Kunststoffe hart und spröde ist, und um sie elastisch zu machen, müssen Weich­macher während der Produktion oder Verarbeitung von Kunststoffen oder Gummiteilen beigefügt werden.

Da gibt es natürlich verschiedene Chemikalien: manche, die als unbedenklich einge­stuft werden, und andere, so wie die billigen polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffe, die als schwer gesundheitsschädigend eingestuft werden. Und diese Weichmacher sind auch der Gegenstand dieses heutigen Entschließungsantrages.

PAKs kommen über Hautkontakt oder über Nahrungsmittelaufnahme in den menschlichen Organismus. Sie sind fettlösend, sammeln sich auch im menschlichen Fettgewebe an und führen dann zu schwerwiegenden Gesundheitsstörungen.

PAKs stehen im Verdacht, das Erbgut zu verändern, krebserregend zu sein und auch die Fortpflanzung zu beeinträchtigen. Und PAKs können vor allem über Hautkontakt in den Körper eindringen. Es genügen schon 30 Sekunden, die man mit diesen Weich­machern, die in Gummiteilen oder Plastikgegenständen beinhaltet sind, in Berührung kommt. Wenn man schwitzt oder auch Handcremes oder Kosmetika verwendet, erhöht sich die Aufnahme dieser PAKs sogar noch.

Es gibt einen Test der Stiftung Warentest. Diese hat solche Billigwerkzeuge – und „aromatisch“ nennen sie sich darum, weil sie auch extrem riechen; man kann diese PAKs in neuen Plastikgegenständen sogar riechen –, die mit Gummiteilen versehen sind, am Handgriff untersucht und festgestellt: Wenn man eine Stunde lang mit ungeschützter Hand mit einem solchen Werkzeug arbeitet und in Berührung mit diesem Gummiteil ist, dringt PAK in einer Menge in den Körper ein, als hätte dieser Mann oder diese Frau 3 500 Zigaretten konsumiert.

Daran sieht man also schon, dass diese Werte gigantisch sind. Und wenn man weiß, dass EU-weit gesetzlich konkrete Normierungen nicht da sind, Grenzwerte im ent­sprechenden Ausmaß nicht vorhanden sind, dann hat dieser Entschließungsantrag natürlich seine Berechtigung, und ich bitte Sie, ihn auch zu unterstützen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.48



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 98

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.48.28

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Werte Damen und Herren! Meine Damen und Herren auf der Galerie! Ich möchte bei meiner Vorrednerin anschließen: Diese Kohlenwasserstoffe sind wirklich das „Schönste“, was man sich in der Chemie vorstellen kann! Sie werden in den Körper aufgenommen, und wir haben schon gehört, sie richten dort allerlei Unheil an, weil sie sich direkt in die DNA angliedern oder diese verändern können.

Wir kennen natürlich diese aromatischen Kohlenwasserstoffe, zum Beispiel vom Grillen, wir kennen sie vom Rauchen. Beim Grillen wird unheimlich viel davor gewarnt, beim Rauchen steht es zumindest auf jeder Packung. – Lutz Weinzinger wird mir etwas darüber erzählen können, was das bewirkt. – Der Unterschied ist nur: Wenn wir von Kunststoffen oder Gummiprodukten reden, reden wir zum Beispiel von Kindern, reden wir zum Beispiel von Arbeitnehmern. Und ich sage ganz bewusst: Wir dürfen unseren Arbeitnehmern und natürlich auch unseren Heimwerkern, aber vor allem unseren Kindern nicht länger zumuten, in Kontakt mit diesen Produkten zu kommen – besser gesagt: mit den Folgen, weil ihr Körper diese Aromaten aufnimmt.

Daher ist dieser Antrag so wichtig und notwendig, denn wir hatten ja bis jetzt schon Richtwerte, nur haben sich ganz offensichtlich die Produzenten in Far East/im Fernen Osten, in China, wo immer die Billigprodukte herkommen, und manchmal auch in Europa nicht an diese Richtwerte gehalten. Daher brauchen wir jetzt Grenzwerte. Genauso enthalten in diesem Antrag ist, dass wir danach trachten, den Einsatz dieser Stoffe, dieser Polyaromate zu beschränken.

Ich frage mich wirklich – da geht es um eine grundsätzliche Angelegenheit –, ob wir das nicht nur beschränken, sondern überhaupt verbieten sollten. Was ich jedoch in diesem Zusammenhang zu bedenken gebe, ist, dass wir im österreichischen National­rat, was ein Verbieten des Einsatzes dieser Stoffe betrifft, dazu sicherlich nicht in der Lage sind, denn dazu brauchen wir die EU. Und das ist etwas, das mich sehr bedenklich stimmt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.50


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Schatz. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.51.14

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Meine Damen und Herren! Ich werde die 4 Minuten nicht brauchen, da Frau Abgeordnete Höllerer ohnehin schon sehr ausführ­lich erläutert hat, um welche Stoffe es sich bei polyzyklischen aromatischen Kohlen­wasserstoffen handelt und warum diese so gefährlich sind.

Kollegin Höllerer hat auch deutlich hervor gehoben, warum es so wichtig ist, dass wir da Grenzwerte haben beziehungsweise warum der Wert, den solche krebserregende Stoffe in bestimmten Produkten haben können, deutlich limitiert werden muss.

Der vorliegende Antrag ist ein Entschließungsantrag, mit dem der Herr Umweltminister, also nicht der Herr Konsumentenschutzminister, aufgefordert wird, sich auf euro­päischer Ebene für die Festlegung eines solchen Grenzwertes einzusetzen – ja, dass er sich für eine generelle Beschränkung des Einsatzes solcher Weichmacher einsetzen soll.

Ich denke, dass diese Aufforderung sehr wichtig ist, und ich begrüße auch die Praxis, dass der Nationalrat unseren Ministern quasi einen Auftrag für die Arbeit im Rahmen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 99

der Europäischen Union mitgibt. Ich denke, das könnten wir durchaus öfters prakti­zieren.

Nicht so glücklich bin ich aber damit, dass ich im Detail nicht erfahren werde, in welcher Art und Weise sich Herr Bundesminister Berlakovich für dieses Anliegen auf europäischer Ebene einsetzt. Das heißt, es wäre mir ein Anliegen – und das habe ich auch bereits im Konsumentenschutz-Ausschuss kundgetan –, dass, wenn wir solche Entschließungsanträge formulieren, dann in irgendeiner Form anschließend, also nach Ablauf einer sinnvollen Frist, eine Berichterstattung an den Ausschuss erfolgt. Es würde mich freuen, wenn Herr Abgeordneter Dolinschek als Vorsitzender dieses Ausschusses vielleicht etwas Ähnliches veranlassen könnte. (Beifall bei den Grünen.)

Was ich auch bereits im Ausschuss angemerkt habe, ist, dass es wichtig ist, diese Berichte sozusagen wieder zurück zu bekommen, denn a priori bin ich schon ein bisschen skeptisch, was den Einsatz von Herrn Umweltminister Berlakovich betrifft, weil dieser eben erst vor kurzem im Rahmen der Deponieverordnung, für die er zuständig ist, wo es also auch um Mülldeponien geht, den Grenzwert für genau diese krebserregende polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe verachtfacht hat. Verachtfacht!

Das ist ja nicht irgendetwas, wenn solche krebserregenden Stoffe in Mülldeponien in dieser hohen Konzentration vorhanden sind, denn wir wissen: Irgendwann kommt das alles wieder in Form von Wasser, von sozusagen beeinträchtigtem Wasser, zu uns zurück.

Kurz zusammengefasst: Ich denke, es ist das ein sehr wichtiger Antrag, den wir Grüne unterstützen – und ich hoffe, dass sich die Regierung und Minister Berlakovich für den Schutz der Menschen vor solchen gefährlichen Stoffen in all ihren Kompetenz­be­reichen einsetzen werden. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

13.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.54.21

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Werter Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Schatz, ich werde Ihre Anregung sehr gerne aufnehmen, denn das ist tatsächlich ein guter Vorschlag. Gerade der Konsumentenschutz stellt ja eine Querschnittsmaterie dar: Hauptakteur ist ja da nicht nur der Herr Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, sondern auch andere, so etwa der Gesundheitsminister, der Umweltminister und so weiter. Das spielt also in viele Bereiche hinein, so etwa auch ins Justizministerium.

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, diese PAKs, sind ja sozusagen in allen Gummiprodukten enthalten – und umso mehr, je billiger diese Produkte sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang nur auf Dinge wie zum Beispiel Lenkradüberzüge, Handgriffe bei Werkzeugen und so weiter, wo das eben überall enthalten ist.

Herr Bundesminister, da appelliere ich auch an Sie – es werden ja sehr viele Bro­schüren herausgegeben –, dass die Leute darauf aufmerksam gemacht werden, in welchen Produkten solch krebserregende Stoffe enthalten sind und dass Sie eben eine solche Informationsbroschüre in Auftrag geben. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir brauchen zwar nicht ein Gütesiegel sozusagen für alles, aber in diesem Bereich wäre eine Information sehr wohl notwendig, weil es da tatsächlich um äußerst gesundheitsgefährdende Stoffe geht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 100

Froh bin ich jedenfalls darüber, dass Österreich auf EU-Ebene einen Vorstoß in Bezug auf ein generelles Verbot solcher Stoffe machen wird. Es gibt ja hiezu EU-weite Regelungen, so etwa was Holzschutzmittel betrifft, aber das jetzt würde eine Erweite­rung darstellen. Daher wird das selbstverständlich unsere Zustimmung finden.

Froh bin ich auch darüber, dass es in dieser Angelegenheit Einstimmigkeit im Konsu­mentenschutz-Ausschuss gab und es wahrscheinlich auch heute hier im Plenum zu einem einstimmigen Beschluss kommen wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

13.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin hiezu zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Durchschlag. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.56.25

Abgeordnete Claudia Durchschlag (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gestern, und zwar beim Tagesordnungspunkt 5 zum Nationalen Aktionsplan Ernährung, über Prävention gesprochen. Auch wenn dieser Antrag jetzt nicht aus dem Gesundheitsausschuss kommt, so hat er doch auch mit Prävention im Gesundheitsbereich zu tun – im speziellen Fall auch mit der vorbeugenden Minimierung eines Krebsrisikos.

Diejenigen, um die es mir da ganz besonders geht, sind die Kinder. Eine Zahl aus dem deutschen Kinderkrebsregister, die, nehme ich an, auch für Österreich Gültigkeit haben wird, ist besonders erschreckend: Die Zahl der Neuerkrankungen an malignen Tumoren bei Kindern ist zwischen 1987 und 2007 um zirka 17 Prozent gestiegen.

Neben verschiedenen anderen Faktoren werden dafür die sogenannten CMR-Stoffe verantwortlich gemacht. Das sind jene Stoffe, die krebserregend, erbgutverändernd und fortpflanzungsgefährdend sind. Und zahlreiche dieser PAK, dieser polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, werden eben diesen CMR-Stoffen zugeordnet.

Die EU-Spielzeugrichtlinie 2009, in der auch gesundheitsgefährdende Belastungs­grenzen festgelegt wurden, schützt leider nur unzureichend vor Risiken, die eben durch diese PAKs, so zum Beispiel durch Benzopyren, bestehen. Zum Teil übersteigen da die Belastungen durch Aufnahme über die Haut, wie das eben naturgemäß bei Kinder­spielzeug gegeben ist, die Aufnahme über die Nahrung um ein Vielfaches. Der RAPEX, das Schnellwarnsystem der EU für gefährliche Konsumgüter, weist für das Jahr 2008 einen Anteil von 32 Prozent für Spielsachen aus.

Wir haben im Zuge der gestrigen Diskussion zum Ernährungsplan natürlich auch von Finanzierbarkeit gesprochen. Die günstigste und auch am besten Leid verhindernde Möglichkeit ist, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Was im Vorfeld verhindert werden kann, kostet weniger und hilft, Krankheiten wie Krebs vorzubeugen.

Weichmacher in Konsumgütern so zu verwenden, dass auch die Aufnahme über die Haut auf ein Minimum reduziert wird, ist technisch ohneweiters möglich und kommt ja bei vielen Konsumgütern bereits zur Anwendung.

Daher ist diese Initiative sehr zu begrüßen und sollte schnellstens zu einer Novel­lierung der Spielzeugrichtlinie führen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.58

13.58.47Abstimmung

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 101

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 667 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 93.)

13.59.103. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV – BGBl II Nr. 316/1999) (666 d.B.)

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Mag. Schatz. 4 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


13.59.50-S

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Danke, Herr Vorsitzender. – Die Insolvenz des Reiseveranstalters „Pineapple Tours“ war für die Regierungsparteien der Anlass, diesen Entschließungsantrag einzubringen, denn durch diese Insolvenz kamen zahl­reiche Konsumenten und Konsumentinnen zu Schaden. Es wurde durch diese Insol­venz deutlich, dass dieses Unternehmen gegen die Bestimmungen der Reisebüro-Sicherungsverordnung verstoßen hat, aber gleichzeitig gab es auch den Vorwurf, dass die Reisebüro-Sicherungsverordnung sozusagen nicht korrekt ist.

Die Reisebürosicherungsverordnung ist die Umsetzung der europäischen Reise­pauschalrichtlinie, und da gab es eben die Kritik, dass die Verordnung nicht ganz dem Sinn dieser Richtlinie entsprach.

Daraufhin reagierten die Regierungsparteien und stellten einen Antrag, der im Detail folgendermaßen lautet – ich nehme an, Sie haben ihn nicht vorliegen, deshalb lese ich Ihnen diesen vor –:

Der Bundesminister für Wirtschaft – und so weiter – wird ersucht, durch eine Evaluie­rung der Reisebüro-Sicherungsverordnung unter Einbindung der Vertreter der Reise­bürobranche sicherzustellen, dass die Einhaltung der Bestimmungen der Pauschal­reiserichtlinie gewährleistet wird und dadurch die Zahlungsfähigkeit und im Konkursfall betroffene Konsumenten und Konsumentinnen tatsächlich schadensfrei gestellt wer­den. – Zitatende.

Noch einmal: Da steht, dass durch die Evaluierung sichergestellt wird, dass die Einhal­tung der Bestimmung der Pauschalreiserichtlinie gewährleistet wird und dann sozu­sagen bei Zahlungsunfähigkeit eine Schadensfreistellung erfolgt.

Mein Punkt ist – und das habe ich bereits im Ausschuss deutlich gemacht –, dass eine Evaluierung nichts sicherstellen kann, eine Evaluierung kann nur etwas überprüfen. Es ist dies eine Zielüberprüfung, eine Maßnahmenüberprüfung, und je nach Ergebnis dieser Evaluierung sind dann Maßnahmen zu setzen.

Ich habe versucht, in der Intention des Antrages, diesen neu zu formulieren und bringe deshalb folgenden Abänderungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 102

Die dem Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kollegen und Kolleginnen betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV – BGBl II Nr. 316/1999) (666 d.B.) angeschlossene Entschließung lautet:

Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend wird ersucht, eine Evaluierung der Reisebürosicherungsverordnung (RSV) unter Einbindung der Vertreter der Reisebürobranche vorzunehmen. In weiterer Folge ist unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Evaluierung die Verordnung gegebenenfalls dahingehend zu ändern, dass die Einhaltung der Bestimmungen der Pauschalreiserichtlinie wirklich gewähr­leistet wird und dadurch bei Zahlungsunfähigkeit und im Konkursfall betroffene Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich schadensfrei gestellt werden.

*****

Ich hoffe, dass Sie im Sinne einer tatsächlichen Wirksamkeit des Entschließungs­antrags dem Abänderungsantrag zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Abänderungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abg. Schatz, Freunde und Freundinnen betreffend den Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV - BGBl II Nr. 316/1999) (666 d.B.)

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die dem Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 891/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung (RSV – BGBl II Nr. 316/1999) (666 d.B.) angeschlossene Entschließung lautet:

„Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend wird ersucht, eine Evaluierung der Reisebürosicherungsverordnung (RSV) unter Einbindung der Vertreter der Reisebürobranche vorzunehmen.

In weiterer Folge ist unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Evaluierung die Ver­ordnung gegebenenfalls dahingehend zu ändern, dass die Einhaltung der Bestim­mungen der Pauschalreise-Richtlinie wirklich gewährleistet wird und dadurch bei Zahlungsunfähigkeit und im Konkursfall betroffene Konsumentinnen und Konsumenten tatsächlich schadensfrei gestellt werden.“

Begründung

Im betreffenden Ausschuss für Konsumentenschutz wurde mehrheitlich beschlossen, dass eine Evaluierung der Reisebüroversicherungsverordnung (RSV) unter Einbindung der Vertreter der Reisebürobranche sicherzustellen hat, dass die Einhaltung der Bestimmungen der Pauschalreise-Richtlinie gewährleistet wird und dadurch bei Zahlungsunfähigkeit und im Konkursfall betroffene Konsumenten tatsächlich scha­densfrei gestellt werden.


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Es erscheint jedoch völlig unklar, wie der gewollte Effekt, der sich aus der Begründung des Antrags erschließen lässt, allein durch das Instrument einer Evaluierung tat­sächlich erreicht werden kann. Aus Sicht der AntragstellerInnen muss bereits zum jetzigen Zeitpunkt auch eine allfällige Änderung der Reisebüro-Sicherungsverordnung ins Auge gefasst werden.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hell. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.03.36

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Dass Reisen für Konsumenten und Verbraucher mit vielerlei rechtlichen Implikationen verbunden ist, das haben wir auch in den letzten Tagen im Zusammenhang mit den Ereignissen im Flugbetrieb festgestellt.

Daher ist ein effektiver Verbraucherschutz, der für diesen Bereich klare Regelungen enthält, besonders wichtig. Meine Vorrednerin, Kollegin Schatz, hat bereits darauf hin­gewiesen, dass, ausgelöst durch den Konkurs eines Reiseveranstalters, zahlreiche Konsumentinnen und Konsumenten, die ihre Reise zu früh bezahlt haben, vorerst um einen Teil ihres Geldes umgefallen sind. Die Nichteinhaltung der Bestimmung des An­zahlungsverbotes durch den Veranstalter hat zu dieser Situation geführt.

Meine Damen und Herren, die Absicherung von Konsumenten, die Pauschalreisen buchen, für den Fall eines Konkurses eines Reiseveranstalters ist im Art. 7 der EU-Pauschalreiserichtlinie geregelt. Diese Regelung hat zwei Zielrichtungen:

erstens, KundInnen, die von der Zahlungsunfähigkeit der Veranstalter während der Reise betroffen sind, eine möglichst problemlose Rückreise zu sichern, und

zweitens, Kundengelder, die vor einer nicht mehr durchgeführten Reise bezahlt wur­den, zu ersetzen.

Die Umsetzung dieser Bestimmung in nationales Recht erfolgt in der Reisebüro-Siche­rungsverordnung. Im konkreten Fall wurden erhöhte Anzahlungen eingefordert und von den Kunden auch bezahlt, die nach dem Konkursfall vorerst nicht zur Gänze rück­erstattet wurden.

Aus konsumentenpolitischer Sicht hat die heute zu beschließende Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung sicherzustellen, dass die Einhaltung der Pauschal­reiserichtlinie auch gewährleistet wird, um auch bei Zahlungsunfähigkeit und im Kon­kursfall zu verhindern, dass Konsumentinnen und Konsumenten geschädigt werden.

Meine Damen und Herren, Verbraucher- und Konsumentenschutz braucht breiten­wirksame und alltagstaugliche Regelungen. Diese Evaluierung wird dazu beitragen, dass Reisebürokunden mehr Sicherheit erhalten, um wieder zu ihrem Geld zu kommen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

14.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.06.23

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Erstes möchte ich mich beim Herrn Konsumentenschutzminister bedanken, der, obwohl es nicht so viele Sitzungen des Ausschusses für Konsumentenschutz in einem Jahr gibt, uns trotzdem


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regelmäßig für Aussprachen zur Verfügung steht, wodurch wir sehr viele von ihm oder von anderen Stellen gesetzte Initiativen im Sinne der Konsumentinnen und Konsu­menten erfahren. Das ist nicht selbstverständlich, und dafür möchte ich mich be­danken. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Nun komme ich zum heute zu beschließenden Antrag betreffend Evaluierung der Reisebüro-Sicherungsverordnung. Frau Kollegin Schatz, wir haben im Konsumenten­schutzausschuss eigentlich ein sehr gutes Klima, und wir zeigen Ihnen, glaube ich, auch – Kollege Maier hat es beim vorigen Tagesordnungspunkt schon angesprochen –, dass wir sehr viele Initiativen, die von der Opposition ausgehen, ernst nehmen und in den unterschiedlichsten Ministerien – wir wissen, Konsumentenschutzpolitik ist eine Querschnittsmaterie – Arbeitsgruppen bestehen et cetera.

Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag möchte ich nur darauf hinweisen, dass eine Evaluierung in diesem Bereich genau das Richtige ist, denn es gibt bereits Maßnahmen, die seitens des Wirtschaftsministers mit den Vertretern der Reise­büro­branche gesetzt worden sind; so zum Beispiel betreffend Bewusstseinsbildung, dass allgemeine Geschäftsbedingungen so abgefasst werden müssen, dass genau drinsteht, dass nur bis zu 20 Prozent Anzahlung geleistet werden sollen und der rest­liche Betrag erst frühestens zwei Wochen vor Reiseantritt bezahlt werden soll.

Ich glaube, genau da liegt das Dilemma, dass beispielsweise die Firma Pineapple Tours sich eben nicht an genau diese Bedingungen gehalten hat. Sie hat wahr­scheinlich gesagt: Bitte zahlt mir den ganzen Reisepreis!, und der Konsument und die Konsumentin waren nicht ausreichend darüber informiert, dass sie im Zweifelsfall bei einer Insolvenz vielleicht durch die Finger schauen.

Der Konsument schaut aber nicht durch die Finger, weil die Republik für solch einen Fall die Haftung eingehen muss. Zum Beispiel wurden im Falle von Rainbow Tours 11 800 € an Schadensgeld abgewickelt, bei Klinger Tours beispielsweise 37 000 € an Schaden anerkannt; das Geld ist bereits den Geschädigten zurückgegeben worden.

Ich denke, es ist mit einer Evaluierung gut. Wir können auch mehr tun, wenn wir sehen, dass es mehr sein muss als Information, wie bessere Auszeichnung der Geschäfts­bedingungen in Reisekatalogen et cetera. Ich habe auch mit den Verantwortlichen im Verein für Konsumenteninformation gesprochen und beim Herrn Minister angeregt, dass man vor der Reisezeit eventuell noch einmal eine Informationskampagne startet – so, wie es der VKI jährlich tut –, bei der man sagt: Bitte, liebe Reisende, lieber Reisender, zahlt erst frühestens zwei Wochen vor der Reise die restlichen 80 Prozent!

Herr Kollege Maier hat es angesprochen, ich darf mich auch noch einmal beim Verein für Konsumenteninformation dafür bedanken, dass uns dessen Mitarbeiter heute in der Säulenhalle wieder Informationen zur Verfügung stellen und im Lokal VII Beratungen nicht nur für hausinterne Mitarbeiter, sondern auch für all unsere Klubmitarbeiter und parlamentarischen Mitarbeiter durchführen, weil auch an diese vonseiten der Konsu­mentinnen und Konsumenten diesbezüglich immer wieder Fragen herangetragen wer­den.

Abschließend – ich weiß, meine Redezeit ist vorbei – möchte ich noch sagen, dass wir heute schon eine Beratung betreffend eine Reise mit einem Frühbucherbonus in Anspruch genommen haben. Und: Auch beim Frühbucherbonus muss der Konsument nicht die ganze Reise ausbezahlen, sondern auch da gilt: Bis zu 20 Prozent Anzahlung und den Rest erst frühestens zwei Wochen vor Antritt der Reise.


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Ich glaube, das ist ein wesentlicher Punkt, der für Konsumentinnen und Konsumenten gerade vor dem Sommer eine nützliche Information darstellt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.10


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Mag. Haider. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.10.35

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir werden beiden Anträgen, dem Abänderungsantrag der Grünen und dem vorliegenden Antrag, zustimmen. Ich weise allerdings schon darauf hin – auch deshalb, Frau Kollegin Tamandl, weil Sie über die gute Einbindung der Opposition bei solchen Themen gesprochen haben –: Vor einem Jahr, am 20. Mai 2009, habe ich einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem der zuständige Wirtschaftsminister aufgefordert wurde, die Einhaltung der Bestimmungen der Reisebüro-Sicherungs­ver­ordnung genauestens zu überwachen und die Verordnung so zu novellieren, dass die zum Schaden der Kunden bestehenden Lücken geschlossen werden. Vor einem Jahr! Sie haben ein ganzes Jahr verschlafen. Das Ganze hätten wir schon vor einem Jahr haben können. (Beifall bei der FPÖ.)

Aber es werden ja – und das zieht sich schön langsam wie ein roter Faden durch die­ses Haus – sämtliche Anträge der Opposition entweder gleich abgelehnt oder zumin­dest auf die lange Bank, per Vertagung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Das ist etwas, Frau Kollegin Tamandl, anhand dessen ich nicht sehen kann, dass die Opposition da gut eingebunden wird. Es ist, wie gesagt, schon fast reflexartig, dass Sie alles, was von der Opposition kommt, zur Seite stellen.

Aber gut, das Thema ist klar – und wir werden zustimmen.

Eines möchte ich aber auf jeden Fall noch zur Reisebüro-Sicherungsverordnung sa­gen: Diese Zwei-Wochen-Grenze gehört auch einmal hinterfragt. Denn wenn man die Reise tatsächlich erst zwei Wochen vor Antritt der Reise bezahlt, damit das Geld versichert ist, dann passiert es sehr oft, dass man die Reiseunterlagen und die Tickets gar nicht mehr bekommt.

Ich habe versucht, einen Grund für diese Zwei-Wochen-Frist herauszufinden. Ich habe auch, Frau Kollegin Tamandl, mit Leuten gesprochen, die damals, als man diese Verordnung das erste Mal erlassen hat, dabei waren. Es kann niemand erklären, woher die zwei Wochen kommen. Das könnte man einmal hinterfragen, denn drei Wochen sind genauso gut. Es ist offensichtlich nur eine rein versicherungstechnische Schikane. Und das ist ein Thema, das bei dieser Evaluierung auf jeden Fall durchleuchtet gehört. (Beifall bei der FPÖ.)

14.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.12.53

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Auch wir werden diesen beiden Anträgen zustimmen, denn wir alle kennen diesen Spruch: Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. In letzter Zeit war gerade das nicht der Fall, gleich, ob das jetzt mit der Vulkanasche zu tun hatte oder mit der Insolvenz eines Reiseveranstalters.

Zur Vulkanasche möchte ich Folgendes sagen: Ich meine, man müsste sich in Zukunft überlegen, warum etwas so lange dauert. Man hat gewusst, dass eine Aschewolke


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kommt. Wir haben keine genauen Informationen darüber gehabt. Ich finde, ein Land wie Österreich müsste zumindest einen Flieger haben oder etwas ausstatten, womit man diese Partikel messen kann, oder aber eine bessere Zusammenarbeit mit Europa haben.

Ich finde es sehr interessant, dass wir aus Amerika einen Flieger anfordern müssen, um festzustellen, wann wir fliegen dürfen. Wir haben jetzt einen Schaden in der Höhe von ein paar Milliarden €, nicht nur bei den Unternehmen, bei den Reiseveranstaltern, die es ja auch trifft, bei den Flugunternehmen, bei den kleinen Angestellten. In Deutschland werden Fabriken zugesperrt, die Arbeiter und Mindestangestellten werden in Urlaub geschickt.

In diesem Bereich sollten wir in Zukunft besser koordinieren. Ich nehme die Forderung von Niki Lauda als Unternehmer sehr gerne auf, der sagt, man sollte die Verant­wortung den Fluglinien übergeben, denn ich denke, die werden selbst am besten Bescheid wissen, die Verantwortung besser abschätzen können als irgend­jemand aus der Entfernung. (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein.)

Zurück zum Thema, bevor die Kollegen von der SPÖ nervös werden. Natürlich stimmen wir zu, der Antrag stellt eine Verbesserung dar, weil nur Anzahlungsbeträge von 20 Prozent ausbezahlt werden. Wir finden, dass die Beträge an die Geschädigten viel zu gering waren, die Versicherung zu wenig einspringt, denn gerade in Urlaubs­zeiten – den Urlaub hat man sich wohlverdient – kann es nicht sein, dass man einfach ein Pauschalangebot, das meistens billiger, minderwertiger ist, angeboten bekommt. Deswegen werden wir diesem Antrag und auch dem Abänderungsantrag der Grünen zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

14.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


14.15.11

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kollegen! Ich knüpfe an den Beitrag meines Vorredners punkto Vulkanasche an. Es ist in diesen Tagen doch schön zu sehen, wie sehr sich Menschen freuen, wieder nach Österreich zurückzukehren, Reisende, die tagelang durch Europa geirrt sind, eben weil der Vulkan die Heimreise vereitelt hat.

Diese Aschewolke ist natürlich ein ganz besonderes Phänomen, es ist aber auch Tat­sache, dass es immer mehr Unsicherheit in einer globalen Welt gibt, und umso mehr schätzen wir dann die Sicherheit in Österreich auch und vor allem im Konsu­mentenschutz. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Mag. Johann Maier.)

Herr Minister Hundstorfer, ein positives Beispiel: Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie der Abzocke bei Werbefahrten den Kampf ansagen wollen. Unseriöse Firmen sollen künftig auf einer sogenannten Watchlist veröffentlicht werden. Eine Art Warnung für Reisende. Doch Sie, Herr Minister, platzieren diese Warnung auf der Homepage der Arbeiterkammer Niederösterreich. Dazu frage ich: Wen wollen Sie erreichen? – Die Adressaten der Werbefahrten sind vor allem ältere Menschen. Wenn Sie die Watchlist auf der Internetseite des Österreichischen Seniorenrates veröffentlichen, einer Plattform für zwei Millionen Senioren, dann erreichen Sie die Senioren wirklich. (Beifall der Abgeordneten Schittenhelm und Singer.)

Wir wissen, ältere Menschen sind reisefreudig. Sie unternehmen die meisten Grup­pen­reisen. Daher ist es uns besonders wichtig, ihnen die Sorgen zu nehmen, auch wenn ein Reiseveranstalter in Konkurs geht. Deshalb ist dieser Antrag heute so wichtig.


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Wir werden auch diese Informationen weitergeben: Erst in den letzten 14 Tagen vor Antritt der Reise soll man den Restbetrag bezahlen, dann wirkt der Schutz. Dann kann man vielleicht den Urlaub nicht genießen, bekommt aber das Geld zurück.

Zuletzt, werte Kolleginnen und Kollegen: Mich freut der Einsatz der Abgeordneten im Kon­sumentenschutzausschuss, und zwar der Abgeordneten aus allen Fraktionen. Die Herausforderungen werden immer größer, und ich habe den Eindruck, auch das Engagement. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Rädler. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.17.56

Abgeordneter Johann Rädler (ÖVP): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Lieber Herr Abgeordneter Markowitz! Unter dem Eindruck der letzten Tage Vulkanasche – 7,5 Milliarden € Umsatzeinbußen bei Reiseveranstaltern und Fluglinien; allein am Flughafen Wien Schwechat geht täglich 1 Million € verloren – sehe ich das etwas anders und mit Vorbehalt die Aussagen des Herrn Lauda gegenüber deutschen Sen­dern. Gerade er hat schon eine Geschichte in seinem Flugunternehmen, wonach man mit der Sicherheit der Menschen anders umgehen sollte als mit dem Vorstoß, zwei Stunden über Wien zu fliegen und zu sagen, es sei eigentlich ohnehin alles in Ordnung.

Das, was Sie hier angezogen haben, nämlich dass die österreichischen Ministerien, die Verwaltungsbehörden sehr lange gebraucht hätten, ist jedenfalls zurückzuweisen. Man hat gestern im deutschen Fernsehen schon auch die Botschaft des Herrn Lauda gehört, dass wir in Österreich sehr rasch gehandelt und die Deutschen erst drei Tage später den Luftraum geöffnet haben.

Zur Kollegin Schatz ist noch festzustellen, dass Evaluierung ein Prozess ist, und einen Prozess, der eingeleitet wurde, mit einem Abänderungsantrag wieder abändern zu wollen, nur deshalb, weil man sagt, da steht nicht genau drin, welche Maßnahmen bei der Reisebüro-Sicherungsverordnung getroffen werden sollen, ist nicht gut. Das haben wir im Ausschuss sehr ausführlich diskutiert, und ich denke, dass dieser Abände­rungs­antrag nicht notwendig ist.

Wir werden mit Mehrheit diesen Beschluss im Sinne der Konsumenten fassen, und ich denke, dass das gerade jetzt, da der Beginn der Reisezeit bevorsteht, eine notwendige Maßnahme im Sinne aller ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.19

14.19.40

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 666 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Hiezu haben die Abgeordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen einen gesamt­ändernden Abänderungsantrag eingebracht.

Ich lasse zunächst über diesen Abänderungsantrag und im Falle seiner Ablehnung über die dem Ausschussbericht 666 der Beilagen angeschlossene Entschließung ab­stim­men.


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Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich für den Abänderungsantrag der Abge­ordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen aussprechen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 666 der Beilagen an­geschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich hiefür aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 94.)

14.20.494. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 933/A(E) der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Gabriele Tamandl, Kolleginnen und Kollegen betreffend die „Deklaration von Duftstoffen in Lufterfrischern oder Ähnlichem“ (668 d.B.)

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Bayr. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


14.21.27

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Wir wissen, dass Allergien immer mehr zunehmen. Grund dafür sind auch der Klimawandel, die Klima­erwärmung und die zunehmende Menge und andere Intensität von Pollen in der Luft, aber auch Duftstoffe, die immer öfter irgendwelchen Produkten zugefügt sind.

Während es für eine bestimmte Produktgruppe schon sehr klare Deklarationspflichten für Duftstoffe gibt und auf den Verpackungen klar draufstehen muss, was da alles an Zusatzstoffen drinnen ist, ist das für eine große andere Gruppe noch nicht der Fall, nämlich für all die Dinge, die unter dem Begriff Raumerfrischer firmieren, und für Produkte, die man nicht nur im Raum versprüht, sondern eventuell auch auf Textilien wie zum Beispiel Vorhänge oder Möbel.

Die AnwenderInnen haben leider keine Chance, im Vorhinein zu schauen, welche Zusatzstoffe da drinnen sind, und sich vor irgendwelchen Allergien zu schützen – auch wenn es bekannte sind –, weil sie ja nicht wissen, ob diese bestimmten Teile, auf die sie allergisch reagieren, im Produkt enthalten sind oder nicht.

Dieser Antrag soll genau das ändern. Jacky Maier war da einmal mehr sehr initiativ und aktiv, und ich denke, eine Deklarationspflicht für solche Produkte ist auf jeden Fall ein guter und wichtiger Schritt.

Diese Deklarationspflicht soll, wenn es irgendwie möglich ist, auf europäischer Ebene umgesetzt werden. Wenn das nicht möglich ist, dann ist mit diesem Antrag der Um­weltminister auch aufgerufen, in Österreich aktiv zu sein und einerseits die Studien, die es dazu gibt, etwa über die Folgeerscheinungen von Allergien aufgrund von Duft­stoffen, weiter im Auge zu behalten und zu evaluieren. Wenn er der Meinung ist, dass irgendwo nicht ausreichend Studien und Daten vorhanden sind, dann fordern wir ihn in diesem Antrag andererseits auch auf, selbst etwas zu tun, selbst Studien in Auftrag zu geben, sich schlauzumachen und je nachdem, was dann herauskommt, selbst aktiv zu werden – sei es auf europäischer oder auch auf nationaler Ebene.


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Ich denke, das ist ein wichtiger Schritt. Wir wissen, dass mehr und mehr Menschen sehr stark unter solchen Allergien aufgrund von Duftstoffen leiden. Wenn wir ihnen im Vorfeld helfen können, indem wir ihnen eine Entscheidungshilfe geben, sodass sie nachschauen können, ob in einem Produkt eine Substanz enthalten ist, die schädlich ist, dann ist das auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich hätte mich jetzt sehr gerne bei Jacky Maier bedankt, aber ich glaube, er ist gerade nicht im Saal. (Abg. Mag. Lapp: Ich richte es ihm aus! – Abg. Mag. Gaßner: Ich sag’s ihm auch!) – Wir sagen es ihm! Aber wir alle wissen ja, dass er einer der Hauptkämpfer für den Konsumentenschutz in dieser Republik ist. In diesem Zusammenhang herz­lichen Dank für die Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ.)

14.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.24.19

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ja, wir sind wirklich ständig von Duftstoffen umgeben – sei es in Pflegemitteln, sei es in Reinigungsmitteln oder aber mittlerweile auch in Lebensmitteln, und jetzt gibt es immer öfter auch Duftstoffe für den Innenraum.

Was uns oft suggeriert wird, stimmt in Wirklichkeit nicht. All diese Duftstoffe reinigen die Luft nicht, sie maskieren sie nur. Sie stülpen sich drüber und haben daher für uns überhaupt keine positive Wirkung. Das Erstaunliche dabei ist, dass es mittlerweile über 3 000 einzelne Substanzen gibt, die da bisweilen zusammengemischt werden. Wissenswert dabei ist: Es gibt nur 15 Substanzen weltweit, die mengenmäßig wirklich relevant sind und die auch getestet und geprüft sind. Die restlichen fast 3 000 Sub­stanzen sind nicht erforscht. Sie sind vor allem deshalb nicht wirklich kontrolliert, weil sie ja vermischt werden. Ungefähr 30 bis 50 Einzelsubstanzen werden aufgewendet, um einen einzigen Duftstoff zu erzeugen.

Was wir leider immer öfter bemerken müssen, ist, dass es zu allergischen Reaktionen kommt. Ähnlich wie bei Nickelallergien im Bereich Schmuck kommt es auch bei diesen Duftstoffen in der Raumluft verstärkt zu Kontaktallergien.

Das leidige Thema dabei ist, dass wir uns diesen Duftstoffen in Wirklichkeit nicht mehr entziehen können. Egal ob in Kaufhäusern, in Büroräumlichkeiten oder teils auch in Wartezimmern von Ärzten oder sonstigen Einrichtungen – oft wird man damit berieselt, ob man will oder nicht.

Da gibt es zu schützende Gruppen, egal ob das schwangere Frauen oder Kleinkinder sind, die sich dann dieser Einwirkung nicht entziehen können und bei denen es immer wieder verstärkt zu allergischen Reaktionen kommt. Aktuelle Untersuchungen zeigen es uns. Dr. Winkens ist Umweltanalytiker und hat eine aktuelle Studie durchgeführt: In über 80 Prozent der Proben kommt eine erhöhte Limonenkonzentration vor. In über 80 Prozent der Proben! Das ist so weit gegangen, dass es bis zu 3 000 Mikrogramm pro Kubikmeter Inhaltsstoffe gibt. Das ist das Zehnfache jener Werte, die man für Raumluft empfehlen kann.

Daher denke ich, dass das eine sinnvolle Entschließung ist, die heute eingebracht wird, in der es wirklich darum geht, die vorhandenen Studien und Befunde zu evaluieren und vielleicht auch neue in Auftrag zu geben, um europaweit eine einheitliche Vorgangs­weise in der Deklaration zu finden. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.27



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 110

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.27.16

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minis­ter! Werte Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum vorliegenden Antrag Stellung nehme, möchte ich, wie auch schon Herr Kollege Maier und Frau Kollegin Tamandl, noch einmal auf die heutige Veranstaltung des VKI im Lokal VII hinweisen. Die Damen und Herren haben durchaus interessante Literatur mitgebracht. Ich möchte Ihnen auch ein Werk des VKI ans Herz legen, in dem es um Sicherheit im Umgang mit IT, also mit elektronischer Datenverarbeitung, geht – ein Werk, das für alle interessant ist.

Zum gegenständlichen Antrag: Wir haben schon gehört, Duftstoffe in Kosmetik-, Wasch- und Reinigungsmitteln sind deklarationspflichtig, in den Lufterfrischern jedoch nicht. Eigentlich sind das ja keine Lufterfrischer, sondern es werden, wie wir gehört haben, mögliche nicht frische Gerüche übertüncht.

Wenn man jetzt einmal das Produkt an und für sich nicht in Frage stellen möchte, ist es auf jeden Fall notwendig, die entsprechenden Produkte im Hintergrund, die Sub­produkte, zu deklarieren, zu evaluieren, die Ergebnisse durch Studien zu untermauern und dann entsprechende Regelungen in Auftrag zu geben. Wir unterstützen jedenfalls diesen vorliegenden Antrag. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Schatz. 4 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.28.53

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist schon ausreichend erläutert worden, worum es da geht, und das ist ein sehr wichtiger Antrag. Allerdings ist schon darauf hinzuweisen, dass wir momentan nicht gänzlich ohne Informationen dastehen, sondern es gibt durchaus schon Studien zu Duftstoffen beziehungsweise zu den gesundheitlichen Konsequenzen von Duftstoffen.

Eine Studie des deutschen Berufsverbandes der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. hat ergeben, dass die Kombination von Zigarettenrauch und Duftstoffen massiv krebs­erregend ist. Das heißt, die ohnehin krebserregende Wirkung von Zigarettenrauch wird in Kombination mit Duftstoffen noch massiv potenziert. Ich denke, dass das sehr vielen Raucherinnen und Rauchern nicht bekannt ist. Es ist gerade diese Gruppe, die sozusagen zur Auffrischung der Luft in den eigenen Räumen, im Büro oder im Auto solche Duftstoffe verwendet.

Ich meine – weil wir heute schon den VKI im Haus haben –, es wäre gut oder notwendig, darüber Informationen anzubieten. Ich könnte mir auch vorstellen, quasi einen Hinweis auf der Verpackung solcher Duftstoffe anzubringen, der eben genau lautet: Achtung, in Kombination mit Zigarettenrauch kann es zu einem erhöhten Krebs­risiko kommen!, oder etwas in dieser Art.

Noch etwas im Zusammenhang mit der gefährlichen Kombination von Zigarettenrauch und Duftstoffen: Wir hatten ja erst vor Kurzem eine sehr heftige Debatte zum Nichtraucherschutz in Lokalen, und so wie Raucher in privaten Räumen sehr gerne diese Lufterfrischer einsetzen, ist das eben auch in Raucherlokalen der Fall. (Abg. Mag. Gaßner: Eine ordentliche Lüftung! – Abg. Ing. Hofer: Hab ich noch nie gehört!) Das heißt, hauptsächlich Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von solchen Raucherlokalen, die versuchen, das Raumklima mit Duftstoffen angenehmer zu gestalten, sind einem noch höheren Krebsrisiko ausgesetzt als in Raucherlokalen, in denen diese Sub­stan­zen nicht eingesetzt werden. Ich denke, wenn Sie alle schon nicht bereit sind, der


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eigentlich dringend notwendigen Streichung der Möglichkeit, in Lokalen zu rauchen, zuzustimmen, dann wäre es doch angebracht, anzudenken, ob nicht zumindest das Verbot der Verwendung solch gefährlicher Duftstoffe in den Lokalen quasi als Übergangslösung schon eine Verbesserung wäre.

Ich denke, Herr Minister, gerade im Sinne des Mitarbeiter- und Mitarbeiterin­nen­schutzes (Abg. Weinzinger: Mitarbeiter ...!) in solchen Lokalen wäre das vielleicht etwas, was Sie unterstützen könnten. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

14.31


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dolinschek. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.31.34

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich sollte man über die gesundheitlichen Risken der Inhaltsstoffe, die eben nicht vollständig erfasst sind, informiert werden. Schließlich werden diese Stoffe ja über das Einatmen, aber auch über die Haut aufgenommen; vor allem in engen Räumen wie in Autos und so weiter ist das der Fall.

Es gibt über 3 000 verschiedene Duftstoffe beziehungsweise Lufterfrischer, die unter das Chemikaliengesetz fallen, und nur jene, die bedenkliche Stoffe beinhalten, sind deklarationspflichtig. Gesundheitliche Risken sind sonst weitgehend unbekannt. Ich bin der Meinung, dass es Befunde und Studien über mögliche gesundheitsschädigende Auswirkungen dieser Stoffe geben sollte und dass diese Regelung auch evaluiert wird, damit wir in Zukunft besser informiert werden. (Beifall beim BZÖ sowie der Abg. Dr. Moser.)

14.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu gelangt Herr Abge­ordneter Weninger zu Wort. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


14.32.50

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Eingangs möchte ich festhalten, dass man die Ausführungen des Kollegen Markowitz vom BZÖ so nicht im Raum stehen lassen kann. Er sagt nach dem Abklingen der Auswirkungen der isländischen Vulkanwolke, wir hätten die Sperre des Flugraumes den Fluggesellschaften überlassen sollen. Ich erinnere, was wir in den letzten Wochen hier diskutiert haben, zum Beispiel über den Listerienskandal, ebenfalls vom BZÖ the­matisiert: Da hat der Minister nicht früh genug warnen können und nicht früh genug mit Konsequenzen drohen können, und in diesem Fall wollen Sie genau das Gegenteil. Das beweist einmal mehr, dass das BZÖ auch in diesen Fragen völlig unglaubwürdig ist und gegen die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher auftritt. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe der Abgeordneten Markowitz und Dolinschek.) – Da kommt ihr nicht mehr heraus, da müsst ihr euch intern mit dem Kollegen Grosz auseinandersetzen.

Ich habe nichts gegen Liberalität, wenn man den Bürgerinnen und Bürgern sagt: Kümmert euch darum, ihr seid für alles selbst verantwortlich! Auch darüber kann man diskutieren – aber nicht einmal so und einmal so. (Abg. Markowitz: ... falsch ver­standen!) Die große Mehrheit dieses Hohen Hauses steht zum Konsumen­ten­schutz, steht zu den Initiativen des Konsumentenschutzausschusses – auch als ein Signal und ein Zeichen für soziale Sicherheit in unserer Gesellschaft.

Meine Damen und Herren, vielleicht ist die Deklaration von Duftstoffen in Luft­erfrischern nur ein kleines Thema, aber es ist ein wichtiger Schritt, um einerseits der Wirtschaft zu signalisieren, dass wir bereit sind, Grenzen zu ziehen, und auf der


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anderen Seite den Konsumentinnen und Konsumenten zu zeigen, dass wir auf ihrer Seite stehen.

Zu den heutigen Beschlüssen zum Konsumentenschutz möchte ich noch kurz an die Ausführungen der Frau Abgeordneten Aubauer anschließen, die die Werbefahrten an­ge­sprochen hat. Eigentlich sollte man glauben, dass mittlerweile jeder und jede weiß, dass diese sogenannten Werbefahrten eigentlich nur eine Abzocke sind. (Abg. Pendl: Bravo! Abg. Dr. Bartenstein: Leider nicht!) Ich möchte einerseits dem Herrn Minister für die Initiative der Watchlist und andererseits auch für die Aufklärungsaktivitäten der Konsumentenschutzorganisationen, der Arbeiterkammer und des Ministeriums sehr herzlich danken.

Vor allem bei uns in Niederösterreich war in den letzten Monaten verstärkt zu sehen, dass zu sogenannten Werbefahrten ins benachbarte Ausland eingeladen wurde. Da wurden vor allem ältere Menschen mit Autobussen ohne ihr Wissen nach Sopron, Bratis­lava oder Brünn gekarrt (Abg. Rädler: SPÖ Pensionistenverband! – Zwischenruf des Abg. Mag. Gaßner) und dort bei Verkaufsgesprächen unter Umgehung der strengen österreichischen Konsumentenschutzbestimmungen hinters Licht geführt. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Daher, meine Damen und Herren, sehe ich es als Aufgabe, nicht nur strenge gesetzliche Kriterien anzuwenden, sondern volle Information zu gewährleisten. Das sehe ich als Aufgabe jedes Einzelnen von uns. – Herzlichen Dank, Herr Minister. (Beifall bei der SPÖ.)

14.35

14.35.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über die dem Ausschussbericht 668 der Beilagen angeschlossene Entschließung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiefür eintreten, um ein Zeichen der Zustim­mung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 95.)

14.36.175. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 594/A(E) der Abgeordneten Mag. Birgit Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz vor unerwünschten Mehrwert-SMS (669 d.B.)

6. Punkt

Bericht des Ausschusses für Konsumentenschutz über den Antrag 872/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend freiwillige Kennzeichnung des SAR-Wertes von Mobiltelefonen (670 d.B.)

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 5 und 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Hofer. Eingetragene Redezeit: 3 Minu­ten. – Bitte.

 



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14.37.17

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich denke, es gibt niemanden hier im Haus, der nicht ein Mobil­telefon benützt. Wer Kinder hat, weiß, dass auch die Kinder im Regelfall ein Mobilte­lefon benützen. Deswegen bin ich kein Freund jener Personen, die hier eine Hysterie antreiben und behaupten, das wäre alles ganz, ganz fürchterlich und ungesund und jede Antennentragmastenanlage sei von Haus aus eine Gefahr.

Ich glaube aber sehr wohl, dass wir, wenn es um die Kinder geht, eine besondere Verantwortung tragen, weil bei Kindern aufgrund der dünneren Schädelknochen die Auswirkungen, die es zweifellos auf den Körper gibt, noch gravierender sind. Auch österreichische Umweltmediziner der Ärztekammer für Wien haben das sehr deutlich gesagt. Es wurde nämlich gesagt, dass Kinder als Versuchskaninchen von Handy­herstellern missbraucht werden. – Das sind sehr harte Worte.

Dr. Erich Huber sagt, Mobiltelefone sind für Kinder so gefährlich wie ein Sonnenbad. Jetzt ist ja nicht gesagt, dass unsere Kinder Tag und Nacht mit dem Handy tele­fonieren, aber es ist ein gewisser Einfluss vorhanden, was das Krebsrisiko anbelangt. Dr. Gerd Oberfeld, auch von der Ärztekammer für Wien, sagt, dass die Schädigung der DNA nachgewiesen ist und dass Vieltelefonierer nach zehn Jahren ein dreifach erhöhtes Risiko für einen Gehirntumor haben.

Sie kennen meinen Antrag. Ich kenne auch die Argumente, die im Ausschuss gegen diesen Antrag vorgebracht wurden. Ich möchte nur sagen, dass sich die Argumente, die im Ausschuss vorgebracht wurden, eins zu eins mit den Argumenten decken, die vom Forum Mobilkommunikation verbreitet worden sind. Das ist eine Vereinigung, die ich schätze, aber die natürlich nicht mit maximaler Objektivität vorgehen kann. Das Forum Mobilkommunikation sagt, dass bereits heute eine freiwillige Kennzeichnung des SAR-Wertes in der Handybedienungsanleitung erfolgt.

Klar ist, dass niemand, der sich ein Handy kauft, in das Geschäft geht und sagt: Bitte zeigt mir die Bedienungsanleitung, ich möchte schauen, wie hoch der SAR-Wert ist!, oder sich vorher im Internet informiert. Deswegen ist unser Ziel und unser Vorschlag, dass das auf der Verpackung gekennzeichnet werden muss. Das kann man ohne Mehrkosten wirklich sehr einfach machen, indem man ein Pickerl draufklebt, auf dem man die SAR-Werte sieht.

Das Forum sagt aber, es sei eine Verunsicherung der Bevölkerung, würde man hier eine Kennzeichnung vornehmen. Da müssten bei jedem Konsumentenschützer schon die Alarmglocken läuten, wenn so etwas gesagt wird.

Es gibt einen EU-Grenzwert, der heißt 2 Watt pro Kilogramm, und der wird auch bei uns eingehalten. Aber wenn ich für mein Kind ein Handy kaufe, dann möchte ich schauen, dass der SAR-Wert so niedrig wie nur irgendwie möglich ist.

Im Ausschuss selbst haben die von mir sehr geschätzten Kollegen Kurt Gaßner und Johann Maier gesagt, dass auf dem österreichischen Markt nur Handys mit niedrigem SAR-Wert zu erhalten sind. Ich möchte aber schon betonen, dass bei uns in Österreich die gleichen Handys zu kaufen sind wie überall auf der Welt oder überall in Europa, da gibt es keinen geschlossenen Markt.

Kollegin Tamandl hat gesagt, der SAR-Wert sei wenig aussagekräftig. Ich möchte schon betonen: Der SAR-Wert ist eben der Maßstab, er gibt in Watt pro Kilogramm an, wie viel an elektromagnetischer Strahlung in den Körper eindringt und sich in Wärme umsetzt. Daher ist das der Wert, den wir heranzuziehen haben.

Ich weiß, der Antrag wird heute abgelehnt. Ich bitte Sie trotzdem, auf den Wegen, die eben noch offen stehen, dafür Sorge zu tragen, dass wir zu einer vernünftigen Kenn­


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zeichnung – nicht im Internet, nicht in der Bedienungsanleitung, die ohnehin niemand liest – auf der Verpackung kommen, damit wir unsere Kinder bestmöglich schützen können. (Beifall bei der FPÖ.)

14.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.41.25

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Kollege Hofer, Sie haben schon bekannt gegeben, dass wir dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen werden.

Ich erinnere mich noch an das Drohszenario, das gestern Herr Abgeordneter Brosz hier gezeichnet hat, indem er sagte, dass es dann, wenn wir immer die Anträge vertagen, laufend Fristsetzungsanträge geben wird und dann darüber eine namentliche Abstimmung verlangt werden wird.

Ich glaube, der Konsumentenausschuss ist ein Ausschuss, der genau das Gegenteil beweist: Dor wird immer versucht, gemeinsame Anträge einzubringen. Aber es ist nicht nur im Konsumentenschutzausschuss so, sondern zum Beispiel auch im Landwirt­schaftsausschuss. Es ist also völlig verkehrt, hier so zu tun, als würden wir alles ablehnen.

Herr Kollege Hofer, wenn Sie so deutlich sagen, wie schädlich das Handytelefonieren für Kinder ist, dann muss ich Ihnen sagen: Eigentlich müssten wir darüber reden, wie man Kinder von Handys fernhält, und nicht darüber, ob der SAR-Wert auf der Verpackung steht. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Ing. Hofer.)

Sie haben das so drastisch geschildert, dass ich mir persönlich gedacht habe: Der SAR-Wert sagt einem Kind gar nichts, sollten wir nicht besser darauf schauen, dass weniger telefoniert wird? Sie selbst haben doch gesagt, die Freiwilligkeit sei ja schon dadurch gewährleistet, dass dieser Wert in der Beschreibung oder auf der Homepage steht. Ich weiß, das ist zu wenig.

Sie haben aber auch ein Gütesiegel gefordert. Und da stellt sich doch die Frage: Wo setzen wir denn dieses Gütesiegel an? Soll das der Grenzwert sein, den die EU oder die WHO vorsieht, der Wert mit 2 Watt pro Kilogramm, oder ist es der Wert 0,8, wie ihn die meisten Handys aufweisen? Also wo ist dieser Wert anzusetzen?

Auf der anderen Seite wissen wir aber ... (Abg. Grillitsch: Nicht schon wieder ein Gütesiegel!) „Nicht schon wieder ein Gütesiegel“, sagt Herr Kollege Grillitsch. Wir werden schon noch eines kriegen, Herr Kollege. – Auf der anderen Seite ist es doch so, dass die SAR-Belastung umso geringer ist, je besser die Netze ausgebaut sind. Und da muss ich sagen: Ich erinnere mich noch genau an die Zeit, mit wie vielen Problemen ich als Bürgermeister es zu tun hatte, als die Handymasten aufgestellt wurden. Viele Personen sind damals zu mir gekommen und haben sich darüber aufgeregt – zu Recht –, dass die Handymasten im Siedlungsgebiet aufgestellt werden.

Also, was ist jetzt besser? Da steht Gutachten gegen Gutachten. Ich glaube, wir sollten weniger und kürzer telefonieren und uns selber ein bisschen ... (Abg. Pendl: Nicht raunzen!) Nicht raunzen, so wie der Herr Kollege Pendl es gerade gemeint hat. So könnten wir uns am besten schützen.

Ein sehr guter Schutz wird es auch sein, wenn der Herr Bundesminister – das hat er uns im Ausschuss zugesagt – sich dafür einsetzt, dass die Händler freiwillig die SAR-


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Werte in ihren Geschäften aushängen. Und da habe ich großes Vertrauen in den Herrn Bundesminister. (Beifall bei der SPÖ.)

14.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Moser. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.44.37

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Minister! Zuerst zwei Worte zum Antrag meiner Kollegin Schatz, die damit Sorge dafür trägt, dass die Menschen vor zusätzlichen Kosten, die sie nicht verursacht haben, bewahrt werden, und zwar konkret dann, wenn es darum geht, dass man unerwünschte Mehrwert-SMS nicht empfangen will. Wir haben einen sehr einfachen Antrag vor­be­reitet, der noch dazu auf den Erfahrungen der Arbeiterkammer fußt – Kollege Maier, du weißt ja, die Arbeiterkammer ist immer tätig, hat immer gute Empfehlungen, auch in diesem Fall –, und diese schlägt vor, dass wir dafür praktisch eine Opt-In-Regelung einführen sollten, damit nur diejenigen Menschen SMS-Mehrwertdienste empfangen können, die sie auch tatsächlich wünschen. Das ist unser Vorschlag, und das schlägt auch die Arbeiterkammer vor, und dahin gehend sollten Sie, Herr Minister, tätig werden.

Aber wir haben im Ausschuss erfahren, dass Sie das nicht wollen. Also so schaut der KonsumentInnenschutz aus: keine Opt-In-Regelung! Das Ganze wurde ad acta gelegt. Und auch heute wird dagegengestimmt. Danke, das spricht für sich, ich brauche dem nichts mehr hinzuzufügen.

Nun zum vorliegenden Antrag: Das ist wieder ein kennzeichnungs- beziehungsweise ein konsumentenorientierter Antrag. Herr Kollege Hofer hat ja gewisse Dimensionen des Handytelefonierens besonders im Hinblick auf Kinder et cetera schon dargelegt. Ich könnte das noch weiter ausführen beziehungsweise auf Grund meiner zehnjährigen Beschäftigung mit diesem Thema noch intensiver in Details gehen, ich möchte es aber lieber veranschaulichen, denn es geht dabei um Kennzeichnung und Information.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, viele von Ihnen haben Laptops. Diese Laptops wer­den mit Ladegeräten immer wieder aufgeladen. Schauen Sie sich einmal die Rück­seite – auch Sie, Herr Minister – der Ladegeräte an. Ich habe das extra vergrößern lassen (die Rednerin hält eine Abbildung davon in die Höhe), damit man das überhaupt lesen kann. Da können Sie sehen, was es da an Information gibt, an Information über Sicherheit, und zwar welche Spannung, welche Hertz-Anzahl, welcher Output in Volt und so weiter. Da steht zum Beispiel: 90 Watt. Es ist eine lange Liste von Infor­mationen, und vergrößert schaut sie so aus.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, jetzt nehmen Sie einmal Ihr Handy in die Hand! Ich zeige Ihnen meines. (Die Rednerin hält ein Handy in die Höhe.) Das ist die Rückseite des Handys. Da steht nur der Name des Herstellers und der Name des Betreibers. So, und nun mache ich netterweise das Handy auf. Dieses Gerät hier (ein Ladegerät in die Höhe haltend) habe ich nicht geöffnet, denn da steht alles gleich hinten drauf. Ich bin nun so nett und mache das Handy auf, und was steht da? Da steht wieder der Name des Produzenten und der Name des Produzenten des Akkus und meine Adresse, damit ich es wieder bekomme, wenn ich es verliere. So, das ist die ganze Information über dieses Produkt.

Ich argumentiere jetzt nicht mit Hinweisen auf das Internet, ich argumentiere nicht damit, dass ich die SAR-Werte auch in der Gebrauchsanweisung et cetera nachlesen kann, sondern ich sage nur: Der einfache Zugang des Konsumenten/der Konsumentin zur Information bei diesem ungefährlichen, unverdächtigen Gerät (ein Ladegerät in die


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Höhe haltend): Länge mal Breite, aber bei diesem etwas umstrittenen, nach meiner Interpretation in Bezug auf die gesundheitlichen Auswirkungen nicht harmlosen Gerät (ein Handy in die Höhe haltend): Null außen, null innen.

Uns geht es darum, dass die Menschen Bescheid wissen sollen über die elektrische Leistung, über den SAR-Wert, der auch die Wärmeentwicklung des Geräts signalisiert. Mehr wollen wir nicht! Das schlägt auch der Kollege Hofer in seinem Antrag vor, den ich sehr unterstütze, und zwar vor allem vor dem Hintergrund – und daher veran­schauliche ich das auch so; auch für Sie, Herr Minister, damit Ihnen das wirklich sehr, sehr klar vor Augen geführt wird –, dass man hier (ein Handy in die Höhe haltend) sieht: Hier nichts!, und dass man hier (ein Ladegerät in die Höhe haltend) sieht: Da unendlich viel!

