Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll77. Sitzung / Seite 78

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Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun  – Bitte.

 


11.39.07

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Sehr geehrte Damen und Herren – auch auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Es ist erstaunlich, wie viel Steiermark-Wahlkampf in einer sogenannten Aktuellen Europastunde des Hohen Hauses Platz findet, und das ist sehr bedauerlich.

Ich freue mich, dass sich die ÖVP für das Thema Asyl- und Migrationspolitik auf europäischer Ebene entschieden hat, wiewohl es auch aus ÖVP-Sicht andere Themen gegeben hätte, die wir heute besprechen könnten, beispielsweise die Atompolitik. Das war der ÖVP wichtig genug für ihre Klubklausur, die vor Kurzem stattgefunden hat.

Wir alle im Hohen Haus müssen uns schon fragen, wie ernst eine angebliche ÖVP-Antiatompolitik zu nehmen ist, wenn gleichzeitig der Exparteichef, Exbundeskanzler und Noch-ÖVP-Abgeordnete Wolfgang Schüssel im Sold eines der größten Atomkonzerne Deutschlands, nämlich von RWE, steht. (Beifall bei den Grünen.)

Wie glaubwürdig kann die Antiatompolitik eines ÖVP-Außenministers sein, wie glaub­würdig kann die Politik eines ÖVP-Landwirtschaftsministers sein, wenn gleichzeitig der Exparteichef im Sold eines Atomkonzerns steht? (Beifall bei den Grünen.)

Zurück zum Thema Asyl- und Migrationspolitik auf europäischer Ebene. Bis auf ganz wenige Reden haben wir heute von der europäischen Ebene eigentlich kaum etwas gehört, und es gibt in der Tat Probleme auf europäischer Ebene. In der Tat müssen alle 27 EU-Länder, aber auch die EU gemeinsam Maßnahmen ergreifen, um Probleme, die da vorhanden sind, und Herausforderungen lösen zu können.

Es wurde hier sehr viel Stimmung gemacht mit der Behauptung, Asylwerber würden die EU, ja Europa allgemein stürmen. Sehr geehrte Damen und Herren, ein paar Fakten: Nur 14 Prozent der Schutzsuchenden weltweit gelangen in die EU und suchen in der EU um Asyl an. 14 Prozent! Das heißt, über 80 Prozent der Flüchtlinge bleiben in den Krisenregionen, bleiben meistens in den Ländern, aus denen sie geflüchtet sind, flüchten mussten, oder flüchten in Nachbarländer.

Eines der ärmsten Länder der Welt, Pakistan, beherbergt seit Jahren 1,5 Millionen Flüchtlinge. 1,5 Millionen! Der Iran, der weder ein Rechtsstaat noch ein wohlhabender Staat ist, hat knapp eine Million Flüchtlinge zu beherbergen. – So viel zu der Angstmache und Behauptung, Asylwerber würden Europa umzingeln, Asylwerber würden Europäerinnen und Europäer überrennen.

Ich möchte eines betonen: Solange wir in 27 EU-Ländern 27 unterschiedliche Asylsysteme haben, wird es nicht gelingen, eine gemeinsame europäische Flüchtlings­politik, eine gemeinsame Menschenrechtspolitik zu machen. Und solange es so ist, dass ein äthiopischer Flüchtling in Schweden mit 80-prozentiger Sicherheit davon ausgehen kann, dass er Asyl bekommt, während in Griechenland diese Wahrschein­lichkeit auf null Prozent sinkt – 80 Prozent in Schweden, null Prozent in Griechen­land! –, lügen wir uns in die eigene Tasche, wenn wir kritisieren, dass Flüchtlinge innerhalb der EU weiterwandern! (Beifall bei den Grünen.)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, solange wir nicht einheitliche Standards schaffen, wird es weiterhin so sein, dass Flüchtlinge versuchen werden, in jene EU-Länder zu gelangen, wo sie bessere Aufnahmekonditionen und vor allem größere Chancen haben, Asyl zu bekommen.

Sie alle haben von dem traurigen Fall des unbegleiteten afghanischen Minderjährigen gelesen, der mit ganzen 16 Jahren nach einer Odyssee durch unterschiedliche EU-


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