Warum brauchen wir das? – Der SAR-Wert ist ja an sich nur ein Teil des Problems. Das Hauptproblem beim Handytelefonieren ist ja nicht die Hitzeentwicklung, obwohl diese am Ohr schon relativ unangenehm sein kann, sondern das Hauptproblem sind ja die nichtelektronischen Effekte, die biologischen Effekte, die Nichtwärmeeffekte, die Effekte, die durch die Sendeleistung in unseren Nervenzellen ausgelöst werden. Und darüber sagt ja der SAR-Wert nichts im Großen. Allerdings wissen wir, dass dann, wenn es eine hohe Belastung gibt, wahrscheinlich auch die sozusagen nichtther­mischen Effekte, die biologischen Effekte auch relativ hoch sind. Und dass wir das ernst nehmen sollen, sagt zum Beispiel auch – Ihrem Kollegen Stöger, Herr Bun­desminister, habe ich es auch schon gesagt – eine Studie aus Dänemark, die sehr deutlich darlegt, dass Mütter, die während der Schwangerschaft häufig mit dem Handy telefonierten und unterschiedlichen SAR-Werten ausgesetzt waren – das war eine Langzeitstudie, die sich über zehn Jahre hinzog –, Kinder haben, die, weil sie Handytelefonaten als Embryonen ausgesetzt waren, nervlich viel schwächer sind und eher Verhaltensstörungen aufweisen als Kinder, die während ihrer Embryonenschaft  nicht dieser Belastung ausgesetzt waren. Das ist eine valide Studie, die vorliegt, und diese sollte man ernst nehmen. Und daher ist es mir auch wert, dass ich das hier mit Ihnen immer wieder diskutiere.

Ich möchte Ihnen nur zwei momentane Schauplätze dieser ganzen Handytelefonie-Problematik noch einmal aktuell ins Gedächtnis rufen. Wir haben eine Übereinkunft in Regierungsvereinbarungen, auch in Koalitionsvereinbarungen, dass es zumindest einen Kataster über den Standort der Handymasten geben soll, eine diesbezügliche Information, genauso eine Information über den SAR-Wert.

Es gibt bis heute keinen validen Kataster über die Standorte von Handymasten. So etwas gibt es nicht. Ich bin seit eineinhalb Jahren in Verhandlungen mit dem zustän­digen Beamten im Ressort von Ministerin Bures, dass endlich einmal die Mobilfunk­industrie diese Dienstleistung anbietet, ihre Handymastenstandorte klar auf einer Karte zu deklarieren. Das Ministerium, die öffentliche Hand hat das Koordinatensystem. Jeder Sendemast ist durch das geographische Koordinatensystem, durch das terres­trische zu orten. Nur: Informationsmäßig für den Laien sagt die Koordinate – ich weiß nicht, 35. Breitengrad, 44. Längengrad und dann noch die Minuten und Sekunden dazu – gar nichts aus. Alleine der Kampf um die Information, an welchem Ort, in welcher Straße welcher Sendemast mit welcher Sendeleistung steht, ist ein unendlicher. Das lassen Sie sich gefallen?

Ich lasse mir das nicht gefallen! Ich werde weiterhin in diese Richtung arbeiten, und bei einer Novelle des Telekommunikationsgesetzes muss auch diese Information gewähr­leistet werden. Das ist der eine Schauplatz, der meiner Meinung nach auch in Richtung Informationspolitik wesentlich ist, weil es da auch um die Studien geht, die dann sozusagen Auswirkungen epidemiologischer Natur besser erfassen können. Der


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andere Schauplatz ist der ewige Wissenschaftliche Beirat Funk. Das erwähne ich deshalb, weil wir heute Vormittag über das Budget gesprochen haben.

Da finanziert das BMVIT in Zeiten höchster Budgetknappheit großzügig den Wissen­schaftlichen Beirat Funk, der sozusagen absichtlich mit Leuten besetzt wurde, die teilweise aus der Mobilfunkindustrie kommen oder unterstützt werden. Seit Gorbach ist der am Werk. Und alle wissenschaftliche Atteste des Ministeriums sind auf den Wis­senschaftlichen Beirat Funk zurückzuführen.

Jetzt arbeite ich daran, dass der Wissenschaftliche Beirat Funk dort angesiedelt wird, wo es in Gesundheitsbelangen, im Gesundheitsressort notwendig ist. Das Gesund­heitsressort sagt: Ja, es wäre viel besser, wir hätten den Beirat, denn bei uns geht es um Gesundheitsfragen! Nur: Wir haben kein Geld dafür! – Und dass man sich das Geld vom BMVIT holt, dafür gibt es durchaus ein Angebot, eine Überlegung, aber es ist budgettechnisch erst ab 2012 möglich. So schaut die Arbeit in diesem komplexen Feld Mobilfunk aus. Ich habe Ihnen jetzt drei Beispiele genannt: ein sehr anschauliches und zwei gravierende, wo wir politisch weiterarbeiten müssen.

Meine Damen und Herren, mit der Ablehnung dieser Anträge, die wir vorgelegt haben, werden Sie es sich nicht leichter machen. Im Gegenteil: Sie ermutigen uns damit, noch weiter an dieser Problematik und Thematik zu arbeiten, denn sie ist zum Schutz der Bevölkerung notwendig. – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

14.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Höfinger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.53.16

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Grundsätzlich haben wir, denke ich, in vielen Bereichen bewiesen, dass wir gemeinsam den Kon­sumen­tenschutz vorantreiben wollen und wirklich sehr konstruktiv auch im Ausschuss und darüber hinaus bei vielen einzelnen Fachthemen zusammengearbeitet haben und auch gute Ergebnisse abliefern konnten.

In diesem Fall gibt es einmal zwei verschiedene Meinungen beziehungsweise Ansichten zu diesem Thema. Dieses Thema ist ja auch nicht unumstritten, wenn es um die SAR-Werte für oder bei Handys geht. Man muss wissen, der Grundindikator sind ja drei Bereiche: Es geht nicht nur um die Temperaturerhöhung im Gewebe, sondern auch um die Feldstärke beziehungsweise um die Stromdichte im Gewebe.

Es ist im Gegensatz zum vorigen Thema, wo wir über die Duftstoffe in den Luft­erfrischern gesprochen haben, die Möglichkeit der Deklaration schon gegeben. Da habe ich schon die Möglichkeit, mich ganz gezielt zu erkundigen, und da weiß ich dann schon, welchen Wert mein Handy hat, mit dem ich telefoniere. Das ist zum einen der grundsätzliche Unterschied.

Zum Zweiten: Gott sei Dank wissen wir, dass mittlerweile Handys auf dem Markt sind, deren Werte weit unter den Grenzwerten liegen. Darüber hinaus hängt es, so wie Kollege Gaßner schon gesagt hat, auch immer davon ab: Von wo telefoniere ich? Wo ist wirklich der nächste Sender? Wie stark ist die Sendeleistung insgesamt? Und wie stark entwickelt sich dann der SAR-Wert daraus? Daher sollte man jetzt, denke ich, nicht einen einzelnen Wert herausstellen und den einfach aufs Handy picken, denn es gibt viele andere Werte in diesem Zusammenhang. Einer, der wichtig wäre, ist der Strahlungsfaktor. Der Strahlungsfaktor ist nichts anderes als die höchste effektive Sen­deleistung, im Verhältnis gesetzt mit dem SAR-Wert. Also, wie gesagt, der kombiniert


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schon einmal zwei Werte, wo ich dann wirklich eine allgemeine und auch teils sehr gezielte Antwort finde.

Ich denke, wenn wir jetzt den SAR-Wert allein auf das Handy kleben, dann kann das zwei Effekte auslösen. Das Erste ist: Ich schüre damit Angst, ich verunsichere die Menschen. Das Zweite ist: Wenn der Konsument liest, dass der SAR-Wert ohnehin nicht so schlecht ist, dann wird das Ganze bagatellisiert. Da besteht die Gefahr, dass ich mich dann zurücklehne, auch geistig, und sage: Na ja, jetzt kann ich ruhig eine halbe Stunde länger telefonieren, auch das Kind mit der Freundin, mit dem Freund, wie auch immer, es macht ja nichts, das Gerät hat ja ohnehin einen geringen SAR-Wert!

Beides sollte nicht sein. Daher sollten wir, denke ich, wirklich auch an das Verhalten, was das Handytelefonieren anlangt, herangehen, den Menschen sagen: Bitte, passt auf!

Frau Kollegin Moser hat auch das Beispiel mit der Schwangeren erwähnt, wo es dann teilweise zu Erkenntnissen gekommen ist. Da geht es wirklich darum, nicht den Handy­umgang sorglos hinzunehmen, sondern genau darauf im Allgemeinen hinzuweisen. Daher werden wir auch diesem Antrag unsere Unterstützung nicht geben können. (Beifall bei der ÖVP.)

14.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Spadiut. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.56.24

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Ver­packungen von Mobiltelefonen sollen mit dem SAR-Wert gekennzeichnet werden – ein Antrag, der von uns unterstützt wird.

Meine Damen und Herren, wie viele Leute wissen überhaupt, was der SAR-Wert ist? Ich muss zugeben, mir war dieser Wert bis zu diesem Antrag unbekannt. Wie viele Leute wissen zwar, dass es den SAR-Wert gibt, können aber damit nichts anfangen? Sie wissen auch nicht, wie hoch dieser Wert sein kann. Deswegen sollte einmal informiert werden, was es mit dem SAR-Wert auf sich hat.

Die Ausweisung auf der Verpackung des Handys hätte natürlich noch einen weiteren Vorteil: Leute, die von diesem Wert noch nichts gehört haben, nicht kennen, würden neugierig werden, worum es sich da handelt, und würden sich schlau machen und dann in Erfahrung bringen können, was dieser SAR-Wert ist und ab welcher Grenze die elektromagnetischen Felder, die da wirken, schädlich sind.

Sicher, man kann in der Betriebsanleitung nachlesen, wie hoch der SAR-Wert ist, aber es ist nicht jeder so ein Betriebsanleitungsprofi wie Kollege Maier, dass er weiß, wo man das zu finden hat. Es ist auch schwer möglich, in den Geschäften die Verpackung aufzureißen und in der Gebrauchsanweisung nachzulesen.

Wie ein Gerichtsurteil in Italien zeigt, bei dem einem Manager, der wegen häufigen Telefonierens an einem Tumor erkrankt ist, Schadenersatz zugesprochen wurde, kann man wohl von einer Gesundheitsgefährdung durch diese elektromagnetischen Felder sprechen. Ein Grund mehr, diesem Antrag zuzustimmen. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

14.58


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Lapp. Ich mache darauf aufmerksam, dass ich in 2 Minuten die Verhandlungen zu diesem Tagesordnungspunkt unterbrechen werde. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 119

14.58.16

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehr­ter Herr Minister! Ich möchte Frau Kollegin Moser nur sagen: Wir von den Regie­rungsfraktionen wollen es uns im Konsumentenschutz nicht leichtmachen, sondern wir wollen es den Menschen leichtmachen.

Und den Kolleginnen und Kollegen von der Opposition möchte ich sagen: Wir arbeiten im Konsumentenausschuss daran, zu einer Meinung und zu einer Haltung zu kommen, und bei Anträgen verändern wir diese Meinungen und Haltungen nicht, je nachdem, wie die Großwetterlage ist, sondern wir halten Kurs und bleiben bei unserer Meinung. Deswegen können wir auch dem Antrag von Ihrer Seite bezüglich der unerwünschten Mehrwert-SMS keine Zustimmung geben.

Es gab im Jahr 2007/2008 viele Beschwerden, doch durch eine sehr intensive Zusam­menarbeit der Behörde und aufgrund von Monitoringeffekten ist es dazu gekommen, dass es eine rasche und effektive Reaktion gegeben hat und dass jetzt die uner­wünschten Mehrwert-SMS so stark zurückgegangen sind, dass sie für die Konsumen­tinnen und Konsumenten keine Belastung mehr darstellen.

Sie schlagen jetzt eine automatische Sperre vor. Dadurch würden Sie auch die erwünschten Mehrwert-SMS von den Handys der Konsumentinnen und Konsumenten aussperren, außer dann, wenn die Konsumenten selbst darauf hinweisen. Aber auch dadurch wird nicht verhindert, dass unseriöse Anbieter Praktiken anwenden, wo dann unerwünschte Mehrwert-SMS kommen.

Ich finde, es ist wichtig, dass die Konsumentinnen und Konsumenten auch eine eigene Entscheidungsfähigkeit haben, und möchte Sie nochmals darauf hinweisen, dass wir im Konsumentenschutzausschuss daran arbeiten, dass es für die Konsumentinnen und Konsumenten leichter wird, und nicht daran, dass es für uns leichter ist. (Beifall bei der SPÖ.)

14.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung, damit die verlangte Behandlung eines Dring­lichen Antrages gemäß der Geschäftsordnung um 15 Uhr stattfinden kann.

15.01.02Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Übergangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeits­marktes für neue EU-Mitgliedstaaten (1097/A)(E)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 1097/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist ein Grundrecht, das Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates erlaubt, in einem anderen EU-Mitgliedstaat zu denselben Bedin­gungen wie die Bürger des jeweiligen Mitgliedstaates zu arbeiten.

Während einer Übergangsfrist von bis zu sieben Jahren nach dem Beitritt von 10 Mit­gliedstaaten zur EU am 1. Mai 2004 (Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien, Slowakei) und von 2 Mitglied­staaten am 1. Januar 2007 (Bulgarien, Rumänien) können bestimmte Bedingungen


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angewendet werden, die die Freizügigkeit von Arbeitnehmern von, nach und zwischen diesen Mitgliedstaaten einschränken. Diese Einschränkungen betreffen nur die Frei­zü­gigkeit für die Zwecke der Arbeitsaufnahme und können je nach Mitgliedstaat variieren.

Zum Zeitpunkt des Beitritts lag das Lohnniveau dieser Staaten, darunter unsere direkten Nachbarn Ungarn, die Tschechische Republik, Slowakei und Polen, bei 15-20 Prozent bzw. bei 30-36 Prozent des österreichischen Lohnniveaus, wenn man das unterschiedliche Preisniveau in diesen Ländern und in Österreich mit berücksichtigt. Aus diesem Grunde wurde in den Beitrittsverträgen auch eine Übergangsfrist von 7 Jahren für die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für die Bürger dieser Staaten vereinbart – in der Hoffnung, dass in dieser Zeit eine weitgehende Annäherung der Lohnniveaus eintreten würde.

Die Übergangsregelungen in den Beitrittsverträgen sehen vor, dass in den ersten beiden Jahren nach dem Beitritt der Zugang zu den Arbeitsmärkten der EU-Mit­gliedstaaten, die vor dem jeweiligen Beitritt bereits EU-Mitgliedstaaten waren, durch die nationalen Rechtsvorschriften und die jeweilige Politik dieser Mitgliedstaaten geregelt wird. Die nationalen Maßnahmen können für einen weiteren Zeitraum von drei Jahren beibehalten werden. Danach kann einem Mitgliedstaat, der nationale Maßnahmen anwendet, die Genehmigung erteilt werden, weiterhin diese nationalen Maßnahmen anzuwenden, jedoch nur dann, wenn sich sein nationaler Arbeitsmarkt mit schwer­wiegenden Problemen konfrontiert sieht.

Konkret heißt das: Im Beitrittsvertrag wurde festgelegt, dass jeder EU-Mitgliedstaat die Freizügigkeit für Arbeitnehmer zunächst für eine Frist von zwei Jahren aussetzen kann. Daher konnten die jeweiligen nationalen Zugangsbeschränkungen für die sogenannten EU-10 bis zum 30. April 2006 bzw. für die EU-2 (Bulgarien und Rumänien) bis zum 1.1.2009 uneingeschränkt aufrecht bleiben. Der Vertrag legte weiters fest, dass diese Frist dann von jedem Mitgliedsland um drei weitere Jahre verlängert werden könne - eine Option, die von Österreich ebenfalls in beiden Fällen genutzt wurde. Dazu war lediglich eine formelle Mitteilung an die Europäische Kommission notwendig.

Nach Ablauf dieser Periode kann laut Vertrag in allen Ländern, in denen ein ent­sprechendes Übergangsregime weiterhin besteht, die Übergangsfrist „im Falle schwer­wiegender Störungen des Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen nach entsprechender Mitteilung an die EU-Kommission“ um weitere zwei Jahre verlängert werden, sodass sich insgesamt eine Frist von bis zu sieben Jahren ergibt. Österreich hat die EU-Kommission im Mai 2009 offiziell unterrichtet, dass es seinen Arbeitsmarkt für weitere zwei Jahre schützen möchte (das bedeutet, dass die Fristen, außer gegenüber Rumänien und Bulgarien, die erst 2007 beigetreten sind, 2011 auslaufen).

Die geplante Liberalisierung des österreichischen Arbeitsmarktes ab Mai 2011 hätte nicht nur laut Information des AMS-Vorstandes schwerwiegende negative Folgen für den heimischen Arbeitsmarkt.

Das bis 2014 zu erwartende Wachstum – laut WIFO „mittelfristig“ (also für die nächsten fünf Jahre) nicht mehr als 1,3 Prozent pro Jahr – wird nicht ausreichend sein, um die Arbeitslosigkeit nach 2011 nachhaltig zu senken.

Darüber hinaus ist es dringend notwendig, zu überprüfen, ob überhaupt eine aus­reichende Annäherung des Lohnniveaus dieser Staaten an das österreichische Niveau erwartet werden kann. Eine Betrachtung der Entwicklung für den Zeitraum 2004 - 2008, für den die erforderlichen Daten vorliegen, zeigt (siehe Tabelle), dass der Anstieg des Lohnniveaus in den genannten Staaten sehr viel langsamer erfolgt, als beim Beitritt angenommen. Bis 2008 ist das Lohnniveau lediglich auf 22-28 Prozent des österreichischen gestiegen bzw. unter Berücksichtigung der verschiedenen Preisniveaus auf 37-43 Prozent. Bei linearer Extrapolation dieser Entwicklung ist für


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Mitte 2011 mit einem Lohnniveau in Ungarn, der Tschechischen Republik, der Slo­wakei und in Polen von nur 27-34 Prozent des österreichischen Wertes zu rechnen bzw. 41-49 Prozent bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenshaltungskosten (siehe Tabelle). So verdient z.B. ein Maurer in Österreich durchschnittlich 2.200 € brutto pro Monat (rund 1.500 € netto). In der Slowakei verdient er nur die Hälfte!

Tabelle:

Voraussichtliche Arbeitskosten (€/Stunde) in Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und Polen bei Ende der Übergangsfrist 1.5.2011

Arbeitskosten (€/Stunde)

                                           2004                   2008

Ungarn                            5,52                    7,52

Tschech.Rep.              5,47                    8,80

Slowakei                         4,19                    7,25

Polen                                4,00                    7,01

Österreich                      27,46                  31,40

Arbeitskosten relativ zu Österreich (%)

                                           2004                   2008                   2011 (extrapoliert)

Ungarn                            20,1                    23,9                    26,81

Tschech.Rep               19,9                    28,0                    34,0

Slowakei                         15,3                    23,1                    29,0

Polen                                14,6                    22,3                    28,1

Lebenshaltungskostenindex relativ zu  Österreich (%)

                                           2004                   2008

Ungarn                            55,2                    61,1

Tschech.Rep.              50,8                    64,6

Slowakei                         49,7                    63,2

Polen                                46,0                    60,2

Arbeitskosten relativ zu Österreich korrigiert für unterschiedliche Lebenshaltungskosten (%)

                                           2004                   2008                   2011 (extrapoliert)

Ungarn                            36,4                    39,1                    41,1

Tschech.Rep.              36,0                    43,3                    48,8

Slowakei                         30,8                    36,6                    40,9

Polen                                31,2                    37,0                    42,1

Quellen: Arbeitskosten : Wirtschaftskammer Österreich

Lebenshaltungskostenindex: Statist. Jahrbuch 2006 und 2010, Tabelle 48.03 

Unter diesen Umständen ist mit einer ernsten Störung des österreichischen Arbeits­marktes und mit den Folgen eines Verdrängungswettbewerbs durch den starken Zu­strom von Arbeitskräften, insbesondere durch Pendler aus den 3 direkten Nach­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 122

barstaaten (Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei) und Polen zu rechnen. Die Gründe dafür sind offensichtlich. Zum einen wird die Arbeitslosigkeit in Österreich 2011 noch etwa auf dem heutigen hohen Stand sein. Zum andern wird die Arbeitslosigkeit in den Nachbarstaaten, wie heute wesentlich höher sein als bei uns. Zu guter Letzt spielen die höheren Lebenshaltungskosten in Österreich für Pendler, deren Lebens­mittel­punkt in ihren Heimatländern liegt, nur eine geringe Rolle. Für sie ist also fast der volle Unterschied des Lohnniveaus wirksam und sie könnten in Österreich fast das Dreifache von dem verdienen, was in ihren Heimatstaaten gezahlt wird.

Auch das AMS betont, dass die Zahl der Tagespendler massiv steigen werde, ebenso wie die Zahl der nichtqualifizierten Arbeitskräfte. Davon betroffen werden also vor allem die Grenzregionen Österreichs sein. Gleichzeitig wird es neben höherer Kosten aufgrund steigender Arbeitslosigkeit insofern zu einer zusätzlichen Belastung des ohnehin angespannten öffentlichen Haushalts kommen, da mehr Tagespendler als bisher Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld für ihre im Ausland lebenden Kinder in Österreich geltend machen werden.

Die Folgen der Wirtschaftskrise bleiben also auch weiterhin eine enorme Belastung für die Beschäftigungsquote und werden sich weiterhin negativ auf die Arbeitslosigkeit in Österreich auswirken. Wenn nun in einer Phase hoher Arbeitslosigkeit die geplante Öffnung für jene Oststaaten, die 2004 der EU beigetreten sind, erfolgt, wird das die Arbeitslosigkeit in Österreich und den anderen EU-Staaten in schwindelnde Höhen treiben.

Angesichts dieser Situation scheint es dringend notwendig, möglichst umgehend die EU auf die besondere Situation Österreichs infolge seiner Randlage hinzuweisen und alles zu tun, um eine Verlängerung der Übergangsfrist zu erreichen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Dringlichen Antrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, wird dringend aufgefordert, auf europäischer Ebene in Verhand­lungen einzutreten, um eine Verlängerung der Übergangsfristen zu bewirken und damit die Möglichkeit zu schaffen, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt durch natio­nale Maßnahmen und Zugangsbeschränkungen zu regeln und den Erfordernissen des österreichischen Arbeitsmarktes und den Folgen der Wirtschaftskrise anzupassen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 1 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erst­antragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

*****

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Ing. Hofer als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


15.01.03

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben im Verlauf des heutigen Plenartages schon aus­


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reichend und ausgiebig über die Bankenkrise, die Wirtschaftskrise und die Folgen dieser Krisen diskutiert. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Tatsache ist, dass die Probleme, die uns jetzt im Nachfeld dieser Krise erreichen  (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) – Herr Kollege, ist es nicht so, dass bei Ihnen die Gehaltsoffenlegung noch offen ist? Das ist vielleicht auch ein Punkt, über den wir einmal reden sollten. Ich glaube, die gesamte SPÖ hat sich verpflichtet, die Gehälter offenzulegen, aber Ihr Gehalt ist noch nicht offengelegt worden. (Oh-Rufe bei der FPÖ. – Abg. Neubauer – in Richtung des Abg. Dr. Jarolim –: Haben Sie etwas zu ver­bergen?) Vielleicht ist einmal Zeit, dass wir uns das ein bisschen näher anschauen.

Meine Damen und Herren! Tatsache ist leider, dass wir mit erheblichen finanziellen Mitteln ein Übel, was die Probleme der Banken anbelangt, abwenden konnten, dass wir aber nun aufgrund der Folgen dieser Spekulationen nicht nur eine Wirtschaftskrise haben, sondern auch in eine veritable Sozialkrise schlittern. Denn die finanziellen Mittel müssen jetzt durch Steuererhöhungen und Abgabenkürzungen hereingebracht werden, und es muss genau dort angesetzt werden, wo die Leistungen für die Schwächsten der Gesellschaft und für Arbeitslose angesiedelt sind. Das heißt, es gibt höhere Steuern, weniger Leistungen für Familien, höhere Energiekosten und gleichzeitig steigende Arbeitslosigkeit.

Ich frage mich einmal mehr, warum wir die wirklich erfolgreiche Aktion der thermischen Sanierung – ein Lob für die Bundesregierung – nicht endlich fortsetzen. Wir haben 100 Millionen € investiert. Wir haben mit diesen 100 Millionen € 700 Millionen an Inves­titionen ausgelöst, damit 7 000 Arbeitsplätze geschaffen beziehungsweise ge­sichert. Sie wissen, dass ein Arbeitsloser im Schnitt 15 000 € im Jahr kostet. Rechnen Sie 7 000 mal 15 000, dann sehen Sie bereits, dass das eine volkswirtschaftlich absolut sinnvolle Maßnahme war.

Meine Damen und Herren, sehen wir uns die Arbeitsmarktdaten genauer an: Es ist heute schon vor diesem Tagesordnungspunkt gesagt worden, dass die Arbeitslosigkeit gesunken wäre. Das ist leider nicht richtig. Die Arbeitslosigkeit ist saisonbedingt im Vergleich zum Vormonat gesunken. Das Wetter ist besser geworden, es gibt mehr Be­schäftigte am Bau und im Baunebengewerbe.

Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zum Vorjahr nicht gesunken, weil Sie natürlich die Zahl der Schulungsteilnehmer berücksichtigen müssen, und wir haben heuer um ein Drittel mehr Schulungsteilnehmer als im Vorjahr. Konkret sind derzeit 85 000 Personen in Schulungen. Wir haben 350 000 Arbeitslose – plus 4,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr – und um 15 000 weniger unselbständig Beschäftigte, was auch besonders zu denken gibt.

Sie, Herr Bundesminister, haben sehr viel getan, um die Arbeitslosigkeit zu bekämp­fen – das möchte ich gar nicht schlechtreden –, aber ich möchte die nackten Zahlen präsentieren, damit Sie sehen, in welch schwieriger Situation wir uns tatsächlich befinden.

Jetzt kommt auf genau diese Arbeitslosen eine besonders schwierige Situation zu, nämlich Steuererhöhungen; Steuererhöhungen, die die heute bereits zitierte schwache oder zarte Pflanze der Konjunktur letztendlich abwürgen, was wieder zu steigender Arbeitslosigkeit führt.

Es ist nicht so lange her, September 2008 – wir alle waren mitten in der Endphase des Wahlkampfes –, dass ein Mann, der einmal geschäftsführender Obmann einer Partei in Österreich war und gesagt hat, er werde seinen Bundeskanzler unterstützen – den er dann aber abserviert hat –, Folgendes gesagt hat, nämlich Werner Faymann am 28. September 2008:


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„Es war eine Aufholjagd an Vertrauen. Es haben uns viele Wählerinnen und Wähler sehr deutlich gesagt bei den vielen Veranstaltungen: Wir vertrauen euch, aber wir rechnen damit, dass ihr es besser machen werdet. Es ist noch immer eine große Anzahl von Wählern, die wir zurückgewinnen müssen. Das ist der Teil beim Wahl­ergebnis, der ein Auftrag für mich ist.“ – Also für Werner Faymann.

Weiter: „Ein Auftrag auch die Glaubwürdigkeit bei jenen zurückzuholen, die uns noch nicht gewählt haben. Und wie macht man das am besten?“ – Das fragt Werner Faymann sich selbst, gibt auch gleich die Antwort und sagt: „Indem man vor der Wahl das Gleiche sagt wie nach der Wahl. Denn Berechenbarkeit gehört zu jenen wichtigen Eigenschaften, die die Wählerinnen und Wähler einfordern.“ (Ruf bei der FPÖ: Hört, hört!)

Was hat er dann noch gesagt? – Jetzt wird es interessant. Es geht um die Wirtschafts­krise. Da heißt es: „Faymann betonte im Zusammenhang mit den Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten, dass sich das Thema nicht dafür eigne, im Wahlkampf dramatisiert zu werden.“

Es ist ja auch keine dramatische Situation, also das soll man nicht dramatisieren. (Abg. Dr. Graf: Nein, überhaupt nicht!)

Dann sagt er ganz klar, dass es unmittelbar nach der Wahl ein Doppelbudget geben wird, in dem auch die Steuerreform und die Steuersenkungen vorgesehen sein wer­den, dass es aber auch zu Einsparungen kommen sollte. – Faymann verspricht also vor der Wahl nicht nur, dass es keine Steuererhöhungen geben wird, er verspricht sogar, dass es Steuersenkungen geben wird, meine Damen und Herren. (Abg. Dr. Graf: Ich glaube, du hast falsch zitiert! – Abg. Strache: Er hat sich sicher unklar ausgedrückt!)

Jetzt frage ich mich, was Sie jemandem sagen, der behauptet, dass Herrn Faymann nicht zu trauen sei. Was sagen Sie diesem Mann? – Dem kann man schwerlich widersprechen. (Ruf bei der SPÖ: Wenn wir Josef Pröll nicht hätten!)

Wissen Sie, daran sind Sie schon ein bisschen selbst schuld, wenn Sie sich von Josef Pröll so in den Schatten stellen lassen. (Beifall bei der FPÖ.) Das hat man auch beim Finanzrahmengesetz gesehen: eine 3-Minuten-Rede des Bundeskanzlers zu diesem Thema (Abg. Silhavy: Da haben Sie aber schlecht zugehört!), dann waren es halt 3,5 Minuten, und dann eine viertel Stunde von Josef Pröll. Es weiß ohnehin jeder, wer die Republik Österreich führt: Werner Faymann ist es mit Sicherheit nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich will Sie aber nicht provozieren (Abg. Grillitsch: Das ist aber schon passiert!), weil ich Sie als Partner für ein Vorhaben, das ganz besonders wichtig ist, gewinnen will. Es betrifft die Liberalisierung des Arbeitsmarktes für die neuen EU-Staaten.

Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ist ein Grundrecht in der Europäischen Union, wie wir alle selbstverständlich wissen. Wir haben die Übergangsfristen in vollem Ausmaß genützt, aber diese Übergangsfristen laufen im Frühjahr nächsten Jahres für uns aus – Sie kennen die Etappenpläne, das ist Ihnen alles bekannt.

Diese Fristen betreffen die Tschechische Republik, Estland, Zypern, Lettland, Litauen, Ungarn, Malta, Polen, Slowenien und die Slowakei – Bulgarien und Rumänien sind später beigetreten. Österreich hat diese Fristen genützt, aber jetzt laufen sie aus.

Das Problem für uns ist, dass sie zu einem Zeitpunkt auslaufen werden, zu dem der Druck auf dem Arbeitsmarkt ganz besonders groß sein wird. Daher wird sich die Liberalisierung des Arbeitsmarktes in Richtung neuer EU-Staaten, ehemaliger


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Oststaaten, ganz besonders negativ auf den Arbeitsmarkt in Österreich auswirken. Das hat auch der AMS-Chef sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Ich nenne Ihnen ein paar Zahlen, damit Sie wissen, von welchem Lohnniveau wir da sprechen. Zum Zeitpunkt des Beitrittes dieser Staaten zur Europäischen Union lag das Einkommen dort im Schnitt bei etwa 15 Prozent des Durchschnittseinkommens in Österreich. Rechnet man das unterschiedliche Preisniveau noch mit hinein und ermit­telt man die Kaufkraft, so lag sie damals in den neuen Mitgliedstaaten Ungarn, Tschechi­sche Republik, Slowakei und Polen bei etwa 30 bis 36 Prozent.

Würden wir den Arbeitsmarkt in Richtung Osten öffnen, dann müsste für uns klar sein, dass sich diese Einkommensunterschiede angeglichen haben. Das ist aber leider nicht der Fall; ich werde später noch die Zahlen dazu präsentieren.

Wir haben im Rahmen der Wirtschaftskrise, der Bankenkrise eine Reihe von Son­dermaßnahmen getroffen, Ausnahmemaßnahmen, kann man sagen, wenn wir etwa daran denken, in welchem Ausmaß wir unseren Staat verschuldet, die Banken unter­stützt und welche Konjunkturpakete wir geschnürt haben. All das waren Aus­nahme­maßnahmen. (Ruf bei der SPÖ: Richtig!)

Ich denke, dass es legitim ist, in einer Situation, in der der Arbeitsmarkt besonders unter Druck gerät, eine Ausnahmemaßnahme zu beschließen und zu versuchen, im Gespräch mit den europäischen Partnern eine Fristerstreckung für uns zu erreichen. Wir müssen es zumindest versuchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Im kommenden Jahr wird kein Stein auf dem anderen bleiben, wenn die Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes für Arbeitskräfte aus Osteuropa durchgeführt wird. Johan­nes Kopf, AMS-Vorstand, sagt das ganz, ganz deutlich.

Aiginger, WIFO-Chef, meint dazu, dass das bis 2014 zu erwartende Wachstum nicht ausreichend sein wird, um nach 2011 die Arbeitslosigkeit zu senken. Wir haben dann auch keine finanziellen Mittel mehr, um Sondermaßnahmen zu treffen. Im Gegenteil, Steuern werden erhöht, Abgaben gekürzt. Wir haben nicht mehr die finanziellen Mittel, um Sondermaßnahmen durchzuführen. (Abg. Strache: Die fließen nach Griechen­land!) Das heißt, es wird für uns ganz, ganz besonders kritisch. Erhebliche Mittel fließen nach Griechenland, auch das ist heute bereits angesprochen worden. (Abg. Dr. Graf: Wenn wir schon zahlen müssen, dann kann man wenigstens verhandeln!) – Verhandeln wäre wirklich ein Gebot der Stunde.

Ich darf noch einmal hervorheben, warum diese vier Länder für uns von besonderer Bedeutung sind: Aus diesen vier Ländern kommen Tagespendler nach Österreich, gehen hier ihrer Beschäftigung nach und fahren dann wieder nach Hause, leben dort mit ihrer Familie und geben dort auch das Geld aus, das sie hier verdienen.

Es ist auch gut, wenn es diese Tagespendlerbewegungen gibt. Sie müssen allerdings wissen, dass diese Menschen aufgrund der eklatanten Lohnunterschiede bis zu 300, 350, ja oft 400 Kilometer am Tag fahren, nur um hier in Österreich arbeiten zu können.

Immer wieder ist das Argument gekommen, dass das überhaupt nichts ausmacht, weil sowieso Kollektivvertragslöhne bezahlt werden. Meine Damen und Herren, das entspricht nicht der Wirklichkeit, nicht der Realität; jene, die in einer Gewerkschaft aktiv sind, werden das auch wissen.

Es gibt eine Studie des IFES, das sich im Burgenland ganz genau angesehen hat, wer wie viel verdient, burgenländische, österreichische Arbeitnehmer und Arbeitnehmer aus dem benachbarten Ungarn, die als Tagespendler aktiv sind.

Ein ungarischer Facharbeiter erhält in Österreich im Durchschnitt 1 080 €, ein öster­reichischer Facharbeiter 1 340 €. Das IFES sagt, dass ungarische Arbeitnehmer in


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Öster­reich um 20 bis 30 Prozent weniger verdienen als ihre österreichischen Kollegen. Und genau deswegen ist der Druck auf den Arbeitsmarkt so besonders groß. (Abg. Strache: Das ist Lohndumping!) Deshalb fahren diese Tagespendler auch so weit.

Meine Damen und Herren, Sie dürfen nicht vergessen, dass ja auch das Preisniveau in diesen Staaten noch viel, viel tiefer ist als bei uns. Das heißt, der ungarische oder slowakische Arbeitnehmer kann mit dem Geld, das er hier verdient, in der Heimat viel besser wirtschaften. Deswegen ist der Anreiz, auch weite Strecken zurückzulegen, besonders groß. Daher entsteht ein großer Verdrängungswettbewerb, und die Arbeits­losigkeit in Österreich steigt. Und Sie wissen, nichts belastet das Budget mehr als Arbeitslosigkeit. Ein Arbeitsloser kostet im Schnitt 15 000 € pro Jahr.

Mir liegt noch eine Zahl vor: Im kleinen Burgenland sind 8 000 Tagespendler aktiv. Gleichzeitig sind 50 000 Burgenländer gefordert, als Pendler in anderen Bundes­ländern zu arbeiten, weil es im Burgenland keine Arbeitsplätze gibt. Also eine schwie­rige Situation.

Die meisten Ungarn, Slowaken oder Tschechen, die nach Österreich kommen, haben nicht die Absicht, ihren Wohnsitz zu ändern. Sie bleiben als Tagespendler beschäftigt, haben auch Anspruch auf Familienleistungen, Kinderbetreuungsgeld, Familienbeihilfe. Ich denke nicht, dass es sinnvoll ist, dass man aus Österreich Kinderbetreuungsgeld und Familienbeihilfe erhält, wenn man mit der Familie nicht in Österreich lebt. (Beifall bei der FPÖ.)

Das macht wenig Sinn, meine Damen und Herren, denn das sind ja Leistungen, die wir zur Verfügung stellen, damit wir in Österreich Kinder haben, die dann später einmal – das muss man auch in dieser Klarheit sagen – Pensionsbeiträge einzahlen.

Wenn die Familie aber nie nach Österreich ziehen wird, hat es wenig Sinn, diese Mittel auszugeben. Noch dazu sind, wenn jemand zwei Kinder hat, die Familienbeihilfe und das Kinderbetreuungsgeld (Zwischenruf bei der SPÖ) – sofort, ich sage gleich etwas dazu – höher als beispielsweise das Durchschnittseinkommen in Ungarn.

Sie setzen sich immer sehr dafür ein, dass Frauen nicht an den Herd gedrängt werden, sondern auch in den Arbeitsprozess gehen. Ich kann Ihnen garantieren, dass eine Frau, die mit einem ungarischen Tagespendler verheiratet ist, natürlich nicht in den Arbeitsprozess einsteigen wird, weil sie aus Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld wesentlich höhere Mittel lukriert, als sie in Ungarn jemals im Rahmen einer unselbständigen Beschäftigung verdienen könnte. Diese Handhabung ist also wirklich völlig unsinnig. (Beifall bei der FPÖ.)

Sehen wir uns das Lohnniveau an: Eine Arbeitsstunde kostet in Ungarn 7,52 €, in der Tschechischen Republik 8,80 €, in der Slowakei 7,25 €, in Polen 7,01 €, in Österreich 31,40 €.

Sehen wir uns das in Prozentsätzen an: In Ungarn kostet eine Arbeitsstunde etwa ein Viertel dessen, was sie in Österreich kostet.

Schauen wir uns noch den Lebenshaltungskostenindex an, um zu sehen, warum der Druck so groß ist, warum die Menschen unbedingt hier arbeiten wollen. Der Lebens­haltungskostenindex liegt in Ungarn bei 61,1 Prozent, in der Tschechischen Republik bei 64,6 Prozent, in der Slowakei bei 63 Prozent des Niveaus in Österreich.

Wissen Sie, wer noch die großen Verlierer in diesem Modell sind? – Es sind die Men­schen, die im Westen der ehemaligen Oststaaten leben und nicht als Tagespendler aktiv sind, weil die Preise in den Grenzregionen – wir Burgenländer und auch die Ober­österreicher wissen das – ganz besonders gestiegen sind. Jemand, der dort zum Beispiel als Polizist beschäftigt ist, kann es sich kaum noch leisten, dort unter normalen


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Umständen zu leben. Die Tagespendler können es sich leisten, aber der Polizist, die Krankenschwester haben kaum noch die Möglichkeit, unter menschenwürdigen Bedin­gungen in diesen Staaten zu leben, sich eine Wohnung zu leisten und so weiter.

So gesehen bringt dieses Modell nicht nur einen großen Verlust für die Arbeitnehmer in Österreich, sondern auch für jene Menschen in den Nachbarstaaten, die nicht das Glück haben, als Tagespendler aktiv sein zu können. Das ist auch der Grund dafür, dass beispielsweise so viele Krankenschwestern aus den ehemaligen Oststaaten als 24-Stunden-Betreuungskräfte in Österreich aktiv sind. Man kann sich als Krankenschwester, als gut ausgebildete Krankenschwester, das Leben in diesen Staaten kaum noch leisten. Auch die Korruption blüht, beispielsweise bei der Polizei, weil der Anreiz besonders groß geworden ist.

Meine Damen und Herren, 2011 wird in diesen Nachbarstaaten Österreichs auch die Arbeitslosigkeit noch höher sein als hier in Österreich.

Wir müssen daher jetzt in Verhandlungen eintreten, auf die besondere Situation Österreichs hinweisen und alles daransetzen, dass es eine Erstreckung dieser Frist über das nächste Jahr hinaus gibt. Das ist das Allerwichtigste, was wir in den nächsten Monaten zu tun haben.

Ich weiß, es ist wichtig, dass man sich Gedanken über Mehrwert-SMS macht – das liegt mir auch sehr am Herzen; auch mein Antrag zum SAR-Wert ist sehr wichtig –, aber es ist eine der Kernaufgaben der nächsten Monate, dass wir versuchen, die Verhandlungen auf europäischer Ebene auf eine positive Schiene zu bringen, ja zumindest einmal zu starten.

Ich bitte Sie, Herr Bundesminister, wirklich darum. Österreich ist immer Musterschüler der Europäischen Union gewesen, wir haben immer alles gemacht, was aus Brüssel gekommen ist, was uns aus Straßburg diktiert worden ist. Aber ich bitte Sie wirklich, in dieser speziellen Situation einmal aufzustehen und zu sagen: Bis hier her und nicht weiter! Es ist das eine besondere Situation, die besondere Maßnahmen verlangt. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich denke, dass das auch eine Chance für die SPÖ ist. Die SPÖ hat, warum auch immer, viele Wahlversprechen nicht halten können. Ich versuche, das jetzt so zu for­mulieren, dass Sie nicht beleidigt sind, aber: Sie haben damals plakatiert: Abfangjäger – hier fliegt Ihre Pensionsreform. (Abg. Strache: Fliegende Pensions­reform!) Sie wissen, die Abfangjäger wurden nicht abbestellt, man hat weniger bestellt, diese sind schlechter ausgestattet und haben mehr gekostet. Also das war nicht so toll. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Abschaffung der Studiengebühren – jetzt haben wir einen roten Kanzler, die Stu­diengebühren bleiben.

Roter Kanzler hat versprochen: Keine Steuererhöhungen, nein, Steuersenkungen. – Jetzt haben wir neue Steuern. (Zwischenruf des Abg. Mag. Kuzdas.)

Versprochen wurde eine Wertanpassung des Pflegegeldes. Jetzt ein roter Kanzler, das Pflegegeld verliert weiter an Wert.

Ein Plakat war ganz besonders interessant: „Genug gestritten“. Jetzt höre ich, dass innerhalb der SPÖ schon mehr gestritten wird als zwischen SPÖ und ÖVP, was beson­ders bemerkenswert ist.

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt, ob Sie die Wahlversprechen einlösen werden, nämlich bezüglich Vermögensteuer. (Zwischenruf des Abg. Weninger.) Sie haben ja versprochen, eine Vermögensteuer einzuführen. Ich habe mit dem Klub­obmann Cap um eine rote Nelke gewettet, dass diese Vermögensteuer nicht kommen


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wird. Sie wird nicht kommen, das werden Sie sehen. (Abg. Strache: Es ist auch gut, dass sie nicht kommt!) Das ist mir auch viel lieber. Denn warum sollen wir unsere Briefmarkensammlung im Rahmen einer Vermögensteuer dann auch bekannt geben müssen? Ein riesiger Verwaltungsaufwand! Warum sollen Häuslbauer zur Kasse ge­beten werden? (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren, das ist nicht etwas, was wir wollen. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.) Frau Kollegin, ich glaube, Sie waren einmal Minister, das ist aber auch schon eine Zeitlang her. Ja, gut. Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt die Möglichkeit der Wiedergutmachung. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Frau Kollegin, kommen Sie einmal heraus und versuchen Sie auch einmal zu reden! (Abg. Binder-Maier: Das ist nicht notwendig!) Doch! Ich sage Ihnen, warum. Die Frau Kollegin Minister fällt mir nämlich nur mehr als Zwischenruferin auf. Das muss auch einmal gesagt werden.

Meine Damen und Herren, Sie haben jetzt nach all den gebrochenen Wahlversprechen die Möglichkeit der Wiedergutmachung, und ich hoffe wirklich, dass Sie den Mut haben, auf europäischer Ebene in Verhandlungen zu treten. Wenn Sie es nicht machen, wird Ihnen der Wähler sicher die richtige Antwort geben. (Beifall bei der FPÖ.)

15.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich Herr Bundesminister Hundstorfer zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


15.22.02

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hofer, ich würde Sie einmal einladen, bevor Sie hier reden, sich mit den Grundlagen vertraut zu machen und Unterlagen zu studieren, denn in Malta und Zypern ist seit 2004 freier Arbeitsmarktzugang, das ist überhaupt kein Thema. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es sind weiters zur Stunde 329 000 Menschen inklusive Schulungsteilnehmern arbeits­los gemeldet. Sie versuchen zwar krampfhaft, immer noch 400 000 zu verkaufen, aber dies sind es nicht.

Gegenüber dem März des Vorjahres hatten wir im März dieses Jahres 18 000 Beschäf­tigte mehr. Nicht weniger, sondern mehr! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Nehmen Sie Einblick in die Abrechnungsdaten des Hauptverbandes der Sozial­ver­sicherung, von dort stammen die Daten, dann werden Sie es sehen.

Meine Damen und Herren, was die FPÖ heute hier fordert, ist schlicht und einfach im Wirtschaftsleben zu beantworten: Es ist ein Vertragsbruch. Das ist das, was hier gefordert wird, ein Vertragsbruch auf Kosten Österreichs. Man muss ein bisschen in die Vergangenheit schauen. Welche Regierung war bei der EU-Osterweiterung im Amt? Welche Minister waren bei der EU-Osterweiterung im Amt? – Es waren Minister der FPÖ und niemand anderer! (Oh-Rufe bei der SPÖ.) Genauso wie der Koalitions­partner, die ÖVP, aber unterschrieben hat die Regierung FPÖ/ÖVP. Bundespartei­vor­sitzender-Stellvertreter zur damaligen Zeit: Heinz-Christian Strache. Das muss man einmal klar auf den Tisch legen. (Beifall bei der SPÖ.)

Das, was Sie hier wollen, ein Abschotten des österreichischen Marktes, ist der schwerste Schaden, den Sie Österreich zufügen können. Denn wer hat in Wahrheit am meisten von der EU-Osterweiterung in Europa profitiert? Wer war der Hauptprofiteur? –


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 129

Abgeordneter Bartenstein, damals Minister Bartenstein, damals Verhandlungsführer, wird das dann wahrscheinlich auch heute hier noch sagen –: Die österreichische Wirtschaft. Die österreichische Wirtschaft hat von allen europäischen Wirtschaften aus dieser EU-Osterweiterung am meisten profitiert.

Folgendes muss man auch einmal sagen: 250 000 Österreicherinnen und Österreicher arbeiten erfolgreich im Ausland. (Abg. Dr. Rosenkranz: Das haben sie früher auch schon gemacht!) Ist das nicht so, meinen Sie das nicht so, wir machen hier dicht und Sie glauben, Deutschland schaut zu, die Schweiz schaut zu, Italien schaut zu, das Vereinigte Königreich schaut zu und die Österreicher werden dort weiterhin so bleiben können? (Abg. Zanger: Ein bisschen Mut!) Glauben Sie, dass das wirklich der Fall sein wird? Meinen Sie nicht auch, dass der von Ihnen provozierte Vertragsbruch Österreich um ein Vielfaches mehr Schaden zufügen würde als die Probleme, die mit diesen Vertragsklauseln verbunden sind? (Beifall bei SPÖ und ÖVP.) Wenn wir abschotten, dann schotten wir auch die anderen ab.

Meine Damen und Herren der Freiheitlichen Partei, mir ist es wichtiger, auf die Probleme, die sich mit diesen Vertragsklauseln ergeben, einzugehen. Das war Ihnen 2004 völlig egal. Mir ist es wichtig, dass die SPÖ als Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer da gegensteuert. Mir ist es wichtig, dass Lohn- und Sozialdumping nicht eine leere Worthülse ist. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Sie betreiben es ja! Sie machen das Lohndumping möglich!)

Sie haben dem Vertrag von 1. Mai 2004 zugestimmt. Sie haben sich in diesen sieben Jahren überhaupt nicht darum gekümmert, wie es mit Lohn- und Sozialdumping weitergeht. Das war Ihnen egal. 2 Minuten vor 12 glauben Sie, Sie können hier ein billiges Theater aufführen und drauf hupfen. Nein, wir haben schon früher Antworten gegeben. Wir haben mit der Auftraggeberhaftung im Baubereich eine Antwort gege­ben. Wir haben mit der sogenannten Anmeldung vor Arbeitsbeginn eine Antwort ge­geben. Das sind Antworten, wo es darum geht, Kollektivverträge einzuhalten, wo es darum geht, Lohn- und Sozialdumping ganz einfach gegenzusteuern.

Unter anderem darf ich das auch noch ganz offen hier sagen: Es gab damals einen heute prominenten Kärntner Landespolitiker, damals FPÖ-Abgeordneten, den Herrn Scheuch, der damals hier gemeint hat, an diesem Rednerpult stehend, die Ost­erweiterung ist ein einzigartiges visionäres Projekt. Auch das muss man den Menschen sagen, was hier gemacht wurde. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Riepl: Jetzt ist er ruhig, der Strache!)

Ich möchte das auch einmal ganz klar auf den Tisch legen: Die Widerstände, die ich zu überwinden hatte, waren groß, denn kaum war ich Minister, habe ich mich darum gekümmert, dass die Übergangsfristen bis zum Maximum, 30. April 2011, ausgedehnt werden. Das war eine meiner ersten und wesentlichsten Aufgaben.

Es war ganz einfach auch notwendig, mit der Sozialdemokratie, aber auch mit dem Koalitionspartner und den Sozialpartnern gemeinsam darauf zu schauen, dass wir beim Lohn- und Sozialdumping alle Lücken schließen, um das ganz einfach zu verun­möglichen. Sie wissen dies ganz genau. Alle anderen Mitgliedstaaten der Euro­päischen Union haben die Grenzen geöffnet. Es gibt nur mehr die Bundesrepublik und uns, die diese Übergangsfristen bis zur Maximalfrist ausnützen.

Bei Bulgarien, Rumänien haben wir die Übergangsfrist in der zweiten Phase, das heißt bis 31. Dezember 2011, und laut Regierungsprogramm werden wir auch hier das Maximum, das heißt noch einmal zwei Jahre dazu, entsprechend ausnützen.

Ich möchte hier das wirklich noch einmal sagen: Sie haben sich während Ihrer Regie­rungsbeteiligung nicht um Lohn- und Sozialdumping gekümmert. Ganz im Gegenteil,


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während Ihrer Regierungsbeteiligung ist die Zahl der Saisonniers in Österreich explodiert. (Abg. Neubauer: Reden Sie einmal von der Zukunft!)

Das ist notwendig. Lernend aus der Vergangenheit müssen wir die Zukunft gestalten. (Beifall bei der SPÖ.) Und demzufolge ist es notwendig, auf die Vergangenheit hinzu­schauen und den Menschen zu erklären, wie die Sozialdemokratie die Zukunft gestal­ten will und wie Sie die Vergangenheit gestaltet haben. (Abg. Neubauer: Sie können nicht einmal die Vergangenheit bewältigen!)

Ich bin seit zwei Jahren sehr massiv dabei, die Saisonier-Kontingente, die während Ihrer Regierungsbeteiligung explodiert sind, wieder zurückzuführen. Sie haben auch während Ihrer Regierungsbeteiligung etwas in diesem Land gemacht, was ich mich jetzt auch noch bemühen werde zurückzuführen, das sind nämlich die ausländischen Erntehelferinnen und Erntehelfer, die während Ihrer Regierungsbeteiligung sozialver­sicherungsfrei gestellt worden sind, und auch das werden wir zurückführen, denn da gibt es zum Beispiel ein totales Missverhältnis hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit von inländischen Arbeitskräften. (Beifall bei der SPÖ.)

Was tun wir? Was tun wir zur Öffnung des Arbeitsmarktes? Was ist vorbereitet? Sie können noch so oft behaupten, es ist nichts vorbereitet, es ist nichts geschehen. Sie wissen ganz genau, dass seit Beginn der Übergangsfristen die Arbeitskräfte aus den neuen EU-Mitgliedstaaten gegenüber Drittstaatsangehörigen bevorzugt zugelassen werden.

Sie wissen auch ganz genau, dass die Zuwanderung Drittstaatsangehöriger im We­sent­lichen auf ganz hochqualifizierte Schlüsselkräfte und auf Familiennachzug be­schränkt bleibt.

Sie wissen auch, dass die Zulassung neuer EU-BürgerInnen im Einklang mit Über­gangs­regelungen bedarfsgerecht gesteuert wurde. In Bereichen mit zusätzlichem Arbeits­kräftebedarf wurde die Beschäftigung schrittweise erleichtert, für Topmanager, Wissenschafter, ForscherInnen, Schlüsselkräfte, Fachkräfte in 67 Berufen und so weiter.

Sie wissen auch – das muss man hier auch einmal sagen –, dass all diese Programme nicht bis aufs Maximum ausgenützt sind. Das ist ja auch ein Beweis dafür, dass die Menschen nicht aus ihren Heimatländern wegwollen, sondern in ihren Heimatländern bleiben wollen.

Wenn hier heute gesagt wurde, PflegerInnen aus der Slowakei und so weiter verhin­dern den Pflegenotstand in Österreich, leisten täglich unverzichtbare Arbeit, dann darf ich auch ganz offen sagen: Natürlich ist das ein wesentlicher Teil der Pflegetätigkeit. Aber wenn das Lohnniveau in den Relationen wäre, wie hier von Herrn Ing. Hofer gesagt wurde, dann hätten wir nicht in der Steiermark seit einer Woche Zeitungsartikel, in denen steht, dass niemand mehr kommt, weil die Lohnrelation nicht mehr stimmt. Diese Artikel können Sie in der „Kleinen Zeitung“ alle nachlesen. (Abg. Strache: Warum werden dann 250 Jugendliche in der Steiermark für die Ausbildung nicht genommen?)

Diese Fachkräfte konnten ohne negative Auswirkungen auf das vorhandene Arbeits­kräftepotential gut integriert werden und haben auch bei der Überwindung der Krise maßgeblich mitgeholfen.

Zusätzlich haben wir noch etwas gemacht. Ja, natürlich gibt es Grenzgänger. Ja, es gibt Praktikantenabkommen. Aber all diese Abkommen mit den Grenzgängern werden nicht alleine gelassen. Das Grenzgängerabkommen mit dem Burgenland zum Beispiel ist eingebettet in ein ganz stringentes EU-Projekt. Was tun wir im Rahmen dieses EU-


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Projekts? – Wir tun nichts anderes als die Menschen beraten, darauf schauen, dass die Kollektivverträge eingehalten werden, dass die Lohnabrechnungen funktionieren.

Eine kleine Nebenbemerkung aus meiner Vergangenheit sei mir gestattet: Über diese Schiene hat der ÖGB auch ungarische Mitglieder, die als Grenzgänger in Österreich arbeiten, es sind 500 an der Zahl, weil die Menschen sich dort betreut fühlen, weil wir darauf schauen, dass die KVs passen, weil wir darauf schauen, dass ganz einfach die Abrechnungen funktionieren. Es ist ja nicht so, dass das im luftleeren Raum geschieht, sondern das ist ein seit vier, fünf Jahren laufendes EU-Projekt, das sehr, sehr gut ankommt und von allen Teilen der burgenländischen Wirtschaft ganz einfach angenommen wird, sowohl dienstgeberseitig als auch dienstnehmerseitig.

Es gibt diese Tagespendler natürlich nicht nur in Ungarn, es gibt sie in Tschechien, es gibt sie in der Slowakei. Es sei mir gestattet, auch darauf hinzuweisen: Es gibt diese Tagespendler in Salzburg, in Oberösterreich, in Tirol, in Vorarlberg, gar nicht so wenige, um ein Vielfaches mehr, als Menschen von Bratislava nach Wien kommen.

Zwischenzeitlich ist es auch so, dass Menschen von Wien nach Bratislava arbeiten fahren und auch hier umgekehrte Tagespendler sind. Was wir tun müssen – und das ist das Wesentlichste –, ist, darauf zu schauen, ob die österreichischen Rechtsnormen eingehalten werden. Werden diese Rechtsnormen nicht eingehalten, dann müssen wir ganz einfach hinschauen und mit ordentlichen Verwaltungsstrafen antworten.

Bevor ich zum Schluss komme, möchte ich noch einmal betonen: Es ist ganz einfach nicht so, dass das Lohngefälle auseinandergegangen ist. Das sieht man, wenn man Wirtschaftsräume so vergleicht, wie man sie zu vergleichen hat. Wenn man den Wirtschaftsraum Bratislava nimmt, dann ist das Lohngefälle zusammengegangen. Wenn man den Wirtschaftsraum Westungarn nimmt, ist das Lohngefälle zusam­men­gegangen. Das ist nicht auseinandergebrochen, sondern es hat sich zusammen­ge­schoben. Allein der Automobilcluster Bratislava ist ein Beispiel dafür, dass das ganz einfach auch dort so geschehen ist.

Ich glaube, wir sollten uns eines wirklich hier noch einmal vor Augen führen: Österreich ist Teil dieser Europäischen Union, Österreich hat sich in Vertragsverhandlungen zu Vertragsklauseln bekannt. Diese Vertragsklauseln haben wir bis zu dem, was in Verträgen an Fristen vorgesehen ist, ausgenützt, und wir haben ganz einfach profitiert. Wir haben von der Osterweiterung profitiert, ich habe dies schon gesagt. Wir sind hier ganz einfach auch weiterhin wettbewerbsfähig, denn unsere Handelsbilanz in Richtung Oststaaten ist positiv, was bedeutet, wir importieren weniger, als wir dorthin expor­tieren. Es ist ganz einfach so, dass ein Teil des Wirtschaftswachstums Österreichs nach 2004 mit der Erschließung dieser Märkte zu tun hat.

Ich möchte noch einmal erwähnen: AusländerInnen sind Nettozahler im Sozialsystem, auch wenn Sie immer wieder krampfhaft probieren das Gegenteil zu behaupten. (Abg. Strache: Hans-Werner Sinns sagt das Gegenteil!) Das ist ja alles nicht wahr. (Abg. Strache: Schauen Sie doch auf das AMS!) Entschuldige, ich spüre es nicht anders, denn ich bin da draußen bei den Menschen. Im Gegensatz zu Ihnen bin ich da draußen bei den Menschen und schau mir das an. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Ausländer zahlen 10,7 Prozent aller Beiträge. Das, was sie bekommen, sind 6,2 Pro­zent. Das heißt, von 100 eingezahlten Euros nimmt ein Ausländer nur 60 € an Geld­leis­tungen heraus. Österreicher zahlen hingegen 89 Prozent aller Beiträge in das System. Der Anteil, der herauskommt, ist aber zwischenzeitlich fast 94 Prozent. Das heißt, die erhaltenen Leistungen übersteigen die geleisteten Beiträge.


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Es ist sinnvoll, dass wir hier über Integration weiterreden, es ist sinnvoll, dass wir uns weiter um eine geordnete Integration bemühen, aber es ist nicht sinnvoll auseinan­der­zudividieren. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Es ist nicht sinnvoll, Menschen auseinanderzudividieren, sondern wir sollten uns alle gemeinsam bemühen, die Menschen, die hier sind, ganz einfach zusammenzuführen, bei allen Problemen, die es gibt, bei allen Wickeln, die es gibt, bei allen Schwierig­keiten, die es gibt. Aber Auseinanderdividieren ist die schlechteste Form für eine Demo­kratie. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Weinzinger: Einwanderung!)

Hören Sie genau zu! Ich rede von einer geordneten Zuwanderung. Geordnete Zuwan­derung heißt unter anderem auch, dass die deutsche Sprache beherrscht werden muss.

Und was tun wir? – Wir kontrollieren, ob ArbeitnehmerInnen das Mindestentgelt, das ihnen nach dem Gesetz zusteht, bekommen, das heißt, ob der Kollektivvertrag ange­wendet wird. Wir kontrollieren das Entgelt auch bei entsendeten Arbeitnehmern. Es wird eine Verstärkung der behördlichen Kontrollmaßnahmen geben. Bei erheblicher Unterentlohnung wird es sehr hohe Verwaltungsstrafen setzen. Wir planen, den wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen, wenn es zu so etwas gekommen ist. Wir sind für eine Verbandsklage für die gesetzliche Interessenvertretung Arbeitgeber und Arbeit­nehmer, wenn die Störung der Lohnordnung nicht durch Bezahlung der offenen Ent­gelt­ansprüche beseitigt wird.

Außerdem soll es zu einer erweiterten Generalunternehmerhaftung für Verstöße von Subunternehmen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz kommen. Auch die Behördenzusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union soll durch ein EU-weites Verwaltungsvollstreckungsabkommen, durch die Entwicklung von stärkerer EDV-Zusammenarbeit verbessert werden.

Ich komme zum Schluss. Mit Vertragsbruch, wie Sie ihn vorschlagen, würde sich Österreich schweren Schaden zufügen, und zwar wirtschaftlich und politisch, wirt­schaftlich, weil unser Land und alle Österreicherinnen und Österreicher von den engen Kontakten zu unseren Partnern in der ganzen Welt profitieren. Würden sich diese so abschotten, wie Sie das von der FPÖ verlangen, würden Hunderttausende Arbeits­plätze in Österreich verloren gehen, Herr Strache! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.) Wenn wir unseren Exportpartnern sagen, ihr bleibt draußen, dann heißt das nichts anderes, als dass sich die Exportpartner einen anderen Exportpartner suchen. Neh­men Sie das doch einmal zur Kenntnis! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen. – Abg. Strache: Das hat nichts mit dem Export zu tun! Das ist völliger Unsinn, was Sie sagen! Der Export geht weiter!)

Und nehmen Sie zur Kenntnis, politisch wird Österreich in diesem Europa, auf dieser Welt niemand mehr ernst nehmen, wenn wir ganz einfach nicht dazu stehen, was wir in Vertragsverhandlungen gestaltet haben, verlangt haben und erreicht haben. – Ich danke schön. (Lebhafter Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

15.39


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub steht eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zur Verfügung.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Neubauer. Freiwillige Redezeit­beschrän­kung: 6 Minuten. – Bitte. (Abg. Riepl: Der wird sagen, das stimmt alles nicht!)

 



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15.40.20

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Hätte es noch eines Beweises bedurft, warum die SPÖ keine Wahlen mehr gewinnt, Herr Bundesminister Hundstorfer hat ihn jetzt geliefert. (Beifall bei der FPÖ.)

Herr Bundesminister Hundstorfer stellt sich als Sozialdemokrat nämlich nicht hinter die Arbeitnehmer Österreichs, sondern gegen die berechtigten Interessen dieser Arbeit­nehmer Österreichs, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Eine aufrichtige Diskussion um Verträge, Herr Bundesminister, hat noch nie geheißen, vertragsbrüchig zu werden! Hätten Sie den Vertrag nur einmal gelesen und sich nicht von einem Beamten irgendeinen Text vorlegen lassen, dann hätten Sie als Minister sehen und erkennen müssen ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Gut, Sie haben auch einen Vertrag bei der BAWAG unterschrieben und haben gesagt, Sie haben ja nur un­ter­schrieben. Aber dafür sind Sie dann zumindest Minister geworden. Also, das ist keine Garantielösung mehr für die Qualität eines Ministers in Österreich. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Eine Unterschriftenliste für ein paar Milliarden!)

Dann hätten Sie erkennen müssen, dass in diesem Vertragswerk unter anderem drinnen steht, dass das Lohnniveau so weit der westlichen Hemisphäre angepasst wer­den muss, dass es den eigenen Nationalstaaten so weit angepasst ist, dass die Gefährdung der Arbeitsplätze nicht mehr gegeben ist. (Beifall bei der FPÖ.) Und das ist natürlich nicht gegeben. Daher muss man das Rechtsmittel ergreifen, tatsächlich zu intervenieren.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich hätte mir von einem Sozialminister Österreichs erwartet, dass er junktimiert, nämlich damit, dass er sagt: Bevor wir 855 Millionen € wegen der Schulden an Griechenland zahlen, machen wir die Öffnung des Arbeitsmarktes davon abhängig, ob wir bereit sind, auch nur einen Cent dafür nach Brüssel zu zahlen. (Beifall bei der FPÖ.)

Das erwarte ich mir von einem Sozialminister in Österreich – aber nicht, dass er auf den Knien nach Brüssel rutscht. (Abg. Hörl: Das ist eine Frechheit!) Das ist mir einfach zu wenig, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wenn Sie, Herr Bundesminister, mit Ihren Zahlen, die Sie hier genannt haben, eines sagen, dann sage ich Ihnen etwas: Wenn Sie nicht in der Lage sind, eine Statistik zu lesen, dann geben Sie Ihr Ministeramt zurück! (Beifall bei der FPÖ.)

Klar ist, dass die arbeitende Bevölkerung mit den Pensionisten in einer Liste aufgezählt wird und damit ganz verfälschte Zahlen an den Tag kommen. Das ist wohl jedem Mittelschüler klar. Dafür braucht man gar keine akademische Ausbildung zu haben. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Gewerkschafter Rudi Kaske meint, er freut sich schon auf den 1. Mai 2011, wenn 25 000 Slowaken den österreichischen Arbeitsmarkt bevölkern werden, dann – das habe ich schon einmal von hier aus gesagt – soll er seine Funktion als Gewerkschafter hinterfragen, denn das ist ein Anschlag auf die österreichische Arbeitnehmerschaft. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) Das haben sich diese Menschen nicht verdient, meine Damen und Herren! Denn eines ist klar: Was aus diesem Zustrom der Arbeitnehmer aus dem Osten folgen wird, ist eine verstärkte Zunahme der Armut in Österreich.

Meine Damen und Herren, 12 Prozent der Menschen in Österreich leben heute schon an der Armutsgrenze und 5 Prozent fallen dezidiert manifest der Armut anheim. Tatsache ist, dass die Armut einen Namen hat, und der heißt Frau. Die Frauen sind


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diejenigen, die am meisten von dieser Entwicklung betroffen sind, und die Sozial­demokratie schaut lachenden Auges zu, wie das geschieht. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.) Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir als Freiheitliche, als soziale Heimatpartei werden da nicht zusehen! (Beifall bei der FPÖ.)

Da ist ja die Europäische Union schon weiter als Österreich! Die Europäische Union hat das Jahr 2010 zur Bekämpfung der Armut in Österreich ausgerufen. Was tut aber Österreich gegen diese Armut? – Es macht nichts als Worte, aber lässt dem keine Taten folgen.

Und was ist der Grund dafür? – In einer offiziellen Broschüre der Bundesregierung sieht man das Lohnniveau in den letzten 30 Jahren. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn man die Sozialleistungen, die hier aufgelistet sind, abzählt, dann ist Österreich bei einem Lohnniveau von 1992. Und mit dem wollen Sie die Armut in Österreich bekämpfen? Das ist ja ein Witz, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)

Bei den Sozialdemokraten gibt es Menschen, die hier in diesem Hause sitzen, die auf die Frage eines Redakteurs: Können Sie mir sagen, was Sie verdienen?, sagen: Na ja, eigentlich nicht, denn ich habe auf meinem Konto noch nie nachgeschaut! – Mit dieser Überheblichkeit der Sozialdemokraten muss endlich Schluss sein. Diese Abgeordnete weiß nicht einmal, was sie verdient, weil sie so viel verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Haben Sie eigentlich schon einmal überlegt, was Reichtum für die Sozialdemokraten heißt? 10 000 €, 20 000 €, 30 000 €, 40 000 €? Sie reden von einer Reichensteuer, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Ackerl hat gesagt: 500 000 € wäre für ihn eine Rahmenbedingung, wo er eine Reichensteuer haben möchte.

Ich sage Ihnen, wer in Österreich bei dieser Summe unter diese Reichensteuer fallen würde. Laut Statistik fallen demnach 1 569 Menschen unter diese Kriterien. Mit der wollen Sie die Armut bekämpfen? Hören Sie auf mit diesem Unsinn, mit diesem Klassenkampf und mit dieser Neiddebatte! (Beifall bei der FPÖ.) Damit werden Sie den Menschen nichts mehr vormachen können, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Zum Abschluss zur ÖVP: Wenn heute in der Zeitung steht, dass man Sorge um den armen Abgeordneten Molterer haben muss, weil man für ihn keinen Versorgungs­posten findet, dann kommen mir – wie hat das der Kollege Stadler gestern gesagt? – die Tränen fast waagrecht raus. Für den Herrn Abgeordneten Molterer findet man keinen Versorgungsposten, und offenbar ist das Gehalt eines Abgeordneten zum National­rat nicht ausreichend, um ihn monetär zu versorgen.

Seien Sie mir nicht ungehalten, aber: Die Bevölkerung da draußen wird Ihnen die Rechnung für so viel Arroganz und wenig Demut vor den Bürgern geben, spätestens bei der nächsten Wahl! (Beifall bei der FPÖ.)

15.46


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Muchitsch. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.46.57

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucher auf dem Besucherrang! Mit diesen Wortmeldungen, Herr Hofer – bei aller Wertschätzung –, wird es Ihrer Partei nicht gelingen, uns als Partner zu gewinnen. (Abg. Silhavy: Den Herrn Strache interessiert das nicht, was du zu sagen hast! Der ist schon wieder nicht da!)


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Wenn schon von den Experten die Zahlen, die Sie hier anführen, in Frage gestellt werden, dann muss ich auch einige Textpassagen in Frage stellen: Was ich textlich in Ihrem Dringlichen Antrag vermisse – vielleicht muss man das immer wieder sagen, damit Sie es sich merken und auch die Leute draußen das wissen –, ist, dass Sie es waren, die am 1. Mai 2004 letztendlich diesen Beitrittsvertrag unterschrieben haben und sich jetzt anscheinend an nichts mehr erinnern können. (Abg. Weinzinger: Das ist ein Trauma von euch! Noch nicht mitbekommen, dass ...!) Sie waren es, die bei den Saisonniers, bei den ErntehelferInnen Verschlechterungen herbeigeführt haben.

Ich vermisse auch, dass Sie fairerweise sagen, dass es diese Bundesregierung jetzt ist, die in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten hat, die Übergangsfristen für Rumänien und Bulgarien bis 1. Jänner 2014 auszuschöpfen. Ich vermisse auch, dass Sie fairer­weise sagen, dass es gerade die SPÖ war, die Arbeiterkammer und der ÖGB, die immer wieder darauf gedrängt haben, dass alle Möglichkeiten zur Ausschöpfung der Übergangsfristen genutzt werden.

Aber Höhepunkt ist Folgendes: Sie stimmten einem Vertrag zu, von dem Sie wissen, dass dies bindendes EU-Recht ist, und wo Übergang Übergang ist und damit auch definitiv ein Ende gegeben ist. Ich muss Ihnen leider vorwerfen, dass Ihrerseits ein­deutig europarechtliche Unkenntnis vorhanden ist.

Und lassen Sie mich noch etwas loswerden: Tatsache ist, dass die SPÖ seit Ihrer Regierungsverantwortung im Jahr 2006 alles versucht, das wieder in Ordnung zu bringen, was Sie als FPÖ in Ihrer Regierungsbeteiligung unserem Land und unseren Menschen an Verschlechterungen eingebrockt haben (Beifall bei der SPÖ), egal, ob dies im Bereich der Saisonniers, im Bereich der Pensionen, im Bereich der Gesundheit (Ruf bei der SPÖ: Hacklerregelung!), einer Hacklerregelung, die kein Hackler erreicht – „danke schön!“ –, im Bereich der Bildung und auch bei Konjunkturmaßnahmen ist.

Nun sage ich Ihnen, was wir als Koalitionspartner gemeinsam seit dem Jahr 2006 an Maßnahmen gesetzt haben. Der Herr Bundesminister hat es bereits gesagt: Wir haben uns Gedanken darüber gemacht – beginnend bei den Sozialpartnern bis hin zur Bun­des­regierung –, Maßnahmen zu setzen, um für den 1. Mai 2011 vorbereitet zu sein: die Anmeldung vor Arbeitsbeginn mit 1. Jänner 2008, die uns auch dabei hilft, wenn wir dann mit 1. Mai 2011 in diese Neuregelung treten, die Generalunternehmerhaftung mit 1. September 2009, wo Auftraggeber für Abgaben ihrer Subunternehmer haften, die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse als Kontrolleinrichtung, wo per Gesetz ermöglicht wird, dass die BUAK mit ihren Kontrolleinrichtungen vor Ort Abrechnungen prüfen kann, und letztendlich auch Verbesserungen und Aufstockungen im Bereich der KIAB.

Ich gebe Ihnen schon recht, trotzdem dürfen wir uns nicht zurücklehnen und sagen: Wir warten jetzt einmal ab, was passiert! Wir müssen weiterhin zusätzliche Maß­nahmen für weitere Kontrollmaßnahmen zur Bekämpfung des Betrugs im Bereich der organisierten Wirtschaftskriminalität setzen. Und dazu lade ich Sie ein. Ich glaube, es ist viel besser, wenn wir unsere Zeit und unsere Kraft dahin investieren, wie wir noch besser für den 1. Mai 2011 vorbereitet sein können, als hier populistische Dringliche Anträge seitens der FPÖ zu behandeln.

Genau darum geht es, meine sehr geehrten Damen und Herren: Investieren wir unsere Zeit und unsere Kraft in Maßnahmen, welche Beschäftigung bringen und sichern! Set­zen wir unseren erfolgreichen Weg der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gemeinsam fort! Sparen wir dort, wo es sinnvoll ist! Investieren wir dort, wo wir dadurch Schul­denabbau erreichen, in die thermische Sanierung, in die Zweckbindung der Wohn­bauförderung und auch in Nachhaltigkeit!


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Sehr geehrter Herr Bundesminister, setzen Sie bitte diesen erfolgreichen Weg im Inter­esse unserer Menschen und unseres Landes fort! – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

15.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Wöginger. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.52.09

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bun­desminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich bin dank­bar für die sehr klaren Worte in dieser Angelegenheit! Es herrscht halt wieder einmal Wahlkampf, denn ansonsten würde bei einem Ausländerthema sicher der Herr Vorsitzende Strache hier ans Rednerpult schreiten. Aber diesmal war es Hofer, weil ja das Burgenland angeblich in wenigen Wochen wählen wird. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Mag. Molterer: „Der Hofer war’“!)

Mehr ist eigentlich zu diesem Antrag nicht zu sagen, denn selbst im Antrag ist da alles ganz klar aufgeführt. Kollege Hofer, du hast dich wirklich bemüht! Es fehlt an keiner inhaltlichen Darstellung. Es ist alles ganz klipp und klar aufgezeigt, nämlich was zu den Übergangsfristen zu sagen ist: dass wir als Österreich mit den Staaten, die am 1. Mai 2004 beigetreten sind, das Maximum ausgeschöpft haben – außer Malta und Zypern, das ist falsch gesagt worden, obwohl es richtig im Antrag steht – und dass wir das bis zum Jahr 2011 ausgeweitet haben. Bezüglich Rumänien und Bulgarien – so ist es im Regierungsprogramm vereinbart – werden wir auch an die Kommission herantreten beziehungsweise eine Mitteilung abgeben, um die Übergangsfristen bis zum Jahr 2014 auszuschöpfen.

Aber eines geht nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren – Österreich ist ein Mit­gliedstaat der Europäischen Union! –: dass wir mit anderen europäischen Ländern einen Vertrag ausmachen – in der Beitrittsakte wird das ja abgezeichnet –, dass wir uns zu dieser Klausel bekennen, aber diese dann ein paar Monate, bevor sie abläuft, nicht mehr einhalten. Das wird es mit uns nicht geben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Neubauer: Von euch erwarten wir das eh nicht, aber von den Sozialisten!)

Österreich würde sich im europäischen Feld lächerlich machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir Ihrem Vorschlag hier nachkämen. Hören Sie doch bitte einmal auf, immer nur das Ausländerthema anzuführen und immer nur die Ausländer für alles, auch auf dem Arbeitsmarkt, verantwortlich zu machen! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wir sind derzeit in einer Krisenzeit, und es hat immer Krisenzeiten gegeben. Ich bin der Meinung, dass diese Bundesregierung mit den Konjunkturpaketen, mit den Arbeits­markt­paketen die notwendigen und richtigen Maßstäbe gesetzt hat.

Wir haben die zweitniedrigste Arbeitslosenquote, meine sehr geehrten Damen und Herren! Oder ist das an Ihnen gänzlich vorübergegangen? Wir hatten heute Vormittag eine breite Diskussion über das Bundesfinanzrahmengesetz, und natürlich ist der Arbeitsmarkt ein wesentlicher Teil. Uns geht es darum, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Menschen in Beschäftigung zu bringen und zu halten, auch in wirt­schaftlich schwierigen Zeiten, und nicht so ein Tamtam mit diesem Antrag aufzuführen. Wir haben andere Herausforderungen und Probleme zu lösen, und nicht Vertragsbruch mit anderen europäischen Staaten zu begehen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Rosenkranz: Welche anderen Probleme? – Abg. Neubauer – in Richtung ÖVP –: Ihr findet nicht einmal einen Präsidentschaftskandidaten!)


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Die Arbeitslosenquote spricht für sich. Der Herr Bundesminister hat ja angeführt, dass wir Gott sei Dank aufgrund des Frühlings, aufgrund dessen, dass die Bauarbeiter jetzt wieder arbeiten können, großteils rückläufige Zahlen auf dem Arbeitsmarkt haben. Mit 5 Prozent Arbeitslosenquote liegen wir an zweiter Stelle hinter Holland gut. Die EU-27 haben 9,6 Prozent. Und das sollte doch auch Anerkennung finden, dass die Maßnahmen greifen, dass die richtigen Maßstäbe in der Arbeitsmarktpolitik gesetzt wurden.

Wir haben um 18 000 Beschäftigte mehr. Und die Arbeitslosigkeit, meine Damen und Herren, geht bei den Ausländern stärker zurück als bei den Inländern, nämlich um 2,4 Prozent bei den Ausländern und um 1,6 Prozent bei den Inländern. In Zahlen heißt das, in Österreich gibt es rund 420 000 Beschäftigte mit ausländischer Abstammung oder einer anderen Staatszugehörigkeit, und rund 50 000 sind derzeit arbeitslos, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es geht ja schließlich um die Erwerbstätigkeit. Kollege Auer hat das heute am Vormittag bereits aufgezeigt. Das hat mir sehr gut gefallen. Die Erwerbstätigkeit ist seit 1975 um über 35 Prozent gestiegen, die Bevölkerung hingegen ist nur um 10 Prozent gewachsen. (Abg. Dolinschek: ... auch Teilzeitbeschäftigung!) – Natürlich muss man auch Teilzeitbeschäftigung, natürlich auch die Veränderungen in der Landwirtschaft berücksichtigen. Das stimmt schon, Herr Kollege Dolinschek! Aber es heißt auch, wir haben viele zusätzliche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gebraucht, auch aus unseren Nachbarländern.

Eines sage ich Ihnen – das ist alles nachzulesen –: Wir haben ja diese ganzen Maß­nahmen in den letzten Jahren zum Großteil auch gemeinsam beschlossen. Führungs­kräfte, Wissenschafter, Forscher, Schlüsselarbeitskräfte: Erinnern Sie sich nicht mehr daran, was wir im Jahr 2007 diskutiert haben, im Jahr 2008 auch noch? – Dass wir aufmachen sollen. Es ist in verschiedenen Bereichen dringend notwendig, dass wir Ar­beits­kräfte hereinlassen, Fachkräfte im Gesundheits- und Krankenpflegebereich, Saisonarbeiter im Bereich der Landwirtschaft und im Tourismus.

Meine Damen und Herren, hören wir doch auf, hier eine billige Parteipolitik vor einer Landtagswahl zu betreiben, sondern setzen wir uns mit den Daten und Fakten auseinander! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend, meine Damen und Herren: Ich bin Abgeordneter einer Grenzregion. Mein Vater hat über 20 Jahre lang in der Metallbranche in Deutschland gearbeitet. Es gab in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren die Situation, dass bei Weitem mehr Österreicher in Deutschland gearbeitet haben als Deutsche in Österreich. Heute ist es völlig umgekehrt: Rund 80 000 deutsche Bürgerinnen und Bürger arbeiten in Österreich, und gut die Hälfte davon gibt es an Österreichern, die in Deutschland beschäftigt sind.

Mein Vater war zwei, drei Mal von der Kurzarbeit in der Metallbranche betroffen, weil auch da immer ein Auf und Ab in der Wirtschaft geherrscht hat. Die Deutschen sind nicht hergegangen und haben gesagt: Wir müssen jetzt alles straffen und sofort die Österreicher wieder nach Hause schicken! – Es gibt andere Ansätze, um den Arbeitsmarkt sinnvoll weiterzuentwickeln. Heute ist das System umgekehrt, weil Österreich auf dem Arbeitsmarkt insgesamt Deutschland schon lange überholt hat, schon vor Jahren. Und deshalb spiegelt sich auch dieses Bild wider, wie sich die Arbeitskräfte innerhalb von Grenzregionen verlagern.

Meine Damen und Herren, wir müssen unseren Arbeitsmarkt positiv weiterentwickeln, aber nicht abschotten und nicht Verträge brechen, sondern den Arbeitsmarkt der Zeit anpassen und sinnvoll weiterentwickeln.


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Zum Thema Lohndumping ein abschließendes Wort: Kollektivverträge satzen, das ist das Gebot der Stunde! Das ist im BAGS-Bereich vor Kurzem passiert. Ich fordere das für etliche andere KV ein, dann gibt es das Lohndumping in diesem Bereich nicht. Und dann können wir den Arbeitsmarkt positiv in die Zukunft führen. Für Vertragsbruch, meine Damen und Herren, ist die Österreichische Volkspartei nicht zu haben! (Beifall bei der ÖVP.)

15.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Schatz. 8 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


15.59.03

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben es gehört: Österreich hat die Übergangsfristen voll ausgeschöpft. Die FPÖ beantragt nun, dass Herr Minister Hundstorfer ausgeschickt wird, um eine Verlängerung dieser Übergangsfristen zu verhandeln. Und wenn das Ganze nicht nur ein Wahlkampf-Gag sein soll, dann frage ich Sie: Haben Sie sich angeschaut, unter welchen Bedingungen das theoretisch möglich wäre?

Dazu müsste das Primärrecht der Europäischen Union geändert werden, das heißt, die Kernverträge. Und diese Kernverträge kann man nur dann ändern, wenn alle Mit­glied­staaten zustimmen. Das heißt, das ist innerhalb der Europäischen Union nur ein­stimmig möglich. (Abg. Dr. Bartenstein: Da haben Sie recht!)

Jetzt wissen wir aber, dass es durchaus Länder gab, die bereits kritisiert haben, dass wir überhaupt die dritte Stufe der Übergangsfristen in Anspruch genommen haben. Glauben Sie allen Ernstes, die würden dann zustimmen, dass wir noch weiter verlängern? (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Das ist doch wurscht, ob die zustim­men!) Das ist völlig unrealistisch! (Abg. Neubauer: Wir sind für unsere Menschen verantwortlich – Sie nicht!)

Selbst wenn der Herr Bundesminister aufhört, sich in Österreich in die Bresche zu hauen, um gegen die Arbeitslosigkeit zu kämpfen, und nur mehr in Brüssel verhandelt: Was glauben Sie denn, was dann in zwei Jahren passiert? Glauben Sie wirklich, die Übergangsfristen würden das Problem lösen?! – Ich bin sicher, dass das nicht der Fall ist. Ich glaube vielmehr, es ist leider ein plumper Versuch von Ihnen, die Menschen in diesem Land zu täuschen, und vor allem die Menschen im Burgenland, die eben bald wählen. Und das ist wirklich traurig, denn es ist ein wichtiges Thema, mit dem wir uns da auseinandersetzen.

Meine Damen und Herren, es steht ganz sicher außer Frage, dass wir eine besorg­niserregend hohe Arbeitslosigkeit haben. Und es steht auch ganz sicher außer Frage, dass durch die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes zu erwarten ist, dass doch Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus diesen neuen Mitgliedsländern nach Öster­reich kommen. Je nach Studie sollen die Zahlen zwischen 10 000 und 25 000 liegen. Und genau deshalb gibt es ja auch die Übergangsfristen: In diesen sieben Jahren hätte sich Österreich nämlich darauf vorbereiten können, dass es hier zu Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt kommen wird. Vorbereiten können, sage ich – aber darauf komme ich noch einmal zurück.

Die Sorge jetzt ist jedenfalls, dass sozusagen durch dieses Kommen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen aus den neuen Mitgliedsländern Beschäftigte in Österreich von ihrem Arbeitsplatz verdrängt werden. Ich frage Sie: Unter welchen Bedingungen würde dieser Fall eintreten? – Das Ganze wäre realistisch, wenn diese Arbeitnehmer gleich qualifiziert wären, wenn sie sozusagen in der gleichen Qualität ihre Arbeit anbieten


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würden und trotzdem wesentlich weniger bezahlt bekommen würden, sozusagen ein­fach die billigeren Arbeitnehmer sind.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen ganz ehrlich, ich schließe aus heutiger Sicht nicht aus, dass das passiert. Ich glaube, dass so eine Verdrängung durchaus pas­sieren kann, denn wir kennen diese Situation ja schon. Diese Möglichkeit gibt es be­reits jetzt, vor Beendigung der Übergangsfristen. Es gibt bereits eine Menge von Men­schen, die als Selbständige oder Scheinselbständige aus den neuen Mitgliedsländern hier bei uns tätig sind – als Saisonniers, als Praktikanten und Praktikantinnen, als Au-pairs, als Pflegekräfte und natürlich über die Facharbeiterregelung.

Es ist also klar, dass bereits eine Menge Menschen aus den neuen Mitgliedsländern bei uns arbeiten. Aber das Problem ist: Die arbeiten meist unter sehr, sehr prekären Bedingungen. Das heißt, sie sind in einem sehr hohen Maß von diesem Arbeitsplatz abhängig und werden sozusagen von den Unternehmen auch massiv unter Lohn- und Sozialdruck gestellt. Das heißt, viele dieser Betroffenen sind jetzt hier in Österreich einem massiven Lohn- und Sozialdumping ausgesetzt. Das wissen Sie alle, wir wissen das alle.

Und da frage ich schon: Hat die Regierung in den vergangenen Jahren, genau inner­halb dieser Übergangsfristen, genug getan, um das zu verhindern? – Ich sage: Nein, ganz im Gegenteil, es wurde der Raum für dieses Sozial- und Lohndumping teilweise erst geschaffen! Stichwort Liberalisierung des Postmarktes – das ist noch nicht alt –: Sie haben nicht dafür gesorgt, dass die Arbeitsbedingungen im Postmarkt klar geregelt werden.

Stichwort Pflegekräfte: Sie lösen das Dilemma mit der 24-Stunden-Pflege, indem Sie Lohn- und Sozialdumping bei ausländischen Pflegekräften betreiben. – Und die Liste ist noch fortzusetzen mit den schwierigen Arbeitsbedingungen im Tourismus.

Ich meine, welcher Österreicher/welche Österreicherin geht noch in den Tourismus? Aber statt diesen Beschäftigungssektor endlich einmal so zu reformieren (Abg. Hörl: ..., die gleiche Leier!), dass er modernisiert wird und den Erwartungen von Arbeit­nehmern auch wirklich entsprechen kann, statt das zu tun, was machen Sie? – Sie erhöhen das Saisonnierkontingent. Und ich bin wirklich neugierig, wann dann der, sagen wir einmal, „selbständige Abwäscher“ kommt oder, noch besser, der „selb­ständige Geschirrmanager“ oder so etwas. (Abg. Dolinschek: Da bin ich auch neu­gierig, ja!)

Meine Damen und Herren, das Lohndumping und Sozialdumping in Österreich findet bereits statt – und es wird sicher mit Ende der Übergangsfristen noch einmal zunehmen. Aber die einzige Möglichkeit, um Österreicher und Österreicherinnen vor der Verdrängung zu schützen und gleichzeitig Lohn- und Sozialdumping gegenüber unseren Nachbarn zu verhindern, ist, dass man es bekämpft.

Herr Minister, ich frage Sie: Was haben Sie wirklich getan? – Sie weisen auf die Generalunternehmerhaftung und die Meldepflicht hin. Aber ich finde, es war definitiv nicht genug. Auch der Ausbau der Kontrollen reicht nicht. Das Verbandsklagerecht kündigen Sie an, aber viel Zeit haben Sie nicht mehr.

Herr Minister, die FPÖ kommt in dieser Situation, wie immer, mit: „Die Grenzen gehören zugemacht!“ – Wir Grüne sehen die Schwierigkeiten auch, aber wir sagen, es braucht endlich die von Ihnen seit mittlerweile Jahren angekündigten offensiven Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping. Sprechen Sie nicht nur davon, tun Sie es! (Beifall bei den Grünen.)

Wir müssen dann keine Sorge mehr haben, dass durch Lohn- und Sozialdumping österreichische Arbeitskräfte durch ausländische Arbeitskräfte ersetzt werden. Und wir


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müssen uns auch nicht mehr dafür schämen, dass politisches Versagen mit Billigst­arbeitskräften aus dem Ausland behoben wird. Das ist einfach peinlich.

Herr Minister, als Grüne sage ich nicht: Steigen Sie in dieser Sache aufs Gas!, sondern ich sage: Treten Sie endlich in die Pedale! (Beifall bei den Grünen. – Heiterkeit.)

16.06


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Dolinschek zu Wort. Gewünschte Redezeiteinstellung: 8 Minuten. – Bitte. (Abg. Mayerhofer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Dolinschek –: Sigi, sag es ihnen, wie es wirklich ist!)

 


16.06.30

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Freiheit des Personenverkehrs ist eine der vier Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union. Sie besagt, dass EU-Bürger innerhalb der Union frei reisen, studieren und arbeiten können. Das war uns auch damals bewusst, als wir in Regierungsverantwortung waren, weil es natürlich sehr, sehr große Unterschiede bei den Lebenshaltungskosten, bei den Löhnen und so weiter gibt, wenn es zu einer Erweiterung der Europäischen Union kommt, vor allem im Mittel- und Ostbereich der europäischen Staaten.

Wir wissen, dass dort das Lohnniveau ja nicht einmal die Hälfte ausgemacht hat, und deshalb sind auch Übergangsbestimmungen ausverhandelt worden. Und einer, der diese Übergangsbestimmungen ausverhandelt hat, war der ehemalige Bundesminister Vizekanzler Herbert Haupt – der übrigens im Personenkomitee für die Präsident­schaftskandidatin Frau Rosenkranz ist, aber keiner von Ihnen, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Freiheitlichen Partei, erwähnt das hier herinnen. Irgendetwas hat der Herbert Haupt dort nämlich bewirkt, und da muss ich sagen: Dazu muss man auch stehen.

Was diese Übergangsbestimmungen betrifft, so waren es Österreich und die Bundes­republik Deutschland, die das am meisten ausgenützt haben, also mit sieben Jahren. Nach zwei Jahren hat man ja wieder beantragen müssen, dass die Übergangsfristen für weitere drei Jahre beibehalten werden. Und nach Ablauf der fünfjährigen Über­gangsfrist war um weitere zwei Jahre zu verlängern, weil eben die Entwicklung in den neuen Mitgliedsländern nicht so weit war, weil es noch immer große Unterschiede gegeben hat. Man hat sich ja erwartet, dass sich in diesen sieben Jahren das Lohn­niveau, die Lebenshaltungskosten und überhaupt die Lebensstandards in diesen Staaten jenen Österreichs und der anderen mitteleuropäischen Staaten angleichen. – Das ist aber nicht so passiert, und das wird noch einige Jahre dauern. Sämtliche Statistiken, die uns hiezu vorliegen, sagen ja auch, dass das auch bis 2015 kaum erreicht sein wird.

Tatsache ist, dass wir vor dem Problem stehen, dass die Arbeitslosenquote bei uns bei zirka 5 Prozent liegt, in Slowenien liegt sie bei 6 Prozent, und in den wichtigsten anderen Staaten, die an uns angrenzen, also in der Slowakei, in Tschechien und in Ungarn, aber auch in Polen beträgt die Arbeitslosenrate zwischen 8 und 14 Prozent. Das ist halt ein bisschen mehr. Und genau das ist jener Bereich, wo wir Vorsorge treffen müssen, denn mit 1. Mai des nächsten Jahres sind die Übergangsfristen vorbei. Die Zeit ist relativ kurz, wir haben genau ein Jahr Zeit. Und da sage ich jetzt Folgen­des, werte Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ: Ich meine, man kann alles ver­langen vom Bundesminister, auch dass er das verhandelt. Ich glaube aber nicht, dass er das dort zu einem Erfolg führt, denn da werden die werten Kollegen und Kolleginnen in der Europäischen Kommission schon etwas dagegen haben. – Das ist halt das eine. Davor haben wir immer gewarnt. Die Entwicklung war eine andere.


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Man hat ja auch gesehen, dass England, Irland und Schweden, die keine Übergangs­bestimmungen gehabt haben, fast das Zehnfache an Arbeitskräften aus diesen Län­dern gehabt haben von dem, was sie vorher hatten, beziehungsweise von dem, was sie angenommen haben.

Herr Bundesminister! Wenn Sie jetzt sagen, das wäre ein klarer Vertragsbruch und so weiter, dann darf ich Sie schon darauf hinweisen: Das ist ja kein Vertragsbruch, wenn Sie jetzt in die EU verhandeln gehen, damit man da irgendetwas macht. Tatsache ist – und ich vertrete auch diese Meinung –, dass wir gewisse Leute ja brauchen. Wir brauchen in Österreich ja gewisse Fachkräfte, von denen es auf dem Arbeitsmarkt einen Mangel gibt. Aber das kann man mit einer Greencard lösen, so wie sie etwa die Australier oder die Amerikaner haben. Das wäre genau die Lösung! (Beifall beim BZÖ.)

Da sind wir für einen Ausländer-Check, wo Leute, die bereit sind, dass sie nach Österreich kommen, sich hier integrieren, die Beiträge bezahlen, die Leistungen in Anspruch nehmen und die Steuern bezahlen, dann hier auch aufgenommen werden. Einen gewissen Teil brauchen wir, aber jeder Teil ist in diesem Bereich nicht unbedingt für uns gut, weil es einen Verdrängungswettbewerb geben wird.

Ich sage Ihnen nur eines, Herr Bundesminister: Vor allem das Bau- und Bauneben­gewerbe wird in den nächsten Jahren enorm betroffen sein. Vor allem die Grenzgänger werden dann herüberkommen, weil die Lebenshaltungskosten eben in Ungarn, in Tschechien und in der Slowakei wesentlich niedriger sind als bei uns, und werden in Österreich nach unserem Lohnniveau bezahlt – Lohndumping und so weiter wollen wir ja alle nicht haben, daher werden sie bei uns auch entsprechend bezahlt, und dann ist eben die Differenz riesengroß. Und die Verdrängung wird es geben, und eine Wettbewerbsverzerrung wird es ebenfalls geben zwischen den Betrieben in Österreich und außerhalb Österreichs. (Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Das ist so, Frau Kollegin! Mit dem Auslaufen der Übergangsbestimmungen hat man auch mit diesen negativen Folgen zu rechnen. Und betroffen sein werden dann wieder jene, die wenig qualifiziert sind oder ungelernt sind. Genau diesen Bereich wird es am meisten treffen – und das sind eher die, die ohnedies wenig verdienen. Oder, Frau Kollegin Silhavy?

Ich meine, wir müssen alle in derselben Richtung arbeiten, damit wir das verhindern. Es ist einfach so, dass, wenn auch ein Wirtschaftsaufschwung einsetzt, das Ganze sich nur zeitversetzt auf dem Arbeitsmarkt umsetzt, dass es erst zeitversetzt zu einer Erholung auf dem Arbeitsmarkt kommt. Das ist nun einmal so. Und da muss ich sagen, wir brauchen Maßnahmen gegen Sozial- und gegen Lohndumping! Das ist keine Frage. Wie wir das machen? – Ich bin dafür, dass die Mindeststandards in diesen Ländern angehoben werden, aber nicht unsere reduziert werden! (Beifall beim BZÖ.)

Man hat seinerzeit immer wieder gesagt, als wir der Europäischen Union beigetreten sind: Sozialpolitik ist nationale Kompetenz, das wird nicht nach unten revidiert. – Aber natürlich, wenn die Grenzen offen sind, jeder kommen kann und gehen kann, dann nimmt man natürlich die Sozialleistungen jenes Landes in Anspruch, wo es die höheren Leistungen gibt, und die Steuern und Beiträge zahlt man dort, wo sie geringer sind.

Genau das haben wir momentan, und das ist das Problem, Herr Bundesminister! Wir haben das Problem, dass es Arbeitnehmer gibt, die jetzt bei Firmen, die in Österreich den Firmensitz haben, arbeiten und pendeln. Das andere betrifft die Grenzgänger, wo der burgenländische Landeshauptmann auch seine Bedenken geäußert hat, wenn dort die Quote angehoben wird. Und dann gibt es noch die Scheinselbständigen – Kollegin Schatz hat das auch erwähnt –; in vielen Bereichen ist uns ja bekannt, wie das ist. Genau das sind jene Probleme.


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Herr Bundesminister, Sie haben gesagt, Sie haben die Generalunternehmerhaftung und so weiter eingeführt. Eines haben ja wir noch umgesetzt, da waren wir in der Re­gierung – das war seinerzeit die Frau Kollegin Haubner mit Herrn Bundesminister Bartenstein –: Wir haben damals gesagt, die Arbeitnehmer müssen unbedingt vor Arbeitsbeginn angemeldet werden, damit die KIAB das kontrollieren kann, besonders im Bau- und Baunebengewerbe, damit der Sozialbetrug eingedämmt wird. (Beifall beim BZÖ.)

Das haben wir durchgebracht! Und ich hätte mir eigentlich gewünscht, dass man das auch erwähnt hätte von FPÖ-Seite, dass das auch möglich gewesen wäre. Kollege Hofer, ich habe mir das schon erwartet, denn das sind Leistungen, die von unseren Leuten erbracht worden sind, und das sollte man auch würdigen. Ich sage nur eines: Die SPÖ hat viele Fehler gemacht in diesem Bereich, und daran werden wir noch lange zu kiefeln haben. Aber eines ist klar: Mit einer strikten Politik nur nach dem Motto „Ausländer raus!“ werden wir auch nichts bewirken! Das muss ich einmal sagen. Da muss man differenziert handeln. (Beifall beim BZÖ.)

16.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Karls­böck zu Wort. Ich stelle die Uhr auf 6 Minuten. – Bitte.

 


16.14.15

Abgeordneter Dr. Andreas Karlsböck (FPÖ): Frau Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Da ist ziemlich viel Emotion in dieser Debatte drinnen. Ich frage mich: Warum ist so viel Emotion in dieser Debatte? Ich frage mich auch, warum die SPÖ die Übergangsfristen dieser Reform, dieser Zuwanderungsnovelle bis zum letzten Tag ausgenutzt hat und immer noch der Meinung ist, dies auch bis zum letzten Tag auszunutzen, wie Sie gesagt haben, Herr Minister.

Es ist dies deshalb, weil Sie, glaube ich, wissen, welch enorme Sprengkraft in dieser Problematik steckt. Sie wissen, dass der Politik und der Öffentlichkeit die Folgen der Freizügigkeit bis dato nicht richtig bewusst sind, ihnen aber langsam bewusst werden. Es ist auch zu kritisieren, dass die Auswirkungen nicht richtig analysiert wurden und noch immer nicht werden. Es sind Tatsachen – auch wenn viele jetzt dagegen­sprechen, aber es sind wissenschaftlich fundierte Tatsachen –, dass bei einem Zuge­wanderten, der nach 10 Jahren wieder wegzieht, der Sozialstaat Österreich 2 300 € im Jahr draufzahlt. Und erst nach 25 Jahren amortisiert sich diese soziale Bilanz und dreht sich ins Positive. Das sind keine Schauergeschichten, das ist leider Realität! Und vor allem wird es so sein, dass ausländische Arbeitnehmer am stärksten von der Umverteilung von Reich zu Arm profitieren werden.

Migranten rechnen sich vielleicht längerfristig, aber kurzfristig haben sie enorme fiskale und sozialpolitische Probleme verursacht. Und die Belastungen für die Sozial- und Gesundheitssysteme, die jetzt zusätzlich auf uns zukommen, werden enorm sein. Anreize bietet unser Sozial- und Gesundheitssystem genug, um eine forcierte Zuwan­derung zu begünstigen. Zum Beispiel ist die Sozialhilfe bei uns immer noch vier- bis fünfmal höher als ein Durchschnittslohn in der Slowakei. (Abg. Öllinger: Die kriegt man aber nicht so einfach!)

Wir sprechen jetzt hier ganz konkret von Menschen, die in unser Land zuwandern, die hier ansässig sind. Wir haben dabei aber überhaupt noch nicht in Erwägung gezogen, was sein wird mit den Tagespendlern – es wurde heute schon oft angesprochen, dass es diese geben wird –, die vor allem im Osten und im Süden aus den ärmeren Regionen um unser Land hierher kommen werden, um hier zu arbeiten, und dann offiziell in Österreich angemeldet sind. Diese Praktiken gibt es ja leider auch schon. Das sind Scheinadressen, die sie hier angeben, um diese ganzen Benefits, die wir hier


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anbieten, zu lukrieren. Ich könnte Ihnen jetzt einige Beispiele nennen. Ich nehme jetzt davon Abstand, aber ich könnte Ihnen diese Beispiele nennen (Rufe bei den Grünen: Tun Sie es! Tun Sie es!), und Sie kennen sie ziemlich sicher auch selbst.

Das heißt, wir haben neue Probleme, die auf uns zukommen, und haben dabei die alten Probleme, die wir jetzt schon haben, noch in keinster Weise angesprochen oder gelöst.

Sie kennen alle mein Steckenpferd, das ist der Gesundheitstourismus ins Ausland. Den Gesundheitstourismus ins Ausland gibt es deswegen, weil es zu einer breiten Verelendung, auch durch die Wirtschaftskrise – für die wir alle nichts können, das gebe ich schon zu – bedingt, gekommen ist und breite Bevölkerungsschichten hier deutliche Einkommensverluste hinnehmen mussten und sich einiges nicht mehr leisten können und weil auf der anderen Seite die Preise vieler Produkte einfach zu hoch sind: Hörgeräte, Brillen, Zähne, Prothesen. Sie alle kennen das, das ist für viele Leute nicht mehr erschwinglich.

Ich verstehe überhaupt nicht, wieso eine verantwortliche Sozialpolitik nicht hergeht und sagt, wir wollen in diesem Land – und das geht ganz einfach und morgen, Herr Minister – Produkte auf den Markt bringen, die sich die Menschen leisten können. Das können Sie mit Ihrer Sozialversicherung bewerkstelligen. Wir haben diese Vorschläge bereits geliefert. Nur ein Beispiel: Kronen. Bei der Größenordnung, über die wir sprechen, handelt es sich – das sei nicht unerwähnt – um keine Peanuts, sondern wir reden hier von 200 Millionen €, die der Volkswirtschaft verloren gehen. Das ist ja nicht irgendein Betrag, sondern das ist ein echter Verlust für unsere Wirtschaft. Da wäre es angebracht, hiezu einmal etwas von Ihrer Seite zu hören.

Von den Leistungen, die mit Selbstbehalten behaftet sind, möchte ich gar nicht sprechen. Auch da ist ein enormer Abstrom gegeben. Ich habe heute von Klubobmann Cap gehört, dass soziale Gerechtigkeit produktivfaktorsteigernd ist. Gut, das habe ich gehört. Aber das widerspricht dem. Und ich habe auch gehört, und zwar vom Bundeskanzler, dass eine Kaufkraftstärkung im Regierungsprogramm für den nächsten Finanzausgleich ein lohnendes Ziel sei. – Wie gesagt, Sie erleben mit diesem sozial­politischen Outsourcing recht gut. Die Menschen tun es einfach, sprechen nicht viel darüber. Aber ich sage Ihnen nur, das wird sich ja noch vervielfachen! Vervielfachen deswegen, weil die Menschen, die jetzt zu uns kommen, hier ihren Lohn bekommen werden, sie werden hier arbeiten, sie werden das, was sie hier sozusagen gratis – auch wenn es, wie wir wissen, nicht gratis ist – in den Spitälern und bei den Ärzten bekommen können, in Anspruch nehmen, während dort, wo Selbstbehalte anfallen und wir mit diesen rechnen, diese hier in keinster Weise abgeliefert werden.

Weil Menschen, die hier leben und arbeiten, einen berechtigten Anspruch auf Leis­tungen haben, wird das so sein. Es wird vor allem der Anspruch im Bereich der Pensionen und vor allem der Sozialversicherungen enorm sein, und die schlagartige Erhöhung der Zahl der Anspruchsberechtigten wird natürlich das Defizit der Kranken­kassen vervielfachen. Die Beiträge – das wissen wir auch alle –, die jetzt neu einge­bracht werden, reichen bei Weitem nicht, weder in der Gegenwart und wahrscheinlich auch in der Zukunft noch lange nicht, um das, was hier aus dem Sozialsystem herausgezogen wird, zu neutralisieren.

Ich darf nur daran erinnern, dass der Herr Vizekanzler eine Vorgabe an die Kran­kenkassen zur Einsparung von mehreren hundert Millionen Euro gemacht hat. Wie das bewerkstelligt werden soll, das weiß keiner. Viele Vorredner von mir haben es heute auch schon angesprochen: Das wird ein sozialpolitischer Tsunami werden, der auf uns hereinbricht.


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Forderungen, die wir in diesem Zusammenhang stellen, können wir natürlich mannig­faltig anbieten: Wir haben in unseren Papieren schon mehrfach davon gesprochen, wie das funktionieren könnte. Schlagwortartig möchte ich Ihnen jetzt noch einmal Folgendes vorschlagen: Krankenkassen-Zusammenlegungen, Ermöglichung einer Finan­zierung aus einer Hand bei den Krankenversicherungen oder überhaupt im gesamten Gesundheitsbereich, Erstellung eines suffizienten Spitälerplans – was aber nur dann geht, wenn man den Finanzausgleich aufschnürt. § 15 müsste dazu neu verhandelt werden, und zwar sofort – und nicht irgendwann einmal im Jahre 2013 oder 2014.

Und natürlich wäre es auch angesagt, mit der Einführung eines Transferkontos, das ja in einer großen Sozial-Enquete hier diskutiert wurde, für die nötige Transparenz zu sorgen, denn gerade das wird in Zukunft besonders wichtig sein.

Das heißt, wenn man will, geht alles; das möchten wir schon betonen, nur: Wir wollen natürlich nicht von Ihnen, Herr Minister, dass Sie einen Vertragsbruch verantworten müssten, sondern wollen schlicht und einfach, dass Sie eine Verhandlungslösung herbeiführen, um jene Missstände, die wir Ihnen in diesem Bereich aufzeigen, zu beseitigen. – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

16.21


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Silhavy gelangt nun zu Wort. 5 Minuten. – Bitte.

 


16.21.20

Abgeordnete Heidrun Silhavy (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ge­schätzte Damen und Herren! Zunächst fällt mir auf, dass der Dringliche Antrag, der von der FPÖ eingebracht worden ist, den Klubobmann dieser Partei nicht besonders zu interessieren scheint, denn nach einer Höflichkeitsanwesenheitszeit hat er den Plenarsaal verlassen. Das zeigt eigentlich schon die ganze Bedeutung, die dieser Antrag für Ihre Partei hat, nämlich einfach nur Polemik. (Zwischenruf des Abg. Mag. Steinhauser.) – Das ist schade, denn das Thema wäre wichtig für die Menschen. (Beifall bei der SPÖ.)

Vielleicht aber auch noch ein Wort zur Polemik der Ausführungen des Kollegen Hofer, der ja als Erstredner hier den Antrag begründet hat; ich möchte kurz auf ihn replizieren: Herr Abgeordneter Hofer, Eurostat hat erst heute die Budgetdefizite der EU-Mitgliedstaaten des Jahres 2009 verkündet und hat bekannt gegeben, dass Österreich mit 3,4 Prozent ein nur halb so hohes Defizit hat wie der EU-Durchschnitt mit 6,8 Prozent. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Hofer und Dr. Belakowitsch-Jenewein.) Nur sechs Staaten haben ein geringeres Defizit, das sind die skandinavischen Länder, Estland, Luxemburg und Deutschland.

Das heißt, Österreich hat die zweitniedrigste Arbeitslosenquote, und das bei einem doch relativ geringen Defizit. Ich glaube, das ist schon ein wesentlicher Punkt. Und wir haben als eines der wesentlichsten Länder als erstes Land wieder eine Steigerung der Beschäftigung – und das ist ein durchaus positives Signal, möchte ich hier schon betonen. (Beifall bei der SPÖ.)

Beschäftigung zu schaffen und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen ist das beste Mittel, um das Budget zu sanieren. Die Politik der SPÖ zielt darauf ab, aus Leistungsempfän­gerInnen LeistungserbringerInnen zu machen. Das ist der wesentliche Punkt.

Herr Abgeordneter Hofer, zur Erinnerung: Der 1. Mai 2004, Beitrittsvertrag von Athen, siebenjährige Übergangsfrist. Wer hat zugestimmt? – Die FPÖ! Sie waren damals in der Regierung. (Abg. Weinzinger: ... ein Trauma!) Nur damit Sie es nicht vergessen, meine Damen und Herren, denn Sie scheinen ja ein Kurzzeitgedächtnis sonder­


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gleichen zu haben. (Abg. Weinzinger: Aber wir haben unsere Partei geändert, das haben Sie vergessen!)

Durch Regierungen mit FPÖ-Beteiligung haben die Menschen in Österreich massive Kürzungen und Belastungen erfahren, wie die Studiengebühren, von denen Sie gesprochen haben – Sie haben ja mitgewirkt, dass diese Gebühren eingeführt wurden (Abg. Neubauer: Reden Sie einmal über die Zukunft, Frau Kollegin, nicht nur über die Vergangenheit!) –, wie die Ambulanzgebühren, die sogar mehrmals vom Verfassungs­gerichtshof abgeschafft werden mussten, weil Sie sich nicht haben belehren lassen, oder wie die Pensionskürzungen, unter denen die Menschen heute noch leiden. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Die Zukunft!)

Dann darf ich Sie vielleicht an noch etwas erinnern, wenn Sie sich schon so aufregen – die Wahrheit tut eben ein bisschen weh; Sie wollen sie gerne verdrängen, das verstehe ich schon, aber wir ersparen es Ihnen nicht, dass Sie sich auch daran erinnern müssen. (Abg. Neubauer: Zukunft! Die Zukunft! Sie haben keine Zukunft!)

Ich denke auch daran, dass wir 1998 ein Tourismuskontingent von 3 000 Beschäftigten hatten. (Abg. Neubauer: Sie haben keine Zukunft!) Vier Jahre später, unter FPÖ-Regierungsbeteiligung, waren es 16 000. – So viel zur Arbeitsmarktpolitik, die gemacht wird, wenn Sie in der Regierung sind: Das sagt ja alles!

Herr Bundesminister Hundstorfer hat versucht, hier ein bisschen eine Rückführung zu erreichen (Abg. Neubauer: Wie lange waren Sie Ministerin?), und jeder von uns, der mit Tourismus zu tun hat, weiß, wie die Tourismuswirtschaft auf diese Kontingent­rücknahme reagiert hat.

Wir haben Fachkräfte in 67 Berufen, die benötigt werden, und wir haben diesbezüglich auch Vorsorge getroffen.

Wir haben, weil das heute auch so oft hier zitiert worden ist, ein Grenz­gänger­abkom­men mit Tschechien. Wissen Sie, wie hoch das Kontingent ist? – Sie wissen es nicht; ich sage es Ihnen: Es sind 500 Personen und 300 Praktikantenplätze. Wissen Sie, wie viele davon beansprucht worden sind? (Abg. Weinzinger: Sagen Sie es!) – 221 und 12 Praktikantenplätze. Nur so viel zu Ihrer Schwarzmalerei, die Sie an den Tag legen.

Und warum tun Sie das? – Sie tun das einfach, um Ihre Fremdenfeindlichkeit weiter zu pflegen und weiter zu schüren (Abg. Neubauer: Reden Sie nicht so einen Unsinn! Lesen Sie weiter!) und nach außen hin solche Signale zu setzen. Und das ist das Verwerfliche an Ihrer Politik, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ.)

Die Tourismus- und Freizeitwirtschaft leidet unter dieser Politik und unter der Frem­denfeindlichkeit! Wir bemühen uns, Fernmärkte zu bekommen – immerhin sind es über 16 Prozent des BIP, die die Einnahmen dieser Wirtschaft ausmachen –, und Sie schauen, dass Sie mit Fremdenfeindlichkeit Gäste davon abhalten, in unserem wun­derschönen Land Urlaub zu machen. – Das ist Ihre Politik. (Abg. Neubauer: Schauen Sie lieber, dass Ihre Stiftungen ... Geld bekommen! Haben Sie auch eine Stiftung?)

Wir sind gegen Lohndumping; wir treten für faire Arbeitsbedingungen ein, denn nur so werden die Menschen in Österreich tatsächlich nicht von Armut bedroht sein. (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein.) Und wir machen keine Politik wie Sie, nämlich auf dem Rücken von Erntehelferinnen und Erntehelfern, den Ärmsten, die es gibt, indem es sie aus der Pensionsversicherung hinauswirft. Das ist nicht unsere Politik! (Abg. Neubauer: Sind Sie reich?)

Wir wollen gleiche Arbeitsbedingungen für Menschen, die hier leben, denn nur so sichern wir auch österreichische Arbeitsplätze und verschonen wir die Menschen vor Armut und vor Arbeitslosigkeit – das ist für uns ein wesentlicher Aspekt.


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Ich möchte Ihnen noch einmal etwas in Erinnerung rufen: AusländerInnen zahlen 10,7 Prozent aller Beiträge, aber ihr Anteil an den Geldleistungen macht 6,2 Prozent aus. Das heißt, von 100 eingezahlten Euro bekommt der Ausländer wesentlich weniger als der Österreicher und die Österreicherin. (Abg. Huber: Das haben wir schon gehört!)

Es ist gut, wenn Sie es gehört haben, aber vielleicht merken Sie es sich endlich auch einmal, damit Sie nicht dauernd falsche Zahlen sagen und hier falsche Dinge behaupten, und zwar wider besseres Wissen. Das ist unseriös und dieses Hauses nicht würdig. (Beifall bei der SPÖ.)

16.26


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein gelangt nun zu Wort. Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 5 Minuten. – Bitte.

 


16.27.11

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war in Zeiten der Hochkonjunktur und damit dann auch der Vollbeschäftigung 2007/2008 alles andere als einfach, zu argu­mentieren, dass man diese Übergangsfrist noch braucht: in Brüssel allemal, gegenüber den neuen Mitgliedstaaten erst recht – der zuständige Kommissar war ja Tscheche, nämlich der frühere Ministerpräsident Vladimír Špidla –, und es war in Österreich auch nicht ganz einfach, mit diesem Thema umzugehen. Die Arbeitgeberseite wollte ein sehr rasches Öffnen, die Arbeitnehmerseite, insbesondere die AK, stand da auf der Bremse und tut es noch.

Ich gebe zu, dass ich in diesen Zeiten der Hochkonjunktur und der fast schon Vollbe­schäftigung auf der Seite derjenigen war, die eher einer rascheren Öffnung die Stimme gegeben haben und hätten, aber auf der anderen Seite gab es eine Sozialpart­nereini­gung, die so etwas wie eine schrittweise Öffnung für Fachkräfte bewerkstelligt hat und es auch heute noch tut – Herr Minister Hundstorfer hat von den 67 Gruppen ge­sprochen, die da gemeint sind.

Das alles, die schrittweise Öffnung, hat über all die Jahre nicht so schlecht funktioniert.

Jetzt schaut es am Arbeitsmarkt deutlich unerfreulicher aus – relativ erfreulich im Vergleich zu anderen Ländern, aber im Vergleich zu österreichischen Standards recht unerfreulich –, und wir wissen, dass sich das in den nächsten zwei, drei Jahren sicher nicht besonders stark ändern wird. Schauen Sie im Strategiebericht nach, da stehen die letzten Prognosezahlen wieder drinnen.

So gesehen mag man sich ja manches wünschen, aber dann muss man sich schon fragen: Ist das auch realistisch, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Vertrags­bruch wäre es erst dann, wenn wir das einfach nicht tun würden; der Verhandlungs­auf­trag ist noch kein Vertragsbruch. Aber mit Verlaub: In Brüssel werden Sie niemanden zum Verhandeln finden, denn das ist, wie Frau Kollegin Schatz richtig gesagt hat, EU-Primärrecht. Dazu brauchen Sie die Ungarn, die Tschechen und, und, und. – Diese fühlen sich seit Jahr und Tag von uns Österreichern und von den Deutschen dis­kriminiert, nichts anderes!

Herr Minister Hundstorfer hat ja richtig formuliert, dass die Geschichte mit der Ost­öffnung keine Einbahnstraße ist: Wir haben in anderer Beziehung massiv und sogar massivst profitiert! Und Wirtschaftsforscher bestätigen uns auch, dass wir über die Jahre Zigtausende, wenn nicht Hunderttausende Arbeitsplätze im Land geschaffen haben, die ohne Ostöffnung und ohne die Geschäfte unserer Unternehmungen dort nicht möglich wären. Und das wissen die Ungarn, die Tschechen, die Polen und die Slowenen – die Slowenen waren nie so ein Thema, aber die Slowaken durchaus.


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Also abgesehen von der faktischen politischen Unmöglichkeit wäre es auch unredlich, denn nach sieben Jahren muss einmal Schluss sein, und die Grenzen werden auf­gehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Richtig ist, dass AMS-Exponenten gesagt haben, das ist eine Potenzialerhöhung, und es könnte in Bezug auf Tagespendler ein Thema sein, aber so dramatisch wie die Damen und Herren von der FPÖ sehen die Spitzen des AMS das nicht.

Ins Spiel kommt jetzt: Wie schaut denn unser Arbeitsmarkt in Bezug auf Lohndumping, in Bezug auf Themen wie Scheinselbständigkeit aus? Das ist aus meiner Sicht immer ein sehr wichtiges Thema gewesen – und ist es nach wie vor.

Zum Ersten: Wir in Österreich haben uns – einfach aus der Tradition heraus; das war gar nicht so sehr Absicht – die Mindestlohndebatte der Deutschen erspart. Warum? – Weil wir in Österreich de facto fast überall flächendeckende und verbindliche Kollektiv­verträge haben. Das haben die Deutschen nicht. In Österreich haben wir also flächen­deckende Kollektivverträge – und das ergibt ein Mindestlohnniveau. Diese Kollektivver­träge müssen eingehalten werden, das ist schon klar, aber dafür gibt es eben Kontrollmöglichkeiten – und das soll auch kontrolliert werden und wird es auch.

Zum Thema Scheinselbständigkeit: Natürlich ist es eine Chuzpe, wenn da plötzlich 1 000 und mehr Fliesenleger in Wien scheinselbständig auftauchen, und da gibt es vielleicht den einen oder anderen Missstand, aber vor Jahren haben wir – aus der Not eine Tugend machend, weil ja manche Zollbeamte nicht mehr gebraucht wurden – die KIAB geschaffen, die kontrolliert, und zwar sehr scharf. Es gibt de facto keine größere Baustelle in Österreich, die nicht sofort von der KIAB angeschaut wird – und dann stellt sich eben die Frage: Ist das ein Selbständiger oder ist das in Wirklichkeit jemand, der ein Arbeitnehmer ist?, mit allen Konsequenzen, die daraus folgen.

Wenn es andere Ideen gibt, Lohndumping flächendeckend und zu 100 Prozent zu ver­meiden, kann ich nur sagen: Wunderbar, reden wir darüber! Jedenfalls aber sind wir in Österreich in diesem Bereich nicht schlecht aufgestellt – und das ist gut so.

Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren von der FPÖ: Politischen Rohr­kre­pierer könnte man es nennen, was Sie da in Ihrer Dringlichen schreiben. Bleiben Sie doch ein bisschen auf dem Boden! Es waren doch auch Sie, die damals mit uns die Beitrittsverträge abgestimmt und gesagt haben: Ja zur Ostöffnung ... (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) – Nein, nicht Sie persönlich, aber man muss schon auch ein bisschen zu seinen Vorgängern stehen. FPÖ hat die Partei damals auch geheißen, Herr Neubauer, auch wenn Sie damals nicht dabei waren, was natürlich sehr, sehr schade ist. (Beifall bei der ÖVP.)

16.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Öllinger zu Wort. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

 


16.32.30

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Frau Präsidentin! Noch einmal zum Beginn des Begehrens der Freiheitlichen Partei.

Wie bezeichnet man das, wenn man einen Vertrag eingeht, der meinetwegen mehrstufig ist, den man in dem Fall nicht mit einem, sondern mit vielen anderen Part­nern eingegangen ist, und am Ende der letzten Stufe, am Ende der letzten Raten­zahlung sagt man: Wir möchten den Vertrag auflösen, aus, gilt nicht mehr für uns, uns ist etwas anderes eingefallen, etwas Besseres, eine andere Lösung!? (Abg. Vilimsky: Besser ist das nicht!)


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Wie bezeichnet man das, meine sehr geehrten Damen und Herren? – Das ist Ross­täuscherei, Vertragsbruch! Pacta sunt servanda, und diesen Grundsatz müssten Sie eigentlich kennen. (Beifall bei den Grünen.)

Jetzt frage ich mich: Wie bezeichnet man das, wenn dieser Anspruch, Herr Kollege Hofer, nicht in Bezug auf Arbeitskräfte, sondern auf völkerrechtliche Verträge gemacht würde? Wie würde man das bezeichnen, wenn etwas Realität ist, aber aufgelöst wer­den soll? – Die ungarische Partei Jobbik, die Ihnen ja nicht so fremd ist (Abg. Neubauer: Woher wissen Sie das? Woher wissen Sie das?), sagt: Der Trianon-Vertrag ist für uns hinfällig und wir wollen den Trianon-Vertrag wieder auflösen.

Das würde bedeuten – Herr Hofer, ich habe mir gedacht, Sie als Wahrer der Burgen­land-Interessen sagen vielleicht auch dazu etwas –, dass ein Teil des Burgenlandes wieder zu Ungarn gehören würde. Die fordern das, Sie wissen es! Die fordern das! Das sind Ihre Freunde! (Abg. Neubauer: Reden Sie nicht so einen Unsinn! Hören Sie auf mit diesen ...!)

Dann hätte sich wahrscheinlich ein Teil des Arbeitskräfte-Problems, das wir mit der ungarischen Seite haben, auf eine andere Art und Weise erledigt, aber es ist genauso hinterhältig und vertragsbrüchig (Abg. Neubauer: Sie sind nicht ernst zu nehmen!) wie das, was Sie in Bezug auf den Arbeitsmarkt machen würden. (Abg. Neubauer: Sie sind wirklich nicht ernst zu nehmen!) So kommen wir sicherlich keinen Schritt weiter. (Abg. Neubauer: Sie sind und bleiben ein Lügner!) So kommen wir nicht weiter: Pacta sunt servanda! (Abg. Neubauer: Sie sind und bleiben ein Lügner!)

Wir haben – Kollege Bartenstein hat ja seine Haltung geoffenbart, und er weiß es auch von unserer Seite – von Anfang an eigentlich ähnlich wie der Kollege Bartenstein für eine großzügige und weitgehende Öffnung des Arbeitsmarktes plädiert. (Abg. Neubauer: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, ... Wahrheit spricht!)

Warum? – Damals, und da stimme ich mit Ihnen überein, war die Konjunktur noch wesentlich besser. Damals wäre es eine Win-win-Situation für beide Seiten gewesen. Warum sie es nicht vollständig geworden ist – und da unterscheide ich mich jetzt von Ihnen, Herr Kollege Bartenstein (Abg. Dr. Rosenkranz: Gott sei Dank, Kollege ...!) –, hängt damit zusammen, dass das, was Sie eine schrittweise Öffnung des Arbeits­mark­tes nennen, keine schrittweise, sondern eine stufig-hierarchische Lösung war.

Der Punkt ist der: Wir haben im Zuge des Übergangsrechtes – und dafür waren ja Sie als Arbeitsminister auch verantwortlich – eine Reihe von neuen Kategorien von Arbeitsverhältnissen für Zuwanderer/Zuwanderinnen in Österreich installiert, von denen ich überzeugt bin, dass sie nicht das geschaffen haben, was ich mir gewünscht hätte, nämlich einen ordentlichen Arbeitsmarkt, sondern sie haben den unordentlichen Arbeitsmarkt verstärkt, das ist das Problem.

Wir haben Saisonniers, wir haben Grenzgänger, wir haben Erntehelfer, wir haben Prak­tikanten, wir haben die 24-Stunden-Arbeitskräfte in der Pflege, wir haben Au-pairs, wir haben im Bereich der selbständigen Arbeitsverhältnisse die KEGs, die OEGs et cetera und die Limited-Gesellschaften, wenn diese jetzt auch nicht primär mit Ungarn oder mit der Slowakei assoziiert werden, sondern mit dem britischen Recht. Sie wissen, dass wir das Problem über die Limiteds zwar teilweise eingefangen haben, aber sie geistern in Österreich herum.

Die Limiteds geistern in Österreich herum: Sie gelten nicht nur für die Zuwanderer, sondern sie gelten auch für Österreicher, und sie schaffen hier Verhältnisse, die eigent­lich unerträglich sind und von denen wir uns schleunigst befreien sollten. Und dieses Schleunigst-Befreien geht nur, indem wir auf europäischer Ebene für andere Verhält­nisse sorgen, denn solch eine Gesellschaft wie die englische Limited sollte es eigent­


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lich nach österreichischem Recht nicht geben dürfen. Es gibt sie aber, und es werden Leute von diesen Limiteds beschäftigt, die dann, wenn die Limited aus Österreich verschwindet, auf der Straße stehen, buchstäblich im Regen stehen. Aus der Steier­mark, glaube ich, kommt das jüngste Beispiel, bei dem sich eine Firma derartig absen­tiert hat.

Wir bräuchten also – und zwar dringend – einen ordentlichen Arbeitsmarkt, und den haben wir nicht: Den haben wir nicht aufgrund dieser zahlreichen Ausnahmebestim­mungen, aufgrund dieser zahlreichen Regelungen, die geschaffen worden sind und auch aufgrund des Umstandes, dass damals – nach der Ostöffnung, aber schon vor diesem Vertrag von 2004 – Hunderttausende aus Osteuropa nach Österreich zugezo­gen sind, die auf dem heimischen Arbeitsmarkt nicht auf legale Art und Weise Beschäf­ti­gung gefunden haben, sondern im Schwarz- oder Grauarbeitsmarkt untergebracht worden sind. Und das ist das größte Problem, das wir aus dieser Zeit haben, und das beginnt nicht mit 2004, sondern schon vorher.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, wer am meisten über die Zuwanderung schimpft, der hat in der Regel die meisten Zuwanderer im Besenkammerl. Und das ist der Punkt, auf den ich auch aufmerksam machen möchte. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn ich mir über die Jahre anschaue, welche Firmen, welche Personen mit Schwarz­arbeit in Probleme gekommen sind, dann fallen mir eine Reihe von freiheitlichen Abgeordneten und Funktionären oder sonstigen Personen aus diesem Umfeld auf (Abg. Dr. Rosenkranz: Sagen Sie es! Namen!), die auch hier herinnen gesessen sind (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wer?), bei denen Schwarzarbeit im Betrieb festge­stellt wurde. (Abg. Dr. Rosenkranz: Wer?) Und da frage ich mich schon (Weitere Rufe bei der FPÖ: Wer?): Welches Recht gilt hier für wen? Welches Recht gilt hier für wen? (Beifall bei den Grünen.) – Ich brauche Ihnen die Namen nicht noch zu sagen. (Abg. Dr. Rosenkranz: Sie Immunitätsfeigling!)

Allerletzter Punkt, und darauf lege ich großen Wert, Herr Bundesminister, weil Sie sich ja für einen ordentlichen Arbeitsmarkt ausgesprochen haben: Wir werden das – und da würde ich Sie bitten, dass auch die Gewerkschaft über ihren Schatten springt – nicht über nationale Maßnahmen alleine regeln können, wir brauchen dazu die Europäische Union. Ein Vorschlag von uns war immer, dass wir einen Mindestlohn auf europäischer Ebene bräuchten – nicht: gleiches Niveau für alle, das geht nicht –, mit dem festgelegt wird, dass beispielsweise 60 Prozent des Durchschnittslohns oder des Medianlohns des jeweiligen Landes als Mindestlohngrenze eingehalten werden muss.

Ich sage Ihnen: Würde das für Österreich gelten, dann hätten wir jetzt ein Problem mit unseren Mindestlöhnen in Höhe von 1 000 €, weil wir unter dieser 60 Prozent-Grenze liegen würden!

Das heißt: Wir haben zwar einiges geschafft, und wir haben auf Grund der Erweiterung der Europäischen Union auch einige Erfolge erzielt. Diese Erfolge beziehungsweise die Gewinne für die Unternehmen sind aber nicht immer unmittelbar auch an die Beschäf­tigten in Form von Wohlstandsgewinnen weitergegeben worden. Daher wäre es unsere Aufgabe auf europäischer, aber auch österreichischer Ebene, dafür zu sorgen, dass – egal um welches europäische Land es sich handelt – bestimmte Sozialstandards einge­halten werden. Dazu fordere ich Sie auf! Fassen Sie sozusagen Mut dafür, dass auf europäischer Ebene, aber auch innerhalb Österreichs diese Standards erreicht werden! (Beifall bei den Grünen.)

16.40


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Hofer zu Wort gemeldet. – Bitte.

 



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16.40.46

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Frau Präsi­dentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Abgeordneter Öllinger hat nun in seiner Rede ehemalige Mandatare dieses Hauses einer Straftat bezichtigt.

Ich bitte Sie, das im Rahmen der nächsten Präsidiale auch zur Sprache zu bringen, denn es kann nicht sein, dass man völlig undifferenziert und ohne Namen zu nennen über einen Kamm schert und behauptet, dass Personen, die hier im Hohen Haus ein Mandat ausgeübt hätten, eine Straftat verübt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Richtig!)

16.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter, wir können gerne in der nächsten Präsidiale darüber diskutieren. Das Problem stellt sich häufig und grundsätzlich. Wir befassen uns gerade auch in der Arbeitsgruppe Immunität mit den Themen: Was darf man hier sagen? Was darf man draußen sagen?

Das ist genau der springende Punkt. Ich lege auch im Rahmen meiner Vorsitzführung Wert darauf, dass wir hier untereinander keine Unterstellungen in den Raum stellen, die der Würde des Hauses nicht entsprechen.

Sie sind ja meist in der Präsidiale anwesend und können das natürlich gerne zum Thema machen.

Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haubner. 7 Minuten gewünschte Redezeit. – Bitte.

 


16.42.19

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Klubobmann Cap hat heute in seiner Rede einen richtigen Satz gesagt. (Abg. Mag. Gaßner: Mehrere!) Er hat gesagt: zuerst an Öster­reich denken!

Gerade für mich und für uns vom BZÖ, die wir eine wesentlich differenziertere Sicht­weise in der politischen Arbeit und einen differenzierteren und ehrlicheren Zugang zu den einzelnen Themen als die FPÖ haben, gilt dieses Wort „Zuerst an Österreich denken!“ besonders, da wir ja von der österreichischen Bevölkerung als Abgeordnete dieses Hauses gewählt wurden. (Beifall beim BZÖ.)

Dass es möglich ist, einerseits die Augen und die Grenzen nicht zu verschließen und in diesem großen Europa ein vollwertiges und gutes Mitglied zu sein und andererseits an Österreich zu denken, hat auch die Einführung dieser Übergangsfristen gezeigt. Dies geschah im Jahr 2001, wie mein Kollege Dolinschek schon gesagt hat, und im Jahr 2004 beziehungsweise auch während unseres Ratsvorsitzes 2006, denn uns war ganz klar, dass es, wenn die Grenzen für den Arbeitsmarkt sofort geöffnet werden, zu Problemen und zu Benachteiligungen unserer Bevölkerung kommt.

Als Sie, Herr Bundesminister, im Jahr 2009 eine weitere Verlängerung ausverhandelt haben, haben Sie gesagt: Das ist ein schöner Tag für Österreich! – Das haben Sie gesagt, und das scheint mir in der heutigen Diskussion sehr wichtig zu sein. Wenn­gleich zwischen den Lohnniveaus Österreichs und der 2004 beigetretenen Nachbar­länder eine Annäherung sichtbar ist, wird es noch Jahre dauern, bis die Unterschiede verschwunden sind, haben Sie 2009 gesagt. Jetzt ist ein Jahr vergangen, und Sie können nicht leugnen, dass es noch Unterschiede im Bereich der Löhne und Einkom­men und im Bereich der Sozialleistungen gibt.

Daher ist für mich heute die entscheidende Frage: Welche Vorbereitungen konkreter Art haben Sie getroffen, damit dieser Unterschied verringert wird?


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Wir stehen jetzt auf Grund der wirtschaftlichen Krise mit einem Höchststand an Arbeitslosen vor zusätzlichen Herausforderungen. Auch wenn es in Österreich weniger Arbeitslose gibt als in Ungarn oder der Slowakei, sind es mit fast 400 000 immer noch zu viele!

Wir stehen auch insofern vor einer Ausnahmesituation, als eine Regierung einen Bud­get­fahrplan auf die Reise geschickt hat, der in erster Linie von Steuererhöhungen geprägt ist und nicht so sehr von umfangreichen Reformen, die notwendig sind. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben, wie wir glauben, einen sehr sicheren Sozialstaat mit Leistungen in Höhe von 29 Prozent des BIP, die wir zur Armutsbekämpfung brauchen. Wenn wir ehrlich sind, ist uns aber auch bewusst, dass wir gerade im Bereich Soziales das soziale Netz neu knüpfen müssen, damit in Zukunft jene Menschen entsprechende Leistungen bekommen, die sie wirklich brauchen, weil sie in einer Notsituation sind, und damit nicht jeder und jede Zugang zu diesem Sozialsystem hat, weil es eben günstiger ist als in anderen Ländern.

Wir wissen auch, dass die Einführung der Mindestsicherung im nächsten Jahr mit sehr hohen Kosten verbunden ist, dass die Zahl der Sozialhilfebezieher auf Grund der Krise ständig ansteigt und natürlich auch die Gefahr besteht, dass diese Mindestsicherung von jenen ausgenützt wird, für die sie eigentlich nicht gedacht ist.

Wir binden uns also in einer Situation, in der wir vor neue Herausforderungen gestellt sind, und daher wird es nicht möglich sein, Herr Bundesminister, ohne ganz konkrete begleitende Maßnahmen die Grenzen beziehungsweise den Arbeitsmarkt zu öffnen.

Mein Vorredner, Kollege Öllinger, hat Verhandlungen mit der EU schon angesprochen: Sehr richtig! Wie schaut es mit den Mindeststandards im Bereich des Arbeitsrechtes und des Sozialrechtes aus? – Ich kann mich erinnern, dass wir schon zu meiner Zeit darüber gesprochen und verhandelt haben. Betrachten wir den jetzigen Stand! Eine Angleichung wäre dringend notwendig. Diese muss aber so erfolgen, wie Kollege Dolinschek schon gesagt hat: Es darf nicht unser Niveau sinken. Das österreichische Niveau darf nicht den anderen angeglichen werden!

Herr Bundesminister, was ist mit den Hausaufgaben im Bereich Integration? Wie verhält es sich mit jenen Menschen, die schon bei uns auf dem Arbeitsmarkt sind, die bei uns leben und arbeiten und auch ihre Steuern bezahlen? Wir seitens des BZÖ haben einen Maßnahmenkatalog erstellt und haben gesagt: Wir brauchen hier in Öster­reich gut integrierte Menschen! Wir brauchen die Besten, die wir haben können und die sich auch mit unserem Land identifizieren! Warum geschieht hier so wenig? Wo bleibt die Erledigung der Hausaufgaben im Bereich des Sozialmissbrauches und des Sozialbetrugs? – Ich weiß, dass Schwarzarbeitkontrolle relativ umfassend erfolgt.

Etwas möchte ich noch wissen: Wo bleibt die gezielte Ausbildung und Qualifizierung junger Menschen in einem Arbeitsbereich, der Zukunftschancen bringt, nämlich im Bereich der Gesundheit und der Pflege? – Ich nenne wieder das Beispiel Oberösterreich: In Oberösterreich bräuchten wir jährlich 600 ausgebildete Pflegekräfte, wir bilden aber nur 400 aus. Dadurch stehen Pflegebetten in den Heimen leer, und deswegen haben wir im Bereich der Pflege zu Hause zu wenig Pflegekräfte. Es kann doch nicht in unserem Sinn sein, dass wir in den nächsten Jahren wieder billigere Pflegekräfte aus dem Ausland holen und sagen: Es läuft eh alles sehr gut! Damit begnügen wir uns!

Wir brauchen einheimische Fachkräfte, wir brauchen Neueinsteiger, wir brauchen junge Menschen, die gerne diesen Beruf ausüben! Im Hinblick darauf ist unser


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Vorschlag eines Lehrberufes für Betreuung und Pflege absolut umsetzbar und realis­tisch.

Gerade im Bereich der Ausbildung gilt für uns die Devise: Ausbilden statt importieren! Wir brauchen gut ausgebildete Fachkräfte, und dort, wo Mangel besteht, kann man natürlich auch Angebote betreffend Menschen aus anderen Ländern machen. (Beifall beim BZÖ.)

Mein sehr geehrte Damen und Herren, die Zeiten sind sehr kritisch und sensibel. Vorkehrungen müssen rechtzeitig getroffen werden, damit es nicht zu Problemen kommt, wenn der Arbeitsmarkt 2011 beziehungsweise 2014 endgültig geöffnet wird. Wir brauchen jede Anstrengung, um Österreicher in Arbeit zu halten, Österreicherinnen und Österreichern Arbeit zu geben und vor allem auch unsere Jugend bestmöglich auszubilden.

Ich persönlich sage Ja zu den Freiheiten der EU und vor allem zur Freiheit des Personenverkehrs, gemäß welcher es erlaubt ist, frei zu reisen, frei zu studieren und frei zu arbeiten. Aber das bedeutet für mich auch, dass man nicht nur die Chancen sehen darf, sondern auch vor den Schwierigkeiten nicht die Augen verschließen darf. – In diesem Sinne sage ich: Bitte handeln Sie rechtzeitig für Österreich! (Beifall beim BZÖ.)

16.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.50.47

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es gab vorgestern die Veranstaltung „Geschichtsstunde für Rosenkranz“. Ich konnte diese nicht nutzen, weil man mir dort nichts erklären konnte. – In den mir zugeteilten 6 Minuten möchte ich Sie ein bisschen mit einer „Geschichtsstunde von Rosenkranz“ konfrontieren. (Abg. Öllinger: Fangen Sie mit dem Deutschen Reich an?)

Herr Kollege Öllinger wirft gerade etwas ein. Vorhin hat er gesagt, dass er über be­stimmte Bereiche, in denen es Versäumnisse in der EU gibt, verhandeln möchte. – Genau das wollen wir Freiheitlichen mit den Übergangsfristen! Wo sehen Sie das Problem? Allen, die sich hier hergestellt und uns unredlich die Aufforderung zum Vertragsbruch beziehungsweise zum Rechtsbruch oder Gesetzesbruch vorgeworfen haben, muss ich eine Abfuhr erteilen: Sie konnten offensichtlich intellektuell nicht nach­vollziehen, was wir diesbezüglich wollten! Wir wollen nämlich Verhandlungen führen, und diese sind in einem Rechtsstaat zulässig und in einer schwierigen Situation sogar geboten. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren von den Grünen! Ich hoffe, Sie rufen mir in der Zwischenzeit schon die Namen jener Personen zu, die Sie konkret gemeint haben, als Sie pauschal gesagt haben, die FPÖ habe Rechtsbrüche begangen. Das haben Sie bisher nämlich unterlassen! (Abg. Öllinger: Googlen Sie nach!)

Sie tun das nur hier von diesem Rednerpult im Schutze der Immunität. Sie sind einfach feig, Herr Öllinger! Damit müssen Sie leben, und mit diesem Vorwurf werden wir uns auch heute Abend noch auseinandersetzen müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

Damit habe ich zu Ihnen bereits genug gesagt, außer, wenn Sie schon beim Rechts­bruch sind: Kümmern Sie sich darum, wen Frau Petrovic bei sich zu Hause im Keller verborgen hat!

Es wurde schon angesprochen, dass hier sehr viele Saisonniers zugewachsen sind. Mit ein Grund dafür ist auch, dass die ÖVP besonders viele Erntehelfer braucht, und


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zwar vor allem in Niederösterreich, damit sie die Gemeinderatswahl dort besser be­steht. Dort werden die polnischen Erntehelfer immer noch scheinangemeldet, damit sie mittels Briefwahl dann den ÖVP-Bürgermeistern ihre absoluten Mehrheiten sichern. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Rädler: Frechheit!)

Das ist keine Frechheit! Lesen Sie doch einmal im „profil“ nach! Das sind Tatsachen! Das sind Tatsachen, die ich sogar in meinem Bezirk gesehen habe. Und es gibt noch ganz andere Dinge, mit welchen wir uns gerne bei einer Wahlrechtsreform in Niederösterreich auseinandersetzen können! Ich nehme aber an, Sie werden keinen Handlungsbedarf sehen, so lange Sie das so schamlos ausnützen können!

Nun zum Herrn Bundesminister außer Dienst Bartenstein: Er hat das Ganze wenigs­tens intellektuell verstanden, und ich gestehe ihm wirklich Kompetenz zu, wenn er sagt, dass es unter Umständen nicht sehr realistisch ist, dass Verhandlungen zu einem positiven Ergebnis führen. Das ist aber kein Grund, Verhandlungen von vornherein abzulehnen. Vielmehr muss man schauen, wo wir Verhandlungspotential haben, dass auch andere auf unsere Linie einschwenken können und müssen. Wir wollen nämlich nicht das Szenario, das es in Spanien mit Rückbringaktionen von Rumänen bezie­hungsweise in England gibt.

Wenn ein freiheitlicher Politiker von österreichischen Jobs für österreichische Arbeiter redet: Können Sie sich auch nur annähernd vorstellen, welche Hölle da bei den Grünen losbrechen würde?! Wenn hingegen ein sozialistischer englischer Premierminister von britischen Jobs für britische Arbeiter spricht, dann ist das etwas ganz Normales und Redliches. – Da sieht man, mit welchem Maß Sie messen! (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Geschichte: Sie haben die FPÖ erwähnt und haben gesagt, dass sie mit gestimmt hat. – Schauen Sie heute in die Reihen der FPÖ! Suchen Sie diejenigen, die noch da sind, die damals hier mit gestimmt haben! Von jenen von der FPÖ, die nicht mit ge­stimmt haben – dazu stehen wir in unserer Geschichte –, ist eine Bundespräsident­schafts­kandidatin. Das heißt: Eine, die nicht mit dem Wind geheult hat, ist bei uns in der FPÖ jetzt vorne! So gehen wir in der FPÖ mit denjenigen um, die unter Umständen auch freiheitliche Ideen verraten können! (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Das ist unter Klubobmann Strache geschehen; er hat die Partei eben erneuert! Was aber geschieht in der SPÖ, wenn in dieser erneuert wird? Sie wurde ja erneuert! – Es liegt noch nicht lange zurück: Herr Bundesminister Hundstorfer wurde am 3. April 2010 – Gott sei Dank aus freiheitlicher Sicht! – als die „letzte rote Hoffnung“ bezeich­net. – Daran kann man wirklich ersehen, wie es um die Sozialdemokratie steht! Da­rüber kann sich auch Frau Abgeordnete Silhavy, die gerade draußen telefoniert, noch so ereifern: Das ist Tatsache! Bei uns würde man nämlich mit jemandem anders umgehen, der so handelt!

Der „Standard“ fragte am 25. Juni 2006 – ich zitiere –:

Sie haben am 8.9.2005 die Fusion von BAWAG und PSK unterschrieben und damit dem ÖGB Schulden von insgesamt 1,5 Milliarden € umgehängt. Denken Sie an Rücktritt?

Antwort Hundstorfer – ich zitiere –:

Ich sehe keinen Grund für einen Rücktritt. Für mich ist die Angelegenheit glasklar. Ich habe doch nichts unterschrieben außer der Anwesenheitsliste. – Zitatende.

So einer wäre bei uns keine „letzte Hoffnung“, sondern es gäbe ihn bei uns gar nicht mehr in diesem Haus! (Beifall bei der FPÖ.)

16.56



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 154

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Haberzettl gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.56.07

Abgeordneter Wilhelm Haberzettl (SPÖ): Verehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Zur Frage der möglichen Verhandlungen und der Möglichkeiten, aufbauend auf die Sonderregelung mit der Europäischen Union zu einer Lösung zu kommen, möchte ich kurz in Erinnerung bringen – und jene, die bei der zweiten Verlän­gerung dabei waren, wissen es –, mit welchem Druck die Europäische Union auf dem Sozialminister gekniet ist, dass er diese Verlängerung nicht in Anspruch nimmt. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund ist sozusagen auf dem ÖGB gekniet, um diese Verlängerung nicht zu verlangen. Wer das miterlebt hat, weiß, wie groß die Chance ist, überhaupt einen Verhandlungspartner zu finden!

Ich glaube, wir sollten uns auch einmal darüber im Klaren sein, dass dieses Thema Arbeitsmarktöffnung zwei wesentliche Komponenten hat: Einerseits droht uns ein Lohn- und Sozialdumping. Das ist richtig! Die zweite Komponente ist, wie ich meine, eine mentale, nämlich ein Spiel mit der Angst der Arbeitnehmerinnen und Arbeit­nehmer. Ich behaupte, dass auf diesem Klavier im Augenblick enorm viel gespielt wird.

Zum Thema Lohn- und Sozialdumping möchte ich folgende Frage stellen, Herr Rosen­kranz, der Sie, wie ich glaube, Rechtsanwalt sind: Ist es richtig, dass die Rechtsanwaltskammer bis heute noch nicht vertraglich zugestimmt hat, dass ihre Be­schäftigten 1 000 € Mindestlohn bekommen? (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.)

Wenn das richtig ist, dann sprechen Sie bitte nicht über Lohndumping in dieser Republik! Wenn es richtig ist! (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.) Es werden schon alle neun sein!

Zweiter Punkt. Es scheint Sie überhaupt nicht zu stören, dass es im Augenblick in Europa absolut legal und rechtens ist, einen ukrainischen Seefahrer über eine zyprio­tische Personalleasingfirma bei einer slowakischen Reederei, die einem Österreicher gehört, zu beschäftigen. (Abg. Öllinger: So ist es!) Da gibt es komischerweise kein Lohndumping. Er bekommt sogar geringfügig mehr. Dort werden aber einfach Pen­sionsbeiträge und Steuerbeiträge nicht bezahlt. Das stört Sie jedoch nicht. – Das ist aber Sozialdumping im schlimmsten Ausmaß!

Ich bitte die Herren und Damen von der ÖVP, jetzt auch zuhören, weil ich Sie wirklich um Ihre Unterstützung auf europäischer Ebene ersuche: Im Augenblick läuft in Brüssel gerade eine Aktion, die scheinselbständigen Lenker im Straßengüterverkehr aus der Arbeitszeitrichtlinie zu nehmen. Es gibt nur einen in der Republik Österreich, der die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in diesem Fall unterstützt, nämlich unser Sozialminister Hundstorfer, Herr Rosenkranz! – So weit einmal zur Klarstellung. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich glaube, es ist klar, dass die Übergangsphase so weit wie möglich sinnvoll und manch­mal auch nicht sinnvoll genutzt wurde, und ich meine, dass über die Ausnahmeregelungen beinahe schon eine völlige Öffnung in diesem Bereich stattgefunden hat. Ich glaube, für 67 Professionen und Verwendungen gibt es in der Zwischenzeit Ausnahmeregelungen. Das treibt schon solche Blüten, dass wir über die Möglichkeit der Ausnahmeregelungen überhaupt reden müssen, weil sie gar nicht mehr notwendig sind.

Herr Hofer, ich glaube, gerade in Bezug auf Burgenland sollte man auch erwähnen, dass diese Öffnung keine Einbahn ist. Sie wirkt beidseitig, und wenn Sie nicht öffnen, dann gibt es noch immer ein Tor, und dieses Tor heißt Abwanderung der Betriebe, was ja im Burgenland auch in enormem Ausmaß und oft stattgefunden hat.


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Ich glaube, das sollen wir auch einmal klar sagen: Wenn wir hier nicht eine vernünftige Balance zwischen Öffnung und Regulierung finden – und ich denke, die Sozial­demo­kratie und insbesondere Sozialminister Hundstorfer sind Garant für diese Balance –, kann sehr viel zum Schaden der Beschäftigten schiefgehen.

Wir sollten also eher nicht darüber nachdenken, wie wir die Verträge aus einer hoffnungslosen Situation inhaltlich wer weiß wohin befördern wollen, sondern ich denke, wir sollten uns Gedanken darüber machen, was wir in Zukunft brauchen, um eine vernünftige Regelung im Sinne der Beschäftigten und der Republik zu finden. Ich glaube, eine ganz wesentliche Frage in diesem Zusammenhang – heute noch nie erwähnt – ist die Frage der Qualifizierung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese beginnt letztendlich schon in der Grundschule, geht über den sekundären und tertiären Bereich bis hin zur Lehrlingsausbildung und zur Professionalität, aber auch die Weiterbildung ist ein Thema. Wir sollten gerade im Bildungsbereich nicht über enorme Einsparungen reden, sondern eher über Qualifikationsoffensiven in diesem Bereich. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Die Frage, ob es sich um Zuwanderung oder um Pendeln der Betroffenen handelt, sollte man schon berücksichtigen. Gerade Sie (in Richtung FPÖ) strapazieren die Begriffe „Heimat“, „Familie“ sehr stark. Ich glaube, die Beschäftigten leiden enorm darun­ter, wenn sie zu weit pendeln müssen, zu weit weg von zu Hause, und auch die Sprache ist ein enormes Problem.

Ich habe in meiner internationalen Funktion sehr viel Kontakt zu diesen Betroffenen. Mittlerweile ist es in Ungarn so, dass die Ungarn nicht das Problem mit Österreich haben, weil in Ungarn, in Westungarn, aufgrund der Sogwirkung der Beschäftigung in Österreich das Lohnniveau in grenznahen Bereichen enorm gestiegen ist. Es findet bereits eine Wanderung von Ostungarn nach Westungarn statt. Die haben also in Wirklichkeit schon ganz andere Probleme, als sich massenhaft nach Österreich oder gar nach Deutschland zu bewegen.

Abschließend noch eine Frage, Herr Rosenkranz, der Sie ja die Geschichte bemüht haben. Über das Verhalten Ihrer Partei in der Zeit der Regierungsbeteiligung wurde hinlänglich debattiert – ich möchte noch einen anderen Aspekt bringen: In der Zeit, als Ihre Partei an der Regierung beteiligt war, gab es GATS-Verhandlungen, und – der damalige Bundesminister Bartenstein wird Sie dann darüber aufklären, wenn Sie wollen – zu diesen GATS-Verhandlungen über die Freiheit der Dienstleistungen ist zu Mode 4 in diesem Hause kein einziger Widerspruch aus Ihren Reihen gekommen. Aufgrund von Widerstand der Gewerkschaften und der NGOs in ganz Europa ist es nicht zu diesem Abschluss gekommen – wenn doch, hätten Sie einer Lösung zuge­stimmt, die alle Übergangsfristen auf europäischer Ebene im Sinne einer globalen Öff­nung außer Kraft gesetzt hätte. Sprechen Sie nicht mit solch einer Doppelzüngigkeit, sondern bleiben Sie bei der Wahrheit!

Letztendlich bleibt ein Wahlkampf-Gag des Abgeordneten Hofer über. Das hätte ich mir von Ihnen eigentlich nicht erwartet, Herr Kollege! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der FPÖ: Das sagt einer, der 400 Millionen € verzockt hat! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und SPÖ.)

17.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Klikovits. – Bitte.

 


17.03.05

Abgeordneter Oswald Klikovits (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich verstehe überhaupt nicht die Aufregung, die hier permanent zu diesem Thema herrscht, denn dieses Thema ist viel zu ernst und in


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der Vergangenheit auch immer ernst genommen worden, als dass man sich diesen Fragen mit billiger parteipolitischer Polemik nähert.

Mein Vorredner hat bereits ausgeführt, dass der wahrscheinliche Grund für diesen Dringlichen Antrag die burgenländische Landtagswahl sein könnte – die Bestätigung dafür möchte ich Ihnen jetzt zeigen. (Der Redner stellt eine Tafel mit der Aufschrift „FPÖ – die soziale Heimatpartei ,Das Burgenland gehört dir, dafür kämpfen wir‘“ auf das Rednerpult. Auf dieser Tafel finden sich weiters die Namen Heinz-Christian Strache, Johann Tschürtz und Ilse Benkö sowie die Worte „Heimat schützen“, „Grenzen dicht“.)

Das ist das Plakat der burgenländischen FPÖ, das derzeit affichiert wird. „Heimat schützen“, „Grenzen dicht“ steht hier. (Demonstrativer Beifall bei der FPÖ.) Da wird natürlich klar, warum Herr Abgeordneter Hofer das in die Diskussion einbringt.

Ich habe seinerzeit so wie drei Viertel der burgenländischen Bevölkerung mit Über­zeugung dafür gestimmt, dass Österreich der Europäischen Union beitritt, weil ich selbst am eigenen Leib erlebt habe, wie die ... (Abg. Neubauer ist vor das Rednerpult getreten und macht ein Foto besagter Tafel.) – Machen Sie das Foto doch später, Sie werden dann vielleicht wissen, warum ich das sage. (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Wir haben seinerzeit deshalb mitgestimmt, weil wir der Überzeugung waren, dass der Beitritt zur Europäischen Union Österreich guttun wird. Das Burgenland, die Burgen­länderinnen und Burgenländer haben den größten Profit daraus gezogen. Herr Kollege Hofer, du weißt das, und ich möchte ein paar Zahlen nennen, die hoffentlich vor allem auch in den Reihen der Freiheitlichen nicht angezweifelt werden.

Wir haben als Ziel 1 in den Jahren 1995 bis 1999 rund 19 700 Projekte umgesetzt. Das bedeutet, dass wir 423,7 Millionen an Förderungen erhalten haben, damit unsere Arbeits­plätze gesichert haben und auch neue Arbeitsplätze schaffen konnten. Es ist heute bereits angesprochen worden, dass wir in den Jahren 1995 bis 2009 die Zahl der Arbeitsplätze von rund 75 700 auf 90 000 haben erhöhen können. Darunter sind natür­lich auch sehr viele Arbeitsplätze für ausländische Arbeitskräfte – trotz der Übergangs­bestimmungen. In den Dienstleistungsbereichen sind in etwa 111 Prozent neue Ar­beits­plätze von ausländischen Arbeitskräften belegt. Sie haben die Genehmigungen dafür bekommen, weil wir im Burgenland diese Fachkräfte leider Gottes nicht zur Verfügung gehabt haben.

Ich könnte jetzt noch viele Zahlen nennen, anführen, wie viele Millionen und Milliarden wir im Burgenland investiert haben, die gut angelegt wurden und somit auch Arbeitsplätze geschaffen haben. Das wollen wir auch in Zukunft haben. Wir haben nicht wirklich Angst vor einer Überflutung durch ausländische Arbeitskräfte, wenn der Markt endgültig liberalisiert wird.

Herr Kollege Hofer, dass ich vorhin dieses Plakat gezeigt habe – ich zeige es noch einmal, damit Sie vergleichen können –, hat einen ganz einfachen Grund. Offen­sichtlich haben Sie und eine andere Gruppierung, die ebenfalls einer Geisteshaltung, die ich nicht tolerieren kann, nahesteht, denselben Designer. (Der Redner stellt eine weitere Tafel mit der Aufschrift „Grenze dicht für Lohndrücker! Jetzt NPD Die Nationalen“ auf das Rednerpult.) – Jetzt kannst du ein Foto machen, Kollege Neubauer.

In Sachsen hat die NPD mit diesem Plakat geworben. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich hoffe nicht, dass hier dieselben Geisteshaltungen sind, was die Frage der Beschäftigung betrifft. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Wir machen eine ordentliche Beschäftigungspolitik im Sinne der internationalen Soli­darität. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Europa brauchen dieselben Chancen. Sie haben dieselben Rechte, und wir werden ihnen auch die gleiche Entlohnung zahlen.

In diesem Sinne, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, werden wir aus Überzeugung diesem Ihrem Antrag, Herr Kollege Hofer, nicht zustimmen können. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. 7 Minuten sind eingestellt. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.09.02

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Die Freiheitlichen möchten, dass der Sozialminister in Verhandlungen eintritt, und so wie Herr Ex-Minister – oder wie sagt man? –, Herr Altminister Bartenstein (Abg. Dr. Lichtenecker: Minister a. D.!) habe ich mich gewundert über den Ausdruck „eintreten“. Ich glaube nämlich nicht, dass außer Ihnen, Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ, irgendjemand in irgendetwas eintreten möchte. (Abg. Kopf: Sie wollen eh austreten!) – Ja, sie wollen austreten und nicht eintreten.

Ich habe Verständnis dafür, dass Minister Hundstorfer sich ungern lächerlich macht, indem er mit einem Ansinnen an seine Ministerkollegen herantritt, wofür ihm niemand – niemand! – auch nur 5 Minuten geben würde.

Aber wenn Sie das nicht glauben, Kollegen von der FPÖ, dann versuchen Sie es doch selbst! Sie haben ja einen Europaabgeordneten im EP, Herrn Mölzer (Ruf bei der FPÖ: Zwei!), oder auch zwei, und – wenn ich mich recht erinnere – Kollege Hübner, Ihr außenpolitischer Sprecher, war schon einmal Ehrengast bei der Jobbik in Ungarn. Sprechen Sie doch einmal vor und fragen Sie sie, ob sie recht begeistert wären! Stimmt doch, Herr Hübner, oder? Sie waren dort. (Abg. Dr. Hübner: Ja, natürlich!) Ja, eben; aber ob das natürlich ist, lassen wir einmal dahingestellt. Sie waren bei der Jobbik in Ungarn; im Übrigen – in Klammern – eine rechtsradikale Partei der Son­derklasse.

Fragen Sie sie einmal, ob sie begeistert sind, wenn Österreich seine Grenzen im Sinne der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen in Bezug auf Ungarn nicht öffnet! Fragen Sie einmal, und teilen Sie uns dann Ihre Erfolge mit! Ich verstehe schon, dass Sie es lieber haben, dass sich Herr Minister Hundstorfer lächerlich macht, aber so naiv können Sie doch nicht sein, dass Sie glauben, dass wir oder Herr Minister Hundstorfer so naiv sind, darauf einzusteigen. Versuchen Sie es selbst und berichten Sie uns dann! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Zur Frage des Massenzustroms und den – wie heißt es im Antrag? – „schwindelnden Höhen“ der Arbeitslosigkeit nach dem Jahr 2011. – Herr Karlsböck, Sie sind ja noch da, ich habe versucht, Ihnen genau zuzuhören. Sie haben unter anderem mit der Höhe der Sozialhilfe in Österreich argumentiert, verglichen mit dem Lohnniveau in der Slowakei. Um wie viel, haben Sie gesagt, ist die Sozialhilfe in Österreich höher als die Löhne in der Slowakei? (Abg. Dr. Karlsböck: Vier Mal!) Das Vierfache? Die Sozialhilfe in Österreich ist vier Mal so hoch wie die Löhne in der Slowakei? (Rufe bei der FPÖ: Sie haben nicht zugehört!)

Herr Karlsböck, wir debattieren jetzt einen Dringlichen Antrag der FPÖ, und wenn ich nicht irre, ist das Ihre Partei. Auf Seite 2 dieses Dringlichen Antrags ist eine verdienst­volle Tabelle. Der erste Abschnitt dieser Tabelle listet die Arbeitskosten in „€/Stunde“ auf. Slowakei: 2004 4,19 €, 2008 7,25 € pro Stunde. (Abg. Dr. Karlsböck: Nicht im Ge­


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sundheitsbereich!) – Ich nehme einmal an, die Recherchen der Freiheitlichen sind korrekt. Das darf ich einmal annehmen.

7,25 € pro Stunde bei einer Vollzeittätigkeit, 40 Stunden pro Woche – wie viel ist das im Monat, Herr Karlsböck? Sagen wir, über den Daumen gerechnet, so um die 1 100 € brutto. Das ist ein Viertel der österreichischen Sozialhilfe? 4 400 € Sozialhilfe in Öster­reich, Herr Kollege Hübner? (Abg. Mag. Stefan: Lohnkosten sind doch nicht Nettogehalt! Wovon reden Sie?) Zeigen Sie mir einen einzigen Sozialhilfebezieher, einen einzigen, der auch nur die Hälfte dieses Betrages hat! Bitte, das ist doch lächerlich. (Beifall bei Grünen und ÖVP. – Abg. Mag. Stefan: Lohnkosten ist gleich Nettogehalt?)

Ich glaube nicht, dass die Arbeitslosigkeit in schwindelnde Höhen steigen wird. Wer wandern wollte, der hat es auch bisher schon getan, entweder, wie Herr Kollege Öllinger schon gesagt hat, in der Schwarzarbeit – das haben wir über weite Strecken toleriert – oder in Saisonniertätigkeiten, völlig legal, oder aufgrund der zahlreichen Aus­nah­mebestimmungen; es waren 67 Berufe, für die es ohnedies Ausnahmebestim­mungen gegeben hat.

Es wird eine gewisse Substitution innerhalb der Arbeitsverhältnisse geben. Das halte ich sogar für erwünscht. Also der typische slowakische Tomatenpflücker, der jetzt in einem niederösterreichischen Unternehmen arbeitet und bisher Saisonnier war, wird in Zukunft wahrscheinlich ein reguläres Arbeitsverhältnis eingehen können. Dagegen kann man ja nichts haben. Das treibt nicht die Arbeitslosigkeit in die Höhe, verehrte Kollegen von der FPÖ! Ganz im Gegenteil, das ist günstig – zumindest für die öffent­lichen Haushalte et cetera.

Außerdem ist die Lohndifferenz allein kein hinreichender Motivationsfaktor für die Wanderung, das wissen Sie ebenso gut wie ich. Anderenfalls hätte schon bisher viel mehr gewandert werden müssen. Viel wichtiger, glaube ich, ist die Entwicklung im eigenen Land. Diesbezüglich finde ich die Tabelle, die Sie heute vorgelegt haben, gar nicht so uninteressant, zumindest, was die Tschechische Republik, die Slowakei und Polen betrifft: Diese Länder haben in vier Jahren einen ganz schönen Aufholprozess bei den Löhnen pro Stunde aufzuweisen – und somit eine Verringerung des Abstandes zu Österreich. Die Ausnahme ist Ungarn, dort schaut es schlechter aus, aber die drei anderen Länder? – Also bitte, das finde ich für vier Jahre ganz schön.

Es ist schon sehr viel gesagt worden über die negativen Auswirkungen einer Abschottungspolitik, das werde ich jetzt nicht wiederholen. Aber zur Erinnerung, Kollegen von der FPÖ – Sie haben die Grünen vorhin als Vergangenheitspolitiker oder so ähnlich zu dekuvrieren versucht –: Ich kann mich schon erinnern, dass in den 50er-, 60er-Jahren Österreich ein Auswanderungsland war, namentlich bei den höher Qualifizierten. Wohin sind die damals gewandert? – Sehr viele nach Deutschland und nach Schweden. Warum? – Weil es dort unter anderem keine Sprachprobleme und eine Lohndifferenz zu den österreichischen Löhnen gab. Wären wir heilfroh gewesen, wenn sich Deutschland oder Schweden abgeschottet hätte gegen österreichische Arbeitnehmer? – Sicher nicht. Zu der Zeit, als ich studiert habe, in den 60er-Jahren, waren viele Studenten zum Beispiel in Schweden als Leichenwäscher unterwegs. Das Entgelt dafür hat für den Unterhalt für ein Semester gereicht. – Das nur zu den Lohndifferenzen, die damals bestanden. Gott sei Dank haben sich diese Länder nicht abgeschottet.

In Slowenien arbeiten heute meines Wissens mehr Österreicher als Slowenen in Österreich. – Ihre Politik muss symmetrisch gelten, Kollegen von der FPÖ. Das heißt, wenn Österreich sich abschottet, dann werden sich die anderen Länder aus gutem Grund auch abschotten. Wie erklären Sie das den Hunderttausenden Österreichern,


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die jetzt, heute – nicht vor 40 Jahren, sondern jetzt! – im Ausland tätig sind, ob im EU-Ausland oder in anderen Ländern? – Diese Art von Abschottungspolitik macht gar keinen Sinn.

Im Übrigen schließe ich mich fast vollinhaltlich dem an, was Bundesminister Hundstorfer gesagt hat. – Danke schön. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

17.16


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 


17.16.40

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Herr Bundesminister, Sie haben heute hier erklärt, dass eine Abschottung des österreichischen Arbeitsmarkts über das Jahr 2011 hinaus für Österreich einen großen Schaden bedeuten würde. Jetzt wäre interessant, zu wissen, warum Sie damals – 2009 – mit Zähnen und Klauen dafür gekämpft haben, dass diese Übergangsfristen verlängert werden! Auch Herr Abgeordneter Haberzettl hat uns heute erzählt, wie groß der Druck auf Sie und auf die Gewerkschaft doch war, diese Übergangsfristen aufzu­geben. Aber nein, Sie haben dafür gekämpft, dass die Fristen bis 2011 verlängert werden.

Wenn es zu diesem Schaden nach 2011 kommt, wenn wir den Zugang zum Arbeits­markt nicht öffnen, Sie bis 2009 aber sehr wohl wollten, dass die Grenzen geschlossen bleiben, dann frage ich mich, was sich in diesem einen Jahr geändert hat. Was hat sich geändert am Arbeitsmarkt? Haben sich die Löhne erhöht? Sind die Arbeitslosenzahlen zurückgegangen? – Mitnichten, Herr Bundesminister, mitnichten! Die Situation ist sogar noch schlechter geworden. Sie ist schlechter geworden, weil wir, wie Sie ja wissen, eine Krise hatten und immer noch haben. Doch plötzlich sind Sie ein flam­mender Befürworter dieser Öffnung.

Sie haben heute auch gesagt, der ÖGB habe neue Mitglieder in Ungarn geworben, die Sie entsprechend informieren und entsprechend beraten, dass sie auch hier in Österreich arbeiten können. – Jetzt frage ich Sie, Herr Minister, als Gewerkschafter: Glauben Sie, dass unsere 400 000 Arbeitslosen Freude damit haben, wenn Sie als österreichische Gewerkschaft für ungarische Arbeitskräfte in Österreich beratende Tätigkeiten und Werbung machen, und sich hinterher darüber freuen, dass sie Mitglieder werden? (Bundesminister Hundstorfer: Das machen wir seit fünf Jahren! Damit Sie wissen, wovon ...!) – Na, noch schlimmer, wenn Sie es schon seit fünf Jahren machen. (Beifall beim BZÖ.) Sie sollten sich auf die österreichischen Arbeit­nehmer konzentrieren, die haben es bitter nötig, dass man sich auf sie konzentriert.

Noch etwas zu dem Dringlichen Antrag der Freiheitlichen, über den wir heute hier reden: Es geht darum – so wie ich das verstehe –, noch einmal darüber zu reden, ob es im Lichte der Krise – wir haben ja eine Krise; wir haben nicht nur eine Finanzkrise und eine Budgetkrise, wir haben auch eine Krise am Arbeitsmarkt, das wird doch niemand bestreiten – denn wirklich vernünftig ist, den Zugang zu öffnen. Was kann daran schlecht sein?

Sie werfen der Freiheitlichen Partei vor, dass sie damals dafür war. – Sie waren damals auch für einige Dinge, die Sie heute über Bord werfen, weil wir eben eine Krise haben! Wenn ich mir nur anschaue, was Sie, Herr Minister, immer wieder sagen – ich weiß, das ist nicht allzu interessant für Sie, aber ich sage es Ihnen trotzdem –: Wir müssen pakttreu sein, wir können die Verträge nicht brechen, das wäre die Ka­tastrophe schlechthin. Manche sagen sogar, wir machen uns lächerlich, das ist ja das Allerletzte.


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Sie brechen permanent die Verträge! Auch wir Österreicher brechen permanent die Verträge. Ganz Europa bricht permanent Verträge. Es gibt unzählige Vertrags­verlet­zungs­verfahren, die laufen, auch gegen Österreich. Ich möchte Sie nur daran erinnern, dass wir die 3-Prozent-Grenze überschritten haben – Vertragsverletzung (Abg. Mag. Johann Maier: Vorratsdatenspeicherung!) – dass wir die 60-Prozent-Grenze für Gesamtschulden verletzt haben und auch andere Dinge. (Abg. Mag. Johann Maier: Ich bekenne mich dazu!)

Sie bekennen sich dazu? – Okay, keine Frage. Aber wie Sie sehen (Abg. Mag. Johann Maier: Wollen Sie die Vorratsdatenspeicherung noch unterstützt haben?), gibt es in Krisenzeiten gewisse Ausnahmeregelungen, wodurch man auch Vertragsverletzungen anscheinend straffrei begehen kann. Das gibt es, das wissen wir mittlerweile. Warum sollten wir also nicht auch in einem so wichtigen Punkt wie dem Arbeitsmarkt noch einmal nachverhandeln, um zu sehen, ob wir für Österreich nicht ein besseres Ergeb­nis herausholen können? – Ich finde, das ist legitim. Das ist auch nicht ausländer­feindlich und nicht europafeindlich. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Wenn wir schon dabei sind: Es gibt ja viele Vertragsverletzungsverfahren, in denen es um ganz mickrige, unwichtige Dinge geht – dort gibt es kein großes Problem, dort ist auch kein großer Handlungsbedarf –, aber wenn es um den Arbeitsmarkt geht, ist es plötzlich eine schiere Katastrophe! Ich rede da nicht von Vertragsverletzung, ich rede nur darüber, dass wir einmal darüber reden. Aber anscheinend ist nicht einmal das zulässig und es ist sogar, wie Herr Van der Bellen gesagt hat, ein Ausbund an Lächerlichkeit, wenn wir versuchen, darüber zu reden, ob hier vielleicht nicht alles in die richtige Richtung läuft.

Vielleicht steht am Ende dieser Besprechung, dass alles so ist, wie es sein sollte – nur glaube ich das nicht bei 400 000 Arbeitslosen. Und gerade 2011 werden wir den Höchststand der Arbeitslosigkeit erreichen! Dann frage ich mich, ob, wenn die Grenzen offen sind und die Arbeitskräfte nach Österreich kommen beziehungsweise die Firmen hier in Österreich ihre Dienstleistungen anbieten, und zwar in verstärktem Ausmaß, die Arbeitslosen und die österreichischen Betriebe das so gut finden werden. – Das ist genau der Punkt.

Deshalb: Wenn wir schon Vertragsverletzungen in vielen Punkten aufgrund der Krise akzeptieren, dann können wir das auf jeden Fall auch beim Arbeitsmarkt tun, weil der Arbeitsmarkt ein sehr wichtiger Punkt ist. Das sollte uns allen etwas wert sein. – Danke. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

17.22


Präsident Fritz Neugebauer: Frau Abgeordnete Mag. Schatz wünscht eine tatsächliche Berichtigung. – Bitte, Frau Kollegin.

 


17.22.31

Abgeordnete Mag. Birgit Schatz (Grüne): Herr Präsident! Herr Abgeordneter Haber­zettl hat behauptet, Herr Bundesminister Hundstorfer sei der einzige österreichische Politiker, der gegen die Ausnahme von selbständigen Lkw-Lenkern von den Lenk- und Ruhezeiten auf europäischer Ebene eingetreten sei.

Ich berichtige hiermit, dass vielmehr wahr ist, dass er erfreulicherweise nicht der Einzige war, sondern dass sich die grüne Abgeordnete Eva Lichtenberger (Abg. Faul: Im Ministerrat hat nur er ...!) im Verkehrsausschuss vehement für die Beibehaltung der Einbeziehung selbständiger Lenker ausgesprochen hat (Abg. Vilimsky: Das ist ein Missbrauch der Geschäftsordnung!) – und das, obwohl die Grünen an und für sich dem Lkw-Verkehr durchaus skeptisch gegenüberstehen. (Ruf bei der ÖVP: Beweise?) Von der FPÖ kenne ich keine Initiativen in dieser Richtung. (Beifall bei den Grünen.)

17.23



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 161

Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Haider. – Bitte. (Abg. Öllinger: Die FPÖ interessieren die Fernfahrer nicht!)

 


17.23.43

Abgeordneter Mag. Roman Haider (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Es ist ja wirklich ein klägliches Schauspiel, das Sie hier abliefern. Da meine ich jetzt nicht, dass Kollege Klikovits nicht weiß, was ein Designer macht, oder dass Herr Wirtschaftsprofessor Van der Bellen den Unterschied zwischen Arbeitskosten und Nettoeinkommen nicht kennt (Beifall bei der FPÖ), sondern da meine ich, dass Sie wissen, dass wir recht haben. Aber Sie ziehen sich hier ganz einfach auf diese schüchterne Position zurück, dass es Rechtsbruch wäre, wenn der Sozialminister zum Verhandeln nach Brüssel fahren würde. Lassen Sie sich auslachen – das nimmt Ihnen kein Mensch ab!

Ein Wort zum Rechtsbruch: Die Juristen unter Ihnen kennen die clausula rebus sic stantibus, das ist die Bestimmung der gleichbleibenden Umstände. Das heißt also, dass man Verträge sehr wohl neu verhandeln kann, wenn sich die äußeren Umstände gravierend ändern. Dass die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise eine gravierende Änderung der Umstände darstellt, steht wohl außer Frage!

Ebenfalls außer Frage steht die Tatsache, dass auch die Bundesrepublik Deutschland die Übergangsfristen neu verhandeln möchte. Dort würde man sich über einen Mitstreiter aus Österreich sehr freuen. – Aber das nur nebenbei gesagt.

Wieder zurück, Herr Bundesminister, zu Ihren Ausführungen; die sind ohnehin schlimm genug. Sie haben sich hier zu der völlig widersinnigen Aussage verstiegen, dass aus­ländische Steuerzahler Nettozahler seien. Ich habe mir das wörtlich mitgeschrieben, weil ich es nicht glauben konnte. Ich werde Ihnen jetzt einmal sagen, wie es wirklich ausschaut, Herr Bundesminister, Herr Sozialminister, wenn Sie es nicht wissen:

Ein ausländischer Zuwanderer kostet den Staat, wenn er zwischen null und zehn Jahren hier ist, 2 516 € jedes Jahr. Bei einer Aufenthaltsdauer zwischen zehn und 25 Jahren sind es immer noch 1 302 €. (Abg. Öllinger: Wo haben Sie diese Zahlen her?) Erst bei einer Aufenthaltsdauer ab 25 Jahren bringt er 835 €. Im Schnitt ergibt das pro Zuwanderer jedes Jahr ein sattes Minus von 710 € – so schaut es aus, meine Damen und Herren –, und nicht irgendwelche Plus, die Sie sich aus den Fingern saugen, Herr Bundesminister! (Abg. Öllinger: Ist das das Horoskop? – Zwischenruf der Abg. Silhavy.)

Zu allem Überfluss stellt sich dann der Herr Sozialminister auch noch hier her und meint, wir Freiheitliche hätten uns nach den Verträgen von 2004 sieben Jahre lang nicht um Lohn- und Sozialdumping gekümmert, und er sei jetzt endlich darange­gangen, die hohe Saisonnierquote zu senken, an der nur wir Freiheitliche schuld seien. – Ja, Herr Bundesminister, wenn ich es nicht besser wüsste, dann müsste ich wirklich glauben, dass Sie überhaupt keine Ahnung von Ihrem Job haben. Aber wir wissen es ja besser, Herr Bundesminister: Es ist nur die pure Polemik, die aus Ihnen spricht. (Abg. Öllinger: Na, Gott sei Dank wissen Sie es besser!)

Herr Bundesminister, ich darf Sie daran erinnern, dass die Jahre von 2000 bis 2008 von ausgeglichenen Budgets, niedrigen Arbeitslosenquoten und einer Hochkonjunktur geprägt waren. Da ist es natürlich sehr klug, Herr Bundesminister, dass man die fehlenden Fachkräfte und Saisonnierkräfte hereinholt. Jetzt allerdings ist es genauso klug, Herr Bundesminister, da wir seit eineinhalb Jahren in der seit mehr als 80 Jahren schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise leben, diese Saisonnierquoten wieder herun­terzufahren – was Sie ja auch tun angesichts von, wie Sie selbst sagen, 329 000 Ar­beits­losen, die uns mehr als 8,5 Milliarden € pro Jahr kosten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 162

Da stellen Sie sich jetzt hin, Herr Bundesminister, und meinen, ein Abschotten des Arbeitsmarktes sei der größte Schaden, den man der Wirtschaft zufügen könne? – Sie wissen es ganz genau, aber ich sage es Ihnen noch einmal ganz deutlich: Den größten Schaden für die österreichische Wirtschaft verursacht der, der jetzt nichts dagegen unternimmt, dass in einem Jahr ein Tsunami an Billig-Arbeitskräften über Ostösterreich hereinbricht. Dann haben Sie es zu verantworten, Herr Bundesminister, wenn die Ar­beits­losenquote auf 400 000, 500 000 Arbeitslose steigt und wir jedes Jahr 10 Milliar­den € oder gar 12 Milliarden € dafür zahlen müssen! (Beifall bei der FPÖ.)

17.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager. – Bitte.

 


17.28.13

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder auf der Regierungsbank! Als letzte Rednerin kann ich den heutigen Dringlichen Antrag nur zusammenfassen: Das Ganze hat sich als eine Nachhilfestunde für die FPÖ in Wirtschaftspolitik und Ökonomie entpuppt, denn ganz grundlegende Prinzipien des Miteinander-Arbeitens, Miteinander-Lebens in einem vereinten Europa, in einer immer internationalisierteren Welt wurden ganz offensicht­lich vorher noch nicht verstanden. (Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Öllinger: Es nützt nichts, leider!)

Lassen Sie mich daher zusammenfassen: Österreich lebt vom Export – 6 von 10 € werden über den Export finanziert. Wie Kollege Van der Bellen neben vielen anderen von uns heute ausgeführt hat, brauchen Sie nicht zu glauben, dass wir exportieren können, in Richtung zu uns herein aber abschotten können, und dass das dann eine einträgliche Partnerschaft in einem vereinten Europa ergibt. Das ist nicht das Modell, wie wir uns Europa vorstellen. (Abg. Mag. Stefan: Warum war dann die ÖVP für die Verlängerung der Fristen?)

Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ! Lassen Sie sich auch sagen, dass es nicht möglich ist, ohne die Schlüsselkräfte zu pflegen (Abg. Mag. Stefan: Wieso waren Sie bis jetzt für die Verlängerung der Fristen? Erklären Sie es uns: Wie war das vorher?), dass ich in Österreich nicht nur ein bisschen produzieren kann, und dann gehen mir leider die Arbeitskräfte aus, sondern ich kann nur entweder produzieren oder nicht produ­zieren. Ich kann nicht sagen: Leider fehlen mir drei Arbeitskräfte, weil sie jetzt nicht hereinkommen dürfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stefan: Warum haben Sie bis jetzt die Fristen verlängert?)

Also stehen wir dazu: Wir sind ein Teil der Europäischen Union, wir wollen – auch wenn Sie das noch so oft sagen, Kollege Stefan – Wohlstand. (Abg. Mag. Stefan: Warum waren Sie dafür?) Ich erinnere Sie an die Geschichte des 19. Jahrhunderts. Kollege Felderer, immerhin der Leiter des IHS, sagt in seinen Expertenvorträgen (Abg. Mag. Stefan: Warum war die ÖVP für die Verlängerung?): Im 19. Jahrhundert waren wir weiter, als wir es heute in Europa sind – bezüglich der Mobilität, bezüglich der Zusammenarbeit –, und gerade der aufkommende schädliche Nationalismus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat uns in die Armut geführt. (Abg. Mag. Stefan: War die ÖVP nicht dafür?)

Kollegen Stefan, was Sie heute tun wollen, ist, Europa in die Armut anstatt in den Wohlstand zu führen! (Abg. Mag. Stefan: Hat nicht die ÖVP das verlängert?) Wir stehen für Wohlstand und nicht für Armut. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stefan: War die ÖVP nicht in der Regierung?)


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Wir wollen gezielt für jene Menschen etwas tun, die von Armut betroffen sind (Abg. Mag. Stefan: Ihr habt es verlängert!) – das sind vor allem jene, die unterqualifiziert sind. Deswegen ist es uns sehr wichtig, Herr Bundesminister, dass wir ganz gezielt an der Qualifikation arbeiten und das Risiko dadurch senken. Im In- wie im Ausland brauchen wir höhere Qualifikationen, denn die Jobs erfordern immer mehr eine bessere Ausbildung.

Deswegen ist es uns wichtig, dass wir den Europäischen Qualifikationsrahmen mög­lichst rasch in Österreich umsetzen und dass auch Arbeitsmarktschulungen im öster­reichi­schen Qualifikationsrahmen einen wichtigen Bestandteil darstellen, sodass Personen, wenn sie von Arbeitslosigkeit betroffen sind, einen Teil der Höher­qualifizierung und formalen Ausbildung erwerben und genau dadurch offensiv am Wachstum teilnehmen können und nicht von Armut betroffen sein müssen.

Gerade Österreich hat von seinen Nachbarstaaten profitiert. Ich weiß, das wollen Sie nicht hören; Sie wollen nur nach Ungarn fahren, aber Sie wollen nicht in eine wirtschaftliche Beziehung beispielsweise mit Ungarn treten. Schauen Sie sich doch die Zahlen an! 23,3 Prozent aller österreichischen Warenexporte gingen bereits 2008 in die MOEL-Regionen. Das sind jene Regionen, denen wir einen Teil unseres Wachstums, unseres Wohlstands zu verdanken haben, und es ist nur fair, dass wir das nicht einseitig verstehen, sondern als einen gemeinsamen Prozess.

Die Zukunft können wir nur durch Lifelong-Learning-Konzepte bewältigen, indem wir uns adaptieren und gemeinsam durch Höherqualifizierung weiterentwickeln. Wir haben auch das Konzept vorgestellt, durch Innovation, durch Forschung zu neuem Wachstum zu kommen. Wettbewerbsfähig kann ich aber nicht sein, indem ich die Grenzen abschotte und sage: Jetzt lasse ich weder die Wissenschafter und deren Familien mehr herein noch die Schlüsselarbeitskräfte!, wie beispielsweise Lackierer, Schlosser, aber auch die Köche. – Wenn Sie heute Abend noch Gelegenheit haben, irgendwo auswärts zu essen, wird die Aufrechterhaltung der Küche nur möglich sein, wenn wir auch weiterhin in einem Austausch sind und hier ein offenes, faires und gemeinsames Europa fordern.

Ökosoziale Marktwirtschaft in einem gemeinsamen Europa: Das ist die Zukunft für unsere Arbeiterinnen und Arbeiter genauso wie für unsere Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Ein geeintes Europa wird uns stärken. Ihre Politik führt nur zu Armut, und das werden wir zu verhindern wissen! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.33


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Hofer. – Bitte.

 


17.33.32

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Meine geschätzten Mit­glieder der Bundesregierung! Unsere Politik führt also zur „Armut“ – da müssen Sie selbst ein bisschen lachen, sehe ich hier! Ich hoffe nur, dass Sie nicht nach der nächsten Wahl kommen und sagen: Bitte, verhandelt mit uns über die nächste Bundesregierung. – Das wird sehr, sehr schwierig werden. Aber es gibt ohnehin zwei Partner, die das sehr gut machen werden. (Ruf bei der ÖVP: Wegen dem Antrag?)

Meine Damen und Herren! Wir haben vorhin gehört, warum diese Ausnahme­rege­lun­gen überflüssig sind, dumm sind, nicht notwendig sind. Nur frage ich mich jetzt, nach all diesen Argumenten: Warum haben Sie vor zwei Jahren die Fristen überhaupt verlängert? – Da war der Arbeitsmarkt wesentlich besser beieinander als jetzt. Da war das ganz ausgezeichnet und notwendig und verantwortungsvoll – aber jetzt ist es auf einmal völliger Unsinn. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 164

Ich sage noch einmal: Wir haben in dieser Ausnahmesituation viele Dinge getan, die ein vernünftiger Politiker normalerweise nicht tut, nämlich etwa den Banken das Geld hinterherzuwerfen. Auch im Bereich des Arbeitsmarktes wären außergewöhnliche Maßnahmen notwendig gewesen.

Wir werden uns diese Redebeiträge, die es heute gegeben hat, sehr gut merken und sie sehr gut aufheben. Sehen wir uns den Mai 2011 an: Dann werden wir sehen, was wirk­lich passiert! Es geht hier nicht darum, dass man sich abschottet, dass es keinen wirtschaftlichen Austausch gibt, sondern es geht um das Problem der Grenzgänger, das ich vorhin angesprochen habe. – Die Zukunft wird zeigen, wer von uns richtig gelegen ist; ich bin schon sehr gespannt darauf. (Beifall bei der FPÖ.)

17.35


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hundstorfer. – Bitte.

 


17.35.21

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer: Meine Damen und Herren! Noch zwei Botschaften. Punkt eins: Sämtliche Grenz­gängerabkommen, die wir mit Ungarn und Tschechien haben, sind nicht vollständig ausgefüllt. Sämtliche! Wir haben noch immer Platz. Sie haben das tschechische Beispiel gehört: Wir haben für 200 Facharbeiter Platz, zur Stunde, jetzt. (Abg. Ing. Hofer: Es geht um die nicht Qualifizierten! Das wissen Sie genau!) Wenn das so wäre, Herr Ing. Hofer, was Sie hier zu dramatisieren versuchen, dann wäre ja das alles überbordend. – Das ist einmal Punkt eins. (Abg. Mag. Stefan: Warum haben Sie das jetzt getan? Warum wurden damals die Übergangsbestimmungen verlängert?)

Als Punkt zwei darf ich Ihnen Folgendes sagen, weil Sie gefragt haben, warum wir das vor zwei Jahren oder voriges Jahr noch einmal gemacht haben: Wir haben das deshalb gemacht, weil wir das, was Sie während Ihrer Regierungsverantwortung nicht gemacht hatten, noch aufholen müssen und abarbeiten müssen. (Abg. Mag. Stefan: Was denn?) Sie werden hier im heurigen Herbst noch ein paar Lohn- und Sozialdumping­bestimmungen beschließen, dann ist die letzte Lücke geschlossen. Dann ist – mit viel Diskussion, ja – der Mai 2011, was die Rechtslage betrifft, klargestellt. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Stefan: Sie müssen also die Fehler der ÖVP noch berichtigen!)

17.36

17.36.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 1097/A(E) der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verlängerung der Über­gangsfristen zur Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für neue EU-Mitglied­staaten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist abgelehnt.

*****

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, und da der Plenarsaal doch voll besetzt ist – leider ist Herr Kollege Neubauer nicht hier –, möchte ich darauf verweisen, dass die Kolleginnen und Kollegen mit Recht sehr sensibel sind, wenn hier im Saal fotografiert wird, sowohl von den Pressetribünen aus als auch hier im Saal.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 165

Ich verweise auf die Hausordnung, Z 58, wonach die Verwendung von Kameras hier im Saale der ausdrücklichen Bewilligung durch die Präsidentin bedarf. Unabhängig davon ist es eine massive Störung des Redners, wenn man unmittelbar vor ihm Bild­aufnahmen macht. Ich billige diese Vorgangsweise nicht, und ich bitte, dies auch Herrn Kollegen Neubauer kundzutun. Ich werde das auch noch persönlich mit ihm be­sprechen. Ich finde das nicht gehörig, weil das eine massive Störung des Redners dar­stellt. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie bei Abgeordneten von Grünen und BZÖ.)

17.38.21Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 4323/AB

Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zur kurzen Debatte über die Anfrage­beantwortung der Frau Bundesministerin für Justiz mit der Ordnungszahl 4323/AB. Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verlesung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt. Allfällige Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemel­deten StaatssekretärInnen sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter DDr. Königshofer zu Wort. – Bitte, Herr Kollege.

 


17.38.58

Abgeordneter DDr. Werner Königshofer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesminister! Nicht nur, dass Sie schon Probleme mit japanischen Bürgern haben, müssen Sie jetzt auch noch in den Nationalrat kommen, um eine Anfragebeant­wortung, die relativ schwammig war, zu präzisieren.

Ich habe am 26. Jänner dieses Jahres eine Anfrage an die Frau Bundesministerin für Justiz gerichtet betreffend Vorkommnisse in den Staatsanwaltschaften Wien und Graz. Den Vorspann zu dieser Anfrage möchte ich Ihnen kurz zitieren. Ich habe geschrieben:

„Andreas Unterberger schrieb am Freitag, dem 10. Juli 2009 in der ‚Wiener Zeitung‘: ‚Die Staatsanwälte im Raum Wien sind zur Gefahr für den Rechtsstaat geworden – auch wenn das aus Angst vor ihrer seit der Strafprozessreform vermehrten Macht nur wenige auszusprechen wagen.‘

In dem der Anfrage beigeschlossenen Kompendium werden Sachverhalte aufgelistet und dargestellt, welche die oben angeführte Aussage in dramatischer Weise unter­mauern. Danach soll es ein systematisches Zusammenwirken bestimmter Staatsan­wälte mit einer Gruppe von Rechtsanwälten geben, das allen rechtsstaatlichen Prinzipien zuwider laufen und rechtsuchenden Bürgern zum Teil großen Schaden zufügen soll.

In größter Sorge um die Situation und Entwicklung des Rechtsstaates in Österreich richten die unterfertigten Abgeordneten an die Frau Bundesminister für Justiz nach­stehende Anfrage“

Darauf Frau Minister, haben Sie generell zu den Fragen 1 bis 18 und 20 folgender­maßen geantwortet – ich zitiere aus Ihrer Anfragebeantwortung vom 26. März –:

„Ich weise die in der Anfrage in Frageform getätigten Unterstellungen zurück. Sollten konkrete Hinweise auf ein derartiges Verhalten im Einzelfall vorliegen, wären sie zur Anzeige zu bringen. Als Bundesministerin für Justiz sehe ich es aber nicht als meine Aufgabe, haltlose Gerüchte zu kommentieren.“ (Ruf bei der ÖVP: Völlig richtig!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 166

Frau Bundesministerin, ich habe dieser Anfrage ein Konvolut beigeschlossen, das 80 Seiten umfasst und Ort, Zeit sowie Namen auflistet. Da können Sie nicht sagen, ich gehe nur von Unterstellungen und haltlosen Gerüchten aus. Ich halte das für eine ausgesprochen verleumderische Aussage und weise diese zurück! Außerdem sagen Sie, das wäre zur Anzeige zu bringen. Die Bürgerin, die das verfasst hat, hat das zur Anzeige gebracht, und die Anzeige ist diesem Konvolut auch beigeschlossen. Sie rich­tet sich an die Korruptionsstaatsanwaltschaft.

Weiters, Frau Minister, schreiben Sie: „Auch für die in den Eingangsbemerkungen der Anfrage behauptete Gefährdung des Rechtsstaates durch ‚systematisches Zusam­menwirken bestimmter Staatsanwälte mit einer Gruppe von Rechtsanwälten‘ liegen keinerlei Anhaltspunkte vor.“ – Frau Ministerin, ich verweise noch einmal auf dieses Konvolut von 80 Seiten. Sie schreiben es liegen „keinerlei Anhaltspunkte vor“, hier sind 80 Seiten!

Ich zitiere kurz aus Seite 32: Schön – und zwar Staatsanwalt Schön – hat zwar am 17.2.2006 im Antrags- und Verfügungsbogen gerichtliche Vorerhebungen gegen Zanger – ein Rechtsanwalt – als Verdächtigen für die Körperverletzung an meinem Sohn vom 4. 2. 2006 schriftlich verfügt.

Weiters steht hier: Tatsächlich hat Schön aber in diesem Punkt von Februar bis Juli 2006 fünf Monate lang überhaupt keine Vorerhebung gegen Zanger durchführen lassen. – Zitatende.

Hier werden Fakten, Daten und Namen aufgelistet – und Sie schreiben, es lägen keine Anhaltspunkte vor!

Frau Minister, wenn Sie das unter den Teppich kehren wollen, wenn Sie darüber den Mantel des Schweigens legen wollen, dann bezichtige ich Sie des Komplizentums mit solchen Handlungen!

Weiters schreiben Sie bei der Anfrage:

„Bei dem der Anfrage beigeschlossenen Kompendium handelt es sich um eine an die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Korruption (KStA) gerichtete Anzeige vom 26. Jänner 2010, deren Beurteilung durch die KStA im Rahmen der Anfrage­beantwortung nicht vorgegriffen werden kann.“

Zuerst schreiben Sie, es müsste Anzeige erhoben werden, dann liegt die Anzeige vor, dann wollen Sie dieser Anzeige nicht vorgreifen! Das ist aber nicht der gesamte Sachverhalt, Frau Bundesminister, der Stand der Ermittlungen oder der Stand des Verfahrens ist schon etwas weiter fortgeschritten. Ich darf Ihnen dazu Folgendes mitteilen:

In der dritten Februarwoche 2010 war diese Strafanzeige bereits mit der Verfahrens­zahl 12 St 38/10 V an der Staatsanwaltschaft Linz bei der zuständigen Staatsanwältin Mag. Doris Fiala registriert.

Weiters darf ich Ihnen mitteilen, dass die Staatsanwaltschaft Linz bereits in der zweiten Märzwoche 2010 telefonisch bestätigt hat, dass sich der gesamte Akt samt konkreter Beauftragung zur Ermittlung dazu von ihr bereits beim Landeskriminalamt Oberöster­reich befindet. Der Ermittlungsstand in diesem Verfahren ist also schon wesentlich weiter fortgeschritten, als Sie es hier festgehalten haben.

Frau Minister, jetzt möchte ich noch einmal in aller Kürze die Fragen, die ich damals am 26. Jänner gestellt habe, Ihnen und dem Plenum des Nationalrates zur Kenntnis bringen und werde Sie ersuchen, darauf etwas präzisere Antworten zu geben, als Sie es in dieser Anfragebeantwortung gemacht haben:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 167

Frage 1: „Ist Ihnen bekannt, dass Strafanzeigen von Rechtsanwälten Beschuldigter bei sog. ‚Wunsch-Staatsanwälten‘ auf unzuständige Weise anhängig gemacht werden, was zugunsten von Beschuldigten und zulasten von Geschädigten wirken soll?“

Weiters habe ich unter Punkt 4 gefragt: „Ist Ihnen bekannt, dass sog. ‚Wunsch-Staats­anwälte‘ strafrechtlich relevante Sachverhalte so verdrehen, dass diese letztlich zum Vorteil von Beschuldigten und zum Nachteil von Geschädigten werden?“

Weiters habe ich unter Punkt 7 gefragt: „Ist Ihnen bekannt, dass Strafanzeigen mit neuen Beweisen zu neuen Sachverhalten, von Staatsanwälten durch Nicht-Prüfung und Nicht-Abtretung willkürlich zugunsten von Beschuldigten enderledigt werden?“

Unter Punkt 10 habe ich gefragt: „Ist Ihnen bekannt, dass Beschuldigte und deren Rechts­anwälte fallweise Staatsanwälte mit konkreten Sachverhalten aus deren Privatleben schwerst nötigen, damit diese bereits anhängige Strafanzeigen, Strafanträge oder Ermittlungsverfahren zugunsten solcher Beschuldigter und damit zulasten von Geschädigten enderledigen?“

Das ist ein ganz grober Vorwurf, nämlich der Vorwurf der Erpressung, Frau Bundes­minister, bei dieser Frage: dass nämlich Staatsanwälte mit Sachverhalten aus dem Privatleben unter Druck gesetzt werden!

Unter Punkt 13 habe ich gefragt: „Sind Ihnen Fälle von willkürlicher Verfahrensführung und -einstellung zugunsten von Beschuldigten bekannt, wobei auf rechtswidrige Weise Akteneinsicht und das Kopieren von Akten verwehrt wurde?“

Frage 16: „Ist Ihnen bekannt, dass rechtswidrige Verhaltensweisen bei den Staats­anwaltschaften von dort handelnden Personen und deren Vorgesetzten gedeckt und somit zulasten des Rechtsstaates, seiner rechtssuchenden Bürger und zulasten des Ansehens der Justiz prolongiert werden?“

Weiters Frage 20: „Welche Maßnahmen sind nach Ihrer Ansicht von Ihrem Ressort zu ergreifen, um die derzeit herrschende Willkür im Bereich der Justiz nachhaltig zu unterbinden?“

Frau Bundesministerin, da handelt es sich um schwere Vorwürfe gegenüber der Justiz und den rechtsstaatlichen Einrichtungen, und ich ersuche Sie, auf die gestellten Fragen präzisere Antworten zu geben! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. – Bitte.

 


17.48.01

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Herr Kollege, ich kann dazu nicht wirklich viel sagen. Ich weiß nur eines: Obwohl ich kein Strafverteidiger bin, kenne ich mich in der Branche ein bisschen aus; aber von derartigen Vorwürfen, wie sie hier erhoben werden, habe ich persönlich noch nichts gehört.

Ich kann aus meinen Erfahrungen nur sagen, dass ich alles andere als große Sym­pathien für den Herrn Staatsanwalt Schön habe und hatte und dass er sicherlich eine der umstrittensten Figuren in der Justiz, insbesondere in der Staatsanwaltschaft Wien war.

Staatsanwalt Schön war Leiter der Wirtschaftsgruppe. Ich weiß aus einzelnen Verfah­ren, dass man da wesentlich objektiver hätte vorgehen können, wobei sich diese Verfahren allemal zum Nachteil der Verfolgten gerichtet und teilweise darin gegipfelt haben, dass die Verfahren unvertretbar lange nicht betrieben wurden. Sie wurden aber


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 168

komischerweise immer dann, wenn es für die Betroffenen und deren Umfeld sehr negativ war, wieder betrieben; was den Eindruck erweckt hat, dass hier eine gewisse Öffentlichkeitswirkung erzielt werden sollte, was einem Staatsanwalt sicherlich nicht zusteht.

Ich denke aber, dass alle, die sich mit dem Wiener Pflaster und der Wirtschaftsgruppe einigermaßen auskennen, wissen, dass es sich hierbei um eine höchst problematische Figur handelt, die letztlich auch nicht freiwillig aus der Justiz ausgeschieden ist – das muss man auch dazusagen.

Die Ausführungen selbst können, glaube ich, von jemandem, der außerhalb des Ver­fah­rens steht, nicht wirklich beurteilt werden. Wenn ich das Konvolut durchlese, das Sie hier angesprochen haben, Herr Kollege, dann erinnert es mich an viele Konvolute, die wir bekommen im Zusammenhang mit durchgeführten Verfahren, wo der oberste Gerichtshof bereits entschieden hat.

Ich mag es nicht beurteilen, aber es hat auf mich einen etwas skurrilen Eindruck gemacht. Ich denke, dass ich daraus jene präzisen Vorwürfe, die jedenfalls Gegen­stand der Überprüfung sein müssten, nicht ableiten kann – obwohl ich das doch einigermaßen durchgeblättert habe.

Was den Artikel in der „Wiener Zeitung“, den Sie hier anschneiden, betrifft: Da gibt es Meinungen, die aus einem Tagebuch dargestellt werden, das ist schon gewissermaßen nachvollziehbar, zumal dort auch andere Fälle dargestellt werden, etwa die aggres­siven Methoden der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt im Zusammenhang mit dem Tierschutzverfahren.

Ich will jetzt weder in ein laufendes Verfahren eingreifen noch hier groß extemporieren, aber eines ist auffällig: Es handelt sich dabei um ein Verfahren, das seit drei oder vier Jahren läuft, wobei jetzt behauptet wird, das besonders Gefährliche bestünde darin, dass keine Beweise gefunden werden. Auffällig ist auch, dass es hier große Lauschangriffe, Rasterfahndung, also massive Ermittlungsmethoden gibt, in einer Anzahl pro Jahr, die höher ist, als normalerweise für die ganze sonstige Republik durchgeführt wird. Das weist eine doch etwas eigenartige, offensichtlich nicht verlieren könnende Vorgangsweise auf, die ich sehr bedauerlich finde.

Dass bei der Causa Meinl gerade der Sachverständige kritisiert wird, ist mir nicht ganz verständlich. Ich kann nicht sagen, ob der Sachverständige befangen ist oder nicht; aber ich finde, dass das gesamte Meinl-Verfahren mit wesentlich mehr Druck gefahren werden kann. Denn wir wissen, dass, obwohl die Firma Meinl jetzt in einer Unzahl von Schaltungen in den unterschiedlichsten Medien immer wieder sagt, es würde nichts stimmen von dem, was ihr vorgeworfen wird, sie nahezu alle Zivilverfahren verloren hat, die anhängig gemacht wurden von den Tausenden Zivilgeschädigten, die hier Scha­denersatz eingeklagt haben, dass man eigentlich die Mehrheit verloren hat, und zwar bis zum Obersten Gerichtshof hinauf.

Ich meine also, wir sind auch bei der Firma Meinl damit konfrontiert, dass der Öffentlichkeit mit großem Werbeaufwand etwas ganz anderes vorgegaukelt wird, als in der Justiz intern durch die unabhängige Richterschaft tatsächlich nachgewiesen wird.

Ich glaube, im Grunde genommen muss man festhalten: Die staatsanwaltschaftlichen Behörden, die Verfolgungsbehörden sind hier natürlich jenes Organ, das eine Vorge­setzte oder einen Vorgesetzten im Justizministerium hat. Daher hat das Justiz­minis­terium natürlich die Leitungskompetenz auszuüben.

Eingriffe in die freie Gerichtsbarkeit, in den Bereich der Richter sind nicht möglich. Ob das hier im gegenständlichen Fall vorliegt, das kann ich nicht beurteilen. Ich habe nur meine Zweifel, wenn ich mir diese Ausführungen durchsehe; weil sie mich eben an


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 169

viele Ausführungen erinnern, mit denen wir alle, insbesondere diejenigen von uns, die aus der Justiz kommen, konfrontiert werden.

Aus meiner Sicht ist das also – ich würde nicht sagen querulatorisch – jedenfalls eigenartig. Ich denke, man kann daraus nicht schließen, dass die Justiz hier nicht gut gearbeitet hat. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.53


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner. – Bitte.

 


17.53.24

Bundesministerin für Justiz Mag. Claudia Bandion-Ortner: Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ja, gut, dass ich heute hier stehen darf und einen Zeitungsartikel vom Sommer 2009 kommentieren soll, aber ich tue es gerne und ich sage auch gerne noch einmal etwas zu Ihrer parlamentarischen Anfrage.

Im Zentrum steht ein Streit zwischen ehemaligen Ehegatten, ein Streit, der schon jahrelang tobt, ein richtiger Rosenkrieg. Es gibt zahlreiche Anzeigen, Vorwürfe gegen­seitiger Natur bei Staatsanwaltschaften, mit dieser Causa wurden schon zahlreiche Richter befasst, das Jugendamt, die Volksanwaltschaft, also so ziemlich jede relevante Stelle, und jetzt ist dieser Ehescheidungsstreit auch im Hohen Haus gelandet.

Ja, ich habe schon achtmal eine parlamentarische Anfrage zu diesem Thema beant­wortet und ich will meine Antwort noch einmal ganz kurz wiederholen:

Ja, es ist richtig, es hat im Jahr 2006 einen Staatsanwalt gegeben, der Anzeigen in dieser Causa bearbeitet hat, die nicht in seine Zuständigkeit fielen, und es hat damals auch dienstrechtliche Konsequenzen gegeben. Es hat gegen diesen Staatsanwalt auch ein Strafverfahren wegen Amtsmissbrauches gegeben. Dieses Verfahren wurde von der Staatsanwaltschaft Graz eingestellt.

Geprüft hat das damals die Staatsanwaltschaft Graz, die Oberstaatsanwaltschaft Graz, das Bundesministerium für Justiz und auch ein unabhängiges Gericht im Zuge eines Fortführungsantrages. Auch dieses Gericht hat befunden, dass der Tatbestand des Amtsmissbrauches nicht gegeben war – aus verschiedenen Gründen, die ich jetzt nicht im Detail erläutern will. Das Ganze hat sich übrigens alles vor meiner Zeit abgespielt.

Was ist dazu noch zu sagen? – Natürlich gibt es nicht den Wunschstaatsanwalt in Österreich, Herr Abgeordneter, das wissen Sie, denn ein Wunschkonzert – das spielt es in der österreichischen Justiz nicht! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich finde es überhaupt nicht angebracht, pauschal Staatsanwältinnen und Staats­anwälte zu verunglimpfen. Zu diesen Verfahren, zu diesen Anzeigen, zu diesen weiteren konkreten Vorwürfen, die Sie genannt haben, Herr Abgeordneter: Sie haben es selbst gesagt, hier gibt es ein anhängiges Strafverfahren.

Dieses Verfahren gibt es in Linz gegen acht Staatsanwälte und Oberstaatsanwälte, gegen mehrere Richter – insgesamt gegen zwanzig Richter, Staatsanwälte und Beamte, darunter auch eine ehemalige Justizministerin. Es läuft also ein Verfahren in Linz. Und wie Sie wissen, darf ich als Justizministerin anhängige Strafverfahren nicht kommentieren – und das tue ich auch nicht. (Ruf bei der ÖVP: Sehr gut!)

Bei dieser parlamentarischen Anfrage ist mir noch eines aufgefallen: Man verlangt von mir auch, ich soll in ein Obsorgeverfahren eingreifen. Meinen Sie das wirklich ernst, Herr Abgeordneter? Ich meine, man will doch eine unabhängige Justiz! Ich nehme diese Aufforderung gerne zum Anlass, noch einmal klar und deutlich zu sagen: Partei­politik hat in Gerichtsverfahren nichts zu suchen! (Beifall bei der ÖVP.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 170

Das sage ich all denjenigen, die versuchen, durch politische Zurufe an Richter und Staatsanwälte politisches Kleingeld daraus zu schlagen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schönegger. – Bitte.

 


17.57.18

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Geschätzte Frau Bundesminister, lassen Sie mich zu Beginn meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Ich möchte mich bei Ihnen ausdrücklich dafür bedanken, dass Sie so klar und deut­lich – und nicht schwammig, wie vom Kollegen Königshofer behauptet – Stellung bezogen haben. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Dr. Königshofer: ... wieder nichts!)

Frau Bundesministerin, Sie haben in Ihrer Beantwortung ganz deutlich und unmiss­verständlich Stellung bezogen. Sie haben mit Ihrer Beantwortung keinerlei Spielraum und keinerlei Platz für politisch motivierte Attacken auf die österreichische Justiz gelassen. Frau Bundesministerin, Sie haben völlig zu Recht und als einzig denk­bare Reaktion auf die in der Anfrage getätigten Unterstellungen diese auf das Schärfste zurückgewiesen.

Sie haben die von den Anfragenden – sogar für diese Anfragenden überraschend deutlich – formulierten Verschwörungstheorien mit Ihrer schriftlichen Antwort als das entlarvt, was es ist, nämlich nichts als Gerüchte und Behauptungen. Leider war das in der Tat Notwendigkeit und in Wirklichkeit die einzig richtige Reaktion von Ihrer Seite. Sie haben auch wiederum völlig richtig verneint, auf ein laufendes Obsorgeverfahren einzuwirken oder dazu Stellung zu nehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum wiederholten Male findet heute im Rah­men dieser Kurzdebatte etwas statt, das es in letzter Zeit öfters gegeben hat: Es findet der rechtspolitisch sehr bedenkliche und auch unsaubere Versuch statt, die österreichi­schen Staatsanwälte und mit ihnen die österreichische Justiz unter einen General­verdacht zu stellen. Das ist abzulehnen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird hier versucht, die Justiz in die politische Arena zu holen. Es wird augen­scheinlich in Kauf genommen, dass der Rechtsstaat beschädigt wird. Ich bin zwar persönlich der festen Überzeugung, dass der Rechtsstaat das schon aushält – und so besonders intelligent wird dieser Versuch auch nicht unternommen, denn es ist ein plumper Skandalisierungsversuch. (Abg. Dr. Königshofer: Drei Jahre U-Haft! Gibt’s das in einem Rechtsstaat?!)

Doch eine Frage wird auch heute unbeantwortet bleiben: cui bono? Wem soll es denn nutzen, wenn der Rechtsstaat geschwächt wird? Der Bürger – und davon bin ich überzeugt – weiß genau zu beurteilen. Die Österreicherin, der Österreicher wissen: Auf die Justiz war Verlass und auf die Justiz ist Verlass, auch in Zukunft!

Selbstverständlich – und das stelle ich nicht in Abrede – ist es legitim, das parlamen­tarische Interpellationsrecht auch für Fragen betreffend einzelne Justizfälle zu nutzen.

Kritisch wird die legitime Ausübung dieses Rechts, wenn aufgrund von diversen Einzel­fällen der untaugliche Versuch unternommen wird, einen Justizskandal zu konstru­ieren, denn ein menschliches Fehlverhalten stellt noch lange kein den Rechtsstaat gefährdendes System dar. Das wäre nämlich an den Haaren herbeigezogen, und das ist auch nicht so. (Zwischenruf des Abg. Dr. Königshofer.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 171

600 000 Anzeigen werden in Österreich jährlich von 450 Staatsanwälten und Bezirks­anwälten behandelt – 600 000. Dass es bei einer derartig hohen Anzahl da und dort natürlich zu verurteilenswerten menschlichen Fehlleistungen kommen kann, das be­streitet wohl niemand ernsthaft.

Auch die Tatsache, dass Staatsanwälte nunmehr vom ersten Verdacht an bis hin zur Anklageerhebung im Mittelpunkt des Interesses stehen, kann durchaus dazu führen, dass sich derart verständliche Enttäuschungen über die eine oder andere Entwicklung im Rahmen des Verfahrens zuallererst bei den Staatsanwälten entladen.

Es war die Frau Bundesministerin Claudia Bandion-Ortner selbst, die veranlasst hat, die Vorverfahrensreform durch eine wissenschaftliche Begleitung evaluieren zu lassen. Es war die Frau Bundesministerin selbst, die einen Expertenrat eingesetzt und diesen mit der Überprüfung der Verbesserungsfähigkeit der Fachaufsicht beauftragt hat; und es war wiederum die Frau Bundesministerin selbst, die diesen Expertenrat beauftragt hat, eine bessere Transparenz von Entscheidungen der Staatsanwaltschaft zu erar­beiten.

Ich komme zu meinem Schlussappell: Ich bitte Sie, hören Sie auf mit diesen unsäg­lichen Versuchen, aus einem Einzelfall, möglicherweise auch Einzelfehler, einen Skandal zu konstruieren! Hören Sie auf, dieses Haus mit abstrusen Verschwörungs­theorien zu behelligen! Lassen wir die Justiz arbeiten, sie macht das sehr gut! – Es wird Ihnen nicht gelingen, die Justiz und die Glaubwürdigkeit der Justiz bei den Bürgern in Frage zu stellen.

Möglicherweise ist nicht der Rechtsstaat in Gefahr, sondern die politische Kultur. Um die wäre es sicher schade, denn wir haben sie gerne als treuen und steten Begleiter, zumindest bei uns im Klub. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

18.02


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Hofer. – Bitte.

 


18.02.29

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Ich habe gerade von einem Mandatar der SPÖ gehört, mit der politischen Kultur sei es bei den Schwarzen auch nicht so weit her. (Ruf bei der ÖVP: Wir haben sie schon lang nicht ... !) Möglicherweise ist das wirklich so.

Ich erinnere mich an einen hochrangigen Politiker, der einmal auf europäischer Ebene über einen hochrangigen EU-Politiker gesagt hat, er sei eine richtige Sau.– Also, nicht mit Steinen werfen, wenn man im Glashaus sitzt! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, natürlich ist es so, dass man die Justiz nicht in Misskredit bringen soll. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, Frau Bundesminister, dass wir erst vor Kurzem in der Präsidiale darüber gesprochen haben, dass eine Anfrage nicht beantwortet werden soll, indem man auf andere Anfragebeantwortungen verweist.

So gesehen ist die Beantwortung Ihrer Anfrage eine Nichtbeantwortung, und ich möchte Sie sehr herzlich ersuchen, doch die Fragen, die da auftauchen, ernsthaft zu beantworten, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen.

Zum konkreten Fall: Sie wissen, dass ich im Rahmen der gemeinsamen Obsorge engagiert bin und dass ich immer darauf hingewiesen habe, dass von dem Missstand, dass Elternteile ihre Kinder aufgrund fehlender Entscheidungen über das Besuchsrecht über Monate, über Jahre hinweg nicht sehen dürfen, nicht nur Männer betroffen sind, sondern in zunehmenden Ausmaß auch Frauen.

Das heißt, das Engagement für die gemeinsame Obsorge ist keines, das auf die soge­nannte Väterrechtsbewegung isoliert werden kann, sondern es ist ein Engagement,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 172

das letztendlich den betroffenen Elternteilen zugutekommt – Männern und Frauen, Vätern und Müttern, aber vor allem auch den betroffenen Kindern.

Ich bitte Sie daher sehr herzlich, Frau Bundesminister – Sie haben bereits angekün­digt, sich für die gemeinsame Obsorge einsetzen zu wollen –, alle Möglichkeiten der Überzeugungsarbeit zu nützen, um hier im Haus eine Mehrheit für diese Maßnahme zu finden.

Das Beispiel Deutschland zeigt ja, dass die gemeinsame Obsorge etwas sehr, sehr Erfolgreiches ist und dass das Konfliktniveau zwischen den Partnern, die sich ja irgend­wann wahrscheinlich einmal gern gehabt haben, nach der Trennung sehr rasch wieder sinkt.

Natürlich gibt es auch Ausnahmen, danach wird auch oft gefragt. Natürlich: Wenn ein Elternteil, ich weiß nicht, einer Sekte angehört, suchtkrank ist oder der Kontakt mit dem Kind dem Kindeswohl abträglich ist, dann ist keine gemeinsame Obsorge möglich. Nur ist da der große Unterschied, dass von Haus aus, nach einer Trennung, die gemein­same Obsorge da ist und das Besuchsrecht sofort möglich wird.

Im umgekehrten Fall ist es hier in Österreich dort, wo die freiwillige Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge nicht in Anspruch genommen wird, so, dass oftmals – auch wenn der Vater, die Mutter von der Sachentscheidung her völlig einwandfrei das Besuchsrecht erhalten müsste – aufgrund einer fehlenden Entscheidung des Gerichtes über Monate, über Jahre hinweg das Besuchsrecht nicht ermöglicht wird und dann natürlich bei kleinen Kindern, die vielleicht zwei oder drei Jahre alt sind, eine völlige Entfremdung mit dem Elternteil passiert. Das wollen wir alle vermeiden. (Bundesministerin Mag. Bandion-Ortner: Das stimmt!)

Einen Punkt möchte ich noch sagen, das betrifft die Familienrichter: Wenn jemand Familienrichter ist, dann ist er das oft in sehr jungen Jahren, das ist eine Zwischen­station auf der Karriereleiter, die man durchwandert. Wir wären sehr dafür, dass die Tätigkeit als Familienrichter nicht eine der ersten Stationen in der Richterkarriere ist, sondern es sollte die letzte sein.

Es ist einfach so, dass Menschen, die eine gewisse Lebenserfahrung haben und auch etwas abgeklärt sind – das sieht man auch hier im Hohen Haus: es sind die älteren Man­datare eher die, die ruhiger und besonnener vorgehen –, als Familienrichter ganz besonders geeignet sind; auch aufgrund dieser Lebenserfahrung, die den Familien dann ganz besonders zugutekommt. (Beifall bei der FPÖ.)

Erinnern Sie sich daran, als Sie ein Kind waren: Wenn es da einmal ein richtiges Problem gegeben hat – bei mir war es teilweise so –, ist es ganz interessant, auch mit den Großeltern zu reden. Da tut man sich oft leichter als bei den Eltern – und ich glaube, dass das auch an der Lebenserfahrung liegt, die sich diese Personen angeeig­net haben.

Daher ist es meine Bitte, alles daranzusetzen, um diese gemeinsame Obsorge, diese Reform im Bereich der Familienrichter auf Schiene zu bringen. Es kommt letztendlich den Kindern zugute, und Sie sehen ja auch an diesem Beispiel, wie schlecht es Eltern geht und wie verzweifelt man ist, wenn es nicht gelingt, ein Kind oder Kinder, die man sehr gerne hat, einfach nur zu sehen und ein bisschen Zeit mit ihnen zu verbringen. (Beifall bei der FPÖ.)

18.07


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stein­hau­ser. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 173

18.07.45

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Das Parlament sollte ein Kontrollorgan sein, und wenn es nur die geringsten Anlässe gibt zu mutmaßen, dass in der Staatsanwaltschaft etwas nicht richtig abgelaufen ist, dann haben wir die Verpflichtung, danach zu fragen – und das hat nichts mit Einmischung in die Justiz zu tun.

In diesem Fall gibt es tatsächlich Umstände, die nachhaltige Hinweise liefern, denn man muss die ganze Geschichte erzählen: Ein Rechtsanwalt marschiert mit zwei Anzeigen direkt in das Zimmer eines leitenden Staatsanwaltes – nicht zur Einlaufstelle, nein, direkt ins Zimmer. Dort übergibt er diesem Staatsanwalt, mit dem er privat be­kannt ist, diese beiden Anzeigen. Der betroffene Staatsanwalt ist unzuständig. Das stört ihn nicht, er bearbeitet diese Anzeigen.

Wie geht es weiter? – Durch diese Bearbeitung der Anzeigen wird er auch in Causen zuständig, die sich gegen die Mandantschaft dieses Anwalts richten. Was passiert weiter? – Alle Causen, die sich gegen die Mandantschaft dieses Rechtsanwalts richten, werden eingestellt, die Anzeigen des befreundeten Rechtsanwalts werden zur Anklage gebracht. Man muss nur sagen: Zum Glück hat der Rechtsstaat dahin gehend funktioniert, dass es mit Freisprüchen geendet hat. Aber bei der Staatsanwaltschaft ist es absolut nicht korrekt abgelaufen. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn man genauer schaut, was passiert ist, werden bestimmte Dinge deutlich: Weißun­gen im Tagebuch der Staatsanwaltschaft, völlig widersprüchliche Vorgangs­weisen bei der Frage einer Körperverletzung. Auf der einen Seite regt der Staatsanwalt im Fall der Körperverletzung einen außergerichtlichen Tatausgleich an, gleichzeitig wird gegen die Anzeigerin der Körperverletzung Anklage wegen Verleumdung erho­ben. – Also, widersprüchlicher geht es ja nicht, das stinkt doch, bitte, das ist doch offensichtlich, meine Damen und Herren!

Die Frau Justizministerin sagt: 2006 – das ist richtig. Wir haben Anfragen gestellt, um diese Causa aufzuarbeiten. In einer Anfrage, die Sie mir beantwortet haben, müssen Sie so viel zugeben, wie Sie nicht leugnen können. Sie sagen, es ist richtig, bei der Staatsanwaltschaft Wien hat es Probleme gegeben. Wir haben den Herrn Dr. Sch., der die Leitung des Wirtschaftsreferats innehatte, abberufen müssen. Grund für diese Maß­nahme war, dass der Staatsanwalt Dr. Sch. als Gruppenleiter mehrfach Straf­sachen an sich gezogen und bearbeitet hatte, ohne hierfür zuständig gewesen zu sein, weil sich diese Strafsachen schon vom äußeren Anschein nicht als Wirtschafts­strafsachen im Sinne der Geschäftsverteilung der Staatsanwaltschaft dargestellt hatten.

Dann kommt die österreichische Lösung: Der Staatsanwalt geht in Pension, und im Gegenzug richtet mir dann die Frau Justizministerin aus, dass er zwar unzuständig war, aber fachlich alles vertretbar und sachlich richtig bearbeitet war. Das ist die österreichische Erledigung.

So: Ich habe in dieser Frage weitere Anfragen gestellt. Mich hat nämlich interessiert, ob man sich anschaut, was dieser Staatsanwalt sonst so gemacht hat. Ich habe gefragt, ob es seitens der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden eine Überprüfung gegeben hat, ob dieser Dr. Sch. auch in anderen Fällen unzuständigerweise Strafver­fahren bearbeitet hat, und wenn ja, ob sozusagen unzuständige Bearbeitungen von Strafanzeigen festgestellt wurden, und wenn nein, warum nicht.

Die Frau Justizministerin antwortete mir und hat zu einem alten Trick gegriffen: Es gibt eine Antwort zu den Fragen 2 bis 4 und zu den drei Fragen 21 bis 23 – und welch ein


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 174

Wunder: Die Fragen 2 bis 4 werden beantwortet, die Fragen 21 bis 23 werden mit keinem Wort angesprochen.

Ich weiß das zu interpretieren: Offensichtlich hat es keine Überprüfung gegeben, und insofern, Frau Justizministerin, geht es nicht darum, dass Sie auf haltlose Gerüchte eingehen, nein. Sie müssen konkreten Tatsachen nachgehen, Sie müssen konkreten Umständen nachgehen, die hier am Tisch liegen. Offensichtlich haben Sie sich nicht angeschaut, was dieser Staatsanwalt sonst gemacht hat. Sie haben das unter den Tisch gekehrt und erledigt. So geht es nicht, und da ist das Parlament gefordert – und diese Causa ist noch nicht zu Ende.

Wir werden erstens beleuchten, was da noch gelaufen ist, und zweitens, ob das – ich stelle das als Frage – in der Wiener Staatsanwaltschaft unter mehreren Staatsanwälten System gehabt hat, ja oder nein. Ich formuliere es offen. Lieber ist mir ein Nein, aber wir müssen uns anschauen, ob es nicht eventuell so gewesen sein könnte, denn es gibt Hinweise, dass das nicht ganz aus der Luft gegriffen ist.

Daher mein Appell an Sie als kontrollierendes Organ: Ich erwarte mir von der Justiz­ministerin – gerade als oberster Hüterin der Justiz –, dass sie hier korrekt vorgeht und nichts unter den Tisch kehrt! – Danke schön. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

18.12


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte.

 


18.12.47

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Königshofer! Der erste Teil der parlamentarischen Anfrage, die sich auf den Artikel des Herrn Dr. Unterberger in der „Wiener Zeitung“ bezieht, hat einen ganz anderen Hintergrund gehabt. Der hat sich auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses bezogen, nämlich auf die Umstände, wie dort die Staatsanwaltschaft in den Fällen agiert hat, die wir dort behandelt haben.

Das hat mit dem konkreten Fall überhaupt nichts zu tun, und es ist nicht ganz von der Hand zu weisen: In jedem System kommen Fehler vor, auch in der Staatsanwaltschaft, und es wäre falsch, Frau Bundesminister, das in Abrede zu stellen. Gerade der besagte Herr – darauf hat Kollege Jarolim ja schon hingewiesen – hat eine gewisse Bekanntheit erlangt. Dabei will ich es einmal bewenden lassen, er ist nicht mehr in der Justiz.

Aber es hat andere Fälle auch gegeben. Ich habe einen Fall kennengelernt, wo sich etwa BIA einen Wunschstaatsanwalt ausgesucht hat, oder einen Fall in Kärnten, wo ein Wunschstaatsanwalt einen Fall an sich gezogen hat, aber es war bezeich­nen­derweise kein Regierungsstaatsanwalt, es war ein blauer Staatsanwalt. (Abg. Dr. Königshofer: Ist das in Ordnung?) Er hat dann versucht, über den Abgeordneten Mölzer bei mir zu intervenieren, dass ich meine Untersuchungstätigkeit als Volksanwalt einstelle. Na, was glauben Sie, was das bei mir ausgelöst hat? – Das genaue Gegen­teil. (Abg. Mag. Gaßner: Das kann ich mir vorstellen!)

Also, das gibt es überall. Kein System ist vollkommen fehlerunanfällig, auch nicht das System der Staatsanwälte. Und über die eine oder andere parlamentarische Anfra­gebeantwortung kann man geteilter Meinung sein. Sie werden von mir auch eine Ergänzungsanfrage bekommen, in einem ganz anderen Zusammenhang, wo Sie auch auf eine parlamentarische Anfrage nach der Hase-und-Igel-Methode verwiesen haben.

Da hat es geheißen: Ja, das hat man schon einmal beantwortet, an den Abgeordneten Sowieso, und dort ist dann drinnen gestanden, dass man das nicht beantworten kann, weil die Staatsanwaltschaft kein Substrat hat. Also das ist auch eine „nette“ Art der


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Beantwortung, aber ich bin schon in der Lage, mich zu wehren. Also das machen wir uns mit der nächsten Anfragebeantwortung dann aus.

Schwammig ist das Vorbringen aber allemal, auch in der Anfrage, denn, lieber Kollege Königshofer, ein 80-Seiten-Konvolut habe ich bei meinen Sprechtagen in der Volks­anwaltschaft oft gesehen. Da sind die Leute zum Teil mit dem Harass, mit der Kiste gekommen, deswegen war aber das Vorbringen nicht gehaltvoller. Menge ersetzt noch nicht Qualität, auch nicht im Vorbringen. (Abg. Dr. Königshofer: Lieber Ewald, da steht aber eine Menge drinnen!)

Die Zahl der befassten Stellen ist auch kein Hinweis darauf, dass die Stichhältigkeit des Vorwurfes deswegen schon gegeben sei. Ihre Kollegin Winter hinter Ihnen wird froh sein, dass das so ist. Was man dort alles befasst hat, und trotzdem hat Sie am Schluss dann noch ein faires Verfahren bekommen – oder ist es nicht so gewesen?!

Das heißt also: Die Zahl der Vorbringen und die Zahl der befassten Stellen sagt auch noch nichts über die Stichhältigkeit des Vorwurfes aus, sondern man muss nach der Methode „Audiatur et altera pars“ versuchen herauszufinden, was tatsächlich dahinter steckt – und das habe ich gemacht.

Ich habe eine sehr vorsichtige parlamentarische Anfrage gemacht, auch in diesem Fall. Ich habe mit der Intervenientin mehrere Stunden verbracht, habe mir das alles schildern lassen, habe aber auch geschaut, was auf der anderen Seite anzuhören ist. Ich bin nicht der Einzige, der da vom Parlament befasst wurde, daher bin ich vorsichtig.

Meine Damen und Herren – und das erschüttert mich jetzt am Verlauf dieser Debatte –, kein einziger meiner Vorredner, leider auch Sie nicht, Frau Bundesministerin, hat bisher ein Problem darin gesehen, dass hier im Haus privateste Dinge von der Rostra aus diskutiert werden, ohne dass es überhaupt eine politische Implikation gibt.

Wollen wir in Zukunft jeden Rosenkrieg, jede Scheidungsangelegenheit, jede Bettge­schichte da herinnen behandeln, obwohl es kein einziges Mitglied dieses Hauses oder der Bundesregierung betrifft? Das darf ja nicht wahr sein! Noch haben wir Reste von Intimität in diesem Land, wo der Bürger ein Recht darauf hat, dass hier seine Namen nicht genannt werden! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. Abg. Dr. Königshofer: Die Justiz betrifft’s!)

Wenn du die Justiz angehen willst, da bin ich der Letzte, der das nicht will! Wenn es etwas aufzuklären gilt, dann ist das parlamentarische Interpellationsrecht richtig; aber doch nicht mit der Namensnennung der Betroffenen! Der kann sich gar nicht wehren. Ihr wart beleidigt, als ich gesagt habe, ein Mitglied dieses Hauses – ich habe es beim Namen genannt – hat seine Verbindlichkeiten bei den Putzfrauen nicht bezahlt, im Zu­sam­menhang mit einem Konkurs. Da wart ihr beleidigt, das sei eine Privatangelegen­heit.

Aber wenn ein privater Rechtsanwalt – seine privatesten, intimsten Angelegenheiten – hier behandelt wird, da wird der Name genannt. Was glauben Sie, was die Kinder, die betroffenen Kinder dazu sagen? Die sehen das nämlich mittlerweile etwas anders; wenn man einmal mit der anderen Seite spricht, dann schauen die Dinge auf einmal ganz anders aus.

Ich werde jetzt nicht der Versuchung unterliegen, hier die andere Seite zu referieren, denn es gibt nämlich auch eine andere Darstellung des Sachverhaltes als die, die aus dem Konvolut herauskommt. Da schauen die Dinge dann etwas anders aus, und 19 Strafanzeigen, die zurückgelegt worden sind, sind nicht alle eine einzige Verschwö­rung von zurücklegenden Richtern, von zurücklegenden Staatsanwälten. Die Gerichte haben sich nicht alle verschworen, um den Herrn Staatsanwalt S. und den Herrn Rechtsanwalt Z. zu schützen. Das ist also wirklich Unsinn.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 176

Es hat sich niemand verschworen, die Kinder des Herrn Z. der Frau Ex-Z. zu entziehen, gezielt. Es gibt eine andere Sicht der Dinge, aber solange es keine politi­sche Implikation gibt, gibt es keinen Grund, hier Namen zu nennen, meine Damen und Herren.

Ich appelliere an dieses Haus, den Bürger wenigstens so weit zu schützen, solange es keine politische Notwendigkeit gibt, die Privat- und Intimsphäre der Leute von dieser Rostra fernzuhalten, meine Damen und Herren, Hohes Haus! Das wäre mein Appell an alle Vorredner. (Beifall beim BZÖ.)

Letzter Punkt, Frau Bundesminister: Sorgen Sie dafür, bei der Anfragebeantwortung, dass das, was zu beantworten ist, tatsächlich gehaltvoller ist, und schützen Sie den Bürger vor dem Versuch, die privatesten Dinge ins Parlament zu ziehen. – Danke. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.18


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

18.18.52 Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir nehmen die Verhandlung über die Punkte 5 und 6 der Tagesordnung wieder auf.

Ich mache darauf aufmerksam, dass hiezu nur noch drei Rednerinnen beziehungs­weise Redner zu Wort gemeldet sind, sodass in etwa acht Minuten die Abstimmung hier­über erfolgt.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Vock. – Bitte, Herr Kollege.

18.19.13

Abgeordneter Bernhard Vock (FPÖ): Hohes Haus! Als Betroffener habe ich auch so eine unverschämte Mehrwert-SMS bekommen und habe mich daher mit diesem Fall näher befasst.

Ein Beispiel: „Entschuldige die kurze Störung, dieses SMS kostet 2 €“. Nicht mehr und nicht weniger. Offensichtlich hat da keiner ein Geschäftsinteresse außer der, der mir das gesandt hat. Mir wurden wirklich diese 2 € abgebucht, und das hat sich in Summe in mehreren SMS gehäuft, sodass diese dann plötzlich bei einer Monatsabrechnung 30 € ausmachten.

Und dann habe ich geschaut: Welche Möglichkeiten habe ich als Kunde, mich davor zu schützen?, habe mich natürlich an meinen Betreiber gewandt und habe dort anhand der Rechnung reklamiert, dass hier ungewünschte SMS zugesandt wurden.

Im Kulanzweg habe ich eine Gutschrift bekommen – im Kulanzweg, bitte! Und es wurde nicht jede einzelne SMS recherchiert, sondern man hat mir einfach pauschal eine Gutschrift erteilt.

Natürlich habe ich eine Beschwerde bei der Regulierungsbehörde eingebracht. Jeder, der einmal diesen Weg gewählt hat, sieht, wie mühsam es ist, dieses Formular aus­zufüllen. Man muss genau den Text der SMS kennen, man muss den Absender kennen. Und wer so ein lächerliches SMS bekommt, der löscht es wieder. Beim Betreiber kann man nur generell alle SMS sperren, alle Mehrwert-SMS. Das heißt, man kann auch keine Wahlinformation des ORF mehr bekommen, es gibt nur die generelle Sperre.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 177

Ich habe mich auch bei allen Betreibern erkundigt: Es gibt nur die generelle Sperre der SMS. Es gibt kein Filtern, wie den Spam-Filter beim Internet, wo ich sage, gewisse Nummern möchte ich gesperrt haben.

Ich habe auch keine Antwort von der Regulierungsbehörde bekommen. Ich sehe das so: Wenn von meinem Bankkonto ungerechtfertigt etwas abgebucht wird – das ist für mich der Vergleich, Herr Minister –, dann kann ich das innerhalb von sechs Wochen retour fordern und bekomme mein Geld. Es muss sich eben dann derjenige, der die Abbuchung gewünscht hat, mit mir auseinandersetzen. – Wenn ich vom Handy-Konto etwas abgebucht bekomme, habe ich keine Rechte mehr.

Wer schon selbst den Beschwerdeweg bei der Regulierungsbehörde gewählt hat, der weiß, warum die Zahl der Beschwerden dort deutlich zurückgeht, Herr Minister. Büro­kratismus und Leugnen dieser Probleme lösen diese Probleme nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

18.21


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Kaipel. – Bitte.

 


18.21.49

Abgeordneter Ing. Erwin Kaipel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Nur einige wenige Bemerkungen zu den in Verhandlung stehenden Anträgen.

Zum Antrag betreffend unerwünschte Mehrwert-SMS: Es ist richtig, dass in den vergangenen Jahren Massenbeschwerden dazu eingegangen sind. Das hat aber dazu geführt, dass die Regulierungsbehörde gemeinsam mit den Betreibern und mit dem Bundeskriminalamt sowie den Verbraucherorganisationen ein Monitoring eingerichtet hat mit dem Ergebnis, dass es im vorigen Jahr dann kaum mehr zu Beschwerden gekommen ist.

Die Umsetzung der Forderung des Antrages heißt natürlich nicht automatisch, dass das Problem auch gelöst ist. Sehr wahrscheinlich würde uns das Problem dann auf Umwegen wieder erreichen, und dann wahrscheinlich auch mit dem Nachteil, dass durchaus gewünschte Mehrwertdienste verhindert werden. – Ich möchte dazu noch bemerken, dass es ohnedies auch jetzt schon möglich ist, diese Mehrwertdienste zu sperren.

Ich denke, dass es sinnvoll wäre, eine Aufklärungskampagne zu organisieren, wo der Konsument über mögliche Vertragsinhalte aufgeklärt wird, sodass der Konsument ihm vorgelegte Verträge weniger sorglos unterschreibt.

Zum zweiten Antrag: SAR-Werte-Kennzeichnung auf den Handys. – Zweifellos sind die Strahlenbelastungen, die es möglicherweise geben kann, ernst zu nehmen. Es gibt dazu auch mehrere Untersuchungen, und solche wird es dazu auch in Zukunft geben. Allerdings bescheinigen alle Unbedenklichkeit. Diese Untersuchungen sind ja auch Grundlage zur Fixierung von Grenzwerten, und wie heute schon mehrfach erwähnt wurde, werden diese Grenzwerte von allen in Österreich vertriebenen Geräten teilweise sehr stark unterschritten. Das ist zweifellos ein wesentlicher Punkt für die Sicherheit der Konsumenten.

Die SAR-Werte sind keine Werte, die geheim gehalten werden. Sie können mehrfach organisiert werden – übers Internet, beim FMK, auch in der Produktbeschreibung. Und es kann das tatsächlich auch in einem Kaufgespräch problemlos geklärt werden; das habe ich selbst schon erfahren dürfen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 178

Möglicherweise haben wir ein Problem bei den Untersuchungen – dann ist es ein anderes Thema. Dann müsste man sich gesondert damit auseinandersetzen. Solange dieser Strahlenbelastung Unbedenklichkeit bescheinigt wird, sehen wir keinen Hand­lungs­bedarf, dem Antrag nachzukommen. (Beifall bei der SPÖ.)

18.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Wortmeldung: Frau Abgeordnete Dr. Moser. – Bitte.

 


18.24.46

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Herr Minister! Nur ganz kurz ein paar Sätze. Wir haben ja schon ausgiebiger diskutiert über die Bestrahlung, über elektromagnetische Strahlung insgesamt. Ich möchte in dem Zusammenhang, da sich leider herausgestellt hat, dass die Regierungsvertreter im Parlament den Betrei­bern sehr stark die Stange halten, einen Konsens aus der Steiermark auch hier zur Abstimmung bringen. Es hat eine einstimmige Resolution im Landtag in der Steiermark gegeben, nämlich zur Verkabelung einer Hochspannungsleitung, einer 110-kV-Leitung, damit die betroffenen Anrainer nicht verstärkten elektromagnetischen Feldern ausge­setzt sind, und ich möchte deshalb folgenden Entschließungsantrag einbringen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die Verlegung der 110-kV-Leitung zwischen Graz Hbf und Werndorf in einer Tieflage von mindestens 1,5 m und mit der notwendigen Abschirmung Sorge zu tragen, damit eine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung ausgeschlossen werden kann.“

Ich hoffe, dass der Konsens der Steiermark sich hier in Wien wiederholen lässt. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

18.26


Präsident Fritz Neugebauer: Frau Abgeordnete, ich gehe davon aus, dass das, was Sie jetzt vorgelesen haben, der Nationalrat beschließen soll. (Heiterkeit. – Abg. Dr. Moser bejaht.) Dieser Satz hat gefehlt. – Der Antrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Schatz, Moser, Kogler, Freundinnen und Freunde betreffend Erd­verkabelung der geplanten 110-kV-Leitung Graz-Werndorf in Tieflage zum Schutz der AnrainerInnen vor elektromagnetischer Strahlung

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Ausschusses für Konsu­men­tenschutz über den Antrag 872/A(E) der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend freiwillige Kennzeichnung des SAR-Wertes von Mobiltelefonen (670 d.B.)

Der Schutz der Gesundheit der KonsumentInnen vor möglichen Belastungen durch elektro­magnetische Strahlung ist nicht nur im Zusammenhang mit Mobilfunk, sondern auch bei Starkstromleitungen ein Thema.

Die ÖBB planen die Verlegung einer 110-kV-Leitung entlang der GKB-Trassen vom Grazer Hauptbahnhof bis nach Werndorf. Diese Trasse führt teilweise durch dicht besiedeltes Stadtgebiet, viele Wohnobjekte und Siedlungen sind betroffen. Viele Bür­gerinnen und Bürger sind besorgt, es hat sich im Zusammenhang mit diesem Projekt im Hinblick auf UVP-Pflichtigkeit und ausreichend tief gelegte Erdverkabelung eine Bürgerinitiative gebildet.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 179

Die Tieferlegung des Kabeltroges auf 1,5 Meter unter der Erdoberfläche, wie dies bei vergleichbaren Projekten auch durchgeführt wird, würde die von den AnrainerInnen befürchteten Gesundheitsgefährdungen (insbesondere durch die von Starkstrom­leitun­gen ausgehende elektromagnetische Strahlung) hintanhalten und zu einer wesentlich größeren Akzeptanz des Gesamtprojekts führen.

In den letzten Wochen haben sich daher der Landeshauptmann der Steiermark, Franz Voves (in Schreiben an Mitglieder der Bundesregierung) und der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz (in einem einstimmigen an die Bundesregierung gerichteten Beschluss am 25.3.2010) für eine auf (mindestens) 1,5 Meter tiefergelegte Erdver­kabelung mit entsprechender Abschirmung stark gemacht, um eine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung auszuschließen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, für die Verlegung der 110-kV-Leitung zwischen Graz Hbf und Werndorf in einer Tieflage von mindestens 1,5 m und mit der not­wendigen Abschirmung Sorge zu tragen, damit eine gesundheitliche Gefährdung der Bevölkerung ausgeschlossen werden kann.

*****

18.26.27

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zu den Abstimmungen.

Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Be­richt 669 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Kolleginnen und Kollegen, die ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Konsumentenschutz, seinen Bericht 670 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte um Ihre Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Schatz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erdverkabelung der geplanten 110-kV-Leitung Graz–Werndorf in Tieflage zum Schutz der AnrainerInnen vor elektromagnetischer Strahlung.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich um ein Zeichen. – Der Antrag ist abgelehnt.

18.27.167. Punkt

Bericht des Rechnungshofausschusses betreffend den Bericht (III-21 d.B.) des Rechnungshofes, Reihe Bund 2009/1; Band 6 – WIEDERVORLAGE (623 d.B.)

Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 7. Punkt der Tagesordnung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Zanger. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 180

18.27.38

Abgeordneter Wolfgang Zanger (FPÖ): Herr Präsident! Guten Abend, Herr Rech­nungs­hofpräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diesen Bericht werden wir nicht zur Kenntnis nehmen. Das hat allerdings nicht mit der Arbeit des Rechnungshofes zu tun, sondern damit, dass ein Kapitel darin beinhaltet ist, nämlich dasjenige über die ausgewählten Ermittlungsmethoden, das wir gerne noch weiter diskutiert hätten, was uns allerdings von der Regierung verwehrt wurde. Aus diesem Grund werden wir nicht zustimmen.

Ein weiterer interessanter Punkt, wo es um das österreichische Vermögen geht, ist der Punkt Bundesforste. Hier hat der Rechnungshof sehr kritisch angemerkt, dass mehrere Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie hätten laufen sollen.

Zum einen gibt es da eine sehr fragwürdige Seentransaktion. Im Jahre 2001 hat der Bund elf in seinem Besitz befindliche Seen an die Österreichischen Bundesforste übertragen und dafür eine Sonderdividende in der Höhe von 58 Millionen € kassiert. Für diese Dividende mussten allerdings die Österreichischen Bundesforste Liegen­schaftsbesitz verkaufen. Kurz darauf wurden diese Seen wieder an den Bund zurück­verkauft, und zwar um 59 Millionen €. Es hat sich sozusagen nichts geändert, die Verwaltung bleibt bei den Bundesforsten.

1 Million € netto wurden hier an Nebenspesen verplempert, ohne dass sich etwas geändert hat, und der effektive Liegenschaftsbesitz des Staates ist gesunken. Hier ortete der Rechnungshof – meines Erachtens zu Recht – die Nichteinhaltung des § 1 des Bundesforstegesetzes, nämlich der Substanzerhaltungspflicht. (Abg. Mag. Gaßner: Da können aber die Bundesforste nichts dafür!) – Aufpassen, Kollege Gaßner! Warte nur, es kommt noch besser.

Ebenso kritisierte der Rechnungshof, dass die Bundesforste einen negativen Liegen­schaftssaldo ausgewiesen haben. Das heißt, sie haben mehr an Liegenschaften abge­geben, als sie zugekauft haben. Das war im Jahr 2007, wo der Rechnungshof geprüft hat. Das heißt also, es beinhaltet alle Transaktionen bis zum Jahr 2006.

Ich habe mir die Anfragen, die ich vom Jahr 2007 an bis 2009 gestellt habe, heraus­gesucht und saldiert: In den Jahren 2007 bis 2009 – das war also noch nicht im Prüf­zeitraum enthalten – haben die Bundesforste rund 369 Hektar an Liegenschaften ange­kauft und 566 Hektar verkauft. Das ergibt wieder einen negativen Saldo von 200 Hek­tar, einen effektiven Abgang, und somit kann man eigentlich von einer Verscherbelung österreichischen Vermögens sprechen, was, wie gesagt, nach § 1 des Bundesforste­gesetzes nicht gedeckt ist.

Wir wollten eigentlich eine sehr spannende Diskussion mit dem Herrn Land­wirtschafts­minister führen, wer denn die Käufer dieser Liegenschaften sind, aber er hat auf den Datenschutz verwiesen, so wie immer, wenn es anscheinend etwas zu verschleiern gibt. Auch in der Anfrage hat er sich dazu nicht klar geäußert. Und ich frage hier vielleicht auch den Herrn Rechnungshofpräsidenten, wie er denn das sieht. Grund­stückstransaktionen sind, wenn sie verbüchert sind, ja öffentlich. Das Grundbuch hat ein Öffentlichkeitsprinzip, da kann man Einsicht nehmen. Wie verträgt sich das mit der Informationsverweigerung durch den Landwirtschaftsminister, was die Käufer betrifft? (Beifall bei der FPÖ.)

18.31


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lapp. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 181

18.31.33

Abgeordnete Mag. Christine Lapp (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Hohes Haus! Der Bericht, den wir heute behandeln, geht ins Jahr 2007 zurück; also sämtliche Prüfungen, die in diesem Bericht aufgelistet sind, sind im Jahr 2007 abgewickelt worden. Das ist ein Vorteil, wenn man sich Prüfverfahren sozu­sagen über einen längeren Zeitraum anschauen kann, denn dann kann man gleich­zeitig im Ausschuss mit den Ministerinnen und Ministern die Umsetzung begutachten und diskutieren. Und durch den zeitlichen Abstand ist natürlich auch gewährleistet, dass wir auch im Rechnungshofausschuss eine Evaluierung der Umsetzungsmaß­nahmen vornehmen können.

Wir haben in sehr vielen Ausschusssitzungen die Kapitel in diesem Bericht abge­handelt. Das hat sich auch schon fast über ein Jahr hingezogen, da wir ja unter­schiedliche Kapitel zu unterschiedlichen Zeiten behandelt haben. Auf die einzelnen Kapitel gehen meine Kolleginnen und Kollegen von der sozialdemokratischen Parla­mentsfraktion noch ein.

Herausheben möchte ich an dieser Stelle die ausgewählten Ermittlungsmaßnahmen. Da gab es bei den Fraktionen unterschiedliche Meinungen, ob diese Sondereinheit für Observation dezentral oder zentral organisiert werden soll. Wir konnten aber auch fest­stellen, dass es eine Budgetsteigerung gab für diese Sondereinheit Observation, und wir konnten aufgrund des Berichtes des Rechnungshofes auch feststellen, dass das Zusammenwirken mit der Justiz verbesserungswürdig ist.

Auch die Liegenschaftsverwaltung der Österreichischen Bundesforste konnten wir behan­deln. Es gibt bereits einen Evaluierungsbericht sowie Informationen an den Auf­sichtsrat, und es gibt ebenso Forderungen des Rechnungshofes, wo wir feststellen konnten, dass diese umgesetzt wurden.

Auch beim Institute of Science and Technology wurden die Liegenschaftsgewinnung und auch die Finanzierung behandelt.

Es ist ein Vorteil, dass ein Bericht, der sozusagen länger hier bei uns im Haus liegt, über einen längeren Zeitraum behandelt wird. Es ist aber auch ein Vorteil, wenn wir da­nach trachten, die Berichte aktuell zu behandeln. Ich denke mir, dass wir im Rech­nungshofausschuss im heurigen Frühjahr eine sehr gute Vorgangsweise gewählt haben, und ich möchte mich auch bei den Ministerinnen und Ministern bedanken, da durch die gute Einteilung und die gute Zusammenarbeit eine effiziente Kontrolltätigkeit möglich war. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.34


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Dr. Spadiut ist als Nächster zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


18.34.28

Abgeordneter Dr. Wolfgang Spadiut (BZÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Vom Rechnungshof überprüft wurden auch ausgewählte Ermittlungs­verfahren des BMI, und ich muss sagen, das Ergebnis war eigentlich erschütternd. Bei der Prüfung kam nämlich heraus, dass sich die Gerichte selbst nicht an die Gesetze hielten. Da wurden in 90 Prozent der Fälle deutlich mehr Informationen an die Telefon­firmen übermittelt, als gesetzlich erlaubt ist. Diese Firmen erfuhren nicht nur den Namen des Abzuhörenden, sondern auch den des Beschuldigten und die Tat, deren er verdächtigt wurde. Selbst die Identität von Vertrauenspersonen wurde den Telefonfir­men enthüllt, sogar der Name eines verdeckten Ermittlers wurde genannt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 182

Diese Hinweise waren aus der Sicht des Rechnungshofes geeignet, die körperliche Integrität und Sicherheit dieser Personen zu gefährden. Der Rechnungshof spricht von gesetzwidrigen Handlungen der Gerichte.

Der Rechnungshof geht aber auch mit den Telefonfirmen hart ins Gericht, und zwar wird unzureichende Mitwirkung an der Überwachung attestiert.

Die Frau Innenminister wird gut daran tun, darauf zu achten, dass solche Missstände nicht mehr vorkommen und der Staat in Zukunft nicht gegen die eigenen Gesetze verstößt. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

18.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


18.36.09

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungs­hofes! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Die Österreichischen Bundesforste sind ja ausgegliedert worden und sind ein erfolgreiches Unternehmen. Es war ja früher ein Zuschussbetrieb, und heute liefern sie Dividenden an den Staatshaushalt ab. Bei der Prüfung hat der Rechnungshof durchaus noch einige Optimierungs- und Verbes­serungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Der Rechnungshof hat den Liegenschaftsbestand, die Substanzerhaltung und die Be­teili­gungen geprüft. Die Vorredner haben ja schon teilweise darüber berichtet, dass es gerade bei den Liegenschaften unvollständige Datenbanken gegeben hat, dass es bei den Verkaufsabwicklungen natürlich nicht immer die entsprechende Transparenz gegeben hat, gerade bei den Seenverkäufen. Und im Grunde genommen geht es auch um die Dokumentation der Liegenschaftstransaktionen.

Aber insgesamt glaube ich, sagen zu können, die Österreichischen Bundesforste sind im Staatsbesitz und werden professionell verwaltet und vermarktet. Ich meine, es geht einfach darum, dass wir die Bedeutung der Bundesforste erkennen, da die Ressourcen, die die Bundesforste verwalten, wichtig sind für unseren Lebensraum.

Es mussten die Österreichischen Bundesforste aber gerade bei den Beteiligungen – und das hat mich persönlich schon einigermaßen bewegt – im Ausland oder mit ausländischen Firmen, bei der Foria Forstmanagement und beim Projekt Kostroma in Russland erhebliche Jahresverluste erleiden. Der Rechnungshof hat dazu festgestellt, dass es unter diesen Umständen die wirtschaftlichste Lösung war, aus diesen Projek­ten auszusteigen. Ich glaube, man muss hier sehr vorsichtig agieren. Es wurde zwar viel­leicht immer zu spät reagiert bei solchen Dingen, aber trotzdem, es wurde reagiert, und es wurde das, was der Rechnungshof aufgezeigt hat, auch umgesetzt.

Insgesamt wurden die Forderungen und Empfehlungen umgesetzt; der Präsident hat das im Ausschuss ja berichtet. Es wurde eine Liegenschaftsdatenbank nachjustiert, es gibt ab sofort die Dokumentation der Liegenschaftstransaktionen – das wurde verbes­sert –, es wurde das Seenkonzept evaluiert, die Seenvermessung wurde in Angriff genom­men, und das Beteiligungsmanagement wurde in der Zwischenzeit durch den Aufsichtsrat genehmigt.

Der Blick zurück: Prüfzeitraum März/Oktober 2007, Vorlage 2008 – und im Jahr 2010 ist bereits vieles umgesetzt. Ich glaube, es sollte auch in Zukunft noch vieles ver­bes­sert werden, damit dieser Betrieb auch eine erfolgreiche Zukunft hat. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.38


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Gaßner. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 183

18.39.01

Abgeordneter Mag. Kurt Gaßner (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Kollege Zanger, die Bundesforste haben für die Seentransaktion über­haupt nichts gekonnt. Diese eigenartige Transaktion ist damals im Budgetbegleitgesetz 2001 versteckt worden, und man hat die Bundesforste verpflichtet, ihre Rücklagen aufzulösen. Das war dieser Finanzminister, der so gut war – haben die Leute damals gesagt. Heute sagen die Leute etwas anderes. Und ich glaube, damals, 2001, war es auch noch Ihr Finanzminister, oder? (Abg. Zanger: Nein, da war er schon ein Schwarzer!) – Nein, nein, 2001 hat er noch zu euch gehört! Und er hat damals die Bundesforste gezwungen, diese Sonderdividende zu zahlen.

Spannend war dann, dass die Seen an den Bund zurückverkauft wurden und der Bund diesen Rückkauf damit finanziert hat, dass er Grundstücke verkauft hat. Dieselben Seen waren immer im öffentlichen Besitz, kurzfristig bei den Bundesforsten, aber die Bundesforste gehören ja auch der öffentlichen Hand. Also eine wilde Transaktion, nur damit dieser damalige Wunderwuzzi, heute entzauberter Finanzminister, sein Nullde­fizit zustande bringen konnte, das nie eines war. Das war der Grund, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist wirklich nicht anständig, mit einem Betrieb wie dem der Bundesforste, der hervorragende Arbeit leistet, so umzugehen. Wenn mich nicht alles täuscht, Herr Präsident des Rechnungshofes, haben auch andere Finanzminister noch ganz eigen­artige Gelüste in der Form, dass sie Dividenden vorschreiben. Nach meinem Wis­sens­stand hat man dann Dividenden zu zahlen, wenn die Ertragslage dement­sprechend ist.

Es gibt hier Finanzminister, die ganz bestimmte Zahlen vorschreiben, die sie im Budget brauchen. Das geht wieder zu Lasten eines gut funktionierenden Betriebes, nämlich der Bundesforste AG. Ich hoffe, dass diese Art von Budgetsanierung über die Bundesforste endlich aufhört und dass man die Bundesforste ihre gute Arbeit machen lässt wie bisher. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Huber.)

18.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schittenhelm. – Bitte.

 


18.41.35

Abgeordnete Dorothea Schittenhelm (ÖVP): Sehr geehrte Herren Präsidenten! Hohes Haus! 2007 wurde der Bericht durch den Rechnungshof bezüglich der Elite-Universität in Klosterneuburg erstellt. Damals ist es um die Standortwahl gegangen, um die Finanzen dieses großen wissenschaftlichen Projekts und um die Erfolgs­aussichten, die von dieser Spitzenforschungseinrichtung aus zu erwarten waren.

Heute wissen wir, die Wahl des Standortes war richtig, und heute wissen wir, dass sich die Finanzierung in erster Linie durch das Land Niederösterreich mit 75 Millionen € an Investition und weitere Investitionen durch den Bund und private Sponsoren mittler­weile gelohnt hat. Heute wissen wir auch, dass diese Elite-Uni, IST Austria genannt, sich der naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung mit dem Ziel widmet, bis zum Jahr 2016 zu einem erstklassigen Forschungszentrum zu werden, das ein inter­natio­nales, hochmodernes Umfeld für rund 600 Wissenschafterinnen und Wissenschafter bieten soll. Bis Ende dieses Jahres 2010 werden es zehn Professoren sein, 65 For­sche­rinnen und Forscher und 25 Mitarbeiter, die dort beschäftigt sein werden.

Es gibt allerdings einen kleinen Wermutstropfen, das möchte ich anmerken: Wir haben ohnehin nur sehr wenige Professorinnen an Österreichs Universitäten, und man sollte annehmen, dass bei der Schaffung einer neuen Einrichtung von Anfang an auf eine passende Frauenquote geachtet wird. Dem ist nicht so. Das Exzellenzinstitut in


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Klosterneuburg, obwohl enorme Finanzmittel in dieses Institut fließen, hat keinerlei verpflichtende Frauenquote eingeführt und es gibt keine Verpflichtung zur Frauen­förderung. Ich meine, sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes, das wäre auch einer Prüfung würdig. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schönpass.)

18.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


18.43.50

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Damen und Herren! Es trifft sich gut, dass ich nach meiner Landeskollegin, Frau Kollegin Schittenhelm, auch zum Thema Institute of Science and Technology in Maria Gugging sprechen darf – noch dazu, wo wir ja auch schon im Landtag von Niederösterreich hin und wieder die Klingen gekreuzt haben.

Aber in diesem Fall, sehr geehrte Damen und Herren, kann ich über weite Strecken meiner Vorrednerin zustimmen. Es gibt natürlich gewisse Einschränkungen, liebe Kollegin. Ich möchte zitieren, was „Die Presse“ vor einem Jahr geschrieben hat. Sie hat geschrieben: „(...): Ohne Expansion droht ,Rohrkrepierer‘“.

Das war anlässlich der offiziellen Eröffnung des IST Austria, und ich gehe davon aus, der Rohrkrepierer ist es nicht geworden, aber die Probleme sind immer noch nicht beseitigt, sehr geehrte Frau Kollegin, geschätzte Damen und Herren.

Das hat auch der Rechnungshof so gesehen. Er hat im Jahr 2007 geprüft – das ist lange her. Es hat sich sehr viel getan, und es wurden auch die Empfehlungen des Rech­nungshofes weitestgehend umgesetzt. Aber die grundsätzliche Kritik ist nach wie vor immer noch im Raum. Ich zitiere einige Kritiker, man kann das sehen, wie man will: Grundsätzlich kann man an einer Elite-Universität seine Zweifel haben. Was heißt „Elite“? Für wen ist die Universität offen? – Unter gewissen Voraussetzungen hat sich das dann zum Guten gewandt.

Eine zweite Kritik wurde schon angesprochen, nämlich die Standortkritik. Als Niederösterreicher bin ich auch froh darüber, dass dieses Institut in unserem Bundesland etabliert ist. Das sehen nicht alle so. Ich zitiere Herrn Professor Muck von der Medizinischen Universität Wien, der gemeint hat, dass es eine Isolierung geben würde, weil man zu weit vom Stadtzentrum weg sei.

Aber wesentlicher war die kritische Sicht bei den Inhalten zum IST Austria. Da muss ich schon anschließen, das ist schon tiefer gehend, denn es hat der Gründervater, könnte man sagen, der Ideenbringer Universitätsprofessor Zeilinger ja auch ange­merkt, dass eine Isolation zu befürchten ist, wenn nicht die Zusammenarbeit mit den anderen Universitäten gegeben ist. Hier ist also auch IST Austria gefordert.

Der Erfolg hängt vor allem von den klaren Zielvorgaben ab: Forschung auf höchstem Niveau und frei von politischer Einflussnahme. Das ist auch ganz eindeutig.

Mit einem Seitenblick auf dich, Frau Kollegin, frage ich: Weiß das auch die ÖVP Niederösterreich? – Hoffentlich. Dafür soll auch die Finanzierungszusage sorgen; die Finanzierungszusage soll sicherstellen, dass sich dieses Institut frei entwickeln kann. Und da liegt das große Problem: Es fehlt an Geld. Es fehlt nach wie vor an Geld.

Der Rechnungshof hat eine große Finanzierungslücke aufgezeigt, und das Institut selbst muss zwischen 80 und 100 Millionen € aufbringen. Dank privater Sponsoren – ich erwähne zum Beispiel die jüngste Spende der Invicta-Stiftung in Höhe von 10 Millionen € – ist das leichter möglich, aber es wird die Lücke nicht zu schließen sein.

In diesem Sinne möchte ich schließen. Wenn die Frau Wissenschaftsministerin hier wäre, würde ich sagen: Sie haben eine große Verantwortung, Frau Wissenschafts­


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minis­terin, um die Erreichung der Ziele des IST Austria zu sichern. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schittenhelm.)

18.47


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler. – Bitte.

 


18.47.09

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Präsident des Rechnungshofes! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Einleitend möchte ich festhalten, dass wir heute mit diesem Kapitel, zu dem ich spreche, nämlich „Ausgewählte Ermittlungsmaßnahmen“ ein Thema diskutieren, das sich auf Prüftätigkeiten des Rechnungshofes im Jahr 2007 bezieht. Ebenso nicht uner­wähnt bleiben sollte die Tatsache, dass die Tätigkeit von Exekutive und Sicher­heitsbehörden im Zeitraum zwischen den Jahren 2001 und 2006 geprüft wurde. Und da muss man sich schon grundsätzlich fragen, ob es Sinn macht, Berichte zu diskutieren, die sich auf längst vergangene Zeiten und auf die Zuständigkeiten längst nicht mehr tätiger Minister beziehen.

Nun, mein Kollege Peter Pilz hat es vorgezogen, heute zu diesem Thema nicht zu sprechen. Er hat dies sehr ausführlich und in seiner gewohnten Theatralik im Aus­schuss gemacht und dort auch wieder massive Vorwürfe gegen Exekutive und Justiz vorgebracht. Aber diese nach wie vor im Raum stehende Kritik möchte ich mit zwei Zitaten aus diesem Bericht entkräften, denn gleich im ersten Absatz heißt es:

„Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die besonderen Ermittlungsmaßnahmen und für die Telekommunikationsüberwachung waren ausreichend.“

Auf Seite 13 finden wir die Sätze:

„Der RH stellte weiters fest, dass sich der große Späh- und Lauschangriff aus ermitt­lungs­taktischer Sicht zur wirksamen Kriminalitätsbekämpfung bewährte.

Der RH teilte die wiederholte Einschätzung des BMJ, dass mit dem Ermittlungs­instrument des großen Späh- und Lauschangriffes maßhaltend und verhältnismäßig umgegangen wurde; (...).“

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass der Großteil der Empfehlungen des Rech­nungshofes – die Ministerin hat dies im Ausschuss ausführlich dargelegt – umgesetzt wurde. So wurde etwa die Sondereinheit für Observation mit Wirksamkeit 1. Juli 2009 dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit unterstellt, die Beschaffung der Ausrüstungsgegenstände mit höchster Priorität durchgeführt, und auch die technischen Mittel, beispielsweise für die Überwachung des Internetverkehrs, bereits vor Jahren bereitgestellt.

Sie sehen, die Kritik des Rechnungshofes wurde ernst genommen und die notwen­di­gen Verbesserungsvorschläge umgesetzt. Der vorliegende Bericht stellt der Arbeit von Exekutive und Polizei insgesamt ein positives Zeugnis aus, auch wenn das so manche hier im Haus nicht wahrhaben wollen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Mag. Gaßner und Mag. Wurm.)

18.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. – Bitte.

 


18.50.08

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungshofes! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich meinem


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Vorredner hinsichtlich des Zeitpunktes der Diskussion dieser Berichte anschließen. Wir haben sehr ausführlich über diesen Bericht diskutiert, aber die Überprüfung liegt schon einige Zeit zurück.

Bei den „Ausgewählten Ermittlungsmaßnahmen“ standen für den Rechnungshof vor allem die Effizienz und die Effektivität des Innen- und des Justizministeriums im Vor­dergrund, und auch deren Zusammenwirken wurde überprüft.

Bei der Überwachung der Telekommunikation gab es keine Möglichkeit zur Über­mittlung detaillierter und aussagekräftiger Daten, weil kein geeignetes Instrumentarium erarbeitet werden konnte und zur Verfügung stand, welches statistische Zwecke unterstützt. Es sollte eigentlich hinsichtlich einer Qualitätssicherung selbstverständlich sein, dass ein einheitliches Erfassen von Daten möglich ist.

Der zweite berechtigte Kritikpunkt des Rechnungshofes betrifft die Geheimhaltungs­vorschriften im österreichischen Gerichtswesen, wo Gerichte Überwachungen durch­geführt haben und das dazu geführt hat, dass der Erfolg der Ermittlungsmaßnahmen gefährdet oder auch behindert war, weil zum Beispiel die Geheimhaltungsvorschriften nicht eingehalten wurden. Es ist unverständlich, dass dann auch Daten vom Konto­auszug dieser Dolmetscherin angeführt wurden, die überwacht werden sollte.

Bei Stichprobenüberprüfungen konnte festgestellt werden, dass die Einhaltung der Geheimhaltungsvorschriften durch die Gerichte nicht durchgeführt wurde, bei 90 Prozent haben die Gerichte gesetzwidrig Anordnungs- statt Mitwirkungsbeschlüsse übermittelt, wo wesentlich mehr Daten mitgegangen sind.

Die positive Nachricht hat mein Vorredner schon erwähnt, nämlich dass der Empfeh­lung des Rechnungshofes nachgekommen wurde und das Innenministerium die Son­dereinheit für Observation direkt dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit unterstellt hat, wobei die Anzahl der Planposten reduziert wurde. Der Rechnungshof hat die Wiederherstellung des ursprünglichen Personalstandes empfohlen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.52


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Faul. – Bitte.

 


18.53.05

Abgeordneter Christian Faul (SPÖ): Herr Präsident! Herr Präsident des Rech­nungs­hofes! Ich gebe dem Kollegen Gahr recht, die Geschichte der Bundesforste ist eine Erfolgsgeschichte – die Einzige, die ich seit meiner Zeit im Hohen Haus kenne. Eine einzige Ausgliederung, die wirklich erfolgreich war. Ich habe darüber nachgedacht, warum das so ist. Menschen, die sich permanent und erfolgreich gegen den Borkenkäfer wehren, können sich auch wehren, wenn man sie zu Tode sparen oder zu Tode ausverkaufen will.

Lieber Kollege Zanger, obwohl wir vom Jahr 2007 reden, geht die Erhebung auf das Jahr 2002 zurück. Im Jahr 2002 – es werden sich viele noch erinnern können – haben wir die schönen österreichischen Firmen ausverkauft – da war Kollege Bartenstein dahinter. Weg, billig, raus! Kollege Grasser hat alles andere verscherbelt.

Wenn man die alten Papiere anschaut, die heute noch irgendwo bei den Bundes­forsten herumliegen, so sieht man, dass es sehr gute Optionen vom damaligen Prä­sidenten Prinzhorn gegeben hat. Ich weiß nicht: Welcher Partei hat er angehört? – Aber er hat sich dort die Optionen für die Gustostückerln an den Bundesforsten ge­sichert. Er hätte alles zu einem passenden Preis gekauft, und wer vom Holz etwas versteht, der weiß, mit dem ersten Einschlag hätten Prinzhorn und Genossen sofort den gesamten Kaufpreis gehabt, und der Republik wäre übrig geblieben, was eigent­


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lich unwirtschaftlich gewesen wäre, nicht brauchbar und was nur den Pflegebedarf erhöht hätte. – Das war die eine Geschichte.

Wenn man heute so handzahm und so lustig über Foria und Kostroma redet, dann muss man fast von Koma reden. Das waren ja wirklich Experten, welche die damaligen Landwirtschaftsminister entsandt haben. Damit ich es ein bisschen witzig sage, das waren Leute, die man im Winter in die Taiga geführt hat, da war es schön gefroren, dann haben sie den Stamm angeklopft, der war hart, und sie haben dort den gefro­renen Boden und das Hartholz gekauft – so ähnlich wie wir den Deutschen einen Baugrund am See verkaufen, der dann wieder eingeht. Im Frühjahr sind sie eines Besseren belehrt worden. Sie haben nicht hinfahren können, das Holz war morsch, war überhaupt nicht brauchbar.

Wenn man das mit den Leuten vergleicht, die sich zu der Zeit privat in Russland festgesetzt haben, heute erfolgreiche steirische Unternehmen – da hätte man sich etwas anschauen können.

Ich denke, diese Ausgliederung, immer verbunden mit der Freunderlwirtschaft, das ist die späte Rechnung dafür gewesen, wie man es einfach nicht machen soll.

Positiv ist die heutige Entwicklung. Die Bundesforste sollten in Wirklichkeit noch mehr Vorbildwirkung für alle anderen Forstbetriebe in Österreich haben, damit man von ihnen etwas lernen kann. Positiv ist, dass sie letztlich ein erfolgreiches Unternehmen auf gutem Wege sind. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.56


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 


18.56.06

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Geschätzte Herren Präsidenten! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Rechnungshof kritisierte, dass die Bundesforste ihren wirtschaftlichen Erfolg nicht wie erhofft durch die in der Vergangenheit eingegangenen Beteiligungen absichern konnten.

Bereits im Jahr 2002 wurde etwa ein Gemeinschaftsunternehmen mit den finnischen Staatsforsten gegründet, um in Mittel- und Osteuropa beziehungsweise in Russland Forstmanagement zu betreiben. Durch Managementfehler musste das Gemein­schafts­unternehmen im Jahr 2006 liquidiert werden, und die Österreichischen Bundesforste ver­loren dadurch 9 Millionen €. Der Rechnungshof bestätigte allerdings in seinem Bericht, dass die Liquidation unter den gegebenen Umständen noch die wirtschaft­lichste Lösung war.

Die Prüfer orteten weiters Mängel beim Erwerb von elf Seen, die Verpflichtung zur Substanzerhaltung der Liegenschaften wurde nicht eingehalten und durch den Zeitdruck – der Verkauf mancher Liegenschaften innerhalb eines Jahres – konnte nicht der optimale Verkaufspreis dafür erzielt werden.

Die Kritikpunkte und die Empfehlungen des Rechnungshofes wurden jedoch von den Bundesforsten prompt erledigt.

Geschätzte Damen und Herren, auch wenn die Dividendenpolitik nicht Inhalt des vorliegenden Berichtes ist, möchte ich es dennoch nicht versäumen, darauf hinzu­weisen, dass die Bundesforste ein grundsätzlich gut funktionierendes Unternehmen sind, das außerdem sehr wichtigen Zielen, nämlich der Nachhaltigkeit und der Sanie­rung der heimischen Wälder, verpflichtet ist. Gerade deshalb halte ich es für bedenk­lich, dass dieses Unternehmen hohe Dividendenzahlungen zu leisten hat. Im Jahr 2008 erwirtschafteten die Bundesforste etwa einen Gewinn von 20 Millionen €, der zur


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Gänze an den Bund abgeliefert werden musste. Um diesen Betrag zu zahlen, musste sogar ein Kredit aufgenommen werden.

Ich ersuche daher den zuständigen Finanzminister, die Dividendenpolitik zu überden­ken und die Gewinne als dringend benötigtes Investitionskapital in diesem Unterneh­men zu belassen und somit auch Arbeitsplätze zu sichern. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


18.58.47

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Rechnungshof­präsident! Einer der Vorredner hat vorhin angemerkt, der Bericht hätte den Mangel, dass die Überprüfungszeiträume der Umstände, die überprüft worden sind, schon mehrere Jahre zurückliegen. – Ja, das ist zutreffend. Ein Teil davon trifft jetzt weder den Rechnungshof noch die Arbeitsweise hier im Haus, sondern möglicherweise die Arbeitsweise der letzten Koalition. Wenn Sie den Titel dieses Berichts genau gelesen hätten, so hätten Sie entdecken können, dass es sich hier um eine Wiedervorlage handelt. Wiedervorlage deshalb, weil das in der letzten Legislaturperiode nicht mehr möglich war zu verhandeln, weil die Regierung vorzeitig abgedankt hat.

Sie erinnern sich an jenen Montagvormittag, an dem ein aussichtsreicher Finanz­minister gesagt hat: Meine Damen und Herren, es reicht! – Das war die Ursache dafür, dass hier noch einiges in der Pipeline ist.

Wir dürfen aber dem Rechnungshofpräsidenten an dieser Stelle dafür danken, dass im Einvernehmen mit der Präsidiale dieses Hauses die Wiedervorlagen unkompliziert und sozusagen so strukturiert erfolgt sind, dass nicht viel Papier verschwendet wird, sodass Sie hier – und das war unser Ziel – die Möglichkeit haben, diese Kapitel und Minis­teriumsüberprüfungen, die Sie noch diskutieren wollten – sowohl im Ausschuss als auch hier im Plenum –, tatsächlich noch einmal zu diskutieren, sodass nichts versinkt. Die Verfassungslage ist nämlich nun einmal so, dass das so wäre. Das war also eher ein Angebot an das Hohe Haus, das wir gemeinsam geschaffen haben.

Ich gebe Ihnen aber recht, dass es ein grundsätzliches Problem ist, dass das oft so lange dauert. Da wäre aber schon – wir werden ohnehin gleich noch zu ein paar Reform­bemühungen rund um den Rechnungshof kommen – dem Rechnungshof und uns allen geholfen, wenn zum Beispiel gerade jene Frist verkürzt würde, die den überprüften Stellen zugestanden wird, um überhaupt auf das erste Prüfergebnis zu replizieren. Darüber sollten wir uns wirklich einmal den Kopf zerbrechen und vielleicht auch eine Lösung zustande bringen, weil wenn man sich anschaut, wie der Weg von einem solchen Prüfvorgang schließlich zu einem Bericht hier im Haus und dann zu einer Debatte darüber führt, dann sieht man, dass da schon eine Abkürzung des Verfahrens möglich wäre.

Es ist auch nicht einsichtig, dass die überprüften Stellen so luxuriös behandelt werden müssen, zumal es ja noch dazu ärgerlicherweise relativ wenige Sanktionsmög­lichkei­ten gibt, wenn die überprüften Stellen nicht antworten, außer dass Sie, Herr Präsident des Rechnungshofes, das in den Bericht schreiben und wir unsere Schlüsse daraus ziehen können, wenn wir eine Stelle bei einem solchen Vorgehen ertappen.

Es wurde darüber hinaus daran erinnert, dass Herr Abgeordneter Pilz im Ausschuss relativ klar und deutlich nachgefragt hat. Das ist richtig und zutreffend, und das ist auch der Grund dafür, warum wir heute hier nicht zustimmen. Es war damals ausschließlich die Frau Bundesministerin für Inneres anwesend, und während der Debatte hat sich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 189

ergeben – und zwar nicht nur aus der Perspektive der Grünen, denn es haben dann auch die FPÖ und das BZÖ diesen Antrag gestellt –, dass man die Justizministerin auch noch hören möchte. Dieser Antrag ist jedoch abgelehnt worden.

Deshalb stimmen wir heute diesem Bericht nicht zu. – Das muss man ausdrücklich anmerken, weil die Opposition ja ansonsten schon zustimmen würde. Damit ist auch das zu Protokoll gegeben.

Bei dieser Gelegenheit fällt mir noch ein, dass diese Zeitverzögerungen, die es gibt, bis etwas im Plenum ist, auch daran liegen, dass immer mehr Minister immer öfter nicht rechtzeitig Zeit haben, im Rechnungshofausschuss die entsprechenden Kapitel mit uns zu verhandeln. Es wird immer abenteuerlicher – ich möchtest das hiemit dem Plenum einmal mitteilen –, dass wir auf einen Konsens kommen.

Wir haben vor Jahren sowohl im Interesse des Rechnungshofes als auch im Inter­esse der Regierungsparteien – die mittelfristige Ausschussplanung umgestellt. Jetzt haben wir zwar immer die Termine, aber dann keinen Minister. So kann es aber auch nicht sein, dass der Minister keine Zeit hat!

Ich weiß schon, die Planung im Rechnungshofausschuss ist sehr kompliziert, weil so viele Minister gleichzeitig betroffen sind. Trotzdem müssen wir das so zusam­menbringen, dass wir uns dann nicht ausgerechnet von Abgeordneten der Regierungs­parteien anhören müssen, dass das alles so lange dauert. Also so geht es denn nun wirklich nicht!

Ich werde also die Fraktionsführer und Fraktionsführerinnen der Regierungsparteien dann noch einladen, dass sie ihre eigenen Abgeordneten auf das komplizierte Proze­dere aufmerksam machen, bevor wir uns das hier anhören müssen.

Allerletzter Punkt: Heute ist der 22. April 2010. Wir haben im September 2009 einstim­mig einen Entschließungsantrag beschlossen, der darauf abzielt, dass die Regierung – und damit wohl auch die Regierungsfraktionen, jedenfalls die Bundesregierung – im Einvernehmen mit dem Rechnungshof dem Haus eine Gesetzesinitiative – eigentlich eine Verfassungsinitiative – vorschlägt, die die Reform der Gemeindeprüfung vorsieht. Das war ursprünglich eine Fünf-Parteien-Einigung. Das haben wir noch nicht bekom­men. Wir machen deshalb keinen Aufstand, ich sage nur: Klubobmann Kopf, Klubob­mann Cap und ich haben uns gerade darüber unterhalten, dass wir davon ausgehen, dass wir den vermutlich akkordierten Vorschlag der Regierung nächste Woche übermittelt bekommen, um dann in Verhandlungen einzutreten. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Kopf und Amon.)

19.04

19.04.30

 


Präsident Fritz Neugebauer: Da dazu keine weitere Wortmeldung mehr vorliegt, kommen wir zur Abstimmung über den Antrag des Rechnungshofausschusses, den vorliegenden Bericht III-21 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für dessen Kenntnisnahme eintreten, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

19.05.008. Punkt

Sammelbericht des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen über die Petitionen Nr. 38, 39, 41 und 42 sowie über die Bürgerinitiativen Nr. 14 und 18 (653 d.B.)

Präsident Fritz Neugebauer: Wir gelangen nun zum 8. Punkt der Tagesordnung.

Erste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Winter. – Bitte.

 



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19.05.19

Abgeordnete Dr. Susanne Winter (FPÖ): Herr Präsident! Werte Kollegen! Sämtliche Mitglieder des Petitionsausschusses kämpfen mit demselben Problem, das da wäre: Wir kämpfen für eine Aufwertung des Petitionsausschusses. Leider ist es aber so, dass dieser Ausschuss – gerade dieser Ausschuss, der ja ein direktdemokratisches Instru­ment ist – im Räderwerk oder im Getriebe des Parlaments einfach nur ein kleines Rädchen ist. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Kurz zum Inhalt: Wir können der Kenntnisnahme des Sammelberichtes leider nicht zustimmen, da wir auch im Ausschuss bereits dreimal eine Kenntnisnahme abgelehnt haben.

Grundsätzlich handelt es sich um absolut verständliche und nachvollziehbare Forde­run­gen der Bevölkerung. Ganz lustig wäre noch zu erwähnen, dass es sich zum Beispiel bei der Petition Nr. 41, die von Herrn Kollegem Pirklhuber überreicht worden ist, um eine Petition handelt, der wir zwar inhaltlich hundertprozentig zustimmen können, die aber dem Gedankengut der Grünen absolut entgegensteht. Für sie ist doch die EU der Götze des 21. Jahrhunderts. Es wäre aber gerade eine Anpassung der EU-Verordnung notwendig, und die ist in diesem Zusammenhang überhaupt nicht möglich.

Bei der Petition Nr. 38 geht es um die Aufhebung des Berufsverbotes „Polizei“. Die hätte eigentlich gar nicht in den Petitionsausschuss kommen dürfen, da der Petitions­text die Intention der Petition absolut nicht bewirkt und damit auch keinerlei richtige Folgerungsgründe gegeben werden.

Eine weitere Petition betreffend Wildbach- und Lawinenverbauung ist sicher zur vollen Zufriedenheit der Petenten erfüllt worden, denn alle angefragten Ministerien haben ihre Zustimmung dazu gegeben. Es gibt dann auch noch eine Bürgerinitiative betreffend Verhinderung der Vorratsdatenspeicherung, der wir inhaltlich voll und ganz zustimmen können, aber auch hier wird es mit der Umsetzung hapern, da es sich um die Umset­zung einer EU-Richtlinie handelt. (Beifall bei der FPÖ.)

19.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.07.31

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Seit Juli 2009 liegt nunmehr der dritte Sammelbericht für Petitionen und Bürgerinitiativen zur Diskussionen im Plenum vor. Die Themen reichen vom Zugang von Zivildienern zum Polizeidienst über Einsparungen im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung bis hin zu gentechnikfreien Futtermitteln und Fragen der Vorrats­daten­speicherung.

Die Ausschussplanungen und die Bemühungen, den Ausschuss im parlamentarischen Geschehen aufzuwerten, finde ich durchaus positiv, und ich denke auch, dass ent­sprechend der Wichtigkeit der direkten Demokratie dieser Ausschuss an Relevanz gewinnen wird.

PetentInnen, die ihr Anliegen zusätzlich zur schriftlichen Möglichkeit auch mündlich vorbringen wollten, haben wir die Abhaltung eines Hearings ermöglicht. Jugendliche haben dies im Hinblick auf mehr Mitsprache im Schul- und Unterrichtsprozess auch bereits genutzt, und dies hat auch im Unterausschuss des Unterrichtsausschusses zu einem wertvollen Diskussionsprozess und zu Gesprächen mit Experten und Betrof­fenen geführt. Auch von GemeindevertreterInnen aus verschiedenen Bundesländern gab es zuletzt Petitionen wie zum Beispiel die Petition Nr. 39 aus dem Bezirk Liezen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 191

In dieser wurden Bedenken dahin gehend geäußert, dass die Budgetmittel im Bereich der Wildbach- und Lawinenverbauung gekürzt werden, wo doch Vorsorge- und präven­tive Maßnahmen um vieles kostengünstiger sind als spätere Schadensbehebung. Die Stellungnahmen von Finanz- und Landwirtschaftsministerium konnten die Befürchtun­gen relativieren.

Wie berechtigt das Anliegen dieser Petition dennoch ist, zeigen die Beispiele Radmer im Bezirk Leoben, wo im Jahr 2009 die Aufräumarbeiten nach einem Murenabgang vier Monate lang gedauert haben, und Johnsbach im Gesäuse, das im Winter 2009 nach einem Lawinenabgang eine Woche lang von der Außenwelt abgeschnitten war.

Ich komme auch auf die Bürgerinitiative Nr. 18 aus dem Sammelbericht zu sprechen. Diese Bürgerinitiative stellt die Forderung, die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006, die alle EU-Mitglieder verpflichtet, dass alle Telefon- und Internetprovider verdachts­unab­hängig sämtliche Verbindungen und Standortdaten ihrer KundInnen sechs Monate speichern, nicht umzusetzen.

Die Bürgerinitiative als ein Mittel der direkten Demokratie zeigt, wie kritisch die Bevölkerung diesem Thema gegenübersteht. Es ist und bleibt ein außerordentlich sensibles Thema – in Österreich wie auch in der EU.

Die vier eingelangten Stellungnahmen zeigen einen differenzierten Umgang mit dieser Materie. Expertengruppen und auch die Ministerien schlagen eine Mindestumsetzung beziehungsweise eine maßhaltende grundrechtsvertretende Umsetzung vor, und auch der Datenschutzrat hat eine Evaluierung und Neubewertung dieser Richtlinie auf EU-Ebene eingefordert.

Alle Petitionen und Bürgerinitiativen im Sammelbericht zeigen, wie wichtig es ist, dass verschiedenste BürgerInnenanliegen in Form von Petitionen und Bürgerinitiativen auch wirklich ihren Weg ins Parlament finden. Auf diesem Weg werden sie als Teil der direkten Demokratie auf höchster politischer Ebene diskutiert und behandelt, und darin liegt meiner Meinung nach auch der wichtige Auftrag dieses Ausschusses. (Beifall bei der SPÖ.)

19.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.11.30

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben während der letzten Monate im Ausschuss immer wieder versucht, konkreter und ein bisschen ernsthafter mit Petitionen und Bürgerinitiativen umzugehen. Daher auch ein relativ kompakter Sammelbericht mit wenig Petitionen und Bürgerinitiativen.

Wir haben uns heute aber trotzdem als Contra gemeldet, weil das Procedere und die Usancen dringend überarbeitet werden müssen. Warum? – Weil wir im Ausschuss Dinge zur Kenntnis nehmen, die eigentlich sinnvoller Weise woanders vertiefend behandelt werden sollten. Ich möchte das konkret an mehreren Beispielen zeigen.

Wenn wirklich Gesetzesmaterien in Vorlage sind, bereits in Erarbeitung sind, macht es Sinn, eine entsprechende Petition oder Bürgerinitiative dem jeweiligen Fachausschuss zuzuweisen. Wenn ein Gesetz schon in Arbeit ist, dann haben die Petenten oder Unter­stützer der Bürgerinitiative nachher das berechtigte Gefühl, es ist wirklich dort behandelt worden, wo auch das Gesetz besprochen und diskutiert wurde. In jenen Ausschuss gehört dann also auch die Petition. Das wäre eine Usance, die wir eigent­lich festhalten sollten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 192

Ebenso sind wir der Auffassung, dass eine Bürgerinitiative, die ja relativ viel Aufwand für die BürgerInnen erfordert, im Regelfall nicht nur zur Kenntnis genommen werden sollte, sondern dem entsprechenden Fachausschuss zugewiesen werden sollte.

Wir Abgeordneten im Petitionsausschuss kommen aus verschiedensten Fachbe­reichen. Wir können ganz einfach beim besten Willen nicht in jedem Einzelfall, bei jeder Petition, bei jeder Bürgerinitiative mit Recht sagen, ob eine Kenntnisnahme aus­reicht, weil es vielleicht andere Abgeordnete in den Ausschüssen gibt, die von diesem Diskussionsprozess, von den Antworten der Ministerien auch profitieren würden.

Dort, wo es wirklich zu Lösungen gekommen ist, sollten wir die Petitionen beziehungs­weise Bürgerinitiativen hingegen zur Kenntnis nehmen. Da gibt es das Beispiel Wildbach- und Lawinenverbauung – die Kollegin hat es ja schon erwähnt –: Dort ist wirklich auch etwas geschehen, der Minister hat Stellung bezogen, er hat gesagt, es werden weiterhin Finanzmittel zur Verfügung gestellt. Damit ist sichergestellt, dass Wild­bach- und Lawinenverbauung in dieser Region ordnungsgemäß, sachgemäß und umweltschutzorientiert weiterhin möglich ist. Das ist ein Fall für eine Kenntnisnahme: Klar, es ist erledigt, der Minister hat Stellung bezogen.

Ich möchte an zwei Dingen zeigen, wie schade es ist, dass wir nicht die Fach­aus­schüsse mit diesen Themen beschäftigen.

Die Petition betreffend gentechnikfreie Futtermittel ist eine, die mehrere Hundert Bäuerinnen und Bauern unterzeichnet haben, zu der es zwei Stellungnahmen gibt, die durchaus interessant sind, und gleichzeitig, während wir diese Petition im Ausschuss diskutiert haben, ist auch im Landtag in Salzburg im Landwirtschaftsausschuss eine durchaus ambitionierte Vorlage sogar bis zum Verbot von Gentechnikfuttermitteln diskutiert worden – dort eingebracht von SPÖ und ÖVP, vom Landesrat Eisl und von Herrn Zehentner, Landtagsabgeordneter in Salzburg.

An diesem Beispiel kann man sehen: Auf Landtagsebene wird es in einem Fach­ausschuss diskutiert, bei uns ist es eine Petition. Es gibt so viele Themen. Diese Petition fordert auch Anpassungen des EU-Rechts. Das war vielleicht ein Missver­ständnis von Ihnen, Frau Kollegin Winter. Die EU ist überhaupt kein Götze, sondern sie ist eine politische Einrichtung, die ganz einfach demokratischen Regeln entsprechen muss, wo man sich einbringen muss, wo man für bessere Gesetze, bessere Verord­nungen im Sinn der Bürgerinnen und Bürger kämpfen muss.

Das wird genau in dieser Petition auch gefordert, um einheitliche Rahmenbedingungen für gentechnikfreie Futtermittel auf europäischer Ebene durchzusetzen. Das hätten wir im Landwirtschaftsausschuss gut positionieren können. Dort hätten die Fach­abgeordneten Zeit gefunden, darüber zu diskutieren.

Genau so ist es mit der Bürgerinitiative Vorratsdatenspeicherung. Meine Damen und Herren, die Bevölkerung ist mehr als besorgt über die Art und Weise, wie mit Daten umge­gangen wird. Wenn man da die Stellungnahme des zuständigen Ministeriums, des BMVIT, liest, dann wird klar, dass diese Sorgen ja eigentlich geteilt werden. Das Ministerium sagt nur: Wir können nicht mehr zuwarten, weil wir eine Klagsdrohung der EU im Frühjahr 2010 zu erwarten haben.

In der Stellungnahme der Ministerin heißt es auch klar:

 „Die sachlich zuständigen Ministerinnen für Justiz und für Inneres wurden ersucht, im Rahmen ihrer Aufgaben auf europäischer Ebene Initiativen zu starten, um eine Neu­bewertung der Richtlinie zu erreichen. Diese Initiativen werden selbstverständlich sei­tens des BMVIT unterstützt.“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 193

Sie sehen, hier gibt es weiter reichende politische Maßnahmen, und diesbezüglich hätte auch der zuständige Ausschuss, wenn er diese Stellungnahme in die Hand bekommt, die Chance gehabt zu sagen: Ja, gut, dieses Ministerium unterstützen wir durch eine gemeinsame Fünf-Parteien-Entschließung des Nationalrates, in der wir sagen, ja, in diese Richtung braucht es eine Änderung. Dort hätte man das besprechen sollen. Das waren nur zwei Beispiele.

Sie sehen, wir können die Arbeitsweise noch verbessern, und ich möchte abschließend sagen: Es ist trotzdem sehr positiv, dass wir am 8. Juni eine gemeinsame Exkursion des gesamten Ausschusses in den Deutschen Bundestag durchführen werden. Ich hoffe, dass wir von dort dann wieder sehr viele Anregungen für Verbesserungen unseres Ausschusses mitnehmen können. Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

19.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Höllerer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.17.14

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, ich stimme meinen Vorrednern zu. Es ist ein wichtiges Instrument der direkten Demokratie, Petitionen und Bürgerinitiativen, versehen mit den Sorgen und Anliegen der Bürger, hier ins Parlament bringen zu können. Diese Petitionen und Bürgerini­tiativen werden von allen Ausschussmitgliedern auch ernsthaft behandelt.

Wir verlangen Stellungnahmen von den Ministerien. Das steht uns auch zu. Wir haben bei der letzten Ausschusssitzung einen neuen Weg gewählt und haben auch eine Stellungnahme von einer Institution verlangt, die dem Parlament nicht untersteht und wo es auch nicht selbstverständlich ist, dass wir mit einer Antwort rechnen können.

Obwohl ich der Meinung bin, dass das ein gutes Instrument ist und dass wir bei be­stimmten Argumenten oder Notwendigkeiten zukünftig auch von solchen Organi­sationen Argumente für unseren Ausschuss einholen sollen, müssen wir mit diesem Instrument aber sehr, sehr sorgsam umgehen, denn dieses überbordend anzuwenden, wäre sicher nicht im Sinne der Petenten und auch nicht im Sinne derer, die die Bürgerinitiativen unterschrieben haben, weil sie ja auch nichts davon haben, wenn solche Anfragen nicht beantwortet werden.

Ich denke aber, dass das ein guter Weg ist und auch die Arbeit im Ausschuss wieder aufwerten wird.

Ansonsten nehmen wir diese Stellungnahmen natürlich sehr ernst. Sie werden dis­kutiert, und es werden Materien den einzelnen Ausschüssen zugewiesen, andere aber auch zur Kenntnis genommen, und das hat auch einen guten Grund:

Es sind Bürgerinitiativen und Petitionen, die inhaltlich gut abgehandelt sind, die durch diese Kenntnisnahme plenumsreif gemacht werden und im Plenum, so wie heute, diskutiert werden können, und das ist auch sinnvoll so, sehr geehrter Herr Abgeord­neter Pirklhuber. Das trifft natürlich auch auf die erwähnte Petition betreffend gentech­nikfreie Futtermittel und die Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel zu.

Diese Materie wird intensiv diskutiert – in vielen anderen Ausschüssen, das wissen Sie genau. Sie haben auch heute schon eine diesbezügliche Anfrage an Herrn Bundes­minister Berlakovich gestellt. Sie kennen auch die Argumente, die vom Landwirt­schafts­ministerium in der Stellungnahme gebracht wurden. Darin ist eben festgehalten, dass die Anstrengungen Österreichs auch Erfolge zeitigen, dass es gelungen ist, ein Eiweißfuttermittel auf den Markt zu bringen, sozusagen als „Abfallprodukt“ der Ethanolproduktion in Pischelsdorf, und dass dadurch 190 000 Tonnen hochwertiges gen­technikfreies Eiweißfuttermittel unter der Marke ActiProt auf dem Markt ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 194

Auch die Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel ist bei Biolebensmitteln gegeben. Jeder weiß, dass das gentechnikfrei produzierte Lebensmittel sind. Und auch bei jenen Lebensmitteln, wo ausdrücklich gentechnikfrei draufsteht, dürfen im gesam­ten Produktionsprozess GVO in gar keiner Weise verwendet werden. Daher haben da die Bürgerinnen und Bürger eine Wahlmöglichkeit.

Nicht in die unmittelbare Kompetenz des Bundes fällt die Petition Nummer 42 betref­fend „2. Novelle des Regionalen Raumordnungsprogramms NÖ-Mitte“. Auch da liegen sehr umfangreiche Stellungnahmen des Wirtschafts-, Landwirtschafts- und Verkehrs­ministeriums vor. Darin wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich da um Länderkompetenzen handelt. Allerdings wird auch auf die wirtschaftliche Bedeu­tung des Abbaumaterials im Steinbruch Paudorf hingewiesen. Und es wird außerdem auch auf die Genehmigung nach dem Mineralrohstoffgesetz ausführlich Bezug genom­men.

Das heißt, da sind Argumente enthalten, mit denen die Bürgerinnen und Bürger auch vor Ort etwas anfangen können. Daher denke ich, dass wir auch hier etwas weitergebracht haben und diese Petition auch heute im Plenum sehr gut aufgehoben ist.

Es wurden bereits Schritte zur Verbesserung der Arbeit im Ausschuss gesetzt. Da gebe ich Ihnen recht. Ich bin auch dafür und stehe dem Ansinnen offen gegenüber, dass wir eine Änderung der Arbeitsweise auch weiter forcieren sollen, damit der Aus­schuss beziehungsweise die Arbeit im Ausschuss auch dementsprechend gewinnen kann und die Petentinnen und Petenten natürlich auch davon profitieren. In diesem Sinn ein gutes Zusammenarbeiten auch weiterhin! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

19.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayerhofer. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.21.33

Abgeordneter Leopold Mayerhofer (FPÖ): Geschätzter Herr Präsident! Auf die Petition des Herrn Abgeordneten Maier, die meines Erachtens leicht verunglückt ist, möchte ich ein bisschen eingehen – und zwar nur auf diese. Ich glaube, dass das in gewisser Weise ein Spezialprogramm ist: Keine 50 Zivildiener wollen zur Exekutive übertreten, denn sie haben immerhin einmal Stein und Bein geschworen und mit Unterschrift dokumentiert, dass sie mit der Waffe nicht Dienst tun wollen.

Das ist auch ein Hinweis dafür, dass man auch diese Lücke nützen will, um Personal zu lukrieren, wenn es auch nur ein paar Männer sind. Ich sage es jetzt einmal so: Da wird wieder transparent, dass trotz Beteuerungen nicht für mehr Personal vorgesorgt wurde, entgegen den Warnungen der Opposition insgesamt, aber insbesondere der FPÖ, dass in nächster Zeit wesentlich mehr Personal notwendig sein wird.

Ein anderer Aspekt ist, dass, wie bei den Aufnahmsprüfungen sichtbar wird, ein einfacher Rechtschreibtest nicht mehr geschafft wird, und das wirft ein beredtes Licht auf die verwerfliche Schulpolitik der letzten Jahre. Dies führt dazu, dass wir nicht einmal mehr unsere eigenen Ordnungskräfte mit genügend Personal ausstatten können. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Schande. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte all jenen, die vorhaben, in diesen Bereich einzusteigen, sagen, dass das kein so toller Beruf ist, solange sich die Politiker nicht hinter die Polizisten stellen. – Die FPÖ ist da eine Ausnahme. Es ist wahrlich nicht so ein schöner Beruf, wie es in einer sündteuren Werbekampagne dargestellt wird. Da hätte man das Geld besser dafür verwenden sollen, wieder einmal die Zulagen zu erhöhen, zum Beispiel bei den Polizei­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 195

schülern, für die ermöglicht werden soll, dass sie schon während der Ausbildung jenes Gehalt kriegen, das sie einmal bekommen haben und das man ihnen wieder weggenommen hat. – Das muss ich auch einmal sagen.

Für einen jungen Familienvater ist es, auch wenn er den Aufnahmetest geschafft hat, nicht möglich, in den 14 Monaten der Ausbildung seine Familie zu erhalten. Das sei hier auch einmal gesagt.

Ich glaube, wir sollten die Entscheidung dieser jungen Menschen, die sie sozusagen auf der Stellungsstraße getroffen haben, ganz einfach ernst nehmen. Es sind ja bei­nahe erwachsene Menschen. Meistens sind sie schon über 18 Jahre alt. Sie dürfen heiraten, sie dürfen Verträge abschließen, sie dürfen Flugscheine machen, sie dürfen Flugzeuge lenken, Fahrzeuge steuern, und zwar beinahe aller Klassen. Also, nehmen wir diese jungen Menschen ernst!

Ich glaube, wenn jemand diese Entscheidung trifft, dann muss man sie respektieren. Wenn aber jemand diese Entscheidung leichtfertig umkehrt – meines Erachtens ist so eine Entscheidung nicht so leicht umkehrbar –, dann ist er vielleicht charakterlich nicht so gefestigt. Dann kann ich ihn aber als Kollegen auf der Wachstube auch nicht so gut gebrauchen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Haubner. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.24.41

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Bevor ich zum Petitionsausschuss inhaltlich etwas sage, möchte ich richtigstellen, was Kollege Mayerhofer vorhin gesagt hat, nämlich dass nur die FPÖ hinter der Polizei stehe.

Ich halte für meine Partei fest, dass wir sehr wohl hinter der Arbeit der Polizistinnen und Polizisten stehen (Beifall beim BZÖ Zwischenrufe bei der FPÖ) und dass wir der Meinung sind, dass diese einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit in unserem Lande leisten. Wir sind sehr froh, wenn die Polizei auch weiterhin dementsprechend ausgestattet wird. (Beifall beim BZÖ.)

Nun zum Petitionsausschuss. – Es ist dazu von meinen Vorrednern schon sehr viel gesagt worden. Es ist ein Ausschuss der etwas anderen Art, bedingt natürlich durch die Geschäftsordnung, weil wir eben auch inhaltlich zu den einzelnen Themen keine breite Diskussion führen beziehungsweise führen können, wobei ich sagen muss: Es wird keine einzige Bürgerinitiative und keine einzige Petition einfach nur „durch­gewunken“ – unter Anführungszeichen –, sondern es wird sehr wohl inhaltlich darüber diskutiert. Das geschieht natürlich nicht in dem breiten Ausmaß, wie es in einem anderen Ausschuss der Fall ist.

Es ist ein Ausschuss, in welchem es sehr viel Übereinstimmung gibt – Übereinstim­mung zum Beispiel in der Hinsicht, dass wir sehr regelmäßig und in geringeren Abständen Ausschusssitzungen abhalten. An dieser Stelle möchte ich mich dafür bedan­ken, dass es sehr einfach war, für die kommende Ausschusssitzung einen ge­mein­samen Termin zu finden. Das wäre ein Vorbild für andere Ausschüsse, wo wir oft wochenlang um Termine ringen und dann ganz wenig Ausschusssitzungen zur Bear­beitung der Anträge haben.

Es ist ein Ausschuss, wo im Vergleich zu den anderen Ausschüssen ganz wenig ver­tagt wird, und zwar aus dem einfachen Grund, weil wir nur dann vertagen, wenn es keine rechtzeitige Stellungnahme der Ministerien gibt. Wir haben aber in der letzten Zeit sehr wohl einige Vertagungen gehabt, und ich habe dann in einem Gespräch die


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Frau Präsidentin gebeten, sich an die Ministerien zu wenden und entsprechend der Geschäftsordnung des Nationalrates die Möglichkeit zu einer rascheren Stellungnahme zu geben und die Ministerien zu ersuchen, dass sie dementsprechend darauf einsteigen.

Ich möchte mich sehr herzlich bei Ihnen, Frau Präsidentin, dafür bedanken, dass Sie ein diesbezügliches Schreiben an die Ministerien geschickt haben. Ich denke, es ist wichtig, dass wir nicht ständig von dem Instrument der Fristsetzung, das uns eigentlich zustehen würde, Gebrauch machen, sondern dass das auch auf andere Weise möglich ist.

Es ist ein Ausschuss, in welchem es, wie bereits gesagt, viel Übereinstimmung gibt. Wenig Übereinstimmung gibt es aber dann, wenn es darum geht, ob wir etwas einem Fachausschuss zuweisen, ob wir es zur Kenntnis nehmen oder ob wir eine Stellungnahme einholen. Bei Letzterem gibt es noch viel Übereinstimmung, aber wenn es um die Zuweisung an andere Ausschüsse geht, dann sieht man leider: hier die Opposition, dort die Regierungsfraktionen.

Das bedauere ich persönlich sehr, denn ich bin auch der Meinung, dass es unverständlich ist – und Kollege Pirklhuber hat es auch gesagt –, warum man eine Petition oder eine Bürgerinitiative nicht einem Ausschuss zuweisen kann, wenn es sich um eine Materie handelt, die ohnehin gerade in diesem Ausschuss behandelt wird, wenn man kurz vor einer Gesetzesvorlage steht oder wenn die Thematik eine allge­meine ist, die in einen Ausschuss kommen wird – auch wenn dann inhaltlich anders entschieden wird. Das hätte doch eine gewisse Logik, aber vielleicht bekommen wir eine gute Anregung im Rahmen unserer Informationsfahrt zum Berliner Landtag, wenn wir sehen, wie dort damit umgegangen wird. Es gibt also viele Verbesserungs­möglichkeiten für die zukünftige Arbeit.

Der heute hier vorliegende kurze Sammelbericht war auch ein gemeinsames Anliegen, damit wir und unsere Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit haben, auf die einzel­nen Themen einzugehen. Ich glaube, wir alle nehmen die Anliegen, die in Petitionen und Bürgerinitiativen geäußert werden, sehr ernst. Wir halten diese Instrumente der direkten Demokratie für sehr wichtig.

Ich werde mich sehr dahinterklemmen, dass wir auch weiterhin von der Möglichkeit der Expertenladung, des Hearings Gebrauch machen können. Ich glaube, dass es wirklich Sinn macht, dass wir gerade bei Bürgerinitiativen das Rederecht verstärkt in Anspruch nehmen.

Ich denke, wir werden in Zukunft die Möglichkeit haben, noch effektiver und noch effizienter im Sinne der Bürgerinnen und Bürger zu arbeiten, und bedanke mich als Vorsitzende sehr herzlich für die vielen Gemeinsamkeiten. Dort, wo es Unterschiede gibt, – Gott sei Dank gibt es Unterschiede; das muss in einer Demokratie so sein –, vor allem was die Zuweisung an andere Ausschüsse anlangt, sollten wir eine Lösung finden. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

19.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


19.30.01

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Hohes Haus! Meine sehr verehrten Damen und Herren! 13 000 Zivildiener leisteten im Jahr 2009 ihren Dienst an der Republik Österreich, und zwar als großartige Stütze unseres Sozialsystems. Das sind aber gleichzeitig auch 13 000 Zivildiener, die nach ihrem abgeleisteten Dienst keine freie Berufswahl haben.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 197

Die Petition Nr. 38 geht genau auf diese Problematik ein, denn diese Bestimmungen stellen ganz klar eine gesetzliche und tradierte Schikane dar. – Zivildiener dürfen nämlich beispielsweise nicht in den Polizeidienst eintreten. Diese Petition hat sich damit auseinandergesetzt.

Zu dieser Thematik gibt es die verschiedensten Meinungen, und zwar auch innerhalb der Ministerien. Das Bundesministerium für Inneres selbst sagt in seiner Stellung­nahme, dass nach dem abgeleisteten Zivildienst ein Widerruf möglich sein muss, um in den Polizeidienst eintreten zu können.

Die Innenministerin selbst lässt über die Medien ausrichten, dass Zivildiener, die ihren Dienst abgeleistet haben, danach vier Monate lang Teile des Grundwehrdienstes nachholen sollten, um dann in den Polizeidienst eintreten zu können.

Die Junge ÖVP wiederum sagt, man sollte diese Bestimmung in Bezug auf Waffen aufheben und so die freie Berufswahl ermöglichen.

Diese Diskrepanzen sind eigentlich absurd, ja zynisch, weil das alles nämlich auf dem Rücken der Zivildiener ausgetragen wird. Empirisch kann man natürlich nicht sagen, wie viele von den 13 000 Zivildienern gerne in den Polizeidienst eintreten wollen, aber seitens des Nationalrates, seitens der Republik Österreich muss ihnen doch zumindest die Möglichkeit hiefür offenstehen! (Beifall bei den Grünen.)

Die Sozialdemokratie sagt eigentlich wenig zu diesem Thema. Verteidigungsminister Norbert Darabos meinte, na ja, für den Milizdienst könne er sich das vorstellen, aber keinesfalls im Regeldienst. – Nur die Sozialistische Jugend sagt ganz klar, dass es diese freie Berufswahl auch für Zivildiener einfach geben muss.

Faktum ist, meine Damen und Herren: Die Novellierung des Zivildienstgesetzes mit einer Gleichstellung zum Wehrdienst wird früher oder später kommen müssen. Daher: Abgleichung der Zeit, die zu leisten ist – und die Streichung dieser tradierten Gewis­sensklausel, einer Gewissensklausel, die noch nie notwendig war und auch nie not­wendig sein wird.

Deshalb finden es meine Fraktion und ich sehr schade, dass diese Petition nicht in den Innenausschuss kommt, was wichtig wäre, um eine große Novellierung in Gang zu setzen, um auch einen breiten Konsens zu finden, wie Zivildiener zu einer freien Berufswahl kommen können. (Beifall bei den Grünen.)

19.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.33.09

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Kollege Pirkl­huber, ich glaube, dass das Selbstverständnis des Petitionsausschusses – wie natürlich jede parlamentarische Ausschussarbeit – verbesserungswürdig ist. Der große Vorteil dieses Ausschusses ist es aber, dass wir uns mit einer breiten Palette von inhaltlichen Themen der Bürgerinnen und Bürger auseinandersetzen und mehr sind als irgendeine Postverteilstelle, die Petitionen und Bürgerinitiativen bloß an Fachaus­schüs­se weiterleitet. Ganz im Gegenteil: Wir holen Stellungnahmen ein, beraten inhaltlich, erledigen endgültig oder weisen an Ausschüsse zu – und vor allem ist es so, und das ist wahrscheinlich der größte Wert, dass diese Petitionen Teil der inhaltlichen Debatte und damit des politischen Diskurses in der Öffentlichkeit sind, indem wir uns eben hier im Plenum damit auseinandersetzen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 198

Zur Rede des Kollegen Mayerhofer, dessen Ausführungen ich leider nicht wirklich folgen konnte: Ganz so schwer dürfte der Aufnahmetest bei der Polizei doch nicht gewesen sein.

Zum Thema Zivildienst ist grundsätzlich festzustellen, dass der Zivildienst kein Alter­nativdienst ist, den man sich aussuchen kann, sondern es ist so, dass sich junge, wehrtaugliche Männer aus Gewissensgründen dazu entschließen können, den Dienst mit der Waffe abzulehnen und deshalb Zivildienst als Wehrersatzdienst leisten.

Der Zivildienst stand immer – seit seiner Einführung im Jahr 1975 – im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Ich halte ihn für einen der großen gesellschaftspolitischen Pro­jekte der Ära Kreisky, denn er ist ein Teil jenes Reformprozesses, der jungen Menschen die Möglichkeit gibt, in einer modernen, weltoffenen, toleranten und huma­nen Welt selbstbestimmt entscheiden zu können.

Was die aktuelle Diskussion betrifft, ist aber auch darauf zu achten, ob ein Widerruf im Zusammenhang mit der Ableistung des Zivildienstes und eine gewisse Zeit an Nachholdienst im Bundesheer nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention widersprechen würden, die sich ja im Artikel 4 gegen Zwangsarbeit ausspricht. Eine zweimalige Anwendung der Ausnahmebestimmung zur Zwangsarbeit würde der Konvention widersprechen.

Ich meine, dass es viel wichtiger wäre, die Reform des Zivildienstes im Sinne der Jugendlichen weiterzuentwickeln: eine Anpassung des Verpflegungsgeldes, Freifahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Anhebung der Höchstgrenze für die Wohnkosten­beihilfe und zum Beispiel eine österreichweite Zivildienstvertretung, wie das die Jugend­organisationen fordern.

In diesem Sinne werden wir um eine umfassende Debatte betreffend der Weiter­entwicklung des Zivildienstes nicht hinwegkommen, aber trotzdem würde ich ersuchen, das Kind nicht mit dem Bade auszuschütten und auf eine Anlassgesetzgebung überzu­gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Kurzmann. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.36.31

Abgeordneter Dr. Gerhard Kurzmann (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich nehme kurz Stellung zur Bürgerinitiative betreffend Änderung des Parteiengesetzes; das ist jene Bürgerinitiative, die die willkürliche Kürzung oder gar die Streichung von öffentlichen Förderungen für Parteien fordert, die religiöse Symbole oder Losungen in der Politik verwenden. – Der Aufhänger sozusagen für diese Bürger­initiative ist bekannt: Es war der freiheitliche Leitspruch „Abendland in Christenhand“. An sich eine Selbstverständlichkeit für jeden Europäer, meine ich, die die Betreiber dieser Bürgerinitiative aber sanktionieren und damit die Zensur wieder einführen wollten.

Selbstverständlich war uns Freiheitlichen, aber auch anderen, von Anfang an klar, dass das ein plumper Anschlag auf die Meinungsfreiheit in unserem Land wäre. Dieser Rechtsmeinung hat sich letztlich natürlich auch der Verfassungsdienst des Bundes­kanzleramtes angeschlossen.

Meine Damen und Herren, wir haben uns dadurch bestätigt gefühlt, dass ein frei­heitlicher Wahlslogan, nämlich „Abendland in Christenhand“, nicht nur in der Bevöl­kerung auf breite Zustimmung gestoßen ist, sondern dass dieser Ausspruch auch in voller Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit in unserem Land steht.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 199

Abschließend: Es bleibt nur zu hoffen, dass bundesdeutsche, aber auch österreichi­sche Politiker auf die Forderungen des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, dass möglichst in allen Städten türkische Schulen eingerichtet werden sollen, nicht ein­gehen, denn sonst könnte es sein, dass in 15, 17 oder 18 Jahren einmal ein Nach­folger unseres Kollegen Großruck hier von diesem Rednerpult aus verkündet: Morgen­land und Abendland – beides nun in Türkenhand!

Das, meine Damen und Herren, wollen wir Freiheitlichen nicht. Österreich muss uns Österreicherinnen und Österreichern Heimat bleiben! (Beifall bei der FPÖ.)

19.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.38.58

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es wurde ja hier schon heute viel zum Thema Zivildienst gesprochen, aber ich glaube, wir sollten einmal außer Diskussion stellen, dass Österreich das Bundes­heer und den Zivildienst braucht, weil beide wichtig sind für unser Land: die friedliche Landesverteidigung, aber auf der anderen Seite natürlich auch die sozialen Dienste.

Seit 35 Jahren haben wir in Österreich Zivildienst und Wehrdienst nebeneinander, und ich meine, wir müssen sehr sorgsam schauen, wie beides weiterentwickelt werden kann. Festzustellen ist aber schon, dass der Wehrdienst verloren hat – es gibt einfach weniger Wehrdienstleistende – und der Zivildienst gewonnen hat, und zwar trotz längerer Dauer, trotz Waffenverbots und trotz Berufsverbots für bestimmte Berufe.

Dazu aber noch einen Aspekt: Was ich mit Sorge betrachte, ist, dass es immer mehr Untaugliche gibt. Die Zahl der Untauglichen steigt rasant. Es gibt über 8 000 Untaug­liche, die die „Gewinner“ in diesem System sind. In Österreich gibt es ungefähr zwi­schen 13 000 und 14 000 Zivildiener und 26 000 bis 27 000 Wehrdiener.

Ich glaube, man sollte schon einmal ganz klar feststellen: Wenn jemand im Zivilberuf zum Beispiel Koch ist, dann kann er auch beim Bundesheer als Koch dienen oder bei einer Sozialeinrichtung mithelfen, oder wenn jemand im Zivilberuf als Kellner tätig und dann untauglich ist. Also ich kann das nicht ganz verstehen. Aus meiner Sicht wäre es sehr wichtig, dass man auch ... (Abg. Dr. Pirklhuber: Krankheit!) Bitte? (Abg. Dr. Pirklhuber: Gesundheitliche Probleme!) – Man sollte das einmal genau hinter­fragen.

Ich meine, es ist wichtig, dass wir uns da jetzt nicht gegenseitig ausspielen, denn das bringt niemanden von uns weiter. Es ist wichtig, dass wir mit der Petition betreffend die Aufhebung des Berufsverbotes „Polizei“ für Zivildiener und mit der Vorlage der Zivil­dienst­novelle von Frau Bundesminister Fekter wieder einen Diskussionsprozess abhalten, sage ich, und uns entscheiden, in welche Richtung es da gehen soll.

Wichtig ist, dass zum Schluss herauskommt, dass wir in diesem Land die sozialen Bedürfnisse und die Sicherheitsbedürfnisse nicht vergessen und dass wir Gerechtigkeit zwischen den drei Kategorien schaffen. Die 8 000 Untauglichen sind auch schon eine Kategorie – die vergisst man, aber eigentlich sind sie die Gewinner, wenn es darum geht, was man in der Zeit verdienen kann.

Nach 35 Jahren kann und darf es Veränderungen geben. Wir haben es in der Hand, das hier politisch zu entscheiden. Wichtig ist eine offene und ehrliche Diskussion darüber. Es bringt uns nichts, wenn wir uns gegenseitig Vorhalte machen und die Systeme schlechtmachen. Wir brauchen eine positive Diskussion mit einer Abwägung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 200

der Argumente und einem guten Modell für die Zukunft. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

19.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosen­kranz. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.41.53

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Zur Petition 42, sie betrifft den Schotterabbau, den auch Frau Kollegin Höllerer bereits erwähnt hat; vom Kollegen Sacher – ich sehe ihn gerade nicht – eingebracht.

Frau Kollegin Höllerer, wenn Sie hier sagen, dass diese Petition jetzt bestens aufgehoben ist, haben Sie offensichtlich den Sinn und Zweck dieser Petition nicht erkannt. Es geht darum, dass die Bevölkerung dort keinen Schotterabbau möchte, kein Waldgebiet von 50 Hektar mit den entsprechenden Belastungen. Und es ist die Aufforderung enthalten, dass sich die Ministerien da positiv einschalten.

Von den Ministerien sind die Stellungnahmen gekommen. Vom Landwirtschafts- und Umweltministerium ist gekommen: Wir haben damit überhaupt nichts zu tun.

Das Wirtschaftsministerium hat gesagt: Na ja, grundsätzlich ist aber das Abbau­material, das dort ist, durchaus wichtig für die Versorgung der Ostregion Österreichs. Und das Ministerium leitet dann über auf eine Bedarfsprüfung im Sinne eines Umweltverträglichkeitsprüfungsverfahrens, bei dem die Interessen der Bevölkerung und die öffentlichen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Da kann man sich schon vorstellen, wie dann die Entscheidung des Landes Niederösterreich ausfallen wird, wenn auf der einen Seite dieser Schotter für den Gleisbau gebraucht wird und es auf der anderen Seite „angemessen“ heißt, also ein Ermessensspielraum ist. Was daraus werden wird, können wir wahrscheinlich schon bald sehen.

Das Schönste ist dann noch die Stellungnahme des Verkehrsministeriums, das sagt: Wir sind nicht zuständig, aber wenn ihr für den schonenden Abtransport eine Bahn braucht, helfen wir euch gerne. – Also die Petition ist da wirklich gut aufgehoben! (Beifall bei der FPÖ.)

19.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hagen. Eingestellte Redezeit: 2 Minuten. – Bitte.

 


19.43.36

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich muss zum Kollegen Mayerhofer von der FPÖ kurz etwas sagen. Ich denke, dass man in einem Land wie Österreich den jungen Leuten die Chance geben sollte, einen Fehler, den sie gemacht haben, zu korrigieren.

Das BZÖ ist der Meinung, dass wir den Vorschlag von Frau Bundesminister Fekter aufgreifen sollten, dass Zivildiener, die später merken, dass sie einen Fehler gemacht haben – ich werde später noch ein konkretes Beispiel dazu bringen –, diesen Fehler revidieren können (Abg. Dipl.-Ing. Deimek: Wenn sie merken, dass sie einen Fehler gemacht haben, können sie sich zurückmelden!) und auch zur Polizei gehen können; aber indem sie nicht 4 Monate Wehrdienst, sondern den vollen Wehrdienst leisten. Ich denke, dann sieht man, ob es der Bursche ernst meint oder nicht. Damit wäre allen Kritikern das Pulver genommen.

Wir sind auch der Meinung, dass man das gesamte System hinterleuchten muss. Wir haben jetzt auch Frauen, die bei der Polizei ihren Dienst versehen, die oft schon mit 18 Jahren zur Polizei kommen, und hier ist die Ausfallsquote relativ hoch. Wir meinen


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daher, dass darüber nachgedacht werden sollte, ob jene Frauen nicht auch dieselbe Möglichkeit haben sollten wie die Burschen – der Zivildienst ist das beste Beispiel dafür, dass jemand mit 18 Jahren vielleicht noch nicht genau weiß, wohin er möchte, noch etwas zu labil oder zu unreif ist, die richtige Entscheidung zu treffen, sich viel­leicht von Kollegen überreden lässt, zum Zivildienst zu gehen –, beim Bundesheer die sechs Monate Grundausbildung zu machen, und erst danach in den Polizeidienst aufgenommen werden.

Ich weiß nicht, warum Sie da jetzt den Kopf schütteln. Ich finde, das wäre fair. Wir wollen immer die Gleichberechtigung: gleiche Bedingungen, gleiche Chancen, gleiches Gehalt. All das wäre da gegeben. Darüber sollte man in diesem Zusammenhang auch einmal nachdenken.

Aber nun das konkrete Beispiel, das ich Ihnen bringen wollte – mein Sohn ist per­sönlich betroffen –, damit man auch einmal den Hintergrund solcher Entscheidungen sieht.

Als Vater, selbst bei der Polizei tätig, sagt man dem Burschen: Du musst den Grund­wehrdienst machen, sonst hast du im Staatsdienst keine Chance! Du redest auf das Kind ein wie auf ein krankes Ross, aber das Kind hört nicht darauf. Es lässt sich von Kollegen auf der Zugfahrt nach Innsbruck überreden, die sagen: Wir gehen alle zum Zivildienst! – Aber ich rechne ihm das nicht negativ an, und zwar deshalb, weil er fix zur Rettung wollte. Er ist ein sehr hilfsbereiter und sehr sozialer Mensch. (Abg. Dr. Pirklhuber: Richtig!) Er hat gesagt, dass er so die Chance hat, bei der Rettung einzusteigen.

Das war für ihn der Grund, den Zivildienst bei der Rettung abzuleisten. Er hat die acht Monate dann auch gemacht. Das war eine schöne Zeit. Das Land und die Allgemeinheit profitieren von diesem Burschen, denn er ist nach wie vor freiwillig bei der Rettung tätig, macht dort viele Dienste und hilft den Menschen. Außerdem ist er auch noch bei der Feuerwehr tätig.

Und jetzt komme ich darauf, warum ich denke, dass man Fehler revidieren können muss. (Abg. Dr. Pirklhuber: Das ist doch kein Fehler!) Das kann dem Burschen doch nicht sein Leben lang nachhängen, denn er hat niemanden umgebracht, und auch sonst ist nichts passiert. Im Gegenteil, er hat geholfen.

Mein Sohn kommt zu mir und fragt mich: Du, Papa, was soll ich machen, ich würde gerne das Bundesheer nachholen, denn ich möchte zur Polizei gehen? – Er ist jetzt 21 Jahre alt – das ist also drei Jahre her –, und ihm bleibt das nach den jetzigen Möglichkeiten verwehrt.

Was aber ist so schlecht daran, wenn der Bursche das Heer nachträglich freiwillig ableisten möchte? Er hat damals diesen Revers mit der Waffenverweigerung nur unterschrieben, weil er eben unbedingt zur Rettung wollte und seine Kollegen ihn dazu gedrängt haben. Es wurde nur gefragt: Kannst du eine Waffe tragen oder nicht?, und damit war das beendet. Wie kann ich diesem Burschen helfen, dass er diese Mög­lichkeit wieder hat?

Wenn es jemand wirklich ernst meint und sagt: Ich mache diese sechs Monate nach, und anschließend gehe ich zur Polizei!, dann soll man ihm doch diese Chance geben. Das ist unsere Sicht der Dinge. Er hat ja, wie gesagt, niemanden umgebracht. Das ist keine lebenslange Geschichte. Ich denke, diesen Vorschlag von Frau Fekter kann man absolut unterstützen.

Wenn ich von Herrn Darabos von der SPÖ jetzt höre, dass er gegen diesen Vorschlag ist, verstehe ich das nicht, denn wenn ein Zivildiener Landesverteidigungsminister werden kann, dann dürfte es auch kein Problem sein, dass ein ehemaliger Zivildiener,


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der den Wehrdienst nicht aus Gewissensgründen abgelehnt hat, sondern weil er einfach ein Ziel verfolgt hat, um einen Job, in dem er Menschen helfen wollte, durch­zuführen, und der vielleicht noch nicht imstande war, diese für sein ganzes Leben tiefgreifende Entscheidung richtig einzuschätzen, das revidiert. Diese Chance sollte man ihm geben.

Deshalb ist diese Änderung angemessen, und wir werden die Petition auch unter­stützen. Das Zivildienstwesen betreffend werden wir allerdings unter einem anderen Tagesordnungspunkt noch über weitere Dinge sprechen müssen. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

19.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Linder. 5 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.49.18

Abgeordneter Maximilian Linder (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen! Geschätzte Kollegen! Der Forderung des Abgeord­neten Pirklhuber, die Petitionen den Fachausschüssen zuzuweisen, kann ich sehr viel abgewinnen. Als Beispiel dafür dient das Thema Wildbach- und Lawinenverbauung.

In dieser Petition wird gefordert, die Mittel aufrechtzuerhalten. Und vom Minister wurde geschrieben, dass die Mittel in gleicher Form zur Verfügung gestellt werden – im speziellen Fall für die Steiermark. Im Budget 2009 waren es 52 Millionen, 2010 sind es 50 Millionen. Da muss man sagen, dass das in Ordnung ist – auf den ersten Blick.

Die Praxis aber schaut so aus, dass der Minister pro Projekt den Fördersatz eklatant gesenkt hat. Ich habe das in meiner eigenen Gemeinde erlebt. Wir haben für eine Wildbach- und Verbauungsmaßnahme 67 Prozent an Förderung des Bundes bekom­men und fünf Jahre später für ein Projekt, dessen Umsetzung wir jetzt beginnen, nur noch 50 Prozent. Das bedeutet, dass wir von der Gemeinde insgesamt 380 000 € mehr aufbringen müssen.

Ich weiß mittlerweile, dass viele Gemeinden daran scheitern und die Mittel nicht mehr aufbringen können. Vor allem jetzt, wo es darum geht, entlegenere, teurere Projekte zu finanzieren, schaffen es die Gemeinden nicht mehr, den Eigenanteil aufzubringen.

Deshalb ist es, glaube ich, der falsche Weg, wenn man zwar gleich viel Geld zur Ver­fügung stellt, aber den Fördersatz nach unten revidiert. Außerdem meine ich, dass genau diese Dinge in den Fachausschüssen eher richtig beurteilt würden, nicht im Petitionsausschuss, in dem, wie Wolfgang gesagt hat, nicht immer die Fachleute sitzen, die sich auskennen.

Deshalb verlange ich, das den Fachausschüssen zuzuweisen. Und im Sinne des länd­lichen Raumes wäre es auch ganz wichtig, den Fördersatz ... (Abg. Mag. Molterer: Welcher Wolfgang?) – Pirklhuber. (Abg. Mag. Molterer: Nur für das Protokoll!) Okay. Pirklhuber. (Abg. Mag. Molterer: Dass ihr da so gute Freunde seid?)

Ich fordere auch, dass man im Sinne des ländlichen Raumes die Fördersätze nicht senkt, sondern die Gemeinden weiterhin gleich gut bedient, damit sie die teuren Pro­jekte umsetzen können. (Beifall bei der FPÖ.)

19.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



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19.51.48

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen des Parlaments! Ich kann mich den vielen Beteuerungen meiner Vorrednerinnen und Vorredner, dass sie alle dafür sind, den Petitionsausschuss in seinem Wirkungskreis ein wenig aufzuwerten, nur anschließen.

Es sind schon einige Verbesserungen durchgeführt worden, wie das Expertenhearing betreffend die SchülerInnen. Wir holen Expertenmeinungen von anderen Institutionen ein. Ich denke, das ist sehr wertvoll und sehr wichtig.

Herr Kollege Pirklhuber hat in seiner Rede auch davon gesprochen, dass wir Abge­ordnete im Petitionsausschuss nicht die Fachexpertinnen, die Fachabgeordneten sind. Das stimmt, das ist richtig, aber ich denke, dass wir uns doch anhand der Stellung­nahmen der Ministerien, die ja sehr gut begründet sind, ein gutes Bild über die Sachlage machen können. Wir von der SPÖ – das nehme ich auch von den anderen Parteien an – halten ja auch immer Rücksprache mit den Fachabgeordneten in den einzel­nen Fachausschüssen, sodass das ein rundes Bild ergibt. (Abg. Dr. Pirklhuber: Wirklich?) Ja, wir machen das schon, ich hoffe, Sie machen das auch. (Abg. Dr. Pirklhuber: Über jede einzelne Petition habt ihr geredet?) So kann man sich vorher ein gutes Bild über die einzelnen Petitionen machen.

Gerade mit der Petition Nr. 39 haben wir meiner Meinung nach ein gutes Beispiel dafür, dass eine Petition von den Ministerien gut bearbeitet worden ist. Die Antworten waren unserer Meinung nach sehr ausreichend. Darum hat es auch viel Zustimmung gegeben.

Ich möchte noch auf eine Besonderheit des Petitionsausschusses des heurigen Jahres hinweisen. Wir haben die Bürgerinitiative betreffend die Anerkennung der Service- und Signalhunde, die Gleichstellung mit den Blindenführhunden gehabt. Das haben wir im Petitionsausschuss auch zur Kenntnis genommen. Die Aktivistinnen und Aktivisten haben aber sehr eifrig auch im Hintergrund weitergearbeitet, und vielen Abgeordneten war das auch ein großes Anliegen. Und so ist es jetzt gelungen, dass wir heute, obwohl wir die Bürgerinitiative zur Kenntnis genommen haben, einen Fünf-Parteien-Antrag in dieser Causa eingebracht haben. Das ist ein schönes Zeichen dafür, dass die Bürgerinitiativen sehr, sehr ernst genommen werden. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

Ich möchte mich bei allen Kollegen und Kolleginnen der Parteien dafür bedanken, dass sie diesen Fünf-Parteien-Antrag heute eingebracht haben. (Beifall bei der SPÖ.)

19.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pack. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.54.04

Abgeordneter Jochen Pack (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Ich möchte ebenfalls auf die Petition Nr. 38 betreffend Aufhebung des Berufsverbotes „Polizei“ für Zivildiener kurz eingehen.

Die Unterzeichner beziehungsweise der Einbringer der Petition fordern die Aufhebung des 15-jährigen Waffenverbotes für Zivildiener, um im Sinne einer freien Berufswahl in den Polizeidienst eintreten zu können. Das klingt zuerst – meine Vorredner haben es teilweise schon erwähnt – ziemlich einfach, aber man muss sich dieser Materie natür­lich tiefer widmen.

Mir ist es wichtig, dass man in diesem Zusammenhang Folgendes festhält: Der Zivil­dienst ist laut Verfassung ein Wehrersatzdienst für jene Wehrpflichtigen, die es aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden. Die Poli­


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zei aber ist ein einheitlich organisierter bewaffneter und nach militärischen Mustern organisierter ziviler Wachkörper. Und im Exekutivdienst kann sich jederzeit die Notwen­digkeit zur Anwendung von Waffengewalt gegen andere Personen, natürlich im Sinne des Waffengebrauchsrechts, ergeben.

Konsequenterweise wird daher die freie Berufswahl aus den gleichen Gewissens­grün­den relativiert, mit denen der Wehrdienstpflichtige seine Entscheidung für den Wehr­ersatz­dienst gemacht hat, weil er ja die Anwendung von Waffengewalt gegen Men­schen abgelehnt hat.

Daher muss man aus genau diesem Grund tiefer in diese Materie eingehen und sich mit diesen sogenannten Gewissensgründen – man kann ja auch jetzt schon sozusagen einen Gewissenswandel vollziehen und diese Begründung widerrufen; damit tritt man wieder in die Wehrpflicht ein – genauer befassen. Das ist nicht so einfach gesagt, da geht es um die Verfassung, da geht es um grundsätzliche Dinge.

Seitens des Innenministeriums werden da Vorschläge vorbereitet, die viele andere Bereiche des Zivildienstes auch umfassen und die sich auch mit der Thematik der Gewissenserklärung befassen. Aber das soll in aller Ruhe, mit großer Sachlichkeit und ohne Emotion diskutiert werden – im Sinne aller Betroffenen sowohl des Bundes­heeres, der Polizei als auch der vielen Jugendlichen, die den Weg des Zivildienstes gehen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.56


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.56.49

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Auch wir unterstützen, dass Bürgerinitiativen und Petitionen noch ernster genommen werden und in die Fachausschüsse kommen.

Heute, und das ist mir eine besondere Freude, gibt es ja auch zwei Sensations­meldungen. Die erste Sensationsmeldung ist, am 16. April ist die Firma Bayer AG aus Leverkusen in Amerika dazu verurteilt worden, 50 Millionen US-Dollar Strafe zu zahlen wegen Auskreuzung von Gen-Reis auf einer Versuchsfläche. Hiermit ist nachge­wiesen, dass eine Koexistenz unmöglich ist. Die europäische Lebensmittelbehörde behauptet heute noch, eine Koexistenz wäre möglich. Das ist damit eindeutig widerlegt. Und die Firma Bayer aus Leverkusen wird vor allem auch mindestens 1,3 Milliar­den € an Schaden bezahlen müssen. Seit 16. April 2010 übernimmt Japan von ganz Amerika keinen Reis mehr. Diesen Schaden hat einzig und allein Bayer zu verantworten.

Professor Kawata sagt in seiner neuesten Studie: Wer behauptet, Gen-Soja sei sicher, liegt falsch. Diese Aussage, wie sie auch unsere ÖVP gebetsmühlenartig trifft, ist kriminell. Bitte, das sagt Professor Dr. Kawata.

Weiters ist da auch noch anzubringen, dass die erste Tat, die unser lieber, guter Herr Kommissar Hahn in Brüssel gesetzt hat, war, dass er für die Zulassung der Gen­kartoffel Amflora gestimmt hat und damit mindestens 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung verraten hat.

Und als Drittes: In diesem Prozess wurden erstmalig die echten Verursacher verurteilt. Es wurde nicht auf die Bauern zurückgegriffen. Das ist ganz, ganz wichtig. Das müssen wir endlich einmal auch bei uns in Österreich aufgreifen und den Import von Hunderten, ja Tausenden Tonnen gentechnisch verseuchten Sojas verbieten, das hineingetan wird, damit gewisse Konzerne – ich will jetzt keine Namen nennen – ihre Profite und Bilanzen aufbessern.


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Jetzt gibt es auch Studien, ganz, ganz neu, auch von österreichischen Professoren bestätigt, dass gentechnisch verändertes Soja bei mindestens 220 Grad 25 Minuten lang gekocht werden muss, denn erst nach 25 Minuten sterben die schädlichen toxi­schen Aminosäuren ab. Es gibt aber weltweit keine einzige Ölmühle, die das kann, auch die deutschen Ölmühlen nicht. Und das, glaube ich, sollte uns schon zu denken geben und uns veranlassen, endlich die richtigen Schritte zu setzen. (Beifall beim BZÖ.)

20.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hechtl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.00.06

Abgeordneter Johann Hechtl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Mit diesem Sammelbericht und den darin enthaltenen zwei Bürgerinitiativen und vier Petitionen wird das Interesse an einem Mitwirken und einer Mitbestimmung der Bürger, auch der Wunsch, ihre Anliegen vorzubringen, und nach einer parlamentarischen Behandlung klar zum Ausdruck ge­bracht. Die verschiedenen Themenbereiche zeigen, wie vielfältig die vorgebrachten Anliegen sind. Es ist Aufgabe der Politik, diese aufzugreifen und sich mit ihnen aus­einanderzusetzen.

Themen wie der Zugang zum Polizeidienst nach Ableistung des Zivildienstes sind genauso wichtig wie die Anliegen der Errichtung von Schutzbauten durch die Wildbach- und Lawinenbebauung, das regionale Raumordnungsprogramm, die Kennzeichnung von gentechnikfreien Futtermitteln, die Verhinderung der Vorratsdaten­speicherung et cetera, die zur parlamentarischen Beratung und Diskussion im Aus­schuss gelangten.

Die Bedeutung der Anliegen wird durch die Einholung von Stellungnahmen in den Ministerien und die Behandlung im Plenum unterstrichen.

Geschätzte Damen und Herren! Auch wenn die Petitionen und Bürgerinitiativen nicht immer in jenem Umfang umgesetzt werden, wie wir es uns manchmal vorstellen wür­den, so sind sie wichtige Anregungen und ein wichtiges Instrument des demokra­tischen Mitwirkens.

Parlamentarismus und Bürgernähe sind wichtige Elemente unserer Demokratie und sind für uns sehr wichtig. Demzufolge werden wir die Petitionen und Bürgerinitiativen entsprechend den Ausschussbeschlüssen zur Kenntnis nehmen und empfehlen ihre Kenntnisnahme. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abge­ordnete Mag. Brunner. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.02.01

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zu Beginn ganz kurz zwei Anmerkungen machen: Erstens finde ich es, gelinde gesagt, ziemlich eigenartig, wenn man es als Fehler bezeichnet, dass sich junge Menschen dafür entscheiden, nicht mit der Waffe zu hantieren, sondern einen wertvollen Dienst an der Allgemeinheit zu leisten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine kurze Anmerkung noch zur Bürgerinitiative, die fordert, dass Parteien, die in ihren Wahlkämpfen Menschen diskriminieren, keinen Wahlwerbekostenbeitrag erhalten sollen. Ich meine, die FPÖ ist die einzige Partei, die sich davon angesprochen fühlt, ich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 206

weiß nicht, ob aus schlechtem Gewissen, es ist jedenfalls keine große Überraschung. Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes stellt jedenfalls fest, dass die Er­lassung einer solchen Norm aus verfassungsrechtlicher Sicht denkbar ist. (Abg. Mag. Ikrath: „Denkbar“? Ist es zulässig oder nicht zulässig?) Es ist auf Grund der Verfassung vorstellbar, je nach konkreter Ausgestaltung eine solche Norm zu erlassen.

Ich möchte jetzt aber auf einige Petitionen und Bürgerinitiativen eingehen und möchte mich zu Beginn auch gleich bei allen Menschen bedanken, die sich die Mühe machen, eine solche Petition oder Bürgerinitiative zu verfassen und auch hier einzubringen, weil dies wichtige Hinweise, glaube ich, auch für die Arbeit im Parlament gibt. Zwei Beispiele möchte ich herausgreifen.

Zunächst zu einer Petition, wo es um Lärmschutz im Bereich der Gemeinde Pettnau gegangen ist. Da wird mehr Lärmschutz gefordert. Und ich finde es spannend, weil hier im Hause bei den Debatten an sich immer darüber diskutiert wird: Einsparen – weniger Lärmschutz. Die Einsparungen im Straßenverbau gehen meistens auf Kosten des Lärmschutzes und auf Kosten der Anrainer. Ich finde, wir sollten für mehr Lärmschutz eintreten und das auch in unsere Überlegungen mit aufnehmen und eher bei den zusätzlichen Straßenbauten einsparen als beim Lärmschutz für die Anrainerinnen und Anrainer. (Beifall bei den Grünen.)

Dann möchte ich noch auf eine Bürgerinitiative zu sprechen kommen, in deren Rah­men es um die Verbesserung der Schweinehaltung, also um tierschutzgerechte Schwei­nehaltung, geht. Das ist eine Bürgerinitiative mit verschiedenen Forderungen, zum Beispiel das Verbot von Kastenständen, das Verbot von Vollspaltenböden, mehr Platz für die Schweine, das Verbot von schmerzhaften chirurgischen Eingriffen ohne Narkose. Das sind, glaube ich, alles wichtige Forderungen, weil es gerade bei der Schweinehaltung aus Tierschutzsicht große Bedenken gibt.

Wir unterstützen diese Bürgerinitiative zu hundert Prozent. Ich habe auch einen ähnlich lautenden Antrag eingebracht, den wir versuchen werden im Gesundheitsausschuss auch zu behandeln. Deswegen habe ich es nicht verstanden, warum wir nicht auch diese Bürgerinitiative an den Gesundheitsausschuss weitergeben und dort dann auch fachlich mit behandeln.

Allgemein möchte ich sagen, eben gerade weil im Ausschuss für Petitionen nicht immer eine fachliche Diskussion stattfinden kann, wäre es wichtig, diese Petitionen und Bürgerinitiativen an die entsprechenden Ausschüsse zu verweisen.

Ich möchte auch sagen, dass wir versuchen sollten, Menschen zu motivieren, Petitionen, Bürgerinitiativen, Anliegen an uns heranzutragen. Ich selbst habe einmal eine Bürgerinitiative an dieses Haus gestellt, habe dann aber nie wieder etwas davon gehört. Und ich finde, das ist ein frustrierendes Erlebnis. Wir sollten die Menschen ermutigen, Anliegen in dieses Haus zu bringen, diese dann auch ernst nehmen, um so auch ein Bindeglied zwischen dem Parlament und den Bürgerinnen und Bürgern zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

Deswegen finde ich, dass der Petitionenausschuss ein sehr wichtiger Ausschuss ist. Ich schätze auch die Zusammenarbeit in diesem Ausschuss sehr. – Das war es zum Petitionenausschuss.

Im Übrigen bin ich der Meinung, Österreich braucht ein starkes, eigenständiges und engagiertes Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Cortolezis-Schlager. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 207

20.06.25

Abgeordnete Mag. Katharina Cortolezis-Schlager (ÖVP): Herr Vorsitzender! Der Petitionenausschuss zeigt, dass dieses Haus Bürgerinitiativen und Petitionen sehr ernst nimmt. Und wenn man die heutige Rednerinnen- und Rednerliste anschaut, dann sieht man, wie wichtig uns die einzelnen Themen sind.

Ein Thema, das mir besonders wichtig ist, ist das Thema Vorratsdatenspeicherung, weil es eine der Petitionen ist, die tatsächlich eine sehr, sehr sensible Materie an­spricht. Gleichzeitig zeigt sich aber, dass bei diesem Sammelbericht diese Petitionen stückweise untergehen. Wir müssen hier Sensibilität zeigen, was wir auch alle im Ausschuss festgestellt haben. Und daher ist es mir ein Anliegen, dass wir das heute hier auch im Plenum noch entsprechend würdigen können.

Tatsächlich ist es so, dass sich Österreich zu diesem sensiblen Thema sehr aktiv in der Europäischen Union eingebracht hat. Mehrere Bundesregierungsmitglieder konn­ten Verbesserungen auf EU-Ebene bewirken. Trotzdem ist es derzeit so, dass wir dieses Thema rein gesetzlich abschließen, umsetzen müssen. Aber ich möchte meiner Fraktion, dem Plenum und damit auch der Bürgerinitiative mitteilen, es ist unser aller Aufgabe, weiter an diesem Thema dranzubleiben und zu schauen, dass noch weitere Verbesserungen, auch auf europäischer Ebene, in Angriff genommen werden. Denn letztendlich geht es hier um sensible Bürgerrechte, die wir entsprechend zu sichern und zu wahren haben.

Wir haben heute schon mehrmals gelernt, das geeignete Forum für solche Dinge ist die Europäische Union, wir bekennen uns zur Europäischen Union. Ich glaube, das, was wir gemeinsam mit der Bundesregierung und unseren parlamentarischen Vert­retern tun können, ist, in dieser Frage zu einer europaweiten guten Regelung zu kommen. Ein starkes Europa sichert die Bürgerrechte, aber das österreichische Parla­ment kann die Bürgerinitiativen entgegennehmen, ernst nehmen und für entsprechen­de Weiterreichung auch auf europäischer Ebene sorgen, sodass wir künftig die Interessen nicht nur kennen, sondern auch entsprechend wahrnehmen können. (Beifall bei der ÖVP.)

20.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Hell. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.08.46

Abgeordneter Johann Hell (SPÖ): Herr Präsident! Wie vielfältig die zu behandelnden Themen im Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen sind, haben wir in den Beiträgen meiner Vorredner bereits gehört.

Petitionen und Bürgerinitiativen liegt ja oft ein Hilferuf der Bevölkerung zugrunde, wenn sie sonst ihren Anliegen kein Gehör mehr verschaffen kann. Als Abgeordnete werden wir oft mit solchen Anliegen konfrontiert, und wir bemühen uns natürlich, unsere Bevöl­kerung entsprechend zu unterstützen.

In der Petition 42, die vom Abgeordneten Ewald Sacher eingebracht wurde, wenden sich die Betroffenen gegen die Errichtung eines zweiten Steinbruchs im Gemein­degebiet von Paudorf. Die vom Land Niederösterreich geplanten Umwidmungen von 50 Hektar Waldfläche würden für die betroffene Bevölkerung gravierende Verschlech­terungen ihrer Lebens- und Wohnqualität bringen.

In drei Sitzungen hat sich der Ausschuss mit diesem Anliegen auseinandergesetzt, drei Stellungnahmen wurden von Ministerien eingeholt. In den Stellungnahmen wurde darauf hingewiesen, dass die Kompetenz für Raumordnung gemäß der Bundesver­fassung den Ländern zugeordnet ist.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 208

Daher besteht derzeit laut Stellungnahme keine rechtlich verbindliche Möglichkeit, auf die weitere Entwicklung des geplanten Vorhabens vonseiten des Bundes im Sinne der Bevölkerung der Gemeinde Paudorf Einfluss zu nehmen. Diese Stellungnahme müs­sen wir auch akzeptieren, Herr Abgeordneter Rosenkranz! Auch die naturschutzrecht­liche Bewilligung des Planes oder des Projektes fällt in die Zuständigkeit des Landes Niederösterreich. Der Ausschuss hat daher mit Stimmenmehrheit beschlossen, diese Petition durch Kenntnisnahme zu erledigen.

Meine Damen und Herren, eine grundsätzliche Feststellung zu solchen Vorhaben: Die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Gemeinden erwarten sich zu Recht, bei so großen örtlichen Raumordnungsänderungen eingebunden zu werden. Daher ist es für die Betroffenen unverständlich, dass wirtschaftliche Wünsche, auch wenn sie wie in diesem Fall aus kirchlichen Einrichtungen stammen, keine Rücksicht auf die Menschen und die Regionen nehmen und mit der Anweisung einer Eignungszone der Gemeinde die Möglichkeit genommen wird, im Rahmen des örtlichen Raumordnungsprogrammes zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger tätig zu werden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.11


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Franz. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.11.25

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Petition Nummer 39 betreffend die Errichtung von Schutzbauten durch die Wildbach- und Lawinenverbauung Bezug nehmen. Als eine im Jahr 2005 vom Hochwasser Betroffene weiß ich um die große Bedeutung von Schutzbauten gegen Hochwasser. Ich habe bei uns in der Gemeinde und auch in den umliegenden Gemeinden erlebt, dass da enorm viel Geld hineingesteckt wurde vom Bund, vom Land, aber auch von den anliegenden Gemeinden.

Wir sind jetzt in der glücklichen Lage, dass wir unsere Schutzbauten im Bregenzer Wald voraussichtlich im Laufe dieses Jahres, also im Laufe des Jahres 2010, abschließen werden können. In dieser Petition geht es um die Gemeinden im Bezirk Liezen in der Steiermark. Hier ist von einer Kürzung der Bundesmittel die Rede. Aller­dings kommt in den Stellungnahmen von Landwirtschaftsministerium und Finanz­ministerium heraus, dass die Mittel trotz Rückgangs des Steueraufkommens aufge­stockt wurden. So gab es in den Jahren 2005 bis 2009 ein Mehr von insgesamt 20 Millionen € gegenüber den Voranschlägen.

Nun hat sich herausgestellt, dass die Landesmittel eben nicht gleichzeitig ausge­schüttet wurden. Es hat also an der Kofinanzierung gefehlt. Gott sei Dank konnte das Problem dann gelöst werden, und diese Mittel wurden vom Land Steiermark bereit­gestellt. Es ist gut, dass dieses Problem eben gelöst werden konnte. Deshalb wurde die Petition auch zur Kenntnis genommen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.13


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Lipitsch zu Wort. 2 Minuten sind eingestellt. – Bitte.

 


20.13.16

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Petitionen und Bürgerinitiativen zeigen auf, welche Wünsche, Ängste und Befürchtungen die Menschen bewegen. Deswegen ist es sehr positiv, dass dieser Ausschuss in seinen Grundfesten neu gestaltet wird, sei es das öffentliche Hearing,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 209

das wir bereits abgehalten haben, seien es Stellungnahmen von Fachbereichen, die nicht den Bundesministerien zugehören.

Ich möchte mich einmal recht herzlich bei allen Fraktionen bedanken, dass es zugelassen wird, auch in diesem Ausschuss neue Wege zu gehen. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerade im Bereich der Lebensmittel besteht besondere Sensibilität, und die Konsu­menten wollen immer genauer wissen, was sie zu sich nehmen, genauer gesagt, woher es kommt, was drinnen ist und wie es verarbeitet wird.

Kollege Pirklhuber, du hast ja die Petition 41 angesprochen, wo es darum geht, tieri­sche Produkte wie Fleisch, Eier und Milch, die von Tieren stammen, die gentechnisch veränderte Futtermittel erhalten, besonders zu kennzeichnen. Die EG-Verordnung 1829 geht gerade auf diesen Bereich nicht ein. Wir wissen aufgrund der Stellung­nahme, dass die vorgelegten Wünsche Österreichs in der EU nicht mehrheitsfähig sind.

Es gibt natürlich schon freiwillige Kennzeichnungen verschiedener Art zu diesem The­ma, beziehungsweise gibt es im AMA-Gütesiegel eine Berücksichtigung. Der Wunsch nach einer einheitlichen Kennzeichnung besteht aber – wie bereits angesprochen, am 16. April im Salzburger Landtag von der SPÖ eingebracht. Hier dieser Antrag, der auch dort einstimmig angenommen wurde.

Wir sollten – und das ist ein Gedanke zu dem, was in den Stellungnahmen verankert war – im Rahmen einer Neugestaltung des Gütesiegelrechtes die Schaffung eines eigenen Gütesiegels für gentechnikfrei auf nationaler Ebene andenken, wenn wir auf EU-Ebene nicht weiterkommen. Der Bereich Ernährung sollte uns besonders am Herzen liegen, was wir auch gestern mit unserer Zustimmung zum Nationalen Aktionsplan Ernährung gezeigt haben. (Beifall bei der SPÖ.)

20.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Schmuckenschlager. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.15.40

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Herr Präsident! Hohes Haus! Ich durfte im letzten Ausschuss für Petitionen auch eine Petition aus meiner Heimatgemeinde, die ich eingebracht habe, mit diskutieren. Wir konnten hier sehr ausführlich über die Petition Nummer 44, die die Rücknahme des Tempos 50 und eine Erhöhung wieder auf Tempo 70 auf der Bundesstraße 14 von Klosterneuburg nach Wien beinhaltet, diskutieren. Ich möchte allen Teilnehmern und den Mitgliedern des Ausschusses recht herzlich dafür danken, dass wir das ausführlich diskutieren konnten, den Platz hatten, alles zu erörtern, und dies den zuständigen Ministerien nun zu einer Stellungnahme zuleiten konnten.

Es ist ein Thema, das vielen Menschen unter den Nägeln brennt. Gerade bei mir im Wiener Umland ist immer wieder der Verkehr ein Thema, und da ist es ganz wichtig, dass die Leute auch das Gefühl bekommen, dass wir uns hier im Hohen Haus als Vertreter des Volkes um diese Anliegen auch kümmern.

Als junger Mensch möchte ich selbstverständlich auch zum Thema Zivildiener und Berufsverbot kurz Stellung nehmen. Es ist, glaube ich, unbestritten, dass wir den Leis­tungen aller jungen Menschen Respekt zollen sollten, ob sie nun den Wehrdienst oder den Zivildienst ausüben, denn es sind große Leistungen, die da vollbracht werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 210

Grund für die Entscheidung für den Zivildienst ist oft nicht die Gewissensklausel. Das ist aber in späterer Folge für die Jungen ein großes Problem, nicht nur für den Dienst bei der Polizei, sondern auch im Bereich der Jagd oder auch der Sportschützen.

Wenn wir von Zivildienst reden, müssen wir, wie es auch der Vorredner Pack schon gesagt hat, ins Detail gehen. Wir reden von Wehrersatzdienst. Da gilt es nicht, jungen Menschen Barrikaden aufzubauen, nur damit wir die Leute zum Wehrdienst bekom­men. Nein, da ist Bundesminister Norbert Darabos aufgefordert, den Wehrdienst weiter zu attraktivieren, damit sich junge Menschen wieder verstärkt auch für den Wehrdienst interessieren, aber nicht deswegen, weil sie ansonsten woanders Hürden vorfinden. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Neubauer.)

Es ist untragbar, dass unsere Jugend in Kasernen Dienst ableisten muss, wo der Verputz von den Wänden bröckelt. Das wird uns nicht mehr Grundwehrdiener bringen.

Aber als Mitglied des Gleichbehandlungsausschusses und anlässlich des heutigen Girls’ Day möchte ich hier auch anmerken, dass bereits jetzt Bevölkerungsgruppen Dienst bei der Polizei versehen dürfen, die keinen Präsenzdienst abgeleistet haben. Am Thema Gleichberechtigung der Geschlechter sieht man, dass das Thema Grund­wehrdienst noch viel mehr Fragen aufwirft als dieses Berufsverbot. Wir werden dieses Thema sicherlich noch einer eingehenden Behandlung hier im Haus unterziehen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.18

20.18.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist hiezu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht die Frau Berichterstatterin ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiativen, seinen Bericht 653 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

20.19.169. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl 1/1930, zuletzt geändert durch das Bundes­verfassungsgesetz BGBl I 127/2009, geändert wird (980/A)

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst Herr Abgeordneter Brosz. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


20.20.08

Abgeordneter Dieter Brosz (Grüne): Herr Präsident! Es ist ein relativ kurzer Antrag. Auch der Inhalt ist ziemlich kurz und prägnant zusammenzufassen. Wir sind der Mei­nung, dass die Tagesordnungen und die Beschlussprotokolle der Ministerratssitzungen in Zukunft veröffentlicht werden sollten und öffentlich zugänglich sein sollten. Es hat sich rund um die Debatte um die Verleihung von Staatsbürgerschaften herausgestellt, dass es nicht möglich war, nachzuvollziehen, wann eigentlich welche Schritte dort konkret gesetzt worden sind. Das ist ja ein Akt, der von der Bundesregierung gesetzt wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 211

Aber das ist nur ein Teil des Problems. Generell ist die Bundesregierung, soweit wir das überblicken können, kein Geheimgremium, sondern die Bundesregierung dieses Landes. Es ist nicht einzusehen, warum es einerseits für Journalisten, für Bericht­erstatter nicht möglich sein sollte, mitzubekommen, was eigentlich auf der Tages­ordnung steht. Es ist schon klar, dass da manchmal auch noch überraschend Dinge hinzukommen. Deswegen finden wir auch, dass es darum geht, die Beschluss­proto­kolle zu veröffentlichen.

Es sollte auch eine Usance im Hause sein, dass alle Fraktionen des Hauses zumindest eine Information darüber bekommen, was bei diesen Ministerratssitzungen beschlos­sen wurde. Auch das ist momentan nicht möglich. Die mehrfachen Versuche in der Präsidiale, zu erreichen, dass zumindest den im Haus vertretenen Fraktionen die Be­schluss­protokolle und die Tagesordnung übermittelt werden, sind bislang schiefge­laufen. Eine Erklärung ist nach wie vor ausständig, warum sich die Regierungs­fraktionen dagegen stellen, obwohl es Klubobmann Kopf schon mehrfach angekündigt hat, dass wir diese Information bekommen.

Ich glaube, es ist höchst an der Zeit, dass Österreich einen Schritt zu mehr Trans­parenz geht und die Bundesregierung aus diesem geheimen Nebel herauskommt und ihre Arbeit so weit transparent macht, dass die Beschlüsse nachvollziehbar gemacht werden. (Beifall bei den Grünen.)

20.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Steßl-Mühlbacher. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.22.04

Abgeordnete Mag. Sonja Steßl-Mühlbacher (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Der vorliegende Antrag der Grünen, die ja möchten, dass die Tagesordnungen der Sitzungen der Bundesregierung sowie die Beschlussprotokolle samt Vorträgen veröffentlicht werden, schmälert meiner Ansicht nach ein wenig das Interpellationsrecht der Abgeordneten. (Abg. Scheibner: So ein Unsinn!) – Warten Sie ein bisschen, Herr Kollege! – So wie der Antrag ausgestaltet ist, würde dies die Amtsverschwiegenheit komplett verdrängen. (Abg. Brosz: Amtsverschwiegenheit?!)

Auch der Schutz von Individualinteressen und datenschutzrechtliche Gründe müssen berücksichtigt werden.

Derzeit werden ... (Abg. Scheibner: Wer hat Ihnen das geschrieben?) – Hören Sie auf! – Derzeit werden die Gesetzesvorlagen, die ja eine nachfolgende Beschluss­fassung durch den Nationalrat und Bundesrat erfordern, dem Nationalrat durch den Ministerrat übermittelt. Genaueres kann im Wege der parlamentarischen Interpellation abgefragt werden.

Die Bestimmung, so wie sie derzeit ausgelegt ist, ist zu undifferenziert, wenn man zum Beispiel auch an Beschlüsse denkt, die die nationale Sicherheit betreffen.

Selbstverständlich bedarf dieser Antrag der nötigen Prüfung. Es wäre ja auch ein mög­licher Vorschlag, dass man eine Geschäftsordnung über die Führung der Geschäfte der Bundesregierung erlässt und dort auch Veröffentlichungsbestimmungen einfügt.

Im Verfassungsausschuss sind wir gerne bereit, über den Antrag zu diskutieren und an einer sinnvollen Lösung zu arbeiten. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Singer. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 212

20.23.58

Abgeordneter Johann Singer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kol­le­gin­nen und Kollegen! Hohes Haus! Der gegenständliche Antrag entstand offensicht­lich aus einem vermuteten Informationsdefizit. Daher stellt sich für mich die Frage: Welche Informationsmöglichkeiten gibt es denn bereits? Grundlage dafür ist für mich die verfassungsgesetzliche Auskunftspflicht gemäß Artikel 20 Bundes-Verfassungs­gesetz. Wir kennen aber auch einfachgesetzliche Auskunftsgesetze wie zum Beispiel das Recht auf Akteneinsicht.

Konkret gibt es nach jedem Ministerrat ein Kommuniqué, das auf der Internetseite des Bundeskanzleramtes öffentlich abgerufen werden kann. Auch stellen sich der Bundes­kanzler und der Vizekanzler unmittelbar nach jeder Sitzung der Bundesregierung den Journalisten und Medienvertretern im Pressefoyer.

Hier im Parlament steht uns auch eine Reihe von Interpellationsrechten zur Verfügung. Ich denke an schriftliche Anfragen an Bundesminister, Dringliche Anfragen und Anträge, ich denke an die Aktuelle Stunde und die neu geschaffene Aktuelle Europa­stunde. Außerdem ist aus meiner Sicht das Parlament vorbildlich hinsichtlich der Transparenz von Gesetzen auf dem Weg der Bundesgesetzgebung.

Bei allen diesen Möglichkeiten ist jedoch die Einschränkung durch die Regelung zur Amtsverschwiegenheit, wie es bereits ausgeführt wurde, nicht außer Acht zu lassen. Für mich ist aber auch klar, dass Diskussionspapiere oder vorbereitete Unterlagen nicht zu veröffentlichen sind.

All diese aufgezeigten Informationsmöglichkeiten haben sich bewährt. Ich sehe sie für ausreichend an. Daher halten wir eine zusätzliche Regelung für nicht notwendig. (Beifall bei der ÖVP.)

20.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.26.02

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bisher ist dieses Problem offenbar nicht aufgetreten, solange die Grünen den Dritten Präsidenten gestellt haben, denn da haben sie auch diese Infor­mation bekommen. Jetzt ist ihnen aufgefallen, dass sie sie nicht mehr bekommen. Wir verschließen uns aber keineswegs diesem Anliegen, denn es ist ja wirklich nicht zu verstehen, warum alle drei Präsidenten etwa diese Informationen bekommen, aber nicht alle Klubs im Haus, und warum diese Informationen nicht weitergegeben werden sollten. Im Sinne der Transparenz wäre das sinnvoll. Wir haben gerade gehört, es ist wichtig, dass wir hier im Parlament Transparenz haben. Warum sollten wir uns dem verschließen?

Möglicherweise wäre es sogar positiv für die Regierung, einen Arbeitsnachweis zu haben, damit man sieht, was sie tut. Das merkt man hier im Hohen Haus ja manchmal nicht so ganz, also wäre das durchaus günstig.

Wir werden uns daher der Diskussion nicht verschließen und grundsätzlich dem zustimmen. Im Detail wird man es wahrscheinlich noch anders regeln müssen. (Beifall bei der FPÖ.)

20.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Vorläufig letzter Redner hiezu ist Herr Abgeordneter Scheibner. 3 Minuten. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 213

20.27.12

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt haben wir demokratiepolitisch von der Frau Abgeordneten der SPÖ etwas dazugelernt, dass es eine Einschränkung des Interpellationsrechts der Abgeordneten wäre oder bedeuten würde, wenn die Tagesordnungen der Regierungssitzungen oder die Protokolle veröffentlicht werden. Vielleicht könnten Sie das irgendwann im Aus­schuss noch näher ausführen! Das würde mich sehr interessieren – rein aus grund­sätzlichen Überlegungen –, wie denn das begründbar ist. Das heißt, unser Anfrage­recht wird beschnitten, wenn wir schon im Vorhinein Informationen bekommen? – Das ist sehr spannend.

Ich glaube im Gegensatz dazu, dass es eine sinnvolle Maßnahme sein würde. Soweit ich mich erinnern kann, hat die SPÖ, als sie noch in der Opposition gewesen ist, genau das auch immer wieder verlangt. Von Fragen der nationalen Sicherheit als Einschränkung war damals keine Rede, ganz im Gegenteil.

Ich glaube, es wird wichtig sein, darüber zu diskutieren. Wir würden das sehr unter­stützen. Ich bin sehr gespannt, wie dann die Behandlung des Antrages aussehen wird, wie oft er vertagt wird und was dann im Endeffekt herauskommen wird. Auch das wird ein Licht auf das Demokratieverständnis der Bundesregierung und der Regierungs­parteien werfen. (Beifall beim BZÖ.)

20.28


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Ich weise den Antrag 980/A dem Verfassungsausschuss zu.

20.28.5310. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Zivildienst (Zivildienstgesetz 1986 – ZDG) geändert wird (984/A)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 10. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält zunächst die Antragstellerin, Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

20.29.17

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Hohes Haus! Meine sehr verehr­ten Damen und Herren! Es ist eigentlich viel einfacher, als es scheint, und viel einfacher, als es in den vorigen Diskussionen über die Petitionen herausgekommen ist, aber es braucht eine klare politische Entscheidung dafür. Die Streichung der soge­nannten Gewissensklausel im Zivildienstgesetz würde ausreichen, um all die Prob­leme, die kurz vorher thematisiert wurden, all das, was auch die Wünsche der Zivil­diener sind, einfach zu ändern und ihnen zu entsprechen, nämlich auch verfas­sungsrechtlich die Zivildiener mit dem Wehrdienst gleichzustellen.

Es kommen immer wieder Argumente im Sinne von: EU-rechtlich vielleicht schwierig, menschenrechtlich vielleicht schwierig. (Abg. Scheibner: Die Bundes-Verfassung, Frau Kollegin!) Das stimmt aber alles nicht. Auf europäischer Ebene gibt es diesbezüglich überhaupt kein Problem. Aus europarechtlicher Sicht ist es kein Problem, das Waffenverbot für Zivildiener abzuschaffen. Vielmehr wurde ja mit dem Inkrafttreten des neuen Lissabon-Vertrages neben der militärischen auch die zivile


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Komponente in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik gleich­berech­tigt etabliert. Das heißt, all das, was die zivile Komponente auf EU-Ebene darstellt, ist auch in Österreich anwendbar und somit kein Problem.

Das Zweite ist die menschenrechtliche Komponente. Das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte hat bestätigt und sagt ganz klar, dass es einfach nicht notwendig ist, dass eine Zivildiensterklärung eine Begründung braucht. Es braucht keine Begrün­dung. Es braucht nicht, dass ein junger Mann sagt: Ich will Zivildienst leisten, weil ich aus Gewissensgründen nicht mit einer Waffe hantieren möchte, weil ich den Dienst an der Waffe verwehre! – Das ist nicht notwendig. Es reicht, klipp und klar zu sagen: Ich will Zivildienst machen! – Somit gibt es überhaupt kein menschenrechtliches Problem, und die ganze Komponente der EMRK ist gegeben und somit kein Problem.

Einzig allein bleibt die diskriminierende Komponente über. Ich habe so das Gefühl, dieses Haus befindet sich in der Frage des Zivildienstes mitten in den achtziger Jahren. Da, als sich die Wehrdienstverweigerer, die keine Chance hatten, Zivildienst zu machen, noch an Kirchen zum Beispiel angekettet haben, weil sie den Dienst an der Waffe verwehrt haben.

Diese Zeiten sind vorbei, meine Damen und Herren! Wir leben im Jahr 2010. Die Jugend ist mobil, die Jugend will sich verändern und will auch nicht den Dienst an der Waffe tätigen. Und das sind immerhin 13 000 Zivildiener pro Jahr. Ich verstehe nicht, dass es ein Problem ist, hier keine klaren Tatsachen, hier keine klare verfassungs­rechtliche Bestimmung zu schaffen.

Können Sie sich eigentlich vorstellen, was Österreich ohne seine Zivildiener tun wür­de? 13 000 Zivildiener sind im Sozialsystem tätig. Was würde Österreich das kosten, würden man die wirklichen Kosten der Arbeitsleistung der vielen, vielen Zivildiener übernehmen müssen? Das ist unglaublich, das wäre einfach nicht leistbar.

Dieses Haus gibt den Zivildienern aber auch nicht den Wert, den sie verdient haben, und auch nicht den Stellenwert in der Gesellschaft, weil es immer darum geht: Ein „echter Mann“ ist einer, der mit der Waffe hantieren kann, aber ein – ich weiß nicht – „Waschlappen“ – zwischen Anführungszeichen – ist er dann, wenn er Zivildienst macht. – Nein, das ist nicht so! Sie tun aber weiterhin so, als ob es so wäre. (Beifall bei den Grünen.)

Also: Streichung dieser Gewissensklausel, ein Easy-going-Projekt, und dann die klare Aufhebung der Diskriminierung von Zivildienern und Wehrdienern. (Beifall bei den Grünen.)

20.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pendl. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.33.32

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In aller Kürze: So wertvoll der Zivildienst ist, so ich diesen schätze, so ich jederzeit bereit bin, mich voll für diese Gruppe einzusetzen, ersuche ich nur, dass wir das Thema sachlich gemeinsam diskutieren. Und da stelle ich nur trocken fest: In Österreich haben wir eine Wehrpflicht und haben eine Wehrersatzpflicht. In Artikel 4 EMRK ist eben die Gewissensfrage verankert. Bei aller Wertschätzung: Mein Respekt gilt den Präsenzdienern genauso wie den Zivildienern. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin auch überzeugt davon – und so ich höre, werden wir ja in Bälde eine Novelle ins Hause bekommen, und dann werden wir gemeinsam auch im Ausschuss diese Fragen diskutieren – und glaube, dass wir


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 215

gerade in so einer sensiblen Frage es rechtlich korrekt und sauber diskutieren sollten. Sonst wird einer Gruppe etwas vorgegaukelt, was wir hinterher nicht in dieser Form umsetzen können. Und das will ich nicht.

Ich möchte aber für mich und für meine Fraktion zum Ausdruck bringen, dass wir diese Frage gemeinsam, rechtlich korrekt und sauber zu diskutieren und eine Lösung herbeizuführen versuchen.

Lassen Sie mich abschließend Folgendes sagen: Eines wundert mich – und das sage ich jetzt wirklich, weil ich das so fühle und spüre –: Wir haben schon Diskussionen hinter uns, wo bis zur Entwaffnung der Polizei diskutiert wurde, wo ich mich oft gefragt habe, wie kommen denn solche Ansichten auch ins Hohe Haus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Und auf einmal diskutieren wir Folgendes – und das sage ich auch, weil es meine Meinung ist, und mir möge keine Berufsgruppe gram sein –: Jemandem fällt ein, weil er einen „klassen“ Job nach dem Zivildienst bekommt oder es gesellschaftspolitisch interessant ist, dass er Jäger werden und nicht 15 Jahre warten will, dass er den Jagdschein machen kann – und auf einmal macht man die halbe Republik mit diesem Thema rebellisch, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Demonstrativer Beifall bei ÖVP und BZÖ.)

Diskutieren wir diese Frage im Interesse der jungen Menschen unserer Heimat! Sie haben ein Recht drauf, dass wir sachlich korrekt, auch verfassungsrechtlich und EMRK-korrekt dieses wichtige Thema abarbeiten. Ich darf Sie jetzt schon dazu sehr herzlich einladen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ.)

20.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kößl. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.36.30

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Ich kann hier nahtlos anschließen: Wie mein Vorredner habe auch ich die Einstellung, dass der Zivildienst heutzutage ein äußerst wichtiger Dienst im Bereich unserer Gesell­schaft ist. Wir werden uns natürlich auch dementsprechend bei der Diskussion einbringen, die in den nächsten Wochen anstehen wird.

Eines ist aber klar: Wir können diesem Antrag, der hier vorliegt, nichts abgewinnen. Wir haben einen anderen Zugang zu dieser Materie. Es muss uns bewusst und klar sein: Es würde keinen Zivildienst geben, wenn es keinen Wehrdienst gibt, weil es ein Wehrersatzdienst ist. So wie es im Antrag steht: Es ist keine Alternative zum Wehrdienst, sondern ein Wehrersatzdienst.

Eines muss uns schon bewusst und klar sein: Es kann nicht auf der einen Seite so sein, dass jemand aus Gewissensgründen nicht bereit ist, eine Waffe zu tragen – aber auf der anderen Seite dann in den Polizeidienst eintreten möchte, dort, wo er tagtäglich seine Waffe zu tragen hat.

Ich glaube auch, dass es wichtig ist, dass wir uns mit dieser Materie eingehendst auseinandersetzen. Aber eines muss klar sein: Der Wehrdienst ist genauso wichtig wie der Zivildienst oder umgekehrt. In diesem Sinne sollen wir diese Materie behandeln. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.38


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Herbert. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 216

20.38.18

Abgeordneter Werner Herbert (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Geschätzte Kolle­ginnen und Kollegen! Ich kann mich meinen beiden Vorrednern ebenfalls nur an­schließen. Für uns ist eine Änderung der derzeitigen Bestimmungen weder sinnvoll noch erscheint sie notwendig.

Es ist natürlich unbestritten, dass Zivildiener einen wertvollen sozialen Beitrag für unser Gemeinwohl leisten. Fakt ist aber auch, dass das Bundesheer unter der zunehmenden Verringerung der Zahl der Präsenzdiener wichtige Aufgabenbereiche – und ich denke da auch an den Katastrophenschutz – kaum mehr wahrnehmen kann, während man für Zivildiener immer neue Aufgabenbereiche sucht. Ich glaube, das kann nicht der richtige Ansatz sein.

Natürlich verstehe ich es auch, dass es im Sinne eines grünen Weltbildes wahr­schein­lich interessanter, attraktiver und vielleicht auch bequemer erscheint, einen Zivildienst einem Präsenzdienst vorzuziehen, auch mit dem Preis dafür, dass man dem schleichen­den Sterben des österreichischen Bundesheeres damit einen nicht unwe­sentlichen Vorschub leistet.

Ich denke aber, wenn man diesen Weg – und da appelliere ich auch an Sie von der grünen Fraktion – beschreiten möchte, dann bedarf es für mich und für meine Fraktion schon eines schlüssigen, eines akzeptablen und vor allem auch eines nach­vollzieh­baren Grundes, den Präsenzdienst, der ja gesetzlich vorgeschrieben ist, zu verwei­gern – und das ist nun einmal die Gewissensprüfung.

Daher darf ich Ihnen abschließend mitteilen: Für uns, wie gesagt, stellt dieser Antrag keine Option dar. Wir wollen da keine Änderung der gesetzlichen Bestimmungen und werden das bei den im Ausschuss auf uns zukommenden Gesprächen auch deutlich unterstreichen und zum Ausdruck bringen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.40


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner hiezu zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Hagen. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.40.16

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Es wurde hier schon relativ viel gesagt, was den Tatsachen entspricht. Das BZÖ ist für eine Wahl­freiheit zwischen einem vernünftigen Freiwilligen-Heer mit einem entsprechenden Anreizsystem und einer entsprechend ausgebauten Miliz – dann haben wir vom Heer her auch den Schutz gegeben – und der anderen Möglichkeit, den Zivildienst beziehungsweise einen freiwilligen Sozialdienst zu machen.

Wir müssen nämlich auch – das ist hier schon richtig gesagt worden – daran denken, was im Katastrophenfall passiert. Da ist doch das Bundesheer nicht wegzudenken. Und wenn wir Zivildiener haben, dann ist es heute so, dass der Bundesheerler Tag und Nacht dort steht, Wasser schöpft und Sandsäcke füllt – und der Zivildiener geht um 16 Uhr oder um 18 Uhr nach Hause. (Zwischenrufe des Abg. Mag. Gaßner.) Das ist Fakt; das ist in vielen Bereichen Fakt.

Es gibt in vielen Bereichen Zivildiener, die es nicht braucht – das muss man auch ganz ehrlich sagen –, die sich dort einen Lenz machen. Daher muss man wirklich genau darauf schauen: Wo setzen wir die Zivildiener ein? Das heißt, sie für Tätigkeiten, was jetzt auch schon angedacht ist, wie in Kindergärten einzusetzen, als Kindergärtner – bitte, nicht böse sein, aber ich glaube, da gibt es genug qualifizierte Kräfte, die das machen können. (Zwischenruf der Abg. Windbüchler-Souschill.) Deswegen werden wir im Ausschuss diskutieren. Auch diese Vorschläge sind schon erwähnt worden.


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Zum Schluss möchte ich noch auf die Ausführungen von Kollegin Brunner eingehen, die vorhin gesagt hat, dass ich gesagt hätte, dass der Waffendienst besser sei als irgend­ein Dienst bei der Rettung. – Das habe ich nicht so gesagt. Es ist mir nur um die Beantwortung der Gewissensfrage als Fehler gegangen: Wenn einer die Gewissens­frage mit Ja beantwortet hat – und dies nur aus Gründen, weil er in einem speziellen Bereich eingesetzt werden wollte –, dann war ich der Meinung, dass er diesen Fehler revidieren können soll. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

20.42


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die De­batte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 984/A dem Ausschuss für innere Angelegenheiten zu.

20.42.2411. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz geändert wird (1000/A)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Das Wort erhält der Antragsteller, Herr Abgeordneter Ing. Hofer. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.42.44

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es ist leider eine Tatsache, dass immer mehr Paare nicht die Möglichkeit haben, Kinder zu bekommen – Männer und Frauen, die eine Familie gründen wollen und die dazu keine Möglichkeit haben, weil aus gesundheitlichen Gründen der Versuch, Kinder zu bekommen, nicht funktioniert. Sie alle werden in Ihrem Bekann­tenkreis auch solche Fälle kennen.

Ich darf einige Zahlen präsentieren: Jede zehnte Frau entscheidet sich selbst und freiwillig dafür, keine Kinder zu bekommen, weil die persönliche Lebensplanung das nicht zulässt – aber gleichzeitig können genauso viele Frauen, die gerne Kinder hätten, keine Kinder bekommen. Das heißt, 10 Prozent der Frauen sind betroffen. Aber man darf nicht glauben, dass es immer nur die Frauen sind, die die Ursache für diese Probleme sind. 40 Prozent der Männer, meine Damen und Herren, leiden unter einer verminderten Fruchtbarkeit. Das ist viel mehr, als viele von uns erwartet haben. Und meist ist es in einer Beziehung so, dass dann immer gleich versucht wird, die Frau in den Vordergrund zu schieben, dass man glaubt, es liegt an der Frau. Aber es ist in vielen Fällen auch der Mann, der dazu eben nicht in der Lage ist. Die Folge davon: Insgesamt 15 Prozent der Paare haben einen Kinderwunsch und können sich diesen nicht erfüllen. Daher sucht man natürlich medizinische Wege, um dieses Glück, das jeder für sich erreichen will, auch zu erreichen.

Meine Damen und Herren, es sind oftmals die seelischen Folgen sehr, sehr gravie­rend. Wenn man ein Kind haben will und man kann keines bekommen, und es gibt Familientreffen, es gibt Treffen mit Verwandten und Bekannten, wo dann die Kinder eben mit dabei sind, dann ist es oft sehr, sehr schmerzhaft für die Betroffenen. Deswegen auch unser Antrag, der darauf abzielt, dass die Kosten, die im Rahmen dieser medizinischen Behandlung entstehen, in voller Höhe abgesetzt werden können.


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Das ist ein Antrag, der letztendlich nicht hohe Kosten für das ohnehin sehr, sehr aus­gehöhlte Budget verursacht. Es ist ein Antrag, der es einfach den Betroffenen ermöglicht, einen Weg zu suchen, um sich diesen Kinderwunsch doch zu erfüllen. Ich bitte Sie sehr herzlich, im Rahmen der Ausschussberatungen sehr objektiv, sehr sachlich an dieses Thema heranzugehen, weil das Schicksale sind, die uns alle berühren müssen, und weil Kinder für viele Paare und für viele Menschen etwas ganz, ganz Wichtiges sind, damit man den Lebensweg, den man für sich geplant hat, auch wirklich erfüllen kann.

Freilich gibt es auch dann, wenn man diese medizinischen Möglichkeiten ausschöpft, viele Paare, die dann einen anderen Weg gehen, die Kinder adoptieren wollen. Aber trotzdem müssen wir alles versuchen, damit, wenn irgendwie möglich, auch die Betroffenen eine Erleichterung erfahren. Ich bitte Sie daher sehr herzlich, auch diesen Antrag, wenn irgendwie möglich, objektiv zu unterstützen.

Ich darf gleich vorweg sagen: Wenn es uns möglich gemacht wird, vielleicht einen Fünf-Parteien-Antrag daraus zu machen, dann sind wir dazu sehr, sehr gerne bereit. (Beifall bei der FPÖ.)

20.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Hagenhofer zu Wort. 2 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


20.46.23

Abgeordnete Marianne Hagenhofer (SPÖ): Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ja, Herr Kollege Hofer, es stellt sich zweifelsohne für viele Partner­schaften, möchte ich jetzt einmal sagen, das Problem der Kinderlosigkeit. Ich kenne das selbst aus meinem Bekanntenkreis. Und ich kenne auch, so wie Sie gesagt haben, Partner, die darunter sehr, sehr leiden – am meisten natürlich psychisch, aber auch finanziell.

Ich möchte schon – und das wissen Sie, glaube ich, ja auch – darauf hinweisen, dass es sehr wohl eine steuerliche Absetzbarkeit dieser Kosten für reproduktions­medizi­nische Verfahren gibt. Ihr Antrag zielt ja darauf ab, dass man sozusagen ohne Selbst­behalt die Kosten absetzen kann.

Wir waren seinerzeit, als das eingeführt worden ist, dass man Kosten, allerdings mit Selbstbehalt, absetzen kann, sehr dafür, dass der Selbstbehalt gestaffelt wird, und zwar zwischen 6 Prozent und 12 Prozent des Jahreseinkommens, sodass auch Bevölkerungsschichten mit geringerem Einkommen diese Möglichkeit haben.

Es gibt zusätzlich im Bundesministerium für Gesundheit – das möchte ich auch un­bedingt anführen, denn das geht auch immer wieder unter – einen eigenen Fonds für In-vitro-Fertilisation, der ebenfalls Zuschüsse zu medizinischen Verfahren ermöglicht.

Grundsätzlich möchte ich zu den Selbstbehalten Folgendes sagen: Selbstbehalte ha­ben wir ja jetzt nicht nur bei diesen medizinischen Verfahren, sondern wir haben ja vielerlei Selbstbehalte – ich erwähne jetzt einfach einmal: Zahnregulierungen, Zahn­span­gen, Zahnersätze, Brillen und, und, und. Daher glauben wir, dass man grund­sätzlich einmal die Diskussion führen sollte über die Frage – und das kann man ja dann im Ausschuss –: Wann soll ein Selbstbehalt absetzbar sein und wann eben nicht?

Wir sind auch ganz Ihrer Meinung, dass es mit diesem Thema sehr sensibel und sehr umsichtig umzugehen gilt. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

20.48



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 219

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.49.02

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das ist tatsächlich ein ausgesprochen diffiziles und auch sehr wichtiges Thema.

Es ist so, dass heute viele Faktoren zusammenkommen: eine durchschnittlich wesent­lich schlechtere Spermienqualität der Männer, gleichzeitig aber eine Entwicklung, dass beispielsweise vor noch 20 Jahren eine Frau in Österreich durchschnittlich bereits mit 22 ihr erstes Kind bekam, heute das Alter für die erste Geburt aber durchschnittlich bei 29 Jahren liegt. Das führt auch dazu, dass insbesondere gerade besser ausgebildete Frauen und Paare überhaupt erst später ihrem Kinderwunsch nachkommen – später, wenn es auch bereits entsprechend schwieriger geworden ist.

Frauen studieren, danach überlegen sie sich ein paar Jahre: Ja, jetzt arbeite ich! Ab 30 beschließt man, die Familienplanung zu beginnen. Man probiert, es vergehen wieder ein paar Jahre – und man kommt drauf, es gibt ein Problem. Dann ist einer der beiden Partner bereits über 35 Jahre. Und in Österreich – das ist kein geschriebenes Gesetz – kann man ab diesem Alter schon kein Kind mehr, kein österreichisches Kind mehr adoptieren. Das ist etwas, Herr Kollege Hofer, von dem ich glaube, dass wir uns – auch wenn es nicht auf gesetzlicher Basis steht – auch einmal Gedanken darüber machen müssen, ob das noch zeitgemäß ist.

Viel besser sieht es im Bereich der künstlichen Befruchtung aus. Da wurde bereits vor Jahren der bereits genannte Fonds gegründet. Das heißt, wenn die Frau unter 40 Jah­re alt ist und eine körperliche Beeinträchtigung einer der beiden Partner festgestellt wurde – schlechte Spermienqualität, verklebte Eileiter –, dann werden von diesem Fonds gemeinsam mit den Krankenkassen über zwei Drittel der Kosten für eine In-vitro-Fertilisation übernommen.

Ganz konkret sieht es dann so aus, dass als einmal vorderhand zu bezahlender Selbstbehalt pro In-vitro-Fertilisation zwischen 400 € in einem öffentlichen Kranken­haus und 1 500 € an Kosten auf die Paare zukommen – pro Versuch. Maximal drei Versuche werden vom Fonds bezahlt. Die Altersgrenze liegt, wie gesagt, haarscharf bei 40 Jahren.

Diese maximal rund 1 500 € Selbstbehalt kann man dann wiederum von der Steuer absetzen, und nur davon einen geringen Selbstbehalt nicht. Das bedeutet, dass eigentlich pro In-vitro-Fertilisation maximal 600 € bis 900 € an Selbstbehalt letztlich, nach Abzug auch von der Einkommensteuer, übrig bleiben. Ich halte das für eine durchaus gerechtfertigte Beteiligung angesichts des Umstandes, dass bei allen Krankheiten – seien es Krebserkrankungen, was auch immer – außergewöhnliche Belastungen für besondere Medikamente ja auch mit einem Selbstbehalt behaftet sind. Das ist ausnahmslos so.

Ich glaube allerdings, dass wir uns auch in diesem Bereich über die Altersgrenzen dringend Gedanken machen sollten. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

20.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Musiol. 3 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler – in Richtung der sich zum Rednerpult begebenden Abg. Mag. Musiol, die ein langes schwarzes Kleid mit einer breiten roten Schärpe trägt –: Sie sind aber heute sehr pastoral behangen! Sie sehen aus wie ein Monsignore! – Abg. Mag. Musiol: Ja, heute für Sie, Herr Kollege Stadler!)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 220

20.52.27

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Selten kann ich dem, was Kollege Hofer gesagt hat, vollinhaltlich zustimmen. Alles was Sie, Herr Kollege Hofer, gesagt haben, was die Situation von Paaren in Österreich mit unerfülltem Kinderwunsch betrifft, stimmt, angefangen von den psychischen bis hin zu den finanziellen Belastungen. Allein: Die Maßnahme, die Sie vorschlagen, halte ich nicht für die geeignete, beziehungsweise ich denke, dass man darüber wirklich disku­tieren muss, denn steuerliche Absetzbarkeit ist sicher nicht die einzige Möglichkeit, mit der man diese Paare unterstützen kann, oder die einzige Möglichkeit, an die wir denken sollten.

Ich gebe auch Ihnen, Frau Kollegin, recht, dass man die Kriterien für die Übernahme von Kosten durch den In-vitro-Fertilisations-Fonds, so ich Sie richtig verstanden habe, überdenken sollte: die Altersgrenze, die jetzt bei 40 Jahren liegt, die Anzahl der Ver­suche. Wir sind auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte dazu gezwungen, hier tatsächlich darüber zu diskutieren, da es ja ein kürzlich erlassenes Urteil gibt, das hinsichtlich der Regelung in Österreich Menschenrechts­widrigkeit feststellt, weil eben die gleichzeitige Samen- und Eizellenspende – wenn also beide Partner von Unfruchtbarkeit betroffen sind – in Österreich nicht erlaubt ist und der Europäische Gerichtshof darin eine Verletzung des Rechtes auf den Schutz der Familie sieht.

Ich möchte hier jetzt nicht in die Tiefe gehen. Das bedarf sicher einer längeren Diskussion, da hier sicher auch sehr viel Ideologie mitschwingen wird. Aber Tatsache und festzuhalten ist: Paare müssen entlastet werden. Ein Selbstbehalt von 500 € ist für viele Paare sicher zu hoch. Hier muss man sich – und das hat die Kollegin von der SPÖ ja auch eingebracht – über gestaffelte Selbstbehalte unterhalten und auch über neue Kriterien für Unterstützung. Ob wirklich die Absetzbarkeit bei der Einkom­mensteuer das Mittel der Wahl ist, bezweifle ich. Daher wird es wahrscheinlich auch kein Fünf-Parteien-Antrag werden. Aber wenn es darum geht, an diesem Thema dranzubleiben, machen wir da gerne mit. (Beifall bei den Grünen.)

20.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort. 2 Minuten sind eingestellt. – Bitte.

 


20.54.52

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Selbstver­ständ­lich müssen wir Paare, die Kinder wollen, unterstützen, weil jedes Kind, das zu­sätzlich auf die Welt kommt, ein Gewinn für die Gesellschaft, für unseren Staat ist. Deshalb dürfen finanzielle Aspekte Menschen nicht davon abhalten, ein Kind zu bekommen.

Ich glaube aber, dass die Diskussion und der Antrag etwas zu kurz greifen. Wir müssen uns anschauen, warum immer mehr Frauen, speziell Frauen, später Kinder bekommen. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

In vielen Fällen liegt es daran, dass Frauen Karriere machen wollen – und das auch sollen. Und dadurch, dass Familie und Karriere schwer vereinbar sind, speziell für Frauen, wird die Entscheidung für ein Kind immer mehr in die Zukunft verschoben. Und irgendwann ist man dann eben einmal 35 Jahre oder älter, und es kommt vielleicht eine gewisse Sinnkrise dazu, wo man sich überlegt, ob man in seinem Leben vielleicht doch mehr will als nur Karriere, und dann ist es oft zu spät. Und das ist genau der Punkt.

Das heißt, wir brauchen die Vereinbarkeit zwischen Karriere und Familie, speziell bei Frauen. Bei Männern ist es doch etwas einfacher, zumindest statistisch gesehen. – Ich


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weiß, dass die Grünen das nicht gerne hören, aber es ist leider so, dass, gerade was das Kinderkriegen betrifft, dies in einer Partnerschaft eher an den Frauen „hängen bleibt“, weil es auch biologisch nicht anders machbar ist. Und deshalb müssen wir auch aus demographischen Überlegungen hier, wie gesagt, um jedes Kind kämpfen.

Letztlich müssen wir, auch wenn es um die Kinderbetreuung geht, alle ideologischen Scheuklappen ablegen und Kinderbetreuung auch im ersten Jahr anbieten, und zwar so anbieten, dass auch eine Vollzeitbeschäftigung ab, sagen wir, dem zweiten Jahr möglich ist. Das ist zwar ideologisch etwas umstritten, aber ich glaube, nur so kann es gehen, denn ansonsten muss sich eine Frau wirklich entscheiden: Karriere oder Familie. Und das darf nicht sein, denn wir wissen, wir haben zu wenig Kinder: 1,3 Kin­der pro Frau, und auch noch um zehn Jahre zu spät.

Das heißt, das Problem ist doppelt groß. Deshalb müssen wir umfangreiche Maßnahmen in diesem Bereich einleiten, sonst hat unser Gesellschaftsmodell keine Zukunft. (Beifall beim BZÖ.)

20.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Steibl mit einer Redezeit von 2 Minuten. – Bitte.

 


20.57.27

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Die Materie ist sensibel, und die Unterstützung von Men­schen mit Kinderwunsch, in welcher Form auch immer, ist dringend notwendig, und sie ist auch gegeben.

Aber eines macht mich schon ein bisschen stutzig: Heute Vormittag haben wir in erster Lesung das Bundesfinanzrahmengesetz diskutiert, wo seitens der Opposition, auch seitens der FPÖ, die „Schuldenpolitik“ der Regierung massiv gegeißelt wurde – und ein paar Stunden später gibt es einen Antrag, wo es um eine weitere Eigenmittel­reduzierung geht beziehungsweise um eine weitere steuerliche Absetzbarkeit. (Abg. Ing. Hofer: Das kostet ja fast nichts! – Abg. Mag. Stefan: Das Kind, das da kommt, bringt viel mehr ein!) Ich meine, das eine muss man von dem anderen trennen und das auch entsprechend sehen: Man kann nicht auf der einen Seite von „Schuldenpolitik“ der Regierung reden und auf der anderen Seite die Reduzierung der von jedem selbst zu tragenden Kosten fordern.

Ich muss schon eines dazusagen: Wenn, dann muss man Gerechtigkeit herstellen. Es ist uns nämlich zum Beispiel nicht gelungen – und ich sehe das auch in der gleichen Wertigkeit –, die Reduzierung beziehungsweise die Streichung der Verpflegskosten für Kinder im Krankenhaus zu erreichen.

Das heißt, kein Selbstbehalt für medizinische Maßnahmen zur Erfüllung eines Kinder­wunsches, das würde nicht den Anforderungen eines gerechten Steuersystems ent­sprechen. Das hat mit der Sensibilität und mit der Wertigkeit und Wichtigkeit dieses Themas nichts zu tun, sondern es geht um die Fragen: Wie finanziere ich das auch?, und: Was ist mir etwas auch selbst wert? (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Großruck: Bravo, Ridi!)

20.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1000/A dem Finanzausschuss zu.


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20.59.06 12. Punkt

Erste Lesung: Antrag der Abgeordneten Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Wirtschaftskammergesetz 1998 – WKG), BGBl. I Nr. 103/1998, geändert wird (1047/A)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist als Erster einer der Antragsteller, nämlich Herr Abgeordneter Mag. Stefan, mit einer gewünschten Redezeit von 4 Minuten. – Bitte.

20.59.42

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir bringen hier einen Antrag ein, der in erster Lesung behandelt wird, in dem es darum geht, die Wirtschaftskammerwahl zu ändern. Es hat sich ge­zeigt, dass es da große Missstände gegeben hat.

In der Wirtschaftskammer-Wahlordnung ist auch das E-Voting vorgesehen. Auch das ist, wie wir schon festgestellt haben, ein sehr großes Problem und sollte daher auch theoretisch entfallen – es ist ja praktisch noch nicht durchgeführt worden.

Aber auch die Briefwahl hat zu sehr eigenartigen Umständen geführt. Interessant waren ja die gegenseitigen Beschuldigungen des Wirtschaftsbundes und des Sozialde­mo­kratischen Wirtschaftsverbandes, bei denen man sich gegenseitig vorgeworfen hat (Zwischenruf des Abg. Dr. Bartenstein) – und es scheinen ja sehr viele Indizien dafür zu sprechen, dass das stimmt –, dass mit der Briefwahl sehr eigenartig umgegangen wurde.

Da gab es zum Beispiel Studenten, die beauftragt wurden, Briefwahl-Kuverts einzu­sam­meln, und die dafür eine Prämie pro Briefwahl-Kuvert bekommen haben. Dann gab es immer wieder die Geschichten – die aber konkrete Mitteilungen sind, die auch dazu geführt haben, dass es mittlerweile Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gibt –, dass Briefwahl-Kuverts oft auch, bevor sie überhaupt ausgefüllt wurden, eingesammelt wurden.

All das ist nur deshalb möglich, weil die Briefwahl in der Wirtschaftskammer-Wahl­ordnung so eigenartig angelegt ist. Man bekommt schon einmal ein Kuvert (der Redner hält ein solches Kuvert in die Höhe), auf dem groß draufsteht: Ihre Wahlunter­lagen!, damit jeder, der das Kuvert sieht, sofort erkennen kann: Da ist auf jeden Fall ein Briefwahl-Kuvert drinnen. Ein Briefträger kann es unter Umständen verlieren, oder wenn diesem jemand nachgeht, weiß man das auf jeden Fall – natürlich kann einem Briefträger nachgegangen werden, das ist ja auch passiert –, und wenn es irgendwo herumliegt, sieht man sofort, was darin ist. – Es ist auf jeden Fall eigenartig, dass man das so demonstrativ macht.

Es gibt auch genügend ... (Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) – Natürlich ist das nichts Verbotenes. Es geht nicht darum, dass etwas verboten ist! Es geht darum, dass wir eine freie, geheime Wahl haben wollen, nicht darum, ob es verboten ist, dass man etwas herzeigt.

Es ist aber unter anderem verboten, in einem Wahllokal offen abzustimmen. (Neuer­licher Zwischenruf des Abg. Mag. Donnerbauer.) Ist das verboten oder nicht? Ist es verboten, im Wahllokal offen abzustimmen? Ist es bei der Briefwahl verboten, dass jemand beispielsweise vom Wirtschaftsbund kommt und sagt: Du hast dein Kuvert


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noch nicht ausgefüllt; komm ich helfe dir! Oder: Ich mache das schnell. – Ist das verboten? – Offenbar nicht! Also hier habe ich plötzlich keine geheime Wahl, das ist nicht festgelegt. Ich habe hier keine unbeeinflusste Wahl, und daher habe ich hier größte Probleme.

Die Schilderungen, die es gibt, werden Sie ja hoffentlich nicht vollkommen in Abrede stellen. Es gab diesbezüglich ja einige Medienberichte, es gab aber auch an uns heran­getragene Informationen und es gab an beide Seiten herangetragene Infor­mationen, dass es da ganz grobe Missstände gegeben hat. Und ich bin überzeugt davon, dass Sie auch ein Interesse daran haben, dass alles ordentlich abläuft.

Sie dürfen ja eines nicht vergessen: Wenn es einmal so weit kommt, dass man bei einer Wahl nicht mehr davon ausgehen kann, dass sie ordentlich abgelaufen ist, wenn hier echtes Misstrauen entsteht, dann haben wir auch ein großes Problem, weil dann die Demokratie in Frage gestellt wird. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wir kennen das aus anderen Staaten, wo die Wahlen dann nicht respektiert werden, wo es zu großen Unruhen kommt.

Das hier ist natürlich nur ein kleiner Bereich, das ist mir vollkommen klar, aber wenn man einmal davon ausgehen kann, dass Wahlen etwas eigenartig ablaufen, dann sollte man sich schon Gedanken machen.

In Wien etwa wurden 34 000 Stimmen abgegeben, davon 20 000 mit der Briefwahl. Die Briefwahl war gedacht als Instrument, das man verwendet, um ausnahmsweise so abzustimmen; mittlerweile wird aber die überwiegende Zahl der Stimmen so abgegeben. Es wurden komischerweise auch 29 000 Wahlkarten beantragt, aber dann nur 20 000 Stimmen abgegeben. Es wurden Wahlkarten zugestellt, die nicht bestellt wurden, und dann wurden die entsprechenden Personen von Funktionären besucht, die gesagt haben: Sie haben doch jetzt gerade die Wahlkarte bekommen, darf ich sie vielleicht gleich abholen und mitnehmen? – Dadurch wurde natürlich Druck ausgeübt!

Wenn die Funktionäre kommen und sagen: Du hast doch deine Briefwahlkarte bekommen, komm, ich nehme sie für dich mit und bringe sie selbst hin!, wer glaubt denn, dass das keine Beeinflussung ist und dass sich die Menschen nicht auf jeden Fall in irgendeiner Form bedrängt fühlen?

Es ist auf jeden Fall eine Möglichkeit, dass man beeinflussen kann, wenn man die Organisationen in der Hand hat und wenn man da entsprechend agieren kann. – Die Wahl soll aber nicht beeinflusst ablaufen! Daran kann ja niemand Interesse haben: Man hat vielleicht einmal ein ein bisschen besseres Wahlergebnis, aber in Summe ist es sicherlich für alle ein negativer Zustand, wenn es solche Missstände gibt und wenn man annehmen muss, dass hier nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

Ich fordere Sie daher auf und lade sie ein, mit uns darüber zu diskutieren. Der Vor­schlag soll jetzt einmal eine Art Trägerrakete sein, damit wir darüber sprechen, wie man die Wahlordnung verbessern könnte, und ich hoffe, dass wir dann im Ausschuss entsprechend darüber diskutieren können. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und ÖVP.)

21.04


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Kirchgatterer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.04.50

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! An die Spitze meines Beitrages möchte ich stellen, dass die österreichische Sozialpartnerschaft sehr, sehr viel mit dem Wohlstand und den sozia­


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len Standards, die es in Österreich gibt, zu tun hat, dass die Sozialpartnerschaft einen hohen Wert für unser Land hat und auch für die Zukunft sehr, sehr wichtig ist.

Die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in der Wirtschaftskammer sind ein konstruktiver, aber auch ein konsequenter Teil der Interessenvertretung der Selbständigen.

Lassen Sie mich auf die Wirtschaftskammerwahl eingehen, denn dazu gibt es viel zu sagen. Und eines steht außer Zweifel: Eine zeitgemäße Wirtschaftskammer braucht auch eine zeitgemäße Wahlordnung. (Abg. Dr. Graf – demonstrativ Beifall spendend –: Das kann jeder unterschreiben!)

Ohne Zeitdruck gilt es, umfassend zu diskutieren und dann auch eine neue Wahl­ordnung umzusetzen. Schlagwortartig möchte ich einige Punkte erwähnen: Das der­zeitige vielstufige Wahlsystem bevorzugt klar die Mehrheitsliste und schränkt viele Wahlberechtigte darin ein, eine engagierte Branchenvertreterin/einen Branchenver­treter zu unterstützen und auf der anderen Seite eine Landeswirtschaftskammerspitze oder Bundeswirtschaftskammerspitze nicht zu unterstützen. – Damit ist auch zu erklären, wieso die Wahlbeteiligung so gering ist.

In den Bundesländern spielt es eine große Rolle, dass die Bezirksausschüsse nicht gewählt sind, sondern von der Landeswirtschaftskammer bestellt werden. Hier ist es dringend notwendig, dass auch diese für die Bezirke, für die Regionen so wichtigen Gremien gewählt werden. Also: mehr Wahlmöglichkeit, mehr Demokratie!, dann wird es auch eine Wahlbeteiligung geben, die sich die Wirtschaftskammer verdient.

Die berechtigten Fragen zur Briefwahl und auch betreffend die notwendigen Voll­machten gilt es rasch zu klären. Auch im Hause der Wirtschaftskammer gilt es, dies­bezüglich rasch einen Arbeitskreis einzurichten.

Ich bin derselben Meinung wie mein Vorredner, was das E-Voting betrifft, und auch bei den Hochschülerschaftswahlen hat sich das E-Voting in keiner Weise bewährt.

Zum Schluss möchte ich aber auf das Wahlergebnis der letzten Wirtschaftskam­mer­wahl hinweisen: Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband konnte das Rekord­ergeb­nis von 2005 teilweise noch steigern, insbesondere in den Bundesländern Wien und Burgenland. Besonders möchte ich dem Spitzenkandidaten sehr herzlich gratu­lie­ren, unserem Staatssekretär außer Dienst, Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter. (Beifall und Bravorufe bei der SPÖ.)

21.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.08.15

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Abgeordneter Mag. Stefan, sind Sie Wirtschaftskammermitglied? – Nein. Herr Abgeordneter Graf, Sie sind Antragsteller, sind Sie Wirtschaftskammermitglied? – Gut, aber Sie sind Mitglied der Rechtsanwaltskammer, nehme ich an. Beim Durchlesen des Antrages habe ich mich allerdings gefragt, ob Sie sich innerhalb der Kammer auskennen, denn der Gesetzesvorschlag, den Sie hier einbringen, ist in sich unstimmig und inkonsistent (Beifall bei der ÖVP): Einerseits wird im letzten Satz des § 73 Abs. 1 die direkte Wahl sämtlicher Organe angeordnet, andererseits bleiben die Vorschriften, die das indirekte Wahlrecht regeln, unverändert.

Wissen Sie überhaupt, was Interessenvertretung heißt, was die Interessenvertretung macht und wie das abläuft? (Abg. Mag. Stefan: Ich bin auch in einer Kammer, nicht nur Sie! Seien Sie nicht so ...!) – Na offensichtlich nicht, denn Sinn und Zweck des


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indirekten Wahlrechts ist es, dass das Gleichgewicht zwischen den Branchen und innerhalb der Branchen sichergestellt ist und größere Gruppen nicht zu sehr bevorzugt werden. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Wenn ich jetzt zum Beispiel die Gastronomie mit 50 000 Mitgliedern und Versiche­rungen und Banken mit zirka 1 500 Mitgliedern hernehme: Was glauben Sie, wer dann stärker wäre? – Und damit die Branchen eben überall Gehör finden, sind die Wahlen indirekt und nach Sparten gegliedert.

Mit der von Ihnen angestrebten Beseitigung des indirekten Wahlrechts machen Sie einen Interessenausgleich unmöglich: Es gibt dann keinen Interessenausgleich zwi­schen heterogenen Branchen unterschiedlicher Größe, unterschiedlicher Bedeutung und unterschiedlicher Mitgliederstärke. (Abg. Mag. Stefan: Können wir diskutieren!)

Sie kritisieren in Ihrem Antrag auch die Anwendung des d’Hondtschen Verfahrens bei der Mandatsermittlung. Aber sagen Sie mir einen vernünftigen Grund, warum dieses Verfahren, das etwa auch in § 107 der Nationalrats-Wahlordnung für das dritte Ermittlungsverfahren vorgesehen ist, ausgerechnet im Wirtschaftskammerwahlrecht einen Missstand darstellen sollte?

Über Vorschläge zur Verbesserung des Wahlkartenrechts kann man immer disku­tieren, das ist unbestritten, aber die von Ihnen angestrebte Einschränkung der Wahl­kar­ten­wahl auf im Ausland befindliche Mitglieder ist jedoch abzulehnen. Warum? – Einerseits, weil das sozusagen ein Programm zur Senkung der Wahlbeteiligung ist, und andererseits, weil das Wahlrecht ein allgemeines ist; ich verweise nur auf § 73 Abs. 1 WKWO.

Damit wir diesem Grundsatz Rechnung tragen, muss es möglichst vielen Wahlbe­rechtigten ermöglicht werden, von ihrem Wahlrecht tatsächlich Gebrauch zu machen. Ein Mittel zur Erreichung dieses Zieles ist deshalb auch die Wahlkartenwahl.

Zu Ihrer Erinnerung beziehungsweise für alle, die es nicht wissen: Sowohl das Wirt­schaftskammergesetz als auch die Wahlordnung wurden in der Wirtschaftskammer von allen wahlwerbenden Gruppen einstimmig beschlossen. Die Wirtschaftskammer ist ein Selbstverwaltungskörper, das wissen Sie ja – und im Hause Wirtschaftskammer ist es Usus, Fragen wie Briefwahl und so weiter intern, und zwar unter Einbeziehung aller Gruppen, zu diskutieren und dann zu einer Entscheidung zu kommen.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Wir brauchen dazu keine frustrierten FPÖ-Funktionäre oder -Mandatare, die mit den Wahlergebnissen nicht zufrieden sind. Es ist ja wirklich bitter: In Wien zum Beispiel haben sich lediglich 2,8 Prozent der Wählerinnen und Wähler für die Freiheitlichen entschieden.

Deshalb: Eine Anlassgesetzgebung auf der Grundlage eines schlechten Wahler­gebnisses für eine wahlwerbende Gruppe lehnen wir von der ÖVP ab. – Danke. (Beifall und Bravorufe bei der ÖVP.)

21.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. – Bitte.

 


21.11.50

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Frau Kollegin Fürntrath-Moretti, es ver­wun­dert ja nicht, dass Sie zu diesem Thema einen Antrag vorlesen und diesen sozu­sagen in der Luft zu zerreißen versuchen, jedoch nicht wirklich auf die Vorwürfe eingehen, die meine VorrednerInnen, vor allem auch Kollege Stefan, dargelegt haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie wissen ganz genau, dass auch die Grünen, dass die Grüne Wirtschaft, dass unser Sprecher in der Grünen Wirtschaft, Volker Plass, darauf


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 226

hingewiesen hat, dass es zahlreiche Unregelmäßigkeiten während der Wirtschafts­kammerwahl gegeben hat. Kollege Stefan hat das hier schon ausgeführt, ich brauche das daher jetzt nicht zu wiederholen.

Aus diesem Grund hat Kollege Plass sieben Fragen an Herrn Leitl formuliert, so zum Beispiel betreffend den Anstieg der Wahlkarten. Bei der letzten Wahl sind insgesamt zirka 30 000 Stimmen abgegeben worden, bei dieser Wahl wurden 25 000 Wahlkarten bestellt. Daher stellt er die Frage – ich zitiere –:

„Können Sie garantieren, dass alle 25 000 Wahlkartenanträge von den Wahlberech­tigten selbst rechtskonform unterfertigt wurden?“ – Zitatende. (Abg. Kopf: Können Sie das bei der Bundespräsidentenwahl garantieren?)

Weiters stellte Kollege Plass die Frage – da das Wirtschaftsbundbüro den Unter­nehmerInnen sozusagen anbietet, die Wahlkarten nicht bei der Kammer, sondern bei ihnen zu bestellen –:

„Ist die Wirtschaftskammer Ihrer Ansicht nach unfähig, den Wahlkartenversand ordent­lich durchzuführen?“ – und viele Fragen mehr. Sie können das alles gerne auf der Seite der Grünen Wirtschaft nachlesen.

Bezeichnend ist ja Folgendes: Wir haben in den letzten Monaten zahlreiche Wahlen erlebt, bei denen es offensichtlich zu Schwierigkeiten mit Wahlkarten kam. (Abg. Dr. Rosenkranz: Richtig!) Ebenso wurde bei der ÖH-Wahl das E-Voting zu einem massiven demokratiepolitischen Problem, wobei dazu schon auch zu sagen ist, dass das demokratiepolitische Verständnis der ÖVP in all diesen Fällen höchst fragwürdig war, ja eigentlich ausgelassen hat. (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Rufe bei der ÖVP: Na hallo!)

Ministerin Karl hat einen Evaluierungsbericht zum E-Voting vorliegen, der ganz klar besagt, dass das E-Voting gescheitert ist. Es wird Anfechtungen beim Verfassungs­gerichtshof geben, aber Ministerin Karl schafft es immer noch nicht, zu sagen, dass das E-Voting gescheitert ist. (Abg. Rädler: Nur weil ihr verliert?)

Der Einsatz von Wahlkarten bei der Wirtschaftskammerwahl wurde ja bereits be­sprochen, aber es könnte unter Umständen auch zu Unregelmäßigkeiten bei der nächsten Wahl kommen, bei der Bundespräsidentenwahl eben, denn wie verstehen Sie es demokratiepolitisch, wenn in Wien für die Bundespräsidentenwahl die Briefwahlkarten versandt werden und wenn, damit die WählerInnen, die Empfän­gerInnen diese nicht mit der üblichen Werbepost wegwerfen, Sticker auf die Post­kästen, die, wie wir wissen, nicht so unzugänglich sind, geklebt werden, auf denen steht: In diesem Briefkasten befindet sich Ihre Wahlkarte!? (Abg. Kopf: Das macht aber sicher nicht die ÖVP!) – Jetzt habe ich ja nichts von der ÖVP gesagt, und ich habe auch von künftigen Wahlen gesprochen.

Das heißt, das demokratiepolitische Verständnis in Bezug auf Wahlen lässt zu wün­schen übrig. Und wir werden uns ganz sicherlich auch darüber unterhalten müssen, wie wir hier in diesem Haus garantieren können, dass demokratiepolitische Grundsätze eingehalten werden und dass alle Wählerinnen und Wähler darauf vertrauen können, dass Wahlen, die in Österreich stattfinden, auch wirklich ordentlich und fair abgeführt werden. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

21.15


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Lugar. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 227

21.15.26

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! In diesem Antrag geht es um die Wahlmodalitäten bei der Wirtschaftskammerwahl. Ich würde hier gerne einmal die grundsätzliche Frage stellen, ob die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer überhaupt noch zeitgemäß ist.

Ich weiß natürlich, dass Sie diese Pflichtmitgliedschaft in die Verfassung aufgenommen haben, um sie möglichst abzusichern und den rot-schwarzen Selbstbedienungsladen nicht versiegen zu lassen. (Ruf bei der SPÖ: Hallo!)

Meine Damen und Herren, es ist doch so, dass einem Unternehmer einiges zugetraut wird: Er muss jeden Tag Entscheidungen treffen, die ihn selbst, die seine Firma und seine Mitarbeiter betreffen. All diese Entscheidungen muss ein Unternehmer jeden Tag treffen, und die werden ihm, wie gesagt, zugetraut – aber die Entscheidung, welche Interessenvertretung er haben will, darf er nicht selbst treffen. Diese Entscheidung wird dem Unternehmer vom Gesetzgeber sozusagen abgenommen, der ihm vorschreibt, wo er gefälligst Mitglied zu sein hat. Und genau das ist das Problem!

Das heißt, wenn die Wirtschaftskammer eine so tolle Interessenvertretung ist, wie Sie hier ja behaupten – ich stelle das einmal so in den Raum; vielleicht ist das so –, dann wird doch ohnehin jeder Unternehmer geradezu begeistert sein, dort Beiträge einzu­zahlen.

Wenn das aber nicht der Fall ist, dann ist es doch wohl auch legitim, wenn ein Unternehmer sagt: Nein, ich suche mir eine andere Interessenvertretung! (Abg. Steindl: Welche? Welche Vertretung?)

Diese Möglichkeit muss ein Unternehmer doch haben. Und ich finde es auch keineswegs verwerflich, wenn wir den Unternehmen die Mündigkeit zurückgeben und sagen: Liebe Freunde, ihr könnt euch auch in diesem Punkt frei entscheiden! (Zwi­schenruf des Abg. Jakob Auer.)

Deshalb: Hören wir auf mit dieser Pflichtmitgliedschaft und lassen wir die Unternehmer selbst entscheiden, was sie wollen! (Beifall beim BZÖ.)

21.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Kollege Dr. Graf gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


21.17.33

Abgeordneter Mag. Dr. Martin Graf (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! (Ruf bei der SPÖ – auf das teilweise defekte Rednerpult, das der Redner an seine Größe anpasst, anspielend –: Ruinier es nicht!) – Danke für die Erinnerung! Ich rede nicht mehr so oft wie früher hier von diesem Red­ner­pult aus – und jetzt meinen Sie, ich muss neu eingeschult werden; das nehme ich halt so zur Kenntnis.

Lange Rede, kurzer Sinn: Das Thema ist ein ernstes demokratiepolitisches Thema, und daher haben wir diesen Antrag bewusst, sozusagen als Trägerrakete eingebracht (Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath) – das ist ja schon gesagt worden –, um einmal eine Diskussion darüber im Ausschuss und natürlich auch mit der Interessenvertretung selbst in Gang zu setzen.

Es geht jetzt nicht so sehr primär darum: Wer war der Wahlsieger, wer war der Wahl­verlierer?, sondern ich glaube, dass wie hier in diesem Haus ein Interesse daran haben


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 228

sollten, dass größtmögliche Sicherheit bei der Stimmabgabe bei Wahlen gewährleistet ist. (Abg. Mag. Ikrath: So wehleidig ...!)

Dass es zu vielen Unregelmäßigkeiten gekommen ist, ist nicht eine Erfindung der Freiheitlichen Partei, der Grünen, des BZÖ oder der SPÖ, auch nicht der ÖVP, aber es haben eben sehr viele Wirtschaftsbundfunktionäre, die als Wahlbeisitzer bei der Wahl dabei waren, dann nachher mit uns gesprochen und gesagt: Ja, auch wir haben Missstände gesehen! Daher: Erfahrungswerte sollen evaluiert werden.

Herr Kollege Kopf, wir können über die Pflichtmitgliedschaft reden, wissen aber natür­lich auch, dass es da realpolitisch im Moment keine Möglichkeit gibt, dass es zu einer Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft kommt, aber: Wenn es schon eine Wahl gibt, dann sollten wir zumindest auch ein Interesse daran haben, dass auch da der Grundsatz des geheimen, unmittelbaren und direkten Wahlrechtes eingehalten wird. (Abg. Mag. Ikrath: ... sehr wehleidig!) Und da gibt es schon Unterschiede. Nach der Nationalratswahlordnung muss jemand – auch da kann es zu Unregelmäßigkeiten kommen, keine Frage! – mit seiner Unterschrift bestätigen, dass er unbeeinflusst von jemand anderem seine Stimme abgegeben hat.

Das muss man zum Beispiel bei der Wirtschaftskammerwahl nicht machen, und zu diesem Punkt können wir sagen: Bitte dafür sorgen, dass wir bei der Briefwahl nicht unter das Niveau der Nationalratswahlordnung kommen! Das wäre ein guter Kom­promiss beziehungsweise wäre zumindest aufrüttelnd.

Das Nächste ist die Bestellung dieser Karten und Ähnliches mehr.

Man muss natürlich auch über die Verteilung der Mandate reden. Es soll da einen Interessenausgleich geben. Aber ganz im Ernst: In Wien gibt es eine Fachgruppe der Seilbahnen, die einen Mitgliedsbetrieb hat und ein Mandat stellt. Der Mandatar wählt sich selbst und vertritt seine eigenen Interessen ganz gut. Das ist in Ordnung. (Abg. Kopf: Die sollen zusperren!)

Es gibt andere, viel größere Fachgruppen, die zum Beispiel 1 600 Mitgliedsbetriebe haben und vier Mandate vergeben.

Am Ende ist eine Ausgewogenheit nicht mehr vorhanden, und darüber sollten wir reden. Das geht über verschiedene Sparten. (Zwischenruf der Abg. Fürntrath-Moretti.) Ein bisschen kenne ich mich schon aus, Frau Kollegin! – Über eine Wahlzahl wird letztlich in der Fachgruppe oder Fachvertretung betreffend die Mandate D’Hondt einmal für die Sparte angewandt, dann für das Wirtschaftsparlament im Land und schließlich auch für das Wirtschaftsparlament des Bundes. Und so kann man natürlich zu dem Ergebnis gelangen, dass jemand, der de facto 35 Prozent der Stimmen hat, unter Umständen bei einer glücklichen Verteilung bis zu 60 oder 70 Prozent der Mandate im obersten Wirtschaftsparlament bekommt. (Abg. Mag. Ikrath: Das ist im Wiener Wahlrecht auch so!)

Ja, aber nicht in dieser Krassheit! Wenn wir zumindest das einmal hätten! Wir wollen die Briefwahl nicht zur Gänze abschaffen! Das ist realpolitisch nicht möglich! Aber wir wollen darüber diskutieren, ob wir etwas besser machen können, wenn sich heraus­gestellt hat, dass da und dort auch Kommandos unterwegs waren. Ihre Funktionäre in den Fachgruppen in Wien haben es bedauert, dass die Kommandos beim Sozialis­tischen Wirtschaftsverband besser funktioniert haben, zum Beispiel in der Gastro­nomie. Da haben Sie den Vorsitzenden verloren, weil Letztere gewonnen haben!


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Warum haben sie aber gewonnen? – Weil sie einen besser organisierten Apparat hatten! (Zwischenruf des Abg. Mag. Ikrath.) Sie hätten in Wirklichkeit vielleicht auch mehr Personen in Ihren Reihen gehabt, die freiwillig zur Wahl gegangen wären oder ihre Stimme abgegeben hätten!

Genau das gilt es einmal in aller Breite zu diskutieren. Man muss nichts übers Knie brechen. Die nächste Wahl steht nicht nächste Woche an! Wir haben vier oder fünf Jahre Zeit, und das muss breit diskutiert werden, um am Ende hier mehr an die Grund­sätze eines freien, gleichen, geheimen, direkten, unmittelbaren, unbeeinflussten, unter Umständen besseren Verhältniswahlrechtes zu gelangen. (Beifall bei der FPÖ.)

21.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist hiezu niemand mehr zu Wort gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich weise den Antrag 1047/A dem Ausschuss für Wirtschaft und Industrie zu.

21.23.2013. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Bundespolizei­direktion Wien (GZ E1/90828/1/2010) um Zustimmung zur behördlichen Verfol­gung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger (678 d. B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Eine mündliche Berichterstattung wird nicht gewünscht.

Zu Wort ist auch niemand gemeldet.

Wir gelangen daher sogleich zur Abstimmung.

Es ist Folgendes zu beschließen:

In Behandlung des Ersuchens der Bundespolizeidirektion Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Karl Öllinger wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der inkrimi­nier­ten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Na­tional­rat Karl Öllinger besteht. Daher wird einer behördlichen Verfolgung des Abgeord­neten zum Nationalrat Karl Öllinger nicht zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

21.24.3614. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Bundespolizei­direktion Wien (GZ E1/90837/1/2010) um Zustimmung zur behördlichen Verfol­gung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Birgit Schatz (679 d. B.)

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tages­ordnung.

Auch hiezu gibt es keine mündliche Berichterstattung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 230

Zu Wort ist ebenfalls niemand gemeldet.

Wir gelangen daher sogleich zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsaus­schusses in 679 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

In Behandlung des Ersuchens der Bundespolizeidirektion Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Birgit Schatz wird im Sinne des Art. 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der inkriminierten strafbaren Handlung und der politischen Tätigkeit der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Birgit Schatz besteht. Daher wird einer behördlichen Verfolgung der Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Birgit Schatz nicht zugestimmt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich diesem Antrag anschließen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist mit Mehrheit angenommen.

21.25.4715. Punkt

Bericht des Immunitätsausschusses über das Ersuchen der Staatsanwaltschaft Wien (GZ 22 St 116/09z) um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler (680 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Es gibt keine mündliche Berichterstattung.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Stadler.

Ich stelle die Uhr wunschgemäß auf 10 Minuten. Die Gesamtrestredezeit Ihrer Fraktion beträgt 13 Minuten. – Bitte.

 


20.26.23

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich rede jetzt nicht wegen Strache, sondern ich habe einige Gründe, mich heute zu Wort zu melden.

Erstens möchte ich mich bei jenem anonymen Anzeiger oder jenen anonymen Anzei­gern bedanken, die diese Anzeige eingebracht haben, weil das die Möglichkeit schafft, endlich Klarheit in diese vor Unwahrheiten strotzende Geschichte zu bringen.

Zweitens befürchte ich, dass es nicht zur Hauptverhandlung kommen wird, weil man sich dann auf einmal doch nicht mehr als Opfer sieht. Daher ist mir das wichtig, was ich jetzt hier zu sagen habe. (Abg. Kopf: Das geht uns hier nichts an!) Doch! Die Ge­schichte ist hochpolitisch! Heute könnte man auch noch über den Anteil der ÖVP daran diskutieren! Außerdem ist mir wichtig, dass der Sachverhalt einmal ins Protokoll kommt.

Drittens werden leider wahrscheinlich nicht Sie alle die Möglichkeit haben, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Man soll sich aber ein Bild davon machen können. Ich werde mich bei der Hauptverhandlung selbst verteidigen und werde daher die einmalige Gelegenheit haben, den Zeugen Heinz-Christian Strache im Zeugenstand unter Wahrheitszwang befragen zu können. Und wenn er nicht kommt, wird ihm die Vorführung angedroht. (Abg. Dr. Rosenkranz: Er wird schon kommen!) Ja! Ich hoffe, dass er kommt! Ich freue mich schon darauf!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 231

Worum geht es? Ich schildere jetzt den Vorwurf gar nicht lang, sondern zitiere nur aus den „Salzburger Nachrichten“, die mir seriös erscheinen, wo es heißt – Zitat –:

„Im Buch ‚Heinz Christian Strache – sein Aufstieg, seine Hintermänner, seine Feinde‘ der Journalistinnen Claudia Reiterer und Nina Horaczek habe Strache Stadler vorge­worfen, dass ihn dieser unter Androhung der Veröffentlichung der Fotos versucht habe,“ – zur Förderung der Freiheitlichen Akademie – „zu nötigen. Der FPÖ-Obmann habe sich jedoch geweigert,“ deshalb sind die Bilder später in den Medien aufge­taucht. – Zitatende. – Das ist der zentrale Vorwurf. (Zwischenruf des Abg. Hornek.)

Das Bemerkenswerte ist, dass sich Herr Kollege Strache beim Vorwurf schon nicht ganz sicher war, wie die Nötigung stattgefunden haben soll. Er hat nämlich ein paar Monate später, im September 2008, behauptet, der Nötigungsversuch hätte darin bestan­den, dass ich ihn bedroht hätte, dass er als homosexuell geoutet werde oder Sex mit Kindern – ich korrigiere – mit Minderjährigen gehabt hätte. Das hat er übrigens auch in einem ATV-Auftritt behauptet. Wie er dazu kam, hat er nie geschildert. (Zwi­schenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.)

Das ist so ähnlich wie derzeit mit dem ORF, wo er zuerst „Heil Hitler!“ und dann „Sieg Heil!“ gehört hat und schließlich überhaupt nicht mehr weiß, was er gehört hat. Es ist immer wieder das gleiche Verhaltensmuster – aber wir werden ihn selbst, wie gesagt, dazu in der Hauptverhandlung hören.

Bemerkenswert ist – und das wird uns Herr Strache sicherlich erst in der Haupt­ver­hand­lung erklären können –, dass er selbst nie Strafanzeige erstattet hat, obwohl er behauptet, auf unterschiedliche Art genötigt worden zu sein, wobei wir nicht ganz wissen, wie. Die Strafanzeige stammt von einem Anonymus, und der stammt sicher nicht aus der FPÖ, es sei denn, von seinen parteiinternen Gegnern. Dieses Verfahren ist nämlich niemandem so unangenehm wie Herrn Strache selbst.

Vierter Punkt – und das ist jetzt vielleicht überhaupt das Bemerkenswerteste an der Geschichte –: Strache hat die Fotos selbst an die Medien weitergegeben. Er selbst hat die Fotos weitergegeben. Wissen Sie, wie sich das abgespielt hat?

Am 18. Jänner 2007, zwischen „Zeit im Bild 1“ und „Zeit im Bild 2“, ist Strache mit diesen Fotos zum ORF gefahren und hat diese dort angeboten, nachdem ihm der ORF vorher gesagt hat, dass er, wenn er kommt und die Fotos bringt, einen „Zeit im Bild 2“-Auftritt bekommt. Der ORF hatte nämlich Angst, dass die Fotos bei einem anderen Medium auftauchen.

Übrigens hat dann im ORF ein Seilschaftsdenken begonnen. Herr Kollege Cap, Sie wissen, wovon ich rede! Es gab Seilschaften im Machtgefüge. Es ging damals um die Neubestellung der ORF-Führung und um die Verteilung der Posten. Es wurde eine Seilschaftspolitik betrieben, und das hat sogar zu einem kuriosen Verfahren vor der Gleichbehandlungskommission geführt. Das wird vielleicht auch noch Thema werden. Wir werden ja sehen!

Tatsache ist, dass Strache mit diesen Fotos zum ORF geht und behauptet, die Zahl der Fotos sei jetzt vollständig. – In Wahrheit war die Anzahl aber nicht vollständig. Und die Fotos waren auch nicht unverändert, sondern er hatte sie vorher schon manipuliert. Die Schlimmsten aus der Szene hatte er schon weggeschnitten. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.)

Dann wurden beim ORF durch den Generalsekretär, Herrn Grünsteidl von der Presse­abteilung, die Fotos „verpixelt“, und diese Fotos sind dann in den Medien immer wieder


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 232

aufgetaucht – sie sind von dort übernommen worden. Dann hat Strache behauptet, all das hätte Ewald Stadler getan und er sei daher genötigt worden. Später hat er sogar noch behauptet, der ORF hätte die Fotos an „NEWS“ in manipulierter Form weiter­gespielt.

Diesen Vorwurf hat Herr Strobl, den wir auch laden werden, zurückgewiesen, und er hat gesagt, dass er das nie an „NEWS“ weitergegeben hat und dass es keine Mani­pulation durch den ORF gab, die nicht mit Herrn Strache abgesprochen war. Daher liegt der Verdacht nahe, dass Strache diese Fotos sogar noch selbst an „NEWS“ weitergegeben hat.

Aber wer hat hier wen genötigt? (Abg. Steier: Wen interessiert das?) – Mich interes­siert es, weil ich es im Protokoll haben möchte! Es ist lange genug damit Politik betrie­ben worden, und Sie sollten endlich die Verhaltensmuster und insbesondere den Umgang mit Wahrheit analysieren, die Herr Strache anhand dieses Falles pflegt, der minutiös ausrecherchiert ist. Das würde vielleicht manchen Umgang von Vertretern der Sozialdemokratie mit Herrn Strache erleichtern und diese eventuell weniger fehler­anfällig machen!

Ich habe hier einen Schriftverkehr, der umfangreich beweist, dass Herr Strache seit 24. November 2006 massiv versucht hat, auf demokratisch gewählte Organe der Freiheitlichen Akademie Druck auszuüben, um dort mit diktatorischen Maßnahmen eine Umbesetzung der Organe zu erzwingen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Nun kann man sagen, wie die Apologeten der direkten Demokratie agieren! Vorher haben wir gehört, wie ungerecht die Wirtschaftskammer-Wahlordnung ist und so weiter. Es geht alles immer nur um Demokratie. Hier gab es jedoch ultimativ die klare Drohung: Wenn du nicht parierst, ist die Finanzierung weg!

Sie wissen, dass ein Parteichef jedes Jahr neu eine sogenannte Bezeich­nungser­klä­rung an das Bundeskanzleramt abgeben muss, um festzulegen, welche Einrichtung die Bildungseinrichtung der jeweiligen Partei ist. Gibt es mehrere Bildungseinrichtungen, dann kann nur eine bezeichnet werden.

Er hat im November bereits im Geheimen eine neue Akademie gegründet. Das habe ich gar nicht gewusst, sondern das habe ich im Dezember zufällig erfahren. Und dann hat er mir von November bis Dezember gedroht, falls ich, wenn ich nicht pariere und die sogenannte Verschränkung nach der „Ein-Firmen-Theorie“ herbeiführe – was übrigens satzungswidrig war, denn in der Satzung heißt es, dass die Akademien, wie es sich übrigens in allen Akademien verhält, eine gewisse organisatorische Eigen­ständigkeit zur Erfüllung ihres Bildungsauftrages haben müssen – und all diese Leute hinausschmeiße, die Finanzierung weg ist. Er hat verlangt, dass ich Überzeugungs­arbeit leiste, damit die Leute veranlasst werden, als Mitglied aus der Akademie auszuscheiden und hat gedroht, dass die Finanzierung weg ist, wenn ich all das nicht tue. Und die Finanzierung war dann auch weg. – Auch das werden wir vor Gericht klären können.

Meine Damen und Herren! (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Bitte? Es gibt einige hier, die da dabei waren! Einige waren so „tapfer“, dass sie nicht einmal den Mut hatten, mit mir noch offen zu reden! Es sitzt ein Kollege hier im Haus, der vorher nachgeschaut hat, ob die Klos besetzt sind, damit er sich überhaupt mit mir zu reden traut. Das ist das Milieu, das damals unter Strache und in diesem Regime herrschte! Ich habe das mit einer Junta verglichen. Eine Junta ist relativ demokratisch dagegen! – Dieses Junta-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 233

Milieu in der FPÖ unter Strache ist nun einmal ein Problem, und das sollte vor Gericht abgehandelt werden, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Es ist hoch an der Zeit, dass man darüber nachdenkt, ob Herr Strache vielleicht in diese Hauptverhandlung als Zeuge hineingeht und als massiv der Unwahrheit Über­führter oder sogar als Beschuldigter herauskommt. Wenn Sie daran teilnehmen wollen, lade ich Sie ein, sich frühzeitig Sitzkarten zu organisieren, denn der Hauptverhand­lungssaal wird wahrscheinlich nur eine begrenzte Anzahl an Sitzplätzen haben! (Beifall beim BZÖ.)

21.34


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. Ich stelle die Uhr auf 10 Minuten. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Wieso ist Strache nicht da?)

 


21.35.07

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Hohes Haus! Frau Präsidentin! Ich bedaure es zutiefst, dass ich Sie jetzt auch noch zu dieser Stunde behelligen muss. Aber die Selbsttherapie, bei der wir jetzt gerade von diversen Verschwörungen, die hier stattgefunden haben, gehört haben, erfordert jetzt etwas. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Hat sich Kollege Jarolim wieder eingekriegt? (Abg. Dr. Jarolim: Wo ist Strache?) Er wird schon irgendwo sein! (Lebhafte Zwischenrufe bei der SPÖ.) Er hat sich nicht in Luft aufgelöst! Keine Sorge! Sie werden ihn im Rahmen der Wien-Wahl bei den Veranstaltungen viel zu viel sehen! Das kann ich Ihnen versichern!

Die Vorwürfe, die jetzt gegen Herrn Klubobmann Strache geäußert wurden, darf ich namens meiner Fraktion aufs Entschiedenste zurückweisen. (Beifall bei der FPÖ.) – Damit möchte ich es grundsätzlich schon bewenden lassen.

Ich möchte nur mehr einen Punkt erwähnen: Wenn Kollege Stadler die Wahrheit, an die sich die Zeugen in der Hauptverhandlung halten werden oder nicht, so strapaziert, dann kann ich sagen: Es wird nur einen geben, der in der Hauptverhandlung vom Gesetz her lügen darf, und das ist der Beschuldigte. Und das wird er sein. Was er machen wird, weiß ich nicht. Vielleicht muss er nach der Hauptverhandlung beichten. (Beifall bei der FPÖ. – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und FPÖ.)

21.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wenn sich alle wieder beruhigt haben, werden wir auch zur Abstimmung schreiten.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag des Immunitätsausschusses in 680 der Beilagen, Folgendes zu beschließen:

„In Behandlung des Ersuchens der Staatsanwaltschaft Wien um Zustimmung zur behördlichen Verfolgung des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler wird im Sinne des Artikel 57 Abs. 3 B-VG festgestellt, dass kein Zusammenhang zwischen der inkriminierten Handlung und der politischen Tätigkeit des Abgeordneten zum Nationalrat Mag. Ewald Stadler besteht.“

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll62. Sitzung / Seite 234

21.37.26Einlauf

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1097/A(E) bis 1108/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 5117/J bis 5128/J eingelangt.

*****

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffend wird, berufe ich für 21.38 Uhr, das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung, ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

21.38.00Schluss der Sitzung: 21.38 Uhr

 

 

*****

Druckfehlerberichtigung

60. Sitzung, 21. April 2010:

In der gedruckten Version ist auf S. 103 der Text im achten Absatz zu ersetzen durch:

*****

 

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien