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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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113. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Donnerstag, 7. Juli 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

113. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode                  Donnerstag, 7. Juli 2011

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 7. Juli 2011: 9.06 – 21.10 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: EU-Erklärung der Bundesministerin für Finanzen gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates

2. Punkt: Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuer­baren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012)

3. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Prei­sen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preis­auszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird

4. Punkt: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen

5. Punkt: Bericht über den Antrag 1591/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Grenzüberschreitender“ Kindergartenbesuch im verpflichtenden Kindergartenjahr

6. Punkt: Bericht über den Antrag 1271/A(E) der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuverdienstgrenze bei Studierenden

7. Punkt: Bericht über den Antrag 1606/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Jugend-Pass

8. Punkt: Bericht über den Antrag 1133/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Regelung zur Verbesserung der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung von Pflegeeltern

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden

10. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird


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12. Punkt: Bericht über den Antrag 1542/A der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich geändert wird

13. Punkt: Bericht über den Antrag 1567/A(E) der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung und Erhalt von Volks­kunde- und Völkerkundemuseum

14. Punkt: Bericht über den Antrag 1598/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte Bezahlung für Kulturarbei­terIn­nen

15. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird

16. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen

17. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

18. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

19. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst

20. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst

21. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste

22. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

23. Punkt: Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst

24. Punkt: Bericht über die Petition (71/PET) betreffend „Eine rasche, menschen­rechts­konforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“

25. Punkt: Bericht über die Petition (64/PET) betreffend „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011)

27. Punkt: Bericht über den Antrag 1507/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden

28. Punkt: Bericht über den Antrag 1580/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donner­bauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird

29. Punkt: Bericht über den Antrag 1389/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donner­bauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rückerstattung


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der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge erlassen und das Bundesgesetz zur Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge der Konsumenten aufgehoben wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 16

Geschäftsbehandlung

Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfrage­beant­wortung 8336/AB gemäß § 92 Abs. 1 der Geschäftsordnung ........................................................................................ 17

Durchführung einer kurzen Debatte gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung ...... 136

Redner/Rednerinnen:

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 136

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 139

Elmar Mayer ............................................................................................................ ... 140

Dr. Reinhold Lopatka ............................................................................................. ... 141

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 143

Dieter Brosz, MSc ................................................................................................... ... 145

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 146

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z. 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 18

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 16

Verhandlungen

1. Punkt: EU-Erklärung der Bundesministerin für Finanzen gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates ............................................................................................................ 18

Bundesministerin Mag. Dr. Maria Theresia Fekter .................................................. 18

Durchführung einer Debatte gemäß § 74b der Geschäftsordnung ............................... 22

Redner/Rednerinnen:

Heinz-Christian Strache ......................................................................................... ..... 22

Dr. Josef Cap ........................................................................................................... ..... 25

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ..... 29

Karlheinz Kopf ........................................................................................................ ..... 32

Josef Bucher ........................................................................................................... ..... 35

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ..................................................................... 38

Kai Jan Krainer ....................................................................................................... ..... 39

Dkfm. Dr. Günter Stummvoll ................................................................................ ..... 41

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ..... 43

Dr. Alexander Van der Bellen ................................................................................ ..... 45

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ..... 46

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ..... 48

Jakob Auer .............................................................................................................. ..... 49

Elmar Podgorschek ................................................................................................ ..... 51


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Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ..... 52

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ..... 54

Entschließungsantrag (Misstrauensantrag) der Abgeordneten Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 74 Abs. 1 des Bun­des-Verfassungsgesetzes – Ablehnung ........................................  56, 57

2. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regierungsvorlage (1223 d.B.): Bundesgesetz über die Förderung der Elektri­zitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1302 d.B.) ......................................................... 57

Redner/Rednerinnen:

Ing. Norbert Hofer ................................................................................................... ..... 57

Wolfgang Katzian .................................................................................................... ..... 59

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .............................................................................. ..... 63

Peter Haubner ......................................................................................................... ..... 65

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ..... 75

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ......................................................  78, 101

Ing. Mag. Hubert Kuzdas ........................................................................................ ..... 80

Ing. Hermann Schultes ........................................................................................... ..... 81

Alois Gradauer ........................................................................................................ ..... 82

Mag. Christiane Brunner ....................................................................................... ..... 85

Herbert Scheibner .................................................................................................. ..... 86

Elisabeth Hakel ....................................................................................................... ..... 87

Franz Hörl ................................................................................................................ ..... 88

Ing. Christian Höbart .............................................................................................. ..... 90

Mag. Werner Kogler ............................................................................................... ..... 91

Gerhard Huber ........................................................................................................ ..... 92

Petra Bayr ................................................................................................................ ..... 93

Fritz Grillitsch .......................................................................................................... ..... 94

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ..... 95

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ..... 96

Kurt List ................................................................................................................... ..... 97

Werner Neubauer .................................................................................................... ..... 99

Franz Glaser ............................................................................................................ ... 100

Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Haubner, Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitrag der Energieeffizienz zu einer nach­haltigen Energiezukunft Österreichs – Annahme (E 182) ................................................................................................................................  61, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Ermöglichung des Online-Wechsels des Energielieferanten – Annahme (E 183) ...................................................................................................................  77, 102

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Energie aus erneuer­baren heimischen Ressourcen – Ablehnung     84, 103

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil I – Ablehnung .....................  98, 103

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 102

3. Punkt: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regierungsvorlage (1224 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über


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die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (1301 d.B.) .................................................. 103

Redner/Rednerinnen:

Konrad Steindl ........................................................................................................ ... 103

Dr. Christoph Matznetter ....................................................................................... ... 104

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek ..................................................................................... ... 105

Dr. Ruperta Lichtenecker ....................................................................................... ... 106

Mag. Rainer Widmann ............................................................................................ ... 107

Franz Kirchgatterer ................................................................................................ ... 108

Franz Riepl ............................................................................................................... ... 109

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 110

Erich Tadler ................................................................................................................. 111

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 112

Gemeinsame Beratung über

4. Punkt: Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1225 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Verein­barung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrich­tun­gen (1270 d.B.) .................................................................................................................... 112

5. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1591/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Grenz­überschreitender“ Kindergartenbesuch im verpflichtenden Kindergartenjahr (1271 d.B.) ........................................................................................ 112

Redner/Rednerinnen:

Carmen Gartelgruber ............................................................................................. ... 112

Ridi Maria Steibl ...................................................................................................... ... 113

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ... 115

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 120

Gabriele Binder-Maier ............................................................................................ ... 122

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 123

Anna Höllerer .......................................................................................................... ... 125

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 126

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 127

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtenden Kindergartenbesuch in den letzten beiden Jahren vor Einschulung – Ablehnung               117, 129

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Ausnahmebestimmung von der Be­suchs­pflicht der halbtägigen kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder mit Behinderungen – Ablehnung ...............................................................................  119, 130

Genehmigung der Vereinbarung in 1270 d.B. .............................................................. 129

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1271 d.B. ................................................... 130

Gemeinsame Beratung über


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6. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1271/A(E) der Abge­ordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuver­dienstgrenze bei Studierenden (1272 d.B.)           ............................................................................................................................. 130

7. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1606/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Weiterent­wicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Jugend-Pass (1273 d.B.) .................................................................................................................... 130

8. Punkt: Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1133/A(E) der Abge­ordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend bundesein­heitliche Regelung zur Verbesserung der arbeits- und sozialrechtlichen Absiche­rung von Pflegeeltern (1274 d.B.) ....................................... 130

Redner/Rednerinnen:

Anneliese Kitzmüller .............................................................................................. ... 130

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ........................................................................... ... 132

Mag. Daniela Musiol ............................................................................................... ... 132

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 134

Hermann Lipitsch ................................................................................................... ... 148

Martina Schenk ....................................................................................................... ... 149

Mag. Gertrude Aubauer ......................................................................................... ... 151

Edith Mühlberghuber ............................................................................................. ... 152

Rosemarie Schönpass ........................................................................................... ... 153

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 153

Gabriel Obernosterer ............................................................................................. ... 154

Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Änderung des Mutter-Kind-Pass-Gesetzes – Ablehnung ...........................................................  150, 155

Kenntnisnahme der drei Ausschussberichte 1272, 1273 und 1274 d.B. .................... 155

Gemeinsame Beratung über

9. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1209 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schul­unter­richtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hoch­schul­gesetz 2005 geändert werden (1265 d.B.) ...... 155

10. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1253 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen (1266 d.B.)                     155

Redner/Rednerinnen:

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 156

Elmar Mayer ............................................................................................................ ... 157

Werner Amon, MBA ............................................................................................... ... 158

Dr. Walter Rosenkranz ......................................................................................  159, 169

Ursula Haubner ....................................................................................................... ... 160

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 162

Mag. Laura Rudas ................................................................................................... ... 163

Johannes Schmuckenschlager ............................................................................. ... 164

Mag. Rosa Lohfeyer ............................................................................................... ... 165

Dr. Franz-Joseph Huainigg .................................................................................... ... 165

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ... 167

Dr. Erwin Rasinger ................................................................................................. ... 168

Mag. Silvia Fuhrmann ............................................................................................ ... 168

Anna Franz .............................................................................................................. ... 169


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Franz-Josef Huainigg, Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Barrierefreiheit und Integration – Annahme (E 184)  167, 171

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sparhammer trifft Militärakademie in Wiener Neustadt – Ablehnung .................  170, 172

Annahme des Gesetzentwurfes in 1265 d.B. .............................................................. 171

Genehmigung der Vereinbarung in 1266 d.B. .............................................................. 172

11. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1256 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtsper­sönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird (1267 d.B.) ............................................................................................................ 172

Redner/Rednerinnen:

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 172

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 173

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 174

Werner Amon, MBA ............................................................................................... ... 175

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 176

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 177

Mag. Josef Lettenbichler ....................................................................................... ... 177

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 178

12. Punkt: Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1542/A der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechts­verhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich geändert wird (1268 d.B.)          ............................................................................................................................. 178

Redner/Rednerinnen:

Elmar Mayer ............................................................................................................ ... 178

Hermann Gahr ........................................................................................................ ... 179

Dr. Harald Walser .................................................................................................... ... 180

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 180

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 180

Gemeinsame Beratung über

13. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1567/A(E) der Abge­ordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung und Erhalt von Volkskunde- und Völkerkundemuseum (1380 d.B.) ................................................................................. 181

14. Punkt: Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1598/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte Bezahlung für KulturarbeiterInnen (1381 d.B.)      ............................................................................................................................. 181

Redner/Rednerinnen:

Mag. Heidemarie Unterreiner ................................................................................ ... 181

Sonja Ablinger ........................................................................................................ ... 182

Mag. Dr. Wolfgang Zinggl ...................................................................................... ... 183

Mag. Silvia Fuhrmann ............................................................................................ ... 185

Stefan Markowitz .................................................................................................... ... 186

Bundesministerin Dr. Claudia Schmied .............................................................. ... 188

Elisabeth Hakel ....................................................................................................... ... 189


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Josef Jury ................................................................................................................ ... 189

Johann Höfinger ..................................................................................................... ... 190

Stefan Petzner ......................................................................................................... ... 191

Ewald Sacher .......................................................................................................... ... 192

Entschließungsantrag der Abgeordneten Stefan Markowitz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung des Nationalrats vom 7. Juli 2010 – Ablehnung  187, 193

Entschließungsantrag der Abgeordneten Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Finanzierung des Freilichtmuseums Stübing – Ablehnung ..  192, 194

Kenntnisnahme des Ausschussberichtes 1380 d.B. ................................................... 193

Annahme der dem schriftlichen Ausschussbericht 1381 d.B. beigedruckten Entschließung betreffend gerechte Bezahlung für KulturarbeiterInnen (E 185) .................................................... 194

15. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (1260 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (1335 d.B.) ........... 194

Redner/Rednerinnen:

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ... 194

Adelheid Irina Fürntrath-Moretti ........................................................................... ... 195

Angela Lueger ......................................................................................................... ... 196

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 197

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ... 197

Anton Heinzl ............................................................................................................ ... 198

Hannes Fazekas ...................................................................................................... ... 199

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung einer Polizeistation in der Kremser Innen­stadt – kein inhaltlicher Zusammenhang mit Verhandlungsgegenstand ....................................................................................  197, 197

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 200

Gemeinsame Beratung über

16. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (1122 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen (1336 d.B.) .................................... 200

17. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (1144 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hub­schrauber-Rettungsdienst (1337 d.B.) .......................................... 200

18. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (1145 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1338 d.B.) ................................ 200

19. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1146 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1339 d.B.) .......................................................... 200


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20. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1147 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1340 d.B.) .......................................................... 200

21. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1148 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste (1341 d.B.) ................................................................................ 200

22. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungsvorlage (1150 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1342 d.B.) .......................................... 201

23. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungsvorlage (1151 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1343 d.B.) .......................................... 201

Redner/Rednerinnen:

Dr. Martin Strutz ..................................................................................................... ... 201

Günter Kößl ............................................................................................................. ... 202

Bundesministerin Mag. Johanna Mikl-Leitner .................................................... ... 203

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................ ... 204

Ulrike Königsberger-Ludwig ................................................................................. ... 205

Rupert Doppler ....................................................................................................... ... 206

Christoph Hagen ..................................................................................................... ... 206

Rudolf Plessl ........................................................................................................... ... 207

Genehmigung des Staatsvertrages in 1336 d.B. ......................................................... 208

Genehmigung der sieben Kündigungen der Vereinbarungen in 1337, 1338, 1339, 1340, 1341, 1342 und 1343 d.B. ...................................................................................................................... 208

Gemeinsame Beratung über

24. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (71/PET) betreffend „Eine rasche, menschenrechtskonforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (1344 d.B.) ............................. 209

25. Punkt: Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (64/PET) betreffend „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“, überreicht von den Abgeordneten Sonja Ablinger, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Tanja Windbüchler-Souschill und Ing. Peter Westenthaler (1345 d.B.) ...................... 209

Redner/Rednerinnen:

Dr. Walter Rosenkranz ........................................................................................... ... 209

Nikolaus Prinz ......................................................................................................... ... 211

Mag. Alev Korun ..................................................................................................... ... 212

Otto Pendl ................................................................................................................ ... 215

Ing. Peter Westenthaler .......................................................................................... ... 217

Christian Lausch ..................................................................................................... ... 218

Tanja Windbüchler-Souschill ................................................................................ ... 219


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Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend bessere Vollziehung der fremdenrechtlichen Normen – Ablehnung ...................  210, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Umsetzung der Petition „Eine rasche menschen­rechtskonfor­me und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“ – Ablehnung ..................................................  213, 222

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Vier-Parteien-Petition „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“ – Ablehnung              214, 223

Entschließungsantrag der Abgeordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Kinderrechte-Monitoringausschuss zur Überprü­fung der Umsetzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kin­dern – Ablehnung .........  220, 223

Kenntnisnahme der beiden Ausschussberichte 1344 und 1345 d.B. .......................... 222

26. Punkt: Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1252 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmen­buch­gesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichts­gebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011) (1278 d.B.) ....................................................................................................................................... 223

Redner/Rednerinnen:

Mag. Ewald Stadler ................................................................................................. ... 223

Mag. Peter Michael Ikrath ...................................................................................... ... 226

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 228

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 228

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl .............................................................. ... 229

Entschließungsantrag der Abgeordneten Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil Kopiergebühren bei Gericht – Ablehnung     227, 230

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 230

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1507/A der Abge­ordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (1279 d.B.)                       231

28. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1580/A der Abge­ordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird (1280 d.B.) ................................................. 231

Redner/Rednerinnen:

Mag. Harald Stefan ................................................................................................. ... 231

Mag. Heribert Donnerbauer ................................................................................... ... 232

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 233

Dr. Johannes Jarolim ............................................................................................. ... 234

Mag. Ewald Stadler ...........................................................................................  235, 244

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ........................................................  237, 243

Mag. Karin Hakl ....................................................................................................... ... 238


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 11

Mag. Ruth Becher ................................................................................................... ... 239

Mag. Bernd Schönegger ........................................................................................ ... 240

Herbert Scheibner .................................................................................................. ... 240

Hannes Weninger ................................................................................................... ... 242

Dr. Peter Wittmann ................................................................................................. ... 243

Annahme der beiden Gesetzentwürfe in 1279 und 1280 d.B. ..................................... 245

29. Punkt: Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1389/A der Abge­ordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rückerstattung der Kühlgeräteentsor­gungs­beiträge erlassen und das Bundesgesetz zur Rückführung der Kühlgerä­teentsorgungsbeiträge der Konsumenten aufgehoben wird (1281 d.B.) ........................................................................................ 246

Redner/Rednerinnen:

Dr. Johannes Hübner ............................................................................................. ... 246

Mag. Michael Hammer ........................................................................................... ... 247

Mag. Albert Steinhauser ........................................................................................ ... 248

Petra Bayr ................................................................................................................ ... 249

Mag. Ewald Stadler ...........................................................................................  250, 252

Bundesministerin Mag. Dr. Beatrix Karl ................................................................. 252

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rätsel um weitere „Kühlschrankmillionen“ beziehungsweise die Fragen, wie viele Millionen von Konsumenten für die Entsorgung von Kühlschränken an die UFH geflossen sind, wie viele Millionen bisher an die Konsumenten zurückgeflossen sind, wie viele dieser Millionen samt Zinsgewinne noch immer bei UFH liegen und nicht an das Finanzministerium übertragen werden, warum dies nicht geschieht beziehungsweise wofür die möglicherweise übrig gebliebenen Millionen genau verplant sind, sowie die Fragen, ob es eine Werbekampagne betreffend die bestehenden Rückholmöglichkeiten geben wird, ob eine „Zweckwidmung“ für die Verwendung der Millionen erfolgt, sowie die Frage, ob strafrechtlich relevante Handlungen begangen worden sind und eine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet worden ist, sowie die Kundmachung und Aufklärung der Problematik – Ablehnung ............................................................  253, 254

Annahme des Gesetzentwurfes ................................................................................... 254

Eingebracht wurden

Bericht ........................................................................................................................... 17

III-256: Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2010; BM f. Wirtschaft, Familie und Jugend

Anträge der Abgeordneten

Ing. Peter Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verbesserung der rechtlichen Situation der Pensionskassenberechtigten (1625/A)(E)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zweckmäßigkeit einer effizienten Fachaufsicht durch den Leiter der Ständigen Vertretung in Brüssel (1626/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 12

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einstellung der Förderung der Bundesarbeiterkammer, der Landwirtschaftskammer und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (1627/A)(E)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reduktion des Personalstan­des der österreichischen Militärvertretung in Brüssel (1628/A)(E)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der kostenpflichtigen Bekanntmachung von Informationen aus der Ediktsdatei im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ (1629/A)(E)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz vom 29. Feber 1956 über die Bezüge der Bundesbeamten (Gehaltsgesetz 1956 – GehG), BGBl. Nr. 54/1956, geändert wird (1630/A)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Reform des Pensionskassengesetzes (1631/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Pistenunfälle – eine Belastung für die Justiz: Zivil- und Strafverfahren nach Alpinunfällen in Österreich“ (8980/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „Ski- und Snowboardunfälle 2010/2011 – Sicherheit auf Skipisten“ (8981/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend „Ski- und Snowboardunfälle 2010/2011 – Sicherheit auf Skipisten“ (8982/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend „Ski- und Snowboardunfälle 2010/2011 – Sicherheit auf Skipisten“ (8983/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „Ski- und Snowboardunfälle 2010/2011 – Sicherheit auf Skipisten“ (8984/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend „Ski- und Snowboardunfälle 2010/2011 – Sicherheit auf Skipisten“ (8985/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend „Ski- und Snowboardunfälle 2010/2011 – Sicherheit auf Skipisten“ (8986/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend die Veröffentlichung der Teiletappenpläne gemäß Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (8987/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend die Veröffentlichung der Teiletappenpläne gemäß Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (8988/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend die Veröffentlichung der Teiletappenpläne gemäß Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (8989/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 13

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Veröffentlichung der Teiletappenpläne gemäß Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (8990/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend die Veröffentlichung der Teiletappenpläne gemäß Bundes-Behinderten­gleichstellungsgesetz (8991/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Schutzräume und Zivilschutz (8992/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend zu späte Umsetzung einer Richtlinie (8993/J)

Harald Vilimsky, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Staatsbürgerschaftsverleihung (8994/J)

Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend ein Office Tool für geschlechtergerechte Sprache (8995/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Inhaftierung straffälliger Asylwerber (8996/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Rückführungsprogramm für Asylanten (8997/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Fragebogen Nutzerzufriedenheit in Justizanstalten (8998/J)

Dr. Johannes Hübner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Ungereimtheiten im österreichischen Konsularwesen, insbesondere in Visa-Angelegenheiten (8999/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend von der IGGiÖ eingesetzte Fachinspektoren für den islamischen Religionsunterricht (9000/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend das TARGET2-System (9001/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Polizeieinsätze im Grazer Stadtpark (9002/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend Senkung der Betriebskosten für den Eurofighter (9003/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Höhe der TARGET2-Salden der Oesterreichischen Nationalbank OeNB (9004/J)

Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend unterschiedliche Salden-Berechnungen im Euroraum (9005/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend die offenkundige Unzweckmäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung (9006/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 14

Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend: „Wo die ÖVP die Macht hat, da macht sie, was sie will!“, Teil 4 (9007/J)

Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend agrarpolitische Apokalypse durch den jährlichen Import von 600 000 Tonnen Gen-Soja (9008/J)

Oswald Klikovits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landes­verteidigung und Sport betreffend beabsichtigte Auslagerung von Forst- und Jagd­aufgaben am Truppenübungsplatz Allentsteig an die Österreichische Bundesforste AG (9009/J)

Elmar Mayer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Entschädigungen anlässlich Investmentrückzahlungen“ (9010/J)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Forschungsfinanzierungsgesetz (9011/J)

Franz Glaser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Verlagerung des Güterverkehrs von der Schiene auf die Straße (9012/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Suspendierung des Leiters der Oberstaatsanwaltschaft Wien und des Leiters der Staatsanwaltschaft Graz (9013/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Sicherstellung subsidiärer strafrechtlicher Ermittlungen gegen die Verdäch­tigen Rakhat Aliyev und Mittäter (9014/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Aktenwidrigkeiten im Mühlbacher-Bericht in der Causa Kampusch (9015/J)

Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend ungerechtfertigte Weisung zur Ausscheidung von drei Tatverdächtigen im ersten Libro-Prozess (9016/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend menschenrechtswidrige Vertragsuntreue der Republik Österreich, Teil 3 (9017/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betref­fend Aktenstand im Bundesministerium für Finanzen (9018/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend SIVBEG (9019/J)

Erich Tadler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Zwangstrafen beim Firmenbuch (9020/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Reisekosten (9021/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst betreffend Reisekosten (9022/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Reisekosten (9023/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 15

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Reisekosten (9024/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Reisekosten (9025/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Reisekosten (9026/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Reisekosten (9027/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Reisekosten (9028/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidigung und Sport betreffend Reisekosten (9029/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Reisekosten (9030/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Reisekosten (9031/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Reisekosten (9032/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Reisekosten (9033/J)

Anfragebeantwortungen

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen (8346/AB zu 8440/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen (8347/AB zu 8443/J)

der Bundesministerin für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen (8348/AB zu 8444/J)

des Bundesministers für Gesundheit auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Roman Haider, Kolleginnen und Kollegen (8349/AB zu 8450/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen (8350/AB zu 8478/J)

des Bundesministers für Wirtschaft, Familie und Jugend auf die Anfrage der Abge­ordneten Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen (8351/AB zu 8485/J)

 

 


 


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 16

09.05.38Beginn der Sitzung: 9.06 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Zweiter Präsident Fritz Neugebauer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Gessl-Ranftl, Mag. Johann Maier, Großruck, Dr. Königshofer, Themessl und Mag. Jarmer.

09.05.53Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungs­gegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäfts­ordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

Anfragebeantwortungen: 8346/AB bis 8351/AB.

B. Zuweisungen:

Zuweisungen in dieser Sitzung:

a) zur Vorberatung:

Ausschuss für Arbeit und Soziales:

Antrag 1620/A(E) der Abgeordneten Ing. Norbert Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Evaluierung Barrierefreiheit und Behindertenbetreuung bei den ÖBB;

Finanzausschuss:

Bundesgesetz, mit dem das Punzierungsgesetz 2000 geändert wird (1275 d.B.);

Gleichbehandlungsausschuss:

Antrag 1621/A(E) der Abgeordneten Carmen Gartelgruber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufnahme von Verhandlungen mit den Sozialpartnern hinsichtlich der Verbesserung der Einkommenssituation von Frauen;

Justizausschuss:

Antrag 1615/A(E) der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend Wegfall der Veröffentlichungspflichten in der Wiener Zeitung,

Antrag 1616/A(E) der Abgeordneten Ing. Robert Lugar, Kolleginnen und Kollegen betreffend Entschärfung der Zwangsstrafen beim Firmenbuchgericht;

Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Antrag 1617/A(E) der Abgeordneten Gerhard Huber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aussetzen der Stilllegungsprämie/Brachlandförderung;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 17

Verfassungsausschuss:

Bundesgesetz, mit dem ein Bundesverfassungsgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums und ein Bundesgesetz über die Transparenz von Medienkooperationen sowie von Werbeaufträgen und Förderungen an Medieninhaber eines periodischen Mediums erlassen und das KommAustria-Gesetz geändert werden (1276 d.B.),

Antrag 1619/A der Abgeordneten Otto Pendl, Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Peter Fichtenbauer, Dieter Brosz, MSc, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bunde­sverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird,

Antrag 1622/A(E) der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verwaltungsreform,

Antrag 1624/A der Abgeordneten Mag. Christine Muttonen, Fritz Neugebauer, Dr. Alexander Van der Bellen, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Information in EU-Angelegenheiten erlassen wird („EU-Informationsgesetz“, „EU-InfoG“);

b) zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des Ausschusses):

Ausschuss für Wirtschaft und Industrie:

Tätigkeitsbericht der Bundeswettbewerbsbehörde für das Jahr 2010, vorgelegt vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend (III-256 d.B.).

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung bis 13 Uhr auf ORF 2 und bis zum Sitzungsschluss auf TW 1 live übertragen wird.

09.06.13Verlangen auf Durchführung einer kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 8336/AB

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass das gemäß § 92 der Geschäftsordnung gestellte Verlangen vorliegt, eine kurze Debatte über die Beantwortung 8336/AB der Anfrage 8425/J der Abgeordneten Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Werbeschaltungen für die Neue Mittel­schule durch die Frau Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur abzuhalten.

Diese kurze Debatte findet gemäß § 57a Abs. 4 der Geschäftsordnung nach Erle­digung der Tagesordnung, jedenfalls aber spätestens um 15 Uhr statt.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist vorgeschlagen, die Debatte über die Punkte 4 und 5, 6 bis 8, 9 und 10, 13 und 14, 16 bis 23, 24 und 25 sowie 27 und 28 der Tagesordnung jeweils zusammenzufassen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 18

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zwischen den Mitgliedern der Präsidial­kon­ferenz wurde über die Gestaltung der Tagesordnung und die Dauer der Debatten Konsens erzielt. Demgemäß wurde eine Tagesblockzeit von 8 „Wiener Stunden“ ver­einbart, sodass sich folgende Redezeiten ergeben: SPÖ und ÖVP je 112, FPÖ 100, Grüne 88 sowie BZÖ 84 Minuten.

Der Tagesordnungspunkt 1: EU-Erklärung samt Debatte gemäß § 74b der Geschäfts­ordnung, wird nicht in die Tagesblockzeit eingerechnet.

Für die Zeit bis 13 Uhr wurden ferner folgende Redeordnungen vorgeschlagen:

Unpräjudiziell für den Tagesordnungspunkt 1: Erklärung der Frau Bundesministerin 15 Minuten, eine Runde mit je 10 Minuten, ein Regierungsmitglied SPÖ 5 Minuten und dann je zwei Redner-/Rednerinnenrunden mit je 5 Minuten.

Die Reihenfolge ist: erste Runde FPÖ, SPÖ, Grüne, ÖVP, BZÖ, die übrigen Runden nach Fraktionsstärke.

Für den Tagesordnungspunkt 2: eine Redner-/Rednerinnenrunde mit je 7 Minuten, ein Regierungsmitglied ÖVP 7 Minuten und dann drei Runden mit je 4 Minuten.

Die Reihenfolge der Redner/Rednerinnen: erste Runde FPÖ, SPÖ, Grüne, ÖVP, BZÖ, die übrigen Runden nach Fraktionsgröße.

Tatsächliche Berichtigungen werden erst nach Ende der Fernsehübertragung in ORF 2 aufgerufen.

Der vorsitzführende Präsident verteilt vor Beginn der letzten Runde die verbleibende Zeit in der Weise, dass noch alle Fraktionen in der Fernsehzeit gleichmäßig zu Wort kommen.

Gemäß § 57 Abs. 7 des Geschäftsordnungsgesetzes schlage ich vor, die Redezeit des Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit auf 10 Minuten pro Debatte zu beschränken.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über den soeben mitgeteilten Vorschlag zur Gestaltung der Tagesordnung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein ent­sprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

09.09.26 1. Punkt

EU-Erklärung der Bundesministerin für Finanzen gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 1. Punkt der Tages­ordnung.

Ich erteile der Frau Bundesministerin für Finanzen Dr. Fekter das Wort. – Bitte.

 


9.09.40

Bundesministerin für Finanzen Mag. Dr. Maria Theresia Fekter: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Hohes Haus! Griechenland hat sich dermaßen hoch verschuldet, dass es sich vor über einem Jahr nur mehr zu exorbitanten Zinsen Geld am Finanzsektor borgen konnte. Daraufhin hat Griechenland seine Euro-Partner um Hilfe gebeten.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 19

Auf europäischer Ebene, aber auch auf nationaler Ebene ist dann intensiv beraten wor­den, wie die Hilfe für Griechenland ausschauen kann. Damals wurde in allen Einzelheiten durchgerechnet, was wäre, wenn Griechenland pleiteginge oder wenn man Griechenland pleitegehen lässt: Welche möglichen Folgewirkungen und -kosten hätte das? Was wäre nötig, um Griechenland wieder auf den richtigen Weg zu bringen? Was würde die Sanierung kosten, und wie geht man so eine Sanierung optimal an?

So haben die Optionen Anfang 2010, also vor über einem Jahr, ausgesehen. Das Sanierungsprogramm mit Krediten, die die Länder den Griechen gewähren, würde für Österreich, damals berechnet, 2,3 Milliarden € kosten. Wie gesagt: Kredite, keine Geldgeschenke! Wenn das Programm funktioniert, neben der Hilfe mit Geld auch Strukturreformen durchzuführen, dann bekommen wir Zinsen und das Geld zurück.

Die Variante 2 damals, Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, hätte für uns in Öster­reich sofort einen Schaden von rund 5 Milliarden € bedeutet. Das war damals das Geld, das in Pensionskassen, in Versicherungen, in Investmentfonds an griechischen Anleihen in Österreich war. Damit hätten österreichische Pensionisten, österreichische Versicherungsnehmer, österreichische Sparer über die Investmentfonds sofort Geld verloren.

Gleichzeitig wäre bei einer Zahlungsunfähigkeit Griechenlands, bei einer Pleite, nicht absehbar gewesen, welche enormen Folgewirkungen das im gesamten Euroraum, bei anderen Ländern beziehungsweise am Balkan gehabt hätte, wo griechische Banken ganz massiv engagiert sind, aber auch unsere Banken stark engagiert sind. Wir hätten nicht absehen können – und das ist intensiv diskutiert worden –, wie sich die Vertrauenskrise auf die gesamte Eurozone ausgewirkt hätte. Dieses Risiko wurde mit maximal 40 Milliarden € eingeschätzt.

Man sieht also, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass der damals einge­schlagene Weg, nämlich zu helfen und über Reformen zu sanieren, der wesentlich günstigere und auch der mit dem geringeren Risiko war. Natürlich ist dieser eingeschlagene Weg schmerzhaft und birgt immer noch Risiken in sich (Abg. Bucher: Sie sagen, es ist ein Geschäft!), aber es ist unbestritten, dass es unklug gewesen wäre, gleich den teuren Weg zu beschreiten und nicht den Sanierungsweg, der wesentlich günstiger gewesen ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist alles ein Geschäft, haben wir gehört! – Also machen wir doch kein Geschäft?) Klar war für uns auch von Anfang an ... (Abg. Ing. Westenthaler: Ist es jetzt ein Geschäft oder nicht?) – Herr Kollege Westenthaler, ich habe niemals – niemals! – behauptet, dass es ein Geschäft ist! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Zwischenrufe bei BZÖ und FPÖ. – Abg. Mag. Stadler: ... Alzheimer? – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist ein Geschäft, haben Sie gesagt!)

Herr Abgeordneter Westenthaler, ich lasse mir das Wort nicht im Mund umdrehen! Ich habe hier im Hohen Haus gesagt, dass der österreichische Steuerzahler bisher keinen Euro verloren hat, sondern bisher 32 Millionen an Zinsen von den Griechen lukriert hat. Dass Sie mir damals dann in den Mund gelegt haben (Hö-Rufe beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ), ich hätte behauptet, es wäre ein Geschäft, das müssen Sie verantworten. Ich habe nur klargestellt, dass es den österreichischen Steuerzahler bis­her keinen Euro gekostet hat, weil wir Kredite gewähren. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Der eingeschlagene Weg für Griechenland hat auch umfasst, dass der Internationale Währungsfonds sich an dieser Sanierung beteiligt. (Abg. Ing. Westenthaler: Wer schreibt denn Ihre Reden?) Der Internationale Währungsfonds hat jahrzehntelange Expertise im Sanieren von maroden Staaten, darin, sie wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Daher habe ich auch hier im Hohen Haus gesagt, Österreich ist mit seiner


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Hilfe so lange dabei, wie auch der Internationale Währungsfonds dabei ist. Nur wenn der Internationale Währungsfonds Vertrauen in die Maßnahmen der Griechen hat, werden auch wir Vertrauen haben.

Sämtliche Programme wurden daher mit dem IWF abgestimmt, und der IWF führt gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank in Griechenland die Kontrolle durch, dass die Maßnahmen auch umgesetzt werden.

Welche Maßnahmen sind es?

Erstens: ein Schutzschirm über das Finanzsystem mit Krediten, zweitens ein Struk­turprogramm, das die Griechen wieder auf Wachstumskurs bringt, und drittens ein Privatisierungsprogramm, ein Budgetkonsolidierungskurs, damit die Griechen selber zum Schuldenabbau beitragen.

Wie sieht nun der aktuelle Stand der Griechenlandhilfe aus?

Seit vorigem Jahr hat Österreich den Griechen einen Kredit von über 2 Milliarden € zugesichert. Davon haben die Griechen bisher 1,2 Milliarden bekommen. Die derzeit aktuelle Tranche, die wir auszahlen sollen, umfasst 156 Millionen. (Abg. Ing. Westen­thaler: Zocken!) Es wurde daher in Griechenland eine beispiellose Anstrengung unternommen – und da bedanken wir uns auch beim griechischen Volk und bei der griechischen Regierung, dass sie selber so intensiv mit beitragen. (Abg. Mag. Stadler: Wir bedanken uns bei den Griechen, dass sie unser Geld nehmen?! – Das ist ja nicht zu fassen!) Wie schmerzhaft das ist, sehen Sie daran, dass auch in Griechenland intensiv darüber diskutiert wird und von einigen Teilen der Bevölkerung dieser Sparkurs auch abgelehnt wird. (Abg. Ing. Westenthaler: „Danke, Griechen!“ – Heiter­keit beim BZÖ.)

Aktuell hat die Troika, nämlich die Europäische Zentralbank, der Währungsfonds und die Europäische Kommission, das Paket der Griechen kontrolliert und neue Maß­nahmen eingefordert, die von den Griechen am 30. Juni auch beschlossen worden sind. Das heißt, von den Griechen werden jetzt eine konsequente Budgetkonso­lidierung, ein Sparkurs, aber auch Strukturreformen gefordert, um der Wirtschaft dort wieder auf die Beine zu helfen.

Warum sage ich, dass es auch für das griechische Volk schwierig ist? – Ich nenne Ihnen jetzt ein paar Beispiele, und da ist Lächerlichkeit nicht angebracht.

Die Griechen müssen mehr Mehrwertsteuer zahlen, künftig 23 Prozent.

Es gibt eine Anhebung der Steuern auf Treibstoff, Tabak, Alkohol; es werden da 450 Millionen € erwartet.

Es gibt eine Kürzung des Urlaubs-, Weihnachts- und Ostergeldes für die Beschäftigung im öffentlichen Dienst. Einsparungen: 1,1 Milliarde.

Es kommt zu Kürzungen des Urlaubs-, Weihnachts- und Ostergeldes für die Pensionisten. Einsparungen: 1,9 Milliarden.

Es gibt Kürzungen bei den höchsten Pensionen. Einsparungen: bis zu 500 Millionen.

Die Abschaffung des Inflationsausgleiches für Pensionisten bringt Einsparungen von 100 Millionen. (Abg. Neubauer: Sagen Sie einmal, was es die Österreicher kostet!)

Die Einführung einer CO2-Steuer bringt Einnahmen von mindestens 300 Millionen.

Es kommt zu einer schrittweisen Anhebung des Pensionsalters auch für Frauen auf 65 Jahre. Die Zahl der für eine volle Pension erforderlichen Beitragsjahre wird von 37 auf 40 Jahre angehoben. Ab 2020 soll die Altersgrenze alle drei Jahre im Lichte der steigenden Lebenserwartung überprüft werden.


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Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein wirklich schmerzhafter Kon­solidierungs- und Sparkurs, den die Griechen fahren müssen! Wir fordern aber nicht nur einen Sparkurs, sondern wir fordern auch Strukturreformen. Die Griechen müssen mit Wachstum wieder auf die Beine kommen. Sparen alleine ist nicht ausreichend (Beifall bei ÖVP und SPÖ), daher gibt es neben diesem schmerzhaften Sparkurs auch Offensivmaßnahmen, mit denen die griechische Wirtschaft angekurbelt werden soll und die Wettbewerbsfähigkeit einerseits überhaupt erst hergestellt und auf der anderen Seite gestärkt werden soll.

Zwischen 2011 und 2015 wird nur jede zehnte Stelle im öffentlichen Dienst nachbesetzt. Damit wird die Zahl der Staatsdiener um 20 Prozent verringert, von 727 000 auf 577 000. Es gibt Deregulierungen bei Berufszugängen. Griechenland hat eine sehr intensive, fast monopolistische Regulierung in vielen Branchen. Jetzt werden beispielsweise Monopole bei der Berufsausbildung aufgebrochen, und Engpässe bei der Lizenzvergabe werden beseitigt. Es findet auch eine Liberalisierung des Transportwesens statt. Beispielsweise gibt es derzeit ganz strenge Lizenzen für Touristenbusse, und damit verknappt man das System. Das soll aufbereitet werden, damit Wettbewerb entsteht, und es soll eine umfassende Liberalisierung durchgeführt werden.

Die Transportkosten für die griechische Wirtschaft werden dadurch gesenkt und Engpässe beseitigt. Ähnliches gilt bei der Lizenzierung von Frächtern und auch in anderen Branchen, die gemäß den Binnenmarktrichtlinien dem Wettbewerb zugeführt werden.

Die Griechen bekommen neue Regelungen für Unternehmensgründungen, ein soge­nanntes One-Stop-Shop-Prinzip. Damit wird die Dauer auf bis zu einen Tag verkürzt, sodass es rasch geht, wenn man unternehmerische Aktivitäten entfalten will. Die Kostensenkung beträgt dabei bis zu 62 Prozent.

Zur Liberalisierung im Energiebereich: Es wird der bisher nicht umgesetzte freie Netzzugang für alle Energieproduzenten realisiert – etwas, was europäischer Standard ist, in Griechenland aber nicht umgesetzt war. Dadurch gibt es günstigere Energie­preise für Wirtschaft und Konsumenten.

Im Bildungsbereich werden regelmäßig neue Qualitätschecks für Lehrer eingeführt, und die Ganztagsschulen werden ausgeweitet. Die Troika hat weiters vorgeschlagen, das Justizsystem einer umfassenden Reform zu unterziehen, damit es einerseits trans­parenter wird und andererseits die Verfahren beschleunigt werden.

Dann muss Griechenland mit Privatisierungen einerseits zum Abbau der Schulden beitragen, aber auch, was noch viel, viel wichtiger ist, zum Ankurbeln der Wirtschaft. Die Privatisierungen sind ein Schlüsselpunkt im Gesamtpaket. Griechenland verfügt im europäischen Vergleich über überdurchschnittlich hohe Vermögenswerte bei Unterneh­mens­beteiligungen und bei Grundstücken, und manche Betriebe werden ausschließlich vom Staat betrieben. Die Gelegenheit ist bisher unzureichend genützt worden, da mehr Markt und Wettbewerb und dadurch auch mehr wirtschaftliches Wachstum zu gene­rieren. Eine Fülle von Staatsbetrieben verursacht nur erhebliche Kosten. Das heißt, man kann da zur Budgetkonsolidierung beitragen, aber auch zur Ankurbelung der Wirtschaft.

Es gibt also ein Gesamtprogramm, dass Griechenland ein Privatisierungsprogramm durchziehen muss, um seine Staatsschulden um 20 Prozent zu senken und gleichzeitig die Wirtschaft anzukurbeln. (Abg. Neubauer: Diese Rede müssen Sie in Athen halten!)

Was ist davon konkret betroffen? – Staatsbanken werden verkauft, der Strom-, Gas- und Wassermarkt wird im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie europäisch wettbe­


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werbs­fähig gemacht, privatisiert und liberalisiert. Bei der Telekom ist schon ein erster Schritt gelungen, und zwar durch den Verkauf von 10 Prozent der OTE an die Deutsche Telekom, die hilft, mehr Wettbewerb zu bringen.

Zur Post: 40 Prozent kann hier der Markt mehr an Wettbewerb generieren. Die Lotterien sollen privatisiert werden, Häfen und Flughäfen werden privatisiert. Dazu gehören insbesondere der Hafen in Piräus und der Flughafen von Athen. Dadurch entsteht mehr Wettbewerb, und der Transportsektor soll die Wirtschaft diesbezüglich ankurbeln.

Auch die Autobahnbetreiber werden privatisiert. Das führt ebenfalls zu Kostensenkun­gen beim Transport und zu weniger Staatsausgaben bei der Infrastruktur, weil sie über den Markt mitfinanziert werden kann.

Auch die Europäische Kommission steht Griechenland unterstützend zur Seite. Sie hat angekündigt, dass 1 Milliarde € an Zahlungen für Griechenland aus EU-Strukturfonds vorgezogen werden sollen, um den Standort zu stützen. Außerdem will die Kom­mission den Griechen in der Frage der Kofinanzierung entgegenkommen, sprich: Der Anteil der Griechen soll so gering wie möglich gehalten werden, sodass das Ganze trotz der Budgetprobleme leistbar gemacht wird.

Die Troika – ich habe es schon erwähnt: Europäische Kommission, Zentralbank und Internationaler Währungsfonds – hat diese Maßnahmen der Griechen im Detail analysiert, kontrolliert und in einem Bericht evaluiert. In diesem Bericht haben alle drei gesagt, dass Griechenland jetzt eine Schuldennachhaltigkeit, das heißt eine Rückzah­lungs­nachhaltigkeit der Schulden, bewerkstelligen kann, wiewohl es etwas mehr Zeit brauchen wird als ursprünglich vorgesehen.

Damit hat Griechenland die Ziele, die vorgegeben worden sind, erfüllt, und alle drei – Zentralbank, Kommission und IWF – empfehlen die Auszahlung der fünften Tranche. Wir werden das tun, soweit der IWF auch seine Auszahlungen vornimmt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sehen, es gibt ein Gesamtpaket: Kredit­gewährung, um den Finanzsektor in Griechenland zu stabilisieren, aber auch Strukturreformen, um Griechenland wieder auf einen Wachstumspfad zu bringen.  Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

9.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Die Redeordnung ist bekannt.

Erster Redner ist Herr Klubobmann Strache. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


9.26.07

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ja in der gesamten Debatte um das Griechenland-Hilfspaket einen Aspekt, den ich besonders schäbig finde, nämlich jenen, dass immer so getan wird, als würde man mit den österreichischen Steuergeldern, die jetzt mit SPÖ- und ÖVP-Unterstützung in dieses Hilfspaket gepumpt werden sollen, der griechischen Bevölkerung direkt zu Hilfe kommen und als hätte die griechische Bevölkerung etwas davon.

Das ist leider nicht der Fall, und das ist doch ein sehr, sehr schäbiger Umstand, den man natürlich schon herausarbeiten muss, denn ich erinnere daran: Griechenland hätte niemals – niemals! – in die Eurozone aufgenommen werden dürfen. (Abg. Krainer: „Schäbig“ ist Ihr Stil! Weiterer Ruf bei der SPÖ: „Schäbig“ ist die Hypo!) Man hat da mit Budgetfälschungen gearbeitet, und man hat Griechenland, obwohl es


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klare Kriterien für die Eurozone gab, in die Eurozone aufgenommen – und das war unverantwortlich! (Beifall bei der FPÖ.)

Man hat sich vonseiten der Europäischen Union mit den selbst definierten Kriterien selbst nicht ernst genommen, und man hat auch nicht die Notbremse gezogen. Man hätte die Griechen doch spätestens dann, als man gewusst hat, dass man beschwin­delt und belogen wurde, dass man es mit Budgetfälschungen zu tun gehabt hat, aus der Eurozone entlassen müssen! Man hat sich selbst nicht ernst genommen, und Sie sind bis heute nicht bereit, von Ihren Irrtümern abzugehen. Sie sind bis heute in einer Situation, in der Sie stur Ihrem Irrweg weiter folgen, aber auch die österreichische Bevölkerung mit hineinreißen. Das ist genau die Grundproblematik.

Wir könnten mit diesen Milliarden an österreichischen Steuergeldern die Situation der Österreicher hier im Land verbessern (Abg. Kopf: Nein, wir würden sie verschlech­tern, wenn wir es nicht täten!), während Sie mit diesen Milliarden, die Sie nach Griechenland schicken, die Situation für die griechische Bevölkerung dramatisch ver­schlechtern, weil Sie keine Solidarität leben. Die einzige Solidarität, die Sie leben, ist jene mit den europäischen Banken und mit der EZB. – Das ist Ihre Solidarität! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau diese Wahrheit muss man sagen. Natürlich verschweigen Sie auch, dass die Oesterreichische Nationalbank, wie man hört – bis dato haben Sie ja auf alle Anfragen, die wir gestellt haben, nicht wirklich geantwortet –, auch zwischen 4 und 5 Milliarden € an Staatsanleihen zusätzlich gekauft hat, die natürlich auch hier fehlen. Sie reden von den 2,3 Milliarden €, die an Cash-Kapital in das Griechenland-Hilfspaket fließen, aber verschweigen, dass natürlich auch weitere Haftungen dahinterstehen, durch die wir unser Kapital auch binden. Das sollte man auch nicht außer Acht lassen.

Es war auch nicht die griechische Bevölkerung, die dieses Desaster herbeigeführt hat. Auch das muss man einmal sagen. Es waren die Großbanken, die Spekulanten und auch die griechischen Regierungen und die griechischen Politiker, die unverantwortlich gehandelt haben. (Abg. Kopf: Die Bevölkerung hat sie gewählt!) Ich wehre mich natür­lich schon auch dagegen, wenn man pauschal so tut, als wären alle Griechen Gauner (Abg. Krainer: Das gibt’s ja nicht!), als wären alle Griechen Leute, die irgendjemanden ausgebeutet hätten. Nein, es waren die Banken, die Spekulanten und die griechischen Politiker – unter anderem auch sozialistische Regierungen –, die Griechenland in diese Pleite und in diese hohe Staatsverschuldung geführt haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Natürlich sind die Griechen und die griechische Bevölkerung genauso Opfer wie die österreichische Bevölkerung. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Krainer.) Sie sind genauso Opfer Ihrer Politik: die österreichische Bevölkerung genauso, wie die griechi­sche Bevölkerung Opfer der dortigen Politik geworden ist, Opfer von Spekulanten und einer sozialistischen Politik mit Budgetlügen. Und letztlich hat man Militärbudgets beschlossen und in den letzten Jahrzehnten in Griechenland 200 Milliarden € in Militär­ausgaben investiert! – Das muss man einmal aufzeigen, diese groteske Entwicklung!

Ich habe Verständnis für den Protest der griechischen Bürger. Die sagen ja sogar auf den Plakaten: Raus aus dem Euro!, weil sie selbst erkennen, dass ihnen durch Ihr Paket nicht geholfen wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Irrtum und der Fehler war, schwache Volkswirtschaften wie Griechenland, Portugal, Irland und Spanien in eine europäische Euro-Zwangsjacke hineinzuzwängen, obwohl sie den Kriterien nicht entsprechen. Das ist das, was wir Freiheitlichen sehr wohl von Beginn an bei der Einführung des Euro angemerkt haben. Wir haben leider Gottes heute auch damit recht behalten, dass es gefährlich und unsinnig ist, unter­schiedliche Volkswirtschaften in eine gemeinsame Euro-Zwangsjacke zu zwän­gen,


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weil es dadurch natürlich auch zu Fehlentwicklungen kommen musste, wie wir sie heute erleben.

Es sind genau jene Großbanken und Spekulanten, denen jetzt das Geld der öster­reichischen und europäischen Steuerzahler in den gierigen Schlund gestopft werden soll. Es geht eben nicht um die Menschen in Griechenland, aber auch nicht um die österreichischen Bürger, die ja auch genügend Probleme haben. Bitte erinnern wir uns daran! Wir tun ja so, als wären wir heute in einer ganz, ganz hervorragenden Situation. Im Gegenteil, wir haben eine dramatische Staatsverschuldung, und das muss man immer wieder betonen. Alleine seit der Bundeskanzler Werner Faymann heißt, haben wir 44 Milliarden an zusätzlichen Schulden angehäuft. Heute liegen wir bei 205 Milliar­den € Staatsverschuldung, die offiziell eingestanden und zugegeben werden – ohne die ausgelagerten Bereiche ÖBB und ASFINAG und ohne die Haftungen. Da kommen wir auf bis zu 360 Milliarden €.

Da, muss man sagen, war im Vergleich Bruno Kreisky ein Waisenkind dagegen, mit 16 Milliarden € Staatsschulden, die er damals verursacht hat – und heute liegen wir bei 360 Milliarden €, wenn man alles zusammenrechnet! (Beifall bei der FPÖ.)

Es wird noch immer nichts getan, wenn es darum geht, eine strukturelle Wende herbeizuführen. Ganz im Gegenteil trägt man dazu bei, dieses System am Laufen zu halten. Das ist ja genau das Grundproblem! Dieses System wird weiter unterstützt, indem man jene Banken, die den Schaden angerichtet haben, entlastet und deren Ausfälle die Staatsbürger Europas zu übernehmen haben. Das ist das Spiel, anstatt dass man hergeht und sagt, die Banken, die große Spekulationsgeschäfte und -gewinne gemacht haben und eben dann in Folge Spekulationsverluste erleiden mussten, haben selbst für die Kosten aufzukommen.

Anstatt dass Sie darüber nachdenken, wie man eine Bankenkonkursordnung sicher­stellen kann, damit die Verantwortungsträger endlich auch für den zustande gekom­menen Schaden selbst aufkommen müssen, gehen Sie her und sozialisieren diese Schulden. Das ist das Grundproblem, und das versteht ja kein Bürger mehr. Genau damit zeigen Sie auf, dass Sie dieses fehlerhafte System weiter aufrecht und am Leben erhalten möchten und gar nicht bereit sind, es zu ändern. Da können Sie sich hundert Mal hier ans Rednerpult stellen, Herr Klubobmann Cap, und davon sprechen, Sie wünschen sich die Transaktionssteuer. Ja, die gehört her, europaweit, keine Frage! Aber sie ist nicht in Sicht – keine Spur davon in Europa!

Stephan Schulmeister vom Wifo hat in einem Gastbeitrag im „FORMAT“ vom 24. Juni 2011 geschrieben, dass die Politik zugesehen hat, „wie die Finanzakrobaten ab November 2009 mit ‚credit default swaps‘ gegen Staaten zu spekulieren begannen. Dies trieb die Anleihezinsen von etwa 4,5 Prozent in zweistellige Höhen. Zuerst kam Griechenland dran, dann Irland und Portugal – Spanien, Italien und Belgien sind schon im Visier der US-Ratingagenturen und Finanzalchemiebanken (Goldman Sachs, Deutsche Bank etc.)“

Diese haben ja damals bei den Griechen auch für die Budgetlügen und für die falschen Budgetzahlen gesorgt.

Und weiters: „Statt in diesen Prozess einzugreifen, passte man sich dem Verdikt ‚des Markts‘ an: Rettungsschirme wurden gegründet und ausgeweitet – nach einer Sequenz von Bränden suchte man nicht die Brandstifter, sondern schaffte mehr Feuerwehrautos an.“ – Und zwar, wie man hinzufügen muss, letztlich ohne dafür das nötige Lösch­wasser zu haben. Das ist die Grundproblematik: Die Brandstifter hätten wir von Beginn an suchen müssen, und die hätten wir ausschalten müssen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Man hat das nicht getan, hat stattdessen sozusagen zusätzliche Löschautos ange­schafft und kommt jetzt drauf: Halt, am Ende fehlt uns das Löschwasser! Natürlich geht die Spekulation weiter, wie wir sehen, nämlich von Griechenland weiter in Richtung Spanien, Portugal, Irland et cetera. Da ist kein Ende in Sicht, ganz im Gegenteil: Durch Ihre Fortsetzung des Irrweges heizen Sie erst recht die Speku­lationen an, weil ja die Banken wissen: Hurra, wir können fleißig weiterspekulieren, denn am Ende werden ohnehin die Steuerzahler durch die rot-schwarzen Politiker zur Kasse gebeten, um unseren Schaden, den wir erleiden müssten, letztlich abzu­decken. – Genau dieses Spiel findet statt.

Überhaupt gehört auch einmal die Rolle der Rating-Agenturen, die durch ihre Ein­schätzungen wesentlich die Kreditzinsen für einzelne Staaten beeinflussen, kritisch durchleuchtet, denn diese Agenturen agieren äußerst intransparent und selbstherrlich. Angesichts der Auswirkungen, die ihre Einschätzungen haben, ist es daher umso bedenklicher. Da könnte die Europäische Union einmal zeigen, welchen Nutzen sie hat, und diesen unter Beweis stellen, indem man diesem Treiben etwas entgegensetzt.

Genau das geschieht aber nicht, genau davor scheut man sich und ist nicht bereit, tätig zu werden. Deshalb ist es so wichtig, diese Frage sehr deutlich zu beleuchten. Wir sagen, es muss über Alternativen nachgedacht werden. Sie sprechen von Denk­verboten. Sie sprechen davon, es sei alles alternativlos, was Sie hier vorlegen. – Nein! Es gibt immer mehrere Alternativen, und wir müssen auch offen und ehrlich darüber nachdenken und diskutieren, welche Alternativen es gibt.

Man muss nämlich aufzeigen, dass es auch europäische Länder gibt, die heute nicht in der Euro-Zwangsjacke stecken und die wirklich tolle Zahlen und Entwicklungen aufweisen. 27 Prozent des weltweit veranlagten ausländischen Vermögens werden heute in der Schweiz geparkt. Anhand dieser Zahl sieht man auch, dass das Vertrauen und die Sicherheit von den Leistungswilligen international geschätzt werden. Die befanden sich vor drei Jahren im Zuge der Wirtschaftskrise noch in Liquiditätsschwie­rigkeiten, und heute hat die Schweizer UBS-Bank letztlich eine Eigenkapitalquote von unglaublichen 20 Prozent. Davon sind österreichische und andere europäische Banken weit entfernt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Bereits 2010 wiesen in Europa die Nicht-Euro-Länder wie Schweden, Schweiz, Polen, Tschechien das höchste BIP-Wachstum auf. Nach Ihrer Prognose am Beginn der Euro-Einführung müssten die heute alle vor der Pleite stehen – genau das Gegenteil ist der Fall!

Ich sage daher zum Abschluss: Unser Geld für unsere Leute! Wir haben selbst große Probleme. Wir müssen für unsere Familien, für unsere pflegebedürftigen Menschen, für unseren Bildungsbereich investieren und nicht unser Steuergeld irgendwo in das Bankensystem Europas pumpen. (Beifall bei der FPÖ.)

9.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Cap, der Griechenland-Fan!)

 


9.36.58

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich glaube, dass wir in eine Diskussion einsteigen sollten, die dieses Finanzsystem betrifft, dass wir wirklich versuchen sollten, nach Lösungen zu suchen, und dass wir auch die Schuldi­gen beim Namen nennen sollten, die das immer wieder verhindern und torpedieren oder die schlicht andere Interessen haben.

Es ist ein Phänomen, dass die öffentlichen Haushalte insgesamt Probleme haben. Schauen Sie die Debatte in den Vereinigten Staaten an: 100 Prozent des BIP an


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Schul­den! Wir registrieren einen Artikel nach dem anderen, in dem man sich fragt, ob sich die USA überhaupt vor einem allfälligen Staatsbankrott retten werden können – die wichtigste, größte Wirtschaftsmacht der Welt!

Sie kennen den Verschuldungsgrad vieler europäischer Länder, aber wenn wir über Österreich diskutieren, sollten wir darüber diskutieren, wieso so viele große Wirt­schaftsländer in der europäischen Union einen höheren Verschuldungsgrad haben als Österreich – zum Beispiel Frankreich, Deutschland und andere wichtige Länder.

Das heißt, es ist ein Phänomen, das quer durchgeht und das man nicht mit Einzel­aktionen versuchen kann, in den Griff zu kriegen, sondern es ist ein strukturelles Problem. (Abg. Strache: Das System! Das ist richtig! Bleiben Sie beim System!) Es geht um die Aufgaben der öffentlichen Haushalte, und dazu sage ich: Die Aufgaben der öffentlichen Haushalte sind ein Mix aus Wirtschaftskomponenten, Wirtschaft­förderung, Infrastruktur, die zur Verfügung gestellt werden muss, was natürlich Standortsicherung bedeutet, was einen Anreiz für Investoren darstellen soll, daher der ruinöse Steuerwettbewerb in der europäischen Union, der ganz negativ ist und dem man versuchen muss, entgegenzuwirken. – Das ist eine der Aufgaben.

Die zweite Aufgabe der öffentlichen Haushalte ist (Abg. Bucher: Soziale Gerech­tigkeit!) die soziale Komponente, die soziale Sicherheit, die Gesundheitssysteme, die Pensionssysteme zu schützen, auszubauen, abzusichern (Abg. Strache: Das wäre notwendig!)  das alles in harter Konkurrenz mit Volkswirtschaften, die ganz niedrige Löhne, ganz niedrige Sozialstandards, ganz niedrige Umweltschutzstandards haben wie Ostasien, die chinesische Volkswirtschaft beziehungsweise Asien insgesamt. Da wird immer so locker geredet: Privatisieren wir die Straße von Korinth oder den Hafen von Piräus und so weiter!

Dass sie einen Beitrag leisten und mit Privatisierungen dort mehr Konkurrenz hinein­bringen, ist an sich eine durchaus überlegenswerte Angelegenheit und wird ja jetzt auch getan, aber man muss sich schon die Frage stellen, wer sich dann dort strategisch einkauft. Das ist die Frage, die man sich im gesamten Energiesektor weltweit stellen muss. (Abg. Strache: Das sind die gleichen Banken, denen Sie jetzt helfen!) Ich sehe China als ein Land, mit dem wir in einem positiven Wettbewerb stehen, aber ich weiß nicht, ob ich möchte, dass sozusagen im Gesamtenergiebereich global ein Land immer mehr die Hand drauf hat oder dass bei den Häfen und im Transportwesen immer mehr ein Land die Hand drauf hält.

Das ist die Frage, die man dabei auch diskutieren muss. Man kann nicht nur sagen, Privatisierung ist grundsätzlich gut, und damit wird automatisch alles besser. Auto­matisch ist einmal gar nichts, sondern die Frage, die sich dabei stellt, ist eine andere.

Jetzt stellt sich die Frage, wie das in Österreich ist. Österreich hat 8,4 Millionen Einwohner, ist eines von 27 Mitgliedsländern der Europäischen Union. 24 oder 25 der anderen Mitgliedsländer haben eigentlich in vielen Fragen eine andere Auffassung als unsere Bundesregierung, und das Hauptproblem dabei sind vor allem gegensätzliche Interessen bei der Frage, wie wir die Auswirkungen der Finanzmarktkrise in den Griff bekommen und mit welchen Regeln wir agieren können, denn die Finanzmarktkrise hat Auswirkungen auf die Realwirtschaft, auf die fleißigen Unternehmer, auf die Beschäf­tigten und hat die Krise dort hineingetragen. Die Spekulanten und die Finanzmärkte, die nicht reguliert sind, sind ein zerstörerischer Faktor gegenüber der gesamten Wirtschaft und den vielen fleißigen und engagierten Unternehmern und Beschäftigen, die da tätig sind.

Wie kann man das in den Griff kriegen? Jetzt hat Barroso zum Beispiel einen Anlauf gemacht und vorgeschlagen: Machen wir doch eine Finanztransaktionssteuer! (Abg. Bucher: Nein, eine europäische Mehrwertsteuer!) – Der Widerstand kommt immer


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wieder von denselben Ländern, vor allem von einem Land, und zwar Großbritannien, in dessen Hauptstadt London, in der Londoner City, dieser Finanzmarkt sein Zentrum hat. Die sagen dann: Wenn wir da mittun, dann marschiert das ab nach Hongkong oder nach New York, und was haben wir davon? (Abg. Kopf: Wer hat davon profitiert?)

Das kann aber nicht die Überlegung sein. Die Überlegung muss doch die sein, wie man die produktive Wirtschaft schützen kann, und die Überlegung muss sein: Wenn ich sie schütze, wenn ich die öffentlichen Haushalte saniere, wie saniere ich sie, wer wird dabei herangezogen, die öffentlichen Haushalte zu sanieren? Und da, sage ich Ihnen, ist die Gerechtigkeit ein entscheidender Aspekt, und zwar grundsätzlich moralisch, aber auch ökonomisch. (Beifall bei der SPÖ.)

Gerechtigkeit ist auch ein Produktivfaktor, denn wenn die Leute etwas im Geldbörsel haben, wenn die Pensionisten eine gescheite Anpassung haben, wenn die Löhne stimmen – und aufgrund unserer Gewerkschaften stimmen die Löhne in Österreich, aufgrund der bisherigen Anpassungen stimmen die Pensionen in Österreich! (Abg. Kickl: Ach so? Wie bitte?) –, wenn wir dafür sorgen, dass die Menschen hier etwas im Geldbörsel haben, dann floriert die Wirtschaft, dann bewegt sich etwas. Das ist nicht nur für Österreich ein Modell, sondern das ist auch ein Modell für die Sanierung in Griechenland und in vergleichbaren anderen europäischen Ländern.

Es gehören Regeln gemacht, es muss die Verteilungsgerechtigkeit stimmen, man muss grundsätzlich einmal über die Aufgaben und die Finanzierung der öffentlichen Haushalte reden, und man muss darüber nachdenken – und nicht nur nachdenken, sondern auch agieren –, wie man die Verselbständigung der Finanzmärkte in den Griff bekommt. Das ist das Entscheidende, und da liegt meiner Auffassung nach Wirt­schafts­versagen vor, ein Versagen vieler der berühmten Super-Top-Manager, die mit guten Ratschlägen immer präsent sind. Der Herr Ackermann von der Deutschen Bank gibt immer seine Ratschläge und tut immer so, also ob seine Bank ein Sozialinstitut wäre, und wird jetzt wiederum Gewinne realisieren, und zwar 4 Milliarden € im Kerngeschäft und 6 Milliarden € bei Spekulationen. – Die machen so weiter wie bisher. (Abg. Strache: Österreich auch! Österreich genauso! Abg. Bucher: Kommunal­kredit! Abg. Strache: Auch die bayrische Hypo!)

Dann gibt es Banken, die das nicht machen. Wissen Sie, wofür ich bin? Ich bin dafür, dass man endlich ein Bündnis herstellt zwischen denen in der Realwirtschaft, den Banken, die das nicht machen, und natürlich auch der Politik, und von mir aus auch gegen einzelne Länder in der Europäischen Union, und dann einmal Klartext spricht, denn diese Veränderungen müssen angegangen werden, in unserem Interesse!

Jetzt sage ich Ihnen etwas: Ich bin für das Friedensprojekt, Sozialprojekt, Kulturprojekt Europäische Union. Ich sage, die Eurozone ist nicht ein Wert an sich, sondern man muss sich die Frage stellen: Was bringt es dem europäischen Wirtschaftsraum in der härtesten Konkurrenz mit China, mit anderen asiatischen Ländern, mit den Vereinigten Staaten und so weiter? Und: Was bringt es Österreich? (Demonstrativer Beifall des Abg. Dr. Hübner.)

Und da sage ich Ihnen: Diese Diskussion, dass wir an Österreich denken müssen, ist ganz besonders wichtig (Abg. Bucher: Aber das tun Sie gerade nicht! Sie tun das Gegenteil!), denn ich behaupte, dass die Eurozone Österreich viel gebracht hat. Wenn wir, seitdem es diesen Euro gibt, 27,5 Milliarden € für unsere Volkswirtschaft realisiert haben, er uns reicher gemacht hat, die Arbeitsplätze besser gesichert hat, wir ein Land sind, das primär vom Export lebt, so wie übrigens andere Länder auch, dann brauchen wir diese Eurozone, weil an der Exportwirtschaft in Österreich 1 Millionen Arbeitsplätze hängen – 500 000 allein in der Eurozone. (Abg. Strache: Aber höhere Importe als


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Exporte finden statt, das müssen Sie auch dazusagen! Um 4,3 Milliarden € mehr Importe!)

Ich bitte Sie, das muss man berücksichtigen, sonst müssen Sie nämlich sagen: Ich bin ein politischer Pokerspieler, und wenn ich Pech habe, verlieren eben 1 Million Leute ihren Arbeitsplatz. Das kann wohl nicht sein. (Beifall bei der SPÖ.)

Genauso ist es mit unserem Beitrag bei der Europäischen Union. Wenn Sie sich das genau anschauen: Da gehen gleich einmal 1,8 Millionen € sofort wieder zurück, und der Rest geht indirekt mehrfach und immer wieder zurück, weil wir die Profiteure sind. (Abg. Strache: Das müssen Sie aber schon dazusagen, dass wir einen höheren Import als Export haben!) – Nein! „Unser Geld für unsere Leut!“, stimmt. Es ist nämlich wirklich so, und zwar deswegen, weil wir eben Mitglied in der Europäischen Union sind und weil es die Eurozone gibt. (Abg. Strache: Alles ein Geschäft!)

Sie müssen diese Debatte hier endlich einmal auf einer sachlichen Ebene führen. Bringen Sie nicht immer Bauchargumente (Beifall bei der SPÖ), und kommen Sie nicht immer nur mit den Stammtisch-Argumentationen. (Abg. Strache: Verkaufen Sie die Menschen nicht für dumm!) Es lebe der Stammtisch, aber auch der hat ein Recht, dass er vernünftig informiert wird und dass er mit wirklichen Fakten konfrontiert wird. Das, finde ich, ist einmal ganz entscheidend. (Neuerlicher Beifall bei der SPÖ.)

Daher komme ich zu dem Schluss, dass es hier eine ganze Kette von Vorteilen für Österreich gibt. Das hat nichts mit Altruismus zu tun! Wir alle lieben Griechenland. Ich habe in der Schule sogar Altgriechisch gelernt. Ich kann sogar lesen, was in Griechen­land vor sich geht, aber ich sage Ihnen, das ist alles kein Wert an sich. (Abg. Strache: Alles ein Geschäft, nicht? Alles ein Geschäft!) Ich möchte haben, dass ein starkes Europa nicht zum Spielball ökonomischer globaler Interessen wird und dass wir nicht von irgendwelchen dunklen Kräften anspekuliert werden können. (Abg. Strache: Aber ihr macht euch ja zu Spielbällen! Euch und die Bevölkerung!) Da muss sich die Politik am Riemen reißen.

Übrigens, weil Sie gesagt haben, man hätte Griechenland nicht aufnehmen sollen: Die Freiheitlichen hätten ja damals im Jahr 2000 ein Veto einlegen können, dann wäre Griechenland nicht aufgenommen worden. (Abg. Strache: Euer Viktor Klima hat den Aufnahmevertrag unterschrieben! Euer Bundeskanzler Viktor Klima hat den Vertrag unterschrieben!) Da waren Sie auch noch bei den Freiheitlichen. Sie hätten mit ein Veto einlegen können. Hätten Sie nur mitgemacht! Ich sage es nur, nur eine Infor­mation. Da gibt es ein Defizit in der Mitte, und dieses Defizit möchte ich hiermit aufwiegen. Sie hätten ein Veto einlegen können. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber ich sage Ihnen: Ein starkes Europa, eine starke Währung, und wir profitieren davon, und zwar alle. (Abg. Dr. Graf: Was ist aus den alten Griechen geworden?) Dieses starke Europa brauchen wir deswegen, weil wir nicht Gegenstand von irgendwelchen dunklen Entwicklungen sein möchten, und daher muss dieses Versagen, das es in der Tat gegeben hat, wettgemacht werden. Stephan Schulmeister hat recht: Da ist viel zu lange zugeschaut worden, das gebe ich zu, und zwar von den großen Ländern, die jetzt herumjammern. Wenn sich Deutschland und Frankreich, aber auch England zusammensetzen, schaut die Welt ja ganz anders aus.

Wir müssen da mitwirken. Wir müssen der Stachel im Fleisch sein, damit diese Veränderung vor sich geht. (Ironische Heiterkeit bei FPÖ und BZÖ.) – Ja, genau, schreiben Sie sich das auf! (Abg. Ing. Westenthaler: Ein Gartenschlauch!) Endlich einmal ein stärkerer Spruch als die jämmerlichen Sprüche auf Ihren Plakaten, weil wir diese Veränderungen wollen – in unserem Interesse, im Interesse Österreichs, im Interesse der österreichischen Bevölkerung, weil wir aber diesen Weg dorthin am besten finden, indem alle Parteien zusammenarbeiten. Lassen wir uns nicht auseinan­


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derdividieren! Nationale Einigkeit für die Interessen Österreichs im Kampf für ein funktionierendes Europa und eine stabile Eurowährung, das ist das Gebot des Tages! (Beifall bei der SPÖ. Abg. Kickl: Fragen Sie einmal die eigene Bevölkerung! Abg. Mag. Stadler: „Begeisterung“ von der ÖVP! Abg. Ing. Westenthaler: Wir haben gelernt, Cap ist ein großer Grieche!)

9.47


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Mag. Kogler. – Bitte.

 


9.47.45

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Josef Cap – ja, eh. Aber wo seid ihr in dem ganzen Spiel? Wo ist die öster­reichische Regierung? Ich werde mich der Rolle Österreichs durchaus annehmen, weil nämlich genau da wesentlich mehr möglich wäre, was die Beiträge der österreichi­schen Regierung in Brüssel in den europäischen Räten betrifft.

Wir haben das Problem genau jetzt wieder zelebriert bekommen. Sie stellen sich da heraus, halten große Reden, mehr oder weniger ansprechend (Abg. Riepl: War schon eine gute Rede!), und es ist nicht einmal nachvollziehbar, was der Bundeskanzler beim letzten Rat in Brüssel gemacht hat, als es genau um diese Themen gegangen ist. Bis heute ist nicht klar, was er gemacht hat, und die Erklärung der Frau Bundesministerin hier und heute hat auch nicht viel Licht hineingebracht, denn im Wesentlichen haben Sie hier das Kommuniqué der Kommission vorgetragen. Aber es ist überhaupt nicht klar, was Ihr Beitrag ist und was Ihre Rolle ist. Österreich könnte eine stärkere Rolle einnehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Aber zum Gesamten: Griechenland und die Krise dort sind ja nicht isoliert zu betrach­ten, das spielt sich vor einem größeren Hintergrund ab. Ich weiß überhaupt nicht, welche Interessen da alle im Spiel sind. Das ist ja alles nicht so leicht durchschaubar, das sollte man sich einmal eingestehen. Mir leuchtet aber nicht ein, und ich bin auch ziemlich sicher, dass es so nicht sein kann, dass durch Budgetkrisen in Portugal und in Griechenland der ganze Euro zu Fall kommen muss. Das ist eine hysterische Welle, die losgelassen wird, die befördert wird, um größeren Schaden zu stiften. Ich kann mir das nicht anders erklären.

Schauen wir uns doch einmal die Fakten an: Griechenland und Portugal haben von der Wirtschaftsleistung her ganz wenige Prozent des gesamten europäischen Wirtschafts­raumes. Selbst wenn wir über Nacht die griechischen Schulden halbieren würden und sie aus dem System nehmen würden, würde das nicht einmal 1 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung des gesamten Euro-Raumes ausmachen. Das muss doch handle­bar sein, wenn man will! Natürlich gibt es im Detail Probleme, aber das muss handlebar sein.

Deshalb stellt sich schon die Frage, was die Möglichkeiten und die Alternativen sind, und deshalb wehren wir uns dagegen, Frau Bundesministerin, dass immer alles als alternativlos hingestellt wird und gesagt wird, dass nur genau dieser eine Weg zum Ziel führt, der möglicherweise von gar nicht so wenigen als Sackgasse erkannt wird, wo Sie dann das Glaubwürdigkeitsproblem produzieren und die anderen dann sozusagen ihr politisches Süppchen noch auf diesem Feuerchen kochen können, das Sie mit befeuern.

Wenn es so ist, dass wir in Europa stark genug wären, das zu handlen, dann wird auch einmal die Frage erlaubt sein müssen, was eigentlich die richtigen Instrumente sind. – Das traut sich ja heute überhaupt niemand mehr zu sagen: Natürlich wäre es notwendig und sinnvoll, eine vertiefte Union zu haben, um dem ganzen Treiben begeg­


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nen zu können. Na selbstverständlich! Und es wäre eben kein Souveränitätsverlust für die österreichischen, die deutschen, die französischen BürgerInnen, wenn bestimmte Kompetenzen abgegeben würden, sondern ein Souveränitätsgewinn, wenn dort die richtige Politik gemacht würde – das natürlich vorausgesetzt.

Es ist doch vollkommen klar, dass man diesen Dingen nur mit europäischen Maß­nahmen begegnen kann, die eine entsprechende Kraft und Wirkung entfalten.

Deshalb wende ich mich auch gegen die antieuropäischen Töne, die hier ständig mitschwingen, denn das macht alles nur noch schlimmer. Wer glaubt, dass man die Griechenland- und die Portugal-Krise durch mehr Nationalismus lösen kann, der ist ja ohnehin auf dem völlig falschen Dampfer und will absichtlich etwas ganz anderes. – Das kann ja nur so sein. (Beifall bei Grünen, SPÖ und ÖVP.)

Bleiben wir noch bei den Gesamtzusammenhängen! Es ist ja schon völlig absurd, wie sich die Dinge verdrehen. Es ist ja noch keine zwei Jahre her, dass wir alle hier heraußen gestanden sind – vermutlich jemand von jeder Fraktion –, und man hat einmal auf dieser Seite (der Redner wendet sich in Richtung ÖVP) wenigstens darüber nachgedacht, und auf dieser Seite (der Redner wendet sich in Richtung SPÖ) waren die Parolen schon fertig geschnitzt, und es wurde gesagt: Ja, jetzt haben wir es wieder, jahrzehntelange neoliberale Deregulierung!, um Ihre Worte zu verwenden. Entfes­selung der Finanzmärkte, dies und jenes – ja, es mag etwas dran sein –, und das hat dazu geführt, dass auf den Finanzmärkten eine Krise ausgebrochen ist, die auf die Realwirtschaft übergegriffen hat. Das ist ja die Tragödie dieser Verflechtung, denn wenn die sogenannten Spekulanten mit sich selbst Wetten eingehen und das Geld hin und her schieben und der Rest der Wirtschaft funktioniert, dann könnte es uns ja egal sein, dann wäre das eine Frage des Glücksspielgesetzes. Aber so ist es ja leider nicht, denn das hat reale Auswirkungen.

Was war? – Die Staaten mussten in die Kassa greifen und die vielen Privaten, die in dem Spiel mit dabei sind – unter anderem Banken, Versicherungen et cetera –, zumin­dest stützen. Es ist dann aufgrund dieser Rettungshaftungen nicht so schlimm gekommen, aber grundsätzlich mussten die Staaten stützen. Es ist auch viel Cash geflossen. Das hat natürlich die Verschuldung der Staaten erhöht, na selbstverständ­lich. Außerdem mussten wir in die Realwirtschaft investieren, damit die Krise nicht so stark durchschlägt – auch das war richtig. Ich verstehe überhaupt nicht, warum Sie das nicht besser darstellen und verteidigen. Es war ja nicht alles falsch.

Aber sich jetzt das hinten hineintreiben zu lassen, nämlich dass jetzt wieder die Staaten die Schurken sind, weil sie höhere Defizite haben, und zwar von genau jenen, die vorher das Schlamassel mit angerichtet haben, ist nicht richtig. Da sollte jetzt wirklich mehr gemeinsame Kraft entstehen, um dem entgegenzuhalten. (Beifall bei den Grünen.)

Das muss aber organisiert sein. Es hilft ja nicht, wenn sich die Staaten beziehungs­weise die Regierungschefs ständig gegenseitig ausspielen und zu keiner gescheiten Einigung kommen, denn dann – das muss man leider schon feststellen – würde es in Europa den notwendigen wirtschaftspolitischen Fortschritt nicht geben.

Diese paar Grundweisheiten müssten ja einmal dazu führen, dass man die Sache richtig aufsetzt und richtig ansetzt. Es ist ja auch das ganze Gerede über Staats­schulden an der Stelle überzogen, wo die Staatsschuld an sich als böse und schlecht dargestellt wird.

Wenn die Privaten Überschüsse haben, müssen sie ja das Geld irgendwo hingeben – das ist ja völlig klar. Es gibt zu jeder Schuld einen Gläubiger und umgekehrt. Es sind natürlich die Staaten, die sich in der Regel verschulden, wenn die privaten Haushalte


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mehr haben. Das ist an sich ein ganz normaler Vorgang, die Frage ist nur: Wie hoch sind die Schulden, und wofür ist investiert worden? Das ist doch die Frage.

Da ist genug schiefgegangen. Die Schulden sind jetzt in Europa im Durchschnitt auf einem Niveau, wo man sie wieder zurückdrängen sollte, weil sonst die Zinszahlungen zu hoch sind, was ja ohnehin nur, wie vorher beschrieben, ein Umverteilungsproblem von den Ärmeren zu den Reicheren ist. Und darin sind die Ursachen begründet.

Deshalb wäre es dort – ich gehe jetzt kurz auf Griechenland ein; da ist ja die meiste Milch schon verschüttet, muss man leider sagen – sinnvoll und richtig gewesen, sich drei Ebenen anzuschauen.

Erstens: Wie werden die beteiligt, die durchaus verdient beziehungsweise – um Ihre Begriffe betreffend Banken und Spekulanten wieder aufzugreifen – gecasht haben?

Zweitens: Was muss dort geschehen, damit die wirklich auf die Füße kommen? Wie muss in dieser Volkswirtschaft investiert werden? – Denn anders hat es ja auch keinen Sinn, sonst können die überhaupt nie irgendetwas zurückzahlen.

Und drittens: Strukturreformen dort, denn es gibt in manchen Ländern genug Eigen­verschulden. Das soll man überhaupt nicht wegdiskutieren, und ich bin auch nicht bereit, das für die grüne Fraktion zu machen, nur weil es gerade chauvinistisch klingen könnte. Die dortigen Probleme sind enorm.

Man muss schon dazusagen, dass Spekulation, so, wie sie allgemein verstanden wird, natürlich einen realen Bezug hat, weil sie natürlich immer dort, wo bestimmte Fehler passiert sind, am besten greift. Das ist klar. Deshalb wäre aus Sicht des Einzelstaates eine vernünftige Sparpolitik, Investitionspolitik und Zahlungsbilanzausgleichspolitik die beste Immunisierung gegen diese spekulativen Wellen.

Nun, in Griechenland ist die Milch verschüttet. Wir haben es hier vor über einem Jahr gesagt: Die sind eigentlich teilinsolvent. Hätte es so etwas wie ein geordnetes Aus­gleichsverfahren gegeben – und darauf muss man in Zukunft hinarbeiten –, hätte man das relativ rasch hinkriegen können; unter Umständen, denn wer weiß das schon ganz genau. Dann wäre natürlich auch die Beteiligung derer, die Sie und auch wir da drinnen haben wollen, gewährleistet gewesen.

Der zweite Punkt ist – das kann ja immer noch und muss wohl passieren – ein Inves­titionsprogramm, damit die Tragfähigkeit der griechischen Volkswirtschaft größer wird.

Und das Dritte sind Strukturreformen dort. Es ist ja tatsächlich nicht einzusehen, dass in den letzten zehn Jahren – das sind unsere Zahlen, die klingen anders als die vorher genannten – 70 Milliarden € in Rüstungsinvestitionen, in den Rüstungsgüterankauf ge­gangen sind. Das ist ja 35 Mal die österreichische Eurofighter-Beschaffung, das ist ja ungeheuerlich!

Im Übrigen – damit Sie den Kreislauf verstehen –: Das Geld war ja nicht dort, das liegt ja jetzt in Frankreich und in Deutschland bei den Rüstungskonzernen, das ist ja nur durchgeschleust worden. Diese Konzerne haben auf Schuldschein verkauft. Deshalb gibt es diese ökonomischen Ungleichgewichte, die ausgeglichen gehören. (Zwischen­ruf des Abg. Mag. Stadler.) So könnte und sollte das funktionieren.

Abschließend: Frau Bundesministerin! Um in Zukunft solche Dinge zu verhindern, brauchen wir natürlich dieses geordnete Ausgleichsverfahren mit der Möglichkeit der Teilentschuldung und einer Beteiligung von Banken und Investoren – genauso wie im Privaten –, sonst werden wir dieses Gerechtigkeitsproblem nicht lösen.

Wir brauchen natürlich die Finanztransaktionsteuer, und wir würden so etwas wie Euro-Anleihen brauchen, auch wenn die meisten noch nicht verstanden haben, wie das


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funktioniert. (Abg. Bucher: Das wären noch höhere Zinsen!) Aber es ist relativ schlicht erklärt: Es ist nicht so, dass Deutschland und Österreich deshalb höhere Zinsen zahlen müssten (Abg. Bucher: Natürlich!), denn wenn wir eine große Euro-Anleihe auflegen würden, die für Anleger lukrativ ist, würde schon aus diesem heraus ein Zinsvorteil entstehen, und die Triple-A-Staaten würden dann unter Umständen relativ pari aus­steigen, aber der gesamte Euro-Raum würde im Zinsenbereich billiger fahren.

In Wirklichkeit sind ja die hohen Zinsen das Problem für diese Staaten, und sie würden deshalb sonst nicht herauskommen. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glocken­zeichen.)

Das sind Vorschläge.  Bringen Sie diese bitte ein, Frau Bundesministerin!

Ich mache Sie abschließend darauf aufmerksam – damit das auch im Protokoll steht; das ist schon der letzte Satz –: Sagen Sie beim Rat am Montag, wenn Sie den ESM-Vertrag vorunterschreiben, dass die für diesen Vertrag notwendige Zweidrittelmehrheit im österreichischen Parlament nicht gesichert ist. Denn: Wenn Sie, Faymann und die Regierung, jetzt einmal für die Ziele, die wir uns von Cap nun die ganze Zeit haben anhören müssen, nicht glaubwürdig kämpfen, dann wird diese Zweidrittelmehrheit nicht gegeben sein! (Beifall bei den Grünen. – Ruf: Na geh! – Abg. Neubauer: Ihr fallt eh immer um!)

9.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Klubobmann Kopf. – Bitte.

 


9.58.41

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Geschätzte Damen und Herren vor den Fernseh­schirmen! Kollege Strache hat vorhin den Namen eines ehemaligen Bundeskanzlers in den Mund genommen – ich möchte jetzt nicht darauf eingehen, wer zu welcher Zeit wie viele Schulden gemacht hat, sondern einen Satz dieses ehemaligen Bundeskanzlers noch einmal wiederholen, der damals für einiges Aufsehen gesorgt hat.

Kreisky also hat gesagt: Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger schlaf­lose Nächste als einige Tausend Arbeitslose. (Ruf: „Hunderttausend Arbeits­lose“! – Abg. Neubauer: Das waren aber Schilling! – Abg. Mag. Gaßner: Recht hat er gehabt! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Arbeitslosigkeit ist etwas, das uns allen nicht gleichgültig ist, und wir alle sollten alles tun – und Gott sei Dank sind wir da in Österreich auch erfolgreich –, um sie sehr niedrig zu halten. Ja, wir sind sogar die Erfolgreichsten, was die Beschäftigungspolitik in ganz Europa anlangt. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber, meine Damen und Herren, diese Aussage (Abg. Dr. Cap: Wunderbar!) taugt trotzdem nicht als Grundsatz für die Beschäftigungspolitik, ja sie taugt auch nicht als gesamtwirtschaftliches Konzept für unser Land, denn Schulden, meine Damen und Herren, sind die Ursache des Problems, das wir hier gerade am Beispiel Griechen­lands – aber es betrifft leider nicht nur Griechenland – besprechen. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der ÖVP.)

Seien wir uns doch im Klaren darüber: Schulden sind verbrauchte Zukunft, und die Zukunft gehört nicht uns, sie gehört unseren Kindern!

Ich gebe dem Kollegen Kogler schon recht: Schulden führen tatsächlich auch zu einer Umverteilung von Arm zu Reich, denn wo ist denn das Kapital, das man aufnehmen kann, wenn man Schulden macht, zu Hause? – Das heißt, in Wirklichkeit ist auch staatliches Schuldenmachen Begünstigung dieser, wie Sie sagen, Ungerechtigkeit.


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Darin gebe ich Ihnen recht, aber die Conclusio daraus kann ja nicht sein – wie Kollege Cap meint –: Dann erhöhen wir halt noch einmal die Steuern, um das bedienen zu können!, und diese Ungerechtigkeit fortzusetzen, sondern wir müssen die Staats­schulden senken. Nur das kann die Antwort sein, und zwar die gerechte Antwort! (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Hübner. – Abg. Mag. Gaßner – in Richtung des Abg. Cap –: Ich glaube, der hat dich missverstanden, Josef! – Zwischenruf des Abg. Bucher.)

Meine Damen und Herren, Kollege Cap, es sind auch nicht die bösen Spekulanten, die an der jetzigen Krise schuld sind. Sie verdienen daran, aber die Ursache dieser Krise sind wiederum die Schulden, die Staaten gemacht haben; Staaten, die sich in einem Maße verschuldet haben, dass sie erst zum Spielball der Finanzmärkte werden konn­ten. Die Finanzmärkte profitieren davon, Spekulanten profitieren davon, aber schuld daran oder Verursacher sind jene, die die übertriebenen Schulden gemacht haben, und nicht die Spekulanten. Diesen Kreislauf muss man den Menschen schon erklären, denn sonst streut man ihnen Sand in die Augen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Es lebe die Koalition!)

Es stimmt auch, meine Damen und Herren, dass die Realwirtschaft unter dieser Finanzkrise zu leiden hat – überhaupt keine Frage. Die Realwirtschaft leidet unter der Finanzkrise. Aber auch diesbezüglich gilt dasselbe: Nicht der böse Finanzmarkt ist schuld daran, dass die Realwirtschaft und die Klein- und Mittelbetriebe unter der Finanzkrise zu leiden haben, sondern es sind wieder diejenigen, die die Finanzkrise ausgelöst haben, durch eine Schuldenpolitik, die diesem Grundsatz eines ehemaligen Bundeskanzlers zugrunde gelegt ist und die ich nicht teile, sondern die ich ablehne! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Gaßner: Wie lange seid ihr schon in der Regierung?)

Zu Griechenland: Meine Damen und Herren, es gibt jetzt etliche sehr Obergescheite, die sagen: Die Griechen sind selbst schuld, die schicken wir in Konkurs, die sollen aus dem Euro raus! (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber.) – Erste Frage an FPÖ und BZÖ: Sollen wir Kärnten aus dem Euro ausschließen und sollen wir Kärnten in Konkurs gehen lassen? (Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.) – Das ist eine Analogie zum Prob­lemfall Griechenland! Sie haben es zu verantworten, erzählen uns jetzt aber Märchen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Dr. Van der Bellen.)

Wir reden von 1,2 Milliarden €, die wir bisher den Griechen geliehen haben. Im Falle Kärntens haften wir mit bis zu 20 Milliarden €, also ein Vielfaches davon. (Abg. Bucher: Stimmt ja nicht!) Das haben Sie in Kärnten durch Ihre frühere Politik zu verantworten. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: So ein Blödsinn!)

Meine Damen und Herren, die Hilfe, die wir Griechenland gewähren, ist ohne jede Alternative. (Abg. Ing. Westenthaler: Als Klubobmann solch einen Schwachsinn verzapfen!) Das Haus des Nachbarn, in diesem Fall das Haus Griechenlands, brennt lichterloh. Nur: Das Haus steht unserem Haus sehr nahe – wenn auch nicht geo­graphisch. Und alle, die jetzt sagen: Lasst es doch abbrennen!, wissen nicht, was sie sagen, denn das würde bedeuten, dass unser Haus bald Feuer fängt (Abg. Bucher: Weltwirtschaftskrise auslöst!) – durch einen Dominoeffekt, wodurch das Feuer zunächst auf andere Länder, etwa Portugal, übergreift, aber letzten Endes auch unsere Wirtschaft, unsere Banken mit hineinziehen würde. Und wer hätte das am Schluss wieder zu bezahlen? – Die österreichische Volkswirtschaft und damit auch die österreichische Bevölkerung und die österreichischen Steuerzahler. Das ist Voodoo-Ökonomie, die Sie uns hier erzählen! (Beifall bei der ÖVP.)

Ich gebe dem Kollegen Kogler noch einmal recht: Natürlich ist kurzfristig Hilfe notwen­dig, aber genauso richtig ist es, dass wir, wie du gesagt hast, für die Zukunft


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selbstverständlich über geordnete Insolvenzverfahren nachdenken müssen, ob das bei Banken oder bei Staaten ist. Nur: Ein solches Verfahren haben wir derzeit nicht, und darum bleibt uns derzeit auch nichts anderes übrig, als diese Hilfeleistung zu gewäh­ren.

Und, Kollege Kogler, du hast auch recht, wenn du vor einiger Zeit gesagt hast, dass wir eine europäische Ratingagentur brauchen, weil natürlich durch die Bewertung von Kreditrisken, die durch diese Ratingagenturen vorgenommen wird, letzten Endes auch die Zinshöhen beeinflusst werden, die die Schuldner – nicht nur Staaten, auch andere – zu berappen haben.

Da es nur amerikanische Ratingagenturen gibt, ist natürlich eines klar: Es steckt nicht nur Expertise hinter diesen Bewertungen der Risken, sondern es steckt dort selbstverständlich auch Interesse dahinter, und zwar ein ganz bestimmtes nationales Interesse, das diese Bewertungen mit beeinflusst. Deshalb müssen wir in Europa von diesen amerikanischen Bewertungen der Schuldensituation in Europa unabhängiger werden, und zwar durch eine eigene europäische Ratingagentur, damit wir dadurch nicht zum Spielball der amerikanischen Finanzmärkte werden. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Ein Letztes noch: Meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor: Österreich ist nicht Griechenland (Zwischenruf des Abg. Kickl), aber Österreich hat auch ein Schul­denproblem. Auch wir haben viele Jahre über unsere Verhältnisse gelebt.

Kollege Strache, unser Problem sind nicht die Schulden, die wir jetzt gemacht haben, um die Finanzkrise zu bewältigen (Abg. Strache: Sind ja „nur“ 100 Milliarden von 2008 bis 2015!), die diese Bundesregierung in den letzten Jahren gemacht hat, sondern es sind die Schulden der Jahre und Jahrzehnte davor, einer falschen Philosophie. (Abg. Strache: Aber geh!) – Nicht frei von Schuld! (Abg. Bucher: Ach so!) Wer frei von Schuld ist, werfe den ersten Stein. Sie waren auch in der Regierung mit dabei, meine Damen und Herren. (Abg. Kickl: Kollege Stummvoll kommt eh noch!)

Nicht frei von Schuld, aber ich sage Ihnen eines: In der Zeit, in der die ÖVP den Bundeskanzler gestellt hat, von 2000 bis 2006, ist die Schuldenquote von 67 Prozent auf unter 60 Prozent gesunken. (Abg. Riepl: Wer war Finanzminister?) Das ist ÖVP-Finanz- und Budgetpolitik! (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend: Damit Österreich nicht Griechenland wird, heißt es, in der Zukunft eine vernünftige Budgetpolitik zu machen, heißt es, unser Budget in Ordnung zu bringen, die notwendigen Reformen – ob im Pensionssystem, im Gesundheitssystem oder bei den Bundesbahnen (Abg. Mag. Gaßner: „Bei den Bundesbahnen“, das war sehr gut!) – zu machen, vor allem aber eines zu tun: die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs zu stärken, indem man die Innovationskraft durch Forschungs- und Entwicklungs­investitionen stärkt, indem man die Leistungsbereitschaft der Menschen in diesem Land forciert und stärkt durch, wie die Frau Bundesministerin schon gesagt hat, eine möglichst bald stattfindende, aber leistbare und erst dann stattfindende Entlastung des Mittelstandes von der exorbitant hohen Steuerbelastung.

Keine Frage, diese Entlastung muss kommen, aber zunächst muss Budgetdisziplin im Vor­dergrund stehen. Wir dürfen nicht weiter auf Kosten unserer Kinder leben. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Genau das tun Sie! – Abg. Silhavy: Denken Sie das beim Agrarbudget auch, Herr Kopf? – Abg. Dr. Cap: Schauen wir uns einmal die Förderungen an!)

10.08


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Bucher zu Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 35

10.09.11

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Klubobmann Kopf, ich teile voll und ganz Ihre Analyse, was die Schuldenentwicklung und den Schuldenberg betrifft, aber eines möchte ich schon in Erinnerung rufen – man vergisst ja im Laufe der Zeit sehr schnell (Ruf bei der ÖVP: Ja, du!), durch die Schnelllebigkeit und den Overflow –: Sie sind seit 25 Jahren in Regierungsver­antwor­tung. (Abg. Strache: Seit dieser Zeit steigen die Schulden dramatisch!) Seit 25 Jahren beschließen Sie diesen Schuldenberg, der sich hier aufgetürmt hat. Seit zehn Jahren bestellen Sie den Finanzminister. Sie sind Schuldentreiber Nummer eins in dieser Republik – Sie, die ÖVP! Meine sehr geehrten Damen und Herren, Schuldenmachen hat einen Namen, und dieser Name ist: ÖVP! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Wir haben diese Regierungserklärung deshalb gewünscht, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil wir wissen wollten, welche Strategie, welche Absicht dieser Bundesregierung dahinter steht, Griechenland weiter zu unterstützen und Hilfspakete zu schnüren. Herausgekommen ist in dieser Regierungserklärung der Frau Finanz­ministerin nur eines: Glauben und hoffen! – Meine sehr geehrte Frau Finanzministerin, das ist aber schon das Einzige, was Ihrer christlichen Gesinnung entspricht. Das ist christliche Gesinnung, aber keine wirtschaftliche Vernunft, Frau Finanzministerin! (Bei­fall beim BZÖ.)

Die wirtschaftliche Vernunft wäre eine andere, nämlich uns auch einmal die Wahrheit zu sagen! Aber es sagt niemand die Wahrheit, weder uns hier im Hohen Haus noch der Bevölkerung, meine sehr geehrten Damen und Herren. Was haben wir hier schon alles erlebt? Da sind Finanzminister aufgetaucht, die gesagt haben: Es ist nur eine vorübergehende Hilfestellung für Griechenland! Wir brauchen nur einen Rettungs­schirm, der niemals in Anspruch genommen werden wird. Das ist nur ein Rettungs­schirm, durch den sozusagen Zeit gewonnen werden soll, damit sich die Länder regenerieren können.

Heute wissen wir, dass Sie mit Beschlüssen, was weitere Hilfsmaßnahmen für Griechenland und andere marode Länder betrifft, gar nicht nachkommen. Das ist die Realität! Wer soll Ihnen da noch glauben, Frau Finanzministerin, wenn Sie hier irgendwelche Erklärungen abgeben? (Beifall beim BZÖ.) – Das ist ja alles unge­heuerlich, was da vonseiten der Regierung von uns verlangt wird!

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben jetzt aufseiten der europäischen Finanzminister ein 12-Milliarden-Paket geschnürt, damit Griechenland noch über den Sommer kommt. Wenn Sie aus dem Sommerurlaub zurückgekommen sind, Frau Finanzministerin, dann wird das Zehnfache für Griechenland fällig! 120 Milliarden € werden dann wahrscheinlich notwendig sein, damit Griechenland weiter überleben kann.

Wenn man sich die Budgetzahlen einmal anschaut, wenn man sich die Defizitentwick­lung Griechenlands anschaut, dann kommt unterm Strich ein Überschussbedarf heraus, den Griechenland erwirtschaften muss. Damit dieses Hilfspaket überhaupt zu wirken beginnt, muss Griechenland 30 Milliarden € an Überschuss erwirtschaften!

Ja wie soll das gehen, Frau Finanzministerin?! Wie soll Griechenland 30 Milliarden € an Überschuss erwirtschaften? Da wird auch eine Bankenbeteiligung nichts bringen, denn dieses französische Modell, das Sie in den Raum stellen, ist eine reine Mogelpackung, weil die Banken sich nicht an den Schulden, am Schuldenabbau beteiligen, sondern nur die fälligen Kredite verlängert werden. Das ist die Beteiligung der Banken! Verkaufen Sie das also nicht als eine Bankenbeteiligung, denn das ist ein Vortäuschen falscher Tatsachen, meine sehr geehrten Damen und Herren, und wird nicht dazu reichen, dass Griechenland gesundet. (Beifall beim BZÖ.)


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Sie sagen heute von der Regierungsbank aus, Sie haben niemals von einem Geschäft gesprochen. (Abg. Ing. Westenthaler: Das ist das Kurzzeitgedächtnis der Frau Ministerin! – Abg. Strache: Das steht sogar im Protokoll!) – Ich beziehe mich auf das „Mittagsjournal“ vom 15. Juni 2011, also vor wenigen Wochen (Abg. Ing. Westen­thaler: Gut zuhören! Hören Sie zu!): „[...] laut Finanzministerin Maria Fekter von der ÖVP ist diese Hilfe sogar ein gutes Geschäft für Österreich.“ – Das kann jeder im Internet finden. (Abg. Strache: Das steht sogar im Protokoll!) Das ist ein gutes Geschäft für Österreich, haben Sie gesagt. (Abg. Strache: Das ist sogar im Protokoll nachzulesen!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Bundesministerin, Sie waren selber einmal Geschäftsfrau. (Abg. Ing. Westenthaler: Aber mit Schottergruben!) Ich hoffe, Sie haben in Ihrem Unternehmen nichts mehr zu sagen und nichts mehr zu bewirken, denn: Wo sind denn die Garantien für dieses „gute Geschäft“? Jeder Bürger unseres Landes muss, wenn er zu einer Bank geht und einen Kredit haben will, eine Garantie abgeben, muss eine Haftung unterzeichnen. Jedes Land muss auch Garantien und Haftungen unterzeichnen. Wo sind denn unsere Garantien für diese Kredite, die Sie vergeben? Gibt es eine Garantieerklärung von Griechenland für die vielen Milliarden, die da fließen?

Der Bundeskanzler hat es ja schon längst erkannt. Er hat in der „Pressestunde“ davon gesprochen, dass er nicht daran glaubt, dass das ein Geschäft ist, dass Teile dieser Kreditmaßnahmen jemals nach Österreich zurückfließen werden. – Also eine klare Orientierungslosigkeit innerhalb der Bundesregierung! Keine „Unstimmigkeiten“, son­dern Planlosigkeit und Orientierungslosigkeit zeichnen diese Politik der Bundesregie­rung aus, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Der nächste Pleitekandidat hat sich schon angestellt: Portugal. Über Portugal lesen wir heute: Heruntergestuft! (Abg. Strache: Bis wir das Triple-A-Rating verlieren, ist nur eine Frage der Zeit!) Die Ratingagenturen geben den Staatsanleihen von Portugal nur mehr einen Ramsch-Status. Portugal hat jetzt 78 Milliarden € bekommen, und das nächste Hilfspaket für Portugal wird schon geschnürt! (Abg. Strache: Und dann kommt Spanien! Dann steht Spanien vor der Tür, und dann Italien!) – Ja wann sehen wir denn endlich ein, wir alle gemeinsam hier herinnen, dass das nicht ein Fass, sondern mehrere Fässer ohne Boden sind, dass diese Milliarden versickern, dass sie verloren sind, niemals den Weg zurück nach Österreich finden werden, meine sehr geehrten Damen und Herren?! – Das muss doch irgendwann einmal auch bei Ihnen einsickern, was hier auf europäischer Ebene geschieht! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Immer werden die Ratingagenturen als Feindbild dargestellt. Es ist sicher nicht alles in Ordnung, was sie dort in den USA machen – da bin ich mir sicher –, aber schauen Sie: Wenn wir auf europäischer Ebene eine Ratingagentur installieren würden, die würde auch zu keinem anderen Ergebnis kommen, als dass diese Länder, diese maroden Länder nicht in der Lage sind, ihre Kredite zurückzubezahlen, und dass sie marod sind. Auch eine andere Ratingagentur – egal, welchen Zuschnitts – wird zu keinem anderen Ergebnis kommen.

Es wird wahrscheinlich dazu führen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Europäische Zentralbank einspringen wird – und das sind wir alle! Das sind alle Steuerzahler Europas, auch die Steuerzahler Österreichs. Und da werden Sie gar nicht nachkommen mit dem Gelddrucken, meine sehr geehrte Frau Finanzministerin! – Das ist nicht redlich, das ist nicht zumutbar. Wir sagen: Genug gezahlt für diese maroden Länder – für Portugal, Griechenland, Irland und wahrscheinlich auch Spanien, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.)


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Wie wollen Sie denn Griechenland wieder in eine Situation wirtschaftlicher Vernunft bringen – das frage ich Sie wirklich! – bei den Maßnahmen, die dort jetzt beschlossen worden sind? Überlegen Sie doch einmal: Die müssen jetzt 78 Milliarden € einsparen. Wissen Sie, was das heißt? – Jeder einzelne Grieche hat in Zukunft 700 € weniger in der Tasche! Was heißt denn das? – Weniger Konsum, weniger Umsätze, weniger Gewinne, weniger Steuern, geringere Wirtschaftsleistung. Das bedeutet doch geradezu die Beschleunigung des Defizits und keinen wirtschaftlichen Aufschwung! Wie wollen Sie denn da in Griechenland 30 Milliarden € an Überschuss erwirtschaften? – Sie, Frau Bundesministerin, als ehemalige Geschäftsfrau, die darin ein gutes Geschäft sieht, Sie haben wirklich auf allen Ebenen völlig versagt! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.)

Da wird Ihnen eine Lizenzierung von Touristenbussen sicherlich nicht das Überleben sichern. Wir brauchen auf europäischer Ebene endlich einmal eine geordnete Insol­venzmaßnahme, Insolvenzschritte für die Banken. Die gibt es heute noch immer nicht! Das muss man sich vorstellen – seit drei Jahren kennen wir dieses Problem. Es gibt noch immer keine Insolvenzregeln für Pleitestaaten!

Bitte schön, glauben Sie nicht, dass Griechenland alleine in der Lage ist, eine Weltwirtschaftskrise auszulösen! Eine Weltwirtschaftskrise, nur wenn Griechenland pleitegeht? (Abg. Strache: Mit 2 Prozent des BIP von Gesamteuropa? – Das ist ein Unsinn!) Bitte schön, wer glaubt denn das, bei dieser geringen Wirtschaftsleistung Griechenlands?!

Und, bitte schön, hört auf zu glauben, dass wir im Export weit zurückfallen! Der Anteil des österreichischen Exports, der nach Griechenland geht, ist 1,5 Prozent. (Abg. Mag. Stadler: Jööö!) 1,5 Prozent! Und wir halten hier an einer Hilfe für Griechenland in Milliardenhöhe fest! – Meine sehr geehrten Damen und Herren, das entbehrt jeglicher wirtschaftlichen Vernunft, was hier stattfindet, und kann nicht weiter toleriert werden! (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.)

Da werden Ihnen auch die Experten nichts anderes sagen. – Ich weiß nicht, was Ihnen die Experten gesagt haben, Frau Bundesminister. Die Bundesregierung hat ja Experten geladen – sogenannte Experten, muss ich dazusagen –, das sind lauter Experten, die im halböffentlichen Dienst tätig sind, also bei staatsnahen Unternehmen: OMV, ÖIAG, Wiener Stadtwerke, Verbund, ÖBB, Finanzmarktaufsicht, Wirtschafts­kammer, Oesterreichische Nationalbank. Das sind Ihre Experten! (Abg. Ing. Westen­thaler: Bravo! Bravo! Staatsexperten!) – Die echten Experten sind nicht erschienen. Die richtigen, die sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der freien Wildbahn der Privatwirtschaft bewährt haben, die sind nicht gekommen!

Das sollte Ihnen einmal zu denken geben, Frau Bundesministerin. Sie haben sich da mit Leuten unterhalten, die in Ihrem Sold stehen, die sich in Ihrer Abhängigkeit befinden. Und das ist nicht sehr glaubwürdig! (Beifall beim BZÖ.)

Die kleine und mittelständische Wirtschaft, die das Rückgrat unseres Wirtschafts­systems in Österreich ist, die haben Sie ausgespart und gar nicht eingeladen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Daher sagen wir: Wir kommen, weltwirtschaftlich gesehen, in den nächsten Jahren in enorme Turbulenzen hinein. Das wissen sehr, sehr viele. Und wir haben allen Grund und alle Notwendigkeit, Österreich mit größter Vernunft darauf vorzubereiten. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Dr. Kräuter: Danke, Herr Hypo-Experte!)

10.19



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 38

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Staatssekretär Mag. Schieder zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


10.19.39

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die heutige Debatte um Griechenland kann man auch so zusammenfassen: Griechenland zu helfen heißt, Europa zu helfen, und heißt letztlich auch, uns selbst vor Schlimmerem zu bewahren.

Warum – und diese Frage stellen sich viele Menschen, weil es keine einfache Zeit ist, in der wir uns befinden –, warum machen wir das alles? – Ich darf Sie kurz auf die Gedankenreise mitnehmen: Was würde passieren, wenn wir nicht helfen würden?, denn das ist die entscheidende Frage, die wir beantworten müssen. Wir haben heute von zwei Fraktionen – von FPÖ und BZÖ – gehört, dass sie andere Vorschläge haben, nämlich viel lieber eine Pleite oder einen Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone sehen würden. (Abg. Strache: Dann würde eine Erholung stattfinden von Griechen­land!) Und das sind Szenarien, wo wir uns in Risiko und auf dünnes Eis begeben (Abg. Strache: Bei einer Abwertung könnten die sich in der wirtschaftlichen Rolle erholen!), wo die Gefahr für die österreichische Volkswirtschaft, für den österreichischen Steuerzahler viel, viel höher wäre als bei dem, was wir jetzt tun. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Das ist falsch! Das ist völlig falsch!)

Eine ungeordnete Pleite Griechenlands heißt: Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, Mas­senarbeitslosigkeit, Zusammenbruch der Wirtschaft dort, aber auch in Wellen­bewe­gungen letztlich bei uns hier in Österreich. (Abg. Strache: Es geht um eine geordnete Teilentschuldung!) Aber auch Griechenland aus dem Euro hinauszu­werfen – oder selber auszutreten, das ist vollkommen wurscht – ist keine Alternative, denn die Schulden bleiben in Euro bestehen (Abg. Strache: Deshalb geht es um eine geordnete Teilentschuldung!), würden so bei einer etwaigen Abwertung Griechenlands nur die Schuldenlast Griechenlands wesentlich erhöhen, damit die Zukunftschancen für dieses Land wiederum nur verringern und damit wieder zu einer unkontrollierten Pleite und zu Wellen auch hier bei uns führen.

Das sind keine Alternativen, sehr geehrte Damen und Herren, sondern das sind vorgegaukelte Möglichkeiten, die in Wirklichkeit ein verantwortungsloses Spiel auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger in Österreich und in Gesamteuropa bedeuten.

Daher haben wir uns entschieden, den Weg der Hilfe (Abg. Strache: Ihren verantwor­tungslosen Weg zu gehen!), aber auch den Weg, dass die Griechen selbst etwas unternehmen müssen, zu gehen (Abg. Strache: Ihren wirklich verantwortungslosen Weg zu gehen!), weil er zwar kein schöner Weg, aber immer noch der bessere Weg ist.

Welcher Weg aus der Krise ist das nun? – Eine echte Beteiligung auch des Privat­sektors und der Banken – nicht das französische Modell, sondern es geht um einen echten substanziellen Beitrag von dort –; auch die sogenannte Konditionalität des Griechenlandpakets – das, was die Frau Ministerin gesagt hat –, also diese schweren Maßnahmen, die Griechenland selbst setzen muss, damit es seinen Staatshaushalt in Ordnung bringt, die Maßnahmen, die der Weltwährungsfonds und die Europäische Zentralbank auch überwachen; aber auch die Chance, dass Griechenland wieder Wachstum bekommt, damit es aus dieser schwierigen Situation herauskommt, denn wenn es keinen Ausweg heraus gibt, dann wird alles nur noch schlimmer, und das wäre die schlechteste Alternative.

Aber lassen Sie mich auch zur Rolle der Ratingagenturen in diesen gesamten Fragestellungen kommen, denn: Wir erleben bereits das fünfte Mal, dass Portugal zum


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Beispiel ankündigt, dass es sich auf den Finanzmärkten finanzieren will, und am Tag davor irgendeine Ratingagentur Portugal schlechter ratet, damit die Zinsen steigen, die Chancen für diese Länder wieder schlechter werden und von der Finanzindustrie abgecasht wird. Daher können wir auch nicht mehr zuschauen, was diese Rating­agenturen mit uns hier in Europa machen. Wir müssen stärker regulieren und ihnen letztlich auch einen Lizenzentzug für Europa androhen, wenn sie sich nicht an die europäischen Regeln halten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Auch eine europäische Ratingagentur, endlich einmal nicht nur den angelsächsischen, amerikanischen Blickwinkel, sondern einen europäischen einfließen zu lassen (Abg. Mag. Stadler: Macht es! Macht es! – Abg. Strache: Wer hält Sie auf? Wer hält Sie auf, Herr Staatssekretär?), mehr Wettbewerb in diesem Bereich, eine Finanztrans­aktions­steuer durchzusetzen sind wichtige Punkte. Und wenn Sie sagen: Macht es doch!, dann erinnere ich Sie: Sie haben immer gesagt, das ist sinnlos, aber wir haben so lange Druck gemacht, dass jetzt sogar die Europäische Kommission eine solche in ihre Papiere schreibt und vorhat, eine Finanztransaktionssteuer bis 2018 einzuführen. – Das ist der Unterschied! Das ist: Machen wir! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Wer soll es machen? Der Dalai Lama, oder wer soll es machen? – Der wartet auf den Dalai Lama!)

Es geht aber auch um eine europäische Wachstumspolitik. Und ich sage auch eines dazu: Auch wenn Österreich stolz sein kann und froh sein kann, dass wir die niedrigste Arbeitslosigkeit und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa haben, wir können nicht zuschauen, wenn Spanien 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit hat! Oder, um mit Bruno Kreisky zu sprechen: Das bereitet mir echt schlaflose Nächte, diese hohe Jugendarbeitslosigkeit in Teilen von Europa, und da muss Europa etwas dagegen unternehmen! (Beifall bei der SPÖ.)

Zusammengefasst, und vor allem an die Zuschauer daheim, die sich, glaube ich, auch viele Fragen in diesem Zusammenhang stellen: Die Griechenlandhilfe ist nicht einfach und ist auch nicht erfreulich, aber es ist das Paket der Verantwortung, der Weg, das Richtige zu tun, um Europa, Österreich und die Menschen in Österreich vor Schlim­merem zu bewahren.

Noch eine Abschlussbemerkung, weil die einen sagen: „Genug gezahlt!“, und die anderen sagen: „Unser Geld für unsere Leut’!“ – Was das heißt, was Ihr Wirtschafts- und Finanzverständnis bedeutet, haben wir im Bereich der Hypo Alpe-Adria schmerz­haft zu wesentlich höheren Kosten kennengelernt als in allen anderen Bereichen. (Abg. Strache: Die bayerische Hypo unter CSU-Verantwortung in die Pleite geführt! BAWAG! Kommunalkredit! Bayerische Pleite!)

Daher: „Unser Geld für unsere Leut’!“, wie Sie sagen, wie Sie es meinen, heißt Hypo-Pleite in Kärnten, heißt Desaster für den österreichischen Staat und in Kärnten. Und das ist ein Weg, den wir sicher nicht gehen werden! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

10.25


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Krainer zu Wort. Die Redezeit für alle weiteren Redner beträgt 5 Minuten. – Bitte. (Ruf bei der FPÖ – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Krainer –: Das mit dem Feuerwehreinsatz hat der Kopf schon vorweggenommen!)

 


10.25.23

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Auch wenn Klubobmann Kopf nicht da ist, muss ich schon auch ein paar Worte über Kreisky sagen. Es wäre zunächst einmal durchaus vernünftig, wenn man Kreisky zitiert, dass man ihn richtig


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zitiert. (Abg. Dr. Graf: Das ist ja eine Kritik am Staatssekretär! Das ist ja unglaublich! – Abg. Strache: Was hat der Herr Staatssekretär Schieder falsch zitiert?) Man kann an Kreisky sicher einiges kritisieren, und es stimmt auch, dass Kreisky, nachdem er als Bundeskanzler zurückgetreten ist, Schulden hinterlassen hat. Aber er hat nicht mehr Schulden hinterlassen als konservative Regierungen, die gleichzeitig in anderen Län­dern regiert haben. Nein, nein, das hat er nicht getan! Nur, was er sicher getan hat, ist: Er hat eine deutlich niedrigere Arbeitslosigkeit hinterlassen als konservative Regierun­gen in anderen Ländern (Abg. Strache: So wie Zapatero in Spanien!), denn die hatten dann nämlich beides: die hohe Arbeitslosigkeit und die hohen Schulden! Das hat uns Kreisky sicher erspart, und das ist etwas Positives, und nicht etwas, das man kritisieren kann. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: So wie Zapatero in Spanien!)

Wenn Sie sich ganz nüchtern die Fakten anschauen, wo Österreich 1970 gestanden ist und wo Österreich 1983 gestanden ist, dann war die Zeit der Regierung Kreisky eine Erfolgsgeschichte für dieses Land – und sicher nichts, wo irgendein Klubobmann der ÖVP aus Vorarlberg zu erklären braucht, wie man es hätte besser machen können. Das ist ja lächerlich! (Beifall bei SPÖ und BZÖ.)

Was sicher auch stimmt, ist, dass nicht alle Rezepte, die Kreisky angewendet hat, auf heute übertragbar sind – sicher nicht –, denn er hat ja Antworten auf die Probleme der Siebziger- und der Achtziger Jahre gegeben, und wir stehen heute vor ganz anderen Problemen. Aber die Werte, die hinter diesen Rezepten und hinter dieser Politik gestan­den sind, die gelten sicher noch heute, die gelten jedenfalls für die öster­reichische Sozialdemokratie, und dazu stehen wir hundertprozentig! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Sie sind meilenweit entfernt davon! Meilenweit entfernt davon!)

Einer dieser Werte ist die Solidarität. Und, ja, ein Grund für dieses Griechenlandpaket ist natürlich auch Solidarität (Abg. Strache: Mit den Spekulanten! Solidarität mit den Spekulanten lebt der Herr Krainer!), weil man nicht zusieht: Wenn das Haus des Nachbarn brennt, schaut man nicht zu, sondern dann hilft man beim Löschen! Natürlich macht man das! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Solidarität mit den Spekulanten, das leben Sie! – Abg. Scheibner: Aber die Brandstifter ...! – Abg. Strache: Solidarität mit den Brandstiftern!)

Andere Gründe sind, dass wir einen Dominoeffekt vermeiden wollen: den Domino­effekt, dass dann von einem Land zum anderen Land und auch gegen einzelne Länder spekuliert wird. Auch Österreich kann Opfer der Spekulation werden und wurde in der Vergangenheit bereits Opfer der Spekulation! Wer glaubt, dass sich Österreich dann, wäre es nicht innerhalb des Euroraums oder innerhalb der Europäischen Union, gegen Spekulation wehren könnte, der braucht sich nur anzuschauen, wie die einzelnen Staaten und die einzelnen Währungen in den neunziger Jahren vor Einführung des Euros Spielball von Spekulation waren und was für eine ungeheure Stabilität der Euro für das Währungssystem und damit für die Wirtschaften in Europa und damit beson­ders für Österreich gebracht hat, weil wir eben so exportorientiert sind, und was das für ein enormer Vorteil für uns war. (Abg. Strache: Wir haben mehr Importe als Exporte und haben einen Importüberhang von 4,3 Milliarden!)

Das Dritte, was wir damit noch verhindern wollen, sind auch die Kosten für Österreich durch Staatsverschuldung. Was, glauben Sie, passiert, wenn Griechenland pleitegeht? Glauben Sie, das hat überhaupt keine Auswirkung auf die Zinsen, die Staaten für ihre Staatsverschuldung zahlen? (Abg. Bucher: „Welt- und Wirtschaftskrise“!)

Ja, ich weiß, Kollege Bucher, Sie sagen, Griechenland kann keine Weltwirtschaftskrise auslösen. Sie haben uns auch erzählt: Geh, Lehman kann doch keine Weltwirtschafts­krise auslösen! – Aber Sie haben doch gesehen, dass Lehman die Weltwirtschaftskrise ausgelöst hat, weil eben der erste Stein bei einem Domino, der fällt, nicht groß sein


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muss. (Abg. Bucher: Das ist Panikmache! Sie betreiben Panikmache!) Beim Domino ist es eben so, dass ein Stein den anderen trifft und dann viele, viele Steine fallen. Der einzelne Stein am Anfang kann im Verhältnis zu denen, die nachher kommen, sehr klein sein. Aber diese Kaskade gibt es sehr wohl.

Die Kosten für die Staatsverschuldung, steigen natürlich, wenn Staaten pleitegehen, automatisch. Haben Sie sich schon einmal angeschaut, was das an Kosten bedeutet, wenn die Refinanzierungskosten Österreichs nur um 1 Prozent steigen? Wissen Sie, dass das dann pro Jahr 2 Milliarden € sind? Nur 1 Prozent! Und wenn es 2 oder 3 oder 4 Prozent sind, dann reden wir ganz schnell von 6 oder 8 Milliarden € – nicht einmalig, sondern jedes Jahr! Da sind die Kosten der Hypo-Pleite in Kärnten ja geradezu gering im Vergleich zu dem, was hier droht! (Abg. Strache: Ihnen ist immer noch nicht bewusst, dass die Banken den Schaden auch zu tragen haben, den sie angerichtet haben!)

Wesentlich ist natürlich, dass diese Nothilfe ein Schritt ist; andere Schritte sind not­wendig. Es ist bereits viel gesagt worden, gerade über Arbeitslosigkeit. Da kann ich das, was Staatssekretär Schieder gesagt hat, nur absolut unterstreichen. Die Staats­schul­den sind ein wichtiger Wert und bereiten Sorge, gerade auf europäischer Ebene, aber die Arbeitslosigkeit ist mindestens so erschreckend, wenn man sich ansieht, wie sie ansteigt. Bereits ein Drittel der Staaten in der Europäischen Union verzeichnet eine Jugendarbeitslosigkeit von über 20 Prozent. Das schreit genauso nach Notmaßnah­men. (Abg. Strache: Sozialistische Saboteure!) – Ja, ich weiß eh. (Abg. Strache: Höchste Jugendarbeitslosigkeit in Spanien!)

Wissen Sie, wie viele Länder in Europa zurzeit von Sozialdemokraten regiert werden? (Abg. Strache: Höchste Jugendarbeitslosigkeit in Spanien unter sozialistischer Regie­rung!) Wissen Sie, wie viele das sind? – Das sind zwei oder drei von 27. Das nur zur Information. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Ebenso wesentlich ist die Frage, wie die Staaten die Schulden finanzieren. In diesem Zusammenhang sind die Probleme in allen Ländern ähnlich. Arbeit trägt viel zu viel bei und Kapital und Vermögen viel zu wenig.

Außerdem brauchen wir eine Finanztransaktionssteuer. Dafür arbeiten wir und schauen nicht nur zu, wie andere sie durchsetzen. (Beifall bei der SPÖ.)

10.30


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Stumm­voll. – Bitte. (Abg. Riepl: Die Reichen sollten mehr Steuern zahlen!)

 


10.31.01

Abgeordneter Dkfm. Dr. Günter Stummvoll (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Krainer, es wäre jetzt natürlich verlockend, hier über die positiven und die negativen Konse­quenzen der Ära Kreisky zu diskutieren, aber ich rede lieber über die Zukunft und nicht über die Vergangenheit. Nur eines, Herr Kollege Krainer, möchte ich schon sagen: Wenn Sie glauben, dass Anwürfe, etwa „irgendein Klubobmann der ÖVP aus Vorarl­berg“, dass solche Formulierungen zur besseren Kultur innerhalb der Koalition beitra­gen, dann liegen Sie falsch. Ich halte es politisch nicht für klug, hier vom Rednerpult aus so zu argumentieren. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute diese Daten und Fakten von der Frau Finanzministerin gehört haben; objektive Daten und Fakten, die sehr genau aufgezeigt haben, Herr Kollege Strache, dass es natürlich Alternativen gibt. Ich habe es auch nicht gerne, wenn es heißt, es gibt keine Alternativen. Es gibt Alternativen! Sie hat es ja gesagt. Eine Staatspleite hätte schon vor Monaten Österreich 5 Milliarden gekostet.


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Jetzt haben wir eine Kreditaushaftung von 1,2 Milliarden, und wir haben dafür bis jetzt 30 Millionen Zinsen bekommen.

Es gibt Alternativen – und die einzige Richtschnur für uns ist: Wir nehmen jene Alternative, die für unseren Steuerzahler die günstigste Lösung ist. Dass das alles keine angenehme Situation ist, dass in der Vergangenheit Fehler gemacht worden sind, ist gar keine Frage, aber, Herr Kollege Strache, ich frage Sie jetzt eines: Glauben Sie ernsthaft, dass in dieser schwierigen Lage alle 17 europäischen Regierungschefs, 17 Finanzminister, 17 Notenbank-Präsidenten, der Europäische Währungsfonds, 100 Exper­ten dumm sind, nur Sie sind das Oberg’scheiterl und wissen alles besser? Glauben Sie das wirklich, Herr Kollege Strache? – Also ich glaube es nicht. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Strache.)

Kollege Kogler, der jetzt leider nicht anwesend ist und den ich sehr schätze, hat zu Recht dieselbe Frage angeschnitten, die auch mir immer wieder gestellt wird (Abg. Strache: Das ist das Grundproblem! Sie sind genau die Experten, die unsere Staats­schulden von 60 Prozent vom BIP auf 80 Prozent hinauf...!): Wie kann es sein, dass ein kleines Land, dessen Wirtschaftsleistung nur etwas mehr als 2 Prozent der euro­päischen Wirtschaftsleistung ausmacht und dessen Schulden zwar sehr hoch sind, das insgesamt aber nur 4 Prozent der europäischen Schulden hat, solche Turbulenzen auslösen kann? – Die Antwort ist sehr einfach: weil die Finanzwelt heute unglaublich vernetzt ist, globalisiert ist und weil wir heute einfach sehen, dass das, was 350 Milliar­den Schulden in Griechenland sind, in den Bilanzen von europäischen Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, Investmentfonds Aktiva sind. Wenn dann ein Schul­den­schnitt um 50 Prozent erfolgt, gehen in Europa oder weltweit 175 Milliarden € mit einem Schlag den Bach hinunter. Kollege Krainer hat schon richtig gesagt, allein die Pleite von Lehman Brothers hat die globale Finanzkrise ausgelöst.

Also so locker zu sagen: Lassen wir Griechenland halt pleitegehen!, das ist – und das habe ich schon einmal gesagt – politisches Roulette. Wir von den Regierungsparteien wollen nicht politisches Roulette spielen mit den Spargeldern der Österreicher, mit den Pensionskonten und so weiter. Das ist politisches Roulette, Herr Kollege Strache! Das ist unverantwortlich, wirklich unverantwortlich. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Aber ich gebe zu, an den Stammtischen, in Bierzelten, wenn die Situation schon ein bisschen angeheitert ist, mögen Sie damit punkten. (Abg. Strache: Die Ökonomen unter den Europäern geben uns recht!) – Glauben Sie, die Menschen sind viel klüger, als Sie manchmal glauben, Herr Kollege Strache! Glauben Sie mir das wirklich! (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Mag. Wurm. – Abg. Strache: Glauben Sie mir das, die Menschen sind so klug, ...!) – Warten Sie auf den Wahltag! Meinungsumfragen sind Momentaufnahmen, Herr Kollege Strache! Warten Sie auf den Wahltag, Sie werden sehen, die Menschen sind klüger, als Sie glauben! (Abg. Strache: Da werden Sie die Klugheit der Bürger am eigenen Leib spüren!)

Meine Damen und Herren, ich darf noch eines sagen: Sowohl der Herr Staatssekretär als auch die Frau Finanzministerin haben darauf hingewiesen, dass wir an sich die Hauptprofiteure der Europäischen Union sind. (Abg. Strache: „Das größte Ge­schäft“!) – Herr Kollege Strache, nur eine Zahl: Sie werden von allen Wirtschaftswis­senschaftern hören, dass allein durch die Binnenmarktdynamik unser Wirtschafts­wachs­tum jedes Jahr um 0,4 bis 0,5 Prozent höher ist. Wenn Sie das umrechnen auf 15 Jahre bei einer Steuerquote von 40 Prozent, dann haben wir jedes Jahr höhere Steuereinnahmen von 4 bis 6 Milliarden €. Das heißt, wir sind buchhalterisch Netto­zahler, ökonomisch sind wir haushoher Nettogewinner. (Abg. Mag. Stefan: Wer hat dann verloren? Es haben eigentlich alle gewonnen! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ohne den Euro wären wir in der Finanzkrise – wo damals ein amerikanischer


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Nobelpreisträger gemeint hat, Österreich stehe vor der Pleite – wirklich pleitege­gan­gen.

Herr Kollege Bucher! Warum mussten wir eine Notverstaatlichung einer großen Bank durchführen? Warum mussten wir über Nacht ... (Abg. Strache: Weil die Bayern eine Pleite gebaut haben!) – Weil Ihre Freunde, Ihre Kollegen in Kärnten dieses Desaster verursacht haben. (Abg. Strache: Ihre CSU-Freunde! Eine bayerische Bank, das wissen Sie genau!)

Man kann im Parlament das Oberg’scheiterl spielen, aber dort, wo man Verantwortung trägt, richten Sie enormen Schaden an! (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) 20 Milliarden Haftungen – im Vergleich zu 1,2 Milliarden Kredit! Also reden Sie nicht über Dinge, von denen Sie wirklich keine Ahnung haben, Herr Kollege. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei FPÖ und BZÖ.)

10.36


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Hübner zu Wort. – Bitte.

 


10.36.19

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Stummvoll! Herr Kollege Stummvoll, Herr Kollege! (Abg. Dr. Stummvoll spricht mit Kollegen seiner Fraktion und reagiert nicht auf die persön­liche Anrede des Abg. Dr. Hübner.) – Jetzt gebe ich auf, Kollege Stummvoll will nicht.

Ich versuche es mit Kollegen Krainer, auch er hat nette Dinge gesagt. Fangen wir mit ihm an; ich zitiere ihn nämlich sehr gerne. Kollege Krainer hat heute wieder meinen Lieblingssatz verlauten lassen, nämlich man solle die Fakten nüchtern anschauen.

Genau! Das kann ich auch Ihnen gleich sagen, Kollege Stummvoll. Es hilft nicht immer, zu sagen: Die Leute sind nicht so dumm, wie Sie glauben, sie sind viel g’scheiter!, Wir wissen das alles, Österreich hat profitiert!, Was Sie sagen, das ist alles eine Nebel­granate, und außerdem ist da noch die Hypo Alpe-Adria! – und schon sind Sie fertig mit der Erklärung. Deshalb würde ich die Ansage von Herrn Krainer vorziehen und sagen: Schauen wir uns einmal die Fakten nüchtern an, wie Österreich profitiert hat! (Beifall bei der FPÖ.)

Schauen wir sie uns einmal an! Kollege Stummvoll, Stichwort Profit in der Euro-Zone! Wissen Sie, welche Weltregion seit dem Jahr 2000 beziehungsweise 2001 – es trifft beides zu – am schwächsten gewachsen ist? – Europa. Wissen Sie, welche Region innerhalb Europas am schwächsten gewachsen ist? – Die Eurozone. Wissen Sie, welche Region Europas derzeit wirtschaftlich am destabilisiertesten ist? – Die Eurozone. Wissen Sie, wo die Länder mit der höchsten Perspektivenlosigkeit, mit der höchsten Arbeitslosigkeit liegen, ausgenommen nur einige schwarzafrikanische Regionen? – In der Eurozone. (Abg. Dr. Matznetter: In den USA!) – Herr Kollege, dass Sie das sagen?! Haben Sie von der Arbeitslosigkeit in den USA irgendwelche Statis­tiken gesehen? Haben Sie sie einmal mit Spanien oder Portugal oder mit Irland verglichen? (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Matznetter.) – Haben Sie einmal die Jugendarbeitslosigkeit in den USA verglichen mit jener Spaniens? (Weitere Zwischenrufe des Abg. Dr. Matznetter. – Staatssekretär Mag. Schieder: ... Prozent mehr Wachstum als wir!)

Aber schauen wir uns vielleicht andere Dinge an! Ich sage jetzt nicht, dass Frau Ministerin Fekter gesagt hat, das ist ein Geschäft, das wir mit Griechenland machen. Obwohl sie es gesagt hat, sage ich es nicht mehr, denn sie will es nicht mehr hören. Also gehen wir davon aus, nur der redlichen Debatte halber, dass sie es nicht gesagt hat. Gehen wir von anderen Dingen aus! Frau Ministerin Fekter hat uns heute erklärt,


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wie toll es ist, dass wir Griechenland unterstützt haben, weil wir damit 5 Milliarden österreichische Forderungen gegen Griechenland retten. In Wirklichkeit waren das höchstens 4,7 Milliarden, alles zusammengerechnet, Stand Jänner/Februar 2010. Aber nehmen wir diskussionshalber an, es waren 5 Milliarden, seien wir nicht so kleinlich!

Was ist in diesem einen Jahr geschehen? – Österreich hat sich zu 2,3 Milliarden € Griechenlandhilfe verpflichtet. (Abg. Strache: Die Nationalbank hat 4 Milliarden Staats­anleihen gekauft! Da sind wir schon bei 6,3!) So ist es, Kollege Strache! Die Nationalbank hat 4 Milliarden – manche sagen 3 Milliarden, manche sagen 3,3 Milliar­den, aber jedenfalls mehr als 3 Milliarden – gekauft. 2,3 plus 3 sind 5,3. (Abg. Strache: Schwierig zu rechnen!)

Die Europäische Zentralbank hat griechische Staatsanleihen und Titel im Wert von zirka 50 Milliarden €, plus/minus, gekauft. Österreich hat an der EZB einen Anteil von zirka 2,2 Prozent. Rechnen Sie das dazu, sagen wir 2 Prozent von den 50 Milliarden, das ist noch einmal 1 Milliarde. 5,3 plus 1 Milliarde sind 6,3 Milliarden. Das heißt, wir haben mit 5 Milliarden gestartet und sind jetzt bei 11,3 Milliarden Gesamtexposure Griechenland.

Jetzt bin ich ganz redlich und sage, während dieser Zeit haben die Privaten mit diesen 5 Milliarden ihre Forderungen ein bisschen zurückgefahren. Diese Gelder, die bereits ausbezahlt wurden, sind zur Verstaatlichung der griechischen Staatsschulden verwen­det worden. Das stimmt. Und ein Teil dieser privaten Schulden, die jetzt verstaatlicht worden sind, waren auch österreichische Schulden. Ich kann Ihnen sagen, es gibt keine genauen Statistiken, aber unser Exposure, wie die Frau Ministerin sagen würde, also unseren Risikobereich haben wir von 4,7 Milliarden auf zirka 4,1 Milliarden zurückgefahren. Das heißt, wir haben hier 600 Millionen eingespart. Welch ein Erfolg! Wir haben 6,3 Milliarden plus gegen 700 Millionen minus eingetauscht. (Abg. Strache: Ein „Bombengeschäft“!) Ein „Bombengeschäft“! – So weit die nüchterne Betrachtung. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Ein „Bombengeschäft“! Ein Wahnsinn!)

Sie lachen, Kollege Stummvoll (Abg. Strache: Das Lachen wird Ihnen beim nächsten Wahltag vergehen!), das war vielleicht skurril, dass man das von der Ministerbank gehört hat, aber das ist, glaube ich, für uns alle, die wir uns ja doch als Österreicher und nicht in erster Linie als EU-Propagandisten fühlen sollten, nicht zum Lachen. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist weder für einen Abgeordneten noch für den Steuerzahler zum Lachen.

Das Schlimmste kommt aber noch. Das Schlimmste ist, dass wir jetzt die Botschaft hören: Aufgrund dieses Debakels, das uns die Eurozone, die Zusammenfassung und die Abgabe von Kompetenzen, der Verlust der wirtschaftlichen Selbständigkeit und die Verbindung mit Volkswirtschaften, die nicht hätten verbunden werden sollen, gebracht haben, gehen wir unseren Weg, diesen Holzweg, munter weiter: noch mehr Zentralisierung, noch mehr Aufgabe unserer Solidarität – das, was der Kollege gefordert hat. Wirtschaftliche Kompetenzen abgeben, das ist hier Logik (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen) und, O-Ton Kogler, kein Souveränitäts­verlust.

Glauben Sie nicht, Kollege Stummvoll ...

10.42


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter (Abg. Dr. Hübner: Ich bin schon fertig!), Sie sind schon weit drüber. (Abg. Strache: Ein Schlusssatz muss doch möglich sein!) Ich habe Ihnen genug Zeitraum für einen Schlusssatz gegeben. Die Uhr zeigt 5 Minuten 45 Sekunden an. (Abg. Strache: Dann hätten Sie vorher bimmeln müssen! Ein Schlusssatz ist doch redlich!)


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(Beifall bei der FPÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Dr. Hübner. – Abg. Dr. Rosenkranz: Bei so viel Sachlichkeit kann man leicht die Zeit übersehen!)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte.

 


10.42.38

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hübner, 1 Milliarde auf oder ab, darüber will ich mich gar nicht streiten, Sie haben sicher im Wesentlichen recht. Billig wird das ohnehin nicht, ganz gleich, wie Sie es drehen und wenden. Das müssen Sie dazusagen. Sie haben keine Alternative, wie es billiger werden kann.

Für eines bin ich Ihnen, Frau Ministerin Fekter, heute dankbar: Sie haben ausführlich geschildert, welches beispiellos harte Maßnahmenpaket Griechenland auf sich genom­men hat, beschlossen hat – natürlich unter dem Druck der Kreditgeber, des IMF beziehungsweise der EU-Staaten, die sich daran beteiligt haben. Es ist ein beispiellos hartes Maßnahmenpaket, und die ökonomische Frage ist natürlich, ob die Rechnung aufgehen kann.

Herr Stummvoll, Sie haben gesagt, wir, die wir hier unsere Zweifel haben, halten uns für klüger als die Experten der Europäischen Kommission, des Internationalen Wäh­rungs­fonds et cetera. – Nein! Aber jeder von uns kann sich in diesem Punkt irren, und ich werde gleich darauf zu sprechen kommen, wo sich all diese Experten schon geirrt haben. Das ist das Problem. (Abg. Dr. Stummvoll: Van der Bellen!) – Auch ich, natürlich. Ich will gar nicht nachrechnen, wie oft.

Dieses harte Maßnahmenpaket hat, glaube ich, eine Frage politisch gelöst, nämlich das sogenannte Moral-Hazard-Problem bei Staatsverschuldung. Wenn Politiker eines Staates jetzt noch glauben, sie können sich – hurra! – verschulden, andere werden schon zahlen, dann kann ich nur sagen, das Beispiel Griechenlands zeigt eindeutig, wie ein Staat entmündigt wird in einer solchen Situation. Daher muss auch für uns hier die Lehre daraus sein, sich ja nicht in solche Situationen treiben zu lassen. – Das ist das eine. (Beifall bei Grünen, SPÖ, ÖVP und FPÖ.)

Ein anderes Problem, sozusagen das symmetrische Moral-Hazard-Problem, das Moral-Hazard-Problem der Gläubiger, dass immer dann, wenn der Schuldner nicht zahlen kann, schon andere für ihn zahlen werden, dieses Problem ist völlig ungelöst. Das betrifft die Probleme der Banken, das betrifft die Pensionsfonds, die investiert haben, und das betrifft last, not least die Credit Default Swaps, die Kreditaus­fallversicherungen, die glänzend verdienen, weil die EU, die Kommission in diesem Vertrag de facto versprechen: Griechenland wird nicht pleitegehen! – Super, solch eine Versicherung schließe ich auch ab, als Versicherer: Ich kassiere die hohen Prämien und weiß, ich werde nie zahlen müssen. Dieses Problem, Herr Kollege Stummvoll, ist ungelöst.

Etwas ist offengeblieben, Frau Ministerin Fekter – ich verstehe das auch, denn das ist die offene Flanke –: Sie haben nicht dazugesagt, was im Mai 2010 war – vom Zeitplan her nämlich –, und Sie haben nicht dazugesagt, was jetzt der Zeitplan ist, und Sie haben drittens nicht dazugesagt, dass das nächste Maßnahmenpaket in Ihrem Szenario, also im offiziellen Ecofin-Szenario, wird kommen müssen, und zwar spätestens im Herbst.

Damals, vor einem Jahr, haben alle gewusst, dass die 110 Milliarden Griechenland ungefähr ein, eineinhalb Jahre reichen werden, nämlich bis zum Frühjahr 2012. Das war kein Geheimnis. Man kennt das Tilgungsprofil griechischer Anleihen, man weiß ungefähr, wie hoch das Defizit ist, das zu finanzieren ist. Die Hilfe reicht bis zum Frühjahr 2012. Damals, Herr Kollege Stummvoll, sind offensichtlich alle diese Exper­


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ten, die ich hoch schätze, davon ausgegangen, dass ab dem Frühjahr 2012 Griechenland imstande sein wird, wieder auf die Finanzmärkte zurückzukehren.

Diese Einschätzung ist danebengegangen. – Ich muss an dieser Stelle sagen, sorry, ich gehöre zu jenen, die von allem Anfang an gesagt haben – Werner Kogler gehört auch dazu –, das wird nicht gehen. Wir brauchen ein geordnetes Entschuldungs­verfahren für Staaten, ein geordnetes Ausgleichsverfahren. Aber eineinhalb Jahre später haben wir das noch immer nicht. Das können Sie aber nicht der Opposition vorwerfen. Das sind schon die Minister der Ecofin-Zone, das sind die Experten der Europäischen Kommission, die das versäumt haben.

Wenn jetzt abenteuerliche Szenarien über die Beteiligung privater Gläubiger nach französischem Muster kursieren, so müssen Sie sich das einmal anschauen. Das eine Szenario, das vorgeschlagen wird, heißt Verlängerung der Tilgungsfristen. Ja, aber Griechenland hätte Zinsen zu bezahlen für Kredite, die es nie erhalten hat. Das ist wirklich ein Supervorschlag! Kredite mit Zinssätzen in der Größenordnung von 10 Pro­zent, die daraus entstehen. Wenn Sie es nicht glauben, lesen Sie es im letzten „Economist“ nach.

Mit solchen Vorschlägen kommen wir nicht weiter. Sie müssen schon zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege Stummvoll, dass die Finanzmärkte, die Finanzkommentatoren der Meinung sind, die Ecofin-Minister halten sich an Folgendes: If a plan does not work, stick to it! (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.) Das ist die Ironie, der wir gegenwärtig ausgesetzt sind. Und da hilft keine Kritik an Rating-Agenturen, gar nichts. – Schade, meine 5 Minuten sind schon um. – Wir müssen uns da grundsätzlich etwas Neues ausdenken. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

10.48


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abge­ord­neter Mag. Stadler. – Bitte.

 


10.48.11

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zunächst eine Vorbemerkung zum Kollegen Cap, wenn ich mir deine legendären Auftritte im „Commune“ in der Schönlaterngasse in Erinnerung rufe, wo du gesagt hast: Die Krise des Kapitalismus wird der Sieg des Sozialismus sein! – Heute gehst du hierher ans Rednerpult und verteidigst den Turbokapitalismus wie nur was und die gesamten Heuschreckenfonds. In deiner Rede hast du das gemacht. Alles das, was wir vor einem Jahr mit eurer Zustimmung gemacht haben, hat genau diesen Turbokapitalis­mus angeheizt, das kannst du heute nachlesen. (Beifall beim BZÖ.)

Lies in der „Presse“ nach bei Herrn Urschitz, der bringt es auf den Punkt. Rabl hat vor drei Wochen das Gleiche gesagt, und das sind wirklich keine großen Vertreter des BZÖ.

Der ÖVP sage ich jetzt zum x-ten Mal, und wenn sie es nicht glaubt, dann werde ich das jeder meiner Reden voranstellen: Hypo-Platte ist abgedroschen, denn Hypo ist das Ergebnis Ihrer CSU-Freunde aus Bayern, die diese Bank ruiniert haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.) Ihre schwarzen Freunde aus Bayern haben die Bank ruiniert, und zwar gezielt und vorsätzlich. Das muss man immer dazusagen, Herr Schieder. (Neuerlicher Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Sie sind nicht fündig geworden. Ihre schwarzen Freunde haben diese Bank ruiniert, mit Liquiditätsabfluss. (Abg. Amon: Aber geh!) Selbstverständlich! Sie hätten liebend gerne dem toten Haider noch eine Kuhglocke umgehängt, um ihn damit für diese Geschichten verantwortlich zu machen. Ihre schwarzen Freunde aus Bayern waren es,


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meine Damen und Herren, die diese Bank umgebracht haben, und es wird zu klären sein, welche Rolle dabei die ÖVP noch gespielt hat! (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

Nun aber zu dem, was uns wirklich beschäftigt: Als ich der Frau Finanzminister zugehört habe, so hat sie uns heute tränenreich erklärt – ich bin überzeugt, die Zuseher an den Fernsehschirmen schluchzen immer noch –, wie sehr sie sich doch für die Griechen einsetzt.

Frau Minister, wenn Sie in Griechenland Ministerin werden wollen – dort ist ein Finanzministerposten vakant. Dort nimmt man auch Sie. Aber in Österreich vertreten Sie bitte österreichische Steuerzahler und nicht griechische Steuerzahler! (Beifall beim BZÖ.)

Das war heute eine Rede einer griechischen Finanzministerin, die einen Pleitestaat zu vertreten hat, aber nicht die einer österreichischen Finanzministerin, die österreichi­sche Steuerzahler zu vertreten und österreichische Steuergelder zu verwalten hätte, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Höfinger.)

Daher habe ich mir erwartet, und ich frage Sie jetzt: Was haben Sie gemacht, um die Finanzmärkte strenger zu regulieren? (Bundesministerin Dr. Fekter: Neue Finan­zen ...!) – Ihr Staatssekretär Schieder hat gesagt: Das werden wir alles machen! Seit einem Jahr sagt er das. Wir warten auf den Dalai Lama, der macht das dann vielleicht. Das glaubt der Herr Schieder.

Ich frage Sie jetzt: Was haben Sie gemacht? – Sie haben kein Wort dazu verloren. Ich fordere Sie auf: Reden Sie darüber!

Was haben Sie gemacht, um das umzusetzen, was Ihr Herr Fischler von Ihnen verlangt hat, nämlich Eurobonds einzuführen? Was haben Sie gemacht? – Nichts!

Was haben Sie gemacht, um einen Europäischen Währungsfonds einzurichten? – Das mit Ihrem ESM-Rettungsschirm ist ja eine Lachnummer der Sonderklasse! Allein die Beteiligung des privaten Sektors liest sich im Artikel 12 wie ein Kabarett. Kollege Van der Bellen hat es im Ausschuss sogar vorgetragen; ich habe den Text hier, wenn Sie ihn hören wollen.

Was haben Sie gemacht? – Keine Silbe haben Sie verloren. Dafür hat uns die Frau Minister tränenreich erzählt, was die Griechen alles für Opfer bringen müssen.

Was haben Sie gemacht, um die Transaktionssteuer einzuführen? Haben Sie ein einzi­ges Mal eine Zahlung junktimiert, damit die Transaktionssteuer kommt? – Nichts! Die Frau Fekter hat dort nicht geglänzt. Sie war halt dort, ja, aber gemacht hat sie nichts.

Was haben Sie gemacht, um eine Europäische Ratingagentur einzuführen? – Alle kommen hier ans Rednerpult und fordern eine solche. Wir brauchen eine Europäische Ratingagentur, sagt der Herr Kopf. – Jetzt ist er nicht da, er ist beleidigt auf euch (in Richtung SPÖ), weil ihm der Kollege Krainer etwas zur Geschichte der Sozialdemokratie ausgerichtet hat.

Was haben Sie gemacht? Ich frage Sie jetzt: Auf wen warten wir? Soll das der Heilige Vater in Rom machen oder der Dalai Lama? Wer soll das machen? – Sie sind die Finanz­ministerin! (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Fekter.) Sie sind die Finanzministerin, Sie haben das zu machen, und nicht der Dalai Lama und nicht der Papst in Rom, meine Damen und Herren! (Anhaltender Beifall beim BZÖ. – Bundes­ministerin Dr. Fekter möchte dem Redner von der Regierungsbank aus eine Unterlage reichen, die allerdings zu Boden fällt.)

Und schmeißen Sie nicht mit Trümmern herum! Schauen Sie, dass Sie in Brüssel etwas zustande bringen!


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Was haben Sie gemacht, um eine entsprechende Staatsinsolvenz zu ermöglichen? Was haben Sie gemacht, Frau Ministerin? – Nichts haben Sie gemacht! Ihre Konzepte liegen bereits auf dem Boden, wo Sie sie hingeschmissen haben. Dort, meine Damen und Herren, ist Ihre Politik gelandet. (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.)

Wie schaut Ihr privater Beteiligungssektor aus, Frau Minister? – Sie haben Redezeit in diesem Haus. Erklären Sie dem Steuerzahler, was Sie gemacht haben, um den privaten Sektor einzubinden! Das haben Sie das letzte Mal noch vollmundig ange­kündigt. Jetzt haben Sie nicht eine einzige Silbe gebracht, nicht eine Zahl, wo Sie gesagt haben: Raiffeisen zahlt das mit, GRAWE zahlt das mit, der Rest wird von anderen Privaten übernommen. Ich, Mizzi Fekter, habe das zustande gebracht. – Nichts davon! Das österreichische Steuerzahlergeld haben Sie nach Griechenland gesendet. Das ist alles, was Sie bisher zustande gebracht haben, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Und ich sage Ihnen mit Peter Rabl – lesen Sie nach, meine Redezeit ist zu knapp, ich kann es nur jedem empfehlen: Peter Rabl hat am 26. Juni im „Kurier“ – das ist keine BZÖ-Zeitung, das ist eine Zeitung, die Ihnen nahesteht – einen Leitartikel geschrieben. (Präsidentin Mag. Prammer gibt das Glockenzeichen.)

Oder lesen Sie heute beim Herrn Urschitz in der „Presse“ nach! Der richtet Ihnen aus, welche Versagernummer diese Finanzminister sind. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Rädler: Ein Stadionverbot gehört her! – Bundesministerin Dr. Fekter: Keine Ahnung, Herr Stadler!)

10.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Matznetter zu Wort. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Frau Präsidentin! Kann man verhindern, dass die Ministerin von hinten Abgeordnete attackiert?! – Bundesministerin Dr. Fekter: Er hat mich gefragt, und ich wollte ihm die Antwort geben! Aber er ist nicht interessiert gewesen! – Abg. Ing. Westenthaler: Aber nicht während der Rede! Sie wollten ihm eins drüberhauen! Das habe ich genau gesehen!)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Matznetter. – Bitte.

 


10.53.48

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundes­ministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Meine Damen und Herren an den Bild­schirmen! Das, was dieser etwas laut schreiende Herr mit schnarrender Stimme, mein Vorredner, gerade von sich gegeben hat, war nicht ganz in jeder Form faktenreich. Nur zu den armen Bayern: Dort zahlt der bayerische Steuerzahler 3,7 Milliarden. So viel ist auch in diesem Haider-und-Umfeld-Sumpf mit verschwunden (Abg. Rädler: Beim BZÖ!), und wir müssen leider, nämlich der österreichische Steuerzahler, auch zahlen. Aber das ist heute nicht das Thema. (Abg. Petzner: Das stimmt gar nicht, was Sie da sagen!)

Wir sind heute bei jenem Teil der Finanzkrise, der es notwendig macht, einem EU-Mitgliedsland mit Hilfen beizuspringen, wo wir bereits das zweite Mal darüber diskutieren, in welcher Höhe wir das tun.

Schauen wir einmal zurück, wie das in der Vergangenheit war! Der „Spiegel“ berichtet:

Es war ein warmer Frühlingsabend, als der Notenbankchef eines Landes gerade die letzten Akten erledigt hat und nach Hause fahren wollte. Seine Frau wartete mit dem Abendessen. Sie wartete vergebens.

Dieser Notenbankchef eines Landes, das keine Auslandsverschuldung hatte, Wachs­tumsraten, von denen wir nur träumen könnten, das 40 Milliarden an Währungsreser­


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ven in US-Dollar hatte, ist in dieser Nacht gefallen. – Es war der damalige thailändische Notenbankchef Rerngchai Marakanond.

Und er beschreibt, wie innerhalb von Tagen alles zusammenbrach, und zwar nicht deswegen, weil das Land ein schlechtes Wachstum gehabt hätte, weil die öffentlichen Schulden hoch gewesen wären, sondern das Einzige, was man den Thailändern in dieser Zeit anhängen konnte, war, dass sie öfter Schulden in Fremdwährung aufge­nom­men haben.

Da kenne ich ein Land, da haben die Häuslbauer viel höhere Summen in Fremd­währung aufgenommen: Dieses Land heißt Österreich. Thailand hat dies damals das gesamte Wirtschaftswachstum von einem Jahrzehnt gekostet, einen Rückfall um zehn Jahre. – Und so viel zur Intelligenz der Finanzmärkte: Ja, hochintelligent! Die Märkte haben nämlich jene Milliarden eingesteckt, die das Land dort verloren hat. Und nach Thailand kam Indonesien, kam Malaysia, kam Südkorea – ein Land nach dem anderen.

Ein zweites Land war einmal nahe daran. Am 11. Februar 2009 war da ein Land, das keinen Anlass dazu gab, in der Krise schlecht gerüstet zu sein. Damals musste der dortige Finanzminister in mehrere Länder fahren, um eine Nothilfe zu organisieren, weil man der Auffassung war, dass dieses Land einen zu sehr exponierten Bankensektor hatte. Dieses Land ist Österreich gewesen. Unsere Spreads – wie es so schön heißt, also die Risikoprämie – waren zu diesem Zeitpunkt und im März 2009 höher als in Griechenland. (Abg. Dr. Hübner: Zehn Tage lang!)

Warum waren es nur zehn Tage, Herr Kollege Hübner? – Weil die Europäische Union innerhalb weniger Tage auf Vorschlag der österreichischen Regierung 50 Milliarden für die Osthilfe lockergemacht hat, und zwar ohne Auflagen für uns. Sie ist nicht herge­gangen und hat gesagt: Die österreichischen Banken sollen bitte ihre Anteile verkau­fen, aber geschwind in der nächsten Minute. Und die österreichischen Sparer sollen vielleicht auch einen Obolus leisten. Und die „Bild-Zeitung“ war nicht voll von „den faulen Österreichern“ und vielleicht von: „zwei Monatsgehälter, ohne zu arbeiten!“ (Abg. Mag. Stefan: Das war auch nicht sachlich gerechtfertigt!) Das könnte dort genauso stehen wie über die Griechen. Dasselbe Schimpfen könnte in kurzer Zeit Österreich betreffen. (Abg. Mag. Stadler – in den Unterlagen von Bundesministerin Dr. Fekter blätternd, die ihm mittlerweile ein ÖVP-Mitarbeiter überreicht hat –: ...! Das ist ja köstlich!)

Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege: Wenn irgendjemand den Ratschlägen von Bucher oder Strache folgen, aus der Währungsunion austreten, einen Ausschluss Griechen­lands betreiben oder ein Default erreichen würde, dann ist nicht gesagt, dass die Reihenfolge Portugal, Spanien, und so weiter bis Belgien ist. Da könnte nämlich dieselbe Idee wie im Februar 2009 auftauchen. Deswegen ist das, was wir hier tun, das Verantwortlichste.

Wir sorgen dafür, dass Österreich in Gemeinschaft mit der Eurozone und der Europäischen Union nicht Opfer dieser Spekulanten werden kann. Und machen Sie so weiter, Frau Ministerin. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.58


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als nächster Redner kommt nun Herr Abgeord­neter Auer zu Wort. – Bitte.

 


10.58.43

Abgeordneter Jakob Auer (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsident! Frau Bundesminister! Herr Staatssekretär! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist wohl unbestritten, dass Griechenland eine besondere Herausforderung bedeutet. Nur: Es hilft uns weder


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Hysterie noch Panikmache, noch lautes Schreien hier, sondern gefragt wird sein – ob es uns gefällt oder nicht –: Lösungskompetenz.

Meine Damen und Herren! Ein koordiniertes Vorgehen der europäischen Partner, der Länder, der Finanzbehörden, des IWF ist gefragt. Es ist nicht der Euro das Problem, nicht die Währung, die ist Gott sei Dank stabil. Wir verdanken gerade aus öster­reichischer Sicht dieser Währung sehr viel.

Nur zur Erinnerung: Bei seiner Einführung stand der Euro zum US-Dollar 1 : 1,18, der höchste Wert war 1 : 1,60. Da gab es dann Probleme in der Exportwirtschaft. Meine Damen und Herren! Wir sollten durchaus anerkennen, was uns der Euro gebracht hat, wenn man weiß, dass über eine Million Beschäftigte in Österreich direkt und indirekt von der Exportwirtschaft abhängig sind, direkt die Arbeitsplätze von der Exportwirt­schaft gesichert werden.

Herr Kollege Stadler (Abg. Mag. Stadler: Ja?!), wenn Sie schon meinten, die CSU, also unsere schwarzen Freunde hätten Schuld – „Ihre schwarzen Freunde“, so haben Sie es formuliert – am Desaster der Hypo Alpe-Adria (Abg. Strache: So ist es! – Abg. Petzner: Jawohl!): Hervorragend, dann frage ich Sie: Kann die CSU in Kärnten die Kärntner Landeshaftung beschließen? Oder wer hat die beschlossen, meine Damen und Herren? (Abg. Strache: Die haben Sie beschlossen! Ihre ÖVP!) – Das ist sagenhaft. Das ist sagenhaft! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Hagen. – Abg. Petzner: Die ÖVP hat es beschlossen! – Abg. Strache: Der Herr Martinz!)

Die CSU hätte jetzt quasi die Mitschuld an der Haftung des Landes Kärnten. Das müssen Sie der staunenden Öffentlichkeit einmal erklären. (Abg. Petzner: Kennen Sie den Herrn Zernatto?)

Zum Zweiten: eine Richtigstellung. Herr Kollege Bucher hat hier am Rednerpult in seinem Debattenbeitrag allen Ernstes behauptet, Frau Finanzminister Dr. Fekter hätte von einem „Geschäft“ gesprochen. (Abg. Strache: Das ist im Protokoll nachzulesen!) – Dieses Protokoll habe ich hier (dieses in die Höhe haltend), Herr Kollege Strache. (Abg. Strache: Das ist das falsche Protokoll!)

Wann? Zu welchem Datum? (Abg. Strache: Das steht im Protokoll!) – Sie haben selber gesagt: am 15. Juni. Hier ist das Originalprotokoll. Wenn Sie hier eine Silbe, eine Zeile darüber finden, dann kommen Sie heraus und beweisen Sie mir das! Frau Minister Fekter hat niemals von einem „Geschäft“ gesprochen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie sollten zumindest so viel Mut, so viel Ehrlichkeit haben und so viel Mann sein, zuzugeben, dass diesbezüglich nichts zu finden ist. Sie hat wörtlich davon gesprochen, dass diese Griechenlandhilfe bis zu diesem Tag, am 15. Juni – um 9.18 Uhr hat sie ihre Rede begonnen, um 9.30 Uhr war sie fertig, damit Sie auch das wissen –, eben bis zu diesem Tag den österreichischen Steuerzahler keinen Cent gekostet hat. Sie hat aber nie von einem „Geschäft“ gesprochen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Und noch etwas war ja bemerkenswert. Herr Kollege Strache, Sie haben heute hier die Schweizer Großbank UBS in den höchsten Tönen gepriesen. Haben Sie vergessen, mit wie viel Milliarden US-Dollar diese Bank gestützt werden musste? – Ich sage es Ihnen: mit 60 Milliarden US-Dollar! Und dann trauen Sie sich, hier herzugehen und diese Bank als Musterbeispiel darzustellen?! (Abg. Dr. Stummvoll: Unglaublich! – Abg. Amon: Das ist „Wirtschaftskompetenz“!) Die Schweiz hat alle Mühen und Kosten aufbringen müssen, diese Bank zu stützen, meine Damen und Herren! 60 Milliarden US-Dollar! (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Wenn Sie schon meinten, das Eigenkapital dieser Bank sei so großartig, so sage ich Ihnen: Am Eigenkapitalproblem ist auch Lehman Brothers nicht zugrunde gegangen,


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auch nicht am Rating-Urteil, an der Bonitätsbeurteilung. Die hatten einige Tage vor dem Desaster noch die höchste Bonitätsstufe und haben vom Rating her hervorra­gende Zeugnisse ausgestellt bekommen.

Meine Damen und Herren! Kollege Kogler, den ich sehr schätze, und vor allem auch Kollege Van der Bellen haben hier in Ihrer Beurteilung durchaus, glaube ich, kritisch, aber sachlich hervorragend eine Analyse gestellt. Man könnte sich diesen Fakten durchaus annähern.

Interessant war allerdings, dass Kollege Van der Bellen im Schlusssatz meinte, wir alle müssten uns etwas Neues einfallen lassen, er wüsste quasi heute auch nicht die Lösung. Also ist die Lösung, wie sie von der Frau Bundesminister dargestellt wurde, wie sie durchaus bis jetzt, glaube ich, koordiniert gemacht wurde, durchaus noch die bessere. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Podgorschek. – Bitte. (Abg. Mag. Stadler: Das ist wirklich köstlich! Danke an die Frau Bundesminister für dieses Dokument!)

 


11.03.44

Abgeordneter Elmar Podgorschek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desminister! Herr Staatssekretär! „Griechenland mit dem Euro auszustatten sei mit der Vorgangsweise zu vergleichen, einem Obdachlosen eine Villa zu finanzieren und sich dann zu wundern, dass der Hypothekar-Kredit nicht zurückgezahlt wird.“ – Das hat kein Freiheitlicher gesagt, sondern der Wirtschaftsmagnat der SPÖ, Hannes Androsch in Laxenburg am 31. Mai 2011 vor Unternehmensberatern. (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das investierte Geld auf Dauer uneinbringlich ist. Das Rettungspaket, sehr geehrte Damen und Herren, dient nicht dazu, Griechenland zu retten, sondern das europäische Bankenwesen.

Ein weiteres Beispiel, Herr Kollege Auer. Ein im weitesten Sinne Kollege von Ihnen von der Raiffeisen Bank International, der Anleihen-Experte Valentin Hofstätter hat in einem „Standard“-Interview gesagt:

„Die Eurostaaten, die nach eigenen Aussagen keinen ,Plan B‘ für den Fall eines griechischen Staatsbankrotts haben, sind sich der Unlösbarkeit der griechischen Schuldensituation bewusst. Sie schnüren aber ein weiteres Hilfspaket, weil sie hoffen, für die angeschlagenen Euro-Länder Zeit erkaufen zu können (...)“.

Jawohl, Zeit, genau darum geht es. Wir brauchen nur Zeit, damit entweder Sie bis zu den nächsten Wahlen über die Runden kommen beziehungsweise weil Sie glauben, dass dadurch die anderen Länder, die jetzt an der Reihe sind, von den Spekulanten getroffen zu werden, dann noch eventuell ihre Hausaufgaben erledigen können. Das ist ein Trugschluss. Und genau dieses Zitat ist aus meiner Sicht sehr ehrlich zitiert.

Um das der Bevölkerung schmackhaft zu machen, glauben Sie, die Banken zwingen zu können, dass sie selbst ihren Anteil einbringen, aber das Ganze ist – das wurde heute schon einmal erwähnt – eine Mogelpackung.

Lassen Sie mich das anhand des Beispiels von Deutschland ganz klar festmachen! Deutschland will es dem französischen Modell nachmachen und hat gesagt, dass die deutschen Banken 3,2 Milliarden € einsparen. Von diesen 3,2 Milliarden sind 1,2 Mil­liar­den in Banken, die derzeit in Staatsbesitz sind, wie zum Beispiel die sogenannte Bad Bank der Hypo Real Estate. Da bleiben nur mehr 2 Milliarden übrig. Und diese 2 Milliarden Griechenpapiere bekommen wohl diese Banken von den Griechen retour,


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denn diese Anleihen wären 2014 fällig gewesen, aber sie haben sich dann dazu verpflichtet, dass sie 70 Prozent dieser 2 Milliarden wiederum in langfristigen Anleihen anlegen.

Das heißt, 30 Prozent bleiben bei den Banken, also machen die europäischen bezie­hungsweise die deutschen Banken da auch schon ein bisschen einen Schnitt. Und von den 1,4 Milliarden müssen dann aber die Griechen 420 Millionen € in sichere Anleihen im Europäischen Rettungsfonds oder in der Europäischen Investitionsbank weiter­reichen, damit eine entsprechende Sicherstellung gewährleistet ist. Die restliche eine Milliarde, die dann noch übrig bleibt, die die Griechen von den deutschen Banken bekommen sollten, ist natürlich noch nicht verloren – das ist ganz klar –, solange Griechenland nicht pleitegeht.

Aber eines ist damit erreicht: Sie bekommen in Zukunft bessere Zinsen, als sie sie jetzt bekommen haben. – So viel zu diesem großen Anteil, den die Banken als Privatanteil beim jetzigen Paket mitgeben. (Beifall bei der FPÖ.)

Auf einen Nenner gebracht: Ohne Hilfe der europäischen Steuerzahler wäre Griechen­land pleite; das müssen wir so zur Kenntnis nehmen. Und wir müssten Griechenland schon längst umschulden. Ob Banken aber in diesem Fall 50 Prozent sicher zurück­bekommen würden, das ist mehr als fraglich. Die Steuerzahler bewahren durch die Griechenland-Rettung die Banken vor Verlusten. Das ist die Tatsache.

Aber wir brauchen ja einen Sündenbock. Und diese Sündenböcke sind jetzt die sogenannten Rating-Agenturen. Ich möchte eines dazu sagen: Ich bin sehr wohl dafür, dass wir eine europäische Rating-Agentur einführen, aber eines muss uns klar sein: Nicht die Rating-Agenturen haben diese Krise verursacht und haben Riesenschulden­berge angehäuft, nicht die Rating-Agenturen haben diese Währungsunion so konstru­iert, dass sie massive Probleme macht. Das waren die Staaten selbst.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Griechenland wird in absehbarer Zeit nicht aus dieser Misere herauskommen. Es wird auf Dauer ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone unvermeidlich werden. (Abg. Strache: Nur wird es dann zu spät sein, weil ihr den Zeitpunkt verpasst habt!) Das wird auch unsere Regierung mit Schönreden, auf Dauer gesehen, nicht ändern können. Wir können den Leuten keinen Sand in die Augen streuen. Das Erwachen wird demnächst umso schlimmer werden. (Beifall bei der FPÖ.)

11.08


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


11.09.06

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Demonstrationen waren es, Tränengasbomben, gewaltsame Ausschreitungen: Das sind die Bilder gewesen, die uns in den letzten Wochen begleitet haben – etwas sehr Ungewöhnliches aus einer europäischen Hauptstadt, was auch tief betroffen macht.

Griechenland hat ein enorm hartes Sparpaket beschlossen, 75 Milliarden € müssen bis 2015 eingespart werden. Wer die Wirtschaftskraft Griechenlands kennt, der weiß, welche Härte das ist.

Wen betrifft das? – Es betrifft die ärmeren Einkommensschichten, die mittlere Einkom­mensschicht, Angestellte, Arbeiter, Pensionisten und vor allem junge Menschen – junge Menschen, die jetzt auf die Straße gehen und natürlich zu Recht faire Chancen einfordern.


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Selbstverständlich fragen die auch danach: Wo liegt denn die Verantwortung? Wo liegen die Ursachen?

Und wenn Sie sich das genauer anschauen, dann werden Sie sehen, es ist ein mehrstufiges Versagen der Politik, das letztendlich zu diesen Ergebnissen geführt hat.

Begonnen hat es natürlich in Griechenland, mit der griechischen Politik und ihrem Versagen: Steuerhinterziehung als Kavaliersdelikt, ein überbordender Staatsapparat, enorme Militärausgaben und natürlich veraltete Wirtschaftsstrukturen, die zu dieser schwierigen Situation geführt haben.

Dann ist es weitergegangen mit der europäischen Politik – auch hier ein Versagen. Seit drei Jahren, seit der Finanzkrise wird davon gesprochen, man sollte endlich neue Spielregeln für die Finanzmärkte schaffen. Wir warten heute noch darauf.

Letztendlich erleben wir in den letzten Monaten ein Dahinstolpern der europäischen Politik, das mich als Ökonomin und leidenschaftliche Europäerin sehr betroffen macht. Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Da muss gehandelt werden! Da müssen Sie Schritte setzen!

Auch die österreichische Politik hat einiges versäumt. Wo sind denn die europäischen Politiker gewesen, als es darum gegangen ist, endlich Strukturen einzuführen, wo sich auch die Spekulanten und Banken beteiligen, die sich jetzt eine goldene Nase verdient haben?

Und wo ist die Politik in Österreich geblieben, als es darum ging, den Menschen auch zu erklären, was es heißt, wenn diese Staaten pleitegehen – und die Rede ist ja nicht nur von Griechenland, sondern auch von anderen Staaten?

Heute wird groß die Rolle der Ratingagenturen beklagt, und zwar zu Recht. Wo waren die Ratingagenturen vor 2008, als es darum ging, vor den problematischen Anlage­situationen, vor der desaströsen Situation der Firmen, die kurz vor der Pleite gestanden sind und dann auch pleite gegangen sind und in der Folge massiv die reale Wirtschaft mit hineingezogen haben, zu warnen? Wo waren die Ratingagenturen?

Wenn Klubobmann Cap sich heute hier herausstellt und sagt: Okay, wir müssen den Finanzmarkt reformieren! Wir brauchen eine Finanztransaktionssteuer!, dann frage ich Sie: Ja wo sind denn Ihre Maßnahmen? Wo sind Ihre Aktionen?

Seit drei Jahren ist längst überfällig, dass hier entsprechende Schritte gesetzt werden. Es kann natürlich nicht sein, dass man nur auf die Nationalstaaten setzt und Europa auseinanderdividiert. Die Stärke Europas liegt natürlich auch im Ökonomischen, in der Gemeinsamkeit. Und das wird auch heißen, dass man gemeinsam in so einer schwierigen Situation zusammensteht.

Was wird das jetzt in dieser schwierigen Situation heißen? – Natürlich geht es um Umschuldung. Und zu Recht sind heute die enorm hohen Zinsen kritisiert worden.

Einer der wichtigsten Schritte ist, möglichst niedrige Zinsen anzusetzen und selbst­verständlich möglichst dicht in Europa zusammenzurücken, um klar zu machen, Europa ist gemeinsam stark und gemeinsam werden wir das durchstehen. Das muss jetzt die große Devise sein. Natürlich müssen die zur Kasse gebeten werden, die an dieser Krise auch verdient haben.

Und was ganz wichtig ist: Heute ist von der Frau Ministerin angeführt worden, dass es ein Paket für Griechenland geben wird, damit endlich auch die Wirtschaft erneuert wird. Es ist die Rede von einer Milliarde vorgezogener Strukturmittel. – Das wird zu wenig sein. Das wird bei Weitem zu wenig sein. Da braucht es jetzt eine Offensive, die weit darüber hinausgeht. Wir brauchen so etwas wie einen modernen Marshall-Plan, um die


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griechische Bevölkerung zu unterstützen, um wieder Wirtschaftswachstum zu gene­rieren, damit die auch Steuern zahlen können. (Beifall bei den Grünen. – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Ich möchte damit schließen, meine Damen und Herren: Ein gemeinsames Europa, eine gemeinsame Währung brauchen eine gemeinsame Wirtschafts- und Währungs­politik und somit auch eine Finanztransaktionssteuer. Das bedeutet selbstverständlich auch eine Neugestaltung der Finanzmärkte. (Beifall bei den Grünen.)

11.14


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

 


11.14.23

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Die Frau Finanzministerin hat sich wieder einmal nach Brüssel begeben, an den grünen Tisch, an den Tisch der EU-Pokerstars und hat dort die nächste Tranche von 12 Milliarden gemeinsam mit ihren anderen Brüssel-hörigen Finanzministern verzockt.

Sie stellt sich heute hier her, jammert uns etwas vor, wie fürchterlich die Situation ist, hat uns aber das letzte Mal noch mitgeteilt – und das ist verbrieft und protokolliert, Frau Ministerin –, dass wir aufgrund der Zinsrückflüsse ohnehin ein Geschäft machen. Es ist ein großes Geschäft, das wir hier mit Griechenland machen. Das sollten wir eigentlich weiterführen. (Abg. Strache: Steht in allen Zeitungen!) Und dann setzen Sie heute noch eines drauf, Frau Ministerin, und bedanken sich hier vor dem österreichischen Parlament bei Griechenland, dass dort unser Steuergeld in den Rauchfang gejagt wird. Herzlichen Dank!

Da werden sich die Steuerzahler freuen. Aber das ist verantwortungslos, Frau Ministerin, was Sie heute hier geliefert haben. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.) Es ist verantwortungslos auch deshalb, weil Sie mit Ihren Milliarden­spritzen – und das wissen Sie ganz genau –, mit diesen über 230 Milliarden, die da mittlerweile notwendig geworden sind, keine Lösung erwirken.

Und wenn Sie uns nicht glauben, Frau Ministerin, dann lesen Sie heute bei Josef Urschitz in der „Presse“ nach. Ich zitiere: „Das Geld dient ausschließlich zur Refinan­zierung alter Schulden, ist also weg“, sagt Urschitz. „Und am Ende der verpulverten 210 Milliarden steht das Land genau dort, wo es vorher war: am Abgrund, mit einem nicht zu schulternden Schuldenrucksack. Das Geld der europäischen Steuerzahler ist dann längst wieder auf den Konten der Gläubigerbanken.“

Und jetzt sagt er, das ist der entscheidende Satz: „Natürlich wissen das alle, auch die politischen Akteure.“ Auch Sie, Frau Finanzminister, wissen das. „Dass sie aus Furcht, die bittere Wahrheit könnte allgemein bekannt werden und ihnen die Jobs kosten, nicht danach handeln, sondern die gesamte Eurozone immer tiefer ins Schlamassel reiten, ist so gesehen eine Art von Konkursverschleppung – also eigentlich kriminell“, schreibt Urschitz.

Das ist genau das, was Josef Bucher und das BZÖ und auch andere Oppo­sitions­parteien hier immer wieder sagen, Frau Ministerin! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeord­neten der FPÖ.)

Und wir sagen Ihnen etwas: Bei dieser Art der kriminellen Konkursverschleppung, die hier mittlerweile zu Lasten der Steuerzahler stattfindet, wo Sie, Frau Ministerin, die Interessen der Europäischen Union, der Banken, der Pleitestaaten über die Interessen der österreichischen Steuerzahler, der österreichischen Bevölkerung stellen, bei dieser Konkursverschleppung machen wir nicht mit!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 55

Sie haben binnen kürzester Zeit nicht nur im Parlament mehrfach die Unwahrheit gesagt, sondern Sie haben auch jegliches Vertrauen verspielt. Wir haben kein Ver­trauen mehr. Wir machen da nicht mehr mit. Deswegen bringen wir heute auch einen Misstrauensantrag ein. (Beifall beim BZÖ.)

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesministerin für Finanzen wird gem. § 74 Abs. 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

*****

Frau Ministerin, Sie haben fertig. Sie haben kein Recht mehr, die österreichischen Steuerzahler zu hintergehen und mit Hohn ihre Steuergelder nach Griechenland zu schicken und sie letztlich im Stich zu lassen. Das muss ein Ende haben!

Herr Klubobmann Cap! Ihnen sage ich auch etwas. Sie kommen da raus und flöten uns vor, wir müssen die Schuldigen definieren. Wissen Sie, wer Ihre Schuldigen de facto sind? – Die österreichischen Steuerzahler, denn die müssen brennen für das, was Sie hier anstellen, Herr Klubobmann Cap! Das sind die Schuldigen und nicht die, die in Wahrheit dahinterstehen.

Den Spekulanten, den Banken und allen, die dazugehören, ist das wurscht, denn die verdienen prächtig an der ganzen Geschichte. Die kassieren schon wieder mit Portugal ab. Nächste Geschichte. Die Zinsspirale dreht sich schon wieder hinauf. Abwertung schon erfolgt. Die nächsten Spekulanten sind schon vor Ort.

Und was geschieht? Heute haben Sie uns gesagt, Sie sind ein großer Grieche und Sie haben sogar Griechisch in der Schule gelernt. Ich sage Ihnen, Sie werden im Herbst wahrscheinlich ein großer Portugiese sein, ein paar Monate später ein großer Italiener, ein großer Spanier – was Sie nicht alles sind, Herr Klubobmann Cap. Bei Ihrer Politik sage ich Ihnen, und Sie verstehen es, kali nichta, gute Nacht, Österreich, wenn Sie weiterhin an der Regierung sind, Herr Klubobmann Cap. (Beifall beim BZÖ.)

Und dann nimmt er das Wort „Verteilungsgerechtigkeit“ in den Mund. Verteilungs­gerech­tigkeit in der jetzigen Situation, wo das Einzige, was die SPÖ unter Verteilungs­gerechtigkeit versteht, ist, das Geld gerecht an die Pleiteländer der Europäischen Union verteilen.

Das ist eure Verteilungsgerechtigkeit, und Sie sehen nicht, dass die Menschen hier in dem Land immer weniger Realeinkommen haben, dass die Preise, Schulden und Inflation steigen und die Menschen sich das Leben nicht mehr leisten können. Das haben Sie bereits vergessen. Sie verteilen das Geld lieber woanders hin. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Und ein letztes Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Stummvoll. Herr Kollege Stummvoll, zu Ihrer überheblichen Art und Weise, wie Sie hier heute vom Red­nerpult gegenüber der Opposition agiert haben. Und ich habe da sehr genau zugehört. Sie, der Sie mit Ihrer Partei verantwortlich sind für den höchsten Schuldenstand der Republik, kommen hier heraus und schulmeistern die Oppositionsparteien dahin ge­


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hend (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), dass ihre Argumentation nur in Bierzelt geschwängerter Atmosphäre aufgenommen wird.

Ich garantiere Ihnen, Herr Stummvoll, bei der nächsten Nationalratswahl werden Sie eine ähnliche Atmosphäre bei Ihnen haben, aber nicht aus Freude, sondern aus Kummer über Ihr Wahlergebnis. Ich wünsche Ihnen dazu schon alles Gute. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Strache: Er wird gar nicht mehr herinnensitzen, der Herr Stummvoll!)

11.19


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Misstrauensantrag

§ 55 GOG-NR

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Versagens des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Finanzen

eingebracht im Zuge der Debatte zur EU-Erklärung der Bundesministerin für Finanzen gemäß § 74b Abs. 1 lit b der Geschäftsordnung des Nationalrates (TOP 1)

Die Bundesministerin für Finanzen berichtete im Nationalrat mehrfach über die Finanz­hilfen für Griechenland und stellte diese als Geschäft für Österreich dar, weil es Zinsenrückflüsse gebe und die langfristige Rückzahlung garantiert sei. Insbesondere wiederholte sie mehrfach die Summe des bisher geflossen Zinsgewinne. Dies steht nach Meinung der Antragsteller und unabhängiger Experten im völligen Widerspruch zur tatsächlichen Lage bzw. den Risiken. Damit verniedlicht die Finanzministerin die bedrohliche Situation, während sie gleichzeitig faktisch die Verschuldung und die Risiken für Österreich aus politischer Feigheit laufend deutlich verschlechtert. Eine österreichische Finanzministerin, die nicht die Interessen Österreichs, sondern die Griechenlands, die der Banken und EU-Administration in den Vordergrund stellt ist für Österreich ein unzumutbares Risiko!

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesministerin für Finanzen wird gem. § 74 Abs 1 B-VG durch ausdrückliche Entschließung des Nationalrates das Vertrauen versagt.“

Wien, am 7. Juli 2011

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Kolleginnen und Kollegen betreffend Versagen des Vertrauens gegenüber der Bundesministerin für Finanzen gemäß Art. 74 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 57

Da zu einem solchen Beschluss des Nationalrates gemäß Abs. 2 der zitierten Ver­fassungsbestimmung die Anwesenheit der Hälfte der Abgeordneten erforderlich ist, stelle ich diese ausdrücklich fest.

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich für den gegenständlichen Misstrauensantrag aussprechen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Der Antrag ist abgelehnt. (Beifall bei der ÖVP.)

11.20.542. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regierungs­vorlage (1223 d.B.): Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1302 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Der Berichterstatter wünscht keine Berichterstattung.

Die Debatte wird eingeleitet durch Herrn Abgeordneten Ing. Hofer. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.21.18

Abgeordneter Ing. Norbert Hofer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Das Ökostromgesetz beschäftigt uns schon seit vielen Jahren. Wir haben im Rahmen der jüngsten Novelle, die wir hier im Nationalrat beschlossen haben, einige wesentliche Verbesserungen erreicht, und ich denke, dass Österreich von allen Maßnahmen, die hier im Parlament im Bereich des Ökostroms beschlossen werden, unmittelbar und direkt betroffen ist, und zwar ganz einfach deswegen, weil die Strom­preise, die Energiepreise in Österreich in den nächsten Jahren massiv ansteigen werden. Wir rechnen auch auf Grund des Kernkraftausstiegs in der BRD mit einem Strompreisanstieg in Österreich von etwa 10 Prozent pro Jahr. Das ist ein sehr, sehr hoher Wert, der alle Menschen und alle Haushalte, die Gewerbetreibenden, die Industrie auch direkt und unmittelbar treffen und belasten wird. Daher war uns auch der Weg zu einem neuen Ökostromgesetz, das tatsächlich die Möglichkeit schafft, viel mehr als bisher auf erneuerbare heimische Energieträger zu setzen, ganz besonders wichtig.

Der erste Entwurf, den der Herr Bundesminister noch vor der großen Kernkraft­katastrophe in Japan vorgelegt hat, war kein tauglicher Weg, um Österreich von fossilen Energieträgern freier und unabhängiger zu machen. Ich gestehe Ihnen zu, Herr Bundesminister, in den letzten Wochen der Verhandlungen hat sich sehr viel getan und Sie haben sich sehr bemüht, auch in der Einsicht, dass Österreich erneuer­bare Energie braucht, hier ein taugliches Ökostromgesetz auf Schiene zu setzen.

Ich möchte noch betonen, dass in dieser Phase die Zusammenarbeit zwischen den Oppositionsparteien eine sehr, sehr gute war, weil wir von Haus aus vermeiden wollten, dass wir etwas ausgebremst werden und man versucht, das Ökostromgesetz jeweils mit dem Partner zu beschließen, der es am billigsten macht. Herzlichen Dank auch an die Kollegen von BZÖ und Grünen. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Meine Damen und Herren! Ich habe auch im Zuge der letzten Stunden dieser Verhandlungen mitgeteilt, was uns ganz besonders wichtig ist, nämlich dass wir auch die Betriebe im Bereich von Biogas schützen und verhindern, dass in den nächsten Wochen und Monaten einige dieser Betriebe den Weg zum Konkursrichter gehen müssen. Ich muss leider zur Kenntnis nehmen, dass in dem Entwurf, der heute vor­liegt, keine ausreichenden Maßnahmen gesetzt sind, um diese Betriebe zu schützen.


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Ich habe kurz vor Beginn meiner Rede ein E-Mail von betroffenen Biogasbetreibern bekommen, die tatsächlich verzweifelt sind, weil sie in den letzten Jahren als Pioniere in diesem Bereich aktiv waren und versucht haben, im Bereich von Biogas zukunfts­weisend für Österreich Meilensteine zu setzen. Und genau diesen Betrieben gibt man jetzt nicht die notwendige finanzielle Unterstützung, um wirklich überleben zu können.

Ein Beispiel: Die kaskadische Nutzung, auch die Nutzung von Grundstoffen, die nicht auf dem Teller landen, wäre eine ganz wesentliche Maßnahme. Wir wollen nicht, dass Lebensmittel für den Bereich der Energieerzeugung verwendet werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn beispielsweise ein Bauer nicht auf Mais, sondern auf Gülle setzt, dann hat er im Betrieb höhere Kosten, weil Gülle einen niedrigeren Energiegehalt hat und die Anlagen völlig anders dimensioniert werden müssen. Genau dieser kleine Kreislauf, dieser lokale Kreislauf, mit Gülle Energie zu erzeugen und dann die Reststoffe auf das Feld zu bringen und dort als Dünger zu verwenden – das ist kein Dünger, der dann stinkt, wie wir das alle aus der Praxis kennen, sondern ein wirklich brauchbarer, umwelt­freundlicher, guter Dünger für den Bauern –, wäre ein positiver Weg. Ich bedaure sehr, dass das im Rahmen dieser Verhandlungen nicht gelungen ist.

Der zweite Punkt: Wir haben gesagt, dass es in Österreich eine ganze Reihe von Abgaben gibt, die energiebezogen sind. Die Mineralölsteuer ist natürlich energie­bezogen. Vergessen Sie nicht, dass über diese Mineralölsteuer auch noch Mehrwert­steuer zu bezahlen ist. Das heißt, die Einnahmen des Staates aus dem Bereich des Energieverbrauchs der Bürger sind wirklich enorm. (Abg. Strache: Der zahlt massiv! Der brennt wie ein Luster!)

Daher haben wir gesagt, es wäre ein vernünftiger und guter Weg, da jetzt beim Ökostromgesetz über die Zählpunktpauschale natürlich auch wieder der Bürger die Kosten für diese notwendige Maßnahme trägt, 50 € pro Haushalt im Schnitt, ein kleiner Betrieb, ein Gewerbebetrieb etwa 400 € im Schnitt, gleichzeitig mit dem Beschluss über dieses Ökostromgesetz auch bei der Lohn- und Einkommensteuer über die kalte Progression eine Entlastung vorzunehmen (Beifall bei der FPÖ), um sicherzustellen, dass der Bürger nicht noch einmal belastet wird, dass der Gewerbetreibende nicht noch einmal belastet wird. Das wäre auch der Weg gewesen, um wirklich eine mutige, aufwendige Finanzierung in diesem Bereich aufkommensneutral sicherzustellen.

Meine Damen und Herren! Ich möchte auch noch vor einer Maßnahme warnen, die für unseren Wirtschaftsstandort wirklich gefährlich ist, die wir in Bälde hier im Parlament beraten werden und beschließen sollen, das Emissionszertifikategesetz. Im Entwurf für dieses Emissionszertifikategesetz ist nun vorgesehen, dass die heimische Wirtschaft Strafzahlungen leisten muss, obwohl diese Wirtschaft sehr umweltfreundlich produ­ziert, und dann diese Gelder beispielsweise dafür verwendet werden, Auffors­tungs­maßnahmen in Entwicklungsländern umzusetzen, nur damit der nächste Diktator dann kommt, um den so aufgeforsteten Wald wieder zu schlägern. Das, meine Damen und Herren, ist keine kluge Energiepolitik! (Abg. Strache: Wirtschaftsfeindlich!)

Wir werden 1 Milliarde € ausgegeben haben für Emissionszertifikate, 1 Milliarde € im Ausland investiert. Wir brauchen dieses Geld hier in Österreich (Beifall bei der FPÖ), um die Energiewende zu schaffen.

200 € wird jeder Haushalt in Österreich für diese Emissionszertifikate ausgegeben haben – Geld, das nicht in Österreich verwendet wird, sondern ins Ausland fließt, und ich zweifle auch daran, dass dieses Geld dort sinnvoll verwendet wird. Meine Damen und Herren! Das ist Abzocke unter dem Deckmantel des Klimaschutzes, und diesen Weg wollen wir nicht unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)


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Es kann nicht sein, dass Betriebe wie die Voest, die hier in Österreich umweltfreundlich produzieren, mit solchen Gesetzesbeschlüssen ins Ausland abgedrängt werden, dann dort ohne Umweltauflagen billig produzieren, nur damit dann wir die dort erzeugten Produkte wieder nach Österreich importieren. Das ist keine kluge Umweltschutz- und Energiepolitik. Einen solchen Weg werden wir nicht unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher bitte ich Sie, meine Damen und Herren, wenn es um Klimaschutz, Umweltschutz und Energiepolitik geht, darauf zu achten, dass alle notwendigen Maßnahmen und Finanzierungen auch hier in Österreich erfolgen, um unsere heimische Wirtschaft bestmöglich zu unterstützen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Katzian. – Bitte.

 


11.28.42

Abgeordneter Wolfgang Katzian (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminis­ter! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte wieder zu dem zurückkehren, was auf der Tagesordnung steht, nämlich zum Ökostromgesetz.

Erlauben Sie mir, dass ich mit einer Feststellung beginne. Was das Ökostromgesetz, das heute zur Debatte steht und zur Beschlussfassung vorliegt, betrifft, ist es uns bei den Verhandlungen in den letzten Wochen gelungen, einen Riesenschritt zu setzen, zum einen, um die Energieerzeugung in Österreich nachhaltiger zu machen, und zum anderen, um sicherzustellen, dass wir bis zum Jahr 2015 zumindest rechnerisch ohne Atomstrom auskommen. Ich meine, das ist ein wichtiges Ziel, das wir auch erst vor wenigen Wochen hier im Hohen Haus diskutiert haben. Und ich bin davon überzeugt, mit dieser Gesetzesvorlage ist uns das auch entsprechend gelungen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Wir setzen zweieinhalb Mal so viel Geld ein wie bisher. Wir fördern den Ausbau erneuerbarer Energien mit 50 Millionen €. 2015 wird die Ökostromförderung 550 Mil­lionen € betragen. Die Wasserkraft ist in Österreich ohnehin in sehr hohem Ausmaß vorhanden. Das heißt, wir hatten auch bisher schon einen sehr hohen Ökoenergie­anteil. Mit den Maßnahmen, die wir heute diskutieren und beschließen, wird der Ökoenergieanteil auf über 80 Prozent ansteigen.

Meine Damen und Herren! Wir haben eine Vielzahl an Debatten zum Ökostromgesetz hinter uns, in den vergangenen Jahren, aber auch in diesem Jahr. Anfang März – ich rufe das in Erinnerung – hat die Kommission den sogenannten Industriedeckel aufge­hoben, und während wir darüber zu diskutieren begonnen haben, wie es beim Öko­strom weitergeht, kam die Katastrophe von Fukushima mit all den Folgen, die wir kennen, und den Diskussionen, die diese Katastrophe in Japan ausgelöst hat. Jedenfalls ist das Ergebnis dieser Diskussionen ganz klar: Weltweit gibt es, glaube ich, heute eine sehr, sehr große Zustimmung zur Aussage, dass Kernenergie keine Zukunftstechnologie ist, dass Kernenergie etwas ist, was man wirklich nicht kontrollieren kann, dass da viele Fragen nicht gelöst sind, dass es ein gescheiterter Weg der Energiepolitik ist. Und daher war ganz klar: Wenn man die Kernenergie nicht will und wenn man weiß, wie sich die fossilen Energieträger entwickeln, dann kann man nur auf erneuerbare Energien setzen. Diesen Weg sind wir gegangen, und das liegt heute mit diesem Gesetz vor. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger.)

Ohne Zweifel hat die Debatte durch die Ereignisse in Fukushima weltweit eine ganz besondere Dynamik bekommen, und ohne Zweifel war auch in der Debatte rund um die Gesetzeswerdung klar – und da haben wir uns sehr darauf konzentriert, auch von Seiten der Sozialdemokratie –, dass wir rohstoffunabhängige Energieträger stärker und mehr in den Fokus zu bringen und zu fördern haben als rohstoffabhängige.


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Klar ist bei solchen Verhandlungen, dass es notwendig ist, sehr viele Interessen, viele Anliegen und auch viele wirtschaftliche Notwendigkeiten unterschiedlicher Akteure im ganzen Bereich der erneuerbaren Energien unter einen Hut zu bringen. Und das war ganz sicher kein einfacher Weg, weil es da doch sehr viele unterschiedliche Interessen gibt.

Was wir jedenfalls mit diesem Gesetz zustande gebracht haben, ist, dass es massive Investitionen in die Ökostromgewinnung geben wird, dass wir einen großen Schritt in Richtung mehr Unabhängigkeit vom Atomstrom machen. Bei dieser Gelegenheit muss man auch sagen, dass Ökostromförderung nicht etwas ist, was vom Steuerzahler in Form von irgendwelchen Förderungen bezahlt wird, sondern Ökostrom ist etwas, was jeder Konsument, jeder Stromkonsument bezahlen muss. (Abg. Dr. Karlsböck: Das ist auch ein Steuerzahler!)

Das war auch in der Vergangenheit schon so und das ist auch jetzt so, und daher ist es klar, wenn man sich von bestimmten Energieträgern abwendet, wenn man sagt, man will keinen Atomstrom haben, dann kann man es sich nicht so leicht machen und sagen: Der Strom kommt eh aus der Steckdose!, sondern man muss auch bereit sein, für erneuerbare Energien konkret etwas zu tun. Daher ist es notwendig, dass jeder einen entsprechenden Beitrag leistet.

Was uns wichtig war, ist, auch darauf zu achten, dass die wirtschaftliche Leistungs­fähigkeit der einzelnen Akteure entsprechend berücksichtigt wird. Und so haben wir im Wissen – das auch aus Studien der Arbeiterkammer stammt – um die Zunahme der Energiearmut festgelegt, dass besonders für sozial Schwache die Ökostromförderung mit 20 € begrenzt ist, und haben das gekoppelt an die Gebührenbefreiung beim ORF. Wir meinen, dass damit ein wichtiger Schritt gelungen ist, den notwendigen Umbau unseres Energiesystems nicht auf dem Rücken der sozial Schwachen durchzuführen. Das war uns ein besonders wichtiges Anliegen. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Wöginger.)

Am anderen Ende dieser Diskussionskette stand und steht die energieintensive Industrie. Und auch da war es uns ein Anliegen, darauf zu achten, dass die energie­intensive Industrie durch den Ausbau beim Ökostrom keinen Standortnachteil be­kommt. Das war ein schwieriger Spagat. Ich meine, letzten Endes ist uns das doch gelungen.

In letzter Konsequenz ist aber die Produktion, die Erzeugung von Energie nur ein Teil einer nachhaltigen Energiepolitik in der Zukunft. Den zweiten Schritt haben wir noch vor uns, das ist der Ausbau der Energieeffizienz. Ich habe immer gesagt: Energie­effizienz ist das größte Kraftwerk! Energieeffizienz ist auch ein Herzstück sozialdemo­kratischer Energiepolitik.

Daher bringe ich heute hier den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Haubner, Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitrag der Energie­effizienz zu einer nachhaltigen Energiezukunft Österreichs ein. Ich bitte, ihn ent­sprechend mit zu beraten.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich auch bei der Opposition für viele konstruktive und inhaltlich, wie ich meine, sehr fordernde Gespräche, auch in den letzten Stunden, kann man fast sagen, aber vor allem in den letzten Wochen. Ich hätte mich sehr gefreut darüber, wenn es gelungen wäre, dieses Bekenntnis zu einer modernen Energiepolitik in Österreich mit einem gemeinsamen Antrag und einer gemeinsamen Beschlussfassung aller fünf Parteien zustande zu bringen. Das ist leider nicht gelungen. Umso mehr bin ich sehr froh darüber, dass uns hier heute offensichtlich ein deutliches Votum gelingt – ein Votum, das auch aufzeigt, dass die große Mehrheit in diesem Haus für eine Zukunft mit erneuerbaren Energien zur


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Verfügung steht und hier die richtigen Schritte dazu einleitet. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der Grünen.)

11.35


Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist in seinen Grundzügen erläutert worden und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Wolfgang Katzian, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Beitrag der Energieeffizienz zu einer nachhaltigen Energiezukunft Österreichs

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 2 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regierungsvorlage (1223 d.B.): Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromge­setz 2012 – ÖSG 2012) (1302 d.B.)

Neben der Zusammensetzung unseres Energieerzeugungsmixes, ist vor allem die Frage der möglichst effizienten Nutzung der Energie jenes Feld, in welchem rasches und entschlossenes politisches Handeln gefordert ist. Gleichzeitig erfordern die Erfüllung der energie- und klimapolitischen Ziele und Verpflichtungen Österreichs aufbrin­gungs- und verbrauchsseitige Maßnahmen.

In diesem Sinne hat sich die Bundesregierung in ihrer Klausur Ende Mai 2011 darauf verständigt, ab Herbst an der Umsetzung eines Energieeffizienzgesetzes zu arbeiten. Im Rahmen dieses Gesetzes sollen alle Verbraucher zu einer effizienteren Nutzung von Energie angehalten werden.

Dem Ökostromgesetz, das die Produktion von Strom aus erneuerbaren Quellen aus­weitet, soll somit ein Energieeffizienzgesetz folgen, das die vorhandenen Energie­einsparpotenziale hebt. Entsprechend den Zielsetzungen der Bundesregierung soll die Entwicklung des Energieverbrauchs vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt werden und der jährliche Energieverbrauch auf dem Niveau der letzten Jahre (rund 1.100 Peta­joule) stabilisiert werden.

Der Bereich Energieeffizienz und Energiesparen ist eine Querschnittsmaterie über alle energiepolitischen Themenstellungen. Nur ein effizienterer Einsatz von Energie in allen Bereichen und Sektoren kann letztendlich zu spürbaren Veränderungen und hand­festen Ergebnissen bei der Energiepolitik führen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend wird ersucht, dem Nationalrat bis Ende Juni 2012 einen Entwurf für ein Energieeffizienzgesetz vorzulegen, das sich an folgenden Prämissen orientiert:

Stärkere gesetzliche – österreichweit geltende – Grundlagen für die Steigerung der Energieeffizienz.

Klare kompetenzrechtliche Zuordnungen, sodass ein sinnvoller, transparenter, nach­vollziehbarer und vor allem messbarer Einsatz von Maßnahmen und Instrumenten zur Steigerung der Energieeffizienz erfolgen kann.


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Vorbildfunktion des Bundes beim Energiesparen

Gesetzliche Festschreibung der Vorbildwirkung des Bundes als Gebäude- und Fuhrparkbesitzer.

Jährlich sollen 3 % des sanierungsfähigen Altgebäudebestands thermisch-energetisch saniert werden.

Einsatz stromsparender Straßenbeleuchtungen.

Bei Neuerrichtung von Bundesgebäuden sind 25% als Nahenull-Energie-Gebäude zu realisieren, wobei als Definitionsgrundlage der Primärenergieverbrauch heranzuziehen ist. Der Rest muss Niedrigenergiestandard erreichen.

In öffentlichen Einrichtungen ist die Einrichtung eines Energiedatenmanagements zu prüfen.

Bundeseinheitliche Rahmenbedingungen für die Optimierung der betrieblichen Ener­gie­effizienz

Betriebe mit hohem Energieverbrauch sollen ein Energiemanagementsystem etab­lieren oder im Rahmen der wiederkehrenden Überprüfung einen Energiecheck absolvieren.

Betriebe mit mittelgroßem Energieverbrauch sollen als Grundlage für ihr Energie­management ein betriebliches Energiekonzept besitzen.

Für alle anderen sollen begünstigte maßgeschneiderte Energieberatungen angeboten werden.

Entsprechende Bestimmungen sollen in dem jeweiligen Gesetzen (insbesondere der GewO, im EG-K und im MinRoG) verankert werden.

Abwärmenutzung/Hocheffiziente Wirkungsgrade

Kalorische Kraftwerke ab 50 MW Brennstoffwärmeleistung sollen nur an Standorten errichtet werden, an denen durch Abwärmenutzung ein hoher Gesamtwirkungsgrad gewährleistet ist.

Ungenutzte Abwärmeüberschüsse der Betriebe sollen wie bestehende Abwärme­potentiale in lokale und regionale Wärmenutzungskonzepte eingebunden werden.

Konzepte für Abwärmenutzungen sowie Umsetzungsprojekte sollen förderbar sein.

Verstärkte Förderung hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungen auch in kleinen und kleinsten Leistungsbereichen, insbesondere im Gewerbe.

Forcierung der Sanierung von Privat- und Geschäftsgebäuden

Erfolgreiche Bundesaktion der Gebäudesanierung für Haushalte, Betriebe und Genos­senschaften auch nach 2015.

Förderung des Fernwärme und -kälteleitungsausbaus mit ab 2013 zusätzlich zur Bundesdotierung 20 Mio. € p.a. für den Abbau der Förderanträge (befristet bis max. 2020)

Zielgerichteter Einsatz von Maßnahmen und Instrumenten zur Steigerung der Energieeffizienz auf Basis von modernen Mess- und Informationstechnologien („Smart Metering“).

Prüfung der Möglichkeit einer Verpflichtung von Energieversorgern zu Effizienzsteige­rungsmaßnahmen (inkl. Anreizsysteme und Sanktionsmaßnahmen).


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Intensivierung der nichtnukleare Energieforschung sowie Förderung von Energie­effizienz-Leuchtturmprojekten.

Weitere Optimierung der Strom- und Gasnetze sowie Berücksichtigung von energie­effizienten Kriterien in der Regulierung.

Optimierung des österreichischen Kraft- und Heizwerkparks – Erhebung des Status Quo der Anlagen hinsichtlich Nutzung, Wirkungsgrade, Stoffflüsse, etc. und Ableitung von Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz.

Ausbau und Nutzung von KWK und Abwärmepotenzialen – Erhebung von Potenzialen, Investitionsstrategien und Ausbauplänen.

Weiters wird der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend ersucht, dem Nationalrat bis Ende Dezember 2011 eine Novelle des Bundesgesetzes, mit dem Bestimmungen auf dem Gebiet der Kraft-Wärme-Kopplung neu erlassen werden (KWK-Gesetz) unter Berücksichtigung folgender Punkte vorzulegen:

Weiterführung der 2010 ausgelaufenen Betriebsförderungen für KWK Anlagen bis 2015 zu gleichen Bedingungen.

Prüfung und Implementierung eines geeigneten Förderinstrumentes für Kleinblockheiz­kraftwerke."

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Klubobfrau Dr. Glawischnig-Piesczek. – Bitte.

 


11.36.00

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist wahr, wir haben in diesem Haus, aber nicht nur in diesem Haus, vor allem aber an dieser Stelle schon sehr oft über das Ökostromgesetz und über den Ökostromausbau gestritten, aus gutem Grund gestritten, denn in diesem Bereich war – und wenn man sich die letzten Jahre vor Augen führt, stellt man das fest – wirklich so etwas wie „die Wüste“.

So möchte ich es auch noch einmal beschreiben: Während in vielen Nachbarländern, in vielen europäischen Ländern buchstäblich die Post abgegangen ist, wirtschafts­politisch, technologiepolitisch, gab es in Österreich so etwas wie totale Resignation. Während zum Beispiel im Jahr 2009 die Technologie, in die in Europa von den energiepolitischen Dimensionen her am meisten investiert wurde, die Windenergie war, wurde in Österreich in diesem Jahr kein einziges Windrad errichtet.

Wir haben in dieser Zeit Nachbarländer wie Tschechien erlebt, die in ganz, ganz kurzen Monatsphasen, in eineinhalb Jahren allein im Bereich des Sonnenstroms Leistungen vom Eineinhalbfachen des Kraftwerks Temelín erzielt haben. Das sei hier erwähnt, um einmal zu verdeutlichen, was sich da international getan hat, während Österreich eigentlich mit einem sogenannten Begrenzungsgesetz auf der Bremse gestanden ist. Umso erfreulicher ist die Dynamik, die jetzt in diesem Bereich, offen­sichtlich auch durch die Möglichkeit der Zweidrittelmehrheit, zustande gekommen ist.

Ich möchte einmal betonen, dass es uns sehr wichtig ist, über so große Ziele wie das Vorhaben, Energieunabhängigkeit beziehungsweise Energieautarkie bis zum Jahr 2050 zu erreichen, nicht nur zu reden, denn das Gerede hat nur dann einen Sinn, wenn man auch tatsächlich die ersten konkreten Schritte dahin gehend setzt. Und diese ersten konkreten Schritte werden jetzt mit diesem Ökostromgesetz, mit dieser Novelle auch tatsächlich gesetzt, was ich ausdrücklich würdigen möchte.


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Wir befinden uns in manchen Bereichen wirklich auf einem Niveau, das nicht herzeig­bar ist. Während wir im Bereich des Sonnenstroms 0,1 Prozent anbieten können, haben Länder wie Bayern, mit Österreich von der Größe her vergleichbar, Sonnen­strom bereits in einer Größenordnung von 6 Prozent.

Ich teile die Einschätzung, dass der Strompreis steigen wird. Allerdings glaube ich, dass die einzige richtige Antwort darauf ist, in Technologien zu investieren, die tatsächlich zukunftssicher sind. Dieses Gesetz, inklusive der Erhöhung der Förder­mittel, bedeutet daher für die Konsumentinnen und Konsumenten mittel- und langfristig Preissicherheit. Es ist eigentlich das Gegenteil von der Befürchtung, die manche hier haben, nämlich dass sich der Strompreis für die Haushalte eins zu eins verteuern wird, der Fall.

Schauen Sie sich die Ölpreisentwicklung an! Schauen Sie sich an, wie das vor der Wirtschaftskrise war! Schauen Sie sich an, in welchen Abhängigkeiten sich Österreich hier befindet! – Der Strompreis hängt am Ölpreis. Der Gaspreis hängt am Ölpreis. Und da eine andere Industrie und Wirtschaft aufzubauen, nicht nur in der Strom­versorgungssicherheit, sondern auch wirtschaftspolitisch, ist eine sehr gute und richtige Entscheidung. (Beifall bei den Grünen.)

Nur damit ich Ihnen noch einmal vor Augen führe, welche Potenziale in diesen Techno­logien tatsächlich liegen: In den letzten Jahren wurden europaweit 75 Atomkraftwerke allein von der Windkraft sozusagen ersetzt, von der installierten Leistung her. Und auf der Grundlage dieses Ökostromgesetzes – und ich möchte es an der Größenordnung der Atomkraftwerke von der Größe Temelíns messen, damit man sich vorstellen kann, welches Ausbauvolumen in den nächsten Jahren erreicht wird – bauen wir in den nächsten Jahren, wenn dieses Gesetz tatsächlich greifen sollte, zwei Temelín-Blöcke Windenergie. Wir bauen eineinhalb Blöcke Sonnenstrom, einen Block Wasserkraft. Das ist nicht zu unterschätzen. Temelín ist eines der größten Kraftwerke der Welt: 1 000 Megawatt. Und wir bauen das Viereinhalbfache von einem Block Temelín allein im Bereich der erneuerbaren Energieträger. Und das ist schon etwas Schönes. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ein Schritt zu mehr Unabhängigkeit von Atomstrom; ich möchte das ausdrücklich noch einmal honorieren. Wir haben in den letzten Jahren vor allem mit der Arbeiter­kammer und auch mit vielen, die vor allem die Haushaltspreisentwicklung im Auge gehabt haben, immer wieder Auseinandersetzungen gehabt. Ich finde, volkswirtschaft­lich betrachtet – und da war es notwendig, einmal wegzukommen von der Cent- und Euro-Betrachtung und das Augenmerk mehr darauf zu lenken, was das volkswirt­schaftlich für Sicherheiten bringt – ist es ein riesiger gemeinsamer Schritt, an dem wir weiter arbeiten sollten.

Wirtschaftspolitisch gesehen ist es für viele österreichische Regionen ein Riesenvorteil. Es wird dadurch die Regionalwirtschaft gestärkt, die Auftragsbücher von Installateuren, von Solarteuren, von vielen Firmen, die jetzt zu 99 Prozent exportorientiert arbeiten, werden voller werden. Das bedeutet auch mehr Steuereinnahmen aus Wirtschafts­unternehmen. Dadurch werden die Regionalstrukturen gestärkt. Unterm Strich ist das eine sowohl sozialpolitisch als auch wirtschaftspolitisch richtige Entscheidung.

Wir haben bis zur letzten Sekunde verhandelt. (Zwischenruf der Abg. Mag. Brunner.) Ich rede ein bisserl schnell, liebe Christiane, denn ich habe nur 7 Minuten Redezeit, aber ich freue mich, weil ich mich an dieser Stelle schon so oft geärgert habe und den Kollegen Kopf wegen seiner Gartenzwergorientierung schon so oft beschimpft habe, glaube ich, aber das nehme ich hier heute ausdrücklich zurück.

Ich stelle hier fest, dass es tatsächlich ein Umdenken gegeben hat. Bis zur letzten Minute wurde verhandelt, bis zur letzten Minute wurde mit offenen Ohren verhandelt,


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und das ist wichtig! Verhandlungen, die sich sozusagen nur um Zweidrittelmehr­heitsblockaden ranken, sind schade, weil inhaltlich unterm Strich nicht wirklich etwas Gutes herauskommt. Diese Gesetz ist jetzt wirklich inhaltlich absolut vertretbar. Ich würde sagen, die Wüste wird grün. (Demonstrativer Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Abg. Hörl.) Ja, es war vorher eine Wüste. Das sage ich insbesondere als Grüne, die in solchen Fragen nicht so leicht zufriedenzustellen ist.

Es ist allerdings erst der erste Schritt, wir haben noch viele weitere zu gehen. Es ist ein Schritt dahin gehend, mehr Investitionsvolumen, mehr Marktdynamik zu ermöglichen. Ich würde mir wünschen, dass wir im Herbst unsere Bemühungen weiter fortsetzen, mit dem Ziel, Atomstromimporte konsequent abzudrehen. Das heißt, dass auch kein Handeln mit Atomstrom mehr möglich ist, was zur Folge haben soll, dass die großen Energieversorger langsam auf diesen Geschäftsbereich verzichten.

Ich würde mir auch wünschen, dass im Bereich des Klimaschutzes etwas weitergeht. Da hat Kollege Hofer etwas ganz Richtiges angesprochen: Wir mussten Emissions­zertifikate nachkaufen, weil wir es in den letzten vier Jahren nicht geschafft haben, die Klimaziele zu erreichen. – Das ist wirklich erbärmlich! Das hätten wir uns sparen können. Das ist sehr viel Geld gewesen, das wir für die eigene Wirtschaft sehr gut hätten brauchen können.

Aber okay. Spät, aber doch, wir beginnen neu! Ich wünsche mir, dass dieses Gesetz genau das, was sich diese Branche erwartet, auch bringt. Es ist jetzt viel zu tun. Es ist dies erst der erste Schritt, weitere werden hoffentlich folgen.

Danke vor allem an die inhaltlichen Verhandler, insbesondere an Christiane Brunner, die bis gestern Nacht mit sehr viel Sachkompetenz einiges im Hinblick auf einen wichtigen umweltpolitischen Erfolg erreicht hat. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.42


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Haubner. – Bitte.

 


11.42.30

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen“ – so steht es nicht in der österreichischen Verfassung, sondern im deutschen Grundgesetz, Artikel 20, aber der wurde im Rahmen des Österreich-Konvents sehr oft zitiert.

Genau diese natürlichen Lebensgrundlagen, diese Lebensressourcen finden wir in unserer Natur in Österreich. Dazu zählen das Wasser, der Wind und die Sonne, und diese Ressourcen sind auch energiepolitisch nutzbar, ohne dass wir sie verbrauchen, also sogenannte erneuerbare Energieträger. In vielfältiger Form sind sie in unserem Lande nutzbar. Und das ist auch das Kernstück unserer Energiepolitik in Österreich.

Ein wesentlicher Vorteil unserer Energiepolitik ist sicher auch die Wasserkraft, und es ist ein Faktum, dass die ökologischen Vorteile der Wasserkraft es erlauben, diese aufgrund ihrer Emissionsarmut und ihrer Nachhaltigkeit zu den umweltfreundlichen Stromerzeugungstechnologien zu zählen.

Wir setzen ohne Wenn und Aber auf diese erneuerbaren Energieträger, und das zeigt die vorliegende Novelle des Ökostromgesetzes ganz deutlich. Diese Novelle bringt, wie bereits erwähnt worden ist, notwendige und vor allem deutliche Verbesserungen gegenüber dem geltenden Gesetz, und diese Regeln sind vor allem – und das ist auch ganz wichtig – marktorientiert und transparent.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 66

Zu unserer politischen Verantwortung gehört es auch, dass wir bei der Nutzung unserer Energieressourcen auch auf die Wirtschaftlichkeit und vor allem auf die Wett­bewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft achten, damit wir den Endverbrauch für den Ökostrom finanziell erschwinglich machen und damit dieser auch erschwinglich bleibt.

Auch wenn wir in Europa führend in der Nutzung der erneuerbaren Energien sind, was zweifelsohne erfreulich ist, haben wir uns sehr ambitionierte – ich betone: sehr ambitionierte! –, aber auch mit der Branche abgestimmte Ziele bis zum Jahr 2020 gesetzt. Diese Ziele überschreiten auch den Nationalen Aktionsplan deutlich. So werden wir in der nächsten Zeit bis 2020 beim Anteil erneuerbarer Energien am öffentlichen Stromverbrauch 80 Prozent erreichen. Ich glaube, damit unterstützen wir auch Forderungen der Österreicherinnen und Österreicher, denn über 70 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher wollen einen sauberen Strom. Daher ist es unser Ziel, die Atomstromimporte bis zum Jahr 2015 bilanziell zu ersetzen.

Atomstrom ist out, und wir schaffen mit dem richtigen Energiemix aus Wasser, Wind, Biomasse und Sonne ein von Stromimporten unabhängiges Österreich. Das soll unser Ziel sein. Das war die Ausgangssituation für unsere Verhandlungen, und das war auch die Zielsetzung unserer Verhandlungen zu diesem Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir können also mit Fug und Recht behaupten, dass das vorliegende Ökostromgesetz ein großer energiepolitischer Wurf ist. Ich freue mich, dass die Grünen ihre Blockade­politik bei den Zweidrittelmehrheiten hier aufgegeben haben und dass sie bei diesem Gesetz auch dabei sind, weil ich glaube, dass das in diesem Bereich ganz wichtig ist.

Ich möchte mich gerade beim BZÖ, weil mit dem BZÖ die Verhandlungen sehr konstruktiv waren, auch hier recht herzlich bedanken. Es freut mich, dass wir hier gemeinsam zu einer Lösung gekommen sind. Ich glaube, das ist ganz wichtig für Österreich, für die Energiepolitik in Österreich und auch für die Menschen in Öster­reich.

Meine Damen und Herren, wir haben uns in der Energiepolitik – ich habe es schon erwähnt – ambitionierte Ziele gesteckt, weil wir einfach davon überzeugt sind, dass wir mit der Förderung von erneuerbaren Energien unsere Lebensgrundlagen für die nächsten Generationen bewahren und wir damit auch dafür sorgen, dass unsere Kinder und Kindeskinder davon auch wirtschaftlich profitieren können. Ich sage Ihnen auch, warum.

Erneuerbare Energien sind bei ökologischer Ausgestaltung umweltfreundlich und tragen besonders zum Klimaschutz bei – und das ist uns ganz wichtig! Sie sind risikoarm und im Zweifelsfalle leicht rückbaubar. Sie schaffen vor allem neue Arbeits­plätze in wichtigen Zukunftsbranchen, besonders auch in strukturschwachen Regionen. Und sie haben vor allem – und das ist ganz wichtig – ein hohes Exportpotenzial auf dem Weltmarkt. Wir wollen vom Stromimporteur zum Stromexporteur werden; das ist eine weitere Zielsetzung. Erneuerbare Energien geben darüber hinaus viele Anreize für Investitionen in moderne Technologien. Sie sind einfach die Voraussetzung für eine nachhaltige Energieversorgung in Österreich. Das alles sind Gründe, warum wir mit großer Anstrengung gemeinsam an diesem Ökostromgesetz gearbeitet haben.

Ich möchte mich hier noch einmal bei allen bedanken, die dies möglich gemacht haben, insbesondere bei Minister Mitterlehner, der mit seinen Vorarbeiten die Basis für diese heutigen Beschlüsse geschaffen hat. Ich denke, dass das wichtig war, und danke Ihnen, Herr Minister, für diese Vorbereitungen in dieser Hinsicht. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 67

Ich bin auch sehr froh darüber, dass wir hier im Hohen Haus eine große Mehrheit dafür gefunden haben, denn mit Ihrer Zustimmung stellen Sie Ihre Verantwortung für die Menschen in unserem Lande und den Willen zur Nachhaltigkeit deutlich unter Beweis.

In diesem Sinne bringe ich nun in Zweiter Lesung einen Abänderungsantrag der Abgeordneten Peter Haubner, Wolfgang Katzian, Mag. Christiane Brunner, Mag. Rai­ner Widmann, Kolleginnen und Kollegen zur Regierungsvorlage (1223 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012) in der Fassung des Ausschuss­berichtes (1302 der Beilagen) ein. Dieser Abänderungsantrag wurde bereits verteilt.

Ich möchte in Bezug auf die Zielsetzung nur ganz kurz die Eckpunkte erläutern. – Es wird einen Deckel beim Ökostrom in der Höhe von 50 Millionen € geben, der degressiv jährlich um 1 Million € innerhalb der ersten zehn Jahre nach Inkrafttreten zurückgeführt wird. Es ist die Erhöhung des Beitrages an die Antragsteller in der Warteschlange, speziell im Bereich des Windes, von 60 Millionen auf 80 Millionen vorgesehen.

Weiters sind in diesem Antrag folgende Ziele festgelegt, die wir erreichen wollen: Im Jahr 2015 wollen wir 500 MW bei der Photovoltaik erreichen, im Jahre 2020 sind es 1 200 MW.

Die anderen Punkte, die in diesem Antrag noch festgehalten sind, betreffen sehr viele technische Details.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir konsequent und nachhaltig unsere Ziele so weiterverfolgen, dann werden wir in der Energiepolitik unsere Führungsrolle in Europa weiter ausbauen können. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

11.49


Präsident Fritz Neugebauer: Der Abänderungsantrag ist in seinen Kernpunkten erläutert worden, steht mit in Verhandlung, ist kopiert und verteilt.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Peter Haubner, Wolfgang Katzian, Mag. Christiane Brunner, Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen

zur Regierungsvorlage (1223 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostrom­gesetz 2012) in der Fassung des Ausschussberichtes (1302 der Beilagen)

Der Nationalrat wolle in 2. Lesung beschließen:

Die im Titel bezeichnete Regierungsvorlage wird geändert wie folgt:

1. In § 4 Abs. 3 wird nach der Wortfolge „1 500 GWh)“ die Wortfolge „, 500 MW Photovoltaik (mit einer auf das Durchschnittsjahr bezogenen zusätzlichen Ökostrom­erzeugung von ca. 500 GWh)“ eingefügt.

2. § 4 Abs. 4 Z 4 lautet:

„4. Photovoltaik: 1 200 MW (entspricht einer auf ein Durchschnittsjahr bezogenen zusätzlichen Ökostromerzeugung von ca. 1,2 TWh).“

3. § 5 Abs. 1 Z 1 lautet:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 68

„1. „Abfall mit hohem biogenen Anteil“ die in der Anlage 1 angeführten Abfälle, definiert durch die zugeordnete 5-stellige Schlüsselnummer gemäß Anlage 5 des Abfallver­zeich­nisses der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II Nr. 570/2003, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 89/2005; der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen gemäß Anlage 1 ist hinsichtlich der Tarifeinstufung gesondert zu behandeln; der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen, die nicht in der Anlage 1 angeführt sind, ist nicht Biomasse im Sinne dieses Bundesgesetzes;“

4. In § 5 Abs. 1 Z 5 lautet der erste Satz:

„„Anlage“ eine Stromerzeugungsanlage, die zumindest teilweise aus erneuerbaren Energieträgern Ökostrom erzeugt und als Ökostromanlage, Mischfeuerungsanlage oder Hybridanlage anerkannt ist;“

5. § 5 Abs. 1 Z 7 lautet:

„7. „Biomasse“ den biologisch abbaubaren Anteil von Erzeugnissen und Rückständen der Landwirtschaft mit biologischem Ursprung (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Industriezweige einschließlich der Fischerei und der Aquakultur sowie den biologisch abbaubaren Anteil von Abfällen gemäß Z 1; der biologisch abbaubare Anteil von Abfällen, die nicht in der Anlage 1 angeführt sind, ist nicht Biomasse im Sinne dieses Bundesgesetzes;“

6. In § 5 Abs. 1 Z 27 wird die Wortfolge „in § 4 Abs. 2 und Abs. 3 enthaltenen Ziele“ durch die Wortfolge „in § 4 Abs. 2 bis Abs. 4 enthaltenen Ziele“ ersetzt.

7. § 5 Abs. 1 Z 29 lautet:

„29. „Unterstützungsvolumen“ die Mittel, die sich aus den Erlösen aus der Zuweisung der Herkunftsnachweise für Ökostrom gemäß § 10 Abs. 8, dem Ökostrompauschale gemäß Z 25 sowie den Ökostromförderbeiträgen gemäß Z 24 pro Kalenderjahr ergeben;“

8. In § 10 Abs. 7 entfällt die Wortfolge „kostenlos und“.

9. In § 10 Abs. 12 wird folgender Satz angefügt:

„Für die Preisermittlung ist es zulässig, einen geringfügigen Anteil an Herkunfts­nach­weisen zu versteigern.“

10. Nach § 10 Abs. 12 wird folgender Abs. 13 angefügt:

„(13) Herkunftsnachweise dürfen für elektrische Energie aus Photovoltaikanlagen mit einer Leistung bis zu 5 kWpeak auch ohne Vorliegen eines Anerkennungsbescheids ausgestellt werden.“

11. In § 13 Abs. 1 Z 5 wird die Wortfolge „gemäß Z 4 oder Z 5“ durch die Wortfolge „gemäß Z 3 oder Z 4“ ersetzt.

12. In § 13 Abs. 3 lautet der letzte Halbsatz:

„wobei nach Möglichkeit die durch die jeweiligen Technologien verursachten Kosten zu berücksichtigen sind, zumindest jedoch zwischen Ausgleichsenergie für Windkraft und Ausgleichsenergie für alle anderen Ökostromanlagen zu unterscheiden ist.“

13. In § 14 Abs. 3 und in § 17 Abs. 1 wird jeweils das Wort „Unterstützungsvolumen“ durch die Wortfolge „zusätzliches jährliches Unterstützungsvolumen“ ersetzt.

14. In § 14 Abs. 5 wird der letzte Punkt durch einen Beistrich ersetzt und folgende Wortfolge angefügt:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 69

„sobald die Ökostromabwicklungsstelle wieder über ausreichend Mittel verfügt. Die Ökostromabwicklungsstelle ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten verpflichtet, alle Maß­nahmen zur Beschaffung der erforderlichen Finanzmittel zu ergreifen.“

15. In § 16 Abs. 1 wird nach der Wortfolge „ab Kontrahierung mit der Öko­stromabwicklungsstelle“ die Wortfolge „(Beginn der Abnahme von Ökostrom durch die Ökostromabwicklungsstelle gemäß § 12)“ eingefügt.

16. § 18 Abs. 1 lautet:

„§ 18. (1) Die Einspeisetarife für die Kontrahierung von Ökostrom bestimmen sich für Anlagen nach den im Zeitpunkt der Antragstellung bestimmten Preisen. Die Vergütung für die kontrahierten Ökostromanlagen erfolgt entsprechend den von der Anlage erzeugten und in das öffentliche Netz abgegebenen Ökostrommengen.“

17. In § 18 Abs. 2 wird vor der Wortfolge „Hybrid- oder Mischfeuerungsanlagen“ die Wortfolge „rohstoffabhängigen Ökostromanlagen, “ eingefügt.

18. In § 19 Abs. 2 wird die Wortfolge „2% bei Windkraft“ durch die Wortfolge „1% bei Windkraft“ und wird die Wortfolge „10% bei Anlagen auf Basis von Photovoltaik“ durch die Wortfolge „8% bei Anlagen auf Basis von Photovoltaik“ ersetzt.

19. § 20 Abs. 2 Z 5 lautet:

„5. durch die Preisbestimmung ist sicherzustellen, dass sich die Förderungen an den effizientesten Standorten zu orientieren haben und die Möglichkeit einer Maximierung der Tarifhöhe durch eine Aufteilung in mehrere Anlagen ausgeschlossen ist;“

20. In § 20 Abs. 3 Z 3 wird vor dem Wort „Tarif“ das Wort „einheitlicher“ eingefügt.

21. In § 21 Abs. 3 wird die Wortfolge „15% der Kosten“ durch die Wortfolge „12,5% der Kosten“ ersetzt.

22. § 23 Abs. 2 lautet:

„(2) Das in Form des zusätzlichen jährlichen Unterstützungsvolumens festgelegte rechnerische Kontingent für neu zu kontrahierende Ökostromanlagen beträgt 50 Mil­lionen Euro jährlich. Dieser Betrag reduziert sich innerhalb der ersten zehn Jahre nach Inkrafttreten pro Kalenderjahr um 1 Million Euro.“

23. In § 23 Abs. 3 Z 1 wird die Wortfolge „3,8 Millionen Euro“ durch die Wortfolge „8 Millionen Euro“ ersetzt.

24. § 23 Abs. 3 Z 5 lautet:

„5. 19 Millionen Euro auf den Resttopf (Wind-, Wasserkraft, Photovoltaik-Netzparität). Dieser Betrag reduziert sich innerhalb der ersten zehn Jahre nach Inkrafttreten pro Kalenderjahr um 1 Million Euro.“

25. § 23 Abs. 4 Z 1 lautet:

„1. für Windkraft werden 80 Millionen Euro an Unterstützungsvolumen bereitgestellt, die ausschließlich für die sofortige Kontrahierung gemäß § 56 Abs. 4 Z 1 zur Verfügung stehen;“

26. In § 23 Abs. 5 wird folgender erster Satz neu eingefügt:

„Die Kontrahierung gemäß Abs. 1 erfolgt gesondert für jeden einzelnen Antrag. Das dafür verwendete zusätzliche jährliche Unterstützungsvolumen errechnet sich aus der Multiplikation der durch die Anlage in einem Kalenderjahr erzeugten Ökostrommengen mit der Differenz aus den Aufwendungen der Ökostromabwicklungsstelle in Höhe des jeweiligen Einspeisetarifes samt allfälligen Zuschlägen und den aliquoten Aufwendun­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 70

gen gemäß § 42 Abs. 4 einerseits und dem Marktpreis gemäß § 41 Abs. 3 andererseits.“

27. § 23 Abs. 7 lautet:

(7) Zuschläge gemäß § 21 sowie Betriebskostenzuschläge gemäß § 22 sind dem zusätzlichen jährlichen Unterstützungsvolumen der jeweiligen Anlagenkategorie in jenem Kalenderjahr anzurechnen, in denen diese Zuschläge erstmals in Anspruch genommen werden.“

28. In § 26 Abs. 2 wird die Wortfolge „14 Millionen Euro“ durch die Wortfolge „16 Millionen Euro“ ersetzt.

29. In § 26 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

„Im Falle von Revitalisierungen kann für die Bemessung des höchstzulässigen Inves­titionszuschusses wahlweise die Erhöhung der Engpassleistung oder die auf eine fiktive Engpassleistung umgerechnete Erhöhung des Regelarbeitsvermögens heran­gezogen werden.“

30. § 27 Abs. 1 und Abs. 2 lautet:

„§ 27. (1) Die Neuerrichtung oder Revitalisierung einer mittleren Wasserkraftanlage kann durch Investitionszuschuss gefördert werden. § 26 Abs. 3 letzter Satz gilt sinngemäß.

(2) Die für die Gewährung von Investitionszuschüssen aufzubringenden Fördermittel sind mit insgesamt 50 Millionen Euro begrenzt. Die Ökostromabwicklungsstelle hat dazu bis 2014 jährlich höchstens 7,5 Mio. Euro an Mitteln zu überweisen.“

31. Nach § 41 Abs. 2 wird folgender Abs. 3 angefügt:

„(3) Der für die Berechnung des zusätzlichen jährlichen Unterstützungsvolumens maß­gebende Marktpreis gemäß § 23 Abs. 5 wird durch den Mittelwert der im voran­gegangenen Kalenderjahr gemäß Abs. 1 veröffentlichten vier Quartalswerte bestimmt.“

32. § 42 Abs. 1 Z 5 lautet:

„5. die Aufwendungen für die Technologiefördermittel der Länder gemäß § 43.“

33. In § 44 Z 2 wird die Wortfolge „die dazugehörigen Herkunftsnachweise“ durch die Wortfolge „den dazugehörigen Herkunftsnachweisen“ ersetzt.

34. In § 45 Abs. 2 wird in Z 4 die Wortfolge „420 Euro“ durch die Wortfolge „320 Euro“ und wird in Z 5 die Wortfolge „10 Euro“ durch die Wortfolge „11 Euro“ ersetzt.

35. § 46 Abs. 4 und § 49 Abs. 4 lauten jeweils:

„(4) Die Datenübermittlung der GIS Gebühren Info Service GmbH an die E-Control und die Netzbetreiber sowie die Datenübermittlung der Netzbetreiber an die GIS Gebühren Info Service GmbH zum Zwecke dieser Bestimmung ist zulässig.“

36. Nach § 46 Abs. 4 und § 49 Abs. 4 werden jeweils folgende Abs. 5 und Abs. 6 angefügt:

„(5) Der Anspruch für eine Befreiung gemäß Abs. 1 erlischt bei Wegfall von zumindest einer der Voraussetzungen sowie bei Verletzung der Auskunfts-, Vorlage- bzw. Meldepflichten gemäß § 7 Fernsprechentgeltzuschussgesetz. Die GIS Gebühren Info Service GmbH hat diesen Zeitpunkt den betroffenen Personen sowie dem Netz­betreiber mitzuteilen. Zu Unrecht erlangte Vermögensvorteile sind von der GIS Gebühren Info Service GmbH zurückzufordern und an die Ökostromabwicklungsstelle abzuführen.


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(6) In Streitigkeiten zwischen der GIS Gebühren Info Service GmbH und den betroffenen Personen entscheiden die ordentlichen Gerichte.“

37. In § 52 Abs. 1 lautet der erste Satz:

„Die E-Control hat dem Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend sowie dem Nationalrat jährlich einen Bericht vorzulegen, in dem analysiert wird, inwieweit die Ziele des Gesetzes erreicht wurden, welche Veränderungen im Vergleich zu den Vorjahren erfolgt sind und welche Auswirkungen das für die Endverbraucher hat.“

38. (Verfassungsbestimmung) In § 56 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

„Insbesondere gelten § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 2 bis Abs. 4, § 10, § 11, § 13, § 14 Abs. 1 und Abs. 5, § 17, § 18 Abs. 2 bis Abs. 5, § 21 Abs. 2 und Abs. 3, § 22 und § 51 Abs. 4 auch für diese Anlagen.“

39. In § 56 Abs. 4 Z 1 wird die Wortfolge „9,4 Cent/kWh“ durch die Wortfolge „9,5 Cent/kWh“ ersetzt.

40. In § 56 Abs. 4 Z 2 lautet die Tabelle:

Kontrahierung laut Warteliste im Kalenderjahr

beantragter Tarif in Höhe von 25 Cent/kWh

beantragter Tarif in Höhe von 33 Cent/kWh

beantragter Tarif in Höhe von 35 Cent/kWh

beantragter Tarif in Höhe von 38 Cent/kWh

2012

2,5% Abschlag

5% Abschlag

6% Abschlag

7,5% Abschlag

2013

7,5% Abschlag

10% Abschlag

11% Abschlag

12,5% Abschlag

2014

12,5% Abschlag

15% Abschlag

16% Abschlag

17,5% Abschlag

2015 oder später

17,5% Abschlag

20% Abschlag

21% Abschlag

22,5% Abschlag

 

41. In § 56 Abs. 4 lautet der Schlussteil:

„Der Antragsteller eines Antrages, der auf Grundlage des Ökostromgesetzes, BGBl. I Nr. 149/2002, gestellt wurde, hat innerhalb von zwei Monaten ab Inkrafttreten dieser Bestimmung oder, sofern der Antrag nach dem Inkrafttreten gestellt wurde, bei Antrag­stellung den Antrag auf sofortige Kontrahierung bei der Ökostromabwicklungsstelle zu stellen. Im entgegengesetzten Fall erfolgt eine Kontrahierung durch die Ökostrom­abwicklungsstelle nach Maßgabe des für die jeweilige Anlage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bestimmten Kontrahierungszeitpunktes und Ein­speisetarifes. Anträge, die nach Inkrafttreten dieser Bestimmung im Jahr 2011 gestellt werden, gelten als im Jahr 2015 gereiht. § 15 Abs. 5 letzter Satz und Abs. 6 gilt sinngemäß.“

42. (Verfassungsbestimmung) In § 57 Abs. 1 wird das Wort „Halbjahresersten“ das Wort „Quartalsersten“ ersetzt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 72

Begründung:

Zu den Z 1, 2 und 22 bis 24:

Das zusätzliche jährliche Unterstützungsvolumen wird zur Forcierung der Photovoltaik und zur Förderung des rascheren Erreichens der Netzparität auf 50 Millionen Euro angehoben. Damit verbunden werden auch die Ausbauziele bis 2015 und 2020 angepasst.

Zu den Z 3 und 5:

Durch die vorgesehenen Änderungen soll noch deutlicher gemacht werden, dass alle Stoffe, die unter die Anlage 1 fallen, unabhängig von ihrer Herkunft jedenfalls Abfall mit hohem biogenen Anteil sind und, obwohl sie auch in den Überbegriff der Biomasse fallen, aus Gründen einer kostengünstigeren Beschaffung bei der Bemessung der Einspeisetarife anders behandelt werden. Abfälle, die nicht unter die Anlage 1 fallen, gelten nicht als Biomasse, da sie keinen hohen biogenen Anteil aufweisen.

Zu Z 4:

Da eine Anlage gemäß § 7 nur als Ökostromanlage, Hybridanlage oder Misch­feuerungsanlage anerkannt werden kann, wurde die Wortfolge „als solche anerkannt“ präzisiert.

Zu den Z 6, 11, 13, 15, 19, 20, 27 und 33:

Die vorgesehenen Änderungen beabsichtigen Berichtigungen von sprachlichen For­mulierungen oder Zitaten.

Zu Z 7:

Bei der Definition des Unterstützungsvolumens wurden die Erlöse aus dem Verkauf der Herkunftsnachweise ergänzt, da diese nicht vom Marktpreis umfasst sind.

Zu Z 8:

Durch die Streichung des Wortes „kostenlos“ wird klargestellt, dass Herkunfts­nach­weise für Ökostrom einen monetären Wert beinhalten.

Zu Z 9:

Zur Erreichung einer möglichst wertgerechten Festlegung der Preise für die Herkunfts­nachweise ist es zulässig, dass die E-Control einen geringfügigen Anteil der Her­kunftsnachweise versteigern kann. Es wird davon ausgegangen, dass eine Ver­steigerung von maximal 10% der Herkunftsnachweise für eine wertgerechte Preisermittlung ausreichend sein wird.

Zu Z 10:

Zur Senkung von Verwaltungsaufwand bei den Landesbehörden wird festgelegt, dass eine Photovoltaik-Anlage kleiner als 5 kWpeak, die ja keine Förderung gemäß ÖSG 2012 erhält, für die Ausstellung von Herkunftsnachweisen für den von ihr erzeugten Ökostrom, der mengenmäßig insgesamt kaum ins Gewicht fällt, über keinen Anerken­nungsbescheid verfügen muss.

Zu Z 12:

Bei der Festlegung der Kosten für Ausgleichsenergie soll es in Zukunft möglich sein, nicht nur zwischen Ausgleichsenergiekosten für Windkraft und sonstige Öko­strom­anlagen zu unterscheiden, sondern nach Möglichkeit auch innerhalb der sonstigen Ökostromanlagen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 73

Zu Z 14:

Durch die Ergänzung wird gesetzlich klargestellt, dass die Ökostromabwicklungsstelle unverzüglich alle möglichen Maßnahmen ergreifen muss, um zu der notwendigen Deckung der Mittel zu kommen. Die Nachzahlung kann erfolgen, sobald die Öko­stromabwicklungsstelle wieder über ausreichend Mittel verfügt.

Zu Z 16:

Die in der Regierungsvorlage nur für Photovoltaik vorgesehene Abschlagssystematik („call system“) wird gestrichen.

Zu Z 17:

Es wird klargestellt, dass diese Bestimmung für alle rohstoffabhängigen Anlagen, nicht nur für Hybrid- und Mischfeuerungsanlagen gilt.

Zu Z 18:

In Anlehnung an das deutsche EEG und dessen Entwicklung wird für Windkraft ein Abschlag von 1% statt 2% im Falle eines automatischen Weitergeltens der Einspeise­tarifverordnung festgelegt.

Zu Z 21:

Zur Verbesserung der Investitionsbedingungen für Erweiterungen werden die Min­destinvestitionskosten einer Erweiterung auf 12,5% festgelegt.

Zu Z 25 und 39:

Für Windkraftanlagen auf der Warteliste werden noch Verbesserungen festgelegt.

Zu Z 26 und 31:

Das System der Berechnung des Unterstützungsvolumens erfolgt wie bisher. Durch die nunmehr gewählte Formulierung soll eine sprachliche Verbesserung gegenüber den Wortlauten im bestehenden Ökostromgesetz und somit eine bessere Verständlichkeit erreicht werden.

Zu Z 28:

Aufgrund der Entwicklungen der letzten Jahre sowie der noch zu erwartenden Ent­wicklungen zur Erfüllung der Zielsetzungen im Rahmen des Ökostromgesetzes könnte es sich ergeben, dass die derzeit neu vorgesehenen Fördermittel von 14 Mio. Euro pro Jahr für die Investitionszuschüsse bei Kleinwasserkraft nicht ausreichen könnten. Das beantragte Fördervolumen zum 31.12.2010 lag bei rund 84 Mio. Euro, 4,7 Mio. Euro gab es an Ablehnungen. Damit wurden bzw. werden 144 MW realisiert. In den 3 Jahren lag das Fördervolumen pro Jahr bei rund 26 Mio. Euro. Unter Berück­sichtigung der einmaligen 20 Mio. Euro an zusätzlichen Mitteln, weiters unter Berück­sichtigung des Umstandes, dass aufgrund der zunehmenden Ausreizung der vorhan­denen Standorte und der Gewährung von Einspeisetarifen für Kleinwasserkraftanlagen bis 2 MW als Alternative zu Investitionszuschüssen, ist von einem gewissen Abflachen der Nachfrage nach Investitionszuschüssen auszugehen. Für Investitionszuschüsse bei Kleinwasserkraft werden daher jährlich 2 Mio. Euro zusätzlich zu den 14 Mio. Euro jährlich zur Verfügung gestellt, um das Entstehen von Wartelisten bei dieser Förder­schiene zu vermeiden.

Zu Z 29:

Da Investitionszuschüsse bei Kleinwasserkraft nicht nur für die Erhöhung der Engpassleistung sondern auch für die Erhöhung des Regelarbeitsvermögens gewährt


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werden können, wird im Gesetz wahlweise die Methode für die Berechnung der För­derhöchstgrenzen festgelegt.

Zu Z 30:

Analog zur Kleinwasserkraft wird eine Fördermöglichkeit auch bei Revitalisierungen vorgesehen. Da Investitionszuschüsse bei mittlerer Wasserkraft nicht nur für die Erhö­hung der Engpassleistung sondern auch für die Erhöhung des Regelarbeitsvermögens gewährt werden können, wird im Gesetz wahlweise die Methode für die Berechnung der Förderhöchstgrenzen wie bei der Kleinwasserkraft festgelegt. Die Ökostrom­abwicklungsstelle hat die notwendigen Mittel jährlich zu überweisen, wobei pro Jahr maximal 7,5 Millionen überwiesen werden müssen; diese 7,5 Millionen stellen keine jährliche Deckelung für die Ausstellung von Förderverträgen dar.

Zu Z 34:

Zur Entlastung von Stromverbrauchern auf den Netzebenen 6 und 7 erfolgt eine Anpassung der Ökostrompauschale.

Zu Z 35:

Das Erfordernis einer Datenübermittlung zwischen Netzbetreibern und GIS macht diese gesetzliche Ermächtigung zur Datenübermittlung – unbeschadet einer näheren Regelung durch eine Verordnung der E-Control – auch für das Verhältnis zwischen der GIS und den Netzbetreibern notwendig.

Zu Z 36:

Sowohl bei der Regelung über die Befreiung einkommensschwacher Personen vom Ökostrompauschale als auch bei der Kostendeckelung dieser Personen in Bezug auf die Entrichtung des Ökostromförderbeitrags wird eine Regelung ergänzt, dass die GIS die Feststellung der Befreiung zu treffen und dass im Streitfall über die Zahlung der Gelder die Zivilgerichte zu entscheiden haben. Die Netzbetreiber werden mit derartigen Streitfragen nicht belastet.

Zu Z 37:

Der Ökostrombericht der E-Control ist dem Nationalrat jährlich vorzulegen, um über den Ausbau der Ökostromproduktion und ihre Auswirkungen auf die Endverbraucher zu informieren.

Zu Z 38:

Zur Vermeidung von Unklarheiten wird die Anwendung dieser aufgelisteten Bestim­mungen auch für bestehende Anlagen festgeschrieben.

Zu Z 40:

Für Photovoltaikanlagen mit einem beantragten Tarif von 35 Cent/kWh wird die Ergän­zung der Tabelle vorgenommen.

Zu Z 41:

Es erfolgt eine Klarstellung, dass – wie in der Regierungsvorlage implizit beabsichtigt – auch Projekte, die erst nach Inkrafttreten dieser Bestimmung im Laufe des Jahres 2011 eingereicht werden, von der Regelung keinen Gebrauch machen können. Damit kann eine Benachteiligung dieser Antragsteller vermieden werden. Weiters wird die Frist zur Stellung des Antrags auf sofortige Kontrahierung auf zwei Monate ausgedehnt.


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Zu Z 42:

Um eine zu lange und über die für die notwendige Systemumstellung hinausgehende Legisvakanz zu vermeiden, wird an Stelle des jeweilig nächstfolgenden Halbjahres­ersten der Quartalserste gewählt.

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


11.50.01

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Ich darf mit dem Succus dieses Gesetzes beginnen: „Geht uns aus der Sonne! Die Zukunft hat begonnen.“ Ein Buch meines Freundes Hans Kronberger, der die Situation der Energieversorgung sehr gut beschreibt und auch erläutert, was notwendig ist, um Österreich energieautark zu machen, mit sauberer Energie, die aber auch für die Konsumenten und auch für die Betriebe und für die Industrie leistbar ist. (Der Redner stellt das angesprochene Buch vor sich auf das Rednerpult.) Und dass das machbar ist, das haben wir, denke ich, mit diesem Beschluss, der heute herbeigeführt wird, mit diesem Ökostromgesetz untermauert. Das Ziel ist billiger, sauberer Strom, aber auch mehr Wettbewerb, um die Kosten für die Haushalte, für die Betriebe zu senken.

Ich bedanke mich auch bei den Verhandlungsleitern der Oppositionsparteien, aber auch bei der Regierung. Es hat sehr gute, konstruktive Gespräche gegeben, aber gestern Abend war die Zeit reif, den Sack zuzumachen und Nägel mit Köpfen zu machen, um dieses Gesetz wirklich einmal durchzusetzen.

Und wenn ich da Zwischenrufe von der FPÖ höre: Bitte schön, liebe Freunde von der FPÖ, ich weiß, dass Norbert Hofer ein guter Verhandler ist, ich weiß, dass er gerne mitstimmen würde, ich weiß aber auch, dass Ihre Hump-Dump-Argumente mit Sicher­heit nicht die Zukunft Österreichs sichern werden. (Beifall beim BZÖ.)

Das Gesetz ist eine sehr schwierige Materie. Da geht es darum, die Interessen zwi­schen den Haushalten, den Betrieben, der Industrie abzuwiegen. Es geht darum, die Forderungen auch der Öko-Branche, von der Windkraft über die Photovoltaik bis zur Wasserkraft, entsprechend zu berücksichtigen – und man kann nicht alles abdecken. Es wurde die kaskadische Nutzung angesprochen. Ich habe mich auch dafür ein­gesetzt, aber da gab es leider gewisse Blockadetendenzen seitens der SPÖ-Fraktion.

Aber der Punkt ist der: Gas wird heuer um 8 Prozent teurer werden, der Preis für das Fass Öl in absehbarer Zeit von 100 auf 200 € steigen. Und Atomstrom – das ist angesprochen worden – wird auch teurer werden. Wenn wir nicht beginnen, hier in Österreich mit heimischer Energie unsere Versorgung sicherzustellen, dann werden wir über kurz oder lang ein Vielfaches dessen bezahlen, was wir heute bereits für Strom zahlen müssen. (Beifall beim BZÖ.)

Es geht darum, aus der Abhängigkeit, aus dem Würgegriff der fossilen Energie zu kommen. Es geht darum, nicht mehr von der Gas-Pipeline Putins abhängig zu sein. Es geht aber auch darum, glaubhaft Anti-Atom-Politik in diesem Land zu betreiben. Und nur wer hier Ökostrom sicherstellt, der kann auch glaubwürdig nach außen auftreten und sagen, dass er gegen Atomkraft auftritt.

Uns vom BZÖ geht es darum, Österreich energieautark zu machen, Zukunfts­technologien zu unterstützen, die Zukunft zu fördern. Deshalb haben wir auch durch­gesetzt, dass wir nunmehr 2 Millionen € aus dem Wirtschaftsministerium bekommen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 76

werden – danke, Herr Minister, dafür –, um die Forschung in diesen Bereichen voran­zu­treiben, ist es doch ganz wichtig, dass wir auch Forschung betreiben, um Betriebe aufzubauen, die auch marktfähig sind und die dann wiederum Tausende neue Jobs hier in Österreich schaffen können. (Beifall beim BZÖ.)

Ich denke, es ist wesentlich gescheiter, das Geld, Milliarden, die wir derzeit für Gas und Öl ins Ausland verschieben, rund 12 Milliarden, in Zukunft in Österreich zu investieren.

Ich frage mich schon, wo da die Glaubwürdigkeit der FPÖ bei der Anti-Atom-Politik geblieben ist. (Abg. Strache: Genug gezahlt!) Sie zahlen für Atomstrom. Sie sind die Atomlobby, Herr Kollege Strache! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Strache: Die nächste Stromerhöhung haben Sie zu verantworten!) Sie sind der Lobbyist der Atomindustrie. Sie sind der Preistreiber. Sie sind ohne Zukunftsperspektiven. (Abg. Strache: Das ist ja absurd!) Sie haben abgedankt! Genug Strache!, sage ich. Das ist das Thema.

Denn die Photovoltaik ... (Abg. Strache: Sie sind schon wieder schwindlig, gell?) – Hören Sie mir zu! Vielleicht hören Sie auch einmal auf Sachargumente – und nicht nur auf schöne populistische Plakate. Mit denen werden Sie keine Wahlen mehr gewinnen, überhaupt nicht mehr! (Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es geht darum, die Photovoltaik mit 8 Millionen zu stärken, die Biomasse mit 10 Mil­lionen, Windkraft bekommt bis zu 80 Millionen, die Kleinwasserkraft 1,5 Millio­nen. Und auch die Warteliste bei der Photovoltaik und bei der Windkraft wird abgebaut.

All das, was Sie von der FPÖ in Sonntagsreden versprechen, all das, was Sie an den Stammtischen versprechen, darf Ihr Umweltsprecher nicht umsetzen, weil Sie parteipolitisch mit billigen Argumenten gegen die Zukunft Österreichs argumentieren. Ich gratuliere, Herr Strache! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es gibt natürlich weitere Punkte, die uns wichtig waren, wenn etwa in den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung investiert wird. Auch da haben wir uns durchgesetzt. (Neuerliche Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Es gibt mehr Geld für die mittlere Wasserkraft. Es gibt Verwaltungsvereinfachungen. Es gibt Planungssicherheit, und es gibt das Ziel, bis 2020 25 Prozent erneuerbare Energie aus Ökostromanlagen zu erzeugen. Das zweijährig heruntergebrochen mit Evaluierungen. Und wir werden diese Berichte hier diskutieren, und da bin ich gespannt, ob die FPÖ wieder Nein sagt – wieder Ja sagt zu Gas, wieder Ja sagt zu Öl, wieder Ja sagt zu Atomstrom. (Beifall beim BZÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe es bereits angesprochen, um Ihre Hump-Dump-Argumente zu entkräften: 20 € zahlen Ihre Stammwähler maximal, wenn sie von den GIS-Gebühren befreit sind. Das ist sozial: maximal 20 € pro Jahr. Pro Jahr!

Wir haben durchgesetzt, dass die Unternehmen durch die Zählpunktpauschale jährlich fix um 100 € entlastet werden. Und wir werden durchsetzen – und dazu bringe ich einen Antrag ein –, dass die Haushalte durch die Möglichkeit eines elektronischen Anbieterwechsels bis zu 200 € pro Jahr einsparen werden, weil der Anbieterwechsel gestärkt wird, weil der Wettbewerb gestärkt wird und dann die Mehrkosten komplett runtergehen, Herr Kollege Strache. (Beifall beim BZÖ.)

Das sind echte Handlungserfolge – keine blauen Luftblasen –, das ist konkrete Politik, die auf die Zukunft Österreichs schaut.

Ich bringe daher abschließend den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen ein, der wie folgt lautet:


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Gesetz­entwurf zuzuleiten, mit dem ein Online-Wechsel des Energielieferanten im Strom- und Gasbereich ermöglicht wird.“

*****

Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

11.55


Präsident Fritz Neugebauer: Der soeben eingebrachte Antrag steht mit in Verhand­lung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Vorlage eines Gesetzesentwurfs zur Ermöglichung des Online-Wechsels des Energie­lieferanten

eingebracht im Zuge der Debatte zum TOP 2 Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regierungsvorlage (1223 d.B.): Bundesgesetz über die För­derung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1302 d.B.) in der Sitzung des Nationalrates vom 7. Juli 2011

Im Bereich des Anbieterwechsels am Energiemarkt gibt es nach wie vor große unausgenützte Einsparungspotentiale für die Energiekonsumenten.

Ein erster Schritt in die richtige Richtung war in diesem Zusammenhang die zeitliche Limitierung der Frist für den Anbieterwechsel mit drei Wochen.

Ein wesentlicher Schritt zu einer weiteren Belebung des Marktes und zur Stärkung des Wettbewerbs würde in der Ermöglichung des elektronischen Anbieterwechsels liegen.

Den Energiekunden sollte es dadurch möglich sein, ihren Energielieferanten über das Internet zu wechseln.

Dieser Online-Wechsel würde eine weitere Vereinfachung und Verkürzung des Lieferantenwechselprozesses bewirken.

Derzeit muss der Kunde, um seinen Energielieferanten zu wechseln, den Energie­liefervertrag in Papierform unterschreiben und diesen dem neuen Lieferanten für die weitere Durchführung des Wechselprozesses übermitteln.

Mit der weitestgehenden Automatisierung des Lieferantenwechselprozesses auf Basis der von der Verrechnungsstelle zu betreibenden Wechselplattform kann der gesamte Wechselprozess zukünftig auf elektronischer Basis (online) erfolgen.

Der Kunde könnte über einen gesicherten online-Zugang (beispielsweise mit Bürgerkarte) über den Tarifkalkulator der Energie-Control Austria den Liefervertrag unterschreiben und den Wechselprozess starten.

Mit dieser Maßnahme könnte die Anbieterwechselrate massiv erhöht werden und damit das derzeit bestehende Einsparungspotential im Strom- und Gasbereich von bis zu 200 Euro auch tatsächlich besser und einfacher ausgenützt werden.

Aus den genannten Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Geset­zesentwurf zuzuleiten, mit dem ein Online-Wechsel des Energielieferanten im Strom- und Gasbereich ermöglicht wird.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


11.55.57

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Lieber Kollege Hundstorfer! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben das Ziel, Österreich atomstromfrei zu machen, und das möglichst bald, gleichzeitig aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft und die Belastung des Konsumenten im Auge zu haben, dass die möglichst gering ausfällt.

Daher haben wir heute ein ganz wichtiges Anliegen, das wir beschließen, und ich glaube, dass dieses Gesetz, das wir jetzt vorliegen haben, auch keinen Vergleich mit anderen Ländern zu scheuen braucht in dem Sektor. Und: Vergessen Sie bitte den Begutachtungsentwurf! Mir war von vornherein klar, dass wir in den Verhandlungen, wenn es um die Zustimmung der Opposition geht, noch drauflegen müssen. Alles, was ich hingelegt hätte, wäre zu wenig gewesen. Und daher ist bitte das zu bemessen, was heute vorliegt. (Beifall bei der ÖVP.)

Und ich glaube, das, was vorliegt, ist mehr, als viele vielleicht erwartet haben, und dass uns das auch weiterbringt, und ich darf dann ganz kurz auch auf die Zielsetzungen eingehen.

Welchen Mechanismus beschließen wir mit diesem Gesetz? Wir steigern uns von 21 Millionen jährlicher Förderung auf 50 Millionen. Aber die Zahlen an sich sind nicht das Entscheidende, sondern wir gehen bei den 50 wieder auf 40 Millionen zurück, weil wir insgesamt nicht eine Förderung um des Geldes wegen anstreben, sondern die Marktreife der erneuerbaren Energie.

Das Zweite: Wir haben gesehen, es ist ein Problem, dass Wartelisten existieren: bei Photovoltaik bis zum Jahr 2024, bei Wind weniger lang, aber es sind jedenfalls lange Listen. Daher haben wir den Mechanismus geschaffen, mit einem Ausbauvolumen von insgesamt 110 Millionen als Einmalbetrag all diese Warteprojekte abzubauen – mit einem Tarif, der etwas niedriger ist, aber immer noch attraktiv genug, dass die Projekte auch umgesetzt werden. Es ist sicherlich nicht so, dass wir das nur sagen, sondern es wird auch bewiesen werden dadurch, dass wir einen zweijährigen Revisionsbericht haben, und da werden wir feststellen, ob das, was wir angedacht haben, auch realisiert wird.

Was ist das Entscheidende in dem Zusammenhang? Ich glaube, das Allerwichtigste ist, dass wir bis 2015 mit diesen Maßnahmen atomstromfrei sind, nachweislich, mit einem Überhang, und dass wir bis zum Jahr 2020 so viel Strom aus erneuerbarer Energie zusätzlich produzieren, dass wir damit alle 3,6 Millionen Haushalte versorgen könnten. Also das ist nicht mehr nur ein Klacks, sondern das ist sehr, sehr viel. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben, was die erneuerbare Energie anbelangt, ein Ziel von 34 Prozent, was teilweise als zu wenig kritisiert wird. Wir werden dieses Ziel übererreichen. Ich glaube,


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es ist besser, so vorzugehen, wir haben es beim Klimaschutz gesehen: lieber den Ball flach halten und viele Tore schießen – wir werden über 35 Prozentpunkte erreichen.

Das Dritte, das, glaube ich, ganz wesentlich ist: Viele Bürger setzen auf die Photo­voltaik. Und, Herr Kollege Hofer, Biogas haben wir an sich mit 4 Cent wirklich ordentlich abgesichert. Also da müssen die Mails Ausnahmen sein. Im Prinzip sollten alle in diesem Bereich eigentlich froh sein. Aber wie gesagt, viele Bürger setzen auf Photovoltaik. Ich glaube, dass wir jetzt eine tolle Anschubfinanzierung haben, die uns helfen soll, bis zum Jahr 2015 die Marktreife durch Netzparität zu erreichen. Denn wir wollen nicht ein Fördersystem, wo jeder irgendwie auf 13 Jahre abgesichert viel Geld kriegt, sondern die Wettbewerbsfähigkeit. Und weil wir da drinnen haben 50 Prozent Silizium und auf der anderen Seite auch die Kosten, die regional entstehen, ist das genau das Potenzial, das wir brauchen. Mit diesem Anschub kann sich unsere Wirtschaft technologisch entsprechend weiterentwickeln. Das heißt, auch da ein tolles Ausbaupotenzial. Und: Mit der Degression gehen die Kosten auch wieder ent­sprechend herunter.

Was wir auch in der Auseinandersetzung haben, ist die Fragestellung: Wie schaut es insgesamt aus? Wären nicht unlimitierte Förderungen besser gewesen? Danke allen, insbesondere von der Branche, die eingesehen haben, es ist doch viel besser, Planbarkeit, Kontinuität zu haben, wie wir vorgehen, nämlich potenzialorientiert. Warum? Wir haben jetzt alle Sektoren: Wasser – da gibt es eine Investitionsförderung von 16 Millionen € –, Biomasse, Biogas, Wind und Photovoltaik, so mit den Branchen miteinander aufgeteilt, dass genau die genehmigungsfähigen Potentiale abgedeckt werden.

Was ergibt das für uns, meine Damen und Herren? – Versorgungssicherheit, Konti­nuität und genau die Planbarkeit, die wir brauchen. Daher meine ich, dass wir insgesamt eine gesetzliche Grundlage haben, Rahmenbedingungen haben, die uns weiterhelfen sollten – und die vor allem der Branche weiterhelfen sollten.

In diesem Zusammenhang darf ich mich herzlich bedanken beim Koalitionspartner – Kollege Hundstorfer sitzt ja hier –, aber auch beim SPÖ-Energiesprecher Katzian, aber natürlich auch bei den Vertretern der Opposition, insbesondere bei den Energie­sprechern, bei Frau Brunner, bei Herrn Widmann, insbesondere natürlich bei unserem Peter Haubner, der die Schlussverhandlungen geführt hat.

Und ich möchte in diesem Zusammenhang auch Herrn Hofer sehr, sehr positiv erwähnen. Wir haben leider nicht zusammengefunden, was die Beschlussfassung anlangt (Abg. Scheibner: Er darf nicht!), aber Abgeordneter Hofer war es, der uns da konzeptiv weitergebracht hat. So stammt beispielsweise der Vorschlag, degressiv mit den 10 Millionen € zu arbeiten und damit Marktdruck zu erzeugen, vom Kollegen Hofer. Daher ein Dankeschön für diese Zusammenarbeit. Wir haben ja noch mehrere Themen in diesem Bereich zu behandeln und zu erledigen. (Beifall bei ÖVP und FPÖ sowie bei Abgeordneten von Grünen und BZÖ.)

Bedanken möchte ich mich aber auch bei der Branche insgesamt; ich kann aber jetzt nicht alle Branchenvertreter nennen, es gibt zu viele. Sozusagen stellvertretend für alle möchte ich Herrn Plank vom Verband Erneuerbare Energie Österreich anführen, der in seiner Verhandlungsführung wirklich seriös agiert hat, denn es macht ja wirklich keinen Sinn, uns nach oben zu lizitieren, dann keine Versorgungssicherheit und keine Finan­zierbarkeit mehr zu haben, sondern es soll das alles seriös sein, und ich glaube, das ist es.

Meine Damen und Herren, am Schluss auch ein großes Dankeschön an mein eigenes Haus; es war da wirklich viel zu tun. Vielleicht haben Sie diesen Artikel im „Falter“ gelesen, in dem zu lesen war – Frau Abgeordnete Glawischnig hat ja Ähnliches


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angesprochen mit der Wüste –, Ökostrom wäre ein Stiefkind der österreichischen Politik. – Ich kann Ihnen dazu nur sagen, ich habe mich mit diesem „Stiefkind“ – und wahrscheinlich ist das bei einigen von Ihnen auch so – mehr beschäftigt als mit meinen eigenen Kindern.

Ich hoffe, dass wir mit diesen Förderungen nicht bewirken, dass wir sozusagen das Kind Ökostrom in eine falsche Richtung hin erziehen oder überfördern, aber ich meine schon, dass wir da eine Balance gewährleistet haben und dass feststeht, dass wir mit dieser Entscheidung in Bezug auf Ökostrom, in Bezug auf erneuerbare Energie zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes beitragen, ebenso natürlich zur Versorgungs­sicherheit und zur Freiheit von Strom aus Atomkraftwerken.

In diesem Sinne nochmals ein Dankeschön allen Beteiligten. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten von FPÖ, Grünen und BZÖ.)

12.03


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Mag. Kuzdas. – Bitte.

 


12.03.16

Abgeordneter Ing. Mag. Hubert Kuzdas (SPÖ): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Meine Damen und Herren! Heute ist ein guter Tag für die Ökoenergie, und ich bin der Meinung, das ist ein zukunftsweisendes Gesetz. Es ist jedoch schade, dass aus irgendwelchen Überlegungen heraus nicht alle Parteien dem zustimmen.

Bereits mit der Novelle zum Ökostromgesetz 2008 wurde der Ausbaustopp, der durch das Gesetz 2006 verursacht wurde, aufgehoben. Die Novelle aus dem Jahre 2009 und insbesondere die Verordnung aus dem Jahre 2010 haben auf den Gebieten Windenergie und Photovoltaik geradezu einen Boom eingeleitet.

Mit der heute zu beschließenden Novelle machen wir wieder einen großen Schritt in die richtige Richtung, in Richtung der Zielerreichung für 2015 und 2020. Konkret bedeutet das ein Plus bei der Wasserkraft von 1 000 Megawatt, bei der Windkraft 2 000 Megawatt – in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit der Standorte –, bei Biomasse und Biogas 200 Megawatt – in Abhängigkeit von den verfügbaren Rohstoffen – und bei der Photovoltaik 1 000 Megawatt.

Die Zielerreichung wird künftig auch überwacht durch die E-Control; bei Bedarf gibt es auch eine Anhebung im Wege einer Regierungsvorlage durch den Wirtschaftsminister.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz aller Klagen, die man immer wieder hört, entwickeln sich die Bereiche der Ökostromerzeugung sehr gut, insbesondere Photovoltaik und Windkraft haben sehr gute Ausbauzahlen erreicht.

Leider wurde aufgrund der Wirtschaftskrise in einigen Bundesländern die Förderung für Photovoltaik eingestellt. Auch in den Gemeinden wurde die Förderung reduziert, eben aufgrund finanzieller Turbulenzen in den Gemeinden.

Gerade mit der jetzigen Novelle wird die Photovoltaik wieder besonders hervor­ge­hoben: mehr Geld und eine einfachere Abwicklung insbesondere für die Photovoltaik-Kleinanlagen.

Kollege Hermann Schultes, du hast mich im Ausschuss etwas missverstanden, als ich zum Thema Windkraft gesprochen habe. Natürlich begrüße ich es, dass sich Wind­energiebetreiber um gute Standorte reißen und den Gemeinden dafür auch einen Obolus leisten. Natürlich begrüße ich das, weil wir das Geld in den Gemeinden sehr gut brauchen können; das steht doch außer Diskussion. Ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Auch in meiner Heimatgemeinde haben wir einstimmig den weiteren Ausbau von Windkraft-Anlagen beschlossen, weil das notwendig ist im Sinne


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der Ökologie und weil das auch zur Folge hat, dass es so den Gemeinden, den Bürgerinnen und Bürgern besser geht. Das möchte ich hiermit nochmals klarstellen.

Der Preis für Windenergie – das wissen wir, und das geht ja auch aus den Ausfüh­rungen hier hervor – liegt schon sehr nahe am Marktpreis. Es geht ja letztendlich um diese Marktparität, und da ist auch Kostenwahrheit notwendig.

Wenn jemand sagt, Atomstrom ist sauber, dann stimmt das überhaupt nicht. Und wenn jemand sagt, Atomstrom ist billig, dann stimmt das schon gar nicht, denn Unfallfolge­kosten werden da nicht mit einberechnet, sämtliche externe Kosten werden nicht mit berücksichtigt – und vor allem ist eine Tatsache zu beachten: Es gibt weltweit noch kein einziges genehmigtes Endlager; das sollte natürlich auch mit berücksichtigt werden.

Bei den Windmaschinen wissen wir, dass aufgrund der Technologie-Änderungen – größere Maschinen, die Forschungs- und Entwicklungskosten werden auf mehr Anlagen umgelegt, bessere Rotortechnik – die Ausbeute ständig steigt. Also da sind wir nahezu am Marktpreis dran.

Bei Photovoltaik-Anlagen ist das leider noch nicht so. Das liegt – der Herr Bun­desminister hat es schon erwähnt – an den gestiegenen Rohstoffpreisen, liegt aber auch an der noch mangelnden Effektivität. Hier geht es darum, die richtigen Maß­nahmen zur Förderung zu setzen, damit wir in Entwicklung investieren können, damit die Forschung vorangetrieben wird – und damit letztendlich auch da dieser Technologiesprung, den wir alle erwarten, tatsächlich zustande kommt.

Abschließend, meine Damen und Herren: Die verbesserte Förderung der Ökoenergie ist unumgänglich; da sind wir uns einig. Insbesondere Wind- und Sonnenenergie – das steht außer Zweifel – sind jetzt und in Zukunft die sichersten Energieträger, und vor allem sind es die billigsten Energieträger, denn sie schicken uns keine Rechnung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.07


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Schultes. – Bitte.

 


12.07.30

Abgeordneter Ing. Hermann Schultes (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Kollege Kuzdas, jawohl, wir haben im Ausschuss eine Debatte gehabt zum Thema Ökoenergie. Sie haben damals gesagt, 25 000 € für eine Gemeinde als Standort für ein Windrad ist ein bissel gar viel. – Ich habe entgegnet: Ein guter Standort ist das immer wert. Und darauf können wir uns jetzt, wie ich meine, ganz gut verständigen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Kuzdas: Das glaube ich auch!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es geht uns darum, dass wir uns alle in einer Zeit der Neubesinnung der ganzen Welt zu Fragen der Energiepolitik, zu Fragen der Energiebereitstellung in der Zukunft, aber auch zu Fragen der Auswirkung – Klima­wandel, Folgen von Atomkraftnutzung – neu orientieren, und das ist auch in Österreich mit diesem Ökostromgesetz der Fall.

Wir haben diesbezüglich eine lange Diskussionsphase hinter uns, und es hat offensichtlich erst das traurige Ereignis von Fukushima passieren müssen, dass einige Gruppen in Österreich, die sehr beharrlich die Diskussion gebremst haben, ihren Widerstand aufgegeben haben. Ich sage es ganz offen: Ich verstehe nicht, dass die Freiheitliche Partei immer wieder eine Anti-Atom-Politik einfordert, und zwar sehr lautstark einfordert, dass aber dann jene Kollegen von der FPÖ, die das am lautesten einfordern, jetzt gar nicht hier sind, wo es ums Ökostromgesetz geht. Und dann werden


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sie wahrscheinlich beim Beschluss auch dagegen sein, dass wir ernsthaft den Atomstrom aus den österreichischen Netzen verdrängen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das Ökostromgesetz wird uns in den nächsten Jahren den Ausbau öffnen, es wird sowohl bei der Windkraft als auch bei der Biomasse, genauso beim Biogas wie bei der festen Biomasse, auch bei der flüssigen Biomasse die bestehenden Anlagen ab­sichern, neue Anlagen ermöglichen, den Rückstau bei den Förderanträgen auflösen helfen, und wir werden bei der Photovoltaik für viele Menschen Möglichkeiten schaffen, dass sie selber auf ihren Häusern, auf ihren Dächern Anlagen errichten können, die sie brauchen für das Gefühl, Energie aus eigener Produktion nutzen zu können. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist uns wirklich wichtig, in dieser Diskussion um den Ökostrom einige Grund­gedanken weiterzuentwickeln.

Der erste ist Klimaschutz, weg vom Öl, weg vom Gas. Das betrifft nicht nur den Strom, das betrifft unsere gesamte Energiewirtschaft.

Das zweite Thema ist mehr Wertschöpfung in Österreich. Wir haben gute Betriebe, die im Bereich der erneuerbaren Energieträger Anbieter sind, Innovation bringen, For­schung bringen. Es gibt viele Menschen, die dort Arbeit haben. Natürlich wollen wir dann auch die Anlagen bei uns in Österreich haben und nicht nur im Ausland stehen sehen.

Und es gibt einen weiteren Punkt. Es geht uns in dieser Frage auch darum, das System zukunftsfähig zu machen. Es geht uns darum, Energie aus eigener Kraft, mit eigenen Energieträgern für unsere Zukunft bereitzustellen. Das Ökostromgesetz bietet eine Möglichkeit für eine langfristig nachhaltige Entwicklung. Das Ökostromgesetz ist jetzt auf einem Stand, wo alle sagen können: Das haben wir uns gewünscht, das wird funktionieren.

Ich bedanke mich bei unserem Bundesminister Reinhold Mitterlehner, der wirklich in neuartiger Weise mit der ganzen Branche diskutiert hat; seine Mitarbeiter und Beamten haben das sehr ordentlich durchgeführt.

Ich freue mich auch, dass einige, die sehr, sehr große Sorgen hatten, nämlich die Biogasbetreiber und deren Verband, heute unter uns sind. Für euch wird der heutige Tag wahrscheinlich einer sein, an dem ihr sagen könnt: Jetzt passt es wieder! (Beifall bei der ÖVP. – Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Ich wünsche euch viel Freude in Zukunft, in dem Bewusstsein, eine sinnvolle Arbeit zu tun. Ihr werdet nicht reich werden damit, aber ihr werdet zumindest das Gefühl haben, dass ihr das tut, was Österreich braucht – und das ist für uns immer der Auftrag für die Arbeit hier herinnen: gute Arbeit für unser Land (Zwischenruf des Abg. Dr. Pirklhuber), zukunftsfähig, umweltfreundlich, klimaschützend. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gradauer. – Bitte.

 


12.11.59

Abgeordneter Alois Gradauer (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Zunächst einmal ein paar Worte zum BZÖ: Ab sofort könnt Ihr eure Buttons „Genug gezahlt!“ herunternehmen, denn Ihr tretet dafür ein, dass die Steuerzahler, Haushalte, Betriebe, KMUs wieder mehr Belastung auf sich nehmen müssen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Scheibner: Normalerweise redest du gescheiter, Herr Kollege!)

Ein Dankeschön auch an den Herrn Bundesminister, dass er fair genug ist, anzu­erkennen, dass unser Kollege Hofer in der Sache wesentlich dazu beigetragen hat,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 83

dass diese Inhalte zu Papier gebracht wurden und jetzt im Gesetz geschrieben stehen. (Abg. Scheibner: Wieso darf er nicht zustimmen?) Danke, Herr Minister, das war sehr anständig von Ihnen! (Beifall bei der FPÖ.)

Das bestätigt damit auch, dass wir inhaltlich ja voll mit diesem neuen Gesetz mitkönnten, aber was die Preise und die Entwicklung der Subventionen betrifft, da hapert es leider. Das ist unsere Aufgabe: Wir Freiheitliche treten für leistbaren Strom ein, und das ist derzeit leider nicht der Fall. (Beifall bei der FPÖ.)

Das Beispiel, dass 300 000 Haushalte bei der Ökostromabgabe auszunehmen sind, weil diese sich eine weitere Erhöhung des Strompreises nicht mehr leisten können, ist ein Hinweis darauf, dass sich der Strompreis bereits jetzt zu einer sozialen Frage entwickelt hat.

Die österreichischen Energieversorger haben in der letzten Zeit bei Strom und Gas gewaltig zugelangt. Von Juni 2008 bis Juli 2010 hat es Preisänderungen bei Strom von bis zu plus 28 Prozent und bei Gas von bis zu plus 27 Prozent gegeben. Das Ergebnis ist, dass die Strompreise in Österreich Europaspitze erreicht haben. Das können Sie im E-Control-Bericht nachlesen, der vor Kurzem aufgelegt wurde. – Weitere Preiserhö­hungen sind unzumutbar und für unsere Haushalte und KMUs nicht mehr zu ertragen, meine Damen und Herren!

Das neue Ökostromgesetz geht ja in Wirklichkeit auf die EU zurück, auf diese 20-20-20-Regelung: Bis 2020 soll 20 Prozent weniger CO2 ausgestoßen werden, es soll 20 Prozent weniger Energieverbrauch geben und 20 Prozent mehr alternative Energie erzeugt werden. – Das alles klingt wunderbar.

Das kostet beispielsweise die Voest bis 2013 100 Millionen CO2-Zertifikate. Herr Generaldirektor Eder hat unlängst in einer Pressekonferenz schon zum Ausdruck gebracht, dass die Voest in Oberösterreich nicht mehr investieren wird, wenn das nicht geändert wird, und dass er an Betriebsansiedlungen außerhalb der EU denkt, zum Beispiel in der Ukraine. – Eine Entindustrialisierung wäre die Folge, die durch dieses Gesetz erzeugt wird! Das ist ein Schwachsinn sondergleichen, eine Arbeitsplatz­vernichtung, Unwirtschaftlichkeit, und ich wundere mich, dass die Sozialdemokratie bei diesem Unsinn mitmacht. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.) Die Umwelt hätte zudem überhaupt nichts davon.

Die Überregulierung der EU ist langfristig überhaupt eine Bedrohung der Freiheit aller Bürger Österreichs. Schon aus diesem Grund muss auch dem Ökostromgesetz in dieser Form eine Absage erteilt werden. Man spricht immer davon, dass es 50 Mil­lionen € mehr kostet. Das ist nicht richtig, meine Damen und Herren! Es kostet in Summe 400 Millionen €, und das Jahr für Jahr. Das zahlen die Haushalte, das zahlen die KMUs, das zahlen die Betriebe – und da tun wir nicht mit.

Warum, Herr Bundesminister, hat man nicht die MöSt angezapft? Sie haben die MöSt um 500 Millionen € erhöht. Das wäre sich locker ausgegangen! Sie hätten über weitere Erhöhungen des Strompreises überhaupt nicht verhandeln müssen. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.)

Es stand auch die Marktreife der Ökoprodukte zur Diskussion. Davon ist keine Spur! Wir fördern und sponsern, Ende nie.

Um dem gegenzusteuern, bringe ich folgenden Antrag ein:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 84

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Energie aus erneuerbaren heimischen Ressourcen

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Senkung der Mehrwertsteuer auf 10 Prozent für alle aus erneuer­baren Ressourcen stammenden Energien sicherstellt.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

12.16


Präsident Fritz Neugebauer: Der Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Ing. Hofer und weiterer Abgeordneter betreffend die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Energie aus erneuerbaren heimischen Ressourcen

eingebracht in der 113. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 7. Juli 2011 im Zuge der Behandlung von TOP 2, Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regierungsvorlage (1223 d.B.): Bundesgesetz über die Förderung der Elek­tri­zi­tätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1302 d.B.)

Nicht zuletzt die dramatischen Ereignisse in Japan und der Konflikt in Libyen zeigen, welchen dramatischen Preissteigerungen Rohstoffe wie Erdöl an den internationalen Märkten ausgesetzt sind. Ziel muss es sein, die Abhängigkeit von fossilen Energie­trägern so weit als möglich zu verringern und dafür Sorge zu tragen, dass Energie weiterhin leistbar bleibt und zwar auch ohne den Import von Atomstrom.

Schon bisher gilt in Österreich der reduzierte Steuersatz von 10 Prozent auf Hackgut. Mit einer Ausweitung dieses reduzierten Steuersatzes auf sämtliche erneuerbaren Energien aus heimischen Ressourcen wie Wasserkraft, Windkraft, Biomasse Solarthermie, Photovoltaik und Geothermie könnte nicht nur ein klares Signal gesetzt werden, sondern damit würde es auch zu einer finanziellen Entlastung der privaten Haushalte und Unternehmen kommen, die die Hauptlast der Ökostromkosten zu tragen haben.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 85

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, die eine Senkung der Mehrwertsteuer auf 10 Prozent für alle aus erneuer­baren Ressourcen stammenden Energien sicherstellt.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir sind in der zeitlichen Marschtabelle in Verzug. Ich bitte um genaue Einhaltung der Redezeiten!

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


12.16.47

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Herr Energie­minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen sowie Zuseherinnen und Zuseher hier und zu Hause! Heute können wir endlich einen ersten Schritt in Sachen Energiewende setzen. Ich möchte mich auch bei Ihnen, Herr Energieminister, für Ihren offenen Zugang zu diesem Thema in den letzten Wochen bedanken, und dezidiert auch bei allen Energiesprechern hier im Haus für die sehr konstruktive Zusammenarbeit. Ich hoffe, dass wir das auch bei weiteren Themen, die noch anstehen, fortsetzen können.

Ich möchte mich auch bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Klubs bedanken, in unserem Fall bei Frau Neyer und Herrn Günsberg, und auch bei den Beamten und Mitarbeitern im Ministerium, weil ich glaube, es haben sehr viele Leute in den letzten Stunden, Tagen und Wochen sehr viel Engagement in diese Sache gelegt. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und BZÖ.)

Besonders bedanken möchte ich mich aber auch bei den Verbänden, bei den NGOs und bei allen Pionieren, die seit Jahren und Jahrzehnten für die Energiewende in Österreich kämpfen. Ich glaube, heute haben wir gemeinsam einen ersten wichtigen Schritt erreicht. Ich glaube, wir können uns auch gemeinsam darüber freuen.

Wir haben erreicht, dass die Mittel, die für Ökostrom zur Verfügung stehen, mehr als verdoppelt werden. Wir haben erreicht, dass die installierte Leistung Windkraft in Österreich verdreifacht wird, bei Photovoltaik haben wir sogar eine Verzwölffachung erreicht. Das wird einen Boom auslösen. Wir haben endlich klare Ziele in Österreich für die Energiewende und auch Planungssicherheit für die Ökobranche, die dadurch endlich die Blockade los ist und so richtig loslegen und zeigen kann, was sie alles kann. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist uns gelungen, mehr Mittel für den Abbau der Warteschlange zur Verfügung zu stellen, die sich ja durch diese Blockade gebildet hat. 108 Millionen € wird es dafür geben, damit jetzt schnell in die Energiewende investiert werden kann. Das war auch ein wichtiges Ziel von uns, denn es hilft uns nichts, wenn der Landwirtschaftsminister über Ziele von 2050 redet. Diese sind wichtig, aber wir müssen jetzt handeln und jetzt beginnen! Durch diese heutigen Entscheidungen kann jetzt auch schnell in die Energiewende investiert werden.

Das brauchen wir auch, wenn wir unsere katastrophale Klimabilanz anschauen. Da braucht es mehr Mittel für erneuerbare Energie, und das brauchen wir, wenn wir unabhängig nicht nur vom Atomstrom, sondern auch vom fossilen Strom werden wollen.

Das Ökostromgesetz war aus unserer Sicht immer das Herzstück der Energiewende. Das ist es auch heute. Wir haben, glaube ich, hohe Vorgaben gemacht. Wir vergeben mit unserer Zustimmung auch ein grünes Gütesiegel dafür, weil mit diesem Gesetz wirklich ein Boom ausgelöst werden wird.


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Zu Hause werden Sie sich vielleicht fragen: Was bringt mir das eigentlich? – Ich glaube, dem einzelnen/der einzelnen ÖsterreicherIn bringt es sehr viel, auch an per­sönlichen Vorteilen, denn wenn man sich die Strompreisentwicklung anschaut, wenn man sich die Ölpreisentwicklung anschaut, dann sieht man eines ganz klar: In den 2000er Jahren lag der Ölpreis im Durchschnitt bei 10 Dollar, heute liegen wir seit Monaten bei über 100 Dollar. Das heißt, der Ölpreis wird steigen und damit auch der Strompreis.

Eines liegt auf der Hand: Nur Investitionen in erneuerbare Energie können Energie­preise mittelfristig und langfristig stabil halten, nur Investitionen in erneuerbare Energie schaffen Arbeitsplätze auch in Ihren Regionen, sichere Arbeitsplätze in den regionalen Betrieben, und nur Investitionen in erneuerbare Energie können uns unabhängig vom Atomstrom machen und auch unabhängig von fossilen Importen, denn dafür zahlen die Haushalte jetzt auch schon 14 Milliarden € im Jahr. – Nur Investitionen in erneuerbare Energie können uns aus dieser Falle herausholen. (Beifall bei den Grünen.)

Dieses Gesetz ist nicht das Ende der Fahnenstange, sondern ein erster Schritt. Es trägt eine klare grüne Handschrift. Ich denke, auch andere Gesetze können diese vertragen, wenn ich an das Klimaschutzgesetz oder das Energieeffizienzgesetz denke – Energieeffizienz als wesentlicher Bestandteil der grünen Energiewende. (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Wir sind bereit; auch da mitzuarbeiten und diese konstruktive Arbeit fortzusetzen.

Trotzdem bin ich nach wie vor der Meinung, Österreich braucht ein eigenständiges, starkes und engagiertes Umweltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.)

12.20


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. – Bitte.

 


12.20.59

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Es wurde schon angesprochen, dass es diesmal – ausnahms­weise, muss man ja leider sagen – eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Regierungsparteien, dem Minister und der Opposition gegeben hat. Ich glaube, Herr Bundesminister, das ist kein schlechtes Beispiel auch für die Zukunft gewesen. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das Gesetz, das heute hier zur Beschlussfassung ansteht, wesentlich besser ist und für uns alle besser ist als die ursprüngliche Vorlage.

Es wird immer wieder gefragt: Hat die Opposition Vorschläge? Bringt sie etwas ein? – Ich glaube, dieses Gesetz, dieses Ökostromgesetz hat gezeigt, dass man mit Ein­bindung einer sachorientierten Opposition, mit Bereichssprechern, die auch mit Herz und Hirn bei der Sache sind, gemeinsam mit einem Minister, der das zulässt, viel weiterbringt. Leider ist er ja in der ÖVP nicht mehr so verankert – vielleicht gerade deshalb, weil er zu konsensorientiert ist, auch mit seinem Wirtschaftsflügel. (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.) Aber das ist beispielhaft, und es würde uns freuen, das auch in der Zukunft weiter so zu organisieren – und gerade hier geht es ja um Zukunftstechnologien.

Meine Damen und Herren von der FPÖ, Kollege Gradauer, du hast gesagt, wir sollen unsere „Genug gezahlt!“-Plaketten heruntergeben. (Abg. Gradauer: Du hast sie eh schon herunten! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das sagt gerade ihr, wo da der Abgeordnete Hofer sitzt; ich weiß nicht, was in ihm jetzt vorgeht. Ich kenne ihn auch schon seit vielen Jahren: Ich weiß, er ist ein Experte, und er ist gerade in dieser Sache wirklich auch mit Herz dabei und hat sich in die Verhandlungen eingebracht – aber er durfte leider nicht zustimmen, weil ihr genauso kleinlich der Meinung seid: Aha, da


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könnten Mehrkosten von 1 bis 2 € im Monat entstehen, und deshalb wollen wir das nicht! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Im Jahr! 2 € im Jahr!) – Nein, ungefähr 20 € im Jahr hat es geheißen. Aber das ist genau die Linie der FPÖ, die ich nicht verstehe, so wie das jetzt passiert, nämlich zu sagen: Ja, da ist etwas zu zahlen.

Ich sage euch, wie wir „Genug gezahlt!“ verstehen: „Genug gezahlt!“ in eine auf­geblähte Verwaltung, „Genug gezahlt!“ in Verschwendung in der Politik, „Genug gezahlt!“ in ein überhöhtes Steuersystem – aber nicht genug in Zukunftstechnologien investiert, die Wertschöpfung, Arbeitsplätze oder positive Energiebereiche für die Zukunft bringen. (Beifall beim BZÖ. – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Wo liegt denn das Problem beim überhöhten Strompreis? – Es stimmt ja, der Strom­preis und auch die Gaspreise sind überhöht, aber warum? (Abg. Dr. Rosenkranz: Weil der BZÖ-Aufschlag noch drauf ist!) – Weil es zu wenig Wettbewerb gibt! Nicht der 1 € ab jetzt in den Ökostrom ist das Problem, sondern dass es in dem Bereich keinen Wettbewerb gibt! Und deshalb war es auch für uns, für unseren Energiesprecher Widmann und für das BZÖ insgesamt so wichtig, diesen Entschließungsantrag durchzubringen. Es war Bedingung für uns, dass es in Zukunft leichter sein wird, den Energieversorger zu wechseln, denn das ist zwar theoretisch möglich, aber praktisch so schwierig, dass das kaum jemand macht. (Beifall beim BZÖ.)

Das bringt Wettbewerb und eine Kosteneinsparung für den Energiebezieher, die weit über das hinausgeht, was ihm da jetzt vielleicht an zusätzlichen Kosten erwächst. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.)

Nur auf eines aufzupassen, Herr Bundesminister, wird in Zukunft auch noch wichtig sein, auch auf europäischer Ebene: Wir wollen nicht, dass mit Steuergeldern, die sinnvollerweise in die Förderung von Technologien im Energiebereich investiert werden, in Wahrheit chinesische und asiatische Wertschöpfung finanziert wird, denn von dort kommen mittlerweile die Module und die Paneele gerade für die Photo­voltaikanlagen. (Zwischenruf der Abg. Dr. Lichtenecker.)

Da muss man etwas dazu tun, damit unsere Betriebe in Österreich und in Europa gefördert werden, indem man vielleicht auch die Vergabe von Förderungen gerade für Großprojekte, wo die Spekulanten sitzen, daran knüpft, dass es auch österreichische und europäische Wertschöpfung gibt und nicht, dass diese Gelder nach China und nach Korea wandern. (Beifall beim BZÖ.)

12.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 


12.25.01

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz besonders begrüßen möchte ich heute den Linzer Pensionistenverband, der auf der Besuchergalerie sitzt: Herzlich Willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Wir beschließen heute – hoffentlich mit einer sehr großen Mehrheit – ein Ökostrom­gesetz, das Österreich einen Ausstieg aus dem Atomstromimport und eine vollständige Eigenversorgung mit sauberem Strom bis 2020 ermöglicht. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei Greenpeace, Global 2000 und den anderen NGOs bedanken, die uns in den letzten Wochen im Zuge der Verhandlungen mit ihren wertvollen Inputs zur Seite gestanden sind.

Die Erreichung dieses Zieles ist natürlich auch mit entsprechenden Kosten verbunden. Dass sich diese Kosten aber fair auf die einzelnen Kundengruppen verteilen, dafür wurde vonseiten der SPÖ gesorgt. Es wurde eine Regelung für die einkommens­schwächsten Haushalte geschaffen, die bewirkt, dass diese schutzbedürftigen Kunden


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trotz Steigerung des Ökostromausbaus finanziell pro Jahr nicht mit jährlichen Belas­tungen jenseits von 20 € Ökostromkosten konfrontiert sein werden. Die Anspruchs­berechtigung für diese Kostenbeschränkung ist mit der Befreiung von Rundfunk­gebüh­ren verbunden.

Dass die heimische Wirtschaft auf die neuen Herausforderungen der erneuerbaren Energie vorbereitet ist, zeigt ein Beispiel aus meinem Heimatbezirk Liezen. Auf der Kaiserau in Admont wird seit mittlerweile drei Jahren die Errichtung der größten steirischen Photovoltaikanlage geplant. Bereits auf 70 000 € belaufen sich die Ent­wicklungskosten bei diesem Projekt – Kosten, die jetzt vollständig von der heimischen Wirtschaft getragen werden und längerfristig zur Stabilisierung des Strompreises beitragen.

Rund 10 Hektar groß soll die größte Photovoltaikanlage der Steiermark sein, schön eingebettet in die Landschaft der Kaiserau und umgeben von Wald. Sie wird sich in keinem landschaftlichen Schutzgebiet befinden und wird – jetzt kommt es! – 1 000 Haushalte der Region Admont mit sauberem Strom versorgen.

Es ist also alles fix und fertig durchgeplant, und das Projekt wartet nur mehr auf den Startschuss, trotzdem wird dieses Projekt von der Flächenwidmungsabteilung des Landes Steiermark – einem Ressort des FPÖ-Landesrates Kurzmann – blockiert. (Abg. Dr. Rosenkranz: Bravo, Kurzmann!) Im Land Steiermark genauso wie hier im Parlament verhindert die FPÖ, dass unsere Kinder in einer sauberen und gesunden Umwelt aufwachsen können, einer Umwelt ohne Atomstrom. (Abg. Kickl: So ein Unfug!)

Herr Kollege Hofer, in Ihrer Rede in der Sitzung des Nationalrates am 18. Septem­ber 2009 erklären Sie uns, wie wichtig eine Energiewende für Österreich, für unsere Bevölkerung ist. Sie sprechen genau diese Punkte an, die wir hier heute beschließen wollen, und dass diese so notwendig sind.

Ich frage Sie jetzt – ich kann es Ihnen später vorlegen, falls Sie sich nicht daran erinnern –: Warum stimmt die FPÖ heute nicht zu? (Zwischenrufe bei der FPÖ.) – Ich kann es Ihnen sagen: Weil die FPÖ so wie immer nicht zu ihrem Wort steht, das sie vorher großspurig verkündet. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Dr. Rosenkranz: Unerhört!)

12.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Hörl. – Bitte.

 


12.28.33

Abgeordneter Franz Hörl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Hohes Haus! Ein Ökostromgesetz ist immer ein Seiltanz zwischen Standortpolitik und Zukunftssicherung der eigenen Energie, und bei einem Absturz verlieren wir Arbeits­plätze und damit Wohlstand.

Frau Kollegin Brunner, Ihre Verdienste anerkennend muss ich trotzdem sagen, die Kirche lassen wir schon im Dorf: Der Entwurf dieses Ökostromgesetzes trägt die Handschrift unseres Ministers Reinhold Mitterlehner (Zwischenrufe der Abgeordneten Mag. Brunner und Dr. Glawischnig-Piesczek), und dieses Ökostromgesetz trägt natürlich auch eine schwarze Handschrift, nämlich die der Österreichischen Volks­partei. In der ökosozialen Marktwirtschaft unseres Joschi Riegler stehen eigentlich die Grundsätze, die wir auch hier, in diesem Ökostromgesetz, verwirklichen.

Ich denke, dass dies ein Beitrag für die nachhaltige Entwicklung unserer eigenen Energie­versorgung ist, um uns unabhängiger zu machen, wobei wir aber auch aufpassen, dass wir die soziale Komponente nicht übersehen, nämlich dass wir Arbeitsplätze sichern und dass wir unseren Standort nicht extrem verteuern. Wir haben einen ausgewogenen Mix gefunden. (Beifall bei der ÖVP.)


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Insgesamt geht es ja bei diesem Ökostromgesetz um echtes Geld. Wir wenden bisher 340 Millionen € auf, und es werden dann 550 Millionen € sein. Ich glaube, das ist eine Summe, die respekteinflößend ist und auf die wir Österreicher stolz sein können, weil wir auch in Europa bei den Ersten dabei sein werden.

Ökostrompauschale und Ökostromförderung verteuern den Haushalt laut Berech­nungen unseres Wirtschaftsministeriums um 11 €. Wir werden also in Richtung von 52,5 € pro Haushalt mit 3 500-Kilowatt-Anschluss im Jahr 2015 gehen. Ich denke, das ist eine Summe, die sich die Österreicher angesichts der positiven Euphorie, die es derzeit für erneuerbare Energien gibt und die wir natürlich auch fördern müssen, wohl werden leisten wollen.

Der Deckel bleibt – das wurde schon gesagt –, und das ist gut so. Ein unkontrolliertes und völlig außer Kontrolle geratenes Förderregime wie in Deutschland müssen und sollen wir uns nicht leisten. Auch den Stromkunden können wir das nicht zumuten.

Das Modell der FPÖ, den Ökostrom aus dem Steuerbudget zu finanzieren, ist eigentlich ein guter Schmäh, aber eben doch nur ein Schmäh, ein kurzsichtiges Ereignis, weil das am Ende des Tages wiederum der Steuerzahler, der Konsument, 1,9 Million Österreicher, die Steuern zahlen, finanzieren würden. Deshalb ist das auch abzulehnen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Für einkommensschwache Haushalte – das wurde ebenfalls schon gesagt – bleibt das mit 20 € gedeckelt, sodass das Ökostromgesetz eine auch für die Schwächsten unserer Gesellschaft vertretbare Belastung ist.

Der Deckel für die Industrie und damit auch für die Arbeitsplätze wurde massiv verbessert. Einer der ganz großen Player in Oberösterreich zahlt nur noch ein Viertel für den Ökostrom. Ich denke, das ist auch höchst notwendig, wenn man bedenkt, was uns Gerin-Swarovski bei einem Firmenbesuch bei Tyrolit in Schwaz darüber gesagt hat, dass in der Industrie ein Österreicher 40 000 €, ein Tscheche 8 000 € und ein Chinese 2 000 € an Kosten verursacht. Unter diesen Bedingungen leistet die öster­reichische Industrie im Export Großartiges, denke ich, und deshalb ist es gerechtfertigt, dass wir hier Standortpolitik machen. Ich hätte mir allerdings diese Anstrengung auch für die KMUs gewünscht.

Der Strompreis hat nur bedingt mit dem Ökostromgesetz zu tun. Die großen Preisschübe kommen aus der Energieverknappung und nicht zuletzt natürlich aus der Energiewende. Ich denke, dass sich hier auch die Tatsache rächt, dass wir in den letzten 20 Jahren bei den Netzen gespart haben, dass wir mit Unbundling die Netze geschwächt haben. Allein in Deutschland werden für die Energiewende an die 5 000 Kilometer an Hochleistungsnetzen benötigt. In Österreich – unsere Netze sind Gott sei Dank besser (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen) – scheitert zum Beispiel auch Limberg III an den Netzen. Ich denke, dass wir beim ElWOG Voraussetzungen geschaffen haben, dass wir massiv weiterkommen werden.

Das Gesetz ist positiv. Wir bauen die Warteschlangen ab. Ein mit 11,5 Millionen € gut gefüllter Topf wird dafür Sorge tragen, dass alle, die bereits investiert haben, zu ihren Förderungen kommen. Ich denke, dass wir bei der Verwaltung dieses Gesetzes auch sehr viel an Bürokratie einsparen.

Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Minister, für Ihren Einsatz, den Sie auch im Zuge der erneuerbaren Energie und für die ökosoziale Marktwirtschaft in Österreich geleistet haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.32


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Höbart. – Bitte.

 



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12.33.05

Abgeordneter Ing. Christian Höbart (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Die Huldigungen vor allem der ÖVP-Reichshälfte in Richtung der eigenen Minister nehmen fast schon skurrile Ausmaße an. Anders weiß man sich offensichtlich nicht mehr zu helfen, weil der Rückhalt in der Bevölkerung natürlich stetig kleiner wird.

Ich finde es auch ganz spannend, dass gerade vom BZÖ – ich sage einmal, so wie vom Kaninchen vor der Schlange – unserem lieben Norbert Hofer gehuldigt wird, wobei einige offensichtlich auch wissen, wie unser Norbert Hofer denkt, was er so fühlt. Ich bin stolz darauf, dass wir einen Politiker wie Norbert Hofer in unseren Reihen haben, das sage ich hier mit Fug und Recht. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe beim BZÖ.)

Wir haben auch zugegeben, dass die Verhandlungen sehr gut gelaufen sind. Es sind sicherlich auch einige inhaltlich ganz interessante Punkte drinnen. (Abg. Mag. Kogler: Wenn einmal einer etwas kann, dann lasst ihr ihn auflaufen!) Aber ich muss ganz deutlich sagen: Warum stimmt die FPÖ dieser Novelle nicht zu? – Das hat einen einfachen Hintergrund: Weil wir es nicht zulassen, dass diese Ökostromgesetz-Novelle auf dem Rücken der Haushalte, der normalen Haushalte, und der kleineren und mittleren Unternehmen finanziert wird! Das möchte ich noch einmal deutlich sagen. (Beifall bei der FPÖ.)

Die kleineren und mittleren Unternehmen sind das wirtschaftliche Rückgrat, und diese werden überdurchschnittlich belastet. Das kann man hier nicht wegdiskutieren. Wenn Herbert Scheibner hier von läppischen 2, 3, 4, 5 € im Monat spricht (Abg. Petzner: Ihr habt dem ORF 160 Millionen € Geld gegeben!) – hör mir einmal gut zu, Stefan Petzner! –, summiert sich das natürlich aufs Jahr gerechnet entsprechend auf. Es summiert sich auf, wir sprechen hier von 50, 60, 70 € an Mehrkosten im Jahr. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist ein Quatsch! – Abg. Petzner: Ihr habt dem ORF 160 Millionen € Geld gegeben, und jetzt tut ihr groß reden!)

Jeder weiß, dass auch die Kommunalabgaben stetig steigen: die Wasserabgaben, die Kanalgebühren, die Wasserbereitstellungsgebühren, die Abfallwirtschaftsgebühren. Am Ende des Tages kommen Mehrbelastungen von mehreren Hundert Euro pro Haus­halt heraus, und alle wundern sich darüber, dass die Menschen in Scharen der Freiheitlichen Partei zulaufen, denn wir lassen das nicht zu! (Beifall bei der FPÖ.)

Wir sind selbstverständlich auch konsequent in unserer Linie. Wir lehnen weitere Griechenland-Hilfen ab. Das hat nicht unmittelbar mit dieser Novelle zu tun, das ist mir klar, aber wir sagen ganz bewusst: „Unser Geld für unsere Leut’!“ Da sind und bleiben wir konsequent. (Abg. Petzner: Und beim ORF 160 Millionen? Sagt ihr da auch etwas dazu? – Weitere Zwischenrufe.)

Wir haben versucht – auch das hat Norbert Hofer richtigerweise erwähnt –, in Verhand­lungen, in letzten Verhandlungen Entlastungen im Einkommen- und Lohnsteuerbereich durchzusetzen, damit es zumindest zu einer Teilkompensierung kommt. Diesen Vorschlägen wurde leider nicht Rechnung getragen. Es war ein konstruktiver, guter Vorschlag der FPÖ, dass man da sozusagen kompensiert; leider wurde dem nicht Rechnung getragen.

Ich halte weiters fest – wie von Alois Gradauer hier ebenfalls kundgetan –, dass bis jetzt alle Energieabgaben und -steuern den komplett falschen Zweck erfüllt haben, nämlich zum Stopfen von irgendwelchen Budgetlöchern verwendet worden sind. Da brauche ich nur an die Mineralölsteuer zu denken. Es werden 400, 500 Millionen € mehr eingenommen, aber beim Endkunden, bei den Verbrauchern, bei den Haus­halten, bei den Unternehmen landet nichts davon.


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Wir hatten auch oftmals den Eindruck, dass diese Gesetzesnovelle durchaus auf Druck vonseiten der EU zu einem raschen Abschluss gebracht werden musste. Das heißt, uns war manchmal nicht klar, wie ernst man in dieser Sache eigentlich vorgeht.

Am Ende des Tages – und ich sage es noch einmal – sagen wir Nein zu dieser Novelle – nicht, weil nicht manche Inhalte vielleicht ganz interessant und diskussions­würdig wären, sondern weil wir einfach die schon jetzt stark belasteten Unternehmen und die stark belasteten Haushalte nicht weiter belasten wollen. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Petzner: Sehr unglaubwürdig!)

12.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


12.37.02

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ja, ein Riesenschritt in die richtige Richtung! Um welche Richtungsentscheidungen geht es eigentlich? – Das ist ja fast peinlich kleinkrämerisch, was hier soeben dargeboten wurde. Es geht natürlich in der langen Frist – aber immer macht man einen ersten Schritt – um den Ausstieg aus dem fossilen und dem Atom-Zeitalter hinein ins Solar-Zeitalter!

Da alles das nicht von allein in einer selbstorganisierten Marktwirtschaft funktioniert, braucht es da oder dort politische Rahmenbedingungen, Gesetze, Förderungen oder Fördersystematiken – so wie eben hier –, um das auf den Weg zu bringen oder beschleunigt auf den Weg zu bringen. Es geht ja nur darum, dass die Sache beschleunigt auf den Weg gebracht wird.

Eines ist doch klar: In wenigen Jahren vermutlich – schneller, als Sie glauben – ist es ja genau umgekehrt. Da müssten wir dann froh sein, dass diese Schritte gesetzt wurden, da schon aus dem Markt heraus die fossilen, zu Ende gehenden Energie­träger viel, viel teurer werden – wie soll es denn anders sein! – und die anderen, erneuerbaren Energieträger, wenn schon nicht absolut billiger werden – vielleicht werden sie das mit der Technologieentwicklung, speziell im Photovoltaikbereich auch –, dann – und das reicht ja – gemessen an den fossilen Energieträgern relativ billiger werden. Wir haben uns dann mehrere Dinge auf einmal im Positiven geleistet:

Erstens: Die Energieabhängigkeit geht zurück.

Zweitens: Die Kosten, die wir für diese Importe zahlen müssen – an Gasimporten, an Ölimporten –, sind immens. Da geht es um Milliarden für die Volkswirtschaft in Österreich, um Milliarden pro Jahr. Alles, was das zurückdrängt, ist nützlich! Insofern sind alle diese Rechnungen sowieso immer noch falsch, denn volkswirtschaftlich betrachtet könnte man sich sogar wesentlich mehr an Förderungen erlauben, wären diese vielleicht sogar sinnvoll. Aber das ist jetzt einmal ein Kompromiss und, wie gesagt, ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

Diese Kostenschere, diese zukünftige Entwicklung müssen Sie (in Richtung FPÖ) ja sehen! Gerade die kleinen Leute, die Sie angeblich verteidigen, steigen in dieser Geschichte am allerschlechtesten aus. Je früher wir hier hineinkommen, desto rascher wird Österreich unabhängiger, desto kostengünstiger wird das in wenigen Jahren sein. Das muss man sich einmal ansehen: Wenn die Zahlen, die hier vorgebracht wurden – ich beziehe mich auf die Zahlen des ÖVP-Vorredners, damit wir hier jetzt keinen Diskurs haben, neulich hatten wir ja einen –, stimmen, dann geht es gerade um 1 € pro Monat und Haushalt!

Damen und Herren von der FPÖ! Wegen 1 € pro Haushalt werden wir nicht Sozialpolitik machen, wenn das eine energiepolitisch-wirtschaftliche Umsteuerung ist.


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Wir müssen Sozialpolitik dort machen, wo sie hingehört, nämlich im sozialpolitischen Terrain und im steuerlichen Bereich, na selbstverständlich! (Beifall bei Grünen, SPÖ und BZÖ.) Sonst werden wir da nie weiterkommen. Aber es entspricht Ihrem kleingeistigen Populismus, selbst da noch Haare in der Suppe zu finden, wo es wirklich keine zu finden gäbe. Aber gut, das sei Ihnen unbenommen. (Beifall bei Grünen und BZÖ.)

Mir geht es aber zum Schluss noch um etwas anderes. Ich glaube, die Grünen haben wieder einmal unter Beweis gestellt – da muss ich Ihnen schon widersprechen, Herr Haubner; was heißt da Blockadepolitik, die hier aufgegeben worden wäre? –, dass sie realpolitisch dort, wo sie eine Möglichkeit haben, auch und sofort und so gut wie immer an der Umsetzung arbeiten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da geht es nicht um Blockade, da geht es darum, dass die Ziele, die verfolgt werden, gescheit definiert werden und die Maßnahmen, die eingeschlagen werden, verbessert werden, ver­größert werden, beschleunigt werden – genau so, wie es hier war! (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen.) Die einzelnen Erfolge vom Erstentwurf bis heute lassen sich ja nachweisen und nachrechnen.

Deshalb nehmen wir diese Herausforderungen jeweils an; es war ja auch nicht das erste Mal. Wir hatten das bei den OECD-Richtlinien. Wir haben die Kompetenzen des Rechnungshofes in einer Art vergrößert (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen), wie das in der Zweiten Republik vorher nie der Fall war. Und wir haben beim vorliegenden Ökostromgesetz einen großen Schritt mit erreicht.

Ich sage es abschließend, Herr Präsident, für die Zukunft: Bei der nächsten großen Zweidrittelmaterie, wenn es um die neuen europäischen Stabilitätsmechanismen geht – das ist eine noch ein bisschen kräftigere Wuchtel, das ist mir schon klar –, werden wir unsere Mehrheit wieder dafür einsetzen (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), dass etwas Gescheites herauskommt und nicht immer alles als alternativlos, so wie von der Frau Finanzministerin, dargestellt wird. Auch da werden wir einen Erfolg verzeichnen. (Beifall bei den Grünen.)

12.41


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Huber. – Bitte.

 


12.41.46

Abgeordneter Gerhard Huber (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Dieses Ökostromgesetz war eine schwere Geburt. Aber der Vater dieses wunderschönen Kindes ist eindeutig das BZÖ! (Lebhafte ironische Heiterkeit. – Beifall beim BZÖ.)

Nur aufgrund unserer Forderungen und aufgrund unserer Verhandlungen ist es so weit gekommen. (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von FPÖ und Grünen.) Die Grünen sind da sehr weit ein Trittbrettfahrer, wenn man hernimmt (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: ... Geburt machen die Frauen ganz allein!), dass wir bereits vor zwei Jahren massiv gefordert haben, dass der Landwirt zum Energiewirt werden muss. Mit diesem Gesetz kommen wir endlich diesem Schritt ein kleines Stück näher.

Ganz kurz zur Freiheitlichen Partei: Ihr sagt da, 1 € im Monat ist die Katastrophe schlechthin. Ihr wart es, diese Partei, ihr habt 160 Millionen € dem ORF gegeben! Erklärt das eurer Wählerin und eurem Wähler! (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Dieses Ökostromgesetz ist ein Schritt, damit Österreich energieautark werden kann. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, denn im Vergleich zu der Energiekrise, die uns bevorsteht, war die vergangene Banken- und Finanzkrise nichts dagegen! Hier in Österreich haben wir sehr, sehr viel aufzuholen. Wenn wir etwa den Sonnenstrom


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hernehmen: In Deutschland waren es in den letzten zehn Jahren plus 100 Prozent; in Österreich haben wir ein Trauerspiel, da haben wir eine Sonnenfinsternis! (Zwischen­rufe bei der ÖVP.)

In Österreich haben wir den Anteil der erneuerbaren Energie in den letzten zehn Jahren um 5 Prozent auf 69 Prozent gesenkt. Die Deutschen haben diesen Anteil in den letzten zehn Jahren von 4 auf 17 Prozent erhöht. (Ruf bei den Grünen: Dank Rot-Grün!) Wenn wir nicht jetzt endlich durch dieses Ökostromgesetz entgegenwirken können, dann ist es in zehn Jahren so weit, dass uns Deutschland überholt hat.

Ich glaube, das muss man auch ganz anders sehen. Wir Österreicher haben heute im Ausmaß von 6 bis 7 Prozent Atomstrom. Wenn man China hernimmt: China hat nur 2 Prozent Atomstrom. Ich glaube, wir müssen wirklich alles dafür tun, dass wir energie­autark werden, dass wir den Haushalten leistbare Energie anbieten können, die atom­stromfrei ist.

Die Freiheitliche Partei ist da leider Lobbyist der Atomlobby, das ist für mich sehr unverständlich. Auf der einen Seite dem ORF 160 Millionen € zu geben (Zwischenrufe bei der FPÖ) und sich hier wegen 1 € monatlich groß aufzuführen und dagegen zu stimmen, ist, glaube ich, eine sehr, sehr schwache Politik von euch! (Beifall beim BZÖ.)

Ich glaube, längerfristig muss die Botschaft sein, dass unser Landwirt zum Energiewirt wird. Niemand versteht hier, warum die Energieriesen Milliardengewinne machen und die breite Bevölkerung nichts davon hat. Da muss es zu Umschichtungen kommen.

Wenn man sich das anschaut: Das BZÖ hat Konzepte. Das BZÖ hat als einzige Partei das Konzept „Österreich – energieautark“. (Ironische Heiterkeit bei FPÖ und Grünen.) Die Grünen lachen; die Grünen, die hier als Trittbrettfahrer unterwegs sind, lachen! Aber unser Ziel muss es sein, dass der Landwirt zum Energiewirt wird, dass es ein neues Berufsbild gibt, dass es Einkommen für die Landwirte schafft, dass es Einkom­men schafft und Investitionen auslöst.

Investitionen in der Landwirtschaft in Höhe von 2 Milliarden € jährlich würden laut Dr. Kronberger (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen) allein 400 Millionen an Mehrwertsteuer ins Budget hineinspülen. Das sichert Tausende Arbeitsplätze ab, das sichert die Zukunft des Standortes Österreich ab! (Beifall beim BZÖ.)

12.45


Präsident Fritz Neugebauer: Für die letzte Rednerrunde stehen je Redebeitrag knapp 3 Minuten zur Verfügung.

Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.

 


12.45.50

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, das Ökostromgesetz, das uns vorliegt, ist wohl eines der Gesetze, die einen der längsten Wege hinter sich gebracht haben vom ersten Entwurf bis zu der Fassung, die wir heute beschließen. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das stimmt!)

Es ist absolut erfreulich, dass der Förderdeckel wirklich massiv in die Höhe gegangen ist, und das, obwohl wir die Haushalte nicht massiv belasten. 1,70 € pro Monat bei einem durchschnittlichen Haushalt ist, denke ich mir, in der Tat sozial verkraftbar. Es ist ein Gesetz, das wirklich Investitionssicherheit für die Anlagenbetreiber schafft und das es auch schafft, den sehr großen Förderungsrucksack, den wir haben, sukzessive abzubauen, und zwar wesentlich schneller abzubauen, als das ursprünglich vorge­sehen war.

Dieses Ökostromgesetz ist aber natürlich auch ein Gesetz, das uns hilft, unseren Anteil an erneuerbaren Energien zu erhöhen. Da ist es mehr als notwendig, dass wir das tun,


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da haben wir auch internationale Verpflichtungen. Aber gleichzeitig hilft es uns dabei, mit unseren natürlichen Ressourcen verantwortungsvoll und zukunftsfähig umzugehen. Es ist ein Gesetz, das der Umwelt zugutekommt, und vor allem ist es eines, das uns dabei hilft, den angepeilten Ausstieg aus Atomstromimporten möglichst schnell zu realisieren.

Ich glaube, was zusätzlich notwendig ist – und es gibt auch einen dementsprechenden Entschließungsantrag, der eingebracht worden ist –, sind kräftige, spürbare Maß­nah­men im Bereich der Energieeffizienz. Da müssen wir, glaube ich, auf zwei Ebenen arbeiten, einerseits auf der europäischen Ebene, wo nach wie vor das Ziel von 20 Prozent mehr Energieeffizienz das einzige dieser Klimaschutzziele ist, das ein frei­williges und kein verpflichtendes ist. Das heißt, Sie als Wirtschaftsminister sind aufgerufen – dazu haben wir auch einen Entschließungsantrag im Parlament –, sich vehement dafür einzusetzen, dass diese 20 Prozent auch auf europäischer Ebene verpflichtend werden.

Auf österreichischer Ebene – auch das ist Teil des jetzt vorliegenden Ent­schließungs­antrags – werden wir binnen Jahresfrist ein Energieeffizienzgesetz be­schließen. Energieeffizienz, das Sparen von Energie, der sinnvolle, intelligente Einsatz von Energie ist meiner Meinung nach das größte potenzielle Kraftwerk, das wir zur Verfügung haben. Das nicht zu nutzen, ist verrückt! Es gibt einen Vorschlag der SPÖ für ein Energieeffizienzgesetz, und ich freue mich darauf, dass wir es umsetzen werden. Nur wenn wir diese 2-prozentige Energiesteigerung, die wir momentan jedes Jahr haben, in den Griff bekommen, werden wir erfolgreich sein.

Ich freue mich auch über die breite Zustimmung, die es heute gibt. Ich habe fast Mitleid mit dem Kollegen Hofer (Abg. Gradauer: Das brauchen Sie nicht!), der sich ja – wir haben es gehört – sehr konstruktiv eingebracht hat, aber von seinem Parteiobmann zurückgepfiffen worden ist. Eh klar in einer Partei, in der es nur darum geht, fundamentale Opposition zu machen, sich irgendwelchen konstruktiven Lösungen prinzipiell zu verschweigen! Da ist es eben so – tut mir leid für Sie, Herr Hofer –, da kann man nicht besser Politik machen.

Für mich persönlich möchte ich auch sagen (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), dass dieses breit getragene Gesetz ein sehr erfreulicher Abschluss meiner Tätigkeit als Umweltsprecherin der SPÖ ist. Kollege Weninger wird das mit großem Engagement in Zukunft für die SPÖ machen. Wir wissen alle, wir haben sehr, sehr viel vor uns in Sachen Klima, Artenschutz, Umwelt, Wasser, alles Mögliche. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glockenzeichen.) Ich wünsche mir öfter so breit getragene Lösungen für Umweltprobleme in diesem Haus, also machen Sie weiter so! – Danke sehr. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

12.48


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Grillitsch. – Bitte.

 


12.49.06

Abgeordneter Fritz Grillitsch (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als einer, der sich bereits vor mehr als 20 Jahren intensiv mit der Thematik erneuerbare Energieträger auseinandergesetzt und in St. Peter ob Judenburg eines der ersten Biomasseheizwerke errichtet hat (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: So alt sind Sie ja noch gar nicht!), freue ich mich über diesen heutigen Tag – mit einem Wermutstropfen: dass es nicht fünf Parteien sind, die heute einen Grundstein dafür setzen, dass Österreich unterwegs ist in Richtung eines atom­stromfreien Österreich, eines energieautarken Österreich.


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Ich bedauere es wirklich sehr, Herr Kollege Hofer – mein Mitleid ist auf Ihrer Seite –, dass Sie sich in Ihrem Klub nicht durchgesetzt haben. Sie sind kompetent; schade, dass Sie nicht dabei sind. Es wäre ein gutes Signal für dieses Parlament gewesen, heute Zukunftssicherung nach Österreich zu signalisieren. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir haben eine Reihe von erneuerbaren Energieträgern – Biomasse, die uns buch­stäblich beim Fenster hereinwächst, Wind, Photovoltaik, Wasserkraft insbesondere –, und daher ist das Gesetz für diese neuen Technologien ein ökologisch zukunfts­weisendes, ein wirtschaftlich tragbares und auch ein sozial ausgewogenes. Die Finan­zierung ist budgetneutral. Für Einkommensschwache wurde ein Deckel von 20 € vorgesehen. Das ist gut und das ist wichtig. Die Aufstockung der Fördervolumen auf 111,5 Millionen € bedeutet einen Abbau der langen Warteschlange. Auch das ist sehr positiv. Das jährliche Förderzuwachskontingent von 21 Millionen € auf 50 Millionen € zu erhöhen, ist einfach wirklich großartig. Danke dafür! Das hilft vielleicht insbesondere auch unseren Biogasbetreibern, die heute auch hier sind, die Diskrepanz zwischen Rohstoffkosten und Strompreis entsprechend ausgleichen zu können. Auch das ist wichtig.

Dieses Gesetz gibt jenen die so notwendige Investitionssicherheit, die nicht mit Kon­zepten der Vergangenheit die Zukunft bewältigen wollen, sondern stattdessen mit Unternehmungsgeist, mit Risikobereitschaft und letztlich mit Innovationskraft ver­suchen, in Österreich, in den Regionen mit neuen Technologien Arbeit zu schaffen, durch CO2-neutrale Energieerzeugung gegen den Klimawandel vorzugehen und letztlich auch die Kaufkraft im Lande zu behalten, Wertschöpfung im Lande zu behalten, keinen Kaufkraftabfluss in arabische Länder oder nach Russland und in seine Nachbarländer zu verursachen. Das ist wichtig. Das ist notwendig.

Herr Minister! Das ist ein gutes Gesetz, und ich sage, dieses Ökostromgesetz macht keine Schulden bei unseren Kindern. (Beifall bei der ÖVP.)

12.51


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek. – Bitte.

 


12.51.55

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren hier und zu Hause an den Fernsehgeräten! (Abg. Amon: „Warum wir doch zustimmen werden“! – Abg. Dr. Bartenstein: „Zumindest mit drei symbolischen Stimmen“!)

Ich darf mit einem Zitat des Kollegen Zeillinger beginnen: „Sehr geehrte Preis­treiberinnen und Preistreiber!“ – Das zeigt nämlich genau, worum es heute wirklich geht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist ja eine peinliche Ausrede!)

Es war ein durchaus vernünftiger Ansatz, der dann auf der letzten Stufe, möchte man sagen, knapp gescheitert ist. Auch wenn die Grünen wieder einmal dazwischen­motschkern, vor allem Frau Kollegin Glawischnig – auf deren Aussagen komme ich dann ohnehin später zu sprechen.

Frau Glawischnig! Für uns ist Markt- und Wirtschaftsnähe wichtig – statt übertriebenem Ökoaktionismus. Das ist Ihr Revier. Wir sind eher bei Markt und Wirtschaft zu Hause. (Beifall bei der FPÖ.)

Es gibt auch – und das ist, bitte, bis jetzt von allen so gesagt worden – gute Ansätze für erneuerbare Energie, vor allem bei der Windkraft und bei der Photovoltaik. Zu den Biogasbetreibern: Da bin ich nicht ganz der Ansicht, dass das mit den 4 Cent, wie das


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der Herr Minister gesagt hat, schon reicht. Wenn der Bauernbund sagt, da ist alles toll, sage ich als Techniker zum Bauernbund: Ihr hebt ja noch die Gesetze der Physik auf!

Ein kurzes Zitat; da schreibt ein Herr: Sehr geehrter Herr Klubobmann-Stellvertreter Hofer! Lieber Norbert! Ich wäre dir sehr dankbar, wenn du oder ein Kollege deiner Partei in der heutigen Diskussion zum Ökostromgesetz darauf hinweist, dass mit der Beschlussfassung dieses Gesetzes der Konkurs von sehr vielen Biogasanlagen mitbeschlossen wird. Dieses Gesetz verhindert auch den technischen Fortschritt der Anlagenerrichter. Das ist auch ein schwerer Schlag gegen die Interessen jener Be­triebe, die Biogasanlagen bauen und keine neuen Anlagen errichten werden. Mit diesem Gesetzesbeschluss wird auch die Technologieführerschaft der österreichischen Firmen aufs Schwerste behindert. Mit freundlichen Grüßen, Ökonomierat Franz Blochberger, Geschäftsführer. – Zitatende.

Das ist euer Mann, ein ehemaliger ÖVP-Landesrat. Eure Leute sagen euch ja, was ihr wirklich macht. (Beifall bei der FPÖ.)

Gehen wir jedoch weiter: Worum geht es denn wirklich? Worum wurde wirklich vernünftig verhandelt, lieber Norbert? – Dass es eine Anstoßförderung ist und dass sie degressiv ist. Das ist durchaus das Positive, lieber Herr Bundesminister. In Wirklichkeit geht es darum, dass man von irgendwelchen Dauerförderungen wegkommt und dass die Anlagen, und zwar jede einzelne für sich, wettbewerbsfähig sind.

Das zeigt auch wirklich die Regierungsfähigkeit mancher Parteien beziehungsweise von solchen Parteien, die sich am Schluss, in den letzten Stunden (Präsident Neugebauer gibt das Glockenzeichen), wenn es zu einer Entscheidung gekommen ist, draufsetzen und mittun, wie zum Beispiel die Grünen oder das BZÖ. (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Redezeit!)

Wenn es darum geht, wer das Ganze zu zahlen hat, dann ist das ganz klar. Es ist heute schon oft „gemeinsam“ gesagt worden. 65 Prozent zahlen die Betriebe und 35 Prozent zahlen die Haushalte. (Präsident Neugebauer gibt neuerlich das Glocken­zeichen.) Die Haushalte werden bluten, und dagegen wehren wir uns. Das ist das Wichtigste am heutigen Tag. Wir alle werden bluten! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.55


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Dr. Lichten­ecker. – Bitte.

 


12.55.16

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Werte Damen und Herren! Das ist heute ein sehr freudiger Tag. Das Ökostromgesetz trägt eine klare grüne Handschrift, und das dank der guten Verhandlungen, die seitens unserer Energiesprecherin Christiane Brunner geführt wurden. Herzlichen Dank!

Dieses Ökostromgesetz wird das Tempo der Energiewende beschleunigen, und das brauchen wir sehr dringend. Wir brauchen es sehr dringend, um die Unabhängigkeit in der Energieversorgung zu sichern und natürlich auch um mittelfristig die Preise der Energieversorgung zu senken.

Herr Abgeordneter Deimek, Sie sind völlig auf dem Holzweg. Genau dieser Schritt heute wird mittelfristig auch die Preise für Haushalte und für Unternehmungen senken, vor allem auch einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und selbstverständlich Arbeitsplätze in Österreich schaffen und sichern.

Genau das wird diese Vorlage in dieser Form gewährleisten. Insofern ist das der richtige Schritt am heutigen Tag. Die konstruktiven Verhandlungen haben dazu bei­


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getragen, dass das in dieser Form geschehen ist. Es ist dies auch ein klares Signal: Wenn Grüne am Verhandlungstisch sitzen, wenn Grüne mitverhandeln, wenn Grüne mitregieren, dann geht etwas weiter in die richtige Richtung, in die Zukunft. (Abg. Dr. Bartenstein: No, no! Die Grünen regieren nicht mit!)

Genau sieht man das auch in Oberösterreich, wo Rudi Anschober als Energielandesrat zuständig ist. Dort ist der Endenergieverbrauch gesunken, dort werden 86 Prozent des Stromverbrauchs bereits mit erneuerbaren Energien abgedeckt. Und vor allem haben wir auch mehr als 160 Unternehmungen, die auf diesem Gebiet sehr erfolgreich arbeiten. Wenn wir uns die österreichweite Statistik anschauen, dann ist Ober­österreich das Bundesland mit den meisten grünen Arbeitsplätzen, nämlich bereits 36 000. Das ist der richtige Weg, der die Zukunft kennzeichnen soll: grün und sonnig.

Dieses Ökostromgesetz bedeutet auch für die Photovoltaik einen klaren Fortschritt, und das ist gut so, denn das ist letztendlich die kostenlose Energie vor der Haustüre.

Insgesamt ist es ein Schritt auf einem Weg, der weitergegangen werden muss. Die nächste große Herausforderung ist die Energieeffizienz. Da haben wir in Österreich großen Handlungsbedarf. Das wird ein Thema sein, zu dem wir unsere Vorschläge ganz konsequent einbringen werden, um auch da erfolgreich und hilfreich zu sein. (Beifall bei den Grünen.)

12.58


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter List. – Bitte.

 


12.58.18

Abgeordneter Kurt List (BZÖ): Hohes Haus! Die ÖVP ist im Dilemma. (Abg. Dr. Rosenkranz: Ihre Ansteckplakette müssen Sie jetzt runternehmen!) In der steirischen ÖVP gärt es. Da gärt es gewaltig. Die steirische ÖVP ist unzufrieden, dementsprechend schwer sind auch die Vorwürfe ihres Klubobmanns Christopher Drexler im Landtag, die er vor Kurzem in einem Interview getätigt hat.

Ich zitiere: Die eigene Performance der ÖVP ist katastrophal, auch in der Energiepolitik auf Bundesebene. Es fehlt an Entschlossenheit, Österreich zu führen. Die ÖVP verharrt im politischen Vakuum. – Zitatende.

Das, geschätzte Damen und Herren, sind schwere Geschütze, die aus der Steiermark auf den Bund gerichtet sind. Auch der Landeshauptmann-Stellvertreter Schützenhöfer fordert einen eigenständigen Weg der ÖVP Steiermark.

Beim Ökostromgesetz haben jetzt alle steirischen Abgeordneten der ÖVP die Gelegenheit, den ausgerufenen neuen, eigenständigen Weg zu beschreiten. Wir vom BZÖ bringen einen entsprechenden Entschließungsantrag ein. Dieser Antrag wurde bereits im Grazer Gemeinderat einstimmig angenommen, auch mit den Stimmen der ÖVP. (Abg. Grillitsch: Der Text ist ja schon alt!) Im Wesentlichen sehen wir die erneuerbaren Energien als einzige Alternative zur Atomenergie. Ihr Potenzial reicht aus, um künftig sowohl auf Atomenergie als auch auf fossile Energienutzung verzichten zu können.

Deshalb der Antrag aus dem Grazer Gemeinderat wortidentisch: Die unterzeichneten BZÖ-Abgeordneten stellen den

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird ersucht, sich in den entsprechenden internationalen Ebe­nen für die generelle und sofortige Abkehr von Atomkraft auszusprechen.“

*****

Geschätzte Damen und Herren! (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Das ist nicht Deutsch! Es gehört „auf“ statt „in“!) Unterstützen Sie diesen Antrag! Vor allem an die steirischen ÖVP-Abgeordneten gerichtet: Nützen Sie diese einmalige Chance, gehen Sie den steirischen Weg beim Ökostromgesetz! Der sofortige Ausstieg aus der Atomenergie muss unser aller Ziel sein. Trennen Sie sich von Ihren Atomlobbyisten! (Beifall beim BZÖ.)

13.00


Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grosz, Schenk, Dr. Spadiut, List, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil I:

eingebracht in der 113. NR-Sitzung am 07.07.2011, im Zuge der Debatte zu TOP 2 über den Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regie­rungsvorlage (1223 d.B.): Bundesgesetz über die Förderung der Elektrizitätserzeugung aus erneuerbaren Energieträgern (Ökostromgesetz 2012 – ÖSG 2012) (1302 d.B.)

Erneuerbare Energien sind die Alternative zur Atomenergie. Ihr Potential reicht aus, um künftig sowohl auf Atomenergie, als auch auf fossile Energienutzung verzichten zu können. Rechtsgrundlage für die abnahme von Ökostrom durch die Ökostrom­abwicklungsstelle OeMAG ist das Ökostromgesetz.

Normalerweise bekommen Vorschläge der Opposition im Nationalrat nie eine Mehrheit, weil die Koalitionsfraktionen eine Zustimmung unabhängig von der sachlichen Sinnhaftigkeit der Forderungen aus rein parteitaktischen Gründen verweigern. Die innerhalb der ÖVP seit dem Amtsantritt von Parteiobmann und Vizekanzler Spindelegger immer stärker werdenden bündischen und regionalen Divergenzen haben nun zur Ankündigung des Obmanns der ÖVP Steiermark geführt, künftig eine „eigenständige Linie“ einschlagen zu wollen. Dies lässt die Hoffnung aufkeimen, dass viele Anliegen, die in der Steiermark von der ÖVP unterstützt wurden, nun auch im Nationalrat erhöhte Umsetzungschancen haben könnten.

Ein derartiger Vorschlag ist der von der BZÖ-Graz im Gemeinderat von Graz am 17. März 2011 eingebrachte und in diesem Punkt einstimmig angenommene dringliche Antrag: „Der Grazer Gemeinderat fordert die österreichischen Bundesregierung auf, sich in den entsprechenden internationalen Ebenen für die generelle und sofortige Abkehr von Atomkraft auszusprechen.“

Die Umsetzung dieses Anliegens auf Bundesebene würde bedeuten, dass die Bundesregierung Ihre Politik gegenüber den Nachbarstaaten, die Österreich mit ihren Schrottreaktoren in Grenznähe gefährden, ändern müsste. Gegebenenfalls müssen sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft werden, um die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung zu gewährleisten. Die meisten Ballungsräume Österreichs befinden sich in einem näheren Umfeld von Atomkraftwerken. Nicht einmal 120 Kilometer von Graz entfernt liegt das stark veralterte AKW Krsko, welches auf einer Erdbebenlinie erbaut


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wurde. Laut Greenpeace wird dort in den nächsten zweihundert Jahren ein stärkeres Erdbeben erwartet. Außerdem kommt es immer wieder zu Störfällen. Erst im März 2011 wurde eine Schnellabschaltung veranlasst, nachdem es zu einem Defekt in der Umspannanlage gekommen war.

Um insbesondere den steirischen Abgeordneten der ÖVP die Gelegenheit zu geben, ihren Überzeugungen abseits vom Klubzwang im Sinne der von ihrem Landes­parteiobmann ausgerufenen „eigenständigen Linie“ auch im Nationalrat Ausdruck verleihen zu können stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, sich in den entsprechenden internationalen Ebenen für die generelle und sofortige Abkehr von Atomkraft auszusprechen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Neubauer. – Bitte.

 


13.00.53

Abgeordneter Werner Neubauer (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Frau Kollegin Hakel von der SPÖ, zur Klarstellung: Herr Landesrat Kurzmann in der Steiermark verhindert gar nichts. Wenden Sie sich an Ihren sozialdemokratischen Landesrat Schrittwieser. Der verhindert nämlich das Projekt, das Sie angesprochen haben. – Das nur zur Klarstellung. (Beifall bei der FPÖ. – Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Tagen hat die Minister Mitterlehner, Hundstorfer und Berlakovich ein E-Mail erreicht. In diesem E-Mail wird die Bundesregierung ersucht, folgende Anliegen im Ökostromgesetz zu erfüllen, nämlich den Ausbau der einzelnen erneuerbaren Energieträger nicht länger durch Deckelungen zu limitieren und die Energiewende dadurch nicht weiter zu bremsen.

Eine zweite Forderung, die darin enthalten ist, lautet: für die dauerhafte Bereitstellung ausreichender Budgetmittel über die Ökostrombeiträge hinaus zu sorgen, damit Engpässe beim Ausbau erneuerbarer Energien und bei der Umsetzung der Energie­wende ausgeschlossen werden können.

Geht es jetzt nach der Diktion des Herrn Abgeordneten Kogler, wären diese Forde­rungen lediglich kleingeistiger Populismus. Dieses Schreiben ist aber bemerkens­werter­weise vom grünen Landesrat Rudi Anschober, meine sehr geehrten Damen und Herren, der sich diese Forderungen offenbar abgeschrieben hat, meine sehr geehrten Grünen. Es ist also der „kleingeistige Populist Anschober“, der das als Landesrat von Oberösterreich fordert. Das werden Sie ihm zu erklären haben. Wir werden ihm Ihr Abstimmungsverhalten in jedem Fall erklären.

Noch eines: Wenn der Herr Landesrat ein Inserat schaltet (der Redner hält ein Schriftstück in die Höhe), das 50 000 € an Steuergeldern kostet, und damit den Leuten erklären will, dass er es geschafft hat, dass acht Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet werden, dann ist das kleingeistiger Populismus, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Dr. Moser: Das schreibt er ja gar nicht!)


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Das glaubt wirklich niemand mehr, dass der kleine Herr Anschober, der nicht einmal mehr in der eigenen Partei die Rückendeckung hat, in der Lage gewesen wäre, acht Atomkraftwerke abzustellen.

Herr Kollege Widmann, du hast vor einer Woche eine Presseaussendung gemacht, in der du Folgendes gesagt hast – ich zitiere –:

In Österreich gibt es einen „Stillstand bei der Energiepolitik“. „In Österreich ist die Energiepolitik“ zu „wenig ambitioniert. Es fehlen klare Ziele, Verantwortlichkeiten, Eva­luierungen und Kontrollen.“ Und: „Der Ökostromdeckel muss weg, ...“ – Zitatende.

Kollege Widmann, du bist der größte Umfaller hier in diesem Haus! Du bist der größte Umfaller! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Widmann: Darum haben wir ja noch weiter verhandelt!)

Du fällst auch noch deinem Klubobmann Bucher in den Rücken, der noch gefordert hat: 14 Prozent mehr Steuern sollen den Haushalten zukommen. In der Aussendung von Seppi Bucher steht drinnen, dass er der FPÖ vorwirft, wir würden die Haushalte belasten durch die erste Novelle. Und jetzt stimmen Sie zu, obwohl das 21 € pro Haushalt und 400 € pro KMU bedeutet?! Dafür müssen Sie sich wirklich schämen! Diesen Umfaller um 180 Grad, den werden Sie den Österreicherinnen und Öster­reichern vom Burgenland bis Vorarlberg nirgendwo erklären können. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Mag. Widmann: Sachpolitik war noch nie eine Stärke der FPÖ!)

13.04


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Glaser zu Wort. 2 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.04.31

Abgeordneter Franz Glaser (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! (Rufe und Gegenrufe zwischen Abge­ordneten von FPÖ und BZÖ.) – Vielleicht können sich die Kontrahenten, die früher gemeinsam wirkten, wieder beruhigen.

Zusammenfassend: Wenn wir heute ein Ökoenergiegesetz, ein Ökostromgesetz in dieser Dimension beschließen, dann hat das sicher damit zu tun, dass die Katastrophe von Fukushima uns alle wachgerüttelt hat. Es ist so, dass jetzt Gott sei Dank auch andere Länder dem Beispiel Österreichs folgen, Atomenergie nicht mehr zu nutzen. Die Schweiz und auch Deutschland sind bereits ausgestiegen beziehungsweise steigen aus, Italien wird dem folgen. Das ist einfach ein gutes Ergebnis einer Katastrophe.

In diesem Zusammenhang gleich zum Entschließungsantrag des BZÖ bezüglich Ausstieg aus der Atomenergie, dass die Bundesregierung sich da noch mehr einsetzen sollte. Dazu darf bemerkt werden, dass sich die Bundesregierung schon in den vergangenen Jahren massiv für den Ausstieg aus der Atomenergie auch in anderen Ländern eingesetzt hat. Man kann es auch übertreiben, wie seitens des BZÖ gefordert. Alles geht nicht. Diesem Antrag können wir, da wir ohnehin schon sehr viel getan haben, nicht zustimmen. Wir werden aber Ihrem Antrag auf die Ermöglichung des Online-Anbieterwechsels die Zustimmung geben.

Mit dem Ökostromgesetz geschieht vor allem Folgendes: Wir setzen auf viele kleine regionale Energieanbieter, wir setzen auf Versorgungssicherheit, wir setzen auf breite Wertschöpfung und wir setzen auf Arbeitsplätze in der Region, und das ist etwas ganz, ganz Wesentliches. (Beifall bei der ÖVP.)

Noch etwas ist uns zunehmend klar geworden: Der Energiebereich und wie wir diesen gestalten, das wird ganz massiv unsere Zukunft prägen. Ich glaube daher, dass uns


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allen bewusst ist, dass wir durchaus auch unseren Lebensstil werden ändern müssen. Vor allem werden wir aber sicherlich Energie sparen müssen, Energie effizient einsetzen müssen. Deswegen ist auch das Vorhaben von Bundesminister Mitterlehner, ein Energieeffizienzgesetz vorzulegen, ein ganz wesentliches. Ich hoffe, dass das Klimaschutzgesetz von Niki Berlakovich, das vor allem auch andere Bereiche wie den Verkehr in die Pflicht nehmen wird, ebenfalls möglichst bald umgesetzt wird.

Abschließend: Wir alle müssen im Ökostromgesetz auch eine große wirtschaftliche Chance sehen, denn wenn wir in diesem Bereich mehr investieren, mehr Anlagen bauen, haben wir auch eine dynamische technologische Entwicklung zu erwarten. Das wiederum eröffnet uns Chancen auf dem wirtschaftlichen Parkett, auf dem Markt.

Ganz zum Schluss: Wir werden mit dieser Beschlussfassung einen großen Mosaikstein dazulegen, um die Energiestrategie der Bundesregierung bis 2020, getragen von den Ministern Mitterlehner und Niki Berlakovich, auch umsetzen und sogar übererfüllen zu können. In diesem Sinn ein herzliches Danke allen, die heute diesem Gesetz zustim­men. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


13.08.00

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich am Schluss der Debatte noch einmal kurz zu Wort melden, weil mir ein paar Dinge aufgefallen sind, auf die ich kurz replizieren möchte.

Erstens: Energieeffizienz wurde gerade vom Vorredner angesprochen. Wenn Sie die Energiestrategie lesen, merken Sie, dass die Relation erneuerbare Energie und Energieeffizienz im Verhältnis 3 : 1 zugunsten der Energieeffizienz festgelegt wurde. Es wird also in nächster Zeit noch wichtiger sein, dieses Thema entsprechend abzuhandeln. Ich hoffe dabei genauso wie heute auf Unterstützung.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch der FPÖ schon noch mit- und zu bedenken geben, dass die Argumentation, warum Sie nicht mitstimmen können, schon ein wenig undifferenziert war. Warum? – Warum haben wir eine Förderung bei Ökostrom? Weil wir dort eben noch keine Marktpreise haben, aber in eine bestimmte Richtung gehen wollen, um atomstromfrei zu werden und einfach auch die dafür notwendige Technologie zu entwickeln.

Jetzt ist die Frage, wer das bezahlt, wenn das mehr kostet als der Marktpreis abdeckt. Sie sagen: Wenn schon, dann muss das der Steuerzahler zahlen. Ähnlich hat Herr Neubauer auch Rudi Anschober zitiert. Das Problem ist nur, dass das EU-rechtlich nicht erlaubt ist, das wäre nämlich eine direkte Beihilfe. Ein Land hat das gemacht, nämlich Spanien. Die haben das mittlerweile auch aus budgetären Gründen abgestellt.

Daher stellt sich eine zweite Frage: Wenn das nicht geht, wer zahlt dann die Kosten und wem ist es etwas wert, dass wir atomstromfrei sind? Wir haben die Konsumenten befragt mit einer relativ großen Anzahl von Interviewten, rund 1 500 Personen. Fast 90 Prozent sind der Auffassung, dass es ihnen auch die Summe wert ist, die wir jetzt angesetzt haben, atomstromfrei zu sein. (Abg. Petzner: Neubauer, zuhören!)

Sie behaupten, dass Sie den Wähler vertreten. Der Wähler ist jedoch durchaus in der Lage, das ganze Thema so differenziert zu sehen, dass er es in der Argumentation nicht mit Griechenland oder sonst etwas in ein Boot wirft. Ich ersuche, das für die Abstimmung noch mit zu bedenken.


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Zum Dritten und abschließend: Sie kennen die Werbung von Ricola. „Wer hat’s erfunden?“ – Das haben jetzt viele erfunden. Aber, Herr Kollege Huber, ich würde Sie wirklich bitten: Gehen Sie in dieser Angelegenheit keinen Vaterschaftsstreit ein!

Kennen Sie das römische Sprichwort: „Mater semper certa est, pater semper incertus est“? (Abg. Kopf: Können Sie es für ihn übersetzen?) Darüber denkt auch ein Schauspieler österreichischer Abstammung nach. Überlegen Sie sich das daher, bitte, bevor Sie sich äußern, und lassen Sie uns das, was wir entwickelt haben! (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie der Abg. Mag. Brunner. – Abg. Mag. Widmann: Übersetzen, bitte!)

13.10

13.10.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1223 der Beilagen.

Hiezu haben die Abgeordneten Peter Haubner, Katzian, Mag. Brunner, Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen einen Zusatz- bzw. Abänderungsantrag eingebracht.

Da der vorliegende Gesetzentwurf sowie der erwähnte Zusatz- bzw. Abänderungs­antrag Verfassungsbestimmungen enthalten, stelle ich zunächst im Sinne des § 82 Abs. 2 Z 1 der Geschäftsordnung die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten fest.

Da nur der erwähnte Zusatz- bzw. Abänderungsantrag der Abgeordneten Peter Haubner, Katzian, Mag. Brunner, Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen vorliegt, lasse ich sogleich über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung der Regierungsvorlage unter Berücksichtigung dieses Zusatz- bzw. Abänderungsantrages abstimmen.

Ich bitte nunmehr jene Damen und Herren, die diesem Gesetzentwurf zustimmen, um ein bejahendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist mehrheitlich angenommen.

Ausdrücklich stelle ich wiederum die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittel­mehr­heit fest.

Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen. (Beifall bei SPÖ, ÖVP, BZÖ und Grünen.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Peter Haubner, Katzian, Kolleginnen und Kollegen betreffend Beitrag der Energieeffizienz zu einer nachhaltigen Energiezukunft Österreichs.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 182.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Ermöglichung des Online-Wechsels des Energielieferanten.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist einstimmig angenommen. (E 183.)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ing. Hofer, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Energie aus erneuerbaren heimischen Ressourcen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil I.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

13.14.343. Punkt

Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Industrie über die Regie­rungsvorlage (1224 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Transparenz von Preisen für Erdöl, Mineralölerzeugnisse, Gas, Strom und Arzneimittel sowie der Preisauszeichnungsvorschriften (Preistransparenzgesetz) geändert wird (1301 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Steindl. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.15.03

Abgeordneter Konrad Steindl (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Weniger aufregend ist das Preistransparenzgesetz, das wir der Bundesminister hier vorgelegt. Es war dies notwendig, da sich in letzter Zeit an den Tankstellen, vor allem an den konzerneigenen Tankstellen eine eigenartige Geschäfts­praxis entwickelt hat: Es wurden an den Tankstellen mehrmals täglich die Preise verändert – und das hat natürlich den Konsumenten daran gehindert, effektive Preisfeststellungen zu treffen beziehungsweise günstigere Tankstellen auszusuchen.

Deswegen hat Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner in einem ersten Schritt eine Verordnung erlassen, wonach diese Preise nur einmal täglich geändert werden dürfen. Aber auch das reicht offensichtlich nicht aus. Er hat deshalb eine Regierungsvorlage vorgelegt, die ihn zu einer Verordnung ermächtigen sollte, dass jeder aktuell festgelegte Preis an den Tankstellen elektronisch an die E-Control gemeldet werden muss.

Das wird also den Konsumenten in Hinkunft viel mehr Transparenz bringen, und ich bin überzeugt davon, dass damit auch insgesamt eine bessere Preisstabilität erreicht werden kann. Ich glaube, dass damit auch, wenn man die Autofahrerklubs für die entsprechende Routenwahl mit einbinden kann, die Konsumenten die Möglichkeit haben, entlang einer Route die günstigsten Treibstoffpreise ausfindig zu machen.

Allerdings ist es im Sinne der Wettbewerbskonformität notwendig, diese Transparenz beziehungsweise diese Gesamtabfrage einzuschränken. Deswegen werden für den Konsumenten als auch für die Autofahrerklubs die günstigsten Tankstellen eben nur in den abgefragten lokalen Bereichen ausgewiesen. (Beifall bei der ÖVP.)


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Somit ist das, wie ich meine, eine gute Maßnahme, um mehr Transparenz und Stabilität im Bereich der Treibstoffpreise zu erhalten.

Abschließend noch: Ich glaube, es wäre zu überdenken, die Wettbewerbsregeln sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene neu zu definieren, denn wenn ein Marktanteil von 30 Prozent eine marktbeherrschende Stellung ausmacht, dann wird es so sein, wie es ist: Die Konzentrationen werden sich fortsetzen. – Besten Dank. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

13.18


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abge­ordneter Dr. Matznetter. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.18.14

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir beschäftigen uns im Jahrestakt mit der Entwicklung der Treib­stoffpreise. Geben wir ehrlich zu: Angesichts dessen, was sich auf den Weltmärkten abspielt, wird die Möglichkeit Österreichs, da einzugreifen, eher gering sein. Aber auch dort sehen wir, dass in Wahrheit spekulative Elemente vorhanden sind, die nicht im entsprechenden Deckungszusammenhang mit Angebot und Nachfrage stehen.

Die Internationale Energieagentur hat versucht, da entgegenzuwirken; die haben aber andere Maßnahmen. Wir machen aber unsere Hausarbeit hier im Land. Ich erinnere daran, dass wir mit großer Mehrheit die Frage der Preisanpassung geregelt haben. Da wurden ja Preise im Stundentakt erhöht. Der Konsument glaubt, er tankt um 1,19 €, fährt hin – und dann steht plötzlich 1,25 € dort. Deshalb haben wir beschlossen: Eine Tankstelle darf die Preise nur noch einmal am Tag erhöhen.

Auf den Vorschlag, ein Tankstellenbetreiber soll die Preise überhaupt nur einmal am Tag ändern dürfen, haben wir gesagt: Wir werden es ihm nicht verbieten können, wenn er billiger wird. Dem sind wir alle gefolgt – natürlich mit folgendem Effekt: Bei gut geplanter Treibstoffpreisentwicklung setzt man einen bestimmten Wert an und lässt dann sanft in mehreren Dingen wieder absinken; und erstaunlicherweise ist dann vor dem Wochenende oder dort, wo der Konsument wenig Alternativen hat, das Absinken nicht so stark.

Jetzt setzen wir den nächsten Schritt, und zwar das, was bis jetzt am besten geholfen hat, nämlich eine Transparenz über die Preise. Bisher haben die Autofahrerklubs versucht, durch Erhebungen dem einzelnen Tankenden einen Hinweis zu geben. Jetzt geben wir ihm die Möglichkeit, auf Daten, die von allen Tankstellen im Land erhoben werden, zuzugreifen. Und: Wir geben den Marktschützern, nämlich für den echten Wettbewerb, das Datenmaterial in die Hand, damit sie sich anschauen, ob das alles den Vorschriften über Preisabsprachen und Kartelle entsprechend ordnungsgemäß abläuft.

Beide Ziele erfüllen wir mit diesem Gesetz. Wir hatten am Anfang noch eine kleine Diskussion über die Frage – die wir gelöst haben –: Wie ist es mit den fünf billigsten? Jemandem, der auf der Westautobahn fährt und sagt: Ich muss in den nächsten 200 Kilometern tanken, wo soll ich tanken?, dem hätte das nicht geholfen. Er hätte immer Tankstellen abseits der Autobahn bekommen. Jetzt kann er die Route eingeben und sagt: Das billigste ist dort. Wir erhoffen uns, dass durch den Wettbewerb, weil das eben sichtbar ist und dort mehr getankt wird, ein Absinken der Preise stattfindet.

Zweitens: Die E-Control wird in die Lage versetzt, sich die Entwicklung ganz genau anzuschauen, und es wird Aufgabe der E-Control sein: Wenn dort feststellbar ist, dass sich Preise nicht marktwirtschaftlich nach Angebot und Nachfrage richten, sondern planmäßig ein höherer Preis durchgesetzt wird, in dem Synchronverhalten und


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Ähnliches zustande kommt; dann wird es Aufgabe der Behörden sein – auch unter Einschaltung der Bundeswettbewerbsbehörde –, dem einen Riegel vorzuschieben.

Damit auch die notwendigen Amtsparteien davon Kenntnis erlangen, ist vorgesehen, dass auch die Konsumentenschützer die Daten quartalsweise bekommen. Die können sie auswerten, auch die AK kann die dann auswerten. Wir erhoffen uns davon, dass solche Manipulationen, wenn sie da sind, entsprechend bekannt werden.

Dass wir dadurch als Bund ein bisserl weniger Erträge aus der OMV bekommen (Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner), nehmen wir in Kauf, weil wir die Hoffnung haben, dass dafür das Tanken in Österreich im internationalen Bench­mark günstig bleibt. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.21


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Deimek zu Wort. 3 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


13.22.08

Abgeordneter Dipl.-Ing. Gerhard Deimek (FPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Meine Damen und Herren! Zu dieser Debatte könnte man sagen: Hätten wir einen freien Markt, dann bräuchten wir heute hier nicht darüber zu diskutieren. Ich untermauere das Ganze mit einem Zitat von Herrn Ruttenstorfer von der OMV:

In Österreich gibt es ja die Preistransparenz, und zwar gibt es sie genau deswegen, weil die Preise ja auf den Schildern stehen. – Zitatende.

Soviel zum Zynismus der OMV.

Das zeigt ganz genau: Wir haben in Österreich keinen funktionierenden freien Treib­stoffmarkt, das ist das eigentliche Problem. (Demonstrativer Beifall des Abg. Tadler.) Wenn wir uns heute die zitierten Autobahnen und das 200 Meter daneben liegende Dorf anschauen – warum ist das Tanken im Dorf wesentlich billiger als auf der Autobahn? –, dann habe ich schon oft auch aus dem Ministerium gehört, das sei doch nur eine Frage von Angebot und Nachfrage. – Nein, es geht nicht um Angebot und Nachfrage, sondern darum, dass bei uns ein gut funktionierendes Oligopol verhindert, dass wir auf den Autobahnen ein billigeres Angebot haben.

Genau darum geht es: Es findet kein Preiskampf statt. Und warum findet kein Preiskampf statt? – Weil wir in Österreich die sogenannten Big Three, die großen drei, haben, nämlich OMV, Shell und BP. In Österreich kommt der Treibstoff aus der Raffinerie der OMV, die liefert an Shell und BP. In Deutschland funktioniert es umgekehrt: Dort sind die großen Raffinerien von Shell, teilweise auch von BP, und die OMV ist der Kunde und hält sich natürlich an sämtliche Preisabsprachen – genauso wie sich die anderen in Österreich an sämtliche Preisabsprachen halten.

Der Bundesminister hätte eigentlich so etwas wie den Ordnungsrahmen des Staates. Er hätte auch schon bisher etwas machen können. Bis jetzt hat er aber leider nichts gemacht. Das ist ein Punkt, den wir kritisieren. Jetzt gibt es offensichtlich ein Einschreiten – ein erstes allerdings – mit dieser Datenbank. Diese wird jetzt bei der E-Control eine ordentliche Stange Geld kosten. Es wird auch bei den entsprechenden Stellen, die die Daten liefern müssen, ein ordentliches Stangerl Geld kosten. Dass die sich darüber aufregen, vor allem dort, wo sie nicht zu den großen drei Ketten gehören, ist ganz klar – aber bitte, das ist ja alles geregelt.

Herr Bundesminister, zum Gesetz an und für sich – wir haben Ihnen das schon im Ausschuss gesagt –: Sie haben von uns einen Vertrauensvorsprung, nämlich insofern, als wir uns jetzt eine gewisse Zeit lang anschauen wollen: Funktioniert diese Datenbank als solche? Funktioniert das Hereinmelden?


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Und vor allem: Funktioniert das, was wir als Konsumenten daraus haben wollen, nämlich regelmäßige Berichte daraus, damit man als Konsument den billigsten Anbieter abfragen kann, besonders in einem gewissen lokalen Bereich, zum Beispiel auf einer Route? Und vor allem: Funktioniert die Beobachtung der Preise, die der Konsument nicht sieht, die aber sehr wohl in der Datenbank enthalten sind? Und weiters: Werden Sie, Herr Bundesminister, dann darauf in irgendeiner Form reagieren?

Dass wir jetzt ein Oligopol haben, liegt ja auf der Hand. Wir wünschen uns, dass Sie dann, wenn das ganz offensichtlich wird, darauf reagieren. Sonst müssten wir uns fragen, warum Sie denen die Mauer machen, und ob Sie vielleicht schauen, dass Sie dann – wie Ihr Kollege Schüssel, nur eben bei einer Öllobby – einen Aufsichts­rats­posten bekommen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Dr. Lichtenecker zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.25.46

Abgeordnete Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Damen und Herren! Geschätzte Damen und Herren auf der Galerie! Der vorliegende Gesetzentwurf wird unsere Zustimmung finden. Wir denken, es ist das ein Beitrag zur Preistransparenz auf dem Treibstoffmarkt.

Aber generell, wenn wir beim Treibstoff sind, geht es darum, die richtigen Anreize für die Zukunftsfähigkeit zu setzen – beim Sprit, beim Diesel –, um entsprechende Spar­maß­nahmen durchzusetzen.

Dazu möchte ich kurz aus einer Stellungnahme der Wirtschaftskammer Österreich zitieren. Darin merkt die Wirtschaftskammer Österreich durchaus beklagend an, dass es die Konsumenten ja auch anderweitig im Griff hätten, auf steigende Treibstoffpreise zu reagieren – und die WKO zitiert diesbezüglich das Kaufverhalten der Konsumenten vom 1. Januar 2011, vier Monate lang, bis zum April 2011, und hält hiezu fest, dass es massive Zuwächse gibt in den – unter Anführungszeichen – „spritfressenden Steuerklassen“.

Ich zitiere aus der Stellungnahme: die Oberklasse mit 40,2 Prozent bei der Zulassungsstatistik, bei den Vans 31,5 Prozent, bei den SUVs und Geländewagen 31,2 Prozent, Luxusklasse 22,5 Prozent. Und sozusagen im Vergleich dazu: Bei den Stadt- und Kleinwagen gibt es bei der Neuzulassungsstatistik gerade mal ein Plus von 0,1 Prozent.

Das ist eine Entscheidung der Konsumenten. Die Anreize dazu sind natürlich auch von außen zu setzen, um intelligente Mobilität sowie den Klimaschutz voranzutreiben. Ich glaube, dass es nun einen ersten wichtigen Schritt dazu gibt, Herr Minister, und das ist das Thema der ökosozialen Steuerreform, die längst überfällig ist.

Es gibt ja mehrere große Punkte, die immer wieder von Experten beklagt werden, was das österreichische Steuersystem betrifft. Das eine sind die sehr hohen Arbeitskosten, das andere sind die niedrigen Einnahmen aus Umweltsteuern beziehungsweise auch die niedrige Vermögenssteuer.

Ich komme auf die beiden ersteren zurück, nämlich auf die hohen Arbeitskosten und die niedrigen Umweltsteuereinnahmen: Da ist eine ökosoziale Steuerreform natürlich der richtige Ansatzpunkt. Damit hat man nämlich eine Mehrfachdividende: Ressourcen einzusparen, die Umwelt zu schützen, das Klima zu schützen und selbstverständlich auch durch die gesunkenen Arbeitskosten entsprechende Arbeitsplätze zu schaffen.


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Das bedeutet gesamt, Kosten zu sparen, und würde auch einen großen Vorteil für die Autofahrerinnen und Autofahrer haben, denn: Spritsparendere Modelle, intelligente Mobilität, öffentliche Verkehrsmittel und ein intelligenter Verkehrsverbund würden natür­lich auch die Mobilitätskosten für die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteil­nehmer senken.

Das ist einer der nächsten Schritte, die angegangen werden müssen – auch wenn die Frau Finanzministerin immer sagt, für Steuerreformen sei keine Zeit, kein Platz. Aber im Gesamtkontext in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit, auf Klimaschutz und die Wirtschaft in Österreich ist es ein wichtiger und richtiger Schritt, endlich eine ökosoziale Steuerreform umzusetzen! (Beifall bei den Grünen.)

13.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner gelangt Herr Abgeordneter Mag. Widmann zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.29.13

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Das vorliegende Preistransparenzgesetz ist eine Idee, die grundsätzlich unter­stützenswert ist, weil sie dazu dient, dass die Tankstellenbetreiber die Preise der E-Control melden und diese dann in die Datenbank eingespeist werden. Interessant wird sein, wie weit sich dieses Instrument tatsächlich bewähren wird, inwieweit die Ver­ordnung dazu geeignet ist, den Wettbewerb tatsächlich anzukurbeln, wie praktikabel das Ganze dann für die Autofahrer ist: Muss man, wenn man wegfährt, vorher ins Internet schauen, um zu sehen, wo der günstigste Preis ist, oder geht das auch einfacher?

Daher wird man das grundsätzlich zu unterstützen haben, allerdings denken wir, dass die Schritte sehr sanfte sind, sehr geringe sind, viel zu wenig ausreichend sind, um der Bevölkerung auch leistbare Spritpreise zu ermöglichen.

Ich sehe es ein bisschen differenzierter als die Kollegin Lichtenecker. Sicherlich, öffentlicher Verkehr ist gut, den müssen wir ausbauen, vollkommen richtig, aber es muss auch gewährleistet sein, dass gerade im ländlichen Bereich die Bevölkerung auch bis zu den öffentlichen Verkehrsmitteln zufahren kann und die Pendler, die oft auch sozial schwach sind, entsprechende Spritpreise vorfinden, die leistbar sind – oder man stützt sie entsprechend.

Daher glauben wir, dass man auf der einen Seite Initiativen setzen wird müssen auf europäischer Ebene, um den Spekulanten etwas Einhalt zu gebieten. Ich erinnere an einen „Kurier“-Artikel vom 25. Juni: „Ölpreis runter, Spritpreis rauf.“ Immer vor dem Wochenende geht der Spritpreis „zufälligerweise“ rauf, verlangt man an den Tank­stellen mehr. – Das ist völlig unakzeptabel, und ich denke, dass auch die EU da gewisse Hausaufgaben zu erfüllen hat, aber es geht letztlich auch um Hausaufgaben, die wir selbst hier im Land erfüllen können, wenn die Regierung nur will.

Es gibt einen Antrag des BZÖ betreffend Spritpreissenkungsprogramm. Da sind viele Vorschläge drinnen, die machbar und realisierbar sind, etwa die Senkung der Mineral­ölsteuer auf das Ausmaß vor der Erhöhung 2011 oder Eröffnung von Bundestank­stellen, von Landestankstellen, das man anregen könnte, oder die Einführung des Luxemburger Modells mit einer marktorientierten Höchstpreisregelung, analog zu den Rotterdamer Börsepreisen.

Zu überlegen ist auch, ob man das System des Pendlerpauschales, das im Wesentlichen vorwiegend sozial Schwachen wenig bringt, besser Verdienenden hingegen viel bringt, auf neue Beine stellen könnte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 108

Und was die Tankstellentransparenz betrifft, so sollte das so gestaltet werden, dass die Tankstellenpreise bereits ab 9 Uhr nur mehr gesenkt werden können und nicht erst ab 12 Uhr.

Auch bei der Preisauszeichnung wäre es sinnvoller, sie einfacher zu gestalten, indem man die Spritpreissorten bei allen Tankstellen – das wäre ein konkreter Vorschlag – gleich reiht und die dritte Kommastelle weglässt, weil sie nur für Verwirrung sorgt.

Das heißt, dass Maßnahmen möglich und machbar sind, Maßnahmen, die man angehen kann. Unser Antrag liegt seit März dieses Jahres im Wirtschaftsausschuss, und ich hoffe auf gute und gedeihliche Beratungen, die wir im Herbst dann auch zu Ende führen.

Neben dieser Wettbewerbsidee in Form dieser Transparenzdatenbank sind darüber hinaus auch ganz konkrete Maßnahmen zu setzen, die die Pendler entlasten, das Spekulantentum eindämmen und somit auch zu gerechten Spritpreisen führen. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

13.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kirchgatterer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.32.42

Abgeordneter Franz Kirchgatterer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Mobilität ist ein Teil des Lebens der Menschen. Für Österreich sind natürlich die öffentlichen Verkehrsmittel, die Bahn, die U-Bahn, die Straßenbahn, der Autobus sehr wichtig, aber in den ländlichen Regionen ist Mobilität ohne Auto nicht möglich, ist es ohne Auto nicht möglich, den Arbeitsplatz zu erreichen, ist es ohne Auto auch nicht möglich, wirklich mobil zu sein.

Daher spielen die Benzinpreise, die Dieselpreise eine große Rolle für die Menschen. Aber auch für die Wirtschaft ist die Mobilität natürlich eine Voraussetzung und auch Teil der Kalkulation sowie für die Menschen auch ein Teil der Kaufkraft.

Für die Preise bei Diesel und Super möchte ich einen Vergleich der Durch­schnitts­preise in Österreich und in den Nachbarländern anstellen. Die Zahlen sind vom 22. Juni. Da lag der Preis in Österreich bei 1,31 € beziehungsweise 1,29 €, in Ungarn bei 1,38 und 1,35 €, in Tschechien bei 1,46 und 1,43, in der Slowakei bei 1,47 und 1,35, in der Schweiz bei 1,34 und 1,42, in Italien bei 1,53 und 1,41, in Deutschland bei 1,54 und 1,39 und in Frankreich bei 1,60 und 1,36.

Das zeigt, in den Nachbarländern sind die Preise noch höher, in Österreich sind sie niedriger, aber keineswegs zufriedenstellend. Daher ist diese Regierungsvorlage sehr wichtig. Das wird preisdämmend wirken, es wird mehr Wettbewerb geben, und natürlich wird es auch zu Preissenkungen kommen.

Die Interessenvertretungen, nämlich die Autofahrerklubs, die ihr Augenmerk sehr genau auf die Preise richten werden, sehen in diesem Gesetz einen echten Durch­bruch zugunsten der Treibstoffkunden.

Meine Damen und Herren! Morgen wird mit der Vorlage des Finanzausschusses hier im Plenum ein Gesetzentwurf vorgelegt und das – davon gehe ich aus – auch beschlossen werden, das für die österreichischen Montagearbeiter von größter Wich­tigkeit und Bedeutung ist. Ich möchte hier ganz besonders auf den sehr guten internationalen Ruf der österreichischen Montagebranche, des österreichischen Anlage­baus hinweisen. Unsere Betriebe sind in ganz Europa, ja weltweit auf allen Kontinenten tätig.


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Mit dem morgigen Beschluss wird sichergestellt, dass die hohe Qualität der österreichi­schen Facharbeiter, das Können, das Wissen, die Verlässlichkeit, die Einsatzbereit­schaft der österreichischen Facharbeiterinnen und Facharbeiter nachhaltig gewährleis­tet bleibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Riepl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.36.04

Abgeordneter Franz Riepl (SPÖ): Herr Präsident! Hohers Haus! Herr Bundesminister! Im Tätigkeitsbericht Oesterreichs Energie finde ich ein Bild von Ihnen (in Richtung von Bundesminister Dr. Mitterlehner), aber zudem auch einen Satz, der wichtig ist. Mit dem möchte ich beginnen – und der lautet:

Im Sinne eines funktionierenden Wettbewerbs muss ich als Minister auch auf die Zufriedenheit der Kunden achten. – Zitatende.

Das gilt für den Strompreis, aber ich glaube auch – diese Vorlage jetzt ist ja der Beweis dafür – für den Spritpreis. Auch da geht es darum, dass man die Kunden nicht vergisst und eine Politik macht, die lebensnah ist.

Die Autofahrer fragen sich natürlich: Wo finde ich die günstigste Tankstelle? Wann soll ich tanken: in der Früh oder am Abend? Wir haben heute schon gehört, mehrmals am Tag gibt es Preisänderungen, und das wird von den Menschen in zunehmendem Maße nicht mehr verstanden.

Die Preisauszeichnungsfrage bei den Tankstellen ist ebenfalls ein Thema. Einmal steht der Dieselpreis als erstes ganz oben, einmal ganz unten. Ich warte nur, bis der Dieselpreis irgendwann einmal in der Mitte angeführt wird, damit die Verwirrung noch größer wird. Also all diese Fragen sind am Rande dieser ganzen Transparenz auch zu sehen.

Mit dem heutigen Beschluss machen wir einen Schritt zu mehr Transparenz. Wir schaffen, wie schon gesagt worden ist, eine Preistransparenz-Datenbank zur besseren Orientierung der Konsumenten, der Autofahrer. Vergleichbarkeit wird leichter möglich. Wichtig ist auch, dass die Autofahrer wissen, dass es diese Transparenzdatenbank gibt und man diese auch nützen kann.

In diesem Zusammenhang sollte man auch gemeinsam besondere Anstrengungen in die Richtung machen, dass es in Kombination mit den Navisystem-Herstellern und mit den Autofahrerklubs so weit kommt, dass man, wenn man in das Auto einsteigt und das Navi aufdreht, nicht nur sieht, wo eine Tankstelle ist, sondern dass vielleicht durch ein Blinken angezeigt wird, wo eine billige Tankstelle ist. Das wäre doch eine tolle Sache. Technisch müsste das möglich sein; es gibt ja schon entsprechende Versuche in diese Richtung. Vielleicht können Sie dann, Herr Bundesminister, wenn Sie sich zu Wort melden, dazu auch etwas sagen.

Bei der Auflistung in dieser Datenbank ist es auch noch wichtig, darauf hinzuweisen, dass die billigsten Tankstellen aufgezeigt werden und nicht die teuersten, denn die sind uninteressant. Sonst könnte es ja passieren, dass sich eine billigere Tankstelle viel­leicht noch zeitgerecht nach einer teureren richtet und ebenfalls teurer wird. Das wollen wir auch nicht. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Hinweis, um eine Preis­an­gleichung nach oben während des Tages zu verhindern.

Besonders möchte ich erwähnen, dass sich die Autofahrerklubs, insbesondere der ARBÖ, aber natürlich auch der ÖAMTC, in diesem Themenfeld schon sehr stark engagiert haben.


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Ich darf zum Schluss eine Meinung, die ich immer wieder im Rahmen meiner Wahlkreisarbeit gehört habe, kundtun. Unterm Strich wird es sicher begrüßt, was wir da jetzt tun, Herr Minister, sehr verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses, aber dass sich ein Preis, ein Benzinpreis, ein Dieselpreis mehrmals am Tag hinauf und hinunter bewegt, das verstehen in der Republik wahrscheinlich nur ganz, ganz wenige Menschen. Das muss man hier auch einmal aussprechen: Das ist nicht konsumen­tenfreundlich, dass man immer erst suchen muss, wo man am billigsten tanken kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Das Tanken beginnt also künftig nicht mit dem Öffnen des Tankdeckels, sondern mit der Auswahl der Tankstelle – und ich hoffe, viele nützen diese Möglichkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

13.39


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Bundes­minister Dr. Mitterlehner. – Bitte.

 


13.39.47

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich knüpfe genau dort an, was Herr Abge­ordneter Riepl angesprochen hat, nämlich beim Konsumenten. Der Konsument möchte erstens einmal keine Unsicherheit haben, was ständige Änderungen anlangt, und der Konsument möchte natürlich auch eine Preisentwicklung sehen, die zumindest unterdurchschnittlich, wenn nicht überhaupt nach unten gehend im europäischen Ver­gleich ist.

Jetzt müssen wir definieren, was die Rolle des Staates als Rahmengesetzgeber ist, und ich glaube, der Staat kann nur das tun, was wir auch anstreben, nämlich den Wettbewerb möglichst herzustellen und zu unterstützen.

Da haben wir ein paar Ausgangspunkte gehabt, die dann gemündet haben in diesem „Spritpreis-Gipfel“, wie das genannt wurde. Im Wesentlichen war das nichts anderes als der Versuch, die Interessen der Konsumenten mit den Möglichkeiten der Branche abzustimmen, ohne die Branche administrativ zu überfordern. Und ich glaube, mit der Spritpreis-Datenbank haben wir eigentlich einen sehr, sehr guten Weg gefunden, um dem zu entsprechen.

Der erste Schritt war, dass wir die Spritpreisverordnung erlassen haben. Sie wurde zwar beim Verfassungsgerichtshof angefochten, aber von diesem bestätigt. Daher gibt es eine Erhöhung nur bis 12 Uhr Mittag, und zwar genau 12 Uhr Mittag und einmalig, ansonsten nur Preissenkungen. Das hat uns sogar eine positive Zitierung bei einer Diskussion im deutschen Bundestag sowie viele andere positive Meldungen einge­bracht.

Daher glaube ich, dass wir da auf einem guten Weg sind. Wir haben uns genau die Begründung des Verfassungsgerichtshofes, dass mehr Information auch mehr Wett­bewerb ergibt, als Beispiel und als Grundlage für diese Verordnung und für dieses Gesetz genommen.

Zur Fragestellung, die hier angesprochen wurde, ob wir ansonsten noch eingreifen könnten – ich glaube, Herr Deimek, Sie haben das gesagt –, was jetzt Preisregelungen betrifft: Das können wir nur dann, wenn es eine missbräuchliche Entwicklung unterschiedlich zum europäischen Schnitt gibt. Das konnten wir jedoch – wir machen ja Preisvergleiche – nicht feststellen.


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Das Problem der amtlichen Regulierung hat natürlich noch einen zweiten Hintergrund, den wir schon im Ausschuss diskutiert haben. Sie müssen dann auch einen ent­sprechenden Gewinn festlegen und haben möglicherweise dann die Entwicklung, dass die Preise eher höher als niedriger werden, denn die Gewinnmargen bei den Tankstellen mit einem großen Netz sind relativ gering. Das haben wir uns sehr genau angeschaut.

Daher: Was wir hier haben, ist, glaube ich, die kostengünstigste Variante, um vor allem eines zu erreichen: Information des Konsumenten. Von Herrn Abgeordnetem Riepl ist auch angeregt worden, das datenmäßig zu verarbeiten. Es gibt in Italien Hinweise auf den Autobahnen, wo sich die jeweils günstigste Tankstelle befindet. Ich glaube, man kann es auch elektronisch noch verknüpfen; da ist durchaus noch eine weitere Mög­lichkeit gegeben.

In diesem Zusammenhang sehen es aber die Autofahrerklubs sehr wohl als Verbesserung an, dass mehr herausgekommen ist als die unsichere Datenlage, die wir bisher hatten. Mich hat es eigentlich gewundert, dass das Ganze doch relativ problemlos zu etablieren war. Da hat uns die E-Control sehr geholfen; sie hat ja Erfahrung in Bezug auf Vergleichbarkeit und der Erhebung der Preise insgesamt.

Wenn wir uns das anschauen – da die Kostensituation angesprochen wurde –, sehen wir, dass wir bestimmte Errichtungskosten haben, die sich jedoch im überschaubaren Rahmen von 60 000 € halten; die zahlen wir als Ministerium der E-Control. Dann haben wir laufende Kosten bei den Unternehmen, die aber nach unten gehen werden, von rund 350 000 € im Jahr; für 1 500 Tankstellen, die wirklich händisch melden und sozusagen eingeben müssen, rund 330 000 €, und für 1 200 Tankstellen, die eine direkte Standleitung haben werden, werden es insgesamt nur 20 000 € Einmalkosten, umgerechnet jetzt auf die Laufzeit, sein.

Es ist das insgesamt eine, würde ich sagen, erschwingliche, für den Einzelnen auch tragbare Regelung, die aber dem Konsumenten Nutzen bringen soll. Daher haben viele angeregt: Schauen wir uns das einmal an! Genau das ist auch meine Einstellung.

Ich glaube, es ist alles gut vorbereitet – und es sollte sich auch entsprechend bewähren. Es war eine sehr emotionslose Diskussion in der gesamten Vorbereitung, und ich hoffe daher, dass das Ganze auch so positiv in der Umsetzung ist. – Danke vielmals. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tages­ordnungspunkt ist Herr Abgeordneter Tadler zu Wort gemeldet. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.44.15

Abgeordneter Erich Tadler (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundesminister! High noon für unsere Spritpreise. Von einer veritablen Krise zur nächsten bis hin zur Weltwirtschaftskrise. Vor diesem Hintergrund ist es auch an der Zeit, dass Österreichs Autofahrer, vor allem die Pendler, die Treibstoffpreise wirklich leichter vergleichen können. Die Melkkuh der Nation sind ja, wie wir alle wissen, immer die Autofahrer, und es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass diese immer tiefer und tiefer in die Taschen greifen müssen.

Die Preise werden – Herr Minister, das wissen Sie auch – speziell an den Wochen­enden, vor der Urlaubszeit, speziell jetzt bei uns vor der Hauptreisezeit angehoben. Durch die überhaupt nicht nachvollziehbaren Schwankungen einzelner Betreiber oder ganzer Konzerne war es auch für den Endverbraucher oft nicht leicht, die Preise wirklich zu vergleichen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 112

In Salzburg sind wir ja federführend, was Discount-Tankstellen betrifft. Das freut vor allem auch – Herr Minister, das wissen Sie auch – unsere deutschen Nachbarn. Doch wie oft am Tag wurden die Preise umgestellt? Einzelne Landestankstellen und Dis­counter haben den Zeitgeist begriffen und erkannt: Der Autofahrer kann hier billig und nachvollziehbar tanken.

Mit dieser Regierungsvorlage soll mehrmaligen Preiserhöhungen pro Tag ein Riegel vorgeschoben werden. Meiner Ansicht nach bleibt abzuwarten, ob dieses Gesetz entsprechend exekutiert wird – ich habe da etwas von Legisvakanz beziehungsweise über die Tankstellenpächter gelesen – oder ob es wieder nur zu leeren Ver­sprechun­gen kommt, Herr Minister. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von FPÖ und BZÖ.)

13.45

13.45.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1224 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

13.46.37 4. Punkt

Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage (1225 d.B.): Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und ver­pflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrich­tun­gen (1270 d.B.)

5. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1591/A(E) der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Grenzüberschrei­tender“ Kindergartenbesuch im verpflichtenden Kindergartenjahr (1271 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nun zu den Punkten 4 und 5 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Gartelgruber. Eingestellte Redezeit: 3 Minuten. – Bitte.

 


13.47.41

Abgeordnete Carmen Gartelgruber (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Galerie! Der Bund stellt für die verpflichtenden Gratiskindergartenjahre 2011/2012 und 2012/2013 wieder je 70 Millio­nen € zur Verfügung. Das ist ja eigentlich grundsätzlich zu begrüßen, aber wir sollten


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auch die Finanzierung über das Jahr 2013 hinaus nicht aus den Augen verlieren, damit nicht dann in der Folge die Kosten auf die Gemeinden abgewälzt werden.

Herr Minister, ich sehe schon mit großer Freude dem Evaluierungsbericht der Statistik Austria entgegen, aber ich bitte Sie, auch da noch einmal ganz massiv ein Auge auf die Gemeinden zu haben, damit diese in weiterer Folge nicht zu den Verlierern gehö­ren und dann die Kosten tragen müssen.

Der kostenlose Besuch des Kindergartens ist ja eine jahrelange freiheitliche Forderung, aber was jetzt vorgelegt wird, geht uns nicht weit genug. Wir möchten eigentlich, dass Kinder schon ab dem vollendeten dritten Lebensjahr den Kindergarten kostenlos besuchen können. Wogegen ich mich aber klar ausspreche, ist die Verpflichtung zum Besuch des Kindergartens.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe schon bei der Debatte am 17. Juni 2009, als wir diese Artikel-15a-Vereinbarung beschlossen haben, zwei wesentliche Punkte kritisiert. Damals habe ich schon die Verpflichtung infrage gestellt, da ja im Jahr 2007/2008 bereits 94 Prozent der Fünfjährigen den Kindergarten besucht haben. Auch die Begründung, dass Kinder aus einkommensschwachen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund im Kindergarten unterrepräsentiert seien, hat sich nicht bewahrheitet.

Zweitens: Die Annahme, dass nur ein Jahr Kindergartenbesuch zur sprachlichen und sozialen Förderung ausreichend sein soll, hat sich auch nicht bewahrheitet. Herr Integrationsstaatssekretär Kurz hat ja meine Bedenken aufgenommen und fordert jetzt auch schon ein weiteres Gratiskindergartenjahr für die Kinder.

Ich möchte jetzt aber noch auf einen weiteren Bereich zurückkommen: Wenn wir vom Kindergarten als Bildungseinrichtung sprechen, dann gehört meiner Meinung nach auch in Betracht gezogen, dass die Kindergartenfreifahrten für Kindergartenkinder mitbezahlt werden. Leider haben Sie im Ausschuss unseren diesbezüglichen Antrag vertagt. Ich nehme diese Vertagung aber als Chance wahr, dass wir diesbezüglich gemeinsam wirklich eine sinnvolle Lösung finden. (Beifall bei der FPÖ.)

Zum Schluss möchte ich jetzt nur mehr ein paar Worte zum Antrag von Kollegin Musiol bezüglich des grenzüberschreitenden Kindergartenbesuches sagen: Der Antrag kam wahrscheinlich durch die Anregung des Volksanwaltschaftsberichtes zustande. Wenn man sich diesen Bericht anschaut, sieht man jedoch, dass es in anderen Ländern sehr wohl schon diesbezügliche Vereinbarungen zwischen den Ländern gibt.

Ich glaube, Sie haben sich einfach in der Adresse geirrt, denn dieser Antrag hätte eigentlich in Wien bei der grünen Stadtregierung eingebracht werden müssen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

13.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Steibl. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


13.51.22

Abgeordnete Ridi Maria Steibl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Wir behandeln nun die Regierungsvorlage über die Änderung beziehungsweise die Weiterführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen.

Durch diese Artikel-15a-Vereinbarung sind die Länder weiterhin verpflichtet, einen kostenlosen halbtägigen Kindergartenbesuch für das letzte Jahr vor Schulantritt sicherzustellen. Wir wissen, dass es wichtig ist, auch darüber nachzudenken, wie wir in Zukunft damit umgehen und wie wir mit der eventuell notwendigen Betreuung im


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vierten Lebensjahr umgehen. Aber diese Vereinbarung gilt schon seit dem Jahr 2009, und, Frau Kollegin, sie gilt bis 2014 und darüber hinaus, weil die Mittel schon zur Verfügung gestellt worden sind. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass es bis jetzt 280 Millionen € nur für dieses kostenlose Kindergartenjahr gegeben hat – ich rede gar nicht vom Ausbau –, also man muss schon schauen, wie viel in diese wichtigen, notwendigen Maßnahmen investiert wird. Weil das manchmal untergeht, möchte ich in diesem Zusammenhang aber auch auf die 700 000 € hinweisen, die jährlich, abgewickelt über die Familien GmbH, für projektbezogene Kinderbetreuungsangebote zur Verfügung gestellt werden. Dabei geht es dann zum Beispiel auch um Tagesmütter- oder -väterprojekte.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch sagen, dass der Herr Bundesminister jetzt ein Curriculum vorgelegt hat. In der Folge gibt es auch ein Gütesiegel, um diese Projekte außerhalb der institutionellen Kinderbetreuung erstens qualitativ abzusichern, zweitens aber auch auszuzeichnen. Ich glaube, das ist ein guter Weg.

Auch wird – wie schon erwähnt – über die Fortführung beziehungsweise den weiteren Ausbau der Betreuung mit dem Schwerpunkt auf Kindern unter drei Jahren in den Ländern verhandelt. Nachdem von Bundesministerin Heinisch-Hosek jetzt eine Diskussion über die Öffnungszeiten während der Sommer- und Osterferien – oder während der Schulferien allgemein – losgetreten wurde, muss man sagen, dass das erstens Ländersache ist, aber zweitens auch, dass das den Ländern wichtig ist und es viele Länder und Gemeinden gibt, die das schon umsetzen.

Ich möchte nur auf den Kindergarten Bisamberg hinweisen, der immer so ein gutes Beispiel meiner Kollegin Dorli Schittenhelm ist. Er hat das ganze Jahr über geöffnet, und das ist wichtig. Ich glaube, wenn man sagt, dass möglicherweise 14 Tage geschlossen ist, so muss man sich da einiges überlegen, aber das können wir nicht nur seitens des Bundes verordnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte auch zum Antrag von Kollegin Musiol bezüglich des grenzüberschreitenden Kindergartenbesuchs sprechen, der in diesem Zusammenhang behandelt wird. Das ist ein Problem, das Niederösterreich und Wien betrifft und das nicht über eine Artikel-15a-Vereinbarung geregelt werden kann. – So steht es im Antrag. 

Die niederösterreichische Landesregierung hat aber gesagt, dass sie Fälle prüft, und es ist tatsächlich so – so die Aussage seitens der Landesregierung –, dass es keine Nachteile mehr für Kinder geben darf, wenn sie grenzüberschreitend in einen Kinder­garten gehen.

Das sind alles wichtige Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir wissen, wie wichtig es ist, dass es Betreuungsplätze gibt, damit es eine Wahlfreiheit gibt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch anmerken, dass neben dem Staat auch den Unternehmen eine zentrale Rolle bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zukommt.

Als Beispiel möchte ich erwähnen, dass es jetzt in sechs Bundesländern – teilweise zum 15. Mal, in der Steiermark zum 19. Mal – den Wettbewerb „Frauen- und familien­freundlichste Betriebe“ gibt, bei dem es um genau diese Maßnahmen geht. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.) Wie schaut es in den Betrieben aus? Betriebe, die sich besonders auszeichnen und tatsächlich gute Personalpolitik und vieles mehr machen, werden vor den Vorhang gebeten.

In der Folge gibt es dann auch die Möglichkeit, beim Staatspreis teilzunehmen, und das alles unter der Schirmherrschaft unseres Familienministers Reinhold Mitterlehner.


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In diesem Sinne denke ich, dass wir mit dieser Maßnahme auf einem guten Weg sind. (Beifall bei der ÖVP.)

13.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeord­nete Mag. Musiol. 5 Minuten Redezeit. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP: ... die unrealistischen Forderungen!)

 


13.56.06

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister! Frau Kollegin Kitzmüller! Ich glaube, wir brauchen hier nicht Elternschaft­streitigkeiten über die Fragen des verpflichtenden Kindergartenjahres und darüber, was rundherum schon gefordert wurde, zu beginnen. Da hätte der Herr Minister dann wieder Gelegenheit, eine launige Antwort zu geben.

Tatsache ist: Seit Jahren, seit Jahrzehnten fordern zahlreiche ExpertInnen, dass es im Bereich der letzten Jahre vor Schuleintritt eine Regelung betreffend verpflichtenden Kindergarten inklusive der notwendigen Förderungen braucht. Diesen ExpertInnen­meinungen haben sich die Grünen schon vor Jahren angeschlossen. (Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein: Wir wissen eh, was das für Experten sind!) Glücklicher­weise – das ist ja bei sinnvollen Forderungen nicht immer der Fall – haben sich auch die FPÖ (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein) und die Regierungsparteien dazu durchgerungen.

Vor diesem Hintergrund ist das sicher eine wichtige Maßnahme, die wir eben schon vor zwei Jahren eingeführt haben, aber wir Grüne und ich als Familiensprecherin der Grünen haben damals schon auf mögliche Probleme und Baustellen hingewiesen, und genau diese Probleme haben sich bestätigt.

Das eine betrifft die Frage der Einjährigkeit. Wir haben damals schon gesagt, um wirklich Defizite aufzuholen – und da geht es nicht nur um sprachliche Defizite und schon gar nicht nur um die sprachlichen Defizite von Kindern mit Migrations­hintergrund; diese sprachlichen Defizite haben viele andere Kinder auch; es gibt aber auch soziale, emotionale Defizite –, reicht es nicht, wenn man nur ein Jahr ver­pflichtenden Kindergarten einführt. Das sagen alle ExpertInnen, und das zeigen auch alle Erhebungen. Deswegen ist es gut so, dass jetzt auch auf Regierungsebene einmal eine klare Forderung seitens des Staatssekretärs für Integration gekommen ist.

Dass diese Forderung nur halbherzig ist, muss man hier aber auch erwähnen, denn er fordert das nur für bestimmte Kinder, hat aber überhaupt keine Idee, wie denn diese Kinder ausgewählt – ich sage fast: ausgesiebt – werden sollen. Und er setzt wieder nur an der Halbtägigkeit an, sprich an der Tatsache, dass der Kindergarten halbtags als Bildungseinrichtung angesehen wird und die andere Hälfte des Tages als Spaß haben im Kindergarten.

Das ist falsch! Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung. Es gibt sogar Vorschläge von der Arbeiterkammer – und ich habe das auch schon im Familienausschuss gesagt –, den Kindergarten einfach in „Kinderbildungseinrichtung“, „Kinderbildungsort“ umzubenennen. Lassen Sie uns darüber nachdenken, denn das ist noch nicht gesickert – weder in alle Köpfe hier im Haus, noch in alle Köpfe der Verantwor­tungsträgerInnen, und schon gar nicht in die Köpfe derer, die tagtäglich darüber diskutieren!

Der Kindergarten ist eine Bildungseinrichtung, und wenn der Kindergarten eine Bil­dungseinrichtung ist, dann verdient er die besten Qualitätsstandards, die beste Ausstattung und die besten Rahmenbedingungen. Das bedeutet für alle Kinder die bestmögliche Chance, einen Platz zu bekommen, und zwar nicht erst dann, wenn man


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mit fünf Jahren dazu verpflichtet ist – und dann gibt es einen Platz zulasten der unter Dreijährigen, weil nicht genug Plätze da sind.

Das bedeutet auch, die besten Rahmenbedingungen vorzufinden: richtige Gruppen­größen, ausgebildete PädagogInnen, PädagogInnen, die nicht am Rande des Burn-out stehen, weil die Anforderungen unmenschlich sind, die an sie gestellt werden, weil sie keine ausreichende Bezahlung bekommen. Das alles ist wichtig, und dafür setzen wir uns ein.

Eine weitere Baustelle, auf die wir hingewiesen haben – wobei wir auch darüber diskutiert haben, diese Baustelle früher zu beseitigen, doch auch jetzt wurde sie nicht beseitigt –, ist die Frage der Kinder mit Behinderung. Es gibt in der Vereinbarung einen Ausnahmetatbestand: Wenn es den Kindern nicht zumutbar ist, dann sind sie von dieser Verpflichtung ausgenommen, obwohl auch sie ein Jahr vor Schuleintritt stehen.

Das führt aber nicht dazu – wie es sozusagen logisch und nachvollziehbar wäre –, dass das nur die Kinder betrifft, die wirklich aus gesundheitlichen Gründen einem Kindergartenbesuch nicht nachkommen können – ich denke da an Kinder, die aufgrund ihrer Krankheit ans Bett gebunden sind –, sondern das betrifft in vielen Regionen Kinder auch deshalb, weil es die Plätze nicht gibt, weil es die sonderpädagogischen Einrichtungen nicht gibt (Zwischenruf der Abg. Dr. Belakowitsch-Jenewein) und weil es auch das Betreuungspersonal nicht gibt. Vor diesem Hintergrund habe ich einen Entschließungsantrag vorbereitet, den ich noch einbringen werde.

Herr Minister, wenn Sie sich dann beim grenzüberschreitenden Kindergartenbesuch oder auch bei den Qualitätsstandards, die wir für Artikel-15a-Vereinbarungen einge­fordert haben, im Ausschuss zurücklehnen – also Ihren Namen hier sehr ernst nehmen – und sagen, Sie seien nicht zuständig, dann ist das bildungspolitisch fahr­lässig und kurzsichtig.

Wir sind in Österreich. In Österreich muss für alle Kinder die gleiche Voraussetzung gelten – egal, welche Postleitzahl sie haben –, und da ist es Aufgabe der Bundes­regierung beziehungsweise des Bundesgesetzgebers, für Einheitlichkeit zu sorgen. Wenn es Probleme zwischen zwei Bundesländern gibt – und da können wir uns jetzt auf lange Diskussionen einlassen, wer woran schuld ist, die aber keine Lösung bringen –, wenn es zahlreiche niederösterreichische Kinder gibt, die in Wien zahlen, obwohl es den verpflichtenden Gratiskindergarten gibt, weil sie nicht in Wien wohnen, sondern in Niederösterreich, die Eltern aber aufgrund der Öffnungszeiten die Kinder in Wien in den Kindergarten geben müssen (Zwischenruf bei der ÖVP), dann ist das nicht sozial gerecht und auch Aufgabe der Bundesregierung, da Handlungen zu setzen.

Ihre „Vorgängerin“ – Vorgängerin im eigentlichen Sinn ist sie ja nicht –, die damals zuständige Staatssekretärin Remler, hat das auch in Aussicht gestellt. Sie wollen sich hier nicht einsetzen. Die Volksanwaltschaft hat in ihrem Bericht eine ganz klare Antwort gegeben, indem sie sagt, man kann über Artikel-15a-Vereinbarungen steuernd ein­greifen. Sie haben gesagt, Sie wollen nicht – und das alles zulasten der Familien, die es betrifft.

Vor diesem Hintergrund bringe ich folgende Anträge ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde betreffend verpflichtenden Kindergartenbesuch in den letzten beiden Jahren vor Einschulung

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 117

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Verhandlungen mit den Bundesländern aufzunehmen, um dem Nationalrat ehestens, spätestens bis Frühsommer 2013, eine Änderung der bestehenden Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den verpflich­tenden Kindergartenbesuch vorzulegen, in der sichergestellt wird, dass der verpflich­tende Kindergartenbesuch um ein weiteres Jahr vor der Einschulung erweitert wird.“

*****

Bundeskanzler Faymann hat gesagt, in dieser Legislaturperiode werde es noch zu einer Verpflichtung zum zweijährigen Kindergartenbesuch kommen. Sie, die Regie­rungsparteien, Sie, die Stammpartei des Bundeskanzlers, können jetzt unter Beweis stellen, ob Sie dieser Forderung folgen oder nicht.

Der zweite Antrag bezieht sich auf die Kinder mit Behinderung:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der Ausnahmebestimmung von der Besuchspflicht der halbtägigen kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder mit Behinderungen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Bundesländern entsprechende Verhandlungen aufzunehmen und dem Nationalrat einen Entwurf für eine Novellierung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägigen kosten­losen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrich­tungen vorzulegen, der Kinder mit Behinderungen von der Verpflichtung nicht aus­nimmt und vorsieht, dass entsprechende räumliche, personelle und kommunikative Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Die Behindertenorganisationen sind dabei einzubeziehen.“

*****

Stimmen Sie diesen Anträgen zu! (Ruf bei der ÖVP: Wer bezahlt’s? Wer bezahlt’s?) Gehen Sie runter von der Bildungsbremse – für alle Kinder in Österreich! (Beifall bei den Grünen.)

14.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die beiden soeben eingebrachten Entschließungs­anträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde betreffend Verpflichtender Kinder­gartenbesuch in den letzten beiden Jahren vor Einschulung

eingebracht im Zuge der Debatte den Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage 1225 d.B.: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (1270 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 118

Im Frühjahr 2009 wurde zwischen dem Bund und den Ländern eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die Einführung der halbtägig kostenlosen und ver­pflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen abge­schlossen.

Seit September 2009 haben Kinder im Jahr vor dem Schuleintritt die Möglichkeit im Ausmaß von 16-20 Wochenstunden kostenlos eine außerhäusliche Betreuungs­ein­richtung zu besuchen. Seit September 2010 sind sie dazu auch in ganz Österreich verpflichtet.

Der Bund stellt für das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr jährlich 70 Mio Euro zur Verfügung. Die Mittel werden unter den Bundesländern nach dem Anteil der kinder­gartenpflichtigen 5-Jährigen Kinder je Bundesland im jeweiligen Förder-Jahr aufgeteilt. Die Regierungsvorlage 1225 d.B. legt nun die Aufteilung des Bundeszuschusses für die Jahre 2011/2012 sowie 2012/2013 fest und eröffnet  darüber hinaus die Möglichkeit grundlegende Änderungen in der 15a-Vereinbarung vorzunehmen.

Anhand von Forschungsergebnissen aus der frühkindlichen Pädagogik sowie den Ergebnissen der Sprachstandsfeststellung im Jahr 2008 in Österreich wird ersichtlich welch wichtige Funktion der Kindergartenbesuch sowohl aus integrations- als auch aus bildungspolitischer Perspektive erfüllt.

15 Monate vor der Einschulung haben rund  24% der Kinder sprachlichen Förderbedarf. Kinder, die den Kindergarten nicht besuchen, sowie Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben einen besonderen Bedarf an Unterstützung im sprachlichen Bereich. Die Ergebnisse verdeutlichen weiters, dass auch 10% aller Kinder mit Deutsch als Erstsprache Förderbedarf in der Sprachentwicklung haben. (Frühkindliche Sprachstandsfeststellung, BIFIE/BMUKK,2009, S.49)

Das Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung (BIFIE) kommt aufgrund der Ergebnisse der Sprachstandsfeststellung zu dem Schluss, dass sich der Kindergartenbesuch besonders für die Sprachentwicklung als bildungswirksame Maßnahme erweist und die größten Erfolge hinsichtlich der Sprachkompetenz durch einen mehrjährigen Besuch erreicht werden.

Im Lichte dieser Ergebnisse wird im Nationalen Bildungsbericht 2009 (S.31) die Forderung aufgestellt, den verpflichtenden Kindergartenbesuch um ein zweites Jahr zu verlängern, „weil eine mehrjährige institutionelle Förderung deutlich positivere Effekte bringt als eine einjährige.“

Am 15. Juni 2011 griff Staatssekretär Kurz die seit langem existierende Forderung diverser Bildungs-ExpertInnen sowie der Grünen auf und forderte die Erweiterung der Kindergartenpflicht um ein zweites Jahr vor der Einschulung (Ö1 Morgenjournal, 15.06.2011).

Die Reaktion von ParteikollegInnen sowie dem Koalitionspartner fiel sehr positiv aus. Vizekanzler Spindelegger signalisierte seine „vollste Unterstützung“. Bundeskanzler Faymann kann sich eine Ausweitung des verpflichtenden Kindergartenbesuches sogar noch in dieser Legislaturperiode „gut vorstellen“. Folgen müssten nun, so die Parteispitzen, Budgetüberlegungen sowie Verhandlungen mit den Ländern (Apa, 15.6.2011)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 119

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, Verhandlungen mit den Bundesländern aufzunehmen, um dem Nationalrat ehestens, spätestens bis Frühsommer 2013, eine Änderung der bestehenden Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über den ver­pflichtenden Kindergartenbesuch vorzulegen, in der sichergestellt wird, dass der verpflichtende Kindergartenbesuch um ein weiteres Jahr vor der Einschulung erweitert wird.“

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Musiol, Freundinnen und Freunde betreffend Abschaffung der Ausnahmebestimmung von der Besuchspflicht der halbtägigen kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder mit Behinderungen

eingebracht im Zuge der Debatte über TOP 4 - Bericht des Familienausschusses über die Regierungsvorlage 1225 d. B.: Vereinbarung gem. Ar. 15a über die Einführung der halbtägigen kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (1270 d. B.)

Die oben zitierte Vereinbarung wurde am 17.6.2009 vom Nationalrat beschlossen und enthält in Artikel 4 Ausnahmebestimmungen von der Besuchspflicht:

„Davon ausgenommen sind Kinder, .. denen auf Grund einer Behinderung oder aus medizinischen Gründen bzw. auf Grund eines besonderen sonder-pädagogischen Förderbedarfes der Besuch nicht zugemutet werden kann.“

Der Monitoringausschuss zur Überwachung der Einhaltung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, welche von Österreich im Vorjahr ratifiziert wurde, stellt eine Verletzung der UN-Konvention durch die Republik Österreich fest.

Denn die Formulierung, so der Monitoringausschuss, beruht auf einem falsch verstandenen Fürsorgegedanken, verfestigt die Aussonderung von Kindern mit Behinderungen und stellt eine klare Verletzung der Menschenrechte dar.

Die Ausnahmeregelung für Kinder mit Behinderungen steht in Widerspruch zu den verpflichtenden Grundsätzen der UN-Konvention, insbesondere deren Prinzipien Nicht­dis­kriminierung und Chancengleichheit.

Wenn für eine konventionsgerechte Umsetzung der Verpflichtung zum Besuch eines Kindergartens eine Ressourcenerhöhung notwendig ist, so ist diese zu gewährleisten um eine gleichberechtigte Teilhabe aller Kinder zu ermöglichen.

Auch die gewählte Vorgangsweise ist lt. Monitoringausschuss höchst problematisch. Gemäß Art. 4 Abs. 3 der UN-Konvention hat sich die Republik Österreich verpflichtet, bei der Ausarbeitung von Rechtsvorschriften, die Menschen mit Behinderungen betreffen, mit diesen und den sie vertretenden Organisationen enge Konsultationen zu führen und diese aktiv einzubeziehen. Dies ist nicht passiert.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 120

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, mit den Bundesländern entsprechende Verhandlungen aufzunehmen und dem Nationalrat einen Entwurf für eine Novellierung der Vereinbarung gemäß Art.15a B-VG über die Einführung der halbtägigen kosten­losen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungs­einrichtungen vorzulegen, der Kinder mit Behinderungen von der Verpflichtung nicht ausnimmt und vorsieht, dass entsprechende räumliche, personelle und kommunikative Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Die Behindertenorganisationen sind dabei einzubeziehen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


14.03.34

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mich jetzt deswegen zu Wort gemeldet, weil ich unmittelbar auf Frau Abgeordnete Musiol replizieren möchte. Frau Kollegin, ich habe schon den Eindruck, dass Sie einfach die Themen, die wir in Ausschusssitzungen eigentlich schon argumentativ behandeln, nicht zur Kenntnis nehmen, was die Rechtslage anbelangt (Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol), und wiederum zu dem Ausgangspunkt zurückkommen, den Sie vorher schon genannt haben.

In diesem Zusammenhang – ich komme auf das Detail gleich zu sprechen – gefällt mir Ihre Ausrichtung absolut nicht, und sie entspricht auch nicht den Gegebenheiten, denn Sie sprechen hauptsächlich von „Baustellen“, was Kindergarten und Kinderbetreuung anbelangt, und ich sehe genau das Gegenteil. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol.) Wir haben eine international bestens vergleichbare Kindergarten­betreuung und Kinderbetreuung überhaupt. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Binder-Maier. – Ruf bei der ÖVP: Hohe Zufriedenheit!)

Wir haben seitens des Bundes vor allem in den letzten Jahren bezüglich Betreuungs­einrichtungen und Kindergärten die Verpflichtung, die kompetenzrechtlich nämlich gar nicht gegeben ist, moralisch wahrgenommen, indem wir – Sie kennen die Angelegen­heit –, was die Kinderbetreuung anbelangt, entsprechende Mittel für eine Artikel-15a-Vereinbarung bereitgestellt haben. Wir haben aber auch die entsprechende finanzielle Unterstützung betreffend den verpflichtenden halbtägigen Kindergartenbesuch ge­währt, und zwar nicht, weil es uns gerade so gefällt, sondern weil es eine für uns wichtige Maßnahme ist.

Wir haben gesehen, dass der Finanzausgleich jetzt verlängert wurde, daher haben wir jetzt schon die Absicherung für die nächsten zwei Jahre getroffen: zweimal 70 Millionen € – und Sie tun so, als ob die finanziellen Gegebenheiten egal wären, obwohl das das Thema der ganzen Auseinandersetzung am Vormittag war. (Zwischen­ruf der Abg. Mag. Musiol.)

Daher: Diese budgetäre Situation ist ein ganz, ganz wichtiger Hintergrund, um zukünf­tige Verbesserungen anzusprechen.

Sie sprechen, was den Integrationsbericht anlangt, diesen Vorschlag eines zweiten verpflichtenden Jahres an. Wir stehen dem sehr positiv gegenüber (Abg. Mag. Musiol: Na dann!), es wird aber auch eine Frage der finanziellen Realisierbarkeit und der Hintergründe sein. Daher werden wir mit den für diesen Bereich zuständigen Ländern Gespräche aufnehmen.


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Dabei muss man sagen, dass wir im Wesentlichen, was die Kindergartensituation bei Vierjährigen anbelangt, schon eine Abdeckung von 95 Prozent haben. Es wird durchaus schaffbar ... (Abg. Mag. Musiol: Wie schaut’s denn bei den unter Dreijährigen aus?) – Da reden wir dann von der Kinderbetreuung. Das ist jetzt nicht Gegenstand der Tagesordnung, aber darauf komme ich gerne zu sprechen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol. Gegenruf bei der ÖVP.) Das heißt, hier sind wir auf einem positiven Weg.

Was die Kinderbetreuung anbelangt – weil Sie das immer einwerfen –, sage ich Ihnen auch: Man kann das so sehen wie Sie – das Glas ist halb leer, und es ist schlecht (Zwischenruf bei der ÖVP) –, ich sehe es als mehr als halb voll, in die Richtung, dass wir das Glas jetzt eigentlich füllen. Warum? – Wir haben bei den Betreuungsquoten für die Drei- bis Sechsjährigen das Barcelona-Ziel schon mehr als erreicht. (Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol.) Das sind immerhin mehr als 90 Prozent. Das ist eine positive Leistung, die den Staat in den letzten drei Jahren – kofinanziert durch die Länder – insgesamt 60 Millionen € gekostet hat.

Da gibt es jetzt auch eine Fortsetzung. Wir haben eine Anschlussfinanzierung geschaffen und eine Fortsetzung. Das ist positiv zu sehen. Warum? – Weil wir in diesem Zusammenhang auch bei den Null- bis Dreijährigen wesentliche Verbesserun­gen erreichen werden. Wir werden pro Jahr zirka 5 000 neue Plätze schaffen und wesentlich schneller, als Sie in den Aussendungen, die Sie ständig machen, behaupten – nämlich wesentlich früher als 2020 –, das Barcelona-Ziel schaffen. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol.)

Es ist ein schwieriger Weg. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol.) Frau Kollegin, ich weiß schon, jetzt kommt wieder diese Angelegenheit mit der Homepage anschließend an irgendeinen EU-Ausschuss. Ich kann Ihnen nur sagen: Von uns ist es nicht, und Sie sehen hier die richtige Zahlendarstellung. (Abg. Mag. Musiol: Auf der Seite ...!)

Damit bin ich jetzt auch bei einem Punkt, der meines Erachtens wichtig ist, nämlich bei den Qualitätsstandards, die Sie zu Recht ansprechen, die wir aber den Ländern auch nicht als Verpflichtung vorgeben können. Im Prinzip muss jedes Kind in jedem Bun­desland gleich behandelt werden. (Abg. Mag. Musiol: Jedes Kind hat das Recht auf ...!) Daher erarbeiten wir gerade im Rahmen einer Evaluierung erstens, was die bisherige Initiative bewirkt hat, zweitens, was wir hier an Standards empfehlen können, und drittens, was die Länder übernehmen sollen.

Dass wir da nicht irgendwo im leeren Raum agieren, merken Sie an der Strategie des lebenslang begleitenden Lernens. Warum? – Da steckt genau das Gleiche drinnen, in der Zielsetzung geht es sogar noch weiter. (Abg. Mag. Musiol: Aber Sie handeln nicht danach!) – Das wurde gerade jetzt, diese Woche, vorgestellt. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol. – Gegenruf bei der ÖVP.) Das ist in der Zielsetzung noch weiter gehend, nämlich dass diese Standards geltend werden und umgesetzt werden sollen. Hier davon zu sprechen, das sei alles eine Baustelle und nicht wahr, ist einfach unrichtig.

Damit komme ich genau zu dem nächsten Punkt: Ich verstehe im Hinblick auf diese grenzübergreifende Problematik nicht, warum sie an uns hinsichtlich unserer Aufgaben und der Notwendigkeiten, die wir umsetzen sollen, appellieren. (Abg. Mag. Musiol: Weil Sie sie nicht erfüllen! – Gegenruf bei der ÖVP.) Es gibt eine Kompetenzlage, wenn es um die Gleichbehandlung in Wien und Niederösterreich geht. Das ist eine Problematik, die die beiden Länder miteinander abklären müssen. (Abg. Rädler: Gemeinden!)


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Wir haben ein Gutachten, das klipp und klar feststellt, dass man eine Artikel-15a-Vereinbarung nur dann machen kann, wenn eine Bundeszuständigkeit vorliegt – die liegt nicht vor – und wenn sämtliche anderen Bundesländer auch zustimmen, dass eine solche Vereinbarung gemacht wird. Das ist deswegen nicht der Fall, weil die anderen Länder das Problem schon gelöst haben.

Lösen Sie daher bitte subsidiarisch das, was zu lösen ist, aber schaffen Sie nicht ein gekünsteltes Problem! (Abg. Mag. Musiol: Also das heißt, die Volksanwaltschaft hat ...!) Und: Seien Sie uns so verbunden, dass Sie das nicht dauernd wieder in die Debatte einwerfen, obwohl wir die Kompetenzlage eigentlich schon längst geklärt haben! (Abg. Mag. Musiol: Heißt das, die Volksanwaltschaft hat ...?)

Ich möchte abschließend zu dem Ganzen noch anmerken – das wurde auch schon von Kollegin Ridi Steibl angesprochen –, dass wir gerade, was die Betreuung durch Tagesmütter und Tagesväter anbelangt, die Qualität verbreitern und vertiefen wollen und dass es da entsprechende Zertifizierungsvorschläge und Schulungseinrichtungen gibt. Ich glaube, dass das ein ganz wichtiger Beitrag für die Regionen draußen auf dem Land sein wird (Zwischenruf der Abg. Mag. Musiol), denn dort ist natürlich die Umsetzbarkeit nicht so gegeben wie im städtischen Bereich.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Ich sage, dass wir insgesamt ein System haben, das eigentlich gut ausgestaltet ist, das trotz budgetärer Knappheiten in Richtung weiteren Ausbaus ausgestaltet werden kann und das daher keinen Vergleich mit anderen Nationen zu scheuen braucht. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.10


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Binder-Maier mit 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.10.32

Abgeordnete Gabriele Binder-Maier (SPÖ): Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Musiol, ich verstehe Ihr Engagement, und ich verstehe auch Ihren Einsatz für verschiedene Bereiche, die noch einer Lösung zugeführt, die noch verändert werden müssen. Was ich aber nicht verstehen kann, ist eine Weltunter­gangsstimmung in der gesamten Debatte im Zusammenhang mit Kinderbetreuung, die wirklich an der Realität vorbeigeht. (Abg. Rädler: Völlig!) Das hat sich unser Land wirklich nicht verdient. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Frau Kollegin Musiol, zum Zweiten: Wir brauchen uns nicht zu Maßnahmen durchzuringen. – Im Gegenteil, es gibt parlamentarische, demokratische Spielregeln, und es geht ums Umsetzen. (Abg. Mag. Musiol: Genau! Umsetzen!) Frau Kollegin, das braucht Zeit. Dazu brauchen wir uns nicht durchzuringen, das müssen wir nicht von Ihnen gesagt bekommen.

Dritter Punkt: Ich bin Pädagogin. Ich bin Kindergärtnerin, um den altmodischen Begriff weiterhin zu verwenden, weil ich ihn mag. Das Spielen an und für sich ist schon Bildung. Spiel ist Bildung, und das ist ein wesentliches Merkmal und ein wichtiger Bestandteil von Kinderbetreuungseinrichtungen, von Kindergärten. (Beifall des Abg. Prinz.)

Meine Damen und Herren, zur Sache: Der jetzt zu debattierende Punkt gewährleistet, dass der kostenlose und verpflichtende Kindergartenbesuch für Kinder ein Jahr vor Schuleintritt weiterhin garantiert ist – mindestens 20 Stunden, mindestens vier Tage in der Woche. Der Herr Minister und auch Kollegin Steibl haben schon darauf hinge­wiesen, dass 2009 70 Millionen € pro Jahr beschlossen wurden. Mit dem heutigen Tag wird der Beschluss auf 2013 verlängert. Dann ist es eine Frage des neuen Finanz­ausgleichs, der neuen Verhandlungen. Die Zuteilung der Mittel erfolgt je nachdem, wie


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viele fünfjährige Kinder in den unterschiedlichen Bundesländern leben. Dann wird je nachdem, um welches Bundesland es sich handelt, die Aufteilung der Mittel mit den Gemeinden verhandelt. Die Zuschüsse sind zweckgebunden und als Ersatz für den Mehraufwand für die Gemeinden gedacht.

Meine Damen und Herren, dieses Geld ist gut angelegt, gut investiert. Es geht doch darum, dass Kinder vor ihrem Schuleintritt kompetent sind, dass sie fit gemacht und mögliche Schwächen ausgeglichen werden. Besonderes Augenmerk wird vor allem auf die Sprachentwicklung gelegt. Mögliche Defizite können dadurch früh genug erkannt und ausgeglichen werden. Was ich besonders hervorheben möchte, ist, dass auch die sozialen Kompetenzen der Kinder gefördert werden. Kinder lernen durch Kinder.

Wir haben eine über 90-prozentige Betreuungsquote für drei- bis sechsjährige Kinder. Wir haben noch Bedarf an weiteren Einrichtungen für unter Dreijährige – 17 Prozent sind derzeit in Betreuung, 33 Prozent sind das Ziel. Wir werden daran arbeiten.

Ich denke, auch die Anschlussfinanzierung mit weiterhin 15 Millionen € pro Jahr für den weiteren Ausbau zu garantieren, ist ein wichtiger, wesentlicher Schritt für die Kinder in Österreich. Es geht darum, dass Kinder vom Besuch der Bildungseinrichtungen profitieren, dass sie für ihren weiteren Lebensverlauf gut vorbereitet sind, Grundlagen dafür gelegt werden und Bildungschancen gegeben sind.

Natürlich ist auch das zweite verpflichtende und kostenlose Kindergartenjahr überle­gens­wert und kann in die Diskussion aufgenommen werden. Wir werden darüber reden. Ich weiß natürlich, dass es noch viele andere Themenbereiche gibt, die wir noch diskutieren müssen, angefangen von Qualitätskriterien über klare Bildungsziele bis hin zu den Schließtagen in den Kindergärten. Das ist kein neues Thema, sondern stellt Eltern manchmal wirklich vor große Probleme.

Ich bitte Sie um die Zustimmung für die Änderung der Artikel-15a-Vereinbarung. Nutznießer sind die Kinder, die Eltern, letztendlich unsere Gesellschaft. Es geht um verstärkte Chancen, Gleichwertigkeit und Gerechtigkeit. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Binder-Maier auf dem Weg zurück zu ihrem Sitzplatz : Herr Präsident, die Uhr funktioniert nicht! Man sieht nicht, wie lange man noch Redezeit hat!)

14.15


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die Haustechniker werden sich um die Uhr kümmern. (Abg. Binder-Maier: Vielen Dank! Weil man nicht verfolgen kann, wie lange man schon spricht!) – Ja, das sehe ich schon ein.

Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Haubner zu Wort. Es sind 4 Minuten eingestellt. – Bitte.

 


14.15.39

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Dem heutigen Beschluss zur Weiterführung der Fördermillionen für das letzte verpflichtende Kindergartenjahr – halbtägig ausgebaut, bis 2013 vorgesehen – werden wir zustim­men. Wir halten das für eine sinnvolle Maßnahme. Wir haben im Vorjahr, im September 2010, einen Antrag eingebracht, in dem wir diese Weiterführung auch gefordert haben, und daher stimmen wir heute selbstverständlich zu. (Beifall beim BZÖ sowie der Abg. Steibl.)

Wir stimmen zu, weil dadurch auch die Gemeinden entlastet werden – und das sage ich auch als Gemeinderätin. Dadurch ist der Einkommensentfall für die Gemeinden etwas geringer. Aber in erster Linie ist es ein Angebot für jene, die vielleicht nicht immer die Chance haben, einen Kindergarten, eine Bildungseinrichtung zu besuchen, wenn bezahlt werden muss. Wir sind der Meinung, dass alle Kinder, ganz gleich aus welchem sozialen Umfeld sie kommen, die gleichen Chancen haben sollen und


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müssen. Wir sehen dieses letzte Jahr auch als eine notwendige Unterstützung für jene Kinder, die die deutsche Sprache noch nicht so gut beherrschen und ansonsten mit Defiziten in die Volksschule einsteigen.

Herr Bundesminister, ich bin sehr gespannt, wie die Evaluierung, die Sie angekündigt haben, aussieht. Ich möchte darauf hinweisen, dass das BIFIE gerade zu diesem letzten Kindergartenjahr sehr wesentliche Sachen gesagt hat:

„Die Situation für Kinder ohne Kindergartenplatz ist besonders problematisch: von ihnen braucht jedes zweite Kind intensive Förderung der Sprachkompetenz. Insbe­sondere Kinder mit Migrationshintergrund, die keinen Kindergarten besuchen, werden den sprachlichen Anforderungen in Deutsch nicht gerecht. 80 % von ihnen haben Förderbedarf im Deutschen; spezielle Fördermaßnahmen im Jahr vor Schuleintritt könnten ihre Startbedingungen verbessern.“

Ich meine, das ist ein wichtiges, richtiges und gutes Argument.

Wir stehen zu diesem verpflichtenden letzten Kindergartenjahr, weil es auch immer eine unserer Forderungen gewesen ist. Wir werden dem Antrag der Grünen für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr unsere Zustimmung nicht geben. Wir sind der Meinung, dass man die Angebote zwar ausbauen soll – das ist überhaupt keine Frage –, aber den Eltern soll nicht alles unter dem Deckmantel der Verpflichtung verordnet werden. Gerade im Kleinstkindalter sollen Eltern selbst entscheiden können, wie sie ihr Kind betreuen möchten – zu Hause, durch eine Tagesmutter oder durch eine öffentliche Einrichtung. Das letzte Jahr ist ein entscheidendes Bildungsjahr. Die Verbesserung der Betreuungseinrichtungen ist eine wichtige Maßnahme, das not­wendige Geld wird zur Verfügung gestellt.

Herr Bundesminister, zwei Bereiche möchte ich aber noch ansprechen: Ich kann Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, dass aus meiner Sicht, aus unserer Sicht, Stillstand herrscht – vor allem was den Familienleistungsfonds anbelangt. Sie werden es ja schon gelesen haben, heute ist der Rechnungshofbericht erschienen. Er kritisiert einerseits ganz klar den Wildwuchs an Familienförderungen – Länder, Bund –, darüber haben wir auch schon öfter diskutiert. Wir warten immer noch darauf, dass endlich diese Transparenzdatenbank eingeführt wird, damit klar ersichtlich ist, was die einzel­nen Familien an Förderungen bekommen. Ich glaube, dass vieles auf der Strecke bleibt. Das heißt nicht, dass die Familien weniger bekommen sollen, aber es muss transparent gemacht werden, ob es Doppelförderungen gibt.

Das Zweite, was der Rechnungshof feststellt, ist, dass die Leistungen des Familien­lastenausgleichsfonds auf ihren unmittelbaren Familienbezug hin evaluiert werden sollen. Das ist eine Forderung, die wir schon im Ausschuss erhoben haben. Wir haben gesagt, dass familienfremde Leistungen nicht in den FLAF gehören. Maßnahmen sollten vorbereitet werden, um die finanzielle Nachhaltigkeit des Finanzierungs­instruments zu sichern. Alternativ dazu sollten auch Überlegungen dahin gehend erfolgen, die Finanzierung der familienbezogenen Leistungen gänzlich umzustellen.

Das ist eine Aufforderung, neue Ideen zuzulassen. Wir haben eine derartige neue Idee zu einem Familienleistungszentrum, zu einer Ausgliederung, im letzten Ausschuss eingebracht. Man kann dafür oder dagegen sein, aber ich glaube, man sollte über neue Ideen diskutieren. Wie finanzieren wir diesen Familienlastenausgleichsfonds nach­haltig, damit die Leistungen für die Familien wirklich gesichert sind? Herr Bundes­minister, Sie haben selbst gesagt, dass das System ein gutes ist und wir das alles weiter finanzieren können. Aber wir müssen schon einmal schauen, dass das auf richtige Beine gestellt wird. Das ist nichts, was erst unter Ihrer Familienministerägide entstanden ist, sondern – ich sag’s ehrlich – das war schon zu meiner Zeit so, das war


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sogar vor meiner Zeit schon so. Jetzt ist es wirklich höchst an der Zeit, etwas zu tun und es nicht wieder hinauszuschieben.

Ich möchte noch einmal den zweiten Bereich, in dem aus meiner Sicht Stillstand herrscht, anführen, nämlich dort, wo es darum geht, jene Kinder zu unterstützen, die in Familien aufwachsen, in denen sie vernachlässigt werden, in denen sie gefährdet sind, in denen Eltern überfordert sind. Wir haben bis heute keine bundeseinheitlichen Regelungen für ein Jugendwohlfahrtsgesetz. Es wird ständig hin und her geschoben. Sie sagen, die Länder wollen nicht. Die Länder sagen, der Bund zahlt nicht. Es kann nicht sein, dass auf Kosten unserer Kinder, die gefährdet sind, nichts geschieht – auch in Form von Prävention.

Herr Bundesminister, Sie wissen ja, dass wir immer wieder Anfragen im Zusam­menhang mit dem Kinderschutz stellen. Auffallend ist, dass wir immer die gleiche Antwort bekommen – ich glaube, es ist Punkt 4 –, dass Frau Staatssekretärin Remler das ausgearbeitet hat und es weiterverhandelt wird. Aber ich meine, Frau Staats­sekretärin Remler ist doch schon einige Zeit nicht mehr in Ihrem Ministerium. Ich würde also darum bitten, eine neue Antwort zu konzipieren, damit wir wissen, was jetzt wirklich los ist.

Daher: Ja zu diesen Geldern für die Kinderbetreuung. Ich fordere Sie aber wirklich auf, einen Zahn zuzulegen – wie man so schön sagt –, sowohl im Bereich der Sanierung des FLAF, als auch was das Unterstützungssystem, die Prävention für Kinder und Familien, die unsere Hilfe besonders brauchen, betrifft. – Danke schön. (Beifall beim BZÖ.)

14.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Höllerer zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.22.50

Abgeordnete Anna Höllerer (ÖVP): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundes­minister! Ich stimme allen Vorrednern zu, die gesagt haben, dass allen Kindern unabhängig vom Lebensumfeld gerade im Bildungsbereich die besten Startchancen ins Leben gegeben werden sollen. (Beifall der Abg. Mag. Musiol.) Mit der Veränderung der Artikel-15a-Vereinbarung, die heute hier diskutiert wird, wird weiterhin intensiv in die institutionelle Kinderbetreuung investiert. Das ist auch richtig so. Das schafft vor allem für die fünfjährigen Kinder, die das verpflichtende Gratis-Kindergartenjahr anneh­men können und müssen, beste Voraussetzungen für den Eintritt in den schulischen Alltag, und zwar insbesondere für jene, die unter Defiziten leiden und diese bekämpfen müssen.

Der Herr Bundesminister hat mit der Sicherung der Mittel für die nächsten zwei Jahre – es sind 70 Millionen € pro Jahr – von Bundesseite her einen wichtigen familien­politischen Schritt gesetzt. Natürlich sind die Bundesländer am Zug. Kinderbetreuung liegt in der Kompetenz der Bundesländer, sie müssen Maßnahmen setzen, um den Ausbau und das Angebot der Betreuungsplätze dementsprechend zu forcieren. Ich bin sicher, dass sehr viel geschieht und investiert wird.

Frau Abgeordnete Musiol, ich weiß nicht, wo Sie leben. Ich lebe in Österreich, in Niederösterreich, und dort wurde gerade in den letzten Jahren sehr viel Geld vonseiten des Landes und vonseiten der Gemeinden, die ja die Kindergartenträger sind, in die Hand genommen. Es wurde in den Ausbau und in die Kindergarteneinrichtung investiert. Es wurden kleinere Gruppen geschaffen, KindergartenpädagogInnen und AssistentInnen eingestellt, und die Kinder erfahren dort eine hervorragende Betreuung. Ich sage nicht, dass alles passt. Natürlich ist immer noch etwas besser zu machen,


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aber es ist sehr viel auf den Weg gebracht worden. Dafür, sehr geehrte Damen und Herren, war diese Bundesfinanzierung ausschlaggebend, das war ein wichtiger familienpolitischer Schritt, der von Bundesseite her gesetzt wurde. Dafür herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

Es wird auch in die Änderung der Betreuungssituation für unter Dreijährige investiert. Von niederösterreichischer Seite her kann ich sagen, dass schon alle zweiein­halbjährigen Kinder die Möglichkeit haben, einen Kindergartenplatz zu bekommen. Ich freue mich, wenn auch diese Anstoßfinanzierung weiter stattfinden kann, weil es notwendig ist, dass zusätzlich Betreuungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Da haben wir Aufholbedarf, das ist unumstritten. Natürlich muss man einen Schritt nach dem anderen tun. Wir sind im Bereich der Kinderbetreuung in Österreich sehr gut unterwegs, aber natürlich kann es Wünsche geben, und es kann immer noch mehr geschehen.

Ich freue mich auch über das neueste „Kind“ des Herrn Bundesministers – dieses Zertifikat, dieses Gütesiegel, das die Betreuung bei den Tageseltern qualitativ ver­bes­sern und vor allem garantieren wird, dass alle Kinder auch im Kleinstkindalter hervor­ragende Betreuung erfahren werden. Ich bedanke mich für alle Maßnahmen, die im Bereich der Kinderbetreuung gesetzt werden. Ich bin sicher, dass gerade im Bildungsbereich und vor allem in der Vorbildung hin zur Schule beste Arbeit geleistet wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

14.26


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Lueger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.26.24

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen des Hohen Hauses! Manchmal denke ich mir, ich war in einem falschen Ausschuss. (Abg. Mag. Musiol: Es waren dort auch schon unter­schiedliche Sichtweisen!) Wir haben auch im Ausschuss über diese 70 Millionen € diskutiert, die zur Verfügung gestellt wurden, auch weiter werden und sogar schon über den Finanzausgleich hinaus zugesichert sind.

Ich sage auch hier in diesem Kreis noch einmal, dass das sicherlich nicht so selbstverständlich ist, wie Sie das voraussetzen. (Abg. Mag. Musiol: Bildung ist nicht selbstverständlich!) Daher kommt auch die große Freude darüber, dass wir den Schwerpunkt soweit gesetzt haben, dass wir mit der ersten außerhäuslichen Bildungseinrichtung weiterkommen. Wir alle hier in diesem Haus sind uns, glaube ich, einig, dass wir den Kindergarten als Vorstufe, als erste außerhäusliche Bildungs­betreuung haben wollen. (Abg. Mag. Musiol: Ist Bildung jetzt selbstverständlich oder nicht?!) Mit dem Beginn der Finanzierung wurde auch ganz einfach die Möglichkeit geschaffen, Arbeitsplätze zu schaffen, neue Kindergartenplätze zu schaffen – das im Vorfeld.

Bei den Drei- bis Sechsjährigen decken wir österreichweit bereits einen Riesen­prozentsatz ab. Bei den unter Dreijährigen bin ich bei Ihnen, da haben wir das Bologna-Ziel noch nicht erreicht, aber dazu sind jetzt die finanziellen Mittel da. (Abg. Mag. Musiol: Noch lange nicht! Nicht einmal die Hälfte!)

Aber ich möchte auch noch den anderen Aspekt ansprechen: Durch die Errichtung dieser Kindergartenplätze entstehen nicht nur Chancen für alle Kinder, sondern auch neue Arbeitsplätze. (Abg. Mag. Musiol: Eben!) Das sind neue Arbeitsplätze draußen in den Gemeinden – im Augenblick vor allem noch für Frauen, aber vielleicht schaffen wir


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auch noch eine Motivation, damit mehr Männer in diese Kinderbetreuungsein­richtungen gehen. Diese 5 000 neuen Plätze sind ebenfalls ein positiver Aspekt.

Ich bin auch in dem Punkt bei Ihnen, dass man sicherlich darüber nachdenken muss, vielleicht auf ein zweites verpflichtendes Jahr auszudehnen, wie Herr Staatssekretär Kurz gesagt hat. Ich möchte aber nichtsdestotrotz die Realität nicht aus den Augen verlieren und dazusagen, dass uns bewusst ist, dass wir im Augenblick zu wenig PädagogInnen haben. (Abg. Mag. Musiol: Die Rahmenbedingungen müssen verbes­sert werden! Besser bezahlen!) Es müssen welche aufgeschult, nachgeschult oder überhaupt ausgebildet werden. Daher müssen die Rahmenbedingungen in der Form geschaffen werden, dass wir ausreichend PädagogInnen haben. Die finanziellen Mittel für den weiteren Schritt sind da. Die Stadt Wien war da in einer Vorreiterrolle mit den zusätzlichen Ausbildungskursen Pick-up und Change, hat die Schwierigkeit erkannt und etwas dagegen getan. (Abg. Mag. Musiol: Und Niederösterreich?)

Es wäre schön gewesen, wenn sich mehrere Bundesländer entschlossen hätten, dieses Projekt anzunehmen, damit wir rascher ausbilden können. Im Februar dieses Jahres haben bereits 64 PädagogInnen die Pick-up und Change-Modelle absolviert und können sehr praxisnah arbeiten, weil es zum Teil KollegInnen sind, die bereits im Kinderdienst gearbeitet haben. Sie können bestens ausgebildet weiter eingesetzt werden.

Noch einmal ganz kurz zu dem Antrag betreffend den grenzüberschreitenden Kinder­gartenbesuch, den Sie gestellt haben: Im Augenblick lässt es die rechtliche Lage so nicht zu, aber ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass der Herr Minister im Ausschuss gesagt hat, dass man beim nächsten Finanzausgleich darüber nachdenken kann, muss, soll.

Jetzt ist es meines Wissens nach bereits so: Wenn es in Wien die Subjektförderung und in Niederösterreich die Objektförderung gibt, dann gibt es da auch jetzt schon Möglichkeiten, dass sich die Länder innerhalb beider Varianten einigen. Mir wäre es aber auch lieber, wenn es eine bundesweite Lösung gäbe. Daher werden wir der Verlängerung dieser Artikel-15a-Vereinbarung zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

14.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Tagesord­nungspunkt ist Herr Abgeordneter Prinz zu Wort gemeldet. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.30.23

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Gratis für die Eltern, aber nicht umsonst für die Kinder ist das Gratis-Kindergartenjahr für die Fünfjährigen. Es ist eine gute Sache. Die Bildungschancen unserer Kinder und auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden verbessert.

Die Einführung des Gratis-Kindergartenjahres vor zwei Jahren und die Verpflichtung zum halbtägigen Kindergartenbesuch für die Fünfjährigen waren insgesamt ein großer Erfolg. Die Betreuungsquote liegt in Österreich bei 98,3 Prozent.

Was aber gratis für die Eltern bedeutet, bedeutet Mehrkosten für den Staat, die Länder und die Gemeinden, die ja in rund 70 Prozent aller Fälle die Erhalter der Kinderbetreuungseinrichtungen sind. Auch meine Heimatgemeinde St. Nikola an der Donau investiert mit Unterstützung des Landes Oberösterreich jährlich viel in die Betreuung der Kinder. Die 70 Millionen €, die der Bund seit 2009 zur Verfügung stellt, sind eine entsprechend notwendige Unterstützung für die Länder und die Gemeinden. Mit der Verlängerung dieser Unterstützung um zwei Jahre wird die Abdeckung der fehlenden Elternbeiträge wesentlich erleichtert.


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Mit diesen rund 140 Millionen €, die wir heute diskutieren und hoffentlich gemeinsam beschließen, werden sinnvolle Investitionen getätigt, die sich mehrfach lohnen. Nicht nur, dass den Eltern große finanzielle Belastungen abgenommen werden, es wird mit diesem verpflichtenden Kindergartenbesuch ja auch die soziale Kompetenz der Schulanfänger entsprechend verbessert. (Beifall bei der ÖVP.)

Zudem wurden mit dem Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen auch hochwertige Arbeitsplätze geschaffen und, wie schon einmal erwähnt, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Nicht alles soll und kann vom Bund geregelt werden. Dort, wo allerdings Länder und Gemeinden zuständig sind, so wie beim Kindergarten – und das ist grundsätzlich gut so –, sollten Probleme auch zwischen den betroffenen Bundesländern geklärt werden.

Die Idee von Staatssekretär Kurz, jenen Kindern, die es wirklich brauchen, ein zwei­tes Gratiskindergartenjahr angedeihen zu lassen, ist grundsätzlich sehr positiv. Man sollte es aber nicht so machen wie die Grünen, dass man daraus gleich wieder eine Verpflichtung ableitet. (Abg. Mag. Musiol: Das will er ja selber! Hören Sie nicht zu? Klären Sie parteiintern, was Sie wollen!)

Es ist Aufgabe der Regierung, mit Sorgfalt und genauer Prüfung an die Sache heranzugehen, den Bedarf und die Kosten zu erheben. Verantwortung heißt, mit Verstand und Augenmaß zu agieren, und ich denke, das würde allen Parteien hier im Haus durchaus gut anstehen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, abschließend darf ich als Oberösterreicher noch darauf hinweisen, dass bei uns der Kindergarten seit Herbst 2009 für alle Kinder ab dem 30. Lebensmonat gratis ist und dass jene Eltern, die ihre drei- und vierjährigen Kinder zu Hause betreuen, mit dem Kinderbetreuungsbonus finanziell unterstützt werden. – Das ist echte Wahlfreiheit für die Familien. (Beifall bei der ÖVP.)

14.33


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller zu Wort. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.33.29

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehr­ter Herr Bundesminister! Wenn man sich die beiden Anträge der Grünen anschaut, dann sind sie doch sehr schlüssig, zum Beispiel im Hinblick darauf, dass man den Behinderten ebenso eine Verpflichtung geben muss, wenn man schon den anderen eine Verpflichtung gibt. Nicht, dass ich mich jetzt für die Verpflichtung ausspreche, aber im Endeffekt ist das ein durchgängiges, durchdachtes Projekt.

Im Gegensatz dazu ist das Projekt, das wir hier von der Regierung vorgeschlagen bekommen haben, von vornherein schon nicht durchdacht gewesen. Wir waren schon zu Beginn gegen den verpflichtenden Kindergarten. Warum? – Ganz einfach: Es ist von vornherein nichts geplant gewesen. Es waren zu wenig PädagogInnen ... (Abg. Ursula Haubner: Frau Gartelgruber hat gesagt, ihr seid dafür! – Abg. Steibl: Ihr habt euch auch nicht abgesprochen!) – Für den Gratiskindergarten, aber nicht für den verpflichtenden!

Jedenfalls haben wir gesagt, die Verpflichtung ist nicht durchdacht. Wir haben zu wenig Pädagogen, wie hier auch schon festgestellt worden ist, die auch noch nicht genügend ausgebildet sind. Das heißt, wir haben zu wenige Plätze für diese Kinder, die verpflichtend dort hingeschickt werden. Dann stellt sich natürlich die Frage: Warum werden behinderte Kinder in den Pflichtkindergärten nicht genommen? – Weil natürlich der Schlüssel im Betreuungsverhältnis für das behinderte Kind im Gegensatz zum


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nicht-behinderten Kind viel größer ist. Das heißt, es wäre wieder ein Betreuungsplatz mehr damit aufgegangen.

Wie schaut es mit dem Transport aus? – Der ist auch nicht durchdacht. Wir haben einen verpflichtenden Kindergarten, der – wie hier immer wieder gesagt worden ist – eine Bildungseinrichtung ist, und dann müssen die Familien, deren Kinder in den Kindergarten gehen, den Transport selbst bezahlen. Das ist nicht durchdacht. Warum in der Schule nicht, im Kindergarten schon?

Jetzt wird ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr gefordert, das wahrscheinlich noch weniger durchdacht ist, wenn beim ersten noch nicht einmal das Problem mit dem Transport gelöst ist.

Dann haben wir festgestellt: Es sind, bevor wir den verpflichtenden Kindergarten ein­geführt haben, ohnedies schon 95 Prozent der Kinder in den Kindergarten gegangen. Was wollen wir? Für die 5 Prozent, die noch nicht im Kindergarten sind, eine Aus­nahmegesetzgebung? – Das kann es ja wohl nicht sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Und dann haben wir einen ganz kuriosen Fall, den ich Ihnen hier schildern möchte. Er betrifft Wien. Wir nehmen an, wir haben ein fünfjähriges Kind, das in den Pflicht­kindergarten geht. Jetzt wird aber von den Eltern und im Gespräch mit der Kinder­gartenpädagogIn festgestellt, dass das Kind nicht reif für die Schule ist. Das heißt, es muss von der Schule für den häuslichen Unterricht abgemeldet werden. Es wird dann nicht als Kindergartenkind genommen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Das heißt, die Mutter muss jetzt ein Jahr zu Hause bleiben oder dieses eine Jahr, bis das Kind in die Schule kommt, wieder irgendwo versuchen, das auf die Reihe zu bekommen.

Meine Damen und Herren, jetzt möchte ich noch etwas zum Thema Jugendwohlfahrt sagen. Es ist richtig, wir waren im Februar bei der damaligen interimistischen Staats­sekretärin Remler. Da hat es geheißen, es fehlen nur noch zwei Bundesländer, um die Jugendwohlfahrt unter einen Hut zu bringen. Wie lange brauchen die zwei, drei Bundesländer? Wir haben jetzt fast ein dreiviertel Jahr gewartet, und es tut sich nichts. Man sieht, hinten und vorne ist dieses Projekt Familie, Kinder gescheitert. (Beifall bei der FPÖ.)

14.37

14.37.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 4: Antrag des Familienausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG die Genehmigung zu erteilen, in 1225 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 130

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend verpflichtenden Kinder­gartenbesuch in den letzten beiden Jahren vor Einschulung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Kopf: Das ist ja nicht einmal bei den Grünen die Mehrheit!)

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend Abschaffung der Aus­nahmebestimmung (Abg. Mag. Donnerbauer: Nicht sehr überzeugend!) von der Besuchspflicht der halbtägigen kostenlosen und verpflichtenden frühen Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder mit Behinderungen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 5: Antrag des Familien­ausschusses, seinen Bericht 1271 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die hiezu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

14.39.136. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1271/A(E) der Abgeordneten Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend Zuverdienstgrenze bei Studierenden (1272 d.B.)

7. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1606/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Jugend-Pass (1273 d.B.)

8. Punkt

Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1133/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend bundeseinheitliche Regelung zur Verbesserung der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung von Pflege­eltern (1274 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen jetzt zu den Punkten 6 bis 8 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kitzmüller. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.40.27

Abgeordnete Anneliese Kitzmüller (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Kinder sind unsere Zukunft, Kinder sind unser höchstes Gut, und für ihre Ausbildung haben wir zu sorgen. (Abg. Mag. Gaßner: Aber bitte nicht wieder so schimpfen wie vorher!) – Das sind wohl Sätze, die jeder von Ihnen hier unterstreichen und bestätigen kann. Aber wie ermöglichen wir es nun unseren Kindern, so gut wie möglich Bildung zu erwerben und ihre Zukunft zu gestalten?

Wir Freiheitlichen haben einen Antrag eingebracht, der speziell die Studierenden im Auge hat und auf sie abzielt. Es gab bis 2011 eine Zuverdienstgrenze von 9 000 €, ab 2011 wurde sie auf 10 000 € erhöht. Wer diesen Betrag dazuverdient, muss die Familienbeihilfe zur Gänze zurückzahlen. Unser Antrag geht weiter. Wir wollen die Zuverdienstgrenze auf 12 000 € anheben, wobei das 13. und 14. Gehalt nicht inkludiert sind, und verschiedene Sozialleistungen ebenso nicht, weil wir der Meinung sind, dass Studenten, die für ihr Studium etwas tun, für ihre Leistungen belohnt werden müssen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 131

und nicht torpediert werden dürfen. Wir sind daher der Meinung, dass nicht der gesamte Familienbeihilfebetrag zurückzuzahlen ist, sondern lediglich die Hälfte.

Die Familien tragen enorme finanzielle Belastungen, bis die Kinder, die studieren, auf eigenen Beinen stehen. Bis sie ausgebildet sind, ist es für die Familien nicht leicht, sie durchzubringen. Der Anschlag auf die Familien seitens der Regierung ist nicht enden wollend, wenn wir uns ansehen, dass all diese Anträge abgelehnt werden, die eine Verbesserung der Familiensituation bedeuten.

Ein Anschlag vonseiten der Regierung ist jetzt einmal die Streichung der 13. Fami­lienbeihilfe, die Nicht-Valorisierungen der Familienleistung, die Beschränkung der Unterstützungen bis zum 24. Lebensjahr und so weiter. Jetzt ist es aber allerhöchste Zeit, für die Studenten etwas zu tun. Denken Sie an die Familien, die damit entlastet werden! Denken Sie an unsere Studenten, die für ihren Fleiß nicht bestraft werden! Denken Sie damit auch an die Zukunft Österreichs! – Das ist der eine Punkt, der eine Antrag.

Der zweite Antrag, den ich hier beleuchten möchte, ist der Antrag, der die Pflege­familien betrifft. Auch da ist es wichtig, diese Kinder, diese Familien zu unterstützen. Es gibt Familien, die sich jener Kinder annehmen, die es nicht leicht gehabt haben, die aus ihrer Umgebung, aus ihrer Geborgenheit, aus ihrer Stammfamilie herauskommen, aus welchen Gründen auch immer. Für diese tragischen Fälle müssen nunmehr eben Familien die Verantwortung übernehmen, die bewundernswerte Aufgabe übernehmen, diese Kinder zu betreuen und ihnen eine Heimat zu geben, und das sind die Pflegefamilien.

Wie gehen wir mit diesen Pflegefamilien um? – Ausgesprochen schändlich! Sie machen Schulungen in ihrer kaum vorhandenen Freizeit, sie müssen Therapien im Voraus bezahlen, wenn sie von der Krankenkasse nicht gleich bezahlt werden. Sie müssen sich um diese Kinder kümmern und haben dann oft auch nicht einmal die Möglichkeit, dass die Mütter in dieser Zeit arbeiten gehen, weil die Kinder eben einer speziellen Betreuung bedürfen und nicht einfach weggegeben werden können. Und was bekommen sie dafür, diese tüchtigen Familien, die sich aufopfern, um den Kindern Geborgenheit und ein gemütliches Aufwachsen zu garantieren? – Knapp über der Geringfügigkeit werden sie entlohnt, das sind knapp über 374 €! Meine Damen und Herren, ich denke, sie verdienen sich mehr. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Schenk.)

Unsere Forderung war, ihnen zumindest eine Entlohnung in der Höhe der Mindest­sicherung, das heißt 753 €, zu geben. Vielleicht ist es aber unrealistisch, hier Gerech­tigkeit zu verlangen. Ich glaube aber doch, dass es nicht unrealistisch sein darf, zumindest eine Vereinheitlichung zu schaffen, sodass wir bundesweit eine einheitliche Regelung zur Verbesserung der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung unserer Pflegefamilien erreichen. (Beifall bei der FPÖ sowie der Abg. Schenk.)

Denken Sie, meine Damen und Herren, an die Zukunft Österreichs! In Ihrer Hand, meine Damen und Herren der Regierungsparteien, liegt es nun, in diesem Fall für die Studenten und für die Pflegefamilien eine bessere finanzielle Situation zu schaffen. Wir Freiheitlichen fördern die Leistungsträger, und ich denke, Leistungsträger in unserer Gesellschaft verdienen, gefördert zu werden. Ich hoffe, hier noch einmal ein Umdenken bei Ihnen bewirken zu können, sodass Sie für diese Anträge stimmen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 132

14.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.45.24

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Hoch­geschätzter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Vorweg ein paar Zahlen, die sicher sehr, sehr spannend sind. In Österreich waren im Wintersemester 2010/11 mit Stand 28. Jänner 2011 an den Universitäten 284 219 Studierende inskribiert, an den Fachhochschulen 37 564 und an den Privatuniversitäten 6 301 Studierende.

Ich habe mir auch die Mühe gemacht, den Bericht zu den Studierenden vom Vorjahr anzusehen und bin auf sehr interessante Details gestoßen. Das sind die wesentlichen Zahlen für mich, die ich herausgelesen habe: 61 Prozent der Studierenden sind neben ihrem Studium erwerbstätig, und zwar zu 20 Stunden pro Woche. 19 Prozent jobben in den Ferien und etwas mehr als die Hälfte der Studierenden verdient pro Monat 400 €. Das monatliche Gesamtbudget eines Hochschülers beträgt im Durchschnitt 820 € aus direkten Geldeinnahmen und 160 € aus Naturalleistungen, beispielsweise Zuwendun­gen durch die Eltern.

Ich möchte aber jetzt explizit auf den Antrag der Frau Abgeordneten Kitzmüller ein­gehen, was Studierende anlangt. Ich habe festgestellt, dass offensichtlich einige Denkfehler vorliegen oder die Lohnverrechnung nicht richtig gemacht wurde, wie auch immer. Sehr viele von Ihnen kennen sich vielleicht aus, einige vielleicht nicht. Ich habe ein kleines Taferl vorbereitet – die Freiheitlichen kennen das schon, wie das geht. (Die Rednerin stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der das Rechenmodell, auf das sie im Folgenden Bezug nehmen wird, veranschaulicht ist.)

Wenn wir einen Bruttojahresverdienst in der Höhe von 11 999,96 € hernehmen und von diesem Jahresgehalt 1 806,90 € Sozialversicherung abziehen – inkludiert bei dieser Sozialversicherung ist der verminderte Satz von Weihnachtsgeld und Urlaubs­geld –, dann kommt eine Summe von 10 193,06 € heraus. Lohnsteuer fällt keine an. Dann ziehen wir das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld ab, also je ein Zwölftel, das sind 1 470,86 €. Somit wäre der Jahresnettoverdienst von 8 722,20 €; soweit zur Variante der Freiheitlichen.

Es gibt aber jetzt bereits – Sie haben es erwähnt Frau Kollegin – einen Budget­begleitgesetz-Beschluss 2011, in dem wir die Höhe angehoben haben, und hier ist das Taferl. (Die Rednerin stellt neuerlich eine Tafel vor sich auf das Rednerpult, auf der das Rechenmodell, auf das sie im Folgenden Bezug nehmen wird, veranschaulicht ist.)

Das haben wir zum Budgetbegleitgesetz beschlossen: Es ergibt sich ein Jahres­bruttoverdienst von 13 757,80 €, minus Sozialversicherung – diese beträgt dann 2 071,52 € –, ergibt in Summe 11 686,28 €. Lohnsteuer fällt keine an, minus Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld, wieder zu je einem Zwölftel, das sind 1 686,32 €. Somit ergibt sich nach der neuen Variante ein Jahresnettoverdienst von 9 999,96 €.

Mit dieser Regelung, sehr geehrte Damen und Herren, können die Studenten und Studentinnen mehr dazuverdienen – relativ viel, wie Sie sehen. Und sie können trotzdem die Familienbeihilfe bekommen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


14.49.22

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Dem vorliegenden Antrag werden wir auch nicht zustimmen, weil er fehlerhaft ist, was jetzt noch einmal gezeigt wurde, auch daraus resultierend, dass er vor dem Budgetbegleit­gesetz eingebracht wurde. Darauf muss man jetzt nicht lange herumreiten, aber er hat


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tatsächlich zu keiner Verbesserung, sondern zu einer Verschlechterung für Studie­rende geführt.

Worüber man aber sehr wohl diskutieren sollte und diskutieren kann, ist die Frage, wie denn dann zu viel geleistete Familienbeihilfe tatsächlich zurückzuzahlen ist. Da sollte man tatsächlich über Einschleifregelungen nachdenken, wie sie etwa bei der Studien­beihilfe existieren. Das heißt, für jeden zu viel verdienten Euro dann auch den entsprechenden Euro-Betrag zurückzuzahlen, aber eben nicht alles zurückzahlen zu müssen.

Aber weil wir beim Thema Familienbeihilfe sind: Da ist ja heute – aus Aktualität bringe ich das ein – ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergangen, nämlich zu den zwei Klagen der Landesregierungen von Vorarlberg und Kärnten, bei denen es um die sozial ungerechtfertigten Kürzungen der Bundesregierung im Herbst beim Budget ging und bei der Familienbeihilfe die Altersgrenze auf 24 beziehungsweise 25 Jahre herabgesetzt wurde.

Frau Kollegin Steibl, weil ich Sie hier sehe: Sie haben heute eine Aussendung dazu gemacht, die mich schon sehr verwundert hat. Sie haben nämlich in dieser Aus­sen­dung geschrieben:

„Unsere Entscheidungen“ – und ich nehme an, Sie meinen ÖVP und SPÖ – „waren notwendig und wohlüberlegt – das hat auch der Verfassungsgerichtshof heute bestätigt, ...“.

Davon steht nichts in diesem Urteil! Der Verfassungsgerichtshof hat nicht bestätigt, dass Ihre Überlegungen „notwendig und wohlüberlegt“ waren. Der Verfassungs­gerichts­hof lässt sich auch – glücklicherweise! – nicht darauf ein, politische Wertungen vorzunehmen. Verfassungsgerichtshofurteile haben zum Inhalt, ob ein Gesetz verfas­sungs­konform oder nicht verfassungskonform ist, ob es den Grundrechten entspricht oder nicht den Grundrechten entspricht. Das sollten Sie als Nationalratsabgeordnete wissen. (Abg. Steibl: Er hat bestätigt, dass es schmerzhaft ist, aber in Ordnung!)

Aber glücklicherweise nimmt sich der Verfassungsgerichtshof nicht heraus, politische Bewertungen vorzunehmen. Nicht jedes verfassungskonforme Gesetz ist politisch klug, geschweige denn sozial gerecht – und genau darum geht es bei dieser Regelung. Die Regelung, die Sie im Herbst eingeführt haben, nämlich die Herabsetzung auf 24 bezie­hungsweise im Ausnahmefall auf 25 Jahre, ist sozial ungerecht und ist für viele Studierende wirklich existenzgefährdend. (Beifall bei den Grünen.)

Wir wissen zum Beispiel, dass maximal 5 Prozent in der Regelzeit abschließen können, und wir wissen auch, dass das nicht der Fall ist, weil es sich um faule Studierende, um dumme Studierende handeln würde, sondern wir wissen – und das wissen Sie alle ganz genau, vor allem jene, die sich mit Hochschulpolitik beschäf­tigen –, dass das deshalb der Fall ist, weil die Rahmenbedingungen auf den Universitäten gar kein schnelleres Abschließen möglich machen. Hier dann davon zu sprechen, dass es „notwendig und wohlüberlegt“ war und hiermit tausende Studie­rende in wirklich existenzbedrohende Situationen zu bringen, ist mehr als zynisch!

Vor diesem Hintergrund ist noch einmal zu sagen: Wir werden weiter prüfen. Es gibt ja noch mehrere Gründe, derentwegen man dieses Gesetz angreifen kann, und wir werden weiter prüfen, ob da weitere Schritte einzuleiten sind.

Nun noch zu den zwei anderen Punkten, die jetzt verhandelt werden. Das eine ist der Antrag des BZÖ betreffend den Mutter-Kind-Pass. Da ist aus unserer Sicht erstens – das ist ja auch im Ausschuss so diskutiert worden – eine Umbenennung in Eltern-Kind-Pass längstens angesagt, denn es ist eben nicht mehr so, dass die Unter­suchungen nur Mütter und Kinder betreffen, sondern das sollte alle angehen. Diesen


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Antrag lehnen wir aber ab, weil er die Bedingung beinhaltet, dass bei Nicht-Inanspruchnahme der Untersuchungen die Familienbeihilfe wegfällt. Wir halten auch das für sozial nicht gerechtfertigt. Aber hinsichtlich einer Weiterentwicklung des Eltern-Kind-Passes, vor allem auch vor dem Hintergrund von rechtlichen Beratungen, von Erklärungen über die Frage, was passiert, wenn man sich dann trennt, wie ist das mit der Obsorge?, wie ist das mit dem Besuchsrecht?, haben wir Vorschläge gemacht.

Zur bundeseinheitlichen Regelung für Pflegeeltern: Diese halten wir für dringend not­wendig, und zwar nicht nur in Bezug auf die arbeits- und sozialrechtliche Frage. Wir wissen, dass es in Österreich Pflegeeltern gibt, die nicht dem klassischen Bild von Familie, das uns die angebliche Familienpartei ÖVP regelmäßig kundtun möchte, nämlich Vater, Mutter, Kind entspricht, sondern es gibt alleinerziehende Pflegeeltern, es gibt gleichgeschlechtliche Pflegeeltern. Das ist aber nicht in allen Bundesländern möglich. In Niederösterreich beispielsweise gibt es Fälle, wo schon negative Bescheide ausgesprochen wurden, weil Pflegeeltern ein gleichgeschlechtliches Paar sind. Das ist massiv diskriminierend, und das müssen wir daher auch angehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort hat sich Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner gemeldet. Ich mache darauf aufmerksam, dass ich um 15 Uhr zum Aufruf der Kurzdebatte unterbrechen muss. – Bitte.

 


14.55.04

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was den Antrag anlangt, den Frau Abgeordnete Kitzmüller dargestellt hat, hat ja Frau Kollegin Fürntrath aufgezeigt, dass die geltende gesetzliche Regelung eigentlich mehr Spielraum lässt und eine günstigere Situation ist als das, was da beantragt wird.

Zum Zweiten hat Frau Abgeordnete Musiol jetzt gerade angesprochen, der Verfas­sungsgerichtshof hätte das abgewiesen, und das war es, und es wäre keine Bestätigung, was die entsprechende Linie angeht. Dem kann ich nicht beipflichten, meine Damen und Herren! Sie brauchen sich nur die Entscheidung des Verfas­sungsgerichtshofes anzusehen und werden feststellen, dass hier sehr wohl politische Begründungen vorhanden sind. Ich darf zitieren:

„Es liegt vielmehr im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Altersgrenze, bis zu der ein Anspruch auf Familienbeihilfe grundsätzlich eingeräumt wird, nach Maßgabe familienpolitischer Zielsetzungen und budgetärer Bedeckungs­möglichkeiten hinaufzusetzen oder auch wieder herabzusetzen, ...“.

Vor diesem Hintergrund, so der Verfassungsgerichtshof, habe der Gesetzgeber bei der Herabsetzung der Familienbeihilfe 2011 seinen zustehenden Spielraum nicht überschritten.  (Abg. Mag. Musiol: Aber er bewertet nicht!)

Der Verfassungsgerichtshof geht dann noch auf verschiedene Details ein, unter ande­rem auch auf die Frage, ob es einen Art Vertrauensgrundsatz gibt in diesem Zusam­menhang. Und da heißt es:

„Es geht vielmehr um abgabenfinanzierte Transferleistungen, bei denen ein verfas­sungs­rechtlich geschütztes Vertrauen auf unveränderten Fortbestand nicht besteht.“

Das Schulstartgeld – weil das ebenfalls impliziert war – statt 13. Familienbeihilfe nur für Pflichtschüler sei wegen des typischerweise bestehenden Mehraufwandes zu Schulbeginn nicht unsachlich, so der Verfassungsgerichtshof.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 135

Also alle diese Einwendungen sind abgewiesen worden. (Abg. Mag. Musiol: Aber gestalten kann man in die eine oder andere Richtung!) Ich sehe darin jetzt keinen Anlass für einen Triumph, aber ich sehe einen Anlass, hier eine Bestätigung festzu­stellen, weil eben der budgetäre Handlungsspielraum nicht da war. Die Sanierung des FLAF ist eine ganz, ganz wichtige Zielsetzung, und sie wird mit dieser bestätigten Maßnahme erreicht. Es war uns unangenehm, dass die Familienbeihilfe gekürzt werden musste, aber es war alternativlos. – Das zum Ersten.

Zum Zweiten: Sie haben in diesem Zusammenhang auch den Antrag angesprochen, was insbesondere den Mutter-Kind-Pass betrifft – das ist ja ein weiterer Tages­ordnungspunkt –, und auch die Fragen, die noch offen sind, auch was die Verbes­serung der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung von Pflegegeldern anlangt.

Ich darf dazu anmerken: Die erste Fragestellung ist eine, die den FLAF wieder mehr oder weniger, wenn es um eine Ausweitung der bisherigen Gegebenheiten geht, finan­ziell in Bedrängnis oder in neue Verpflichtungen bringen würde. Da es in diesem Zusam­menhang, was die Untersuchungen anlangt, im Auftrag der Bundesgesund­heitskommission unter Federführung des Bundesministeriums für Gesundheit derzeit Rahmengesundheitsziele für Österreich gibt, die entworfen werden sollen, und somit ein abgestimmtes Gesamtkonzept zur Gesundheitsförderung und Prävention in Österreich entwickelt wird, würde ich diese Variante bevorzugen und würde Sie auch darum bitten.

Bei der dritten Komponente unter diesem Tagesordnungspunkt darf ich wieder auf die ländergesetzliche Kompetenz hinweisen, was die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Pflegeeltern anlangt, die den Ländern vorbehalten ist. Wir haben hier einen Entschließungsantrag des Nationalrates, einen Fünf-Parteien-Antrag, der ange­nommen wurde. Wir werden eine Studie machen, dann die Situation zur Debatte stellen und möglicherweise auch dann eine Änderung der Kompetenz, was die Länder anlangt, dort erreichen oder gegebenenfalls eine Verbesserung der Situation durch eine Artikel-15a-Vereinbarung.

Da ich noch eine Minute Zeit habe, darf ich auch die mehrfach kritisierte Jugend­wohlfahrt erwähnen. Meine Damen und Herren, dort gibt es dasselbe Problem: Wir haben Bundesgesetzgebung, aber Ausführungskompetenz der Länder. Die Länder weigern sich bis zu einem neuen Finanzausgleich, das zu finanzieren. Das Vier-Augen-Prinzip wäre aufgrund verschiedener Missbrauchsfälle dringend umzusetzen.

Daher bemühen wir uns – ich muss sagen, die Änderung in der Regierung war im April; das nur, damit die Monate und Wochen da nicht zu intensiv dargestellt werden –, daher bemühen wir uns also, das, was Frau Staatssekretärin Remler eingeleitet hat, in Verhandlungen mit den Ländern sicherzustellen. Ich bin relativ optimistisch, dass uns das in den nächsten Wochen gelingen wird.

Es ist dann eine Art Übergangsregelung, bis wir einen neuen Finanzausgleich haben – im Interesse der Betroffenen.

Frau Kollegin Kitzmüller, ich sehe keinen Anschlag auf Familienleistungen. Wir haben insgesamt noch immer mehr, als wir im Jahr 2008 gehabt haben, trotz der notwendigen Korrekturen, die uns aber eines bringen: den Handlungsspielraum des FLAF entsprechend sicherzustellen, gegebenenfalls sogar zu erhöhen. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen über die Punkte 6 bis 8 der Tagesordnung.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 136

15.00.08Kurze Debatte über die Anfragebeantwortung 8336/AB

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zur kurzen Debatte über die Anfragebeantwortung 8336/AB auf die Anfrage der Abgeordneten Walser, Kolleginnen und Kollegen.

Die erwähnte Anfragebeantwortung ist bereits verteilt worden, sodass sich eine Verle­sung durch den Schriftführer erübrigt.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei dem Erstredner zur Begründung eine Redezeit von 10 Minuten zukommt.

Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesregierung oder zu Wort gemeldeter Staatssekretäre sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Ich ersuche nun Herrn Abgeordneten Dr. Walser als Antragsteller des Verlangens, die Debatte zu eröffnen. Die Redezeit beträgt 10 Minuten. – Bitte.

 


15.01.09

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Der heutige Tag ist ja an sich ein sehr schöner Tag für die Grünen. Eva Glawischnig hat heute gesagt, die Wüste ist grün – mit Bezug auf die Beschluss­fassung betreffend Ökostromgesetz. Das sind in der Tat durchaus Zeichen, dass sich sogar in dieser Regierung etwas bewegen könnte. (Präsidentin Mag. Prammer übernimmt wieder den Vorsitz.)

Dem ist aber leider im Bereich Bildung nicht so. Da geht es – und das ist der Grund für diese Anfragebesprechung – vor allem um den Themenbereich „Propaganda“; jeden­falls wesentlich mehr als um den Themenbereich „Reform“.

In einer Anfragebeantwortung an Karl Öllinger vor rund zwei Jahren hieß es, dass alleine für den Bereich Printmedien 1,619 Millionen € ausgegeben wurden. Heuer sind es in den ersten drei Monaten allein für den Bereich Neue Mittelschule schon nahezu 300 000 €. Das ist ein gewisses Missverhältnis, und das rührt daher, wie es dann in dieser Anfragebeantwortung auch heißt, dass es sogenannte Sondermittel für Kommunikationsaktivitäten im Zusammenhang mit der Neuen Mittelschule gäbe.

Das Problematische an dieser Aktion ist auch – ich zitiere den Verband Österreichi­scher Zeitungsherausgeber – die Einseitigkeit, mit der solche Inserate vergeben werden.

Zitat: „Der Zeitungsverband kritisierte mehrfach, öffentliche Inseratengelder gingen überproportional an die Boulevardblätter ,Krone‘, ,Österreich‘ und ,Heute‘.“

Aber lassen wir dieses Thema vorläufig; Kollege Brosz wird noch intensiver darauf eingehen.

Werbung, Information ist durchaus notwendig, Frau Ministerin. Dringend notwendig hätten wir beispielsweise Werbung für neue Lehrkräfte. Wir stehen vor einem eklatan­ten Mangel an Lehrkräften. Wir bräuchten nach dem Kommunikationschaos, das Kollege Amon und Sie, Frau Ministerin, bezüglich der modularen Oberstufe gemein­sam angerichtet haben, ebenfalls dringend Informationen, dass es da nicht darum geht, SchülerInnen mit „Nicht genügend“ aufsteigen zu lassen, sondern dass es darum geht, SchülerInnen, die Leistungen erbringen wollen, diese Leistungen auch zu ermöglichen. Da ist, glaube ich, das Grundprinzip falsch verstanden worden, Herr


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 137

Kollege Amon. (Abg. Amon: Wir haben es den Journalisten gesagt, wir haben es nicht verheimlicht!)

Das ist Ihr Problem, denn ich gehe davon aus, dass Sie mit Ihrer politischen Erfahrung in der Lage sind, Journalistinnen und Journalisten gegenüber Ihre Botschaften so zu kommunizieren, dass diese verstanden werden. In diesem Fall ist das jedenfalls deutlich misslungen. (Abg. Kopf: Die Journalisten sind nicht in der Lage, es zu „übersetzen“!) – Ich glaube, nach diesem Chaos die Schuld auf die Journalisten zu schieben, ist nicht angebracht. Aber lassen wir das.

Kommen wir zu den Problemen, die es im Bereich Neue Mittelschule gibt – und dass da ausgerechnet für ein Projekt Werbung gemacht wird, das von sehr vielen als Etikettenschwindel dargestellt wird. Schauen wir uns an, wie da Werbung gemacht wird.

So werben Sie zum Beispiel damit, dass die Lehrpläne zwischen der Neuen Mittel­schule und der AHS-Unterstufe wortidentisch seien. Wir wissen doch, dass bereits seit Jahrzehnten die Lehrpläne zwischen Hauptschule und Gymnasium wortidentisch sind. – Da gaukelt man der Bevölkerung etwas vor, was in diesem Zusammenhang nichts Neues ist.

Ein weiterer Punkt: Einsatz von AHS-LehrerInnen in der Neuen Mittelschule in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch. In Vorarlberg, wo von 56 Hauptschulen 52 Neue Mittelschulen sind, findet das praktisch gar nicht statt. Dort stehen zwar fallweise – in Hard etwa –, also in vereinzelten Gemeinden, AHS- beziehungsweise eigentliche BHS-LehrerInnen im Einsatz, aber die unterrichten dann Zusatzfächer wie etwa Französisch, aber keineswegs unterrichten sie in den von Ihnen genannten Fächern.

Zum Thema Teamteaching: Fast verschämt heißt es in dieser Anfragebeantwortung, dass Teamteaching an verschiedenen Standorten, entsprechend der pädagogischen Begründung, entlang der Konzeption der jeweiligen Modellpläne halt in anderen Fächern stattfinde. – Sie werben aber damit, dass das in den Hauptfächern der Fall sei, wozu man jedoch nicht in der Lage ist.

Was wir hier haben ist, wie gesagt, Null-Information beziehungsweise falsche Infor­mation. Und was noch festgehalten werden kann zu diesen Inseraten: Die „Kronen Zeitung“ hat gut verdient.

Wie schaut die Realität an der Neuen Mittelschule aus? Ich zitiere Dr. Helmut Seel, Ihnen kein Unbekannter, viele Jahre Abgeordneter dieses Hauses, einer der ausge­wähl­ten Fachleute, was die pädagogische Konzeption in Österreich anlangt.

Seel sagt, Ihre Neue Mittelschule birgt die Gefahr in sich, dass die Übertritts­berechtigungen zur Sekundarstufe II nicht mehr gegeben sind. – Helmut Seel, Ihr Parteikollege.

Und Helmut Seel sagt weiter, die Neue Mittelschule werde zum „zweiten Klassenzug des Schulsystems“.

Sie wissen aber schon noch, warum diese Neue Mittelschule ins Leben gerufen wurde?! – Ich habe Sie vor dieser Gefahr gewarnt, die jetzt eintritt. Helmut Seel sagt übrigens auch, dass die von Ihnen beworbenen wortidentischen Lehrpläne ebenfalls in Gefahr sind.

In diesem Zusammenhang zitiere ich jetzt eine weitere Parteikollegin von Ihnen, mit der ich vorletzte Woche an einer Podiumsdiskussion in Steyr teilgenommen habe, die Bezirksschulinspektorin Eva Zöchling: „Wir werden kaputt gespart“, war ihre wörtliche


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Aussage. Wir brauchen dringend Ressourcen. In dieser Zeit aber stecken Sie von der Bundesregierung das Geld in die Propaganda.

Ein weiterer Bericht aus der Praxis. In Vorarlberg haben sich schon zu Beginn dieses Unternehmens, als klar wurde, wohin der Zug fährt, 496 LehrerInnen getraut, eine Re­so­lution zu unterschreiben, in der steht, dass die Neue Mittelschule nicht zielführend in Richtung einer gemeinsamen Schule sei. Das war auch ein wörtliches Zitat.

Es heißt dann abschließend in dieser Resolution, es stehe viel auf dem Spiel, auch für die Gesellschaft als Ganzes.

Ich kann das nur unterstützen, so wie diese 496 mutigen Lehrerinnen und Lehrer. Das ist ein Drittel aller Lehrkräfte, die im Bereich der Neuen Mittelschule in Vorarlberg unterrichten. (Zwischenruf des Abg. Amon.)

Das scheint für Sie nicht bemerkenswert zu sein, Herr Kollege Amon. Das finde ich wiederum bemerkenswert, dass Ihnen die Meinung jener Lehrkräfte, die in der Neuen Mittelschule unterrichten, als irrelevant erscheint. Das wirft ein bezeichnendes Bild auf die ÖVP-Bildungspolitik, wundert mich aber insofern nicht sehr. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Kollege Amon, weil wir schon bei den Zuständen sind ... (Abg. Amon: Ich habe gesagt, nicht nur diese Lehrer sind mutig!) – Nicht nur diese Lehrer sind mutig, aber Sie wissen, dass es im Schulsystem nicht so einfach ist, sich dazu zu äußern.

Was wir erleben in diesem Zusammenhang, ist eine Ankündigungspolitik. Von einer Umsetzung der Reformen aber, Frau Ministerin, sind Sie meilenweit entfernt.

Die Situation an den Schulen ist zunehmend trist, die Lehrkräfte sind mit der Richtung, in die diese ganze Angelegenheit geht, überhaupt nicht einverstanden und sind vor den Kopf gestoßen, wenn um sündteures Geld derartige Propaganda gemacht wird und Sie im Zusammenhang mit Falschinformationen sagen, es handle sich um eine journalistische Vereinfachung komplexer Sachverhalte. Das ist Hohn gegenüber den betroffenen Lehrerinnen und Lehrern.

Die Neue Mittelschule ist doch symptomatisch für die Bildungspolitik dieser Regierung. Die ÖVP ist zufrieden, sie schützt ihre Klientel – darauf ist das Hauptaugenmerk der ÖVP gerichtet –, und die SPÖ macht dazu eigentlich bestenfalls freundliche Nasen­löcher und tut so, als handle es sich um echte Reformen.

Füttern Sie nicht den Boulevard mit Inseraten, sondern gehen Sie vorwärts in Richtung echte Reformen! Sie wissen, dass wir Sie dabei unterstützen. Derzeit sind in Sachen Bildungspolitik leider nur die Betonierer erfolgreich. Derzeit ist es leider so, dass in Österreich Bildung nach wie vor vererbt wird. Hauptverantwortlich dafür – das sage ich gleich dazu – sind nicht Sie, denn ich weiß, dass die Hauptblockierer in den Reihen der ÖVP sitzen, wo es aber auch eine ganze Reihe von Leuten gibt, die sehr wohl bereit wären, vernünftige Reformen mitzutragen – leider nicht anwesend: Peter Haubner, der in einer Aussage für die gemeinsame Schule eingetreten ist. Nicht hier sind leider auch andere Fachleute Ihrer Partei, vor allem aus dem Wirtschaftsbund, der sich dieses Schauspiel ja schon sehr lange anschaut, sie als Partei weiter finanziert und es sich gefallen lässt, dass Sie in der Bildungspolitik, einem ganz wesentlichen Bereich für die Zukunft Österreichs, keinen Schritt nach vorne machen.

Lassen Sie mich schließen mit einem Appell an alle: Wir hätten auch jetzt schon hier im Hohen Haus zumindest eine Mehrheit von drei Parteien für eine gemeinsame Schule. Wenn ich den fortschrittlichen Teil der ÖVP dazurechne, wäre es bereits eine haushohe Mehrheit.


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Lassen Sie uns die Lösung dieser Probleme endlich angehen. Österreich muss runter von der Bildungsbremse. (Beifall bei den Grünen.)

15.12


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun zu einer Stellungnahme Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. Die Redezeit sollte 10 Minuten nicht übersteigen. – Bitte.

 


15.12.32

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Zur parlamentarischen Anfrage von Herrn Abgeordnetem Walser nehme ich sehr gerne Stellung, wenngleich ich gleich zu Beginn anmerken muss, dass mich die Prioritätensetzung Ihrer parlamentarischen Anfragen, Herr Abge­ord­neter, und Ihr Verhalten gegenüber meiner Person in letzter Zeit etwas verwundern. Bewusst nehme ich daher heute auch Bezug zu Ihrem Versuch, Herr Abgeordneter, meine Reiseplanung zu skandalisieren.

Ich lege als Bildungsministerin und als Kunst- und Kulturministerin großen Wert darauf, auch in den Bundesländern und Regionen präsent zu sein. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine Präsenz und meine Arbeit in den Bundesländern und in den Regionen sind mir sehr wichtig. So lade ich regelmäßig zu Schulpartner-Dialogen ein, besuche einzelne Schulstandorte, halte Vorträge an Pädagogischen Hochschulen, nehme an bildungspo­litischen Diskussionen teil, und es ist mir auch wichtig, Kulturinitiativen und auch einmal etwas entlegenere Schulstandorte zu besuchen.

Mein Terminplan ist sehr straff, gut organisiert. Ich bin es gewohnt, sehr diszipliniert zu arbeiten – und da brauche ich auch Mobilität.

Es ist mir wirklich ein Anliegen, Ihre Untergriffe hier zurückzuweisen. Das hat aus meiner Sicht mit konstruktiver (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser), niveauvoller bildungs­politischer Oppositionspolitik nichts zu tun! (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Abg. Dr. Walser: Ich habe Ihre Anfragebeantwortung besprochen, sonst nichts! Sagen Sie mir einen Untergriff!)

Nun zum aktuellen Thema: Informationspolitik zur Neuen Mittelschule. Im Zeitraum Jänner 2010 bis Mai 2011 wurden insgesamt sieben Inserate geschaltet. In diesen Inseraten – es ist da ja nicht übertrieben viel Platz – wurde kurz und prägnant über die Neue Mittelschule informiert. Es war mir wichtig, jeweils auch Verweise auf weitere Informationsquellen anzugeben, die Sachverhalte und weitere Details genau darstel­len.

Auch wurden konkrete Beispiele zitiert, Zitate von Beteiligten wiedergegeben. Und ich kann Ihnen nur sagen, dass die Resonanz, die bei mir eingegangen ist, sehr positiv war, der Wunsch nach mehr Information damit auch geweckt wurde und auch Infor­mationskanäle genutzt wurden. Als Beispiel bringe ich das Netzwerk Elterninfor­ma­tionen im Rahmen der Neuen Mittelschule, das auch Ausfluss dieser Informationspolitik war.

Warum ist das wichtig? – Sie wissen es: Weil ganz viele Menschen betroffen sind, Eltern, Schüler, Lehrer, Großeltern, weil wir derzeit viele Reformprojekte umsetzen, die zum Teil Verunsicherung hervorrufen und daher Information brauchen. Inserate sind nur ein Weg, Schulpartnerdialoge sind ein anderer, viel persönlicherer Weg. Die regionale Präsenz vor Ort ist wichtig genauso wie Vernetzungstreffen, Leadership Academy oder eine lebendige Schulpartnerschaft, die wir auch seitens des Ministeriums mit Informationen versorgen.


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Das Prinzip der Neuen Mittelschule ist ein hohes Maß an Eigenverantwortung an den Schulstandorten. Mir ist es wichtig, österreichweit Qualitätskriterien zu definieren, die von der Approbationskommission geprüft und in hoher Eigenverantwortung am Schul­standort auch gelebt werden. Das, was ich höre, wenn ich an den Schulen bin, ist „wir und unsere Schule“. Es gelingt da ein hohes Maß an Motivation, an Selbstbewusstsein und an gutem Arbeitsklima. Teamteaching ist dafür eine wichtige und gute Voraus­setzung.

Ich freue mich sehr, dass die Entwicklung der Neuen Mittelschule gemeinsam mit dem Regierungspartner jetzt entschlossen weitergeht. Die Neue Mittelschule wird – davon bin ich überzeugt – zur Leistungsschule für unsere Jugend. Die Neue Mittelschule wird zu einer persönlichen Kaderschmiede. Sie festigt Grundkompetenzen und ist die Basis für spätere Spezialisierung. Spitzenleistungen brauchen eine breite Basis, und die Neue Mittelschule ist ein gutes Fundament dafür.

Beim Ausbau der Neuen Mittelschule müssen wir ohne Zweifel auf Qualität achten. Der AHS-Lehrplan für die Neue Mittelschule ist dabei für mich ein wichtiger Punkt, ebenso einheitliche Qualitätskriterien und klare Berechtigungen nach der achten Schulstufe. Die entsprechenden Budgetmittel sind im Bundesfinanzrahmengesetz vorgesehen. Bestandsgarantie und Finanzierungsgarantie waren mir immer wichtig.

Eine breite Informationspolitik in allen Facetten und Formaten ist für die Reformpolitik unverzichtbar und wird von mir im Herbst entschlossen fortgesetzt. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

15.17


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Die Redezeit der nun zu Wort gemeldeten Abgeordneten beträgt gemäß Geschäftsordnung jeweils 5 Minuten.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


15.18.12

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich tue mir ein bisschen schwer, jetzt mit jemandem in die Diskussion zu treten, den ich bisher aufgrund seiner fachlich kompetenten Art sehr geschätzt habe – nach wie vor schätze, was das Inhaltliche betrifft –, nämlich mit Kollegen Walser, nicht nur weil er ein Landsmann und auch Schulleiter ist. Die Art und Weise, wie er plötzlich versucht, populistische Aktivitäten zu setzen, um genau in jene Boulevardblätter zu kommen, die er kritisiert, ist für mich überraschend. Ich bedauere das, das muss ich Ihnen sagen.

Sie wissen, wie aktiv die Ministerin unterwegs ist, trotz aller inhaltlichen Kritik – darüber kann man diskutieren. Sie wissen, wie engagiert sie bei den Themen ist. Sie wissen, wie aktiv sie in den Bundesländern ist. Sie wissen, dass das notwendig ist.

Wir als SJler, Rote Falken, Sie vielleicht als Pfadfinder, haben gelernt: Tue Gutes und rede darüber! – Wir haben hier die Aufgabe, die Dinge auch zu transportieren (Zwischenruf der Abg. Dr. Moser), natürlich auch in Medien, die auch genau jene lesen, die zu den Zielgruppen gehören, die wir ansprechen wollen. Und das sind die Bereiche, die Sie jetzt sehr populistisch aufblasen, diskutieren (Abg. Dr. Walser: Das ist eine Anfragebeantwortung!), um abzulenken, weil Sie ganz genau wissen, dass im Bereich Bildung unglaublich viel geschieht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abge­ordneten der ÖVP.)

Es ist nicht der einzelne große Wurf, da wir diesen aufgrund der Strukturen, die Sie auch kennen, nicht machen können, aber wir setzen ganz entschieden Schritt für Schritt in Richtung einer leistungs- und chancengerechten Schule der Zukunft. Das wissen Sie.


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Sie wissen auch, das Einzige, was Sie noch kritisieren können – da bin ich Ihrer Meinung; ich möchte das auch aus tiefster Überzeugung –, ist das Fehlen einer gemeinsamen Schule, denn ich weiß, wie wichtig es ist, diese Trennung mit neun Jahren nicht vorzunehmen. Es würde für die Zukunft sehr viel erleichtern, auch bildungspolitisch, wenn wir endlich den Experten, den Lehrerinnen und Lehrern an den Pflichtschulen Folge leisten würden. Sie können mir kaum einen Lehrer einer Pflichtschule in ganz Österreich bringen, der sagt, dass die derzeitige Regelung gut ist. Sie ist nicht gut! Und das bedauere ich auch.

Ich weiß auch, dass es eine Mehrheit in diesem Haus für die gemeinsame Schule gäbe. Selbst die Freiheitlichen in Vorarlberg sind ganz entschiedene Verfechter für eine gemeinsame Schule, weil sich dort auch Leute, die sich mit der Pädagogik sehr kritisch auseinandersetzen, dafür einbringen. Aber es ist auch Realität, dass das in dieser Koalition, in dieser Zusammensetzung – das ist nicht Gegenstand des Koa­litions­vertrages – nicht machbar ist. Das wissen Sie. (Zwischenruf des Abg. Petzner.)

Daher tut Claudia Schmied als Bildungsministerin alles, was möglich ist, um genau da, in der Sekundarstufe 1 der 10- bis 14-Jährigen, keine Erstarrung zuzulassen, sodass auch da Bewegung drinnen ist, damit dann, wenn die Zeit reif ist, die gemeinsame Schule umzusetzen – sie wird schneller reif sein, als einige glauben –, die ent­sprechenden organisatorischen Voraussetzungen bereits vorhanden sind.

Wenn man weiß, in welche Richtung es geht, wenn man weiß, wie bemüht wir sind – heute haben wir Kindergarten-Frühpädagogik diskutiert, die Schritte dafür –, kann man doch nicht so handeln wie Sie.

Wir sind dran, die neue Lehrerausbildung auf die Beine zu stellen. Wir haben die neue Matura eingeführt, die Bildungsstandards für die 10- bis 14-Jährigen. All das sind Dinge, die Sie befürworten, für die Sie sind. Diese Schritte ziehen sich wie ein roter Faden durch eine moderne Bildungspolitik. Und dann versuchen Sie, die Bildungs­politik durch solche Anfragen betreffend einen Flug, den man nach Vorarlberg macht, oder ein Inserat, das man in der „Kronen Zeitung“ oder in „ÖSTERREICH“ schaltet, schlecht­zumachen, versuchen Sie, daran ein Scheitern der Bildungspolitik festzu­machen! (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Das ist nicht Ihr Niveau, Herr Kollege Walser! Sie sind doch viel stärker. (Abg. Dr. Walser: Das habe ich auch nicht so gemacht!) Sie haben es gar nicht notwendig, hier auf so billige populistische Art Propaganda zu machen!

Ich sage auch nicht hier: Kollege Walser, Sie waren jahrelang Direktor eines Gymnasiums, warum haben Sie keine Schritte für die gemeinsame Schule gesetzt?! Ist Ihre Schule mit einer Neuen Mittelschule gemeinsam aktiv und stellt dieser Pro­fessoren zur Verfügung? – Nein, natürlich nicht! Ich weiß auch, dass Sie das gar nicht tun können (Abg. Dr. Moser: Das ist ja der springende Punkt!), aber das wäre ebenso oberflächlich und populistisch, wie Sie agieren.

Deshalb lade Sie ein: Kehren Sie zurück zu einer sachlichen Politik, die wir im Bildungsbereich dringend notwendig haben! Sie können das. Das wäre wichtig und würde der Sache auch dienen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

15.22


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte. (Abg. Dr. Moser – in Richtung des sich zum Rednerpult bege­benden Abg. Dr. Lopatka –: Die Reformstimme aus der Steiermark!)

 


15.23.05

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anfrage, die wir heute hier be­


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sprechen, hat zwei Bereiche zum Inhalt: einerseits die Inserate, die im Zusammenhang mit der Neuen Mittelschule kritisiert worden sind, und andererseits inhaltliche Fragen.

Zum Inhaltlichen ist klar zu sagen, dass die Bundesregierung, wie es von der Frau Bundesministerin schon angeschnitten wurde, auf einem guten Weg bei der schrittweisen Umstellung aller Hauptschulen in Neue Mittelschulen ist. Aber wir wollen auch Kriterien erfüllen.

Erstes Kriterium: Es muss Rechtssicherheit geben.

Zweites Kriterium: Die Qualität muss stimmen.

Drittes Kriterium: Es sind die Schulpartner einzubinden.

Viertes Kriterium: Es muss natürlich auch finanzierbar sein.

Wenn man das alles gewährleisten will, kann man das nicht von heute auf morgen machen, sondern braucht einen Stufenplan. Diesen gibt es, bis 2016 wird diese Umstellung erfolgen.

Also in der Sache bedarf es keiner Diskussion dieser Anfrage. Die Bundesregierung ist diesbezüglich auf einem guten Weg.

Das Zweite: Der Opposition dürfte entgangen sein, dass die Regierung, was Inserate betrifft, der Auffassung ist, dass wir hier eine neue Regelung brauchen. Das Medien­trans­parenzgesetz ist ja bereits von der Regierung verabschiedet worden. Damit werden wir Kriterien und einen Qualitätsschritt schaffen, der mehr Transparenz bringt und eine Überwachung durch eine unabhängige Behörde. Diese mangelnde Trans­parenz, die – und ich füge hinzu: teilweise natürlich auch zu Recht – in der Vergangen­heit von der Opposition kritisiert worden ist, ist in Zukunft nicht mehr der Fall.

Den Medien wird das auch guttun, weil ihre publizistische Glaubwürdigkeit natürlich steigen wird, wenn da auch nachgewiesen wird, dass eine entsprechende politische Unabhängigkeit gegeben ist und sie nicht abhängig von einem gewissen Inseratenvolumen, das da in gewisse Richtungen fließt, ihre Berichterstattung gestalten.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang schon auch sagen, dass die Regierung das sehr ernst nimmt – weil von der Opposition auch wieder kritisiert worden ist, dass das zu wenig sei. Es wird hier halbjährlich diese Berichte an eine unabhängige Medienbehörde geben. Und wenn dem nicht entsprochen wird von Einrichtungen, die der Rechnungshof prüfen kann – denn alle dem Rechnungshof unterworfenen Rechtsträger sind hiezu verpflichtet –, dann gibt es auch entsprechende Strafen für den Fall, dass diese Meldungen nicht erfolgen – im Wiederholungsfall bis zu 60 000 €. Das werden die Einzelnen dann schon entsprechend spüren.

Das Dritte: Wir alle sollten, wenn wir es mit der Glaubwürdigkeit ernst nehmen, möglichst wenig heucheln, Kollege Walser. (Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.) Wenn hier kritisiert wird, dass im Bildungsbereich etwas inseriert wird, was man eigentlich nicht inserieren muss, sage ich Ihnen Folgendes: Ich darf Ihnen dann ein Inserat Ihrer Kollegin Vassilakou geben (der Redner zeigt dieses) – ich nehme an, man kann sie als Kollegin bezeichnen. So sieht die Zukunft des Lernens aus!

Wenn Sie das anschauen (Abg. Dr. Bartenstein: Das ist aber groß!) und dann ein Inserat von der Frau Bundesministerin dazulegen (der Redner zeigt dieses) – Sie können das von einer unabhängigen Stelle prüfen lassen –, werden Sie feststellen: Es ist hier kein Unterschied gegeben. In beiden Inseraten findet sich ein Foto des jeweiligen Regierungsmitgliedes, damit der Wiedererkennungswert steigt. Hat das Foto der Kollegin Vassilakou einen anderen Stellenwert als das Foto von der Frau


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Ministerin? Ich würde sagen, nein. Oder? (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Abg. Dr. Walser: Die Informationen stimmen, die da drinnen stehen, die anderen stimmen nicht!)

Also sage ich: Lesen Sie die Zukunft des Lernens der 10- bis 14-Jährigen in der gemeinsamen Schule durch, das Hohelied; das Sie hier angestimmt haben, finden Sie hier wieder. (Abg. Dr. Walser: Es geht um den Inhalt, Herr Lopatka!) Ich gebe es Ihnen gerne zum Nachlesen. (Abg. Dr. Walser: Danke, ich habe es gelesen!) Also: bitte nicht heucheln!

Weil die Kollegen von der FPÖ lachen: Auch in Ihre Richtung darf ich sagen: Sie haben ja mittlerweile zum Beispiel auch in Oberösterreich einen Landesrat, und der lacht hier auch aus seinem Inserat (der Redner zeigt dieses) heraus. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Also: Wenn eine Partei in einer Regierung ist, ist sie spätestens dann auch beim Inserieren angekommen. Das wollte ich Ihnen nur sagen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

15.27


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz zu Wort. – Bitte.

 


15.27.45

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Kollege Walser hat eine Inseratenkampagne aufgezeigt, die ungefähr 320 000 € gekostet hat. Er hat dabei einen Zeitraum bis einschließlich 4. Mai abgefragt. Es gab dann bereits am 5. Mai das nächste Inserat um 28 000 € und später noch eines – dafür ist die Antwort auf unsere Anfrage noch nicht hier.

Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Frau Bundesministerin generell geneigt ist, ein Füllhorn über Medien auszuschütten. Ich denke dabei zum Beispiel auch an den Wert einer Veranstaltung, daran, dass der Österreichische Schulpreis 2010 offensichtlich journalistisch nicht gewürdigt wurde, denn man hätte ja Journalisten dazu einladen können, die darüber berichten.

Alle Medien schreiben immer, wie wichtig Bildung ist, aber davon hat es keinen Bericht gegeben. Es hat jedoch drei Inserate dafür gegeben, jeweils am 29. September 2010 geschaltet, in der „Kronen Zeitung“, in „ÖSTERREICH“ und „Heute“, um 130 000 €. Ein Tag in der Zeitungslandschaft „Kronen Zeitung“, „ÖSTERREICH“, „Heute“ kostet zu­sam­men 130 000 €, und das für die Tatsache, dass der Österreichische Schul­preis 2010 verliehen wurde.

Aber nicht nur die Medienlandschaft wird bedient, sondern im Fahrplanzeitraum 2009/2010 haben sogar drei Züge einen neuen Namen bekommen: Ein Zug heißt „Neue Mittelschule“, einer „Politische Bildung“ und einer  „Bildungsmessen.at“. Kosten­punkt: 30 000 €.

Und letztlich der große Hammer: Sie erinnern sich sicher noch an die Kampagne über die Änderung der Bundeshymne – große Söhne, große Töchter –, mit allem Drum und Dran, auch mit den entsprechenden Werbeschaltungen: brutto 920 000 €. Also es geht da schon relativ munter zu.

Was Kollege Walser hier eigentlich ansprechen wollte: Er ist so unzufrieden, weil es ihm zu wenig schnell in Richtung der gemeinsamen Schule geht. Und da fragt er dann: Wozu diese Propaganda, wenn das Geld dafür fehlt? – Wissen Sie, Kollege Walser, das ist eben so: Wenn das Produkt nicht gut ist, muss man mehr in die Propaganda stecken. Das ist im Wirtschaftsleben eben so. (Beifall bei der FPÖ.)


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Die Neue Mittelschule ist so ein schlechtes Produkt, darum muss man es mehr bewerben. (Zwischenruf des Abg. Dr. Walser.) Damit Sie sich vorstellen können, was aus der Lehrerwelt an Aussagen zu dem Schulversuch  kommt:

„In der Realität wird auch bei uns differenziert. Das spielt sich so ab, dass wir uns die Klasse öfters nach Leistungsstärke teilen und getrennt unterrichten.“

Oder: „Relativ schnell haben wir uns darauf eingestellt und den Unterricht abschnitts­weise differenziert. Das geht bei Teamteaching nicht schwer, wir haben auch die Räumlichkeiten, um die Klassen spontan bei Bedarf in zwei Gruppen teilen zu können.“

Oder: „Ein Schulleiter eines NMS-Standortes hat folgende Klassenzusammensetzung ‚verordnet‘: alle Schüler mit nur Einsern in die NMS-Vorzeigeklasse, alle anderen in andere Klassen. Damit will er zeigen, dass die NMS AHS-Niveau hat.“

Oder: „Die Stärkeren bleiben auf der ... (Zwischenruf des Abg. Rädler.Kollege Rädler! Si tacuisses! (Beifall bei der FPÖ.) „,Von oben‘ wurde gesagt, wir sollen schauen, dass mind. 2/3 die NMS schaffen.“

Oder: „Ich wurde darüber informiert, dass eine NMS schulintern beschlossen hat, in den NMS-Klassen nur Noten von 1 bis 3 zu vergeben!!“

Oder: „Sie lügen sich, was das Niveau des Unterrichts betrifft, permanent in ihre eigene Tasche.“

Oder: „Die guten SchülerInnen langweilen sich im Unterricht und werden zu wenig gefördert.“

Das geht seitenweise aus diesen Erfahrungsberichten hervor. (Abg. Rädler: Dann schauen Sie sich die Praxis an!)

Das ist aus der Praxis! Ich komme zu Ihnen auf Besuch, das ist ja, Gott sei Dank, in Niederösterreich, nicht so weit weg. Dann werde ich nämlich die Leute fragen können, wie man eigentlich so jemanden wie Sie zum Bürgermeister wählen kann. Das wird eine ganz interessante Diskussion vor Ort werden. (Beifall bei der FPÖ. Zwischenrufe der Abgeordneten Wöginger und Petzner.)

Oder ein Zitat des Bildungswissenschaftlers in Österreich: „PISA würde in Deutschland als Argument für das differenzierte Schulwesen genommen, in Norwegen – wo es bereits die Gesamtschule gibt – werde nach der PISA-Studie eine Rückkehr zur Vielfalt diskutiert.“

Oder, von mir sehr geschätzt und von der SPÖ immer gerne eingeladen, der Philosoph Konrad Paul Liessmann:

„Eine gemeinsame Schule mit demotivierten Lehrern wird eine katastrophal schlechte Schule sein.“

Zitate über Zitate, aus der Praxis heraus. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie der Abgeordneten Rädler und Petzner.)

Kollege Rädler, Sie dürfen nur deswegen den Mund so aufmachen, weil Sie ja wahrscheinlich das Pröll-Modell für sich zu verteidigen und zu vertreten haben – was ja überhaupt der größte Topfen ist. Das ist von Leuten gemacht worden, die aus Prinzip nur eine andere Lösung wollen, aber von Bildungspolitik nicht die geringste Ahnung haben. Kollege Rädler, Sie reihen sich da ein! (Beifall bei der FPÖ. Ruf bei der ÖVP: Spezialist!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 145

15.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Brosz. – Bitte.

 


15.32.22

Abgeordneter Dieter Brosz, MSc (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Herr Kollege Mayer und auch Frau Bundesministerin! (Zwischenrufe beim BZÖ. Abg. Petzner zeigt das schon angesprochene Inserat von Maria Vassilakou.) Die Form der Antwort hat auch mich heute überrascht, aber vielleicht kann man das auch sachlich austragen. Es gehört zu den Aufgaben von Abgeordneten, zu wissen, wo eine seriöse Diskussion beginnt, wo sie endet und wo man sich auch Kritik gefallen lassen muss.

Zunächst: Kollege Walser hat eine Sammelanfrage an alle Ministerien gemacht, nachdem Informationen bei uns eingelangt sind, dass es Minister und Ministerinnen geben soll, die ihre Reisetätigkeit so gestalten, dass sie Flugreisen innerhalb von Österreich unternehmen, der Dienstwagen zum Flughafen hinfährt, den Minister/die Ministerin hinbringt, Minister oder Ministerin fliegt und der Dienstwagen alleine nach­fährt, sozusagen allein reisende Dienstwagen, die auf den Ort der Ankunft hin aus­gerichtet sind. (Zwischenruf des Abg. Petzner.)

So, der Chauffeur fährt hoffentlich meistens mit, denn sonst könnte es Probleme geben. Diese Fälle sind ja nicht nur in Österreich thematisiert worden, sondern auch in anderen Ländern. Natürlich stellt sich die Frage, ob es nicht eine vernünftigere – verkehrspolitisch, umweltpolitisch, kostenmäßig – Alternative gibt, wenn man beispiels­weise von Wien nach Vorarlberg fliegt, als den leeren Dienstwagen hinterherzu­schicken.

Jetzt kann es ja auch durchaus einmal den Fall geben, wie Sie es geschrieben oder betont haben, dass es dann weitere Folgetermine gibt, wo sich das dann vielleicht nicht anders machen lässt. Frau Ministerin, nur muss ich Ihnen dann schon sagen, da liegt die Verantwortung bei der Beantwortung selbst. Wenn dort in einer Zeile erwähnt wird, wie viele Kilometer es sind, und kein einziger Hinweis darauf gegeben wird, welche Termine wahrzunehmen waren, wo es notwendig war, wo es vielleicht nicht notwendig war, dann muss man schon ernsthaft sagen ... (Abg. Amon: Das gibt’s ja nicht! Wo sind wir denn?) – „Das gibt es nicht? Wo sind wir denn?“ Das ist interessant, also offenbar ist es außerhalb jeder Kritik, dass Minister ihre Dienstwagen in Österreich herumfahren lassen können, das gehört zur Praxis dazu.

Wenn man nachfragt, ob das vernünftig eingesetzt ist oder nicht, im Sinne von Kosteneffizienz  (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Amon. Wo sind wir denn? Entschuldigung?! Also halten wir fest: Die Bundesregierung hält es offenbar für irrelevant, wie die Dienstreisen gemacht werden. Wahrscheinlich darf man auch nicht nachfragen, ob man erster Klasse fliegt. Das ist alles Thema in anderen Ländern gewesen. Ich weiß nicht, da reden wir heute über Transparenz, und dann gibt es ein Problem, wenn man da nachfragt. Also ein bisschen eine Form in der Beantwortung können wir schon annehmen. (Zwischenrufe bei der SPÖ sowie des Abg. Amon.)

Dann gehen wir einmal auf den Rechnungshof ein. Kennen Sie die Kriterien des Rechnungshofrs für Regierungsinserate? Sind Ihnen die bewusst? Eine klare Trennung von Werbung und Berichterstattung? (Zwischenrufe des Abg. Mayer.)

Frau Ministerin, da gibt es Inserate in „ÖSTERREICH“, da steht unten ganz klein, ich glaube in einer Zehnpunktschrift, drauf: Werbung. Ansonsten ist das gestaltet wie ein redaktioneller Beitrag. Das ist ja geradezu ein Klassiker der Rechnungshof-Debatte, dass das eine Form von Einschaltung ist, die nicht stattfinden sollte. Nämlich in der Form, dass man nicht klar weiß, ob das eine Werbung oder ein redaktioneller Beitrag ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Lopatka, der neuerlich ein Inserat von Maria Vassilakou zeigt.)

Es gibt darunter auch Inserate, da finde ich auch nach mehrmaligem und genauem Suchen nicht einmal den Hinweis – ich spreche jetzt explizit vom „Bezirksblatt“, viel­


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leicht kann man das noch klarstellen –, dass diese Einschaltung eine Werbung ist. Es steht nicht drauf, es ist kein Hinweis dabei, dass das eine Werbung ist. Das ist wahrscheinlich auch Okay. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amon und Mayer.)

Das ist eine Form der Einschaltungspolitik, die auf jeden Fall vom Rechnungshof massiv kritisiert worden ist und so nicht stattfinden sollte. In jeder Form der Definition von Qualitätsmedien ist das ganz klar, dass auch Medien und Inserate ... (Neuerliche Zwischenrufe des Abg. Amon.) – Das finde ich ja bemerkenswert, der Kollege Amon fühlt sich auch zum Verteidiger aufgerufen. Das ist offensichtlich auch eine Form der Transparenz.

Wir reden von einem Transparenzgesetz, wo die Kosten aufgelegt werden sollen, aber die Leute, die es lesen, wissen nicht, ob es eine Einschaltung oder ein redaktioneller Beitrag ist. Und da finden Sie überhaupt nichts dabei?!  Wissen Sie, das ist die Form von Auseinandersetzung, die man dann führen kann. Kritisieren Sie uns auch dafür, es ist ja legitim zu sagen, Sie haben die Grenzen überschritten, aber wenn Sie nicht einmal ansatzweise finden, dass das problematisch ist  wo es zig Rechnungs­hofberichte gibt, dass diese Form von Werbungspolitik nicht gemacht werden sollte –, dann weiß ich nicht, was man ernsthaft diskutieren kann. Das ist aus meiner Sicht ein No-Go.

Wir können darüber diskutieren, welche Größenordnung man auf Inserate verwendet  legitim. Wo ist es notwendig? Wo ist es eine Form von Aufklärung? Das können wir alles machen. Aber dann muss klar sein, dass das Werbung und Inserate sind, und dass eine Bildungsministerin insbesondere darauf Wert legt, dass das auch sauber gemacht wird, auf dieses Minimum, finde ich, sollte man sich verständigen können. (Zwischenruf bei der SPÖ.)

Das ist das billigste Argument, dann immer den Inhalt zu betonen. Alles andere unter den Teppich kehren am besten, also ja nicht darüber reden, drunter kehren. Manche sagen dann Freunderlwirtschaft dazu, die soll dann in einer normalen Form, weil es eh auch sonst Kontakt gibt, nie stattfinden. Nein, das gehört auf den Tisch! Man muss sich, wenn Grenzen überschritten worden sind  aus meiner Sicht sind diese bei der Form der Inseratenschaltung überschritten worden , als Ministerin, auch in Österreich und im österreichischen Parlament, diese Diskussion gefallen lassen. (Beifall bei den Grünen.)

15.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


15.37.34

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Also die Grünen sollen anderen Parteien bitte nie mehr Populismus vorwerfen, denn wenn diese Redebeiträge des Kollegen Walser und des Kollegen Brosz nicht Populismus in Reinkultur waren, dann frage ich: was dann? (Abg. Dr. Moser: Dann haben Sie aber nicht zugehört!) Mit Ihrer Diskussion über irgendwelche Dienstautos – das Dienstauto der Frau Ministerin ist mir so was von egal, sage ich Ihnen, denn mit einer Dienstauto-Diskussion löst man kein einziges Bildungsproblem in Österreich, ist keinem Schüler geholfen, ist keine Reform geschafft; überhaupt nichts! (Beifall bei BZÖ und ÖVP. Abg. Dr. Walser: Hat keiner behauptet! Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Vor allem interessiert mich das deswegen überhaupt nicht, weil gerade Sie vor Ihrer eigenen Tür kehren sollten, denn – ich habe das jetzt wirklich vom Herrn Abgeordneten Lopatka ausborgen müssen (der Redner zeigt das Inserat von Maria Vassilakou) – all das, was Sie an der Frau Bundesministerin kritisieren, mit irgendwelchen Hinweisen,


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die nicht richtig sind, machen Sie, die Frau Vassilakou in Wien, bis zum Exzess. Sie inserieren: Wien baut für Sie! Großbaustellen 2011. Das ist auch ein bisschen ironisch, dass es gerade die Grünen als Umweltpartei notwendig haben, Großbaustellen zu bewerben. Aber das ist auch Ihr Problem und nicht meines. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Das Gleiche muss ich auch in Richtung des Kollegen Rosenkranz sagen: Der Herr Rosenkranz stellt sich heraus und sagt: Wenn das Produkt nicht gut ist, muss man umso mehr Propaganda machen!

Wenn ich mir die aktuelle Werbekampagne des Herrn Strache anschaue, der ganz Österreich zuplakatiert, dann kann ich nur sagen: Sie haben das schlechteste Produkt aller Parteien hier im Hohen Haus! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP. Zwischenrufe der Abg. Dr. Moser.)

Also erzählen Sie uns nichts von irgendwelchen Werbekosten. Die höchsten Kosten auf des Steuerzahlers Rechnung, was Parteiwerbung betrifft, hat eindeutig die FPÖ. (Ruf bei der FPÖ: Der Neid ist ein Hund!)

Noch einmal: Mit dieser Dienstwagen-Diskussion oder Inseraten-Diskussion ist in der Bildungspolitik kein Schritt nach vorn gemacht. Richtig ist die Kritik oder die Sorge, dass das einzig gute Modell der Neuen Mittelschule so eine Art Etikettenschwindel bleibt. Ich hoffe und wünsche mir, dass das, was die Neue Mittelschule inhaltlich sein soll  das ist ja, was wir uns alle wünschen , am Ende des Tages, die Frist ist auch genannt worden, dann auch tatsächlich so sein wird.

Aber auch da gilt ein Satz, den ich schon sagen muss: Das Problem des Stillstandes oder der Blockade in der Bildungspolitik sitzt nicht in der Muthgasse bei der „Kronen Zeitung“, sondern in der Lichtenfelsgasse – wenn Sie verstehen, was ich meine. Kol­lege Mayer von der SPÖ hat das ja auch angeschnitten, indem er ganz offen gesagt hat, dass Sie sich in einer Koalition befinden. (Zwischenrufe bei ÖVP und FPÖ.)

Der eine Teil versucht, aufs Gaspedal zu steigen und der andere, aus welchen Gründen auch immer, steht ein bisschen auf der Bremse. Das ist das eigentliche Problem. Aber Sie haben ja auch angekündigt, dass Sie glauben, dass die Zeit bald reif ist – was immer das heißen wird –, das zu beenden, in welche Richtung auch immer, und dass auch in der Bildungspolitik mehr Gas gegeben wird. (Ruf bei der FPÖ: Bitte nicht mehr Gas!)

Ein Schlusssatz noch: Wir können ja auch diese ganzen Inseratenbestimmungen diskutieren. Es ist genannt worden, es liegt eine eigene Regierungsvorlage für den Bereich Medientransparenz auf dem Tisch. Da kann man sich einbringen, da kann sich dann auch der Herr Kollege Brosz einbringen, er ist ja auch Mediensprecher. Nur muss er eines bedenken: Alles, was er hier fordert, gilt dann auch für einen Herrn Anschober in Oberösterreich und auch für eine Frau Vassilakou in Wien – und dann werden solche Inserate in Zukunft auch für die Grünen nicht mehr möglich sein, meine Damen und Herren. (Zwischenrufe bei FPÖ und ÖVP.)

Herr Rosenkranz, seien Sie nicht so aufgeregt! (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosen­kranz.) Ihr Zitat spricht für sich, schauen Sie raus auf die Straße, schauen Sie sich Ihre Plakate an, Ihre City-Lights, die Sie flächendeckend platziert haben! Auch da wäre einmal die Frage gerechtfertigt, wie Sie das eigentlich finanzieren. (Ruf bei der FPÖ: Das ist bitte unser Problem!) Aber da sind wir wieder bei einem anderen Thema, nämlich beim Parteienfinanzierungsgesetz, und auch da bin ich auf die Haltung der FPÖ sehr gespannt, denn wenn da jemand etwas zu verschleiern hat, dann sind das


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Sie! (Beifall und Oh-Rufe beim BZÖ. Rufe bei SPÖ und ÖVP: Hört hört! Insider­wissen!)

15.42

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

15.42.18 Fortsetzung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich nehme die Verhandlungen über die Punkte 6 bis 8 der Tagesordnung wieder auf.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Lipitsch. – Bitte.

 


15.42.28

Abgeordneter Hermann Lipitsch (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Wir kehren zurück zum Thema Familie, und es sei mir erlaubt, Frau Abgeordnete Kitzmüller, noch einmal zu wiederholen, was ich im Ausschuss schon gesagt habe: Dem Antrag, den Sie heute wieder beworben haben, können wir nicht zustimmen, denn das wäre eine wesentliche Verschlechterung.

So, wie sich Ihr Antrag liest, wie er sich darstellt, würde das bedeuten, dass ab einem Einkommen von 9 000 € Studierende die halbe Kinderbeihilfe bekommen würden, und wenn sie über 12 000 € Bruttoeinkommen haben, würden sie keine Kinderbeihilfe mehr bekommen beziehungsweise diese zurückzahlen müssen. Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti hat Ihnen ja vorgerechnet, dass man im bestehenden Rechtsmodell über 13 000 € dazuverdienen kann, ohne die Kinderbeihilfe zu verlieren. Ich glaube, wir sollten bei dem Modell bleiben, denn es ist für die Studierenden das wesentlich bessere, und wir wollen es ihnen ja nicht verschlechtern.

Ich möchte Kollegin Musiol zustimmen. Sie hat gesagt, am meisten sei den Familien geholfen, wenn Möglichkeiten geschaffen werden, dass Studierende so schnell wie möglich ihr Studium abschließen können und die Familien nicht mehr belastet sind. Ich glaube, das ist auch unser Weg, denn ich möchte nur auf das Budgetbegleit­gesetz 2011 hinweisen, wo für 2011 und die darauffolgenden Jahre einige hundert Millionen € für die Unis zur Verfügung gestellt werden, um die Qualität der Ausbildung, aber auch die Ausbildungsplätze zu verbessern.

Wir müssen die Grundlagen dafür schaffen, dass junge Menschen so schnell wie möglich ihren Weg zum Studienabschluss gehen können. Es gibt aber natürlich auch einige Punkte, die wirklich noch zu verbessern sind. Da wäre anzumerken, dass wir ermöglichen, dass die Kinderbeihilfe von den Studierenden selbst bezogen werden kann, die natürlich für ihren Unterhalt aufkommen müssen. Aber auch bei den Jobs – wir haben das heute ja schon gehört, die meisten verdienen um die 300, 400 € dazu, da geht es meistens um Geringfügigkeit – sollte eine soziale Absicherung gewährleistet werden.

Auch im Bereich Stipendien müssen wir sozial gerechter werden. Es darf nicht sein, dass ein Stipendium davon abhängt, ob eine Steuererklärung von jedem Einzelnen selbst gestaltet werden kann oder ob ich Lohnbezieher bin und da keine Möglichkeit habe, eine Gestaltung vorzunehmen.

Ich glaube, wir sollten nicht den Druck auf die Studierenden erhöhen, indem wir sagen, wir erhöhen diese Grenzen und sie sollen mehr arbeiten, um ihr Studium abzuschließen, sondern wir müssen die Möglichkeiten schaffen, dass die Universitäten Absolventen hervorbringen, die eine hohe Qualität haben und schnell fertig sind. Dann werden die Familien auch frühzeitig entlastet und wir werden gute Menschen oder, sage ich,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 149

qualitativ hochwertige Menschen in unserem System haben. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Prinz.)

15.45


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Schenk zu Wort. – Bitte.

 


15.45.46

Abgeordnete Martina Schenk (BZÖ): Frau Präsidentin! Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beziehe mich in meinem Redebeitrag auf unseren Antrag zum Mutter-Kind-Pass, also diesen in einen Eltern-Jugend-Pass zu ändern. Dieser Antrag ist vom Inhalt her sehr wichtig, das haben die Vorrednerinnen und Vorredner heute auch schon erwähnt. Die derzeitige Form des Mutter-Kind-Passes entspricht nicht mehr den Anforderungen, wir müssen da eine Änderung vornehmen.

Es kommt immer öfter zu Entwicklungsstörungen bei Kindern und bei Jugendlichen: in der Motorik, in der Sprache, in der Wahrnehmung. Vernachlässigung und psychische Störungen resultieren daraus, dass Eltern überfordert sind und den Kindern nicht mehr die benötigte Aufmerksamkeit schenken können. Wir haben jetzt in unserem Antrag einen Forderungskatalog angeführt, der auch evident und bekannt ist. Zum Beispiel fordern wir die jährliche Untersuchung bis zum Ende der Schulpflicht – das ist ein sehr wichtiger Punkt – und daraus resultierend dann, wenn Auffälligkeiten festgestellt wer­den, kostenlose Therapien.

Weiters wollen wir auch die Auszahlung der Familienbeihilfe an die im Pass vor­geschriebenen Untersuchungen knüpfen. Das wurde von den Grünen zwar kritisiert, wir halten diese Maßnahme, diese Forderung aber für wichtig und unabdingbar und rücken davon auch nicht ab. (Beifall beim BZÖ.)

Herr Minister, Sie haben sich heute und auch im Ausschuss zu unserem Antrag geäußert und ihn quasi damit abgetan, dass der FLAF dadurch zusätzlich belastet werden würde. Wir sehen das nicht so. Meine Kollegin Haubner hat ja unser Sanierungspaket zum FLAF schon in ihrem vorherigen Redebeitrag noch einmal ausführlich erklärt. Das Sanierungspaket liegt auch im Ausschuss, sollte dort auch behandelt werden, ist aber leider vertagt worden.

Wenn ich mir die Aussagen von Ihrem Herrn Staatssekretär Kurz von gestern in Erinnerung rufe, wo er das 20-Punkte-Programm vorgestellt hat, ist eine Forderung die verpflichtende Vorsorgeuntersuchung in der Pflichtschule. Darum verstehe ich auch Ihre Ablehnung nicht, denn das ist auch eine Forderung, die wir aufstellen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte aber noch kurz auf die Historie dieses Antrages eingehen. Wir haben diesen Antrag ja bereits in abgeänderter Form im Sommer 2010 eingebracht. Dieser Antrag wurde hin und her geschickt, vom Gesundheitsausschuss in den Familien­ausschuss, vom Familienausschuss in den Gesundheitsausschuss, wieder zurück in den Familienausschuss. Wir haben am 21. Juni diesen Antrag noch einmal im Fami­lienausschuss gestellt.

Was ist dort passiert? – Er wurde wieder abgelehnt, weil der Familienausschuss nicht das zuständige Gremium sei, sondern der Gesundheitsausschuss, meine sehr geehrten Damen und Herren. Also ich komme mir vor wie beim lustigen Anträge-hin-und-her-Schicken. Das kann doch nicht Sinn und Zweck der Sache sein. Da geht es um die Sache, und da geht es um eine wichtige Sache, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ.)

Frau Kollegin Binder-Maier hat sich im Ausschuss auch nicht zum Inhalt geäußert, sondern hat lediglich darauf hingewiesen, dass zunächst einmal das Mutter-Kind-Pass-


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Gesetz geändert werden müsse, damit man sich vielleicht dann einmal inhaltlich mit unserem Antrag auseinandersetzen und dem vielleicht nähertreten könnte. Uns geht es ja, wie gesagt, um die Sache, wir stellen die Polemik hintenan und treten für die Sache ein.

Deshalb bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Martina Schenk und Kollegen betreffend Änderung des Mutter-Kind-Pass-Gesetzes

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, das Mutter-Kind-Pass-Gesetz dahin gehend zu ändern, dass es möglich ist, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf vorzulegen, der – neben den medizinischen Untersuchungen – die Aufnahme von weiteren Aspekten oder Bereichen der Entwicklung, wie zum Beispiel Vernachlässigung, Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten, als Parameter in den Mutter-Kind-Pass vorsieht.“

*****

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mir nicht vorstellen – zumal ja von Ihnen die Anregung gekommen ist, hier eine Gesetzesänderung durchzuführen –, dass Sie diesem unserem Antrag nicht zustimmen. – Danke. (Beifall beim BZÖ.)

15.50


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Ursula Haubner, Martina Schenk und Kollegen betreffend Änderung des Mutter-Kind-Pass Gesetzes

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Familienausschusses über den Antrag 1606/AE der Abgeordneten Ursula Haubner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zum Eltern-Jugend-Pass (1273 d.B.)

Der Antrag 1149/A(E) der Abgeordneten Ursula Haubner betreffend „Weiterent­wicklung des Mutter-Kind-Passes zum Mutter-Kind-Jugend-Pass“ wurde im Gesund­heitsausschuss im Sommer 2010 abgelehnt. Der Familienausschuss wiederum hat einen gleichlautenden Antrag mit der Zahl 1150/A(E) wiederum dem Gesundheits­ausschuss zugewiesen, wobei dieser den Antrag im Herbst 2010 mit der Begründung abgelehnt hat, dass hier eindeutig der Familienausschuss zuständig sei.

NAbg. Ursula Haubner hat daraufhin in der Sitzung des Gesundheitsausschusses am 24. März 2011 den „Antrag auf Einsetzung eines Unterausschusses für Kinder- und Jugendgesundheit gestellt“, um hier sämtliche kinderrelevanten Themen ausführlicher behandeln zu können, der aber ebenfalls abgelehnt wurde.

Im Familienausschuss am 21. Juni 2011 wurde der – ermutigt von den im Gesund­heitsausschuss getätigten Aussagen – wieder eingebrachte Antrag der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend „Weiterentwicklung des Mutter-Kind-


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 151

Passes zum Eltern-Jugend-Pass (1606/A(E))“ seitens der Abgeordneten Binder-Maier wiederum mit der Begründung abgelehnt, dass der Familienausschuss nicht das zuständige Gremium sei sondern der Gesundheitsausschuss.

Da gegen die Anträge von beiden Regierungsfraktionen in keinem Fall fachliche Bedenken vorgebracht wurden, gehen die Antragsteller jetzt davon aus, dass die einzige Möglichkeit zur Umsetzung der berechtigten Forderungen, den Mutter-Kind-Pass zum Wohle der physischen und psychischen Gesundheit unserer Kinder weiter­zuentwickeln, in der Aufteilung in Einzelmaßnahmen besteht.

Hier wiederum wurde der Antragstellerin von Seiten der ÖVP und SPÖ signalisiert, dass dieses nur möglich sei, wenn das Mutter-Kind-Pass-Gesetz zuvor entsprechend geändert werde.

Aus diesem Grund stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, das Mutter-Kind-Pass-Gesetz dahingehend zu ändern, dass es möglich ist dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen der - neben den medizinischen Untersuchungen - die Aufnahme von weiteren Aspekten oder Bereichen der Entwicklung, wie z.B. Vernachlässigung, Störungen oder Verhaltensauffälligkeiten, als Parameter in den Mutter-Kind-Pass vorsieht.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Aubauer. – Bitte.

15.50.42

Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Schön, dass wir über Familie reden! Das ist uns ein wichtiges Anliegen. Wer für den anderen Verantwortung übernimmt, wer für den anderen sorgt, der ist für mich Familie. Wenn Pflegeeltern für Pflegekinder Verantwortung übernehmen, dann verdienen sie unseren Respekt (Beifall der Abg. Schittenhelm), und sie verdienen bestmögliche Rahmenbedingungen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Um diese aber zu schaffen, werte Kolleginnen und Kollegen, brauchen wir Fakten. In den einzelnen Bundesländern sind die Pflegeeltern unterschiedlich abgesichert, und zwar:

In Oberösterreich können Pflegemamas und –papas in einem Verein angestellt werden. Damit sind sie ASVG-versichert. Erforderlich sind eine Eignungsprüfung und ein Elternseminar. – Oder, anderes Beispiel: Niederösterreich bietet finanzielle Ab­sicherung durch einen Pflegebeitrag an, auch eine pensionsversicherungsrechtliche Absicherung, plus Seminare. – Wir könnten jetzt alle Bundesländer durchgehen. Jedes Bundesland lebt andere Regelungen.

Daher haben wir im Sozialausschuss bereits an den Wirtschaftsminister einen Antrag gestellt, in dem der Herr Minister ersucht wird, die Situation von Pflegeeltern in den einzelnen Ländern durch eine Studie zu erheben. Das ist wichtig, diese Fakten brauchen wir. Und auf Basis dieser Daten werden wir dann entscheiden, ob und inwieweit es Sinn macht, bundeseinheitliche Regelungen einzuführen.


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Das Thema wird seriös behandelt, im Interesse der Familien. Und – ich glaube, da können Sie mir alle zustimmen – in einer derart komplizierten und so globalisierten Welt wird Familie immer wichtiger. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.52


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mühlberghuber zu Wort. – Bitte.

 


15.52.49

Abgeordnete Edith Mühlberghuber (FPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Zum Thema Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes – das BZÖ hat dazu jetzt einen neuen Antrag eingebracht –:

Der Mutter-Kind-Pass wurde 1974 eingeführt, und in der derzeitigen Form wird er den Anforderungen nicht mehr gerecht. Es wird auch immer wieder behauptet, dass in Österreich das Gesundheitswesen sehr, sehr gut ist; für den Bereich Kinder und Jugendliche ist das allerdings nicht der Fall.

Laut dem Kinder- und Jugendbericht 2010 leiden 20 Prozent der Kinder und Jugend­lichen an Übergewicht oder Essstörungen, 17,5 Prozent haben chronische Krankhei­ten, 20 bis 25 Prozent sind verhaltensauffällig und kämpfen mit psychosozialen Problemen. Österreichs Jugendliche sind mit 25 Prozent außerdem am häufigsten von allen Kindern europaweit mit Gewalt konfrontiert. Kinder und Jugendliche sind auch immer öfter von Entwicklungsstörungen – in Bezug auf die Motorik, die Sprache oder die Wahrnehmung – betroffen.

Traurigerweise finden die meisten Fälle von Kindesmisshandlungen in der eigenen Familie statt. Durch die Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes, wie es im Antrag gefordert wird, besteht die Möglichkeit, dass die ersten Anzeichen rechtzeitig aufge­deckt und weitere Misshandlungen verhindert werden.

Wir sind für den Ausbau des Mutter-Kind-Passes bis zum Ende der Schulpflicht und auch für eine jährliche Untersuchung. Und wir sind auch dafür, dass der Bezug der Familienbeihilfe an die Durchführung dieser jährlichen Untersuchung geknüpft und gekoppelt wird.

Auch Experten, wie zum Beispiel in den „Oberösterreichischen Nachrichten“ nach­zulesen, sehen die Jugendgesundheit in Österreich stark vernachlässigt. Auch die ÖVP fordert mehr Aktivität für Jugendgesundheit. Auch die Wiener Jugendanwälte vertreten die Meinung, die mangelnde Gesundheitsvorsorge für Kinder sei beschä­mend für unseren Sozialstaat.

Im Ausschuss sind ja von meiner Kollegin schon einige solche Anträge eingebracht worden. Sie werden jedoch immer wieder abgelehnt oder vertagt, mit der Ausrede – wie auch schon Frau Kollegin Schenk erwähnt hat –, dass eben das Mutter-Kind-Pass-Gesetz geändert werden muss.

Jetzt liegt ein neuer Antrag des BZÖ vor, und wir werden sehen, wie sich die Regierungsparteien bei der Abstimmung verhalten werden. Vielleicht ist es ihnen jetzt, mit einem neuen Antrag, möglich, diesem Anliegen zuzustimmen. – Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

15.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Schönpass. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 153

15.56.07

Abgeordnete Rosemarie Schönpass (SPÖ): Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Österreich hat hohe Familienleistungen, und darüber können wir uns freuen. Natürlich kann man immer sagen, es ist zu wenig. Das BZÖ fordert daher in seinem Antrag ein Bundesrahmengesetz zur Umsetzung bun­deseinheitlicher Regelungen zur Verbesserung der arbeits- und sozialrechtlichen Absicherung von Pflegeeltern.

Dies ist begrüßenswert, denn Pflegeeltern leisten wertvolle Erziehungsarbeit für Kinder, die aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihrer Ursprungsfamilie aufwachsen können. Für die Grundsatzgesetzgebung ist zwar der Bund zuständig, für die Ausfüh­rung und Vollziehung und damit auch die Gestaltung der Pflegeverträge sind jedoch die Länder zuständig.

In den Bundesländern wurden unterschiedliche Modelle zur sozialversicherungs­rechtlichen Absicherung von Pflegeeltern entwickelt, und die Länder sind auch oft sehr dominant. Das Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend hat Verhand­lungen zur Vereinheitlichung der Auszahlungsmodelle angeregt, jedoch konnte aus finanziellen Gründen kein Konsens gefunden werden.

Ein gleichlautender Antrag des BZÖ wurde bereits am 8. Juni eingebracht und am 16. Juni im Nationalrat abgelehnt.

In diesem Zusammenhang wurde von unserer SPÖ-Familiensprecherin Gabi Binder-Maier unter anderem ein Fünf-Parteien-Entschließungsantrag eingebracht, der den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend auffordert, die rechtliche und soziale Situation von Pflegefamilien in den einzelnen Bundesländern, insbesondere im Hinblick auf die gestiegene Anzahl von länderübergreifenden Sachverhalten und auf die besondere Situation von Pflegeeltern beispielsweise von behinderten Kindern, durch eine Studie zu erheben und den Nationalrat über die Ergebnisse zu informieren.

Bezüglich des Antrages des BZÖ betreffend Weiterentwicklung des Mutter-Kind-Passes zu einem Eltern-Jugend-Pass ist zu bemerken, dass die vorgeschlagenen Eckpunkte unserer Ansicht nach sehr vage sind, etwa die Forderung nach einem Katalog, welche Fähigkeiten bis zu einem bestimmten Alter notwendig wären, beziehungsweise was unter Auffälligkeiten zu verstehen ist.

Der Mutter-Kind-Pass wird derzeit überarbeitet, und es wird nach Lösungen gesucht. Es erscheint uns daher sinnvoll, die Ergebnisse abzuwarten. Deshalb lehnen wir beide Anträge ab. Den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner konnte ich leider aufgrund der Kürze der Zeit noch nicht durchlesen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


15.59.31

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! ÖVP- und SPÖ-Vertreter und –Vertreterinnen können ja hier am Rednerpult ständig versuchen, das Budgetbegleitgesetz 2011 noch so sehr schönzureden, es wird ihnen nicht gelingen. Mir kommt immer wieder vor, dass gerade in der Brust des Ministers Mitterlehner mehrere Seelen wohnen müssen, nämlich auf der einen Seite seine Seele als Wirtschaftsminister, auf der anderen Seite seine Seele als Familienminister und auf der dritten Seite auch noch – wenn es diese geben sollte – seine Seele als Jugendminister. (Abg. Neubauer: Und Oberösterreicher!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 154

Ober­österreicher – das ist vergessen worden. Danke vielmals! Und Energie ist auch vergessen worden. Fünf Seelen haben wir dann schon!

Wenn vom Wirtschaftsminister bestimmte Dinge, bestimmte Gesetzesbeschlüsse als gut erachtet werden, dann kann er sie als Jugendminister, also dann kann die Seele in der Brust des Ministers im Zuge der Jugenddebatte sie ganz einfach nicht gutheißen. Das geht nicht! Die Familienbeihilfe und deren restriktive Regelungen und Kürzungen im Budgetbegleitgesetz 2011 sind dafür das beste Beispiel.

Die Beschlüsse über Kürzungen der Familienbeihilfe, das waren keine Sternstunden. Es waren keine, und das weiß der Minister auch. Jedes Mal, wenn vor allem die Grünen darauf hinweisen, verdreht der Herr Minister immer gerne die Augen. Die Frage ist: Verdreht er die Augen als Wirtschaftsminister oder als Jugendminister? – Wenn er sie nämlich als Jugendminister verdreht, dann würde ich von ihm erwarten, es auch wieder in die richtige Richtung biegen zu können.

Kollegin Fürntrath-Moretti hat es zuerst angesprochen, und ich möchte auch noch einmal wiederholen: 61 Prozent der Studierenden müssen 20 Stunden pro Woche arbeiten! Wenn die Familienbeihilfe nun gekürzt wird – und das wurde sie mit 1. Juli 2011 –, dann bedeutet das, dass das Geld, das dann nicht mehr bezogen wird, wieder erarbeitet werden muss; was bedeutet, dass die Studierenden wahrscheinlich noch mehr arbeiten müssen, um ihr Studium wirklich vollenden zu können und um auf das monatliche Budget von 820 € zu kommen.

Das ist nicht geregelt, das steht völlig im Raum, wie das passieren soll, neben der Diskussion über Bachelor-Studienabschlüsse und deren Anerkennung oder Nicht-Anerkennung und wie das irgendwie im Berufsleben weitergeht. – Das ist das eine.

Das andere ist, dass die Familienbeihilfe bis dato noch immer nicht direkt ausbezahlt wird. Es hat 2008 eine Entschließung gegeben – der Antrag wurde damals von den Kolleginnen Rudas und Fuhrmann eingebracht – zur direkten Auszahlung, und zwar war das noch in der letzten Gesetzgebungsperiode im Mai.

Es wäre jetzt endlich an der Zeit, zumindest die Direktauszahlung hier voranzutreiben. Die Entschließungen liegen vor. Die Möglichkeiten gibt es. Es braucht hier endlich gesetzliche Rahmenbedingungen.

Das Ökostromgesetz, Herr Energieminister – in diesem Fall –, ist jetzt unter Dach und Fach. Ich gehe davon aus, dass Sie jetzt als Jugend- und Familienminister einige Gesetze angehen werden. (Beifall bei den Grünen.)

16.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Obernosterer. – Bitte.

 


16.02.43

Abgeordneter Gabriel Obernosterer (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich beziehe mich auf den Antrag der Abgeordneten Haubner, den FLAF in ein Jugend- und Familienzentrum umzugestalten.

Wie wir wissen, war am 30. und 31. Mai dieses Jahres die Sicherung der Familienleistungen eines der Hauptthemen der Regierungsklausur. Es ist aber auch jedem bewusst, dass wir, wenn wir die Sicherung der Familienleistungen auch in Zukunft gewährleisten wollen, den FLAF evaluieren und natürlich auch sanieren müssen, weil wir mit den Arbeitgeberzahlungen von 4,5 Prozent der Lohnbemes­sungsgrundlage bei Weitem nicht mehr auskommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 155

Zirka 950 Millionen € müssen seit dem Jahr 2008 jährlich zugeführt werden. Im Verwaltungsbereich wird aber, muss man sagen, sehr wirtschaftlich gearbeitet: Von der Gesamtsumme werden nur zirka 0,5 Prozent für die Verwaltung aufgewendet.

Die Regierung beziehungsweise der Herr Minister hat das IHS beauftragt, eine Studie zu erstellen, den FLAF zu analysieren, und dies sollte die Grundlage sein, um Reformvorschläge auszuarbeiten und dann auch umzusetzen.

Deshalb können wir dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

16.04

16.04.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Ein Schlusswort seitens der BerichterstatterInnen wird nicht gewünscht.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 6: Antrag des Familienausschusses, seinen Bericht 1272 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 7: Antrag des Familien­ausschusses, seinen Bericht 1273 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wer dem die Zustimmung gibt, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum mehrheitlich angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Änderung des Mutter-Kind-Pass-Gesetzes.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu die Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist damit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 8: Antrag des Familien­ausschusses, seinen Bericht 1274 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche um ein entsprechendes Zeichen im Falle der Zustimmung. – Dieser Antrag ist mehrheitlich angenommen.

16.05.439. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1209 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichts­gesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden (1265 d.B.)

10. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1253 d.B.): Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau der ganztägigen Schulformen (1266 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen damit zu den Punkten 9 und 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.


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Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Als Erster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser zu Wort. – Bitte.

 


16.06.28

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Lassen Sie mich zuerst ein paar Worte zur Wehleidigkeit sagen, mit der auf die vorige Anfragebesprechung eingegangen worden ist.

Frau Ministerin! Herr Kollege Mayer! Es wird im österreichischen Parlament wohl noch möglich sein, dass man fragt, ob man mit Steuergeld und mit Kosten, die anfallen, so umgeht, wie das für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler akzeptabel ist. Wenn das untergriffig ist, wenn das populistisch ist, dann, bitte, weiß ich nicht, was diese Begriffe bedeuten sollen. Unter Populismus habe ich bislang deutlich etwas anderes ver­standen. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn ich darauf hinweise, dass man mit Inseratenkampagnen falsche Inhalte verbreitet, dass man die Bevölkerung bewusst falsch informiert, wenn ich in einer Frage, die übrigens an alle Ministerinnen und Minister gerichtet war, darauf hinweise, dass man Flüge nach Alpenrhein macht und sich für 20 Kilometer den Chauffeur nachschicken lässt, dann, bitte, ist das die Aufgabe eines Oppositionspolitikers und hat mit Populismus und Untergriffen gar nichts zu tun. Ich würde gerne von Ihnen hören, welcher Ausdruck von mir untergriffig war, denn das Einzige, was ich dazu gesagt habe, ist, dass ich auf eine ökologische und auf eine sachgerechte Verwendung von Steuergeld poche. – So weit dazu. (Beifall bei den Grünen.)

Kommen wir jetzt zu den zur Diskussion stehenden Punkten.

Schulische Tagesbetreuung. – Hier haben wir genau jenes Problem, vor dem wir in der Politik sehr häufig stehen: Ist das Glas halb voll oder ist es halb leer? – Das haben wir ja heute schon einmal gehört.

In diesem Fall, muss ich dazu sagen, ist wieder einmal eine Chance vertan worden. So wichtig es ist, die schulische Tagesbetreuung auszubauen: Wenn wir hier derartige Summen investieren, dann wäre es aus unserer Sicht unbedingt notwendig, dass wir das mit einem pädagogischen Begleitkonzept machen, dass wir in Österreich Schul­tages­formen entwickeln, die den verschränkten Unterricht im Mittelpunkt haben, die ein pädagogisches Konzept im Mittelpunkt haben, die garantieren, dass Kinder stressfrei lernen können, so wie es eben in jenen Staaten üblich ist, die bildungsmäßig leider weit, weit vor Österreich liegen.

Wenn ich in diesem Zusammenhang immer wieder höre – auch im Ausschuss haben Sie das betont –, dass die Wahlfreiheit der Eltern im Vordergrund stehe: Ja, bitte, wo ist denn die Wahlfreiheit jener Eltern, die solche Programme wünschen? – Die ist nicht gegeben in Österreich! In Österreich ist es möglich, und zwar auch nach den jetzigen Bestimmungen, Herr Kollege Amon – das ist vor allem Ihr „Verdienst“, unter Anfüh­rungszeichen (Abg. Amon: Deswegen bauen wir es ja aus, damit sich die Wahl­freiheit ...!) –, dass genau jene Eltern und jene Kinder, die diese pädagogischen Konzepte möchten, keine Chance haben, darauf zuzugreifen.

Ein weiterer Punkt, weil wir hier sehr viele VertreterInnen der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst sitzen haben: Ich habe auf einen Aufschrei gewartet angesichts dessen, was in diesen Bestimmungen drinsteckt, was darin versteckt ist, nämlich die Entwicklung eines Pädagogen/einer Pädagogin light mit zwei Semestern Ausbildung! Wir sprechen derzeit von einer Lehrerbildung neu, alle müssen Master haben, der Bachelor braucht sogar acht Semester, und im Gegensatz dazu legt man heute dieses neue Konzept mit Pädagoginnen und Pädagogen, die nur eine zweisemestrige Ausbildung haben, vor. – Dagegen höre ich keinen Aufschrei von jenen, die sich sonst aufspielen als die


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Schutzherren der Lehrerinnen und Lehrer?! Dieser aber wäre notwendig, denn das ist eine absolute Fehlentwicklung.

Wir haben künftig Lehrkräfte, die den Kinder, die sie am Nachmittag betreuen, aufgrund der Bestimmungen nicht einmal bei der Hausübung helfen dürfen. Erklären Sie das bitte den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die für diese PädagogInnen aufkommen müssen! Wenn das ein vernünftiges System ist, das Sie uns hier präsen­tieren, dann weiß ich auch nicht. (Abg. Amon: Haben Sie auch einen Vorschlag?) – Ja, wir haben Vorschläge, Herr Kollege Amon! Hätten Sie im Ausschuss zugehört, wir haben sie dort präsentiert. Wir haben den Vorschlag, alle Lehrkräfte auf Master-Niveau auszubilden und zu einem verschränkten Unterricht überzugehen.

Ich stehe auch dazu, wenn ich sage, dass alle Lehrkräfte länger an der Schule bleiben müssen, und ich hoffe, dass Sie in den gegenwärtigen Verhandlungen für ein neues LehrerInnen-Dienst- und Besoldungsrecht auf diese Konzepte auch ein bisschen eingehen, denn das wird der Knackpunkt sein, ob wir mit dem österreichischen Schulsystem künftig weiterkommen oder nicht.

Diesen Vorschlägen jedenfalls, die in den zur Debatte stehenden Vorlagen präsentiert werden, können wir leider nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

16.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


16.12.03

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal zu Beginn ganz klar feststellen: Das Ziel von uns allen, glaube ich, ist eine leistungs- und chancen­gerechte Schule für alle. Ich habe es heute schon einmal gesagt und wiederhole es noch einmal: Es ist der oft verlangte große Wurf mit nur einem Paket so nicht machbar. Das wissen alle, die sich kritisch mit der Bildungspolitik auseinandersetzen, nur zu gut. Was man tun kann, ist, zu versuchen, Schritt für Schritt dorthin zu gelangen, wohin wir alle wollen. Dieser rote Faden ist erkennbar. Wir arbeiten daran, dass kein Kind zurück­bleibt und dass alle jungen Menschen ihre Chancen auch tatsächlich nützen können, denn wir wissen, Bildung ist der Schlüssel für eine Zukunft in Wohlstand – für den Einzelnen, aber auch für die gesamte Gesellschaft. Die heutigen Schritte, Herr Kollege Walser – und da bin ich leider gänzlich anderer Meinung –, sind ein weiterer wichtiger Meilenstein dorthin.

Wir sind dabei, alles zu tun, was man tun kann. Wir kennen die Strukturen, wir kennen die Probleme im Bildungsbereich in der Verwaltung. Wir können nicht sagen: Weil wir diese Probleme kennen (Abg. Dr. Walser: LehrerInnen light! Zwei Semester Aus­bildung!), weil wir ein föderaler Bundesstaat sind, machen wir gar nichts! – Die Regierung nimmt jährlich 80 Millionen €, insgesamt 320 Millionen € in die Hand, investiert das in die ganztägige Betreuung, in ein Konzept, das nachhaltige Qualität anbietet und den regionalen Bedürfnissen entspricht. Die Ministerin erzielt in absolut kurzer Zeit – das hat es bisher, wir haben nachgesehen, noch nie gegeben – eine Artikel-15a-Vereinbarung für ein Mega-Projekt mit Unterschriften von allen neun Landeshauptleuten – und Sie als kritischer Beobachter, der nicht nur behauptet, sondern auch weiß, was das heißt, finden kein einziges positives Wort dafür, was das eigentlich wirklich für ein wichtiger Meilenstein für die ganztägige Betreuung ist! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es ist ganz wichtig, Herr Kollege Walser, dass Sie sich dem nicht verweigern. Ich weiß nicht, aus welchem Grund Sie plötzlich den Populisten, den Oppositionellen spielen,


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der auf Inhalte nicht mehr eingeht. Ich weiß nicht, warum, aber es tut mir leid. Sie wären eingeladen, mitzutun. Sie als Schulleiter, als Pädagoge, als einer, der den ganzen Tag mit der Schule zu tun hat, müssen doch wissen, dass es sehr viele Aufgabenbereiche in der Schule gibt, wofür man bei Gott keinen Bachelor und keinen Master braucht, wofür aber gut ausgebildete Betreuungspersonen erforderlich sind, wie das zum Beispiel Lehrwarte, Sportwarte in Vereinen, Chorleiter in Vereinen und viele andere auch sind.

All diese Personen sind jetzt eingeladen, durch ein zusätzliches Pädagogikum mit einzusteigen und bei einer verschränkten Form, bei einer ganztägigen Form Betreuungsaufgaben mit zu übernehmen. Für die Betreuung am Nachmittag, im Freizeitbereich, während ein Teil der Schüler zum Beispiel beim Fußballtraining ist oder im Musikunterricht, muss nicht jeder unbedingt ein Master, ein Doktor oder ein Professor sein. Das kann man auch in einem Verein qualitativ gut machen.

Ich würde mich aber ganz massiv dagegen wehren, dass man sagt, beim Kindergarten braucht es das auch nicht. Das ist der andere Bereich, dort brauchen wir bestaus­gebildete Leute. Aber für den Nachmittag, für den Freizeitbereich sollte gegebenenfalls auch ein sogenannter Freizeitpädagoge genügen.

Das ist wohl eine Nische, die man ausfüllt. Damit wird garantiert, wir bringen nicht nur das Geld auf Schiene, diese 320 Millionen € in den nächsten vier Jahren, für die Bundesländer, die gefordert sind, sondern auch ein neues Ausbildungsmodell, den sogenannten Freizeitpädagogen, wofür heute die Rahmenbedingungen beschlossen werden können. Das wäre ein Weg, tatsächlich eine ganztägige verschränkte Form zu ermöglichen, auch das Personal dafür zu haben.

Daher lade ich Sie ein, diesen wichtigen Schritt mitzugehen. Ich meine, Sie würden damit etwas Gutes tun. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.16


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Amon zu Wort. – Bitte.

 


16.16.15

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich verstehe Sie heute auch nicht, Herr Dr. Walser. (Abg. Öllinger: Das ist ja nichts Neues!) Sie sind durch­aus jemand, der die Dinge inhaltlich, sachlich gut beurteilen kann, weshalb ich gerade bei diesem jetzt zur Debatte stehenden Paket nicht nur Ihre kritische Haltung nicht verstehe, sondern ich verstehe die Grünen überhaupt nicht, warum sie diese Vorlage nicht unterstützen können.

Sie haben aufgelistet, was Sie sich wünschen. Sie haben gesagt, Sie wünschen sich echte Wahlfreiheit, also auch für jene, die Kinder in einer ganztägigen Betreuung haben wollen. – Aber das ist doch unser Ziel! Darauf arbeiten wir ja hin! (Abg. Dr. Walser: Sie wissen, dass das nicht funktioniert! Sie wissen das ganz genau!)

Es ist so, Sie wissen es, Josef Pröll hat noch als Finanzminister 80 Millionen € jährlich zusätzlich freigegeben und zur Verfügung gestellt; Kollege Mayer hat bereits darauf verwiesen. Insgesamt sind das jetzt 320 Millionen € für die Nachmittagsbetreuung, die in unterschiedlicher Form, nämlich in der verschränkten Form angeboten werden kann, aber auch in der Form, dass es eine klassische Nachmittagsbetreuung ist und nicht Unterricht am Nachmittag. Beides kann angeboten werden.

Wir haben sichergestellt, dass die Eröffnungszahl abgesenkt wird – von 15, wenn es notwendig ist, auf 12 –, damit auch überall dort, wo Nachfrage besteht, ein Angebot entstehen kann. Wir haben sichergestellt, dass Schulerhalter solch ein Betreuungs­


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angebot übergreifend anbieten können, damit wir auch kleinere Schulstandorte motivieren, sich daran zu beteiligen. Wir haben sichergestellt, dass es künftig möglich ist, solch ein Angebot auch Schularten-übergreifend zur Verfügung zu stellen.

Jetzt Kritik zu üben an einem Universitätslehrgang für Freizeitpädagogik, zu sagen, das wäre gleichsam etwas Schlechtes – Entschuldigung?! Das ist ein Mehr an Qualität, das ist ein Mehr an Ausbildung und nicht weniger. Deshalb verstehe ich beim besten Willen nicht, Herr Dr. Walser, warum Sie, warum die Grünen diese jetzt in Diskussion stehenden Vorlagen nicht unterstützen können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Darüber hinaus – ich möchte das betonen, weil Kollege Mayer das auch angesprochen hat – ist es wirklich bemerkenswert, in welcher Zeit es gelungen ist, auch mit den Bundesländern eine Vereinbarung zu treffen, eine Artikel-15a-Vereinbarung abzu­schließen und damit alle im Boot zu haben. Es ist für mich schlicht nicht nachvoll­ziehbar, warum die Grünen bei dieser Lösung, die noch dazu vorsieht, dass das Geld nicht ausschließlich ins Personal gehen muss, sondern auch die Standorte die Möglichkeit bekommen, Adaptierungen vorzunehmen, um entsprechende Aufenthalts­räume schaffen zu können – wir werden heute auch noch eine Entschließung einbringen, die sicherstellt, dass diese Ausbauten auch barrierefrei sind –, nicht im­stan­de sind, mitzugehen. Das ist eine absolut destruktive Haltung. Offenbar ist es Ihnen nicht recht, dass wir in der Bildungspolitik vorwärtskommen, dass wir uns einigen, dass wir nicht streiten, sondern dass wir versuchen, gute Lösungen auf den Weg zu bringen. Es wäre eigentlich höchst an der Zeit, dass sich die Grünen hier konstruktiv einbringen, Herr Dr. Walser. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Abschließend möchte ich sagen, weil ich ja nur die Gelegenheit hatte, in Form von Zwischenrufen darauf einzugehen: Wenn Dieter Brosz jetzt verlangt, dass Regierungs­mitglieder ihre gesamten Termine offenlegen sollen, nur weil es die Grünen interes­siert, welche Termine ein Mitglied der österreichischen Bundesregierung in den Bundesländern absolviert, dann sind das – Sie entschuldigen! – Methoden, die man nur zurückweisen kann. Aber Sie können gerne mit gutem Beispiel vorangehen. Es kann der gesamte grüne Klub all seine Termine offenlegen, wenn Sie glauben, dass das notwendig ist, um festzustellen, ob Steuergelder auch sinnvoll eingesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.20


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz ist der nächste Redner. – Bitte.

 


16.20.55

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Bei den Tagesordnungspunkten 9 und 10 geht es um den Ausbau der Ganztags­betreuung. Ganztagsbetreuung ist einfach im Leben des 21. Jahrhunderts für Kinder nicht wegzudenken. Kollege Walser hat jetzt aus seinem kleinen ideologischen Kästchen heraus die Vorstellung des verschränkten Unterrichts. Das heißt, das Kind muss von früh bis spät in der Schule sein, unter staatlicher Kontrolle, unter staatlicher pädagogischer Betreuung und Erziehung. Wir haben da ein anderes Modell, wir wollen die Wahlfreiheit bieten.

Das heißt, Eltern sollen die Möglichkeit haben, dass die Kinder auch am Nachmittag betreut werden, um eben einem Beruf nachgehen zu können, aber es muss auch in Zukunft noch immer gesichert und gewährleistet sein, dass sogar Eltern ihren Kindern bei der Hausübung helfen dürfen. Das ist nämlich unser Familienbild. Bei uns heißt es nicht, von der Wiege bis zur Bahre hat der Staat die Kontrolle. Das sind andere


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Systeme, denen Sie offensichtlich nachhuldigen beziehungsweise die Sie jetzt für Österreich erkannt haben. Damit möchte ich es eigentlich schon bewenden lassen und auf den Inhalt der in Debatte stehenden Regierungsvorlagen, denen wir zustimmen, eingehen.

Es geht darum, dass Rahmenbedingungen geschaffen werden, dass Nachmittags­betreuung schulübergreifend angeboten wird und dass die Mindestzahl, ab der eine solche Gruppe gebildet werden kann, von 15 auf 12 gesenkt wird. Das bedeutet eine Flexibilisierung nach regionalen Möglichkeiten. Die Länder sind eingebunden, daher auch die rasche Einigung zwischen den Bundesländern. Es ist das Problem erkannt worden, es ist die Problemlösung richtig erkannt worden.

Jetzt zur Frage der pädagogischen Betreuung, zu diesen Freizeitpädagogen. Die Wortwahl ist vielleicht nicht wirklich die beste, das haben wir auch im Ausschuss be­sprochen, aber es hat sich halt kein anderes Wort gefunden. Tatsache ist: Nicht für jede Tätigkeit braucht es einen Universitätsprofessor, einen Master, einen Bachelor. In Bezug auf die Kindergärten gebe ich dem Kollegen Mayer recht: Für die Betreuung der Kinder wird für die Kindergartenpädagogen und -pädagoginnen eine ausgezeichnete Ausbildung notwendig sein. Ich führe das jetzt deswegen noch einmal gesondert an, weil wir in Zukunft in diesen Bereichen der Bildung zusehends auch männliche Bewerber haben wollen, weil das für die Sozialisierung ebenfalls sehr wichtig ist.

Wir wollen, wie gesagt, die Wahlfreiheit ermöglichen. Interessanterweise waren es gerade die Sozialdemokraten, die nach der Monarchie die Ganztagsbetreuung abgeschafft haben, weil sie gesagt haben – vor allem in Bezug auf Wien –, die Kinder müssen nicht nur im Schulklassenverband, sondern ihrer Altersgruppe entsprechend auch anderenorts sozialisiert werden: in der Nachbarschaft, im Umfeld, im Hof, im Gemeindebau, wo auch immer. Es müssen auch andere Kontakte gepflogen werden. Jetzt wird es eben unter Einbindung von Sportvereinen, unter Einbindung von Kulturvereinen oder auch örtlichen Musikschulen, natürlich bei erleichtertem Zugang, Möglichkeiten geben, eine entsprechende pädagogische Reife zu erzielen beziehungs­weise zum Einsatz zu kommen.

Wir glauben, dass diese Regierungsvorlagen, unter Einsatz auch der entsprechenden Mittel, geeignet sind, in den Regionen den entsprechenden Bedarf zu decken. Die Möglichkeit gibt der Bundesgesetzgeber, die Ausführung liegt natürlich letztendlich auch bei den Gemeinden. Ich glaube, das Rüstzeug ist gegeben, und daher werden wir zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.24


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Haubner. – Bitte.

 


16.24.37

Abgeordnete Ursula Haubner (BZÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Heute wird eine Ankündigung, die Sie schon vor fast einem Jahr gemacht haben, nämlich dass Ihnen die Tagesbetreuung so wichtig ist, dass Geld in die Hand genommen werden muss, dass ausgebaut werden muss, endlich umgesetzt. Die Mittel stehen zur Verfügung. Sie wollen die Anzahl der Betreuungsplätze – wenn die Zahl stimmt – von 105 000 auf 160 000 ausbauen. Wir vom BZÖ sind der Meinung, dass wir mehr Angebote in der Tagesbetreuung brauchen. Das ist deshalb selbstverständlich, weil sich auch die Arbeits- und Lebenswelt in den letzten Jahrzehnten verändert hat, weil eben auch viele Frauen berufstätig sind, die Eltern nicht immer ausschließlich zu Hause sind und sich um die Lernerfolge der Kinder kümmern können. Daher: mehr Angebote.


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Besonders wichtig ist uns, dass – wie in § 2 der entsprechenden Regierungsvorlage festgehalten ist – bei Bedarf die Tagesbetreuung auch in verschränkter Form geführt werden kann, und vor allem auch die Freiwilligkeit; Freiwilligkeit bedeutet, dass Ange­bote vorhanden sind und die Eltern entscheiden können, was sie machen. Das ist der richtige Weg. (Beifall beim BZÖ.)

Wir haben heute auch schon über die Kinderbetreuungseinrichtungen gesprochen und über das, wie ich glaube, unbestrittene letzte verpflichtende Jahr, aber ich meine, es soll nicht alles verpflichtend sein, sondern die Eltern müssen auch als wichtige Partner in die außerhäusliche Betreuung mit eingebunden werden. Und das wünsche ich mir auch für die Ganztagsbetreuung: dass man nicht die Eltern außen vor lässt und sagt: Wir machen alles für euch! Ich denke jetzt an eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und jenen Pädagoginnen und Pädagogen, die für die Tagesbetreuung zuständig sind.

Grundsätzlich positiv ist aus unserer Sicht auch, dass es jetzt durch mehr Tages­betreuung die Möglichkeit gibt, die Lernerfolge der jungen Menschen zu verbessern. Das heißt, den Schwächeren, die besonders gefördert werden müssen, die Förderunterricht brauchen, kann dies in der Ganztagsbetreuung angeboten werden. Genauso können jene, die besonders begabt, besonders befähigt sind, motiviert werden, angeregt werden zu neuen Ideen, die sie auch umsetzen können. (Beifall beim BZÖ.)

Laut den Zahlen von Statistik Austria sind derzeit 27 Prozent der Schüler Risiko­schüler, wird bis zum Jahr 2020 die Zahl der 15- bis 19-Jährigen abnehmen und es wird ein Minus von 65 000 jungen Menschen zu verzeichnen sein. Deshalb müssen wir die weniger werdenden jungen Menschen, die wir haben, einfach so gut ausbilden, damit sie wirklich selbst eine Chance haben, aber auch wertvolle berufliche Mitarbeiter in Zukunft sind.

Schauen Sie sich auch die Zahlen an, die vor einigen Tagen in den Medien verbreitet worden sind, was an Nachhilfekosten ausgegeben wird! 127 Millionen € zahlen die Eltern in Summe heuer für Nachhilfe. – Da kann doch etwas nicht stimmen, und darauf muss auch die Politik eine Antwort geben! Und eine der Antworten ist hoffentlich eine entsprechende Tagesbetreuung. Das allein wird es natürlich nicht sein. Für mich fast befremdlich ist, dass man bereits für Volksschüler durchschnittlich 681 € und für Hauptschüler 578 € ausgibt. Also wir müssen wirklich überlegen, was an der Qualität des Unterrichtes noch alles zu verbessern und zu verändern ist.

Für uns auch wichtig ist daher ein gutes pädagogisches Gesamtkonzept für die Tagesbetreuung. Ein Konzept ist in der Regierungsvorlage angerissen, das jenen, die Probleme haben, aber auch jenen, die besonders begabt sind, entsprechend entge­gen­kommt.

Was uns ebenfalls wichtig ist – und das ist auch in der Regierungsvorlage vorgesehen, aber man wird dann in der Praxis sehen, wie es funktioniert –, ist ein vielfältiges Freizeitangebot, vor allem auch ein umfassendes Angebot im Bereich Bewegung und Sport. Wir wissen alle, dass Kinder immer schwerfälliger, immer unbeweglicher werden, weil sie eben mehr sitzen als sich bewegen. Diesen Defiziten könnte man, glaube ich, damit sehr gut entgegenwirken. Es ist uns gerade im ländlichen Raum auch die Kooperation mit Vereinen, mit Organisationen, die vor Ort sind, die junge Menschen von Haus aus einbinden, ein großes Anliegen. Es ist wichtig, dass man auf deren Ressourcen zurückgreift. (Beifall beim BZÖ.)

Für die pädagogische Betreuung am Nachmittag brauchen wir die besten Pädagogen. Es darf nicht so sein, dass man, vor allem wenn es um die individuelle Lernzeit, aber auch um die Tagesbetreuung geht, nur die Jungen verpflichtet, so wie das jetzt


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manchmal der Fall ist, und die Älteren außen vor lässt. Die Jungen müssen sich sozusagen noch hinaufarbeiten, dann haben sie eine Chance auf eine fixe Anstellung – das sehe ich nicht so.

Ich glaube, wir brauchen in einer guten Tagesbetreuung auch die Kompetenz der erfahrenen Lehrer; daher darf da kein Unterschied gemacht werden.

Da sehe ich eher jetzt schon eine Zwei-Klassen-Gesellschaft bei den Lehrern: die einen, die Tagesbetreuung machen, und die anderen, die in der Unterrichtszeit sind. Frau Bundesministerin, ich hoffe sehr, dass Sie auch ein Auge darauf haben, dass diese Entwicklung so nicht weitergeht und vor allem dass das auch entsprechend im Dienstrecht vorgesehen wird, denn wer eine pädagogische Ausbildung hat – ob er sie am Nachmittag in der individuellen Lernzeit anwendet oder am Vormittag in der Unterrichtszeit –, ist gleich wertvoll und muss gleich bewertet werden.

Betreffend Freizeitpädagogen – ich möchte es jetzt nicht überbewerten –: Ich kann mir vorstellen, dass das eine kleine Nische ist, eine Ergänzung, wenn es eben vor Ort keine anderen Möglichkeiten in Kooperation mit Vereinen und Organisationen gibt, aber ich sage jetzt: Kollege Walser hat schon recht. Man muss wirklich genau schauen, was daraus entsteht. Wir dürfen nicht auf einmal in eine Richtung gehen, dass wir dann drei Klassen haben. Also da ist das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen.

Jedenfalls werden wir dieser Regierungsvorlage zustimmen, weil sie grundsätzlich viel Positives enthält, das wir auch bildungspolitisch vertreten können und vertreten wollen. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen – es ist ja heute schon zum Teil große Jubelstimmung bei den Regierungsparteien ausgebrochen –, dass die Regierung und Sie, Frau Bundesministerin, von den großen Lösungen natürlich noch weit entfernt sind. Ich weiß schon, man muss immer in kleinen Schritten denken und einen ersten Schritt machen, aber bei den großen Lösungen, wie der Schulverwaltungsreform, dem „Dienstrecht neu“, der Entpolitisierung der Gremien, da haben Sie – sage ich jetzt einmal – zum Teil resigniert. Also da ist noch Stillstand.

Ich denke, diese Anschubfinanzierung für eine qualitätsvolle Tagesbetreuung ist richtig und gut, aber sie allein ist keine Schulreform. (Beifall beim BZÖ.)

16.32


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es hat sich nun Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.32.15

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich freue mich nach diesen Redebeiträgen jetzt sehr über die erwartbar große Zustimmung zu den Sammelnovellen und zur Artikel-15a-Vereinbarung. Es ist sehr wichtig, dass die Beschlüsse jetzt zustande kommen, denn der Ausbau ganztägiger Angebote ist ja primär auch im Interesse der Eltern. Ich denke, wir können diesbezüglich mit der Umsetzung nicht früh genug beginnen.

Ich bin ganz bei Ihnen, Frau Abgeordnete Haubner, was die wichtigen Punkte der Umsetzung betrifft. Es war jetzt enorm viel Arbeit, vor allem die Artikel-15a-Verein­barung rechtzeitig fertigzustellen. Aber es ist mindestens noch einmal so viel Arbeit, dass dieses Projekt dann auch tatsächlich in den Klassenzimmern ankommt. Also die Umsetzung, so meine ich, wird sehr wichtig sein.

Betreffend Qualitätskriterien ist ein Punkt zu beachten: Wir haben die Artikel-15a-Vereinbarungen mit den Bundesländern abgeschlossen. Die Schulerhalter sind die Gemeinden, die Städte. Das heißt, wir müssen jetzt mit den Bürgermeistern, den Bürgermeisterinnen in die konkreten Maßnahmen gehen. Da braucht es noch sehr viel an Aufbereitung, an Kommunikation.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 163

Wenn ich das jetzt aus meiner Sicht sagen darf: Ich glaube, es ist wichtig, dass wir die regionalen Angebote bestmöglich nutzen: Sportvereine, Musikschulen, Kulturinitia­tiven. Falls es möglich wird, über den Freizeitpädagogen das Angebot für die Kinder, für die Schüler und Schülerinnen noch anzureichern, attraktiver zu machen und gleichzeitig durch berufsbegleitende Ausbildungen in den Pädagogischen Hochschulen Qualifikation zu sichern, dann ist das ein guter Weg.

Ich glaube, es ist ein wichtiger Schritt, dass Angebote jetzt auch schulübergreifend stattfinden können, also dass wir jetzt ein bisschen damit beginnen, auch die Grenzen durch Kooperationen zu überwinden. Sie haben schon die Mindestgruppengröße mit zwölf Kindern genannt, die vor allem auch für den ländlichen Raum von Vorteil ist.

Mit Sicherheit werden wir aber mit diesem Projekt eine Diskussion früher führen müssen. Das ist das Thema der Sprengeleinteilung. Denn wenn wir die Wahlfreiheit der Eltern jetzt wirklich ernst nehmen, dann werden wir jedenfalls seitens des Bundes auch dieses Thema besprechen und es jedenfalls den Ländern freistellen müssen, darauf einzugehen, denn die Wahlfreiheit muss man ja auch umsetzen und leben können.

Aber wir haben im Unterrichtsausschuss, Herr Abgeordneter Rosenkranz, schon diskutiert, dass das sicher ein Thema ist, das von der Elternseite jetzt auf uns zukommen wird.

Ich bedanke mich für die sehr konstruktive Diskussion im Unterrichtsausschuss. Vielleicht überlegt es sich ja die Parlamentsfraktion der Grünen noch. Es ist ein wichtiger Schritt, gerade in der jetzigen Zeit, für die berufstätigen Eltern. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.35


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Frau Abgeordnete Mag. Rudas zu Wort. – Bitte.

 


16.35.45

Abgeordnete Mag. Laura Rudas (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Walser hat zu Beginn eine richtige Frage gestellt, nämlich, dass man sich permanent auch selber fragen sollte: Ist das Glas halb leer oder halb voll? – Ich finde, gerade im Bildungsbereich, gerade im Schulsystem ist die Frage relativ leicht zu beantworten, weil das Glas jahrzehntelang leer war und jetzt dank Frau Ministerin Claudia Schmied kontinuierlich gefüllt wird.

All die Maßnahmen, die wir hier beschließen, all die Maßnahmen, die wir im Ausschuss diskutiert haben – von der Modularen Oberstufe über die Ganztagesbetreuung, bis hin zum Ausbau der Neuen Mittelschule und anderen Dingen –, sind immer eine Verbesserung – eine Verbesserung, die in den letzten Jahrzehnten noch unvorstellbar gewesen wäre.

Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir diese Bildungsreform gemeinsam weiterführen und eben das Glas gemeinsam füllen, auch wenn es nicht von einem Tag auf den anderen gleich voll sein wird.

Für mich als Sozialdemokratin ist es natürlich auch immer wichtig, die Gerechtig­keitsfrage zu stellen: Führt es zu mehr Gerechtigkeit? Frau Kollegin Haubner hat hier schon ausgeführt, wie viel die Eltern für Nachhilfe ausgeben und wie ungerecht dadurch das System wird. Deswegen ist für mich der Ausbau von Ganztagsschulen auch ein Schritt zu mehr Gerechtigkeit.

Ich verstehe die Kritik, dass es noch nicht schnell genug geht; da schließe ich mich immer an, denn es könnte immer alles schneller gehen. Ich glaube aber, der Ausbau


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 164

der Tagesbetreuung verbessert das Schulsystem, und ich bitte daher auch die Grünen um Zustimmung. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster hat sich Herr Abgeordneter Schmuckenschlager zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.37.29

Abgeordneter Johannes Schmuckenschlager (ÖVP): Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Minister! Frau Kollegin Rudas, wenn Sie das Schulsystem der letzten Jahrzehnte bemängeln, so bitte ich Sie, doch ein bisschen aufzupassen, denn es sind einige hier im Plenum, die dann sozusagen schlechte Produkte dieses Schulsystems wären. Und ich glaube, unsere Bildung ist ja nicht so schlecht. Wir können auf eine fundierte, abgeschlossene Bildung hinweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich meine, der Ausbau der schulischen Tagesbetreuung ist besonders wichtig, um auch den zeitgemäßen Anforderungen Rechnung zu tragen. Ein wichtiger Punkt für uns war vor allem die Schaffung eines Hochschullehrganges für und die Ausbildung von Freizeitpädagogen. Da ist die genaue Regelung der Ausbildung vorgesehen, vor allem auch die Anerkennung schon vorher geleisteter Ausbildungen. Ich möchte hier speziell den Sportbereich erwähnen, wo wir mit der Bundessportakademie ein Institut haben, durch das wir sehr fundierte Ausbildungen anbieten können.

Es ist aber in diesem Zusammenhang auch auf die Rahmenvereinbarung zwischen dem Bundesministerium für Unterricht, dem Bundesministerium für Landesverteidigung und Sport sowie der Bundes-Sportorganisation hinzuweisen, die genau diese Zusam­menarbeit von Schule und Sport und die Verbesserung der Bewegungsangebote für Schüler gefordert haben – im quantitativen Bereich der Tagesbetreuung, aber auch unter starker Beteiligung der Sportvereine.

Wir dürfen eines nicht vergessen: Wir haben eine große Gefahr bei unserer Jugend. Ich möchte sie mit den Schlagworten „fett, faul und süchtig“ beschreiben. 40 Prozent der heimischen Schüler machen weniger als eine Stunde Bewegung am Tag. Bewegung und Sport sind nicht nur für die Gesundheit wichtig, sondern fördern auch die kognitiven Leistungen. Und dieses Problem müssen wir beim Ausbau der Tages­betreuung angehen. Gerade durch das Hereinnehmen der Vereine schaffen wir das auch, denn hätten wir nur eine Tagesbetreuung in der Schule bis 16 Uhr, bekämen wir die Jugendlichen nicht mehr hinaus in die Vereine.

Ich glaube, gerade diese Durchlässigkeit, einerseits gut ausgebildete Personen aus den verschiedensten Bereichen hinein in die Schule zu bekommen, andererseits aber auch die Jugendlichen in die Vereine zu bekommen, ob das nun Musik, Kreatives oder auch der Sport ist, das ist ganz wichtig für unsere Gesellschaft.

Es sind vor allem Sportvereine, die mit ihren unzähligen freiwilligen MitarbeiterInnen und UnterstützerInnen unserer Jugend essenzielle Dinge mit auf den Weg geben können, denn Bildung ist ja auch da eine Lebensbegleitung und das Initiieren von Lebens­motiven. Und vor allem das Motiv „Ohne Fleiß kein Preis“ sollte heute hoch­gehalten werden, und da besonders die Bedeutung der Eigenverantwortung. Gerade im Bereich der persönlichen Gesundheit, der persönlichen Leistungskraft ist das aktive Einbringen in die Gesellschaft besonders wichtig. Und das, was man vor allem bei Vereinen lernt, sind Akzeptanz gesellschaftlicher Ordnungen, Spielregeln und Rah­men­bedingungen.

Darum setzen wir mit dieser Novelle einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung. (Beifall bei der ÖVP.)

16.40



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 165

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Lohfeyer gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.40.59

Abgeordnete Mag. Rosa Lohfeyer (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die heute vorliegende Gesetzesnovelle tritt dem Mangel an Tagesbetreuungsangeboten an öffentlichen Pflichtschulen und AHS entgegen. Dieser Beschluss ist auch gerade für ländliche Regionen ein sehr wichtiger Schritt, denn nach wie vor fehlen in den ländlichen Strukturen öffentliche Angebote für ganztägige Betreuung. In Salzburg zum Beispiel sind im laufenden Schuljahr nur 7 Prozent der Pflichtschüler in ganztägiger Betreuung.

Der Bund verpflichtet sich mit den heutigen Novellierungen zur Anschubfinanzierung dazu, den Ländern mittels einer Artikel-15a-Vereinbarung die erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, Geld für den Ausbau und die Erweiterung des bestehenden Betreu­ungsangebotes, die Implementierung von Freizeitpädagogen und eines entsprechenden Lehrgangs an den Pädagogischen Hochschulen bereitzustellen. Ins­gesamt werden es bis zum Jahr 2014 80 Millionen € jährlich für Personalkosten, aber auch für infrastrukturelle Maßnahmen sein.

Fakt ist, dass es dringenden Bedarf gibt, ganztägige Betreuungsangebote mit einem warmen, gesunden Mittagessen zur Verfügung zu stellen. Mehr qualitative Bildungs­betreuung für Kinder, wie etwa Unterstützung beim Lernen und bei den Hausübungen, wie die Förderung von sozialen Kompetenzen und sinnvolle Freizeitgestaltung stehen im Vordergrund.

Der heutige Beschluss zum Ausbau der ganztägigen Betreuung unterstützt auch die Gemeinden und Schulerhalter dabei, schul- und wenn nötig auch gemeindeüber­greifende Tagesbetreuung unter Einbeziehung von regionalen Sport-, Bewegungs- und kulturellen Angeboten anzubieten.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich meine, es ist unsere Aufgabe, rechtliche Grundlagen dafür zu schaffen, die Eltern dabei zu unterstützen, dass junge Menschen von klein auf ein gutes Basiswissen und Unterstützung auf dem Weg zu einer tragenden Persönlichkeit erhalten, und zwar unabhängig von Herkunft, Religion, Bildungsstand und gesellschaftlichem Status.

Unser heutiger Beschluss ist ein ganz wichtiger Beitrag dazu und ein weiterer Mosaikstein der ambitionierten Bildungsreform von Frau Ministerin Schmied. (Beifall bei der SPÖ.)

16.43


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Abgeordneter Dr. Huainigg zu Wort. – Bitte.

 


16.43.33

Abgeordneter Dr. Franz-Joseph Huainigg (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Nachmittagsbetreuung ist eine wichtige Erweiterung des Angebots der Schule, die ich sehr begrüße. Für mich ist es selbstverständlich, dass auch behinderte Kinder die gleichen Möglichkeiten haben wie nicht behinderte Kinder. Die Nachmittagsbetreuung an Sonderschulen gibt es; viele Eltern behinderter Kinder geben deshalb ihre Kinder in Sonderschulen, weil es dort eben eine Nachmittags­betreuung gibt.

Ich glaube, dass mit der neuen Nachmittagsbetreuung auch in den Regelschulen das Angebot für behinderte Kinder erweitert und auch eine Gleichstellung für Kinder, die in Integrationsklassen gehen, herbeigeführt wird.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 166

Finanzielle Mittel stehen hier zur Verfügung. Jede Gruppe bekommt 8 000 €, das ist ein rechnerischer Wert. Es wird eine Gruppe weniger Geld brauchen, eine andere Gruppe mehr Geld benötigen – wie zum Beispiel Gruppen, die behinderte Kinder mit sonder­pädagogischem Förderbedarf besuchen. Ich glaube, dass hier dieser Ausgleich gefunden werden muss.

Weiters ist in der neuen 15a-Vereinbarung die Zusammenarbeit zwischen Schulen vorgesehen. So sollte es auch möglich sein, dass etwa eine Sonderschule mit einer Regelschule bei der Nachmittagsbetreuung zusammenarbeitet und beispielsweise Kin­der, die die Sonderschule besuchen, am Nachmittag auch in die Regelschulbetreuung kommen oder umgekehrt.

Für Infrastrukturmaßnahmen stehen 50 000 € bis 52 000 € pro Gruppe zur Verfügung. Mir ist hiebei wichtig, dass auf die Barrierefreiheit geachtet wird, wenn ausgebaut wird. Und daher ersuche ich zusammen mit meiner Kollegin Königsberger-Ludwig die Ministerin darum, die Barrierefreiheit zu beachten, und bringe einen entsprechenden Entschließungsantrag ein.

Ich selbst kann ihn nicht vorlesen und Texte schreiben, weil ich stark sehbehindert bin. Deshalb mache ich ein bisschen Werbung für mein tolles Handy, einen Handy-Assistenten, der den Entschließungsantrag vorliest. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Das Handy des Redners trägt den Text des Entschließungsantrages vor:

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf einzuwirken, dass bei der Errichtung und Adaptierung von Betreuungseinrichtung auf Barrierefreiheit geachtet wird.“

*****

Die Technik macht es möglich. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Gestatten Sie mir noch, kurz zwei Punkte zu erwähnen. Erstens: die Weiterführung der schulischen Integration nach der achten Schulstufe. Das ist in Begutachtung geschickt worden. Ich hoffe aber doch, dass hier noch Gespräche geführt werden, denn ich finde, das gehört noch erweitert. Man muss einen Etappenplan entwickeln, damit nicht nur die neunte Schulstufe darin enthalten ist, die einjährigen Schulen, sondern auch die zwei- bis dreijährigen Schulen, beispielsweise auch die Handelsschulen oder die Landwirtschaftsschulen.

Ein zweiter Punkt, der mir wichtig ist, ist, dass behinderte Menschen auch Lehrer werden können. Ich finde es wesentlich, dass wir die Pädagogischen Hochschulen öffnen, dass auch jemand, der im Rollstuhl sitzt, Lehrer werden kann, oder wenn er blind oder gehörlos ist. Das ist ein Weg zur Gleichstellung. – Danke. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten des BZÖ.)

16.49


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Antrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht auch mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 167

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg, Ulrike Königsberger-Ludwig, Kollegin­nen und Kollegen betreffend Barrierefreiheit und Integration

eingebracht im Zuge der Debatte zu Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1209 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hoch­schulgesetz 2005 geändert werden (1265 d.B.)

Die unterfertigten Abgeordneten stellen folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird ersucht, im Rahmen ihrer Möglichkeiten darauf einzuwirken, dass bei der Errichtung und Adaptierung von Betreuungseinrichtung auf Barrierefreiheit geachtet wird.“

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


16.49.44

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Zuerst bedanke ich mich beim Abgeordneten Huainigg für das anschauliche Beispiel von Barrierefreiheit. Das ist cool, ein interessantes Beispiel dafür.

Herr Kollege Walser, ich möchte auf Ihre Ausführungen eingehen und nehme noch einmal die Aufforderung der Frau Ministerin, dass Sie sich vielleicht doch einen Ruck geben sollten, auf. Ich verstehe nämlich Ihren ablehnenden Standpunkt nicht, für mich ist er nicht nachvollziehbar.

Worum geht es heute? – Wir haben einen Ausbau der ganztägigen Betreuungsformen mit einem Plus von 55 000 Plätzen. Jährlich stellt der Bund dafür 80 Millionen zur Verfügung, und das soll mit Artikel-15a-Verträgen abgesichert sein. Beide Formen sind möglich: verschränkt oder eben klassische Tagesbetreuung. – Das lehnen Sie ab.

Zum Vergleich dazu: Es gibt einen Ausbau der Kinderbetreuung der unter Dreijährigen, es gibt eine Anschubfinanzierung, es gibt eine Artikel-15a-Vereinbarung und Geld, das der Bund dafür zur Verfügung stellt, damit etwas Entsprechendes geschieht. – Das haben die Grünen zu Recht immer wieder eingefordert, und sie haben gesagt, dass das fortgeführt werden soll. Also da gibt es eine Anschubfinanzierung, eine Artikel-15a-Vereinbarung für Schulkinder und dort gibt es sie für unter Dreijährige. Warum das eine gut ist und das andere schlecht, entzieht sich meiner Logik.

Insofern möchte ich wirklich noch einmal vorschlagen – ich bin froh, dass wir das endlich mit breiter Mehrheit beschließen –: Vielleicht geben Sie sich auch noch einen Ruck und sehen, dass das eigentlich dem entspricht, was Sie sonst immer fordern.

Ich füge ganz zum Schluss noch etwas hinzu, was ich mir wünschen würde: Es gibt eine Kooperation, was den Sport betrifft, die in einer feststellenden Bemerkung entsprechend verankert ist. Ich glaube, dass das auch für die Kooperation mit Musik­schulen ganz wesentlich wäre, damit wird zum einen das Niveau, das wir in Ober­österreich haben, halten können, zum anderen aber insgesamt auch noch ausbauen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 168

können. Deswegen ist die Kooperation für die Nachmittagsbetreuung wichtig. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

16.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. – Bitte.

 


16.51.53

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Ausweitung der Tagesbetreuung ist sinnvoll. – Dass ich als Arzt dazu das Wort ergreife, wird Sie wahrscheinlich etwas verwundern, aber ich mache darauf aufmerksam: Es gibt eine Studie deutscher Kinderärzte – sie wurde erst vorgestern veröffentlicht –, die besagt, dass in den letzten zehn Jahren die deutschen Kinderärzte beobachten, dass die Kinder kränker werden – mehr Über­gewicht, weniger Bewegung, auch die Zahl der psychischen Krankheiten steigt. Sie führen das darauf zurück, dass sich die Kinder zu wenig bewegen und im Schnitt vier Stunden vor dem Fernseher sitzen, das Internet kommt noch dazu. Und das macht die Kinder zum Teil konzentrationsunfähig und auch fahrig.

Wir sehen das auch in den österreichischen Praxen: Kinder sind heute etwas anders als früher, insbesondere im städtischen Bereich, wo Schizophrenie und Depressionen auch bei Kindern deutlich häufiger vorkommen.

Darum ist eine strukturierte Tagesbetreuung für die, die es brauchen, sehr, sehr wichtig. Glauben Sie mir: Jeder Euro, den wir da investieren, ist ein gut investierter Euro, auch aus der Sicht der Gesundheitspolitik! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.53


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann gelangt nun zu Wort. – Bitte.

 


16.53.18

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Auch die Ausführungen meines Vorredners, Kollegen Rasinger, haben ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, wie wichtig es ist, dass man vor allem auch qualifizierte Nachmittagsbetreuung hat.

Dass Nachfrage nach Betreuung in der Bevölkerung gegeben ist und diese zuneh­mend steigt, ergibt sich aus der beruflichen Situation von Mutter und Vater. Ich denke, dass es wirklich längst an der Zeit war, dass hier – das ist durchaus schnell geschehen – mit den Bundesländern eine Lösung gefunden wurde.

Es handelt sich – nebenbei bemerkt – bei dieser Maßnahme auch um einen wichtigen Punkt, der im Regierungsprogramm verankert ist. Und ich würde schon meinen, dass das auch in der Bildungspolitik und für die Entwicklung des Schulsystems der kom­menden Jahre ein wichtiger Schritt ist.

Ich würde mir wünschen – das sei auch nebenbei erwähnt –, wir könnten auch viele andere Gesetze so schnell, so unkompliziert und vor allem auch mit der Zustimmung dieser Mehrheit auf den Weg bringen. In anderen Fällen ist das ja viel schwieriger. Umso mehr finde ich es schade, dass sich die Grünen hier dem nicht anschließen.

Das Geld steht zur Verfügung. Wir haben verschiedene Möglichkeiten des Ablaufes geschaffen. Für Betreuungsgruppen ab 15 SchülerInnen – eine Ausnahme, wenn es kleinere Schülergruppen oder kleine Schulen sind, auch schulübergreifend ist es möglich. Mit den Freizeitpädagogen, der Freizeitpädagogin wird ein neues Berufsbild geschaffen. Es ist sogar gelungen, die Musikschulen und die Sportvereine einzubin­den.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 169

Also ich glaube, jeder, der hier irgendwie betroffen ist, wurde eingebunden, und zum anderen zeigt sich hier auch große Zufriedenheit. Es gibt eigentlich keinen einzigen auf der Hand liegenden Grund dafür, dass man hier dagegen sein kann. Ich würde meinen, dass es vernünftig wäre, diesem Gesetzesvorschlag zuzustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.55


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Franz. – Bitte.

 


16.55.21

Abgeordnete Anna Franz (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Ja, wir haben schon einiges gehört. Wir wissen auch, dass es zusehends Bedarf an und Nachfrage nach schulischer Tagesbetreuung gibt. Deshalb schaffen wir Rahmenbedingungen, damit diese auch besser, vor allem in besserer Qualität statt­finden kann.

Ich freue mich ganz besonders darüber, dass die Gruppengröße auf zwölf reduziert werden kann. Frau Ministerin, vielen Dank. Das hilft uns im ländlichen Raum, weil es oft schade ist, wenn Gruppen nicht zustande kommen, weil zu wenig Kinder sind.

Das Zweite, dass schularten- und auch schulerhalterübergreifend Gruppen gebildet werden können, kommt uns auch zugute. Das bedeutet nämlich, dass in dieser Nachmittagsbetreuung beispielsweise Kinder aus einer Volksschule, aus einer Mittel- oder Hauptschule gemeinsam geführt werden können, dass aber auch Kinder aus zwei Gemeinden in der Betreuung in einer Gemeinde zusammengenommen werden können.

Das neue Berufsbild Freizeitpädagogin/Freizeitpädagoge ist in meinen Augen sehr gut. Es ist das eine Verbesserung und keine Verschlechterung, Herr Walser! Es ist gut, dass die Vereine mit einbezogen werden können. Wir haben sehr gute Vereine in den ländlichen Bereichen, aber auch in den Städten. Es ist schön, wenn im kreativen, im musischen Bereich, zum Beispiel auch beim Theaterspiel Angebote in Zusam­menarbeit mit Vereinen gemacht werden, die dann zu einer besseren Qualität der Tagesbetreuung beitragen.

Ich bin froh, dass das Angebot der schulischen Tagesbetreuung ausgebaut und dass auch die Qualität verbessert wird. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

16.57


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


16.57.18

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Frau Bundesminis­terin! Ich freue mich über den breiten Konsens – auch die Grünen können ja die Zustimmung überlegen, denn gerade diese Maßnahme dient ja der Regionalisierung, sogar der Schulautonomie an den Standorten, und man sieht ja, was die einzelnen Schulen machen können. Und das sind ja an sich auch Forderungen von Ihnen.

Aber: Wo viel Licht ist und viel ausgebaut wird, wird leider auch etwas geschlossen. Daher bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein, eine Resolution, die auch der Niederösterreichische Landtag verabschiedet hat, und zwar mit den Stimmen von Freiheitlichen, die die Antragsteller waren, aber auch ÖVP und SPÖ:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 170

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Sparhammer trifft Militärakademie in Wiener Neustadt

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur und der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport werden aufgefordert, das Bundesrealgymnasium (BRG) für Berufstätige in Wr. Neustadt in der derzeitigen Variante beizubehalten.“

*****

(Beifall bei der FPÖ.)

16.59


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der Entschließungsantrag ist eingebracht und steht mit zur Debatte.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Dr. Fichtenbauer, Kolleginnen und Kollegen betref­fend Sparhammer trifft Militärkademie in Wr. Neustadt

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 9: Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1209 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflichtschulerhal­tungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden, XXIV. GP, am 7. Juli 2011

Im Kurier war am 13. Jänner 2011 unter anderem folgendes zu lesen:

Sparhammer trifft Militärakademie

Tradition schützt vor dem Rotstift nicht. Das Aus für das Bundesrealgymnasium ist beschlossene Sache.

Wenn es eine Heeresinstitution mit Jahrhunderte langer Tradition gibt, dann gehört die Theresianische Militärakademie (MilAk) in Wr. Neustadt sicher zu einer der ge-schichtsträchtigsten Einrichtungen des Bundesheeres. Seit 1751 werden hier junge Soldaten zu Offizieren ausgebildet, selbst der Bundespräsident als Oberbefehlshaber ist immer wieder ein gern gesehener Gast. Doch Alter schützt vor dem Rotstift des Verteidigungsministeriums nicht. Dieses bittere Erkenntnis machen nun auch die Verantwortlichen der MilAk. Denn als fix gilt, dass das Bundesrealgymnasium (BRG) für Berufstätige für immer die Pforten schließen wird. Die Landesverteidiger als Schulerhalter haben das Unterrichtsministerium über diesen Schritt schon informiert. „Es ist eine stufenweise Auflösung bis 2013 geplant“, bestätigt eine Sprecherin von Unterrichtsministerin Claudia Schmied. Der Heeres-Sparhammer trifft Chargen und Unteroffiziere. Denn sie hatten bisher die Möglichkeit, in einem kostenlosen mehr-semestrigen Studium am BRG die Matura nachzuholen. Damit ist es nun vorbei, die Reifeprüfung werden Korporal und Co. künftig bei privaten Anbietern absolvieren müssen.

Kein Auslaufmodell


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 171

In der MilAk ist man über die Schulsperre klarerweise nicht erfreut. „Für uns war das BRG für Berufstätige kein Auslaufmodell. Die Nachfrage war gut“, sagt Pressemann Hannes Kerschbaumer. Er betont aber, dass die zweite Lernschmiede, das bekannte Militär- Realgymnasium, nicht von Schließungsplänen betroffen sei.

Unklar ist noch, ob die Einsparung auch eine Auswirkung auf das Lehrpersonal haben wird. Derzeit unterrichten laut Unterrichtsministerium 34 Lehrer an der Akademie, die Anzahl könnte sich nun verringern. Plötzlich auf der Straße wird aber keiner stehen, heißt es aus dem Büro von Landesschulratspräsident

Hermann Helm. „Es wird kein Problem sein, adäquate Arbeitsplätze in unmittelbarer Umgebung zu finden.“ Für Aufregung sorgt das BRG-Aus auch in der Wr. Neustädter Stadtpolitik. „Eigentlich sollte gerade im Bildungsbereich nicht gespart, sondern in-vestiert werden“, sagt VP-Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christian Stocker. „Aus meiner Sicht wird hier der völlig falsche Weg eingeschlagen.“

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur und der Bundesminister für Landesverteidigung und Sport werden aufgefordert, das Bundesrealgymnasium (BRG) für Berufstätige in Wr. Neustadt in der derzeitigen Variante beizubehalten.“

*****

16.59.20

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Es ist dazu niemand mehr zu Wort gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Ein Schlusswort seitens der Berichterstatter wird nicht verlangt.

Wir kommen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 9: Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunterrichtsgesetz, das Pflicht­schulerhaltungs-Grundsatzgesetz und das Hochschulgesetz 2005 geändert werden, samt Titel und Eingang in 1265 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem die Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer diesem Gesetzentwurf auch in dritter Lesung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Huainigg, Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kollegen betreffend Barriere­freiheit und Integration.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag eintreten, um ein Zeichen. – Dieser Antrag ist einstimmig angenommen. (E 184.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 172

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sparhammer trifft Militär­aka­demie in Wiener Neustadt.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Dieser Antrag findet nicht die Mehrheit und ist damit abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 10: Antrag des Unterrichts­ausschusses, dem Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG in 1253 der Beilagen die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dazu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

17.00.2711. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über die Regierungsvorlage (1256 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften geändert wird (1267 d.B.)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 


17.01.03

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Hohes Haus! Der vorliegende Gesetzentwurf ist der Versuch, auf ein Erkenntnis des Verfas­sungsgerichtshofes so zu reagieren, dass ein rechtskonformer Zustand hergestellt wird. – Dem ist aber aus unserer Sicht nicht so. (Präsident Neugebauer übernimmt den Vorsitz.)

Derzeit gibt es in Österreich – da gibt es unterschiedliche Zählweisen – 13 oder 16 anerkannte Religionsgemeinschaften. Der Verfassungsgerichtshof hat im Jahre 2010 das zugrunde liegende Gesetz aus dem Jahre 1997 als verfassungswidrig bean­standet.

Das, was jetzt vorliegt – es tut mir leid, dass ich das in dieser Deutlichkeit sagen muss –, ist ein Husch-Pfusch-Gesetz, das sogar beim Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes auf vehemente Ablehnung gestoßen ist.

Zudem bemängelt der Verfassungsdienst – ich zitiere –: „Die knapp bemessene Begut­achtungsfrist von wenig mehr als drei Wochen ist einer fundierten Auseinandersetzung mit dem Entwurf abträglich.“

Das merkt man leider, wenn man die übrigen Stellungnahmen zu diesem Gesetz liest. Die betroffenen Religionsgemeinschaften beispielsweise sprechen davon – ich zitiere auch hier –, dass es sich dabei um den „untauglichen Versuch einer Minimalkorrektur“ handelt.

Weiters wird bemängelt, dass es einen „unzumutbar großen Interpretationsspielraum“ für das Kultusamt gäbe, und auch Rechtstheologen der Universität legen vehement Einspruch ein und bemängeln – ich zitiere –:

Es handelt sich „um eine Rückkehr zum System der Staatskirchenhoheit des 19. Jahrhunderts“.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 173

Das sind aus meiner Sicht vernichtende Urteile, und ich kann, ehrlich gesagt, nicht verstehen, warum man hier eine derartige Eile an den Tag gelegt hat.

Auch das, was als positiv dargestellt wird, nämlich beispielsweise, dass es für bereits anerkannte Religionsgemeinschaften jetzt eine gewisse Bestandsgarantie gäbe, was ja durchaus in unserem Sinn ist, wird durchaus bezweifelt. Es wird dabei auf den § 11 a des Gesetzes verwiesen, in dem es heißt, „die Kriterien für eine Aufhebung sind jene für die Anerkennung“. – Somit haben wir eigentlich wieder denselben Rechtszustand, den wir gehabt haben.

Aus unserer Sicht ist es zudem völlig unverständlich, wie man ein derart kompliziertes System konstruieren kann, wie man Religionsgemeinschaften, Bekenntnisgemein­schaften mit so unterschiedlichen Rechten konstruieren kann. Künftig werden in Österreich Kirchen in sieben verschiedene Klassen eingeteilt –man stelle sich das bitte einmal vor! – von Religionsgemeinschaften wie der katholischen Kirche, dem Israeli­ten­gesetz, also der jüdischen Religionsgemeinschaft, dem islamisch-hanefitischen Ritus und so weiter! Das sind alles Religionsgemeinschaften mit eigenen Spezialge­setzen. Das ist sozusagen Top. Und ganz am Ende stehen eben dann jene Religions­gemeinschaften, die sich hauptsächlich als Bekenntnis verstehen.

Atheisten, Agnostiker und so weiter sind da sowieso ausgenommen; von Weltan­schauungsgemeinschaften ist da überhaupt keine Rede. Von einem modernen Gesetz – es tut mir leid, das sagen zu müssen – kann man da wahrlich nicht sprechen. Für uns ist eine Zustimmung hiezu deshalb nie in Frage gekommen.

Ziel eines solchen Gesetzes sollte es sein, dass es Chancengleichheit für alle Religionsgemeinschaften gibt. Ziel sollte es sein, dass die staatliche Neutralität gegenüber Religionsgemeinschaften und Kirchen gewährleistet ist. Davon ist man aber leider weit entfernt. (Beifall bei den Grünen.)

17.05


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


17.05.35

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Wir haben hier eine Sachthematik, aber dennoch möchte ich zu den Ausführungen meines Vorredners sagen: Er ist heute offensichtlich auf der kritischen Welle; meiner Meinung nach überzeichnet er die Probleme allzu sehr.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Vielfalt der religiösen Bekenntnisse hat mit der Fortentwicklung und den Veränderungen unserer modernen Gesellschaft zugenom­men. Bekenntnisse, die in unserem Kulturraum vor einigen Jahren oder Jahrzehnten noch nicht vertreten waren, haben heute Fuß gefasst – und das in unterschiedlicher Größe, Struktur und Lehre.

Bis Ende September dieses Jahres gilt als Voraussetzung für eine staatliche Anerkennung, dass eine Religionsgemeinschaft 20 Jahre hindurch bestanden haben muss. Diese Regelung wurde, wie wir schon gehört haben, vom Verfassungs­gerichtshof als zu allgemein und nicht ausreichend sachlich differenziert aufgehoben, nachdem schon der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2008 diesbezüglich eine Feststellung gemacht hat.

Es besteht daher Handlungsbedarf – wir sind da unter Zeitdruck, Herr Kollege Walser – für das Parlament, denn sonst hätten alle noch nicht anerkannten religiösen Grup­pierungen ab Oktober dieses Jahres den Anspruch, innerhalb eines einzigen Jahres anerkannt zu werden. Ein Jahr, das wäre wirklich ein viel zu kurzer Zeitraum, um eine Konfession vor ihrer staatlichen Anerkennung ausreichend beurteilen zu können.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 174

Im Hinblick auf die Feststellung der Anzahl der Mitglieder einer Gemeinschaft stehen nicht immer gesicherte Daten zur Verfügung. Hinkünftig ist daher von einer Religions­gemeinschaft die Mitgliederzahl nachzuweisen.

Zur Kritik im Begutachtungsverfahren, die Sie, Herr Kollege Walser, angesprochen haben: Die Regelung bezüglich einer Mindestanzahl hat schon bisher bestanden und bleibt im neuen Gesetz unverändert. Die Regelung heißt 2 Promille, auf Österreich umgerechnet zirka 16 000 Mitglieder. Dies hat der Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform anerkannt, und insofern waren die Beschwerden einiger Reli­gions­gemeinschaften wie die der Evangelikalen Christen, der Freien Christen­gemeinde, der Siebenten-Tags-Adventisten und anderer gegen diese Ablehnung abzuweisen, weil diese auf verfassungsmäßig rechtlicher Basis erfolgte.

Über die Frage der Mitgliederanzahl hinaus legt das Gesetz hinkünftig aber viel mehr seinen Fokus auf die internationale Einbindung einer Glaubensgemeinschaft im Kontext mit deren religiöser Lehre. Es muss daher beurteilt werden, ob das Kriterium der organisatorischen und internationalen Einbindung in die Lehre zutrifft bezie­hungsweise angenommen werden kann.

Dieses Faktum wurde auch auf Grund von Anmerkungen im Begutachtungsverfahren von mehreren Seiten teils auch sehr kritisch eingebracht; in den Erläuterungen wird das aber klargestellt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Der Zweck der neuen Regelung ist es im Beson­deren auch, vor der staatlichen Anerkennung die Religionsgemeinschaft in dem Land, in dem sie anerkannt werden soll, also in Österreich, zu prüfen. Das hat auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als legitimes Recht eines Staates anerkannt.

Angesichts der Problematik verschiedenster Sekten und möglicherweise dubioser Gemeinschaften halte ich das für eine Schutzmaßnahme – eine Maßnahme also, die nur vertreten werden kann.

Die neue Regelung schafft aus unserer Sicht mehr Transparenz, schafft auch mehr Rechtssicherheit, so zum Beispiel, dass hinkünftig bescheidmäßig an- oder abzu­erken­nen ist, was bisher nicht der Fall war.

Zusammenfassend: Wir schaffen damit mehr Rechtssicherheit, mehr Transparenz. Und in diesem Sinne liegt ein gut brauchbares Gesetz, obwohl es unter Zeitdruck entstanden ist, vor. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.09


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


17.09.49

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! In aller Kürze, denn man kann das wirklich relativ einfach machen: Rechtssicherheit wird damit nicht geschaffen. Man kann schon über die Vorzüge dieses Gesetzes beziehungs­weise über die erfolgten Korrekturen philosophieren, nur das Problem ist: Wenn der Verfassungsgerichtshof das wieder aufhebt, dann brauchen wir hier doch nicht von Rechtssicherheit zu reden. Aber genau das wird seitens des VfGH der Fall sein, und daher lehnen wir das auch ab.

Kollege Walser hat die Stellungnahme des Verfassungsdienstes des Bundeskanzler­amtes bereits zitiert, wo ausdrücklich die Verfassungskonformität in Frage gestellt wird. Nachdem man zuerst lange nichts gemacht hat, hat man das dann übereilt umgesetzt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 175

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes hat schwere Bedenken geäußert, ob diese Korrektur verfassungskonform ist.

Ausgangspunkt war ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 25. September 2010 auf Basis einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschen­rechte.

Mit dieser Korrektur trägt man der Judikatur der Höchstgerichte nicht Rechnung, sondern wir werden in ein paar Monaten oder in ein, zwei Jahren eine weitere Korrektur machen müssen, weil die neue Regelung nicht gehalten haben wird. Und genau das ist der Grund, meine Damen und Herren, weswegen wir das ablehnen und dieser Regierungsvorlage beziehungsweise diesem Bundesgesetz nicht zustimmen.

Das Einzige, was positiv anzumerken ist und auch bei einer Korrektur drinbleiben soll, ist, dass nunmehr geregelt ist, dass religiöse Bekenntnisgemeinschaften wieder aufgelöst werden können und der Status auch wieder aberkannt werden kann. Wenn ich mir so manche sogenannte religiöse Bekenntnisgemeinschaft anschaue, dann meine ich, dass das sicher nicht die schlechteste Entscheidung ist. Aber das ist schon das einzig Positive.

Wie gesagt, diese Regelung wird vor dem Höchstgericht nicht halten. Die ganze Arbeit ist für die Fisch‘. Also machen wir gleich etwas Gescheites und beginnen wir von vorne! Machen wir ein richtiges Gesetz und beschließen wir das hier korrekt – und kein Husch-Pfusch-Werk, das nicht hält! (Beifall beim BZÖ.)

17.11


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Amon. – Bitte.

 


17.12.05

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Kollege Petzner, es ist natürlich schwierig: Wenn man Kritik an einem Gesetzeswerk hört und die Regierungsparteien dann mithilfe einer Oppo­sitionspartei eine Bestimmung oder ein Gesetz im Verfassungsrang machen, dann wird sehr oft kritisiert, dass das eigentlich keine saubere Gesetzgebung ist, weil dann gleichsam dem Höchstgericht, dem Verfassungsgerichtshof die Möglichkeit entzogen wird, das Gesetz tatsächlich zu überprüfen.

Jetzt haben wir hier den genau umgekehrten Fall: Wir hatten seinerzeit, als wir das Bundesgesetz über religiöse Bekenntnisgemeinschaften etabliert haben, die Situation, dass es davor nur das Anerkennungsgesetz, ein sehr altes Gesetz, gab, das einfach allen Gruppen sehr umfassende Rechtspersönlichkeit, den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts, Steuerprivilegien et cetera eingeräumt hat. Wir wollten eigentlich bei der Schaffung des Bundesgesetzes über religiöse Bekenntnisgemeinschaften ver­mei­den, dass es einen völlig ungeordneten Wildwuchs von Gruppen gibt, die unter dem Deckmantel der Religiosität ihr Unwesen treiben.

Auch damals gab es Kritik daran, dass das Gesetz möglicherweise verfassungswidrig oder gar menschenrechtswidrig sei. Wir haben daher sogar Bestimmungen aus der Men­schenrechtskonvention in das Bundesgesetz über religiöse Bekenntnisgemein­schaften wörtlich hineingenommen, haben das Ganze, obwohl die Bundesregierung damals die Verfassungsmehrheit hatte, einfachgesetzlich geregelt, weil wir bewusst offenhalten wollten, dass die Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte möglich ist. Und das Gesetz hat gehalten, Herr Kollege Petzner!

Es wurden einzelne Bestimmungen hinterfragt. Diese werden jetzt repariert. Ich finde, dass das eigentlich ein sehr gutes Gesetz ist, weil es nämlich auf der einen Seite sicherstellt, dass die Religionsfreiheit garantiert ist – das muss auch so sein –, und weil


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 176

wir auf der anderen Seite auch sicherstellen, dass wir keinen Wildwuchs an Sekten und Gruppen bekommen, die unter der Vorgabe, sich im metaphysischen Bereich bewegen zu wollen, Menschen eben nicht im Sinne der Menschenrechte behandeln. Dass das nicht möglich ist, das ist, glaube ich, mit diesem Gesetz jetzt sichergestellt.

Dieses Gesetz ist keine Husch-Pfusch-Aktion, sondern ein gutes Gesetz, das – und die Änderungen sind ja nicht so umfassend – in Begutachtung war und das einen ordentlichen parlamentarischen Werdegang durchlaufen hat.

Wie gesagt, das ist keine Husch-Pfusch-Aktion, sondern ein gutes Gesetz, das auf der einen Seite die freie Religionsausübung garantiert und auf der anderen Seite verhindert, dass es zu einem völlig ungeregelten Wildwuchs an Sekten und pseudo­religiösen Gruppen kommt. (Beifall bei der ÖVP.)

17.15


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rosenkranz. – Bitte.

 


17.15.22

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Nun ja, es stimmt schon, das Gesetz ist relativ kurz in der Begutachtung gewesen, aber der Sachverhalt ist an sich nicht so kompliziert, dass man mit einiger geistiger Flexibilität das eine oder andere nicht erkennen könnte. Es ist uns von der FPÖ jedenfalls möglich gewesen, zu erkennen, dass es nicht verfassungswidrig ist, sondern dass Unterschiede sachlich gerechtfertigt sind. Ich denke da insbesondere an die Konsequenzen der Anerkennung in Richtung Religionsunterricht, der vom Staat zu zahlen ist. Das heißt, da hat der Staat sachlich eine Möglichkeit.

Zur Kritik, die vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts geübt wurde, wo es heißt, bei der Legistik habe man unsauber gearbeitet, es seien Apostrophe weg­gefallen, es wurden die Zitierregeln nicht befolgt, es wäre ein anderes Wort, zum Beispiel „vom“, besser gewesen: Das sind ja alles keine wirklich großen Kritikpunkte, die da angeführt sind!

Die Religionsfreiheit wird ja in keinster Weise angegriffen. Wenn jemand glaubt, er möchte jeden Abend oder sonst wann zu religiösen Zwecken irgendeinen Baum umarmen oder Ähnliches, dann ist ihm das unbenommen. Also jeder kann seine Religion frei ausüben. Aber der Staat schützt sich mit der Regelung, dass zwischen 16 000 und 17 000 Mitglieder dabei sein sollen und dass eine entsprechende Reli­gions­ausübung stattfinden muss. Das genügt. Es ist aber klar, dass eine gewisse Abgrenzung zu Sekten oder zu kleinen Gefälligkeitsgruppierungen getroffen werden soll, weil eben weitere staatliche Folgen daran geknüpft werden.

Wir glauben daher, dass dieses Gesetz richtig ist. Es ist sogar eine Erweiterung in diesem Gesetz enthalten, indem man nämlich darauf Bedacht nimmt, dass Religionsgemeinschaften aus anderen Erdteilen, aus anderen Regionen, die schon sehr lange existieren, viel leichter übernommen werden können.

Aber in der Frage, ob man jetzt etwas mit Ziffern auflistet oder ob man es mit Buch­staben auflistet, worüber sich nämlich der Verfassungsdienst auch ausgelassen hat, sehe ich kein Problem.

Es bestand die Frage beziehungsweise eine gewisse Unsicherheit, was passiert, wenn anerkannte Religionsgemeinschaften unter die Grenze von 2 Promille fallen. Aber das ist jetzt eindeutig ausgenommen. Jetzt ist es so, dass ein Absinken unter diese Grenze niemals zu einer Aufhebung und Auflösung führen kann. Daher unsere Zustimmung. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Amon.)

17.17



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 177

Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


17.17.35

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Hohes Haus! Ich denke, das vorliegende Gesetz ist eine konsequente Lösung, die dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entspricht.

Ich möchte auch Bezug nehmen auf die Ausgangsbasis, auf das Bundesgesetz über die Rechtspersönlichkeit von religiösen Bekenntnisgemeinschaften aus dem Jahr 1998, das im Wesentlichen zwei verschiedene Arten der Rechtsstellung näher beschreibt und festlegt: die Stellung als – unter Anführungszeichen – „nur“ religiöse Bekenntnisgemeinschaft, die man relativ leicht erwerben kann, und die zweite Kategorie, nämlich die Frage der gesetzlichen Anerkennung, die aus staatlicher Sicht wichtige Folgen hat, wie beispielsweise den Religionsunterricht an Schulen. In diesem Fall müssen Bestand und finanzielle Grundlage der Gemeinschaft gesichert sein. Das Bekenntnisgemeinschaftengesetz regelt das über Indikatoren.

Ich möchte unterstreichen, was Herr Abgeordneter Amon schon betont hat: dass an der Mindestanzahl der Mitglieder, 1998 definiert, nichts verändert wurde und dass diese Bestimmung ja schon vom Verfassungsgerichtshof überprüft und auch als verfassungskonform anerkannt wurde.

Adaptierungen beziehen sich auf die von Herrn Abgeordnetem Sacher schon im Detail angesprochenen Regelungen, was Zeit des Bestandes betrifft, und da entsprechen wir – ich wiederhole mich – dem Gedanken, den Anregungen, den Notwendigkeiten des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.19


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Lettenbichler. – Bitte.

 


17.19.36

Abgeordneter Mag. Josef Lettenbichler (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Diese Diskussion hat einmal mehr gezeigt, wie schwer es ist, einen Spagat zu schaffen, um möglichst viele Interessen abdecken zu können. Auf der einen Seite ist man der Kritik ausgesetzt, dass man zu strenge Zugangsmoda­litäten schafft und somit neuen Religionsgemeinschaften die Anerkennung verwehrt, und auf der anderen Seite muss man natürlich vorsichtig sein, nicht dubiosen Ver­einigungen wie Sekten einen zu leichten Zugang zu ermöglichen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist, ich jedenfalls wurde in den vergangenen Tagen von Vertretern der Freikirchen mit deren Bedenken konfrontiert, und ein Kritikpunkt dabei war – wie auch heute schon in der Diskussion erwähnt – die Dauer des Begutachtungsverfahrens. Dazu ist festzustellen, dass eine sechswöchige Frist zwar üblich, aber nicht zwingend vorgeschrieben ist. Da es sich bei der vorliegenden Novelle aber um eine lediglich eineinhalbseitige Textpassage handelt, erscheint mir die Frist von immerhin 26 Tagen doch ausreichend.

Bedenken gab und gibt es immer wieder auch hinsichtlich der Frage der Anerkennung für Religionsgemeinschaften mit nicht ausreichender Mitgliedszahl. Im Gesetz sind, wie wir gehört haben, 2 Promille der Gesamtbevölkerung vorgesehen. Dazu muss man aber auch wissen, dass diesbezüglich Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof abgewiesen wurden, nun aber beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anhängig sind.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 178

Klar ist jedenfalls, meine Damen und Herren: Es wird keiner Kirche oder Religions­gemeinschaft die Anerkennung entzogen, weil sie keine ausreichende Mitgliederzahl mehr aufweisen kann oder einen statuarischen Fehler gemacht hat.

Abschließend ist festzuhalten, dass gegenüber dem Begutachtungsentwurf doch einige Änderungen vorgenommen wurden. Wir haben bei diesem Gesetz, so glaube ich, einen Mittelweg gefunden, der sinnvoll und gut ist. – Herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

17.21

17.21.36

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht mehr vor. Ich schließe daher die Debatte.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1256 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Entwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung geben wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

17.22.1312. Punkt

Bericht des Unterrichtsausschusses über den Antrag 1542/A der Abgeordneten Elmar Mayer, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich geändert wird (1268 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich rufe den 12. Punkt der Tagesordnung auf.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte.

 


17.22.36

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zur Novelle zum Bundesgesetz über die äußeren Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich ein paar Ausführungen.

Die orthodoxen Kirchen sind in Österreich seit über 250 Jahren ansässig und aner­kannt. Ursprünglich waren es zumeist aus dem Osmanischen Reich ausgewanderte oder geflohene Griechen. Heute ist die serbische Gemeinschaft mit mehr als 100 000 Anhängern allein in Wien die bedeutendste Gruppe.

Ich habe mir die Struktur der Orthodoxie in Österreich etwas näher angeschaut und bin auf folgende Kirchengemeinden gestoßen:

griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur Heiligen Dreifaltigkeit,

griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum Heiligen Georg,

serbisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum Heiligen Sava,

rumänisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur Heiligen Auferstehung,

russisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Heiligen Nikolaus,

bulgarisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Heiligen Iwan Rilski,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 179

zwei neue russisch-orthodoxe Gemeinden und acht in Gründung befindliche serbische Gemeinden.

Als übergeordnete Struktur gibt es die Metropolis von Austria, die dem ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel untersteht.

In einer Konferenz zur Vorbereitung eines panorthodoxen Konzils, des ersten seit 1000 Jahren, haben sich die orthodoxen Kirchen auf eine neue Organisation der Kirchen in der Diaspora geeinigt. Es soll in allen Ländern eine orthodoxe Bischofs­konferenz unter Vorsitz des Vertreters des ökumenischen Patriarchats eingerichtet werden.

Am 8. Oktober 2010 fand dann die Konstituierung der orthodoxen Bischofskonferenz in Österreich statt. Für diese neugeschaffene Einrichtung soll eine Rechtspersönlichkeit für den staatlichen Bereich ermöglicht werden, wie der Bischofskonferenz der katho­lischen Kirche, der Synode der evangelischen Kirche oder der altorientalischen Kirchenkommission. Dies ist allein aufgrund des Gleichheitssatzes geboten. Der Bischof beziehungsweise der Vertreter im Bischofsrang, der Bischofsvikar, muss seinen Sitz in Österreich haben.

Für einen Bischof bedarf es einer Diözese. Deren Einrichtung, die bisher im Gesetz nicht vorgesehen war, soll durch diese Novelle ebenfalls ermöglicht werden. Dies entspricht auch einem Wunsch insbesondere der russisch-orthodoxen und serbisch-orthodoxen Kirche.

Ich ersuche Sie, diesem berechtigten Wunsch nachzukommen und der vorliegenden Novelle Ihre Zustimmung zu geben. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

17.25


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Gahr. – Bitte.

 


17.25.29

Abgeordneter Hermann Gahr (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Novelle zum Bundesgesetz über äußere Rechtsverhältnisse der griechisch-orientalischen Kirche – Orthodoxen-Ge­setz – wird der griechisch-orientalischen Kirche in Österreich, genannt „die Ortho­doxen“, die Einrichtung von Diözesen ermöglicht. – Kollege Mayer hat das hier schon sehr umfassend dargestellt.

Für die Installierung einer Diözese braucht es mindestens zwei Kirchengemeinden. Die Diözesen sind Grundvoraussetzung für die Einrichtung einer orthodoxen Bischofs­konferenz. Diese hat sich am 8. Oktober 2010 formal konstituiert. Heute schaffen wir mit dieser Novelle die Voraussetzung dafür, dass diese Bischofskonferenz auch eine Rechtspersönlichkeit zugestanden bekommt.

In der Bischofskonferenz wird der Religionsunterricht geregelt. Dieser ist in Österreich nach einem Bundesgesetz einheitlich zu regeln.

Es geht bei dieser Novelle heute um die Anpassung des Gesetzes aus dem Jahre 1957 an die heutigen Verhältnisse.

Diese Novelle führt insgesamt zu einer rechtlichen Gleichstellung der „Orthodoxie“ mit anderen christlichen Kirchen.

Wir bitten um Zustimmung zu dieser Gesetzesinitiative. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

17.26


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Walser. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 180

17.27.03

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! Auch wir stimmen dem vorliegenden Gesetz zu.

Besonders erfreulich ist, dass diese sehr unterschiedlichen, sehr differenten und auch nicht immer eins seienden verschiedenen Kirchen der Orthodoxie im Jahr 2009 doch selber in der Lage waren, sich zu einen.

Bemerkt werden muss in diesem Zusammenhang aber auch noch, dass diese Eini­gung eigentlich von außen gekommen ist, dass also die Mutterkirchen diese Einigung herbeigeführt haben und nun auch für die orthodoxen orientalischen Kirchen in der Diaspora – in diesem Fall in der österreichischen Diaspora – die Möglichkeit gegeben ist, sich zu einen, sodass wir endlich einmal von einer halbwegs einheitlichen ortho­doxen Kirche sprechen können.

Unserer Meinung nach ist diese rechtliche Gleichstellung mit anderen christlichen Kirchen überfällig. Aber, wie gesagt, das lag weniger am Gesetzgeber als vielmehr an den Kirchen selbst. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

17.28


Präsident Fritz Neugebauer: Nun gelangt Frau Bundesministerin Dr. Schmied zu Wort. – Bitte.

 


17.28.32

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Im Okto­ber 2010 konstituierte sich die orthodoxe Bischofskonferenz in Österreich. Um dieser Bischofskonferenz ein rechtliches Handeln nach außen zu ermöglichen, ist, wie es Herr Abgeordneter Walser schon ausgeführt hat, diese Gesetzesnovelle erfor­derlich. Gleichzeitig kann auch der lange gehegte Wunsch einiger Kirchen nach einer Diözese in Österreich erfüllt werden.

Ich möchte den heutigen Tag und diesen Beschluss zum Anlass nehmen, Seiner Eminenz, dem Metropoliten Erzbischof Dr. Michael Staikos ganz besonders für seine Zusammenarbeit zu danken. Ich möchte ihm herzlich zu seinem 25-jährigen Jubiläum als Bischof und zu seinem 20-jährigen Jubiläum als Metropolit gratulieren: Ich wünsche ihm alles Gute! Er hat gerade jetzt eine sehr schwierige Zeit. – Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.29

17.29.37

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht mehr vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1268 der Beilagen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesen Entwurf unterstützen, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wenn Sie dem Entwurf auch in dritter Lesung beitreten, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 181

17.30.15 13. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1567/A(E) der Abgeordneten Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung und Erhalt von Volkskunde- und Völkerkundemuseum (1380 d.B.)

14. Punkt

Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1598/A(E) der Abgeordneten Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Kolleginnen und Kollegen betreffend gerechte Bezah­lung für KulturarbeiterInnen (1381 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Ich rufe die Punkte 13 und 14 der Tagesordnung auf, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Unterreiner. – Bitte.

 


17.30.48

Abgeordnete Mag. Heidemarie Unterreiner (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte heute über den Plan, zwei wichtige Museen in Österreich zusammenzulegen, sprechen. Der Plan ist gescheitert, ich bin froh darüber, weil jetzt eine Chance entstanden ist, dass die beiden Museen einer gedeihlichen Zukunft entgegengehen.

Die österreichische Museenlandschaft wird eher von Kunstmuseen geprägt, und in dieser Hinsicht gibt es auch sehr viele Bemühungen seitens der Kulturpolitik. Aber bei den großen Kulturmuseen sieht die Sache ganz anders aus. Da gab es nun, wie ich schon vorher erwähnte, dieses Projekt „Museum neu“, das vorsah, diese beiden großen Kulturmuseen, das Volkskundemuseum und das Museum für Völkerkunde, zu verschmelzen, und diese Sache ist, wie ich schon sagte, kläglich gescheitert. Das musste auch scheitern, denn die beiden Museen haben zwei völlig verschiedene Kernaufgaben.

Das Museum für Völkerkunde, übrigens eines der fünf bedeutendsten Völkerkunde-Museen weltweit, zeigt Zeugnisse verschiedenster Völker, aus Afrika, aus Asien, aus Nord- und Südamerika, und war bis 2000 ein eigenständiges Bundesmuseum. Damals war von dem damaligen Direktor Seipel die Idee an die damalige Ministerin heran­getragen worden, dass man dieses seinem Museum einverleiben solle, und die dama­lige Ministerin Gehrer hat zugestimmt. Unserer Meinung nach war das ein großer Fehler, denn es hätte ein eigenständiges Bundesmuseum bleiben sollen. Es ist eben seit 2001 eine Abteilung des Kunsthistorischen Museums und hat seitdem auch sehr an Bedeutung verloren.

Das Österreichische Museum für Volkskunde hingegen – man soll die zwei nicht vermischen, es sind vollkommen verschiedene Museen – ist aufgrund seiner umfang­reichen Sammlungen und Forschungstätigkeiten zur Volkskunst Österreichs, also eine ganz andere Sache, und seiner Nachbarländer, nämlich der ehemaligen Kronländer Österreichs, das größte seiner Art in ganz Europa.

Seit Jahren wurden diese beiden Museen ausgehungert und befanden sich in einem zermürbenden Schwebezustand. Das Volkskundemuseum bekommt eine beschämend niedrige finanzielle Unterstützung, nämlich nur 400 000 €. Damit Sie sich das vorstellen können im Vergleich zu den anderen Museen: Zum Beispiel das MAK, wo der jetzige Direktor wegen verschiedener Unzulänglichkeiten gehen musste, bekommt 9,5 Millio­nen € – nur damit Sie sehen, wie wenig Geld dieses großartige Volkskundemuseum in


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den letzten Jahren bekommen hat. Dieses Museum wurde also mit 400 000 € abgespeist und war nicht zuletzt deswegen in einer schwierigen Situation.

Nun ist es so gekommen, dass man eine Verschmelzung dieser beiden Museen vorgesehen hat, die ganz verschiedene Aufgaben haben. Ich zitiere jetzt aus einem Papier, das vom Ministerium vorgelegt wurde, damit Sie sich vorstellen können, was überhaupt Ziel dieses Vorhabens war. Ich zitiere:

Das „Museum neu“ hätte mit der Orientierung in einer im Zuge der Globalisierung multikulturell gewordenen Welt die historisch gewachsenen Einstellungen hinterfragen und lokale und regionale Identitäten in Frage stellen sollen. Das „Museum neu“ sollte sich gegen eine Volkstümelei wenden und sei daher mehr als lediglich die Verschmel­zung zweier Museen.

Ich zitiere weiter: In einem Labor als Denkwerkstatt sollte bisheriges Wissen nicht weitergegeben werden, sondern hinterfragt und durchbrochen werden.

Und ich zitiere ein letztes Mal: Durch den gesellschaftspolitischen Auftrag richtet sich das Haus abseits des Bildungsbürgertums an MigrantInnen.

Meine Damen und Herren, ich habe nur einige Zitate herausgesucht, aber anhand dieser Zitate können Sie natürlich sehen, wohin die Reise hätte gehen sollen. Es war eine beinharte Kampfansage gegen die eigene Geschichte und gegen die eigene Volkskultur. (Beifall bei der FPÖ.)

Es sollte hier ein Multikulti-Schlachtschiff geschaffen werden, das die Bedeutung der eigenen Kultur verwischen und damit letztendlich auch auslöschen hätte sollen. Es war natürlich, wenn man sich das genau durchliest, ein Anschlag auf unsere eigene Identität.

Auch der Plan, dass die Sammlung des Volkskundemuseums auf den Dachboden und in den Keller kommen soll, auch das war eine grobe Missachtung der großartigen Sammlung des Volkskundemuseums.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich haben die Direktoren dieser Sache nicht zustimmen können. Dr. Feest hat schon längst, vor Monaten, im Völker­kunde­museum das Handtuch geworfen. Frau Dr. Schindler hat sich zurückziehen müssen, sie musste das tun, denn sie hätte sonst ihrer Verantwortung als Direktorin des Volkskundemuseums nicht mehr gerecht werden können.

Diese Sache ist also gescheitert, und wir haben jetzt die Chance, endlich die Zukunft dieser Museen zu gestalten, damit beide einer gedeihlichen Zukunft entgegenschauen. Deswegen habe ich diesen Antrag gestellt, dass das Volkskundemuseum, das bisher nur als Verein geführt wurde, ein eigenständiges Bundesmuseum wird und dass das Völkerkundemuseum wieder ein eigenständiges Bundesmuseum wird.

Ich bitte Sie, Frau Ministerin, dass Sie sich in der Hinsicht auch einsetzen, denn ich kann mir vorstellen, dass auch Sie wissen, dass hier etwas gemacht werden muss.

Zum Schluss noch einmal, ceterum censeo: Die Bewahrung unserer Identität ist das Gewissensthema dieser Epoche. (Beifall bei der FPÖ.)

17.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ablinger. – Bitte.

 


17.37.03

Abgeordnete Sonja Ablinger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Frau Kollegin Unterreiner, wir unterhalten uns zu diesem Thema schon Jahre, kann man fast sagen, ich glaube, es ist das zweite Jahr, und immer ist das, was Sie hier sagen, wider besseres Wissen. Mit diesem Antrag, den Sie konstruieren und wo Sie


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sagen, jetzt gebe es endlich die Chance auf zwei eigene Häuser, müssten Sie sich auch andere Leitungen für die beiden Häuser suchen, denn gescheitert ist das Projekt nicht, es ist auf Eis gelegt.

Gescheitert ist es nicht, wie Sie es sich vorstellen, an der Unmöglichkeit der Ver­schmelzung der Identitäten, sondern ganz im Gegenteil. Sie haben ja schön aus diesem Papier zitiert, was die beiden Häuser gemeinsam machen wollten. Sie fragen, wohin die Reise geht – ja, das wäre eine spannende Reise gewesen. Es ist, wie gesagt, auf Eis gelegt, aber es wäre eine spannende Reise, eine über den Tellerrand hinaus. Das könnte wirklich zu Erkenntnissen, zu Erhellungen führen.

Frau Kollegin Unterreiner, Sie wollen aber das Volkskundemuseum gegen jede Aufgeschlossenheit eingrenzen, und Sie wollen es begrenzen, Sie wollen es auf den Begriff der eigenen Identität und auf eine identitätsstiftende Kulturinstitution reduzieren. (Abg. Dr. Hübner: Was ist da Schlechtes daran?)

Ich zitiere Ihnen zur Frage Identität Sami Ma`ari: Identitäten sind hoch komplexe, spannungsgeladene, widersprüchliche symbolische Gebilde, und nur der, der behaup­tet, er habe eine einfache, eindeutige, klare Identität, nur der hat ein Identitäts­problem.

Der Begriff Identität ist jedenfalls nicht so einfach zu definieren, wie Sie sich das vorstellen. Dieses Festlegen: Das ist unsere Identität, wir wissen, was unsere Identität und unsere Kultur ist!, genau dieses Festlegen impliziert immer ein Abgrenzen zu den anderen, immer ein Ausgrenzen. Und immer ist es dann ein bisschen getragen von dem „Mir san mir!“.

Dieses Konzept „Museum neu“ wollte sich eben nicht von anderen Kulturen abgrenzen, sondern einen Kontext, einen lebendigen Ort der Begegnung schaffen, mit unter­schiedlichen Lebenswelten, mit einem ständigen Dialog. Es wollte – ich zitiere auch – nicht ein Haus als Musentempel zur Pflege unveränderlicher Wahrheiten sein. Diese Fusion ist zurzeit auf Eis gelegt. Trotz alledem halte ich dieses Konzept für prinzipiell begrüßenswert, entgegen dem, was die Kollegin Unterreiner vorgebracht hat.

Wir haben aber im Unterschied dazu einen einstimmig angenommenen Antrag im Kulturausschuss gehabt, und das hat mich besonders gefreut. Es war ein Antrag zur Arbeit der Kulturinitiativen und KulturarbeiterInnen. Es ist dieser Abänderungsantrag jedenfalls getragen von der Anerkennung, was Kulturinitiativen in unserem Land leisten, welche Bedeutung sie haben für die kulturelle Vielfalt und für die Kultur­vermittlung bis hinein in die kleinsten Gemeinden. Es gibt zahlreiche Initiativen in den Gemeinden, die auch so etwas wie Gegenöffentlichkeit zu dem sonstigen kulturellen Mainstream darstellen.

Deren Arbeitsbedingungen sind manchmal schwierig. Wir wollen uns das genauer anschauen. Dazu hat ja auch die IG Kultur eine Kampagne gestartet. Ich freue mich, dass wir einen gemeinsamen Abänderungsantrag zum Antrag Wolfgang Zinggl geschafft haben und nun die interministerielle Arbeitsgruppe damit befassen und den Diskurs dazu fortsetzen. Dass das zum Schluss ein gemeinsamer Antrag war, freut mich im Besonderen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Zinggl. – Bitte.

 


17.40.45

Abgeordneter Mag. Dr. Wolfgang Zinggl (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Zunächst einmal bedanke ich mich auch ganz ehrlich und ausdrücklich für die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien, insbesondere mit den Kultur­sprecherinnen und Kultursprechern der anderen Parteien, was diese Entschließung betrifft, die wir eingebracht haben, mit der wir die Bezahlung der KulturarbeiterInnen in


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 184

diesem Land einmal genauer untersuchen wollen. Das ist sehr schön, dass da alle zuge­stimmt haben.

Wir weisen seit Jahren darauf hin, dass da einiges im Argen liegen dürfte. Wir wissen alle, wie wichtig die Kulturarbeit im ländlichen Raum ist. Es klingt alles immer so klein, aber wenn man sich ein bisschen die Zahlen anschaut, dann sieht man schon, da gibt es immerhin etwa 4 Millionen Beteiligte, kann man fast sagen, denn „Besucher und Besucherinnen“ ist das falsche Wort. Im Unterschied zur Hochkultur – das ist keine Hochkultur, das wissen wir schon – werden diese Teilnehmer und Teilnehmerinnen durchschnittlich mit 1 € vom Bund subventioniert. 4 Millionen Besucher/Besucherinnen stehen 4 Millionen € Ausgaben gegenüber – das ergibt, eine ganz leichte Rechnung, 1 € pro Besucher. Und das bei einem meiner Meinung nach doch sehr lebenswichtigen Substrat des kulturellen Lebens in Österreich. Die machen tatsächlich sehr viel Arbeit, und das Ganze für wenig Geld. Ich finde es daher sehr fair, dass wir uns das einmal genauer anschauen, und bedanke mich.

Allerdings habe ich ein wenig Sorgen, ob diese Entschließung, wiewohl sie von uns fünf Parteien beschlossen wird, dann tatsächlich umgesetzt wird, denn – Frau Minis­terin, ich erinnere Sie daran – wir haben hier vor einem Jahr, zumindest drei Parteien, die beiden Koalitionsparteien waren dabei, beschlossen, alle rechtlichen, organi­satorischen und finanziellen Vorkehrungen zu prüfen, die eine Zusammenführung des Volkskunde- und des Völkerkundemuseums als eigenständige Einrichtung ermöglichen sollen. Und bis heute weiß ich nicht, wie diese Prüfung ausgegangen ist. Ich höre immer wieder alles Mögliche dazu, aber vorgelegt wurde nichts.

Im Ausschuss wurde von Ihnen oder, ich weiß es nicht mehr genau, von einem Mitglied der Sozialdemokratischen Partei davon geredet, dass das Volkskundemuseum ausgestiegen ist. Vielleicht können Sie das heute klären.

Ich habe mich im Volkskundemuseum erkundigt. Die sind nicht ausgestiegen, sondern die sind nur ausgestiegen aus der Idee, das Ganze im Verband mit dem Kunst­historischen Museum zu belassen. Aber das war nicht die Intention des Ent­schließungsantrags, dort steht klipp und klar: eigenständig, und „eigenständig“ heißt nicht unter dem Deckmantel des Kunsthistorischen Museums.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich, mit dem gleichen Recht, wie das Völkerkunde- oder eventuell das Volkskundemuseum in den Verband mit dem Kunsthistorischen integriert werden könnte, könnte auch das Palmenhaus dabei sein. Und genau diese chaotische Vermischung von allem und jedem in der Museumspolitik ist etwas, was ich unter Gehrer immer wieder gegeißelt habe, aber es verbessert sich in dieser Hinsicht gar nichts, es ist wirklich zum Auswachsen. (Beifall bei den Grünen.)

Also, ich hoffe, dass Österreich auch einmal erkennt, wie wichtig das Völker­kunde­museum ist. 10 Jahre lang steht es still, wird immer wieder nur saniert, steht leer – immer wieder eine kleine Ausstellung, damit es offiziell nicht ganz leer steht. Schauen Sie es sich an, ich habe es im Ausschuss schon gesagt: das Musée du Quai Branly in Paris mit 1,4 Millionen Besuchern im Jahr, zehn Ausstellungen pro Jahr, zweimal zum besten Museum der Welt gekürt. Die Zeitungen sind voll mit Berichten über ethno­logische und sozialanthropologische Museen. Das ist ein Run. Und was macht Österreich mit der fünftgrößten Sammlung der Welt auf diesem Gebiet? – Es schnarcht! (Beifall bei den Grünen.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 185

17.44


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann. – Bitte.

 


17.44.35

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Kollege Zinggl, was Sie vorher gesagt haben, stimmt nicht ganz, denn wenn Sie behaupten, unser Antrag zum Völkerkunde- und Volkskundemuseum zielte darauf ab, ein neues Bundesmuseum zu schaffen, dann ist das schlichtweg nicht richtig. Der Antrag hat weder befunden, dass das Ziel ein neues Bundesmuseum sein sollte, noch – und da gebe ich Ihnen schon recht –, dass die einzige Möglichkeit die Zusam­menführung von Völkerkunde- und Volkskundemuseum ist. Es sind alle Varianten offen geblieben, und die wurden auch geprüft. Die Verantwortlichen des Völkerkunde­museums und des Volkskundemuseums, das wissen Sie auch, haben sich, auch unter Einbeziehung von MitarbeiterInnen des Ministeriums, glaube ich, jahrelang darüber unterhalten, unter welchen finanziellen Möglichkeiten eine Zusammenarbeit realisiert werden kann.

In Zeiten wie diesen, glaube ich, müssten Sie auch wissen – und ich halte die Kulturnation Österreich mindestens genauso hoch wie Sie selber –, dass die Schaffung eines neunten Bundesmuseums nicht umsetzbar ist. Woher sollen wir denn das Geld nehmen, wenn wir sogar Familienleistungen, Sozialleistungen in Frage stellen müssen? Also ich glaube, das gehört auch einmal ehrlich angesprochen, um hier auch einen Schlussstrich zu ziehen, denn es wäre fatal, wenn man einander hier ständig Vorwürfe macht, wer etwas versprochen hat oder auch nicht.

Ich denke, der Vorschlag, den das Völkerkundemuseum dem Volkskundemuseum unterbreitet hat, war ein machbarer, und es war die Entscheidung des Volkskun­demuseums, lieber eigenständig zu bleiben.

Dass sich auch die Stadt Wien in Wahrheit mehr anstrengen müsste, um das Museum, das ja kein Bundesmuseum ist, besser zu unterstützen, ist ein anderes Thema.

Ich bin auch der Meinung, dass man nicht nur die Qualität – denn die Qualität ist ja gar nicht so schlecht –, sondern vor allem auch den Ausstellungsmodus und die Möglich­keiten, die es im Völkerkundemuseum gibt, besser nutzen soll.

Was die Kollegin Unterreiner gesagt hat, nämlich dass das Völkerkundemuseum mit lediglich 400 000 € abgespeist wird, ist auch falsch. (Abg. Mag. Unterreiner: Volkskundemuseum!) – Gut, dann habe ich es in dem Fall falsch verstanden. Aber ich denke, dass es der Frau Bundesministerin anzurechnen ist, dass in Zeiten wie diesen auch ein Museum, das kein Bundesmuseum ist, eine Unterstützung erhält. Immerhin ist es ein Museum der Stadt Wien. Auch in Anbetracht dessen, dass hier viele Abge­ordnete aus dem ländlichen Raum sitzen, möchte ich darauf hinweisen, dass es schon so ist, dass die Stadt Wien von den Kulturinitiativen, von den Kultureinrichtungen eigentlich am meisten profitiert, die Stadt Wien in dieser Hinsicht aber nichts tut. Das möchte ich an der Stelle auch einmal erwähnen. Es wäre einmal an der Zeit, in dieser Frage mit der Stadt Wien in Verhandlungen zu treten.

Also es sind nach wie vor alle Möglichkeiten offen, die Konzepte liegen ja auf dem Tisch. Es ist auch die Stelle des Direktors des Völkerkundemuseums neu zu besetzen. Vielleicht gibt es dann Möglichkeiten, neu zu verhandeln, das Projekt noch einmal in Angriff zu nehmen. Ich denke, alles, was die Politik dazu beitragen konnte, ist getan worden.

Dass wir im Kulturausschuss konstruktiv miteinander umgehen, das hat der Abände­rungsantrag zu den freien Kulturinitiativen gezeigt. Es ist nicht üblich, einen Antrag der Opposition seitens der Regierung mit abzuändern. Das war durchaus ein Entgegen­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 186

kommen, nicht weil wir so nett sind, sondern weil wir das Anliegen für richtig und wichtig erachten.

Die IMAG hat schon 2010 gute Arbeit geleistet. Es kam zu zwei Gesetzesnovellen, mit dem Künstlersozialversicherungsgesetz und dem Schauspielergesetz. Die Ministerin hat hier guten Willen gezeigt. Und wenn eine Grundlagenforschung, eine Studie für die freien Kulturinitiativen in Angriff genommen werden soll, dann bin ich davon überzeugt, wenn herauskommt, dass es Verbesserungspotential gibt, dann werden wir auch dem nachkommen.

Ich würde mich freuen, wenn wir auch weiterhin konstruktiv an der Kultur arbeiteten, denn ich glaube, das ist das, was Österreich auch im europäischen und internationalen Kontext auszeichnet. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

17.48


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Markowitz. – Bitte.

 


17.48.57

Abgeordneter Stefan Markowitz (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Ja, Frau Kollegin Fuhrmann, das ist der Punkt. Wenn man die Menschen draußen fragt: Kennen Sie den Unterschied zwischen Völkerkunde- und Volkskundemuseum?, dann sagen 90 Prozent: Ich kenne den Unterschied nicht. Und ich glaube, hier muss man den Hebel ansetzen. (Abg. Dr. Strutz: Warst du schon einmal drinnen im Völker­kundemuseum?) – Ich habe es schon besucht.

Jetzt sage ich euch etwas, was euch wahrscheinlich sehr gut gefallen wird: Wir werden über den Sommer ein Konzept erarbeiten, wie man das Volkskundemuseum umbe­nennen kann in Österreich-Museum. Und ich sage euch ganz klar, warum: damit die Menschen mehr Bezug dazu haben und diese Verwechslungen in Zukunft einfach nicht mehr stattfinden. (Beifall beim BZÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Gute Idee! Sehr gute Idee!) Wir wollen das deswegen machen – ich besuchte das Museum schon, du anscheinend auch, viele von unseren Kollegen leider nicht –, damit in Zukunft weitere Verwechslungen vermieden werden können. Das geschieht ja auch hier im Hohen Haus – gerade vorher haben wir es ja erlebt.

Aber Herr Kollege Zinggl hat etwas angesprochen – das meine ich jetzt gar nicht sarkastisch, das meine ich genau so, wie ich es sage –, und das ist ja auch das Problem bei einem solchen Ausschuss: Es geht um die Information.

Frau Ministerin! Ich schätze Sie und bin überzeugt davon, dass Sie das wissen, aber wenn schon am 7. Juli vergangenen Jahres hier im Hohen Haus auch mit den Stimmen der Regierungsparteien ein Entschließungsantrag beschlossen wurde, dieser bis heute aber nicht umgesetzt wurde und wir auch keinerlei Informationen über die personellen, rechtlichen und auch finanziellen Probleme und Aspekte einer Zusammenlegung dieser zwei Museen bekommen haben, dann muss ich genau diesen Entschließungs­antrag, der damals auch von den Regierungsparteien beschlossen wurde, nochmals einbringen.

Ich bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Markowitz, Petzner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umset­zung der Entschließung des Nationalrats vom 7. Juli 2010


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 187

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, die mehr­heitlich angenommene Entschließung des Nationalrats vom 7. Juli 2010 bis 31. De­zember 2011 umzusetzen und dem Nationalrat darüber zu berichten.“

*****

Ich freue mich hier auf breite Zustimmung, damit wir wirklich einmal darüber diskutieren können, wie es ausschaut, ob das finanziell möglich ist, damit nicht der nächste Direktor wieder den Hut nimmt, so wie das heuer der Fall war, und sagt: Es geht nicht mehr! Wahrscheinlich geht es da wieder um Kompetenzen, die untergraben wurden – wir kennen das alle.

Deswegen freue ich mich auf breite Zustimmung diesbezüglich, und wenn es dann soweit ist, können wir über alles reden. Aber hier, finden wir, brauchen wir zwei Museen, und vor allem geht es um ein gestärktes Österreich-Museum, das wir sehr gerne unterstützen werden. – Vielen Dank. (Beifall beim BZÖ.)

17.51

Präsident Fritz Neugebauer: Der eingebrachte Entschließungsantrag steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Markowitz, Petzner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umset­zung der Entschließung des Nationalrats vom 07.07.2010

eingebracht in der 113. NR-Sitzung am 07. Juli 2011, im Zuge der Debatte zu TOP 13, Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1567/A(E) der Abgeordneten Mag. Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung und Erhaltung von Volkskunde- und Völkerkundemuseum (1380 d. B.)

Am 7. Juli 2010 wurde folgende Entschließung von den Regierungsfraktionen beschlossen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, alle recht­lichen, organisatorischen, personalrechtlichen und finanziellen Vorkehrungen zu prüfen, die eine Zusammenführung des Museums für Völkerkunde und des Öster­reichischen Volkskundemuseums zum Museum NEU (Arbeitstitel) als eigenständige Einrichtung ermöglichen und dem Nationalrat darüber zu berichten.“

Anfang Mai 2011 wurde bekannt, dass das Österreichische Volkskundemuseum sich gegen eine Zusammenlegung mit dem Museum für Völkerkunde unter dem Dach des Kunsthistorischen Museums (zu dessen Verbund u.a. auch das Museum für Völkerkunde zählt) ausspricht. Die Leitung des Volkskundemuseums beharrte auf der Unabhängigkeit eines zusammengeführten Museums.

Der Entschließung vom 07.07.2010 wurde allerdings nie entsprochen. Weder dem Nationalrat, noch den Mitgliedern des Kulturausschusses wurden Evaluierungs­ergeb­nisse präsentiert. Auch bezieht sich die Entschließung nicht auf einen Zusam­menschluss unter dem KHM-Dach, sondern spricht eindeutig von einer „eigen­ständigen Einrichtung“.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 188

Es darf nicht sein, dass sich Mitglieder der österreichischen Bundesregierung über einen Beschluss des Nationalrats hinwegsetzen, ignorieren oder nach belieben interpretieren.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird aufgefordert, die mehrheitlich angenommene Entschließung des Nationalrats vom 07.07.2010 bis 31.12.2011 umzusetzen und dem Nationalrat darüber zu berichten.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Bundesministerin Dr. Schmied. – Bitte.

 


17.51.29

Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur Dr. Claudia Schmied: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich nehme die Aufträge des Parlaments sehr ernst, Herr Abgeordneter Zinggl, nur der Ent­schließungsantrag lautete nicht auf Gründung eines Bundesmuseums, sondern der Entschließungsantrag lautete: eigenständige Einrichtung. Und hier war zu prüfen, ob es um ein Bundesmuseum geht, das neu gegründet wird, in das Volkskunde- und Völkerkundemuseum eingebracht werden, oder um eine eigenständige Einrichtung im Kontext des Kunsthistorischen Museums.

Ich habe beide Varianten prüfen lassen – es war die Arbeitsgruppe Governance damit befasst, ich habe auch Rechtsanwälte damit befasst – und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ein rechtlich selbständiges Museum, ein eigenes Bundesmuseum, höhere laufende Kosten erfordert als eine Lösung im Verbund des Kunsthistorischen Museums. Und unter den budgetären Gegebenheiten habe ich daher befunden – und ich habe darüber, ich habe das auch noch einmal recherchieren lassen, im Oktober 2010 im Kulturausschuss und im Plenum und im März 2011 auch im Kulturausschuss berichtet –, dass die unter den derzeitigen budgetären Gegeben­heiten einzig realisierbare Variante jene ist, eine möglichst autonome Institution im Kontext und Verbund des Kunsthistorischen Museums umzusetzen. Das habe ich im Kulturausschuss im März 2011, das ist auch der Parlamentskorrespondenz zu entnehmen, entsprechend mitgeteilt.

Es haben dann sehr detaillierte Gespräche zwischen Volkskunde- und Völkerkunde­museum stattgefunden, um den wissenschaftlichen Autonomiegrad herauszuarbeiten. Es kam aber dann – das Volkskundemuseum wird in der Rechtsform eines Vereins geführt – zum Beschluss des Vorstands, dass das Volkskundemuseum nicht gemein­sam im Verband mit dem Völkerkundemuseum im Kunsthistorischen Museum zusam­mengeführt werden soll. Die Begründung lautete – ich darf zitieren –:

Die gewünschte inhaltliche und organisatorische Eigenständigkeit sei, so das Volks­kundemuseum, unter dem Dach des Kunstmuseums KHM nicht möglich und die Zusammenführung soll möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufge­nommen werden. – Das ist die Beschlusslage des Vorstandes des Volkskundemu­seums.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 189

Das heißt, der Status quo bleibt erhalten, die Kooperation wird intensiviert, so wird mir berichtet. Das ist der Punkt, den ich Ihnen schon, ich sage es noch einmal, in zwei Kultur­ausschüssen und auch im Plenum berichtet habe. Unter den gegebenen budgetären Bedingungen ist die Neugründung eines Bundesmuseums derzeit nicht machbar. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

17.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Hakel. – Bitte.

 


17.54.40

Abgeordnete Elisabeth Hakel (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Culturcentrum Wolkenstein, das Team Gesäuse Kreativ, das KiK Kultur im Ausseerland, das KULTurVIECH Rottenmann, der Kulturdachverband R*E*X, das alles sind Kulturinitiativen im ländlichen Raum, die einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Vielfalt und Kulturvermittlung leisten.

Jährlich werden Programme und Projekte der Kulturinitiativen österreichweit von rund 4 Millionen Menschen wahrgenommen. All diese Programme und Projekte wären aber nicht möglich, gäbe es nicht die zahlreichen Freiwilligen, die unermüdlich dafür arbeiten. Dass gerade im Bereich der Kunst, Kultur, Unterhaltung und Freizeit die meisten Freiwilligen arbeiten, bestätigt auch der Freiwilligenbericht des Sozialminis­teriums. Zu Recht machen auch viele Personen die Kulturarbeit zu ihrem Beruf – einem Beruf mit beschämender Entlohnung und noch schlechteren Arbeitsbedin­gungen. Das gehört natürlich, davon bin ich überzeugt, schleunigst verbessert und auf eine menschenwürdige Ebene gebracht.

Der einstimmig beschlossene Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP und Grünen ist ganz sicher ein Schritt in die richtige Richtung. Eine interministerielle Arbeitsgruppe soll sich jetzt mit der Situation der KulturarbeiterInnen befassen und so Grundlagen zur Situation der Kulturinitiativen und ihrer MitarbeiterInnen erarbeiten. So wird ein Gre­mium zur Verbesserung der sozialen Lage von KünstlerInnen geschaffen werden. Es ist daher nur sinnvoll, auch die Arbeitssituation von KulturarbeiterInnen in freien Kultur­institutionen zu untersuchen.

Es wird ganz sicher auch notwendig sein, in diesem Bericht eine detaillierte Beurteilung und Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der KulturarbeiterInnen auszuarbeiten, denn nur so wird es möglich sein, hier gezielte Maßnahmen zu treffen, damit ländliche Kulturinitiativen wie das Culturcentrum Wolkenstein, das Team Gesäuse Kreativ, das KiK Kultur im Ausseerland, das KULTurVIECH Rottenmann oder auch der Kulturdachverband R*E*X auch in Zukunft die Bevölkerung im ländlichen Raum mit kulturellen Programmen und Projekten versorgen und begeistern können. (Beifall bei der SPÖ.)

17.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Jury. – Bitte.

 


17.57.16

Abgeordneter Josef Jury (FPÖ): Sehr verehrte Frau Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat sich heute schon ein interessanter Dialog über die Zukunft des Volkskunde- und Völkerkundemuseums entwickelt. Nur eines muss ich sagen, Frau Abgeordnete Ablinger, wenn man Identität gleichsetzt mit Ausgrenzung und Abgrenzung, wie Sie das gemeint haben, und wenn das dann die österreichische Identität sein soll, dann bin ich damit nicht ganz einverstanden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Abg. Ablinger.)

Weil gerade das Volkskundemuseum eigentlich unsere ... (Abg. Ablinger: Wenn ich bestimme, was Identität ist, wenn ich bestimme, was unsere ...!) Ich sage, das ist die


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 190

kulturelle Identität Österreichs, und das muss man schon ... (Abg. Ablinger: Das ist eine einzige ...!) – Wir können jetzt nicht in einen Dialog treten, aber wir werden das einmal in einem nächsten Gespräch erörtern.

Dem Antrag des Abgeordneten Zinggl, wo es dann einen Abänderungsantrag gegeben hat, werden wir gerne zustimmen, weil es einfach wichtig ist, dass die Kulturinitiativen mit Kulturarbeitern und -arbeiterinnen gefüllt werden. Ich selbst habe in meiner Stadt eine Kulturinitiative, eine sehr aktiven Kulturinitiative, die ein Budget von zirka 120 000 € hat und sieben bis neun Leute über die Sommermonate beschäftigt, und ich sehe das als sehr wichtig an.

Es gäbe aber noch einen weiteren wichtigen Punkt, und das ist eine jahrelange freiheitliche Forderung, nämlich Kultur- und Kunstsponsoring einfach steuermäßig absetzen zu können. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Tadler.) Ich glaube, damit wäre den Kultur- und Kunstschaffenden in unserem Land am meisten gedient. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

17.59


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


17.59.21

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich begrüße diese gemeinsame Initiative, bei der es darum geht, die soziale und finanzielle Lage der freien Kulturinitiativen zu beleuchten. Ich denke, das ist etwas sehr Wichtiges.

Ich meine, es ist auch höchst an der Zeit, dass wir diese Bewertung durchführen beziehungsweise durchführen lassen – und zwar ressortübergreifend, damit wir wirklich ein umfassendes Bild bekommen, wie es denn all jenen geht, die draußen in unseren Gemeinden und auch in vielen Bereichen der urbanen Einrichtungen wirklich Kultur für die Menschen vorbereiten und umsetzen. Wie schaut es denn da aus im Förderwesen? Was bekommen die denn wirklich für ihre Arbeit? Können die auf Dauer diese Projekte, die sie initiiert haben, auch umsetzen? Wie schauen denn in Wirklichkeit ihre Arbeitsbedingungen aus? Und was ist der Mehrwert – zum einen für uns alle, andererseits vielleicht aber auch ganz gezielt für jene, die in diese Projekte integriert sind?

Ich möchte hier nur ein Beispiel bringen – ich selbst bin Mitglied von vielen Kultur­initiativen, aber es gibt eine, die ich bewundere –, es geht um den Theaterverein „Theater Delphin“; früher hat er „Kindertheater Delphin“ geheißen: Dieser beschäftigt sich mit integrativem Theater, mit behinderten Kindern und Jugendlichen. Mittlerweile sind diese jungen Menschen schon zu Erwachsenen herangereift, daher auch die Umbenennung in „Theater Delphin“. Es ist etwas unglaublich Wertvolles und Wichtiges, was da geleistet wird. Ich weiß, unter welch schwierigen Bedingungen diese Menschen arbeiten, ich weiß aber auch, wie motiviert sie sind und welch tollen Mehrwert sie für diese jungen Menschen und damit für uns alle erbringen.

Daher bin ich sehr froh, zu wissen, dass die Erkenntnisse aus all diesen Arbeiten jetzt zusammengefasst und gebündelt werden. Und man schaut sich auch ganz genau an, wie man in Zukunft ganz gezielt helfen kann, wo wir konkrete Hilfestellungen geben können. Und dass es nicht nur bei Empfehlungen bleibt, sondern Maßnahmen gesetzt werden, das hoffe ich, nein, ich bin sogar überzeugt, Frau Bundesministerin, dass wir dann auch konkrete Schritte setzen können, um mit diesem Thema beispielhaft voranzugehen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 191

Aus all diesen genannten Gründen unterstütze ich gerne diese Vorgehensweise. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)

18.01


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Petzner. – Bitte.

 


18.01.43

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! An die Ausführungen meines Vorredners anschließend: Auch wir begrüßen das. Leistung muss sich lohnen!, ist unser Motto, daher ist eine gerechte Bezahlung auch für den Bereich der Kulturarbeiter notwendig.

Eine Zahl: 4 Millionen € für 53 Kulturinstitutionen, vor allem in freier Trägerschaft. – Auch das zeigt, dass hier Handlungsbedarf gegeben ist. Daher auch unsere Unterstützung.

Wenn vorhin im Rahmen des Tagesordnungspunktes 13 über das Volkskundemuseum und das Völkerkundemuseum gesprochen wurde und Kollege Zinggl das auch mit der positiveren Entwicklung in Paris verglichen hat, dann muss man auch daran erinnern, dass wir nicht nur in diesem Bereich, wie Sie sagen, einen sehr großen Schatz haben, den man besser verwerten kann, sondern auch im Bereich der Freilichtmuseen.

Im steirischen Stübing gibt es das größte Freilichtmuseum Mitteleuropas. (Zwischenruf der Abg. Mag. Steßl-Mühlbacher.) Hier wurde vor einigen Monaten – vor der steiri­schen Landtagswahl – die Finanzierung seitens des Bundes in einem Entschließungs­antrag versprochen. Geschehen ist nichts, sodass jetzt wieder, wie Sie sagen, dieses größte Freilichtmuseum Mitteleuropas vor der Schließung steht.

Daher darf ich folgenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petzner, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Finanzierung des Freilichtmuseums Stübing

Der Nationalrat wolle entschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird in Zusammenarbeit mit den übrigen im Kuratorium vertretenen Ressortminister – Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und der Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung – aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine langfristige Finanzierung des Freilichtmuseums Stübing sicherzustellen.“

*****

(Beifall beim BZÖ.)

18.03


Präsident Fritz Neugebauer: Herr Kollege! Im Tagesordnungspunkt heißt es sehr konkret, dass wir über das Volkskunde- und Völkerkundemuseum reden. Sie beziehen sich auf Stübing, das ist ein völlig anderer Standort. (Abg. Scheibner: Ja, eh! – Abg. Ing. Westenthaler: Das trägt zur Volkskunde bei!) Nur bei großzügiger Auslegung, wenn wir über Museen insgesamt debattieren, würde ich diesen Antrag ausnahms­weise zulassen. (Beifall beim BZÖ.)

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 192

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petzner, Grosz, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Finanzierung des Freilichtmuseums Stübing

eingebracht in der 113. NR-Sitzung am 07. Juli 2011, im Zuge der Debatte zu TOP 13, Bericht des Kulturausschusses über den Antrag 1567/A(E) der Abgeordneten Mag. Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Aufwertung und Erhaltung von Volkskunde- und Völkerkundemuseum (1380 d. B.)

Trotz mehrheitlich angenommener Entschließung vom 7. Juli 2010 betreffend Fort­bestand des Freilichtmuseums Stübing, haben es die Verantwortlichen innerhalb eines Jahres nicht geschafft, ein langfristiges Finanzierungsmodell zu präsentieren.

Trotz des (Lippen)bekenntnisses aller Beteiligten, das Freilichtmuseum Stübing erhal­ten zu wollen, ist die Finanzierung nur noch für kommende Saison gesichert.

Nach der letzten Sitzung des Stifungskuratoriums Anfang Juli hieß es zwar, dass es noch heuer einen Beschluss über eine Fünf-Jahres-Finanzierung geben sollte, jedoch macht die Verwendung des Konjunktivs an dieser Stelle skeptisch und erinnert an die vielen leeren Versprechen über eine rasche Sicherstellung der Finanzierung des letzten Jahres.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle entschließen:

„Die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird in Zusammenarbeit mit den übrigen im Kuratorium vertretenen Ressortminister- Bundesminister für Finanzen, Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend, Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und der Bundesminister für Wissen­schaft und Forschung- aufgefordert, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eine langfristige Finanzierung des Freilichtmuseums Stübing sicherzustellen.“

*****

 


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Sacher. – Bitte.

 


18.04.30

Abgeordneter Ewald Sacher (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Frau Innenministerin! Wissen Sie, Frau Kollegin Unterreiner, ich diskutiere gerne mit Ihnen, weil mir die Diskussionen über Kulturfragen mit Ihnen die Möglichkeit geben, die ideologischen Unterschiede zwischen uns herauszuarbeiten, und die bestehen. Das ist das Erste, das ich Ihnen sagen wollte. Ich komme dann noch darauf zurück.

Und das Zweite ist, wenn Sie sagen, das Projekt „Museum NEU“ sei gescheitert, dann kann ich Ihnen sagen: Nein, das Projekt ist nicht gescheitert, der Plan ist nicht gescheitert! Er wartet nach wie vor auf seine Realisierung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Und ich könnte jetzt in einer Chronologie genau nachweisen, wie sich das entwickelt hat, aber die Frau Bundesministerin hat mir das schon abgenommen. Für manche wäre es gut, wenn man das wiederholen würde, dann würden auch sie es sich endlich merken. Aber die Frau Bundesministerin hat zwei Mal im Kultur­ausschuss – zuletzt im März, wie sie das hier auch schon gesagt hat – darüber


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 193

berichtet, dass die adäquate Rechtsgrundlage die Struktur im Kunsthistorischen Museum wäre.

Zum Dritten: Kollege Zinggl hat mich im Ausschuss gefragt, woher ich es hätte, dass das Volkskundemuseum selbst aus dem Projekt ausgestiegen sei. Am 26. April hat der Verein für Volkskunde mit diesem Schreiben an das Kunsthistorische Museum seinen Ausstieg begründet – wohl unter den gegebenen Umständen; das ist selbstverständlich richtig, was Sie gesagt haben. Ich füge hinzu: vorerst, hoffentlich nicht auf Dauer!, denn im selben Brief schreibt der Verein auch, dass er in Zukunft enger mit dem Völkerkundemuseum kooperieren wird, ein Netzwerk aufbauen wird. Und jetzt wörtlich zitiert aus diesem Brief:

Möglicherweise lässt sich das Projekt Museum NEU, das aus einer institutionellen Verknüpfung zweier Wissenschaften entstünde, zu einem späteren Zeitpunkt unter anderen Voraussetzungen aufnehmen.

Und wo sind nun unsere ideologischen Unterschiede? – Ihre Haltung ist aus unserer Sicht absolut nicht zeitgemäß. Ihre Deutung, ausschließlich die eigene Geschichte, die eigene Identität sozusagen darzustellen, ist nicht die unsere. (Zwischenruf der Abg. Mag. Unterreiner.) Sie wollen nicht, dass zugleich die Kulturen anderer, fremder Länder dargestellt werden, wir hingegen wollen ein Museum, das nicht abgrenzt, das nicht ausgrenzt, Frau Kollegin (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Mag. Unterreiner), das sich mit den Kulturen anderer Länder in einen Kontext setzt und das ein lebendiger Ort der Begegnung mit unterschiedlichen Lebenswelten ist, sehr geehrte Damen und Herren.

Wir setzen nicht auf künstliche Ausgrenzung, sondern auf ein innovatives Museum Neu, das eine Einladung zu einer aktiven und kritischen Begegnung mit den Kulturen ist.

In diesem Sinne lehnen wir Ihren Antrag ab, genauso wie den Entschließungsantrag, den Kollege Markowitz eingebracht hat, denn die Frau Minister hat eine ausreichende Begründung geliefert. (Abg. Markowitz – auf dem Sitzplatz des Abg. Bucher sitzend und dem Redner zuwinkend –: Hallo, hier!)

Und zu Stübing kann ich nur sagen, hier laufen Verhandlungen. (Abg. Markowitz: Kollege Sacher!) Es stimmt nicht, dass nichts geschieht, denn hier laufen Verhand­lungen. Daher ist auch dieser Antrag nicht notwendig. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

18.07

18.07.20

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe die Debatte.

Wir stimmen über jeden Ausschussantrag getrennt ab.

Zunächst gelangen wir zur Abstimmung über den 13. Punkt der Tagesordnung: Antrag des Kulturausschusses, seinen Bericht 1380 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Wenn Sie dem zustimmen, bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Markowitz, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Entschließung des Nationalrats vom 7. Juli 2010.

Wer diesen Entschließungsantrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Er findet keine Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 194

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Petzner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Sicherstellung der Finanzierung des Freilichtmuseums Stübing.

Wer diesen Antrag unterstützt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über Punkt 14 der Tagesordnung: Es ist dies der Antrag des Kulturaus­schusses, die dem Ausschussbericht 1381 der Beilagen angeschlossene Ent­schließung betreffend gerechte Bezahlung von KulturarbeiterInnen anzunehmen.

Wenn Sie dafür sind, bitte ich um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist einstimmig angenommen. (E 185.)

18.09.2515. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1260 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Kriegsmaterialgesetz geändert wird (1335 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zum 15. Punkt der Tagesordnung.

Die Debatte wird von Frau Abgeordneter Mag. Korun eröffnet. – Bitte, Frau Kollegin.

 


18.10.01

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste auf der Galerie! Das Kriegsmaterialgesetz ist schon ziemlich lange renovierungsbedürftig. Es ist erfreulich, dass endlich eine Novelle angedacht und angegangen wurde. Das hat aber hauptsächlich den Grund, dass der gemeinsame Standpunkt der EU betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie umgesetzt werden musste. In der Vorlage, die heute zum Beschluss ansteht, sehen wir allerdings keine vollkommene und schon gar keine perfekte Anwendung dieser gemeinsamen Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie. (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist schon perfekt?)

Es ist zunächst einmal nicht verständlich, warum das Kriegsmaterialgesetz einen eklatant schwächeren Kontrollstandard aufweisen soll als das Außenhandelsgesetz, das wir vor Kurzem hier im Haus beschlossen haben. Sie wissen alle, dass es dazu zwei grüne Entschließungsanträge gegeben hat, um den Waffenkontrollstandard zu heben, um die Kontrolle der Ein-, Durch- und Ausfuhr von Kriegsmaterial und von Waffen, die in militärischen Konflikten eingesetzt werden können, zu verschärfen, damit es nicht zu Menschenrechtsverletzungen kommt, damit mit Waffen, die in Öster­reich produziert wurden oder aus Österreich ausgeführt wurden oder durch Österreich durchgeführt wurden, nicht die Zivilbevölkerung terrorisiert wird, damit diese nicht in Kriegen eingesetzt werden.

Deshalb ist es nicht verständlich, warum man mit der gegenständlichen Vorlage zwei unterschiedliche Standards schafft, einen höheren Standard im Außenhandelsgesetz und einen eklatant niedrigeren Standard im Kriegsmaterialgesetz. Da es im Kriegs­materialgesetz um viel schwerere Waffen geht, um Kriegsmaterial und Kriegsgeräte, müsste der Kontrollstandard eigentlich entweder gleich oder noch höher sein. Es ist nicht einzusehen, warum nicht restriktivere Regelungen vorgesehen werden.

Zuerst einmal zu den Bewilligungskriterien: Die sehr laxen Bewilligungskriterien aus dem bisherigen Kriegsmaterialgesetz werden fast eins zu eins übernommen. Dann gibt es noch den scharf zu kritisierenden Punkt, dass, wenn es um die öffentliche Hand geht, keinerlei Bewilligungskriterien vorgesehen werden. Das heißt, wenn es die


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öffentliche Hand ist, wenn es beispielsweise das Verteidigungsministerium ist, das altes Kriegsgerät weiterverkaufen und ausführen will, dann gibt es keinerlei Bewilligungs­kriterien. Wir Grünen sind der Meinung, dass die Regierung bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial denselben Kriterien, denselben strengen Regeln und Kriterien, die andere Ausführende betreffen, unterliegen sollte.

Es gibt keine ausreichende Endverwendungskontrolle. Endverbraucher­bescheinigun­gen werden nicht zwingend vorgesehen, sondern es handelt sich nur um eine Kann-Bestimmung. Dass Waffenhändler mit Hilfe von Tochterunternehmen von EU-Unternehmen die Bestimmungen umgehen können, macht es möglich, einheitliche EU-Standards zu umgehen. Wir sind der Meinung, dass das geradezu ein Freibrief für ansässige Waffenhändler ist, die Standards, die die EU vorsehen will, zu umgehen, indem sie einfach durch ihre Tochterfirmen, die im Nicht-EU-Ausland angesiedelt sind, Waffen in Länder verkaufen, in denen Kriege geführt werden oder in denen Diktatoren diese Waffen und dieses Kriegsgerät gegen die eigene Bevölkerung einsetzen können.

Es gibt noch viele Punkte, aufgrund derer wir die vorgesehene Regierungsvorlage nicht annehmen können: unzulängliche Sanktionen, ungenügende Kontrolle, karge Melde­pflichten und vieles mehr. Wir hätten uns erwartet, dass ein einheitlicher Standard bei der Waffenhandelskontrolle geschaffen wird; das ist nicht der Fall.

Wenn Kriegsmaterial durch Österreich durchgeführt oder aus Österreich ausgeführt wird und dieses Kriegsmaterial, wie zum Beispiel derzeit im Fall von Libyen, durch Diktatoren gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird, dann werden die Personen und die politischen Kräfte, die dieses Gesetz heute leider beschließen werden, mit verantwortlich dafür sein! Deshalb plädieren wir dafür, dass die Regierungsvorlage in dieser Form nicht angenommen wird, keine Mehrheit bekommt und das Kriegs­material­gesetz in wesentlich verschärfter Form novelliert wird. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

18.14


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Fürntrath-Moretti. – Bitte.

 


18.15.01

Abgeordnete Adelheid Irina Fürntrath-Moretti (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Frau Korun, zu Beginn Ihrer Rede habe ich mir schon gedacht: So, endlich einmal ein Lob der Grünen! Sie haben die Novelle eingangs begrüßt – und dann war es doch kein Lob mehr für die Regierung und für die Novelle. Aber es gibt eben zwei verschiedene Auffassungen, Sie stehen mit Ihrer Auffassung allein da – alle anderen Fraktionen teilen offensichtlich dieselbe.

Mit der Umsetzung dieser EU-Richtlinie schaffen wir sehr wohl gemeinsame Standards bei der Verbringung von Kriegsmaterial innerhalb der Europäischen Union. Wesentlich ist: Die Pflichten bei der Ein-, Aus- und Durchfuhr von Kriegsmaterial sowie die Kontrolle werden genau festgelegt. Über alle Ein-, Aus- und Durchfuhren sind Auf­zeich­nungen zu führen.

Was muss nun aufgezeichnet werden? – Die Bezeichnung des Kriegsmaterials samt technischer Spezifikationen und entsprechender Nummerierung; Menge und Wert des Kriegsmaterials; Datum und Zweck der Verbringung; Name und Anschrift des Absenders, des Empfängers und gegebenenfalls des Endverbrauchers; Nachweise über die Einhaltung allfälliger Auflagen und Bedingungen sowie bestehender Infor­mationsverpflichtungen; allfällige Bescheide, Dokumente und Unterlagen. Außerdem sind Aufzeichnungen bei Einfuhren vom Empfänger, bei Ausfuhren vom Absender und bei Durchfuhren vom Bewilligungsinhaber oder Transporteur zu führen. Die Aufzeich­


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nungen sowie die dazugehörenden Geschäftspapiere sind jedenfalls fünf Jahre aufzu­bewahren.

Zur Endverbrauchskontrolle, Frau Korun: Die End-User-Zertifikate können nur durch eine staatliche Stelle ausgestellt werden. Dadurch soll natürlich auch sichergestellt werden, dass es zu keinem Weiterverkauf kommt. Alle Einfuhren sind vom Empfänger, alle Ausfuhren vom Absender unter Angabe der vorgeschriebenen Informationen der Bundesministerin für Inneres unverzüglich zu melden. Ist der Meldepflichtige ein berech­tigter Gewerbetreibender, genügt eine jährliche Sammelmeldung.

Sehr geehrte Damen und Herren, durch die Umsetzung dieser EU-Richtlinie erweitern wir die Kontrolle, da auch alle Organe des Sicherheitsdienstes einbezogen werden können. Ich bitte um Ihre Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.17


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill. – Bitte. (Abg. Windbüchler-Souschill: Falsch gemeldet!)

Auf der Liste steht Kollegin Windbüchler-Souschill. (Abg. Windbüchler-Souschill: Ich verzichte!)

Dann gelangt als nächste Rednerin Frau Abgeordnete Lueger zu Wort. – Bitte.

 


18.18.00

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte KollegInnen des Hohen Hauses! Der Entwurf des Bundesgesetzes, mit dem das Kriegsmaterialiengesetz geändert werden soll, ist zunächst einmal nur eine Auslegung, dass wir eine EU-Richtlinie umlegen. Maßnahmen zur Vereinfachung der Vorschriften und der Verfahren für die Verbringung von Verteidigungsgütern innerhalb Europas, das ist die zentrale Überschrift dieses Gesetzes. Es gilt für alle Verteidigungsgüter gemäß der gemeinsamen Militärgüterliste innerhalb der EU. National müssen wir diese EU-Richtlinie – so wie auch Kollegin Korun gesagt hat – im Außenhandelsgesetz, aber auch im Kriegsmaterialiengesetz umlegen. Vorschriften dafür müssen wir bis 30. Juni 2011 erlassen, und sie sollten ab 30. Juni 2012 zur Anwendung kommen.

Für die Verbringung von Kriegsmaterialien aus Österreich in einen anderen Mitglied­staat gibt es zweierlei Bewilligungen. Es gibt einerseits die Globalbewilligung, wie es sie auch jetzt schon gegeben hat, wobei konkret der Empfänger innerhalb der EU während eines Zeitraums von drei Jahren Inhaber einer Gewerbeberechtigung für das Waffengewerbe ist. Aber es gibt auch die Einzelbewilligungen; diese gab es schon vorher, und es gibt sie auch weiterhin. Sie sind jederzeit widerrufbar, und man kann sie auch jederzeit an Auflagen knüpfen. Dabei geht es immer um die Verbringung von Verteidigungsgütern, die kein Gegenstand des Kriegsmaterialiengesetzes sind, denn diese werden ja dann im Außenhandelsrecht geregelt.

Die Ausfuhrbewilligung eines EU-Mitgliedstaats soll für die gesamte EU Gültigkeit haben, und das führt schon zu einer Vereinfachung. Einerseits für die Durchfuhr durch die einzelnen Mitgliedstaaten innerhalb der EU, andererseits für die Einfuhr innerhalb der EU sollen in Zukunft keine zusätzlichen Bewilligungen mehr benötigt werden. Per­sonen, welche die Ausfuhr an Drittländer beantragen, müssen sehr wohl einen Bericht ans BMI über die Ausfuhrbeschränkungen, die in anderen EU-Mitgliedstaaten gelten, machen.

Bei der Verbringung von Drittstaaten aus, nach und durch Österreich gibt es keine Änderungen gegenüber der jetzigen Rechtslage. Dieser Entwurf sieht eine unver­bindliche Auskunftserteilung und zusätzlich eine Anpassung und eine Optimierung der Melde- und Auskunftspflichten sowie auch der Kontrollbefugnisse vor. Das ist der Grund, warum wir dem zustimmen wollen, weil ich denke, dass es innerhalb des


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gemeinsamen Europas diesbezüglich auch eine Vereinfachung geben sollte. (Beifall bei der SPÖ.)

18.21


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte.

 


18.21.04

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Natürlich gilt es hier, die entsprechenden EU-Richtlinien umzusetzen. Die Kriterien der Sicherheit und der Kontrolle sind dabei absolut zu wahren. Immerhin handelt es sich dabei um Kriegsmaterial, und das muss auch entsprechend sicher und kontrollierend behandelt werden.

Da ist es auch wichtig, dass im Rahmen dieser Sicherheit die entsprechenden Stellen vorhanden sind, insbesondere auch Behörden und Polizeidienststellen. Es ist auch notwendig, für diese Sicherheit vorzusorgen.

Ich darf daher folgenden Entschließungsantrag einbringen:

„Der Nationalrat wolle beschließen:

‚Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, zusätzliche Planstellen der Exe­kutive in Krems zuzuweisen und mit diesem Personal eine Polizeiinspektion in der Kremser Innenstadt einzurichten.‘“

*****

Das ist eine Forderung, die jetzt auch die SPÖ erhoben hat, sogar mit Unterschriften. Dem Vernehmen nach sei sie daran interessiert, diesen Antrag nicht zur Abstimmung zu bringen – was ich an sich überhaupt nicht verstehen kann, da dies das eigene Anliegen ist. (Abg. Ing. Westenthaler: Weil es nicht dazupasst!)

Es hat natürlich mit Sicherheit zu tun. Ich vertraue darauf, dass der Herr Präsident, wie er selbst beim vorigen Tagesordnungspunkt gesagt hat, derjenige ist, der auch die Anträge großzügig auslegt. In diesem Vertrauen, Herr Präsident, darf ich auch diesen Entschließungsantrag vertrauensvoll in Ihre Hände legen, denn es geht um die Sicherheit und Kontrolle wie im Kriegsmaterialiengesetz. (Beifall bei der FPÖ.)

18.22


Präsident Fritz Neugebauer: Der Entschließungsantrag ist vertrauensvoll bei mir eingelangt. Bei aller Großzügigkeit kann ich eine Nähe zum Thema leider nicht erkennen. Hier geht es um eine Personalgestion einer Polizeistation; wir behandeln allerdings das Kriegsmaterialgesetz. Daher steht dieser Entschließungsantrag nicht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler. – Bitte.

 


18.23.07

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Herr Präsident! Ich muss Ihnen da zustimmen, das ist natürlich völlig richtig bewertet. Tut mir leid, Kollege Rosenkranz, auch wenn ich inhaltlich vollkommen bei Ihnen bin: Polizeistation in Krems – jederzeit, und wo Sie noch wollen, wir werden überall zustimmen, wir sind für mehr Polizei­stationen. Aber was Polizeistationen mit dem Krieg und mit dem Kriegsmaterialgesetz zu tun haben – außer Sie würden jetzt sagen, wir rücken die Exekutive in die Nähe von kriegerischen Handlungen (Abg. Riepl: Da haben wir immer mehr Vorbestrafte, da


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 198

brauchen wir mehr Polizei! – weitere Zwischenrufe) –, nein, das passt nicht. Da hat der Präsident schon richtig entschieden.

Ja, auch wir sind für die Umsetzung dieser Richtlinie, das ist ja völlig korrekt. Frau Kollegin Korun, ich verstehe eigentlich nicht, warum Sie da nicht mitgehen können – außer dass Ihre grün angehauchten NGO-Organisationen international natürlich mit allem, was mit Kriegsmaterial, mit Verteidigungsgütern zu tun hat, nicht einverstanden sind und krampfhaft immer wieder irgendwelche Argumente suchen, damit Sie dage­gen stimmen können.

Die Argumente sind in dem Fall wirklich sehr, sehr schwach, denn ausnahmsweise handelt es sich hier um eine EU-Richtlinie, die eine Vereinfachung bringt, zum Teil auch eine Entbürokratisierung, ja sogar für Einsparungen beim Status quo sorgt. Das ist ja etwas Positives, das muss man auch so sehen. Und, Frau Kollegin Korun, nur zur Aufklärung: Der überwiegende Teil der angesprochenen Verteidigungsgüter sind eben nicht Kriegsmaterialien – das ist nur ein kleiner Teil – und sind daher sehr, sehr streng im Außenhandelsrecht geregelt – sehr, sehr streng!

Oder auch, wenn Sie die Zertifizierung derjenigen Unternehmen in Österreich heran­ziehen, die für diese Materialien überhaupt in Frage kommen, für die Verteidigungs­güter inklusive der Kriegsmaterialien: Das wird auch im Außenhandelsrecht bereits viel strenger als in vielen anderen Ländern geregelt.

Ich verstehe daher nicht, warum man da nicht zustimmen kann. Wir tun es jedenfalls. Vereinfachung ist richtig, daher stimmen wir heute gerne zu. (Beifall beim BZÖ.)

18.24


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte.

 


18.24.58

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Erfolgsgeschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg ist für mich vor allem eines: ein starker Beweis für die Bedeutung von Frieden und Freiheit für das Wohl der Menschen. Dass Europa eine Friedens- und Freiheitsunion ist, bedeutet jedoch auch, dass wir einen gemeinsamen, verantwor­tungs­vollen und realistischen Umgang mit zur Landesverteidigung notwendigen Gütern und Materialien finden müssen. Es ist daher nur richtig und auch sinnvoll, administrierbare Regelungen für die Verbringung von Kriegsmaterialien von Österreich in einen anderen EU-Mitgliedstaat aufzustellen.

Grundsätzlich gilt – das wurde heute schon mehrmals gesagt –, es muss eine Erlaubnis in Form einer globalen oder einer Einzelbewilligung erteilt werden. Global­bewilligungen können nur zur Ausfuhr an konkret angeführte Empfänger in der Europäischen Union ausgestellt werden und gibt es nur für Inhaber einer entsprechen­den Gewerbeberechtigung. Die Genehmigung ist für maximal drei Jahre gültig und kann jederzeit widerrufen werden.

Meiner Überzeugung nach ist wichtig, dass Atom-, biologische oder chemische Waffen von dieser globalen Ausfuhrbewilligung generell ausgenommen sind. Auch zukünftig wird es möglich sein, Einzelbewilligungen auszustellen. Diese sind vor allem dazu da, schnell auf geänderte politische und völkerrechtliche Situationen reagieren zu können.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie bereits erwähnt geht es bei der Novelle des Kriegswaffengesetzes um eine Vereinheitlichung der europäischen Regelungen. Es ist daher nur logisch, dass Ausfuhrgenehmigungen eines Mitgliedstaates im gesamten EU-Bereich Gültigkeit haben. Für die Durchfuhr durch einen Mitgliedstaat muss damit keine neue Genehmigung mehr eingeholt werden.


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Positiv zu vermerken ist, dass, wenn beim Innenministerium ein Antrag zur Ausfuhr von Kriegsmaterial in ein Nicht-EU-Land gestellt wird, das Innenministerium vom Antrag­steller informiert werden muss, ob es in einem anderen EU-Mitgliedstaat Ausfuhrbe­schränkungen gibt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Die Ausfuhr und Verbringung von zur Landesverteidigung benötigten Gütern EU-weit einheitlich zu regeln, ist sinnvoll. Gerade bei einem so sensiblen Thema wie Kriegsmaterialien ist ein verantwortungs­voller Umgang mit administrierbaren Regeln von großer Bedeutung. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.27


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Fazekas. – Bitte.

 


18.27.53

Abgeordneter Hannes Fazekas (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn wir im Zusammenhang mit dem Kriegsmaterialgesetz darüber diskutieren, wie die Regelung innerhalb der Euro­päischen Union zu handhaben ist, darf ich darauf verweisen, dass gerade Österreich in den siebziger Jahren mit dem Kriegsmaterialgesetz eine sehr wichtige Vorreiterrolle bei der Regelung in dieser Form eingenommen hat. Die Bestimmungen verhalten die Behörden zu genauen Prüfungen, und die nehmen diese auch sehr verantwortungs­bewusst wahr.

Natürlich kann es immer Entwicklungen geben, die den Schluss zulassen, dass in ein Land keine Waffen zu verbringen sind. Das wäre aber nur dann völlig verhinderbar, wenn es grundsätzlich gar nicht die Möglichkeit gäbe, auf der einen Seite Waffen zu erzeugen und andererseits damit auch zu handeln. Aber dafür ist aus auch aus meiner Sicht nachvollziehbaren Gründen in der gesamten Welt kein ausreichender politischer Wille vorhanden.

Auch in Österreich sind damit zahlreiche Betriebe verbunden, die in hoher Qualität auch Jagdwaffen und Waffen für Sportzwecke und für zivile Einsatzorganisationen erzeugen, damit einhergehende Präzisionsgeräte produzieren und Tausenden Men­schen Arbeit geben. – Das ist auch festzuhalten.

Daher ist es umso notwendiger, dass die Bestimmungen sehr restriktiv gehandhabt werden und in diesem Fall auch die Bemühungen darum weitergehen müssen, dass es auf europäischer Ebene zum Beispiel zu einem gemeinsamen Monitoring aller Waffen­geschäfte kommt.

Ich sehe auch den Auftrag der Politik nicht unbedingt darin, die Waffenproduktion gänzlich aufzugeben – denn das wird, obgleich man aus ideologischen Gründen dafür eintreten kann, nicht erreichbar sein –, sondern darin, dafür zu sorgen, dass der illegale Handel unterbunden wird, und sich dafür einzusetzen, Gesetzgebung und Kontrolle in der Form zu stärken, dass wir künftig in der gesamten Europäischen Union mehr Klarheit über alle Waffengeschäfte erhalten.

Hier und heute ist mit dieser Bestimmung, glaube ich, eine Vereinfachung bei der Administration des Kriegsmaterialgesetzes gegeben. Daher ist dem auch entsprechend zuzustimmen. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

18.29

18.30.01

 


Präsident Fritz Neugebauer: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1260 der Beilagen.


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Wer für diesen Entwurf ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist mit Mehrheit be­schlos­sen.

Wir kommen zur dritten Lesung.

Wenn Sie auch in dritter Lesung Ihre Zustimmung geben, bitte ich Sie um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Entwurf ist somit auch in dritter Lesung ange­nommen.

 

18.30.5216. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regie­rungs­vorlage (1122 d.B.): Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen (1336 d.B.)

17. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1144 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1337 d.B.)

18. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1145 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hub­schrauber-Rettungsdienst (1338 d.B.)

19. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1146 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1339 d.B.)

20. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1147 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauberdienst (1340 d.B.)

21. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1148 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über Hubschrauberdienste (1341 d.B.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 201

22. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1150 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1342 d.B.)

23. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Regierungs­vorlage (1151 d.B.): Kündigung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst (1343 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen nun zu den Punkten 16 bis 23 der Tagesordnung.

Wir führen die Debatte unter einem durch.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Die Debatte eröffnet Herr Abgeordneter Dr. Strutz. – Bitte.

18.31.45

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Parlament! Unter diesen Tagesordnungspunkten diskutieren wir zwei Angelegenheiten, darunter eine positive, nämlich das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweiz.

In diesem Abkommen geht es um Vereinfachung der Verfahren bei Ambulanz- und Rettungsflügen. Es ist angesichts der starken Zunahme des Reiseverkehrs zwischen Österreich und der Schweiz sicherlich richtig, die schnelle Heimholung von verun­glückten Personen sicherstellen und rasch abwickeln zu können. Mit diesem Abkom­men sollen Verzögerungen, die das Leben von vor allem im alpinen Bereich verunglückten Personen oder die Gesundheit der Betroffenen gefährden, vermieden werden. Es ist dies eine sinnvolle Erleichterung für Ambulanz- und Rettungsflüge zwischen Österreich und der Schweiz. Wir stimmen dem natürlich zu.

Der zweite, eher problematischere Bereich ist die Kündigung der Vereinbarung zwischen dem Bund und den Ländern über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst. Sie alle wissen von und kennen den gelben Hubschrauber-Rettungsdienst des ÖAMTC oder in einigen Ländern auch den des Roten Kreuzes, der in Notfällen ausrückt.

Wegen 4 Millionen € wird diese gute und positive Einrichtung, die perfekt funktioniert hat, die zur Zufriedenheit aller funktioniert hat, jetzt mutwillig gekündigt. Das sind in Wirklichkeit Auswirkungen des Sparpakets. Es sind Auswirkungen dessen, dass wir hunderte Millionen € nach Griechenland überweisen (Ruf bei der SPÖ: Und nach Kärnten!), aber für den Rettungshubschrauber – und Sie können sich darüber auch noch lustig machen! –, der täglich Leben von auf der Autobahn verunglückten Per­sonen und von Personen rettet, die im alpinen Bereich in Not geraten sind, haben wir keine 4 Millionen € übrig. Das ist beschämend! (Beifall bei der FPÖ.)

Hohes Haus, beschämend ist vor allem auch, wie es zu dieser Kündigung gekommen ist. Ich habe schon gesagt, dass die Praxis, die Zufriedenheit der Bundesländer und der Standard des ÖAMTC, der vom Bund beauftragt worden ist, sehr gut waren. Der


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ÖAMTC hat sich vor einigen Jahren gemeldet und gesagt, dass er nicht mehr kostendeckend arbeiten kann, weil jährlich Verluste von 4 Millionen € entstehen.

Dann haben Frau Innenminister Fekter und Herr Stöger sozusagen zu arbeiten begonnen und versucht, eine Einigung zwischen dem ÖAMTC und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger herzustellen. Das Ergebnis war, dass man eine Aus­schrei­bung gemacht hat, die man aber so gestaltet, dass sich niemand beworben hat. Das muss man sich einmal vorstellen! Das sind nämlich in Wirklichkeit Knebelverträge gewesen, und es hätte in Wirklichkeit alles in einem Ho-Ruck-Verfahren durchge­peitscht werden sollen.

Ich halte hier auch ausdrücklich fest, dass es aus meiner Sicht eine ganz bewusste und gezielte Aktion der Frau Innenminister gewesen ist, die sehr geschickt versucht hat, die Kosten auf die Länder überzuwälzen, was natürlich nicht sinnvoll ist, weil die Länder zwar technisch im Prinzip in der Lage sind, die Notfall-Versorgung mit Rettungshubschraubern weiterhin sicherzustellen, und das werden sie auch tun, allerdings alles auch viel teurer wird. Es wird ausgeschrieben werden, es wird aus­ländische Anbieter geben. Wir haben ja schon einen Fall in Tirol gehabt, wo sich bei der Ausschreibung des bodengebundenen Rettungswesens ein ausländischer Betrei­ber als Einziger gemeldet hat, der dann auch zum Zug gekommen ist. Das Budget hat sich dramatisch ausgeweitet.

Wir befinden uns also in einer Situation, in der man mutwillig eine gute Lösung, die funktioniert hat, zerstört hat, in der wir nunmehr in Kauf nehmen müssen, dass eine unbefriedigende Lösung zustande kommt, dass ausländische Anbieter in Österreich zum Zug kommen werden, dass weniger Qualität in diesem heiklen Bereich gegeben sein wird, dass wir einen erhöhten Budgetbedarf haben und am Ende also eine Lösung haben, auf die die Bevölkerung zukünftig in Wirklichkeit nicht vertrauen können wird.

Dass die Frau Innenminister den schwarzen ÖAMTC zugunsten des roten Haupt­verbandes geopfert hat, der nicht mehr mitzahlen wollte, ist die eine Geschichte. Wir stimmen dieser Kündigung einer guten Lösung, einer Zusammenarbeit mit den Ländern, die in Wirklichkeit den in Not geratenen Menschen, den Unfallopfern zugute­gekommen ist, nicht zu, weil es eine falsche Lösung ist, weil es eine sinnlose Lösung ist, die unterm Strich wertlos sein wird. (Beifall bei der FPÖ.)

18.36


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Kößl. – Bitte.

 


18.37.06

Abgeordneter Günter Kößl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Herr Kollege Strutz, Sie haben das nicht gut recherchiert. Eines muss man vielleicht vom Ablauf her klarstellen: Im Jahre 1984 hat das Innenminis­terium im Einvernehmen mit den Ländern die Flugrettung übernommen, und zwar deshalb, weil das Innenministerium die einzige Organisation war, die in der Lage gewesen ist, diese Flugrettung flächendeckend anzubieten. In dem Zusammenhang sind dann die Artikel-15a-Vereinbarungen getroffen worden.

Klar ist, dass das gesamte Rettungswesen eine Angelegenheit der Länder ist. Das Innenministerium hat die Flugrettung bis ins Jahr 2000 hinein betrieben. Im Jahr 2000 hat es dann einen Vertrag mit dem ÖAMTC gegeben. Ich bin deiner Meinung, dass diese Notarzthubschrauberflotte des ÖAMTC an und für sich eine wirklich ausge­zeichnete Arbeit geleistet hat. Insgesamt wurden bis heute rund 210 000 Einsätze geflogen, im Jahr 2010 rund 12 000 Einsätze. Das ist eigentlich gar nicht mehr wegzu­denken.


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Es muss aber auch klar sein, dass der ÖAMTC diesen Vertrag aufgelöst hat, dass es zu keiner Verlängerung mehr gekommen und dass ... (Abg. Dr. Strutz: Wer hat denn den Vertrag nicht mehr verlängert?) – Nein! Es ist zu keiner ... (Abg. Dr. Strutz: Das Innenministerium hat den Vertrag nicht mehr verlängert!) – Nein! Bitte, lass mich ausreden! Hör einmal zu! Es ist zu keiner Vertragsverlängerung gekommen. Die Inter­essen der Länder sind natürlich auch ganz andere. In den Verhandlungen sind die Interessen des Bundes auf der einen Seite und jene der Länder auf der anderen Seite ebenfalls nicht mehr koordinierbar gewesen. Aus diesem Grunde ist es zur Vertrags­auflösung gekommen. Die Flugrettung und die Notarzthubschrauber-Einsätze sind derzeit in ganz Österreich flächendeckend im gleichen Ausmaß gewährleistet.

In Niederösterreich hat es bereits 2008 Verträge mit dem ÖAMTC gegeben, nach denen von drei Stützpunkten in Wiener Neustadt, in Krems und in Ybbsitz aus und von Wien aus das Umland von Wien bedient werden. Es ist also heute von den Ländern her eine flächendeckende Versorgung gegeben. Davor waren es das Innenministerium und der ÖAMTC, die diese gesichert haben.

Ich bitte jedoch, nicht zu behaupten, dass das Innenministerium, die Frau Innen­minister oder sonst irgendwer etwas getan hat. Es ist zu keiner Vertragsverlängerung mehr gekommen, weil die Interessen auseinandergedriftet sind, und es ist eine Ange­legenheit der Länder. – Das muss uns klar sein, und genau dem ist Rechnung getragen worden.

Ich bin auch sehr froh darüber, dass es das Abkommen zwischen der Schweiz und Österreich gibt. Bürokratie hat bei der Hilfeleistung nichts verloren. Ich halte es für sinnvoll, dass nicht Austro Control, Innenministerium und Landesverteidi­gungsministe­rium bemüht werden, wenn es zu solchen Einsätzen kommt. Daher ist es sinnvoll, dass es dieses Abkommen gibt. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Strache: Applaus für den letzten Teil!)

18.40


Präsident Fritz Neugebauer: Nunmehr gelangt Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner zu Wort. – Bitte.

 


18.40.50

Bundesministerin für Inneres Mag. Johanna Mikl-Leitner: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich darf in das gleiche Horn stoßen wie Herr Nationalratsabgeordneter Kößl und möchte das eine oder andere, was Herr Abgeordneter Strutz gesagt hat, widerlegen.

Herr Abgeordneter, in einem sind wir uns zweifelsohne einig, dass nämlich gerade der Flugrettung eine ganz wesentliche und zentrale Rolle zukommt. Jede und jeder von uns kennt jemanden, dessen Leben die Flugrettung gerettet beziehungsweise dem sie in einer Notsituation Unterstützung gebracht hat.

Faktum ist aber auch, dass in den achtziger Jahren das Bundesministerium aufgrund der Infrastruktur des BMI diese Aufgabe übernommen hat. Faktum ist auch, dass im Jahr 2000 der ÖAMTC diese Aufgabe im Namen des Innenministeriums übernommen hat. Faktum ist auch, dass es per 31. Dezember 2010 zu einer Kündigung gekommen ist. Natürlich war es wichtig und notwendig, eine Versorgungsgarantie bezie­hungs­weise Versorgungssicherheit gewährleisten zu können.

Es wurde mit sehr viel Kraftanstrengung, mit großer Intensität an einer bundes­einheitlichen Lösung gearbeitet. Ich sage hier auch ganz klar: Trotz aller Bemühungen kam es leider nicht zu einer derartigen bundeseinheitlichen Lösung. Ich sage aber auch ganz klar, dass es ja nicht mit allen Bundesländern Lösungen gab, sondern


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 204

dass es gerade in den achtziger Jahren mit allen außer mit Niederösterreich und dem Burgenland eine Vereinbarung gegeben hat.

Faktum ist auch, dass wir jetzt sagen können, dass die Bundesländer diese Kern­kompetenz, ihre ureigenste Kompetenz für das Rettungswesen in die Hand genom­men, individuelle Lösungen gesucht und gefunden haben, wodurch auch die Versor­gungssicherheit gewährleistet ist. Verunsichern und polemisieren Sie jetzt da also nicht! Die Länder haben ihre Verantwortung wahrgenommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Viele Verträge sind unter Dach und Fach, der eine oder andere ist kurz vor dem Abschluss. Es ist alles gewährleistet, und wir seitens des Innenministeriums stehen selbstverständlich für jede Unterstützung zur Verfügung, wenn es um Kriseneinsätze, Katastropheneinsätze geht.

Wir können also sagen: Von Ländern und Bund wurde ein Paket geschnürt, mit dem wir wirklich die Versorgungsgarantie übernehmen können. Geben wir lieber den Menschen die Sicherheit, dass sie versorgt sind, und polemisieren wir nicht, so wie Sie das tun, Herr Abgeordneter! (Beifall bei der ÖVP.)

18.43


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pirklhuber. – Bitte.

 


18.43.43

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Meine Damen und Herren! Eine seltene Gelegenheit, dass ich Kollegen Strutz in Schutz nehmen muss, und zwar vor der Frau Bundesministerin. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Strache: Das muss man beklatschen!)

Meine Damen und Herren, von wegen „Polemik“ – in dieser Angelegenheit ist es ja mehr als frappant –: Wir haben im öffentlichen Bereich überall den Aufruf zu Effizienzsteigerung, zu Einsparungen. Und gerade hier, in einem hochsensiblen und wichtigen Bereich, stellen Sie sich hin und sagen: Das ist alles Polemik. Wenn Sie jetzt als Bundesministerin die Länder kritisiert hätten, das hätte ich ja noch verstanden. Sie haben erwähnt, dass Niederösterreich schon lange ausgeschert ist. Es gibt eine Studie des Landes Niederösterreich, und zwar der Niederösterreichischen Gebietskranken­kasse, und die besagt ganz klar: Es würden 16 Standorte in Österreich ausreichen, derzeit sind es 39. Für den Steuerzahler wird diese Verländerung also auf jeden Fall teurer, ohne dass es mehr Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land gibt. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

Das ist auch der Grund dafür, warum wir der Kündigung natürlich nicht zustimmen werden. Ich verstehe nicht, wie Sie das auch noch verteidigen können, Frau Bundes­ministerin. Aus Bundessicht hätten man sagen müssen: Unglaublich! Die Länder fan­gen immer mehr an, am eigenen Dünkel zu arbeiten, ohne die Effizienzsteigerung in den Mittelpunkt zu stellen. Das ist Faktum.

Der andere Aspekt ist klar: Wenn ein Bundesvertragsnehmer wie der ÖAMTC mit sinkender Auslastung zu tun hat, erreicht er dadurch eben weniger Kostendeckung und gerät so in eine Krise, in eine Schere. Es geht also auch hier wieder um die Länder und die privaten Anbieter, die deutlich mehr geworden sind. Es geht aber auch um die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger. Das muss man dazusagen. In Tourismusregionen – man kann darüber ja ordentlich und auch ausführlich diskutieren, keine Frage – gibt es Erwartungsdruck. Es ist aber auch einfach ein Problem, wenn für jede problematische Situation immer gleich der Hubschrauber angefordert wird. Das sind heikle Fragen, die ganz konkret vor Ort diskutiert gehören.


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Wir hätten uns erwartet, dass die Arbeitskreise, die vom Gesundheitsressort gestartet worden sind, stärker, früher, zeitgerechter, effizienter ausgerichtet gewesen wären, damit es eben rascher zu einer Lösung gekommen wäre. So sind die Länder schritt­weise abgebröckelt und haben begonnen, an eigenen Lösungen zu basteln. In Summe wird es den Steuerzahler deutlich mehr kosten. Es ist schade, Frau Bundesministerin, dass Sie das nicht verhindern konnten.

Das Abkommen mit der Schweiz in Bezug auf Ambulanz- und Rettungsflüge ist sinnvoll. Daran sieht man: Dort, wo es Koordination gibt, kann man auch Kosten, kann man auch Bürokratie abbauen und für mehr Sicherheit sorgen. Das ist im Sinne der Bürgerinnen und Bürger sowohl der Schweiz als auch Österreichs. Diesem Teil des Antrags werden wir zustimmen. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

18.46


Präsident Fritz Neugebauer: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Königsberger-Ludwig. – Bitte.

 


18.46.55

Abgeordnete Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Man muss jetzt schon klarstellen, dass diese Kündigung nicht vonseiten des Bundes ausgegangen ist, sondern dass der ÖAMTC 2008 diese Kündigung der Rettungsflüge ausgesprochen hat. Es hat eine Lösung geben müssen, damit man gewährleisten kann, dass auch in Zukunft die Menschen Hilfe erhalten, wenn sie Hilfe brauchen.

Es ist auch so – und das wissen auch die Herren von den Oppositionsparteien –, dass es sehr wohl viele Gespräche mit den Ländern gegeben hat, dass es aber keine ein­heitliche Lösung gegeben hat. Jetzt sind dann eben die Bundesregierung und auch die Frau Ministerin vor der Tatsache gestanden, dass man eine Artikel-15a-Vereinbarung hat, die aufgrund der nicht eingetretenen bundeseinheitlichen Lösung aber eigentlich keine Gültigkeit mehr hat, weil die Artikel-15a-Vereinbarung darauf beruht, dass das Rettungswesen in der Kompetenz der Länder liegt.

1984 sind, wie das Kollege Kößl schon ausgeführt hat, diese Vereinbarungen be­schlossen worden, weil das BMI das Gerät zur Verfügung gestellt hat und auch zum Teil die Piloten, die Länder aber ihre ureigenste Aufgabe in Länderkompetenz zu verantworten hatten.

Sie wissen auch, Herr Kollege Strutz, dass es „nur“ – unter Anführungszeichen – sieben Bundesländer gewesen sind, die diese Vereinbarung unterschrieben haben. Es hat also nie eine bundeseinheitliche Lösung gegeben. Jetzt war eben die Tatsache gegeben, dass man eine neue Lösung finden hat müssen. Die Aufkündigung der Artikel-15a-Verträge, die wir heute hier beschließen, ist auch dazu da, eine Kompetenz dorthin zurückzugeben, wo sie hingehört, nämlich zu den Ländern.

Ziel muss es sein, auch in Zukunft – und das hat auch die Frau Ministerin schon gesagt – eine flächendeckende Versorgung zu gewährleisten, damit auch in Zukunft Hilfe geleistet werden kann, wo Hilfe ganz, ganz nötig ist. Wenn man sich vor Augen hält, wie oft und in welch großer Anzahl Rettungsflüge durchgeführt werden, nämlich so zirka 35 pro Tag, dann weiß man auch, von welcher Größenordnung wir da sprechen und dass es wirklich wichtig ist, dass es da Lösungen gibt.

Wir sollten nicht schwarzmalen, sondern einfach daran arbeiten, dass jedes Bun­desland eine Versorgung anbieten kann, so wie das auch in der Vergangenheit gewesen ist, damit Hilfe auch in Zukunft gewährleistet werden kann.

Hinsichtlich des zweiten Antrags, das Übereinkommen zur Flugrettung zwischen Österreich und der Schweiz betreffend, bin ich der Meinung, dass das eine sehr gute


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Lösung ist, weil durch eine Definition klargestellt wird, was Ambulanz- und Rettungs­flüge sind, weil klargestellt wird, dass auch abseits von Flugplätzen gelandet und dadurch dort, wo sie gebraucht wird, noch rascher Hilfe geleistet werden kann. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

18.49


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Doppler. – Bitte.

 


18.49.46

Abgeordneter Rupert Doppler (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Die Flugrettung ist ganz wichtig. Dabei ist die Sicherheit oberstes Gebot, meine sehr verehrten Damen und Herren, das steht außer Frage! Was hier jedoch aufgeführt wurde, ist alles nicht in Ordnung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Im Jahre 1984 übernahm das Innenministerium die Flugrettung in sieben Bundes­ländern. Im Jahre 2000 wurde die Flugrettung ohne Ausschreibung an den ÖAMTC über­tragen, obwohl es genügend Hubschrauber-Betreiber mit geeigneten Maschinen und Personal dazu gegeben hätte. Es hatte den Anschein, dass eine Monopol-Stellung für den ÖAMTC geschaffen werden sollte.

Mich würde auch sehr interessieren, was aus den einstimmigen Beschlüssen des Salzburger Landtages zugunsten der Firma Heli Austria und gegen die Austro Control geworden ist. Sehr interessant wäre auch, zu wissen, was aus der Strafanzeige der Salzburger Landesregierung gegen die Austro Control wegen Verdachtes auf Amts­missbrauch geworden ist. Sicherheit ist in der Flugrettung oberstes Gebot, aber was in dieser Sache abgelaufen ist, ist bei Weitem nicht in Ordnung! – Herzlichen Dank. (Beifall bei der FPÖ.)

18.51


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Hagen. – Bitte.

 


18.51.02

Abgeordneter Christoph Hagen (BZÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­minister! Hohes Haus! Was das Abkommen mit der Schweiz betrifft, mit dem bei Rettungsflügen administrative Formalitäten abgebaut werden – da kann man doch nur dafür sein!

Desto verwunderlicher war es für mich im Innenausschuss, als die Grünen dagegen gestimmt haben. Ich kann das nur auf eine Abstimmungspanne des Kollegen Pilz zurückführen, der wie ein zerstreuter Professor, nicht gewusst hatte, worüber er überhaupt abstimmt. Das passt ja zu ihm, ich kann es jedenfalls nur so deuten. (Heiterkeit des Abg. Kößl.) Heute stimmen die Grünen dafür. Das finde ich positiv, sie haben gecheckt, worum es da geht, endlich einmal eine Einsicht. Das finde ich sehr positiv.

Zum Herrn Kollegen Strutz: Jetzt möchte ich doch zu den Artikel-15a-Vereinbarungen kommen beziehungsweise zu den Rettungshubschrauber-Flügen des Innenministe­riums und später des ÖAMTC. Ich erkläre Ihnen einmal einen kleinen Kompetenzunter­schied, Herr Kollege Strutz – würden Sie nicht die Zeitung lesen, dann würden Sie es verstehen –:

Die Exekutive – beziehungsweise der Polizeihubschrauber im Speziellen – ist zustän­dig für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Die Länder wiederum sind zuständig für das Rettungswesen, deshalb ist es auch Länder­sache, Herr Kollege. Wie Kollege Kößl schon richtig erklärt hat, ist es so, dass 1984 das BMI nur das Gerät gehabt hat und da zu Hilfe gekommen ist – eine Art


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 207

Assistenzdienstleistung, die dann mit einer Artikel-15a-Vereinbarung legalisiert worden ist.

Ich habe sehr viel mit Rettungsflügen zu tun, auch in meiner dienstlichen Tätigkeit – ich weiß auch, was die Polizeihubschrauber zu tun haben –, und kann Ihnen erklären: Die erste Aufgabe ist nicht die Rettungsfliegerei, sondern die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Ruhe und Sicherheit. Das leidet unter den sehr vielen Rettungseinsätzen, die mittlerweile von der Polizei getätigt werden müssen.

Dazu gibt es den ÖAMTC. In Vorarlberg funktioniert das sehr gut, da fliegt der ÖAMTC-Hubschrauber fast alle Rettungseinsätze. Für den Fall, dass dieses Gerät nicht ausreicht, gibt es private Anbieter. Sie haben ja gehört, Kollege Doppler hat gerade private Anbieter in Salzburg erwähnt, denen im Moment die Austro Control noch etwas ans Bein pinkelt. Auch da sollte man etwas tun, damit die Konkurrenz etwas mehr einsteigen kann, dann wird es auch billiger.

Es gibt ausreichend Gerätschaften, die das leisten können. Im äußersten Fall steht auch die Polizei im Assistenzeinsatz zur Verfügung, zum Beispiel im Gebirge, bei Rettungseinsätzen und so weiter. Es ist also ausreichend Kapazität vorhanden, deswegen, glaube ich, ist es eine vernünftige Lösung. Die Länder haben bereits sehr viele Verträge abgeschlossen, die entsprechend die Sicherheit für die Rettungs­einsätze ergeben.

Deshalb wird das BZÖ dem zustimmen – weil das eine vernünftige Sache ist und weil das, wie gesagt, Ländersache und nicht Bundessache ist. (Beifall beim BZÖ.)

18.54


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Plessl. – Bitte.

 


18.54.09

Abgeordneter Rudolf Plessl (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Innenministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Erstens: Dem Abkommen zwischen der Schweiz und Österreich stimmen wir natürlich zu, das ist ganz klar.

Zum zweiten Bereich: Den heute vorliegenden Kündigungen der Artikel-15a-Verein­barungen mit den sieben Ländern Kärnten, Oberösterreich, Vorarlberg, Wien, Tirol, Salzburg und der Steiermark den gemeinsamen Flugrettungsdienst betreffend stimme ich eher wehmütig zu, weil es gerade im Hinblick auf die Erfolgsstory der letzten Jahrzehnte sehr schade ist, dass da kein einheitliches System zustande kam.

Über die Geschichte wurde vom Kollegen Kößl, aber auch von der Innenministerin schon sehr viel erzählt: von 1984, als das Ganze begonnen hat, bis 2000, als der ÖAMTC auf privatwirtschaftlicher Basis beauftragt worden ist, bis hin zu den heutigen Kündigungen. Ich halte aber fest, dass das Innenministerium und das Gesund­heits­ministerium höchst bestrebt waren, eine gemeinsame österreichische Lösung des Flugrettungsdienstes zu erzielen, doch sind sie unter anderem an den unter­schied­lichen Auffassungen der Länder gescheitert.

Ich möchte dem Gesundheitsminister Alois Stöger danken, der mit viel Engagement für ein österreichweites Flugrettungsmodell eingetreten ist. (Zwischenruf des Abg. Dr. Strutz.)

Es ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, zu erwähnen, dass von den Besat­zungen des Christophorus Flugrettungsvereins sehr viele Einsätze geflogen werden. Ich möchte Ihnen recht herzlich für ihr Engagement und für ihren Einsatz für alle ÖsterreicherInnen danken! Sie arbeiten 365 Tage im Jahr, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, mit einer Startzeit von maximal drei Minuten, und sie haben sehr


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 208

viel für die Menschen, die in Lebensgefahr und in Notsituationen gewesen sind, bewirkt. Ich danke ihnen daher sehr herzlich! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Zur Arbeit im Innenausschusses möchte ich festhalten: Auf der einen Seite, bei den Grünen, hat Kollege Pilz seinen Kollegen Steinhauser und seine Kollegin Schatz eher zurückgehalten, damit sie nicht zustimmen – das verstehe ich noch , aber leider ist er heute nicht hier gewesen, um zu argumentieren; das hat Herr Pirklhuber übernommen.

Auf der anderen Seite die Kollegen von der FPÖ: Herr Kollege Strutz, Sie waren weder im Ausschuss, noch hat die FPÖ einen Ausschuss-Beitrag geleistet. Es wäre sinnvoller gewesen, bereits im Ausschuss Stellung zu nehmen, damit wir diskutieren können. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.56

18.56.10

 


Präsident Fritz Neugebauer: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zu den Abstimmungen, die wir über jeden Ausschussantrag getrennt vornehmen.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 16: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, dem Abschluss des gegenständlichen Staats­vertrages, Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweize­rischen Eidgenossenschaft über die Erleichterung von Ambulanz- und Rettungsflügen, 1122 der Beilagen, gemäß Artikel 50 Abs. 1 Z 1 B-VG die Genehmigung zu erteilen.

Wenn Sie dem zustimmen, bitte ich Sie um Ihr Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 17: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Kärnten über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1144 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 18: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Oberösterreich über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1145 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 19: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1146 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 20: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Wien über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1147 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 209

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 21: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Arti­kel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Tirol über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1148 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 22: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Salzburg über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1150 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 23: Antrag des Aus­schusses für innere Angelegenheiten, der Kündigung der Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG zwischen dem Bund und dem Land Steiermark über einen gemeinsamen Hubschrauber-Rettungsdienst, 1151 der Beilagen, die Genehmigung zu erteilen.

Ich bitte um Ihr Zeichen – Das ist mit Mehrheit angenommen.

18.59.5924. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (71/PET) betreffend „Eine rasche, menschenrechtskonforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (1344 d.B.)

25. Punkt

Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (64/PET) betreffend „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“, überreicht von den Abge­ordneten Sonja Ablinger, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Tanja Windbüchler-Souschill und Ing. Peter Westenthaler (1345 d.B.)

 


Präsident Fritz Neugebauer: Wir kommen zu den Punkten 24 und 25 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Bevor ich in die Debatte eingehe, weise ich darauf hin, dass jetzt eine kurze Sitzung des Verfassungsausschusses im Lokal VIII stattfindet.

Die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt eröffnet Herr Abgeordneter Dr. Rosen­kranz. – Bitte.

 


19.00.41

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Zwei Punkte, die sich alle mit fremdenrechtlichen Normen auseinandersetzen. Zum einen wird verlangt, dass das Fremdenrecht humanitärer wird. – Vielleicht kann es human werden, ob es humanitärer wird, das weiß ich so nicht.

Jedenfalls ist eines klar: Fremdenrecht ist etwas Essentielles. Es kann sonst nur zu einer Ausuferung kommen, und das wollen wir mit Sicherheit nicht. Daher ist ein klares Fremdenrecht vonnöten, mit klaren Bestimmungen, das auch klar vollzogen werden kann. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 210

Um den humanen Umgang damit, um den humanen Vollzug geht es im nächsten Punkt. Was heißt das eigentlich „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“? Kinder kommen bei uns grundsätzlich nicht ins Gefängnis, außer sie werden in einer Justizanstalt geboren. Unserer Meinung nach ist ein wichtiger Punkt, dass Mütter von ihren Kindern nicht getrennt werden. Es ist das Beste für ein Kind, wenn es bei den Eltern ist. Doch gibt es eine Spezialsituation, die dann eintritt, wenn die Eltern, rechtlich abgesichert, in Schubhaft kommen. Dann stellt sich die Frage: Was macht man mit Kindern, die dazugehören?

Natürlich kann das keine trostlose Zelle sein oder Ähnliches, sondern das muss ein entsprechend adaptiertes Anhaltezentrum sein, das auch den Bedürfnissen von Kindern und Familien gerecht wird, aber der Zweck, nämlich die Abschiebung, muss letztlich gewährleistet sein, wenn diese Abschiebung bis hin zum Höchstgericht als rechtmäßig erkannt wurde! (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist daher im Umgang mit dem Fremdenrecht wichtig, dass es auch handelnde Personen gibt, die dieses Fremdenrecht ausüben; und dazu ist es wichtig, dass es die entsprechenden Polizisten gibt, und diese Polizisten muss es auch in Krems geben.

Daher bringen wir folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, im Sinne der besseren Vollziehung der fremdenrechtlichen Normen eine Polizeiinspektion in der Kremser Innenstadt einzurichten.“

*****

19.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Dr. Rosenkranz und weiterer Abgeordneter betreffend bessere Vollziehung der fremdenrechtlichen Normen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 24, Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition (71/PET) betreffend "Eine rasche, menschenrechtskonforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts", überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (1344 d.B.) in der 113. Sitzung des Nationalrates, XXIV. GP, am 7. Juli 2011.

Die Kremser Bevölkerung klagt immer mehr über die ausufernden Gesetzesbrüche – von der Ruhestörung über Vandalismus bis hin zu schweren Straftaten – aber auch Verstöße gegen fremdengesetzliche Normen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 211

Die Schließung von Polizeistationen in der Innenstadt (Rathaus, Kreisgericht) wurde schon gegen den erklärten Willen der Bevölkerung durchgeführt. So wurden seitens der FPÖ Unterschriftsaktionen durchgeführt, die über 10.000 Unterschriften er­brachten.

Da die ÖVP-Innenministerinnen, sowie auch SPÖ-Abgeordnete (z.B.: Abg. Otto Pendl) laufend von mehr Polizisten sprechen und dies inserieren, vor allem in Vorwahlzeiten, (z.B.: „1 000 neue Polizisten mehr“), sollte Krems möglichst rasch von dieser Aufstockung der Exekutive profitieren und entsprechende Forderungen anmelden.

Alleine die Präsenz eines solchen Wachzimmers mit mehr Polizisten für die Stadt Krems mit rascher Anwesenheit an Tatorten wäre einerseits Abschreckung und andererseits Garantie für die Dingfestmachung von Straftätern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Inneres wird aufgefordert, im Sinne der besseren Vollziehung der fremdenrechtlichen Normen eine Polizeiinspektion in der Kremser Innenstadt einzurichten.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Prinz. 2 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.02.58

Abgeordneter Nikolaus Prinz (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich bei den Initiatoren und Unterzeichnern der Petitionen 64 und 71 für ihr Engagement und für ihren Einsatz für ein sehr wichtiges Thema. Die beiden Petitionen entsprechen ohnehin unserem Bemühen, bei der Abwicklung der Asylverfahren immer rascher, klarer und effizienter zu werden und diese Verfahren somit humaner zu gestalten.

Zahlreiche Novellen des Fremdenrechtsgesetzes haben uns in den letzten Jahren diesem Ziel schrittweise nähergebracht, und wir sind letztlich auch am Ziel angekommen. In der Tat, Kinder gehören nicht ins Gefängnis, da gebe ich jedem völlig recht! Auch im Asylbereich haben sie im Gefängnis nichts verloren. Exakte Altersfest­stellungen bewahren uns da vor etwaigen Fehlern.

Pauschallösungen wie ein allgemeiner Abschiebestopp oder ein allgemeines, gene­relles Bleiberecht können keine zufriedenstellende Lösung sein. Jeder Fall, jedes Schicksal wird genau angeschaut und untersucht und unter Einhaltung und Beibehaltung der hohen Schutzstandards im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention genauestens geprüft – auch die Verfahren von Asylwerbern ohne Kinder.

Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass wir gerade in Österreich im Bereich der Asylverfahren einen sehr hohen Qualitätsstandard haben – das ist international anerkannt. Allerdings dürfen missbräuchliche Asylantragstellungen nicht möglich sein! Man muss ihnen entsprechend effektiv begegnen können, und dazu muss es eben eine Handhabe geben.

Österreich gehört durchaus zu jenen Ländern, die in Europa sehr stark belastet sind, was einerseits die Asylverfahren, andererseits die Migration betrifft. Aus Zeitgründen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 212

will ich nur einige Zahlen nennen. In Österreich leben rund 1,543 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, das ist fast ein Fünftel unserer Bevölkerung.

Man könnte auch, wenn man die Geschichte betrachtet, sagen: Migration ist nicht immer automatisch negativ. Es kann auch positive Beispiele geben. Denken wir an Persönlichkeiten wie zum Beispiel Prinz Eugen, Beethoven oder Mozart, die Österreich sehr bereichert haben, mit denen Österreich bekannt und berühmt geworden ist. (Die Abgeordneten Mag. Stadler und Strache: Mozart als Integrationsbeispiel?! – Allge­meine Heiterkeit.)

Allerdings müssen wir uns mit dem Thema Migration nicht nur national, sondern auch international, auf europäischer Ebene beschäftigen. Meine Damen und Herren, weder Überreaktion noch Hysterie, sondern wohlüberlegtes, vorausschauendes und verant­wortungsvolles Handeln sind in einer sensiblen Materie wie dieser gefragt. Die Experten des Innenministeriums und unsere Frau Bundesministerin Mag. Mikl-Leitner werden dieser Aufgabe wirklich hervorragend gerecht, sie wird von ihnen bestens wahrgenommen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Ing. Westenthaler: Er hat Mozart aufgestellt! Furchtbar!)

19.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Korun zu Wort. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.05.53

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich zu hören, dass sich die ÖVP offensichtlich für einen sehr liberalen Ansatz bei der Integration entschieden hat und nun auch Salzburger in Wien integrieren möchte beziehungsweise davon ausgeht, dass der Salzburger Wolfgang Amadeus Mozart ein in Wien beziehungsweise in Österreich gut Integrierter war. (Zwischenruf des Abg. Mag. Stadler.) – Nein, ich finde es wirklich erfreulich, es ist nicht sehr sarkastisch gemeint.

Die Entwicklung, dass der Petitionsausschuss die Petitionen an die inhaltlich zustän­digen Ausschüsse weiterleitet, ist durchaus erfreulich. Das begrüßen wir. Wir gehen davon aus, dass es auch so weitergehen wird.

Was die beiden vorliegenden betrifft, waren wir und war ich sehr erstaunt, dass dazu eigentlich kaum inhaltliche Wortmeldungen im Innenausschuss gekommen sind, abge­sehen von den Grünen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden, zwei Ent­schließungs­anträge zu diesen Punkten einzubringen, die mehr oder weniger wortwörtlich, aber inhaltlich auf jeden Fall zu hundert Prozent die Anliegen dieser beiden Forderungen übernehmen.

Deshalb bringe ich zunächst folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Korun, Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Petition „Eine rasche menschenrechtskonforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine menschen­rechts­konforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts vorzulegen, das jedenfalls ein Verbot der Schubhaft für Minderjährige sowie ein generelles Bleibe­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 213

recht für integrierte und unbescholtene Drittstaatsangehörige vorsieht, die sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalten.“

*****

Das ist nämlich der Inhalt der Petition der Gemeinde Aschach an der Steyr. Wenn wir das ernst nehmen, dann sollten wir mit diesem Anliegen mitgehen und diesem Ent­schließungsantrag zustimmen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Andreas Hofer als Integrationsfigur! – Abg. Strache: Der berühmte Italiener!)

Der zweite Entschließungsantrag betrifft die Petition, die gar von vier Parteien, nämlich von vier Abgeordneten aus vier unterschiedlichen Fraktionen, unterzeichnet und als Petition eingebracht wurde: „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“. Das ist ja bekannt­lich ein Anliegen und eine Petition, die von mehr als 120 000 Österreichern und Öster­reicherinnen unterzeichnet wurde.

Ich bringe dazu folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Korun, Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Vier-Parteien-Petition „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, wird aufge­fordert, dem Nationalrat einen Entwurf für eine Fremdenrechtsnovelle vorzulegen, die die Inschubhaftnahme von Kindern und Minderjährigen verbietet und ein humanitäres Bleiberecht für gut integrierte Familien vorsieht. Weiters wird die Bundesregierung, ins­be­sondere der Bundeskanzler aufgefordert, einen Entwurf zur Novellierung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern vorzulegen, damit die Kinderrechtskonvention uneingeschränkt in die Verfassung aufgenommen wird.“

*****

Sehr geehrte Damen und Herren von den Fraktionen SPÖ, ÖVP und BZÖ, wenn Sie das mit der Unterzeichnung der Petition „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“ ernst gemeint haben (Abg. Ing. Westenthaler: Unterstellen Sie mir nicht ...!), dann sollten Sie konsequenterweise den Inhalt dieser Petition auch hier mit beschließen, damit das umgesetzt werden kann. Sollte Ihre Unterschrift etwas wert sein, gehen wir davon aus, dass vor allem der zweite Entschließungsantrag heute im Nationalrat die Mehrheit finden wird. – Danke vielmals für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen.)

19.09


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Die soeben eingebrachten beiden Entschließungs­anträge sind ausreichend unterstützt und stehen mit in Verhandlung.

Die beiden Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Korun, Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Petition „Eine rasche menschenrechtskonforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 214

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition Nr. 71 betreffend „Eine rasche menschenrechts­konforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (1341 d.B.)

In den letzten Monaten haben zahlreiche tragische Fälle von Abschiebungen Minder­jähriger sowie integrierter Mitmenschen in Österreich die Öffentlichkeit bewegt und berührt. Während alle politisch Verantwortlichen die Schuld für menschenunwürdige Abschiebungen von sich weisen – so etwa im Fall der Steyrer Zwillinge Komani – werden laufend weitere Fälle bekannt, die einer zivilisierten Gesellschaft unwürdig sind: So wurde etwa im Juni 2010 ein fünf Monate alter Säugling, Sohn eines Österreichers, nach Tschechien abgeschoben. Ein Selbstmordversuch von Dennis M. aus Steyr im November 2010, der bereits seit 5 Jahren in Österreich lebt und seit seinem 11. Lebensjahr auf der Flucht ist, führt uns die gesamte menschliche Tragweite der Folgen verschärfter „Fremdengesetze“ ein Mal mehr vor Augen. Diese menschen­unwürdige – auch von vielen Organisationen (Caritas, SOS Mitmensch, Volkshilfe, Katholische Aktion uvm.) beanstandete – Abschiebepraxis in Österreich macht eine umgehende Willensäußerung für einen Abschiebestopp integrierter Menschen und das Eintreten für ein menschengerechtes Bleiberecht notwendig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine menschenrechts­kon­forme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts vorzulegen, das jedenfalls ein Verbot der Schubhaft für Minderjährige sowie ein generelles Bleibe­recht für integrierte und unbescholtene Drittstaatsangehörige vorsieht, die sich seit mindestens fünf Jahren im Bundesgebiet aufhalten.

*****

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Korun, Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der 4-Parteien-Petition „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“

eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für innere Ange­legenheiten über die Petition Nr. 64 betreffend „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“, überreicht von den Abgeordneten Sonja Ablinger, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Tanja Windbüchler-Souschill und Ing. Peter Westenthaler (1345 d.B.)

Am 6. Oktober 2010 wurden zwei gut integrierte, achtjährige Mädchen von ihrer kranken Mutter getrennt, ins Gefängnis gesteckt und mit ihrem Vater in den Kosovo abgeschoben. Es kann für die Sicherheit der Republik nicht notwendig sein zwei Kinder von ihrer Mutter zu trennen und mit Gewalt außer Landes zu schaffen. Wir dürfen nach so einem Fall jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, denn aus unserer täglichen Arbeit wissen wir, dass dies kein Einzelfall ist.

Die ständigen Verschärfungen des Asyl- und Fremdenrechts haben dazu geführt, dass die Gesetze selbst für RechtsexpertInnen kaum mehr verständlich und auch für die Behörden nicht mehr eindeutig anwendbar sind. VertreterInnen der Polizei beharren darauf, dass die Vorgehensweise rechtmäßig und unvermeidbar gewesen sei. Wenn


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es aber die Rechtslage erfordert, Familien auseinander zu reißen und kleine Kinder frühmorgens mit gezücktem Sturmgewehr aus den Betten zu holen, um sie abschieben zu können, dann gehören diese Gesetze geändert. Über alle Parteigrenzen hinweg fordern wir daher das Bekenntnis, dass Kinder nicht ins Gefängnis gehören.

Es ist nur schwer zu begreifen, dass gut integrierte Familien, deren Kinder den größten Teil ihres Lebens in Österreich verbracht haben, und die besser Deutsch als ihre Muttersprache sprechen, kein humanitäres Bleiberecht erhalten. Bleiberecht darf nicht zum Lotteriespiel verkommen. Denn nicht nur im aktuellen Fall der Familie K. wurden offensichtlich anerkannte Menschenrechte verletzt und gegen die Kinderrechtskon­vention verstoßen. Österreich hat zwar die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen bereits im Jahr 1992 ratifiziert, an eine Verankerung im Verfassungsrang für Kinder im Asyl- oder Bleiberechtsverfahren wurde aber nicht gedacht. Die Kinder­rechtskonvention verlangt den Vorrang des Kindeswohls bei jeder Form staatlichen Handelns und sieht ausdrücklich den Schutz von Kindern im Asylverfahren und Fremdenrecht vor. Das Vorgehen der Polizei, das Zerreißen von Familien durch Ein­sperren und getrennte Abschiebung zeigen die Missachtung dieses Grundsatzes. Die Rechte der Kinder müssen für alle Kinder gelten und über die Standards der euro­päischen Menschenrechtskonvention hinausreichen. Um zu verhindern, dass weiterhin Kinder in Gefängnissen landen, sollte die Kinderrechtskonvention endlich uneinge­schränkt in die Verfassung aufgenommen werden. Um zu verhindern, dass weiterhin Kinder in Schubhaft landen und Familien auseinandergerissen werden, dann müssen Sie ein Zeichen setzen und ein  neues Fremdenrecht fordern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefor­dert, dem Nationalrat einen Entwurf für eine Fremdenrechtsnovelle vorzulegen, die die Inschubhaftnahme von Kindern und Minderjährigen verbietet und ein humanitäres Bleiberecht für gut integrierte Familien vorsieht. Weiters wird die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler aufgefordert, einen Entwurf zur Novellierung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern vorzulegen, damit die Kinderrechtskonvention uneingeschränkt in die Verfassung aufgenommen wird.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pendl. 3 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.10.11

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben ja schon viele Diskussionen über Fremden­rechtsmaterien und Asyl hier abgeführt, aber ich würde darum ersuchen – und mache es wirklich jedes Mal, weil wir ja über Menschen reden –, dass wir sachlich diskutieren.

Diese Gesetze sind sowohl nach der UN-Kinderrechtskonvention als auch nach der Menschenrechtskonvention glasklar. Es kann jemanden nicht freuen, das verstehe ich schon, es gibt einen unterschiedlichen Zugang. Ich sage aber nur, die Österreicherin­nen und Österreicher haben in all den Jahrzehnten Hervorragendes geleistet, was Flüchtlinge betrifft.


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Erinnern wir uns daran, als wir die vorletzte Fremdenrechtsnovelle hier diskutiert und dann beschlossen haben, wurde die Einführung des Asylgerichtshofes belächelt. Inzwischen ist es eine Erfolgsgeschichte. Der „Rucksack“ ist bereits zu einem Drittel abgebaut, und ich gehe davon aus oder wir gehen davon aus, dass dieser nächstes Jahr im Frühjahr komplett abgearbeitet sein wird. Rechtsstaatlich einwandfrei. Dazu kann man dem Präsidenten des Asylgerichtshofes und seinen Richterinnen und Richtern nur gratulieren.

Gemeinsam wollten wir rasche Verfahren. Bei beiden Novellen haben wir versucht, hier auch rasch legistisch Maßnahmen zu setzen. Ich habe bei der letzten Diskussion gesagt, wenn jemand etwas will, wenn er solidarische Hilfe will und diese gerechtfertigt ist, dann, glaube ich, ist nichts dabei, wenn er fünf Tage dabei mitwirkt, dass unsere Beamtinnen und Beamten diese Verfahren rasch abwickeln können. Wir liegen derzeit samt der Berufungszeit unter einem Jahr. Also da kann man wirklich nur sagen, das ist der richtige Weg, den wir auch gemeinsam gewollt haben.

Ich bringe nur eine Zahl in Erinnerung – ich weiß nicht, wer die Zeitungen aufmerksam liest –: Nach wie vor ist es so, dass wir in Österreich auf 1 000 Einwohner 1,3 Asyl­werber haben, und die Italiener, die permanent in den Medien sind, haben auf 1 000 Einwohner 0,1 Asylwerber. Nur damit man ein bisserl den Ernst der Sache erkennt.

Meine Damen und Herren! Es ist ausgeschlossen, dass ein Kind ins Gefängnis kommt. Auch wenn man es noch so oft wiederholt, wird es nicht besser. Es wird nicht besser, weil es nicht möglich ist.

Wenn ein rechtsstaatliches Verfahren entschieden ist und eben entschieden worden ist, dass es keinen Asylgrund gibt, dann wird immer versucht, dass die Betroffenen freiwillig – man unterstützt sie ja sogar materiell – das Land verlassen. Aber ich glaube, wenn die Versuche scheitern, dass jemand freiwillig geht, dann muss klar sein, dass eine Abschiebung Platz greifen muss.

Warum wir immer dieselben Fragen diskutieren, kann ich eigentlich nicht nach­vollziehen. (Abg. Ing. Westenthaler: Weil Sie es nicht umsetzen!) Ich sage ganz offen, wenn wir uns gemeinsam – und das haben wir ja alles schon diskutiert – jene Einrichtungen anschauen, die für die Familien errichtet worden sind, dann erkennt man, dass die weder mit einem Gefängnis noch mit sonst was zu tun haben. Aber ich glaube, dass wir uns bei diesem Thema, das so ernst ist, das so wichtig ist, gemeinsam bemühen sollten, wirklich die Inhalte korrekt zu diskutieren, denn niemand will, dass Kinder im Gefängnis sind.

Das einzige Beispiel, das Kollege Rosenkranz gebracht hat, ist Rechtsbestand bei uns seit Jahrzehnten. Seit Jahrzehnten ist es unser Rechtsbestand, dass, wenn eine Straf­gefangene ein Kind bekommt, dieses bei uns in den Justizanstalten bleibt. (Abg. Dr. Rosenkranz: So ist es!) Und es ist die größte Selbstverständlichkeit, dass man bei uns 14-Jährige mit richterlichem Urteil – früher über den Jugendgerichtshof, jetzt halt über andere zuständige Gerichte – einsperrt. (Abg. Lausch: Haft ist Haft! – Abg. Dr. Rosenkranz: Gefängnis ist Gefängnis!)

Wir wollen das überhaupt nicht vergleichen mit diesem Bereich, überhaupt nicht. Aber immer zu sagen, dass Kinder von Asylwerbern in Haft sind, ist falsch. Andererseits nimmt kein Mensch zur Kenntnis, dass das in einem anderen Bereich seit Jahrzehnten Tradition ist.

Ich ersuche nur, dass wir im Interesse der Sache, aber auch der Menschlichkeit diese Themen wirklich ernst und sachlich diskutieren. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.15



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 217

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Ing. Westen­thaler. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.15.10

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Ich danke dem Kollegen Prinz für die Aufklärung und für die erhellenden Ausführungen, denn er hat uns hier in aller Öffentlichkeit, hoffentlich auch vor vielen Fernsehzuschauern, mitgeteilt, was der Begriff Integration für die ÖVP bedeutet, er hat das erfolgreiche Integrationsbeispiel Wolfgang Amadeus Mozart angeführt.

Ich gratuliere, Herr Prinz! Die erfolgreiche Integration Salzburgs ist ja schon einmal ein guter Ansatz. Ich hoffe nur, es kommt nicht noch ein ÖVPler raus und nennt als erfolgreiche Integrationsbeispiele (Abg. Strache: Andreas Hofer!) vielleicht Andreas Hofer, Hans Moser oder Maxi Böhm. (Abg. Strache: Der Maxi Böhm aus Böhmen!) Das wäre noch die richtige Fortsetzung dieser Liste. Also was Sie da für einen Unsinn verbreiten! Das zeigt doch nur, dass Sie sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen. (Beifall beim BZÖ.)

Zweite Vorbemerkung: Was mich auch wundert, Herr Kollege Pendl, Sie kommen da allen Ernstes heraus und stellen sich selbst mit ernstem Blick und mit ernster Miene – das nehme ich Ihnen ja ab – philosophisch die Frage: Warum diskutieren wir das eigentlich alles noch immer?– Wortwörtliches Zitat von Ihnen soeben. (Abg. Pendl: Sie wiederholen das ja immer wieder!) Die Antwort ist eine ganz einfache: Weil Sie nichts tun in der Regierung! Weil wir noch immer Asylmissbrauch haben! Weil wir noch immer den Wahnsinn der Folgeanträge haben! Weil wir noch immer Tausende Verfahren haben, die nicht abgeschlossen werden!

Das ist das Problem, warum wir andauernd diskutieren müssen, wie wir die Asyl- und Fremdenpolitik auf neue Beine stellen, Herr Kollege Pendl. Das Problem ist auch, dass wir einen Staatsekretär als Praktikanten dieser Regierung haben, der zwar gerne irgendwelche 20 Schablonen, irgendwelche Unterschriften, irgendwelche Aussagen in Katalogen und irgendwelche Berichte vorstellt, aber nicht in den ersten Innenaus­schuss kommt, in den er hingehört hätte, und der es auch nicht der Mühe wert findet, ins Parlament zu kommen, wenn wir über die Integration diskutieren. Das ist das Problem, dass der alles dazu tut, sich selbst zu vermarkten, der gute Kerl, aber überhaupt nichts dazu tut, wenn es hier im Parlament darum geht, Initiativen zu beschließen. Das ist eigentlich der Wahnsinn, und das ist es, warum wir das immer wieder diskutieren: weil die Ernsthaftigkeit fehlt. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.)

Frau Innenministerin, ich habe es Ihnen im Ausschuss schon gesagt: Es nützt nichts – und das ist halt der Jammer –, wenn man Millionen und Abermillionen – ich hoffe, wir bekommen die Zahl, Sie haben es uns versprochen – für flächendeckende Inserate ausgibt, wo man inseriert „Deutsch vor Zuzug“ und wo man apodiktisch darunter schreibt: „Wer in Zukunft nach Österreich kommen will, der muss die deutsche Sprache können“, wenn Sie, wenn wir Ihre Ausführungen im Ausschuss widerlegen und Ihnen klarmachen, dass das die Unwahrheit ist, dann im Ausschuss sagen, Sie werden sich das anschauen, aber die Inserate weiterhin erscheinen. Da frage ich Sie, wie ernst Sie das nehmen.

Wir haben im Ausschuss festgestellt – und Sie haben es zugeben müssen, und auch der dann herbeigeholte Integrationsstaatssekretär hat es zugeben müssen –, dass selbst­verständlich über den Umweg der Rot-Weiß-Rot-Karte mit dem einfachen Punktesystem der Mindestzahl von 50 Punkten Facharbeiter, einfache Arbeiter im Bereich der Mangelberufe, ohne eine Silbe Deutsch zu können, zu Tausenden nach Österreich kommen können. – Nix Deutsch vor Zuzug! Das ist ein Hintertürl, das Sie


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einfach offen gelassen haben und das zu schließen ist. Wenn Sie es ernst nehmen, dann ist das zu schließen, Frau Innenministerin! (Beifall beim BZÖ sowie bei Abge­ordneten der FPÖ.)

Dann müssen Sie die Rot-Weiß-Rot-Karte novellieren und einmal die deutsche Sprache überhaupt als Basis für irgendwelche Punkte nehmen. Das ist das, was wir von Ihnen verlangen, und das war auch unser Bestreben.

Zu den Petitionen selbst. Natürlich, Frau Kollegin Korun, unsere Unterschrift zählt. Wir stehen dazu, dass Kinder nicht in Haft, ja auch nicht in Schubhaft kommen können, und es hat da einige Bewegung gegeben. Wir sind mit der jetzigen Lösung nicht zufrieden. Aber auf der anderen Seite stellen wir auch klar, dass das, was Sie verlan­gen, nämlich ein obligates, generelles sogenanntes humanitäres Bleiberecht, nicht die Lösung sein kann. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache.)

Das kann nicht die Lösung sein, Frau Kollegin Korun, denn damit sind dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, und es ist ein besonders schändlicher Missbrauch, weil er dann über das Schicksal der Kinder ausgetragen wird. Und da stimmen wir nicht zu, da haben wir ganz konkrete Vorschläge.

Selbstverständlich soll man sich jeden Fall anschauen, und uns gefällt überhaupt nicht, wenn Kinder aus den Schulklassen sozusagen mit der Exekutive herausgeholt werden und abgeschoben werden sollen, Kinder, die seit Jahr und Tag im Land sind, die sich gut integriert haben, die die Sprache können. Aber dazu braucht es einen Katalog von Bedingungen, die erfüllt sein müssen, und kein generelles humanitäres Bleiberecht.

Daher sind wir gegen Ihre Petition und für die andere, die wir unterzeichnet haben. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

19.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeord­neter Lausch. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.20.01

Abgeordneter Christian Lausch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schließe gleich an bei dem einzig Richtigen, was wir heute da gehört haben, beim Kollegen Rosenkranz, Erstredner. Es geht um die Petition betreffend „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“.

Es ist viel gesagt worden, aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie kennen sicher alle den § 74 Abs. 2 Strafvollzugsgesetz. (Abg. Mag. Stadler: Ja, kennen wir alle! – Abg. Strache: Jetzt schwindelt ihr aber!) Da ist es geregelt als eine der humansten im Strafvollzug möglichen Bestimmungen, als eine Errungenschaft des humanen österreichischen Strafvollzugs. Ich lade Sie alle ein – Kollege Pendl, Kollegin Korun, Kollege Prinz, alle, die sich da herausgestellt und so gescheit geredet haben –, Sie haben die Chance, fahren Sie in die Justizanstalt Schwarzau. Dort gibt es acht Mütter, deren Kinder im Gefängnis sind. Lesen Sie diesen Müttern den Text vor betreffend „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“! Nehmen Sie denen die Kinder gleich weg! Nehmen Sie sie gleich mit und hören Sie sich das Geschrei an. Dann werden Sie sehen, wer hier die Gutmenschen sind und wer hier die humanen Menschen sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wissen Sie, was sich da abspielt, wenn nach drei Jahren die Kinder, die dreijährigen Kinder der Mutter weggenommen werden? Wissen Sie, was sich da wirklich abspielt hinter den Gefängnismauern? Kollege Pendl, ich weiß, du hast das am Schluss deiner Rede gesagt, aber es wird deswegen nicht richtiger, nur weil man das so nebenbei erwähnt. Es ist nicht alles rot, schwarz, grün, die Welt ist bunter. Haft ist Haft, bitte, Gefängnis ist Gefängnis. Man kann nicht sagen, im Strafvollzug, da passt es uns, denn


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da waren wir mit beteiligt, das haben wir human gemacht, aber beim Schubhäftling passt es uns nicht. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Wollt ihr wirklich, dass Illegale dann die Kinder als Schutzschild verwenden, damit sie nicht in Schubhaft kommen? Wollt ihr das wirklich haben? – Nein, das, glaube ich, wollen wir alle nicht haben, und das muss hervorgestrichen werden. (Beifall bei FPÖ und BZÖ.)

Schauen Sie, Kollegin Korun, weil Sie so aufgeregt sind, Kollege Pendl, Kollege Prinz, ich lese Ihnen vor aus einem Pressebericht von oesterreich.ORF.at, sicherlich kein freiheitliches Medium, wie Sie wissen, vom 24. Jänner 2011. Da wurde eine Psychologin, Frau Brigitte Rollett, um eine Stellungnahme gebeten, und da heißt es:

„Die Frage, ob die Zeit im Gefängnis für Kinder von Nachteil ist, verneint die Entwicklungspsychologin Brigitte Rollett von der Universität Wien eher. ‚Wenn die Mutter ihre Pflichten wahrnehmen kann, ist es für das Kind sicher das Bessere, bei der Mutter zu sein‘, so Rollett.“ „,Besonders schlimm ist es, wenn diese Bindung aufgebaut ist und dann die Trennung erfolgt‘, so die Psychologin.“

Das heißt, was wollen Sie? – Sie wollen, dass die Eltern in Schubhaft kommen und die Kinder ins Kinderheim oder zu Pflegeeltern, dass sie getrennt werden? Das wollen Sie wirklich? Das wollen Sie? Nur weil das vier Parteien in diesem Haus wollen, wird es deswegen nicht besser oder richtiger. Sie müssen sich das schon genauer anschauen.

Eine Errungenschaft des Strafvollzugsgesetzes – noch einmal: § 74 Abs. 2  wird hier aufgrund Ihrer Sichtweise, Ihrer strengen, einfältigen Sichtweise mit Füßen getreten, obwohl das eine humane Lösung im österreichischen Strafvollzug ist. (Beifall bei der FPÖ.)

In dieser Weise muss man fast sagen: Überdenken Sie, wie Sie hier abstimmen, denn Sie setzen hier ein ganz schlimmes Zeichen! Das kann nämlich inhaftierten Müttern zum Nachteil gereichen. Aber das ist wahrscheinlich der Sinn dessen, was Sie eigentlich hier wollen. (Zwischenruf der Abg. Mag. Korun.)

Das ist Ihre humane Art, Frau Kollegin Korun, ganz genau. Das sind die Gutmenschen in Österreich. Aber nicht wirklich! – Danke schön. (Beifall bei der FPÖ.)

19.23


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzte Rednerin zu diesem Tages­ordnungspunkt ist Frau Abgeordnete Windbüchler-Souschill zu Wort gemeldet. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


19.23.51

Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle fest: Die FPÖ will Kinder im Gefängnis sehen (Abg. Ing. Höbart: Tanja, bitte! Na komm! Das gibt’s ja nicht!), die Abschaffung des gelinderen Mittels und jeglichen Jugendstrafvollzug beendet wissen. (Lebhafte Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Petition, die unterschrieben wurde, lautet:

„Sie haben es in der Hand!

Wenn Sie nicht wollen, dass weiterhin Kinder in Gefängnissen landen, dann sollten Sie die Kinderrechtskonvention endlich uneingeschränkt in die Verfassung aufnehmen.

Wenn Sie nicht wollen, dass weiterhin Kinder in Schubhaft landen und Familien aus­einandergerissen werden, dann müssen Sie ein Zeichen setzen und ein neues Fremdenrecht fordern.“


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Das wurde unterzeichnet von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ, und darum geht es in dieser Debatte und nicht um den Strafvollzug und darum, wie Mütter, die verurteilt wurden, ihre Kinder aufziehen können. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Strache: Kinder gehören nicht in Haft!)

Der kinderrechtliche Handlungsbedarf besteht weiterhin. Das ist, glaube ich, in diesem Haus nicht wegzudiskutieren, denn es ist so. 270 000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren sind in Österreich armutsgefährdet, in einem der reichsten Länder der OECD. Die Gesundheitsdaten von Kindern und Jugendlichen liegen laut UNICEF-Studie 2010 an letzter Stelle im Vergleich aller europäischer Länder.

Und wenn Sie sich richtig erinnern, dann wissen Sie, dass wir im Zuge der Debatte über das Bundes-Verfassungsgesetz über die Rechte der Kinder in Österreich gerade über den Artikel 7, den Gesetzesvorbehalt, diskutiert haben, der nämlich genau die Grund­sätze der Nichtdiskriminierung eben nicht einhält.

Frau Ministerin! Als Niederösterreicherin sind Sie es gewohnt, die gesamten Kinderrechte im Landesverfassungsrang zu wissen und damit auch umzugehen. Auf Bundesebene schaut es allerdings ganz und gar nicht so aus, denn damals wurden einfach nur ein paar Gesetzestexte in den Bundesverfassungsrang gehoben.

Aus diesem Grund und gerade im Zuge der Evaluierung eines Fremden­rechts­gesetzes, das die Kinderrechte nicht vorsieht, nicht einhält und schon gar nicht forciert, bringe ich folgenden Entschließungsantrag ein:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der die Einrichtung eines finanziell ausreichend unterstützten, unabhän­gi­gen Kinderrechte-Monitoringausschusses zur Überprüfung der Umsetzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern normiert.“

*****

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Kinderrechte-Monitoringausschuss wurde nicht nur debattiert während der Verhandlungen, sondern ist dringend notwen­dig, einerseits zur Überprüfung des B-VG an sich, andererseits aber auch zur Evaluierung jeglicher Gesetzesinitiativen und Gesetzesgestaltungen, die es schon gibt, um zu sehen: Wie schaut es mit den kinderrechtlichen Standards wirklich aus? Wie schaut es wirklich aus mit den Gesetzen, die schon existent sind? Wo sind die Kinder wirklich gefördert? Wo bleiben sie auf der Strecke?

Deshalb braucht es so einen Monitoringausschuss auf jeden Fall. Der muss unabhängig sein, öffentlich sein, finanziell gut unterstützt sein, um das alles zu kon­trollieren. (Beifall bei den Grünen.)

19.27


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kin­derrechte-Monitoringausschuss zur Überprüfung der Umsetzung des Bundes­verfas­sungsgesetzes über die Rechte von Kindern


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eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Ausschusses für innere Angelegenheiten über die Petition Nr. 64 betreffend "Kinder gehören nicht ins Gefäng­nis", überreicht von den Abgeordneten Sonja Ablinger, Dr. Franz-Joseph Huainigg, Tanja Windbüchler-Souschill und Ing. Peter Westenthaler (1345 d.B.)

In Österreich trat die UN-Kinderrechtskonvention, nach der Ratifikation am 6. August 1992, am 5. September 1992 in Kraft. Die Ratifikation mit Erfüllungsvorbehalt blieb jedoch rechtlich weitgehend ohne Effekt. In der Debatte um kinderrechtliche Standards und deren Umsetzung in Österreich war daher die Forderung nach einer Verankerung von Kinderrechten gemäß der UN-Kinderrechtskonvention in der österreichischen Bundesverfassung über viele Jahre präsent.

Mit 16.02.2011 ist das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern in Österreich in Kraft getreten.

Die Debatte im Zuge des Gesetzesentstehungsprozesses war gekennzeichnet von der Kritik am Artikel 7 des Bundesverfassungsgesetzes, der einen Gesetzesvorbehalt darstellt, der nach Auffassung vieler ExpertInnen Grundprinzipien der UN-Konvention wie „Nicht-Diskriminierung“ (Art. 2 UN-KRK) und „Wohl des Kindes“ („best interests of the child“) (Art. 3 UN-KRK) beeinträchtigt. Weiters wurde Kritik an der selektiven Auswahl einzelner Kinderrechte der im B-VG verankerten Kinderrechte geübt. Recht auf Gesundheit, Recht auf Bildung, Recht auf angemessenen Lebensstandard, Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung, Recht auf Schutz und angemessene Hilfe für minderjährige Flüchtlinge fehlen in dem Bundesverfassungsgesetz.

Die fehlende proaktive Einbindung von Kinderrechts- und Kinder- und Jugendorga­nisationen in den Gesetzesentstehungsprozess seitens der Bundesregierung ist weiterer Kritikpunkt an dem Gesetzesentstehungsprozess.

In Österreich besteht eindeutig kinderrechtlicher Handlungsbedarf. Beispielhaft sei hier angeführt: Die Gesundheitsdaten von Kindern und Jugendlichen liegen in Österreich sowohl in der OECD-Studie 2009 als auch in jener der UNICEF 2010 an letzter Stelle aller EU-Länder. Dem steht gegenüber das Recht auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit (Art. 24 UN-KRK).

270 000 Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren sind in Österreich, einem der reichsten OECD-Länder, armutsgefährdet. Dem steht gegenüber das Recht auf ange­messenen Lebensstandard (Art. 27 UN-KRK).

Anforderung an Kinder und Jugendliche in Schule und Ausbildung werden im aktuellen 6. Bericht zur Lage der Jugend in Österreich als verschärft beschrieben. Viele Kinder und Jugendliche  leiden an psychosomatischen Beschwerden durch die steigende Belastung. Dem gegenüber steht das Recht auf Ruhe, Freizeit, Spiel und Erholung (Art. 31 UN-KRK).

Um Kinderrechte in Österreich zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten ist ein unabhängiger Kinderrechte-Monitoringausschuss, der die Umsetzung des Bundesver­fas­sungsgesetzes über die Rechte von Kindern überprüft notwendig.

Im Rahmen der Europäischen Grundrechtsagentur wurden Indikatoren für ein Kinder­rechtemonitoring ausgearbeitet. Diese orientieren sich u.a. an Leitgedanken der UN-Kinderrechtskonvention wie Gleichheitsgrundsatz/Verbot der Diskriminierung, Partizi­pation und Empowerment. Ein Monitoring kinderrechtlicher Umsetzungsmaßnahmen könnte sich an diesen bereits ausgearbeiteten Indikatoren orientieren.

Der Kinderrechte-Monitoringausschuss soll durch die Überprüfung der Umsetzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern feststellen, ob kinderrecht­


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liche Standards in Österreich gewährleistet sind und evaluieren wo Maßnahmen zur Verbesserung dieser Standards notwendig sind.

Um die öffentliche Debatte von Empfehlungen und Umsetzungsvorschlägen des Monitoringausschusses zu fördern, sollen die Sitzungen des Ausschusses für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich sein.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der die Einrichtung eines finanziell ausreichend unterstützten, unabhän­gigen Kinderrechte-Monitoringausschusses zur Überprüfung der Umsetzung des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern normiert.

*****

19.27.50

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht eine der Berichterstatterinnen ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vor­nehme.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 24: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 1344 der Beilagen zur Kenntnis zu nehmen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Dr. Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend bessere Vollziehung der fremdenrechtlichen Normen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Petition „Eine rasche menschenrechtskonforme und humanitäre Reform des österreichischen Fremdenrechts“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Tagesordnungspunkt 25: Antrag des Ausschusses für innere Angelegenheiten, seinen Bericht 1345 der Beilagen zur Kennt­nis zu nehmen.


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Ich bitte jene Damen und Herren, die hierzu ihre Zustimmung geben, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Korun, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung der Vier-Parteien-Petition „Kinder gehören nicht ins Gefängnis“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen betreffend Kinderrechte-Monitoring­ausschuss zur Überprüfung der Umsetzung des Bundes-Verfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

19.29.48 26. Punkt

Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1252 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmel­zungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011) (1278 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.30.14

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bun­desminister! Zunächst zur guten Nachricht. Wir werden dem Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz zustimmen, mit Ausnahme jenes Teils, in dem es um die Flat-Rates geht, weil das ein Reparaturgesetz ist, bei dem man wieder sieht, dass die seiner­zeitigen Angaben – ich glaube, man hat sie beim Budgetbegleitgesetz gemacht – nicht halten.

Wir haben heute übrigens der Reihe nach solche Vorlagen aus dem Justizausschuss, bei denen die Angaben einfach nicht gehalten haben. Es wird alles verschoben. Hier muss man die Einführung der Flat-Rates, wodurch man den Bürgern mit den Gebühren einmal entgegen käme, vom 1. Oktober 2011 auf den 7. Mai 2012 verschieben. Das unterstützen wir nicht, deswegen werden wir auch eine getrennte Abstimmung verlan­gen.

Zusätzlich bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grosz, Mag. Stadler, Schenk, Dr. Spadiut, List, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil Kopiergebühren bei Gericht

Der Nationalrat wolle beschließen:


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„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzentwurf zuzuleiten, der die Erhöhung der Kopierkosten bei Gericht rückgängig macht und bestimmt, dass Kopien bei Gericht künftig zum Selbstkostenpreis ausgefolgt werden.“

*****

Meine Damen und Herren, die Kopierkosten – und das wird Ihnen jeder bestätigen, insbesondere die Rechtsanwälte – sind schlicht und einfach skandalös. 1 € für eine Kopie, das ist Wucher. Das ist in Wirklichkeit Wucher, staatlich geduldeter, staatlich betriebener Wucher!

Meine Damen und Herren! Die heutige Gesellschaftsrechtsänderungsmaterie beruht auf einer EU-Richtlinie, die auf die Prüfungsergebnisse der Financial Action Task Force zurückgeht, wobei die Staaten – im weitesten Sinne – angehalten werden, gegen Korruption im Wirtschaftsbereich anzukämpfen.

Frau Bundesminister! Weil das so ist, nehme ich heute die vorliegende Materie zum Anlass, Sie auf einen Fall von Wirtschaftskriminalität hinzuweisen, der offensichtlich von Ihrem Kabinett noch gedeckt werden soll. Ich verweise darauf, dass am 26. Juni dieses Jahres – also vor einigen Tagen – im „Kurier“ – das ist eine Zeitung, die der ÖVP durchaus nicht ferne steht – im Wirtschaftsteil ein ganzseitiger Artikel erschienen ist, in dem unter Nennung auch der Namen der Verdächtigen berichtet wird, dass im Rettberg-1-Prozess, also im Libro-1-Prozess ... (Abg. Ing. Westenthaler: Entschuldi­gung, sie hört nur leider nicht zu! ... eigentlich ein Problem! Sie sollte eigentlich zuhören!)

Frau Bundesminister (der Redner wendet sich an Bundesministerin Dr. Karl, die sich neben der Regierungsbank stehend in einem Gespräch befindet), ich spreche Sie direkt an. Wollen Sie Ihr Kaffeekränzchen weiter veranstalten? – Dann bitte ich, die Sitzung zu unterbrechen, Herr Präsident. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Dr. Karl.– Entschuldigung! Ich spreche Sie auf Ihren Kabinettschef Puller an, und Sie machen Small Talk. (Unruhe.) Also bitte, wir können die Sitzung gerne unterbrechen. (Abg. Grillitsch: Ob sie steht oder sitzt, ...!) Wir können die Sitzung gerne unter­brechen. Herr Präsident, ich beantrage, die ...

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Stadler, ich gehe erstens davon aus, dass die Frau Bundesminister zuhört, und zweitens kann sie sicher mehr als nur eine Sache gleichzeitig machen. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP.)

Setzen Sie bitte fort!

 


Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (fortsetzend): Also wir haben hier eine Ministerin, in deren Kabinett das Vorgehen gedeckt wird, dass drei Wirtschaftskriminelle aus einem Anklageentwurf, der sechs Personen umfasst hat, herausgestrichen werden. Herr Lind ist einer davon, aus dem Rettberg-1-Prozess oder Libro-1-Prozess.

Dieses Vorgehen der Oberstaatsanwaltschaft wurde seinerzeit vom Justizministerium genehmigt, was peinlich genug ist. Über den Umstand, dass dieser feine Herr, der die Wirtschaftskammer Österreich, die Wirtschaftskammer Wien und die Pensionskasse der Sozialversicherung mit mindestens 20 Millionen € geschädigt hat – Wirt­schaftskammer, so viel zur Wirtschaftskompetenz –, vorher über Weisung mit unrich­tigen Argumenten aus dem Anklageentwurf herausgenommen wurde, berichtet der „Kurier“ am 26. Juni 2011 und am 6. Juli 2011 – also vor drei Tagen – ganzseitig.

Der Sekretär der Frau Bundesministerin schickt dann an den „Kurier“ eine Entgegnung, in der der erkennbar falsche Sachverhalt noch einmal wiedergegeben und dem „Kurier“


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unterstellt wird, er hätte eine falsche Berichterstattung beziehungsweise eine tenden­ziöse Berichterstattung gepflogen.

Sie hätten erstens einmal Anlass, dafür zu sorgen, dass der feine Herr Puller sich den Sachverhalt vorher anschaut, wenn er schon dem „Kurier“ Entgegnungen schickt. Sie sollten zweitens dafür sorgen, dass geklärt wird, warum eine Oberstaatsanwaltschaft auf die Idee kommt, aus einem wohlbegründeten Anklageentwurf mit drei Verdäch­tigen, drei Beschuldigten, von denen der erste schon einmal von Hansjörg Tengg im Zusam­menhang mit der sogenannten Residenz-Immobilien-Causa angezeigt wurde und der dann eben noch einmal in der Libro-Causa auftaucht, drei anzuklagen – die auch rechtskräftig verurteilt werden – und drei herauszunehmen. Ich sage Ihnen dann zum politischen Hintergrund noch etwas.

Derselbe geht dann her und schädigt die Wirtschaftskammer Österreich, die Wirt­schaftskammer Wien und den Pensionsfonds der Sozialversicherung, und der Sekretär der Frau Ministerin verteidigt das alles noch mit falschen Argumenten. Ich kann Ihnen beweisen, wenn Sie wollen – ich habe den Akt hier –, dass die seiner­zeitigen Gründe für die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, sie im Anklageentwurf aufzunehmen, mit Dokumenten im Akt abgesichert waren, und zwar mit umfangreichen Dokumenten.

Mit hanebüchenen, falschen Argumenten wurde dafür gesorgt, dass drei Leute, die einen gewissen politischen Nahbereich haben und offensichtlich über gute politische Connections verfügen, aus der Anklage herausgenommen wurden – verteidigt vom Herrn Puller, direkt verantwortlich das Kabinett der Frau Bundesminister. Meine Damen und Herren! Das sind drei Leute, die dann später wiederum straffällig werden, die dann später wiederum Schäden bei der Wirtschaftskammer Wien, bei der Wirtschafts­kammer Österreich und beim Pensionsfonds der Sozialversicherung anrichten, und niemand reagiert.

Sie kriegen von mir eine parlamentarische Anfrage zu diesem Thema; es gibt noch ein paar andere. Die Staatsanwaltschaft wird eine große Freude damit haben. Herr Pleischl hat mir bei einer Tagung der Staatsanwälte gesagt, dass er sich über meine Anfragen so amüsiere. Ich habe gesagt, das Amüsement könne man steigern. Er kriegt von mir jetzt laufend parlamentarische Anfragen.

Meine Damen und Herren! Diese parlamentarischen Anfragen werden ergeben, dass hier schlicht und einfach ganz gezielt drei Leute aus dem Anklageentwurf heraus­gestrichen wurden, die Staatsanwaltschaft sich dagegen wehren wollte, die Staats­anwaltschaft gute Gründe hatte, diese Anklagen zu erheben, und man unter Vorwegnahme der Entscheidung des zuständigen Strafgerichtes dafür gesorgt hat, dass bestimmte Leute nicht vor den Richter gestellt werden.

Das hat sich – das gebe ich zu – unter Ministerin Gastinger ereignet. Das ändert aber nichts daran, dass es ein Skandal ist. Es ändert nichts daran, dass dieser Skandal aufzuarbeiten ist, und es ändert nichts daran, dass die Leute, die dafür verantwortlich sind, heute zu belangen sind. Meine Damen und Herren! Das ist der entscheidende Punkt. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn Sie also Wirtschaftskriminalität bekämpfen wollen, dann fangen Sie gleich damit an und sorgen Sie dafür, dass jene Fälle, die als Altlasten im Ministerium vorhanden sind, nicht noch verteidigt werden, wenn man es in der Zeitung nachlesen kann, sondern dass die Zeitungsberichte Anlass genug sind, endlich entsprechend gegen diese Leute vorzugehen! (Beifall beim BZÖ.)

19.38



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 226

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ikrath. 4 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Ja, Ikrath, was sagst jetzt dazu? Jetzt wird’s spannend!)

 


19.38.12

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesminis­terin! Geschätzte Kollegen! Geschätzter Kollege Westenthaler, ich glaube, wir sollten jetzt wieder zur Sache zurückkehren, nämlich zum Gesellschaftsrechts-Änderungs­gesetz. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.)

Ich freue mich – ich verhehle das nicht –, dass Kollege Stadler uns mitgeteilt hat, dass auch das BZÖ dem Gesetz zustimmen wird. Was ich nicht ganz verstehe, ist seine Kritik an der Legisvakanz. Es werden die Termine um acht Monate verschoben. Das mag man als kleinen Makel empfinden, den Kollege Stadler offenbar sieht – für mich scheint das vernachlässigbar. (Abg. Mag. Stadler: Ich höre gerade, wer der Verteidiger von Herrn Lind war! Das erhellt einiges!) Jedenfalls schön, dass ihr dem Gesetz zustimmt.

Kollege Stadler, ich darf dich noch auf eines hinweisen. Wir setzen zwei unter­schiedliche Dinge um: Einerseits eine EU-Richtlinie, und andererseits reagieren wir auf eine Kritik der FATF, die mit der EU-Richtlinie nichts zu tun hat. Es ist für unsere Unternehmen äußerst vorteilhaft, dass wir die EU-Richtlinie umsetzen – und da danke ich besonders der Frau Bundesministerin und ihren Beamtinnen und Beamten –, weil wir damit im Bereich des Umgründungsgesetzes – dort, wo Unternehmen verschmel­zen oder Spaltungen vornehmen – eine wesentliche Verwaltungskostenentlastung herbeiführen.

Wir reduzieren sieben Informationspflichten beziehungsweise vereinfachen sie so, dass es für die Unternehmen Einsparungen geben sollte, die pro Jahr mit 1 Million € aufwärts zu beziffern sind. Damit stärken wir die Wettbewerbsfähigkeit der Unter­nehmen. Das ist verdienstvoll, weil diese sonst eher das Gegenteil erleben: dass die Unternehmen durch diverseste Regulierungen von EU-Seite immer stärker belastet werden.

Zum anderen gehen wir auf eine Kritik des FATF ein, also jener internationalen Organi­sation, die sich Geldwäscherei- und Terrorismusbekämpfung auf ihre Fahnen geschrie­ben hat, Kritik, dass die Eigentümerstrukturen unserer Aktiengesellschaften – sofern sie nicht börsennotiert sind – nicht transparent genug sind, wenn sie Inhaberaktien ganz oder teilweise ausgeben.

Da scheint es mir eine sehr sinnvolle neue Systematik zu sein, dass man einer Gesellschaft, die nicht börsennotiert ist, künftig auferlegt, sich auf Namensaktien zu begründen. Es wird auch ein vernünftiger Umstellungszeitraum dafür sichergestellt.

Insgesamt ist das ein Gesetz, das auf der einen Seite eine höhere Transparenz bringt und auf der anderen Seite eine Entlastung der Unternehmen – also ein wirklich gutes Gesetz. Daher danke ich dem Justizministerium noch einmal dafür. (Beifall bei der ÖVP.)

19.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, hole ich noch nach, dass der von Herrn Abgeordnetem Stadler eingebrachte Entschließungs­antrag ausreichend unterstützt ist und mit in Verhandlung steht.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 227

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Grosz, Mag. Stadler, Schenk, Dr. Spadiut, List, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil Kopiergebühren bei Gericht

eingebracht im Zuge der Debatte über Bericht des Justizausschusses über die Regierungsvorlage (1252 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Aktiengesetz, das Spaltungsgesetz, das EU-Verschmelzungsgesetz, das GmbH-Gesetz, das SE-Gesetz, das Firmenbuchgesetz, das Depotgesetz, das Kapitalberichtigungsgesetz und das Gerichtsgebührengesetz geändert werden (Gesellschaftsrechts-Änderungsgesetz 2011 – GesRÄG 2011) (1278 d.B.)

Normalerweise bekommen Vorschläge der Opposition im Nationalrat nie eine Mehrheit, weil die Koalitionsfraktionen eine Zustimmung unabhängig von der sachlichen Sinn­haftigkeit der Forderungen aus rein parteitaktischen Gründen verweigern. Die innerhalb der ÖVP seit dem Amtsantritt von Parteiobmann und Vizekanzler Spindelegger immer stärker werdenden bündischen und regionalen Divergenzen haben nun zur Ankün­digung des Obmanns der ÖVP Steiermark geführt, künftig eine „eigenständige Linie“ einschlagen zu wollen. Dies lässt die Hoffnung aufkeimen, dass viele Anliegen, die in der Steiermark von der ÖVP unterstützt wurden, nun auch im Nationalrat erhöhte Umsetzungschancen haben könnten.

Ein derartiger Vorschlag ist der vom KPÖ-Gemeinderatsklub im Gemeinderat von Graz am 20. Mai 2010 eingebrachte und einstimmig angenommene dringliche Antrag: „Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Graz fordert den Bundesgesetzgeber auf dem Petitionsweg auf, die im vergangenen Jahr erfolgte Erhöhung der Kopierkosten bei Gericht rückgängig zu machen und zu bestimmen, dass Kopien bei Gericht künftig zum Selbstkostenpreis ausgefolgt werden.“

Die Umsetzung dieses Anliegens auf Bundesebene würde einen wesentlichen Schritt zugunsten der Rechtssuchenden bei Gericht darstellen. Zu verdeutlichen ist, dass das Akteneinsichtsrecht der Beteiligten bzw. das Recht auf ein faires Verfahren Wesens­merkmale eines modernen Rechtsstaates darstellen. Insbesondere bei umfangreichen und komplexen Verfahren ist es zur Wahrnehmung dieser Rechte zwingend notwendig, die Akten kopieren zu können.

Bei einem Kopierpreis bei Gericht von einem Euro pro Blatt ist es jedoch offensichtlich, dass allein die Beschaffung der Unterlagen und damit die Beschaffung der Grundlagen einer möglichen Rechtdurchsetzung oder Verteidigung zu erheblichen Kosten führen kann.

Nicht zuletzt in Anbetracht der in privatwirtschaftlichen Kopiergeschäften üblichen Kopierpreise erscheinen die derzeitigen Regelungen als Wucher und Gefährdung des Rechtsstaates.

Um insbesondere den steirischen Abgeordneten der ÖVP die Gelegenheit zu geben, ihren Überzeugungen abseits vom Klubzwang im Sinne der von ihrem Landes­parteiobmann ausgerufenen „eigenständigen Linie“ auch im Nationalrat Ausdruck verleihen zu können stellen die unterzeichneten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 228

„Die Bundesregierung wird ersucht, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, der die Erhöhung der Kopierkosten bei Gericht rückgängig macht und zu bestimmt, dass Kopien bei Gericht künftig zum Selbstkostenpreis ausgefolgt werden.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.41.32

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, in der Sache selbst gibt es ja keine allzu großen Divergenzen. Es gibt hier eine Änderung im Aktiengesetz dahingehend, dass zukünftig besser nachvollzogen werden können soll, wem Aktien gehören. Überall dort, wo die Unternehmen nicht börsennotiert sind, sollen also Namensaktien eingeführt werden. Diese sind im Aktienbuch einzutragen. Damit gibt es eine größtmögliche Transparenz über die Eigentumsverhältnisse in den Gesellschaften und damit eigentlich auch eine sehr gute Grundlage bei notwendigen Überprüfungen.

Darüber hinaus gibt es auch noch Verbesserungen, Vereinfachungen – ob es tat­säch­lich Verbesserungen sind, wird abzuwarten sein – bei Formvorschriften im Spaltungs­recht und beim Umgründungsrecht. Dabei geht es darum, offensichtlich überbordende Berichte durch unterschiedliche Organe – also Aufsichtsrat, Vorstand und so weiter – zu vereinfachen und damit auch den jeweiligen grenzüberschreitenden Transaktionsakt zu vereinheitlichen. Also hier gibt es – und das war auch im Ausschuss so – eine weitestgehende Übereinstimmung bei einer vernünftigen Gesetzgebung.

Ich will nur ganz kurz noch etwas zum Kollegen Stadler sagen, zu diesen absurden Anwürfen und Verschwörungstheorien, die da so offensichtlich in den Raum gestellt werden (Ruf beim BZÖ: Wir erfahren gerade mehr!), weil Sie völlig von dem abgehen, was irgendwie real ist. Herr Kollege! Es gibt einen Unterschied, ob man etwas beweisen kann, ob man Fakten hat, ob man eine Beweissituation hat, oder ob man das nicht hat.

Im gegenständlichen Fall – ich kenne weder Herrn Lind noch sonst irgendjemanden – gab es Ausführungen der Oberstaatsanwaltschaft, warum in der Libro-Angelegenheit gegen einen Teil anzuklagen ist und gegen einen anderen Teil nicht. Das wurde durch das Ministerium überprüft, und dem wurde recht gegeben.

Sich jetzt herzustellen – Jahre danach – und zu behaupten, das wäre der größte Skandal der Geschichte, ist eine nur allzu durchsichtige Vorgangsweise. Kollege Stadler! Ich würde meinen, man soll mit einer gewissen Grundseriosität hier im Parlament die Leute nicht desinformieren, sondern darüber reden, was tatsächlich Sache ist. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

19.43


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.43.59

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Heute wird eine durchaus interessante Änderung im Bereich des Gesellschaftsrechts beschlossen. Von einem Vorredner von mir wurde schon angesprochen, dass bei nicht börsennotierten Unternehmen die Aktien künftig nicht mehr als Inhaberaktien, sondern als Namensaktien ausgegeben werden. Damit sind die Aktien nicht mehr anonym,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 229

sondern es ist nachvollziehbar, wer die Aktie hat, und es sind Geldflüsse nachvoll­ziehbar.

Das ist eine wesentliche Maßnahme im Kampf gegen die Geldwäsche. Das ist nicht unwesentlich, weil Österreich aufgrund seiner geografischen Lage, aufgrund der Steuergesetze und aufgrund der politischen Stabilität ein durchaus attraktiver Standort für Geldwäsche ist. Die Schätzungen gehen davon aus, dass das Geldwäschevolumen in Österreich bei rund 1 Milliarde € liegt. Daher ist es wesentlich, dass im Rahmen dieser Maßnahme Geldwäsche besser verfolgt werden kann.

Ich finde es nur auffallend, dass in Österreich derartige Maßnahmen immer nur gesetzt werden, wenn es internationale Kritik gibt. Diesmal war es die FATF, die in einem Prüfbericht empfohlen hat, diese Maßnahme zu setzen. Ich kann mich erinnern, als wir vor einem Jahr über das Bankgeheimnis diskutiert und es gelockert haben, war das auch nur möglich, weil international eine schwarze und eine graue Liste angedroht wurden. Von selbst geht gar nichts. Bei der gesamten Korruptionsdebatte macht GRECO Druck, dass sich etwas ändert, Stichwort Abgeordneten-Korruption. Wir werden sehen, wie weit wir jetzt kommen.

Wir stellen nur fest, das wären wichtige Maßnahmen, die immer nur dann funktionieren oder gesetzt werden, wenn internationaler Druck ausgeübt wird. Ich frage mich schon, warum das so ist, denn Österreich hat nichts davon, wenn die legale Wirtschaft durch die Schattenwirtschaft, durch kriminelles Kapital, das Geldwäsche in Österreich betreibt, unterwandert wird.

Ich will nicht, dass kriminelles Kapital in Österreich investiert wird und dass so von Kriminellen auf die österreichische Wirtschaft Einfluss ausgeübt wird. Daher glaube ich, dass man da mehr Aufmerksamkeit braucht und nicht erst reagieren sollte, wenn der Druck international so groß wird, dass man nicht anders kann. In diesem Sinn begrüßen wir die heutige Maßnahme. Ich glaube aber, dass ein bisschen mehr Eigenengagement sinnvoll und notwendig wäre. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

19.46


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort hat sich Frau Bundesministerin Dr. Karl gemeldet. – Bitte.

 


19.46.36

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das gegenständliche Gesellschaftsrechts-Ände­rungs­gesetz 2011 ist ein Paket an Maßnahmen, die dazu dienen, die österreichischen Unternehmen auch international betrachtet wettbewerbsfähiger zu machen.

Es geht darum, dass durch Verwaltungsvereinfachungen bei Umgründungen und auch durch die Schaffung von mehr Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen von Aktiengesellschaften hier insgesamt Einsparungen in Höhe von 2 Millionen € jährlich für unsere österreichischen Unternehmen erzielt werden können.

Ich möchte hier zwei Maßnahmen besonders hervorheben. Zum einen geht es darum, dass wirklich die maximale Transparenz bei den Aktiengesellschaften eingeführt werden soll, und zwar durch eine viel klarere Nachvollziehbarkeit der Anteilseigen­tümerschaft bei den Aktiengesellschaften. Sie soll dadurch erreicht werden, dass künftig die Namensaktien das Standardinstrument sein sollen. Nur mehr bei den börsen­notierten Unternehmen wird es die Wahl zwischen Inhaberaktien und Namens­aktien geben. Mit dieser Maßnahme entspricht Österreich den internationalen Vorga­ben im Kampf gegen die Geldwäsche. Das war ja auch eine internationale Vorgabe der FATF.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 230

Der zweite große Maßnahmenstrang in diesem Paket ist die Vereinfachung bei Umgründungen. Es geht hier um Vereinfachungen im Hinblick auf Informations- und Beratungspflichten, denn uns sind Informations- und Beratungspflichten bei Umgrün­dungen dann wichtig, wenn sie dem Schutz der Gläubiger, der Aktionäre und der Gesellschafter dienen. In Bereichen, in denen Berichtspflichten und Informations­pflich­ten nicht diesen Schutzzweck verfolgen und einfach nur eine überbordende Verwaltung bedeuten, sollen sie zurückgenommen werden. Das wird mit diesem Gesetz sicher­gestellt.

Insgesamt bedeuten diese Maßnahmen ein Einsparungsvolumen für unsere Unter­nehmen in Höhe von 2 Millionen € jährlich. Wir haben diese Maßnahmen auch sehr intensiv mit Vertretern der Wissenschaft und Praxis diskutiert und sind überzeugt davon, dass wir hier zu einem sehr guten Ergebnis gekommen sind. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

19.48

19.48.20

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in 1278 der Beilagen.

Hiezu liegt ein Verlangen des Abgeordneten Mag. Stadler auf getrennte Abstimmung vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile des Gesetzentwurfes und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile samt Titel und Eingang abstimmen lassen.

Ich komme sogleich zur getrennten Abstimmung über Art. 9 Z 4a des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ihre Zustimmung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hiefür ist, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den vorliegenden Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist ebenfalls einstimmig. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Grosz, Mag. Stadler, Schenk, Dr. Spadiut, List, Kolleginnen und Kollegen betreffend Umsetzung eigenständiger Initiativen der ÖVP Steiermark – Teil Kopier­gebühren bei Gericht.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 231

19.51.0627. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1507/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch (StGB) und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (1279 d.B.)

28. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1580/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird (1280 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen nun zu den Punkten 27 und 28 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stefan. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.52.06

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Hohes Haus! Zwei verschiedene Themen werden hier behandelt: Das eine steht im Zusammenhang mit der Einführung der Korruptionsstaats­anwalt­schaft. Das sind Maßnahmen, die wir unterstützen, weil wir die Korruptionsstaats­anwaltschaft an sich unterstützt haben. Das Zweite sind Ergänzungen und Verbes­serungen im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung. Wir haben sie grund­sätzlich abgelehnt, und wir lehnen auch diese neuen Änderungen ab. Das ändert einfach nichts an dem grundsätzlichen Problem der Vorratsdatenspeicherung, dass ohne jeden Anlass, ohne Verdacht, ohne dass eine Straftat vorliegt, Daten pauschal gespeichert werden.

Wie wichtig es ist, dass man dagegenhält, zeigt sich dadurch, wie die Europäische Union bei diesem Thema vorgeht. Wir haben die Vorratsdatenspeicherung gerade in Österreich umgesetzt. Als Nächstes kommt bereits die Speicherung der Fluggastdaten, und zwar in sehr großem Umfang. Das wird alles schön geheim gehalten. Durch Zufall erfährt man dann, dass der Ministerrat bereits am 11. April einen Beschluss gefasst hat, sämtliche Fluggastdaten von allen Flügen innerhalb der EU mit allen damit zusam­menhängenden Daten für fünf Jahre zu speichern.

Man hört, dass es zwar Widerstand der einzelnen Länder gibt, aber man sieht, wie agiert wird. Es wurde von der Kommission bereits ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten über den Austausch derartiger Daten für Flüge in die USA geschlossen. Es gibt ein ähnliches Abkommen mit Australien, über das überhaupt nicht berichtet wurde. Jedenfalls ist es nicht auf den Internetseiten der Europäischen Union zu finden. So wird da agiert, und daher ist größter Widerstand von uns notwendig.

Es heißt immer so schön: Wehret den Anfängen! – Das hätten wir bei der Vorrats­datenspeicherung bereits machen müssen, aber spätestens jetzt müssen wir uns massiv dagegen wehren. Ich ersuche darum – es gibt ja erstaunlicherweise doch auch Unterstützung von den anderen Parteien –, dass unsere Vertreter im Rahmen der Europäischen Union die Stimme erheben und darauf hinweisen, dass hierbei die Menschenrechte und Grundrechte ganz massiv eingeschränkt werden, dass das nicht zielführend und nicht im Sinne der österreichischen Bürger ist. (Beifall bei der FPÖ.)

19.54



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 232

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Donner­bauer. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


19.54.46

Abgeordneter Mag. Heribert Donnerbauer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Mein Vorredner hat es schon erwähnt: Das eine ist das, was bei der Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung zugesagt wurde, nämlich eine Änderung im Strafgesetzbuch. Die widerrechtliche Veröffentlichung von Vorratsdaten wird strafrechtlich mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe sanktioniert. Das wurde aus Anlass der Einführung der Vorratsdaten­speicherung auch in einem Initiativantrag als Begleitmaßnahme eingebracht. Ich verstehe jetzt die Haltung der FPÖ nicht ganz. Selbst wenn man gegen die Vorrats­datenspeicherung ist, kann man eine Begleitmaßnahme, die zusätzlichen Schutz bieten soll, unterstützen. Aber bitte, es ist Ihre Entscheidung, wie Sie sich hier verhalten.

Der zweite Punkt, der hier mit in Verhandlung steht, betrifft die Wirtschafts- und Korrup­tionsstaatsanwaltschaft. Im Dezember ist es um eine sehr große Ausweitung der Zuständigkeit gegangen, eine Vielzahl an Delikten soll jetzt von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft behandelt werden. Es hat sich in den letzten Monaten gezeigt, dass es schwieriger als angenommen ist, eine ausreichende Anzahl an Staatsanwälten in dieser kurzen Zeit zu finden und auszubilden. Bei der Einführung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft und bei deren Ausweitung war es uns wichtig, dass in großen Wirtschaftsverfahren effizient ermittelt und gebündelt mit ent­sprechendem Sachverstand vorgegangen werden kann. Wenn sich zeigt, dass es nicht so einfach ist, eine ausreichende Zahl an Mitgliedern zu finden, sind wir daher dafür, dass man das Inkrafttreten etwas aufschiebt beziehungsweise die Zahl der Fälle für eine begrenzte Zeit von einigen Monaten etwas reduziert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte das aber auch zum Anlass nehmen, einmal eine Lanze für die Staatsanwaltschaft und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser wichtigen Institution zu brechen. Das heißt nicht, dass dort keine Fehler passieren können – wer unter uns fehlerlos ist, der werfe den ersten Stein. Wenn jemand glaubt, dass er fehlerlos ist – auch solche gibt es in diesem Haus –, dann ist das wohl an sich schon verdächtig. Insgesamt erfüllen die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Behörde eine sehr wichtige Aufgabe, nämlich eine effiziente Strafverfolgung.

Vor einigen Jahren haben wir mit der Neuordnung der Strafprozessordnung, des Vor­verfahrens, die richtigen Schritte dazu gesetzt. Jetzt wird es darum gehen, dass man sich anhand der vorliegenden Evaluierung und verschiedener anderer Daten sehr gut und fundiert überlegt, wo es Nachschärfungsnotwendigkeiten gibt und wo diese große Reform entsprechend anzupassen und zu ergänzen ist. Ich habe bereits vorge­schlagen, dass wir es im Herbst vielleicht in einem Unterausschuss zum Justizaus­schuss angehen könnten, diese StPO-Novelle auf objektiver und sachlicher Basis zu überprüfen.

Insgesamt danke an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft, die eine sehr wichtige Arbeit im Interesse dieser Republik und der Menschen in dieser Republik erbringen. – Danke sehr. (Beifall bei der ÖVP.)

19.57

Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. 4 Minuten Redezeit. – Bitte.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 233

19.58.06

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrter Kollege Donner­bauer, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Ich bin richtig froh darüber, dass sich das Verhältnis der ÖVP zur Staatsanwaltschaft wieder entspannt hat, Sie schon wieder eine Lanze für die Staatsanwaltschaft brechen und sich bei den MitarbeiterInnen bedanken. Ich erinnere nur daran, dass Klubobmann Kopf vor zwei Monaten noch gemeint hat, dass sie ein Staat im Staat mit der Neigung zu einer gewissen Präpotenz ist. (Demonstrativer Beifall des Abg. Petzner.)

Ich bin also froh darüber, dass es zwischen der ÖVP und der Staatsanwaltschaft wieder eine gewisse Entspannung gibt. Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Wir haben einen gewissen Reformbedarf bei der Staatsanwaltschaft. Die Aussagen des Kollegen Kopf sind wahrscheinlich etwas zu scharf geraten. Kollege Donnerbauer, insofern verstehe ich, dass Sie sich davon distanzieren.

Aber zurück zum eigentlichen Thema: Dass die Grünen der Vorratsdatenspeicherung kritisch gegenüberstehen und sich an dieser Beurteilung nichts geändert hat, wird allen klar sein. Die Vorratsdatenspeicherung war und ist eine ansatzlose Präventiv­über­wachung, ohne dass sich die Betroffenen etwas zuschulden kommen lassen haben. Das Einzige, das man ihnen vorwerfen kann, ist – ich habe es schon einmal gesagt –, dass sie Handy und Internet verwenden. Ich bin überzeugt davon, dass die Vorrats­datenspeicherung Artikel 8 EMRK verletzt.

Es ist trotzdem immer wieder interessant, das Thema zu diskutieren. Unlängst hat eine Expertin des Innenministeriums zu mir gesagt: Wie ist das jetzt bei euch? Ihr seid gegen die Vorratsdatenspeicherung. Seid ihr damit gegen jede Form der Bekämpfung von Internetkriminalität?

Man muss schon genauer hinschauen, wenn man diese Frage beantworten will. Da hilft Deutschland. Ich habe mir noch einmal die Zahlen in Deutschland angeschaut. Bei der letzten Debatte wussten wir, dass vor Einführung der Vorratsdatenspeicherung die Aufklärungsrate in etwa gleich hoch war wie nach Einführung der Vorratsdaten­speicherung. Das heißt, die Vorratsdatenspeicherung hat keinen wesentlichen Beitrag zur Aufklärung von Straftaten geleistet.

Am 3. März 2010 hat das Höchstgericht in Deutschland die Vorratsdatenspeicherung aufgehoben. Sie gilt nicht. Ich habe mir jetzt gedacht, da muss man hinschauen, was sich verändert hat. Wie sieht die Kriminalstatistik in Deutschland aus? Jetzt fehlt nach Angaben mancher das wichtige Instrument der Vorratsdatenspeicherung. Die Aufklä­rungsquote müsste ja sinken, weil die Vorratsdatenspeicherung so ein wichtiges Mittel ist.

Was ist passiert? – In Deutschland wurden laut Kriminalstatistik 2010 auch im Jahr 2010 rund drei Viertel aller Internetstrafdelikte aufgeklärt. Das ist eine enorm hohe Aufklärungsquote, sie ist sogar gestiegen. Zum Vergleich: Strafdelikte außerhalb des Internets werden in Deutschland nur zu 53 Prozent aufgeklärt. Das heißt, offensichtlich spielt die Vorratsdatenspeicherung zumindest in Deutschland keine wesentliche Rolle für die Frage, wie hoch die Aufklärungsquote ist. Ohne die Vorratsdatenspeicherung ist die Aufklärungsquote in Deutschland im Jahr 2010 gestiegen. Die Schlussfolgerung kann nur sein, dass es offensichtlich keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Aufklärungsquote – sowohl bei Internetstrafdelikten wie auch bei anderen Strafdelikten – und der Frage gibt, ob es die Vorratsdatenspeicherung als Mittel gibt oder nicht.

Zur heutigen Gesetzesvorlage: Es sind drei Punkte enthalten. Der erste, der sich mit der Vorratsdatenspeicherung beschäftigt, ist eine Strafbestimmung für die wider­rechtliche Veröffentlichung. Dieser Strafbestimmung werden wir in zweiter Lesung


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 234

zustimmen, sie ist richtig. Die zweite Maßnahme, das Vier-Augen-Prinzip unter den Staatsanwälten, wenn bestimmte Vorratsdaten abgerufen werden, überzeugt mich nicht. Ich habe es schon im Ausschuss gesagt: Das ist ungefähr so, wie wenn man der ÖVP sagt, wir führen jetzt ein Vier-Augen-Prinzip zwischen Pilz und Steinhauser ein, sie werden gemeinsam prüfen, damit sie keine unangemessen scharfen Anfragen an ÖVP-Minister einbringen. Sie werden milde lächeln. Nichts anderes ist es, wenn ein Vier-Augen-Prinzip in einer Behörde eingeführt wird, wo es weisungsuntergebene und weisungsvorgesetzte MitarbeiterInnen gibt. Die wechselseitige Kontrolle ist nicht die gleiche, wie wenn es eine richterliche Kontrolle wäre.

Den letzten Punkt, die Verschiebung bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft, unter­stützen wir, weil es offensichtlich keine Alternative dazu gibt. Sie ist aber – sagen wir es einmal vorsichtig – zumindest eine kleine Blamage, denn im Budgetbegleitgesetz hat man offensichtlich falsch kalkuliert.

In diesem Sinne werden wir die Bestimmungen zur Vorratsdatenspeicherung in dritter Lesung aus grundsätzlichen Überlegungen ablehnen und die Verschiebung bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft unterstützen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

20.02


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Jarolim. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.03.00

Abgeordneter Dr. Johannes Jarolim (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Was die Datenspeicherung insgesamt anlangt, muss man sich in Erinnerung rufen, dass es sich um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt. Es gab dazu auch eine lange Diskussion. Bei der Beschlussfassung haben wir gewusst, dass diese evaluiert wird. Daher haben wir konsequenterweise bei unseren Beschlüssen die Evaluierung, das heißt die Überprüfung dieses Gesetzes, beschlos­sen, um in dem Fall, dass es seitens der Richtlinie der EU Änderungspotenzial und auch Erfahrungen bei uns gibt, die eine Verbesserung sicherstellen, nachjustieren zu können.

Ich meine, man kann nicht mehr machen, um im rechtsstaatlichen Rahmen vernünftig vorzugehen. Ich verstehe die Kritik nicht, die ganz einfach ignoriert, dass es eine Richtlinie umzusetzen gilt. Dass wir konsequenterweise Vorsorge getroffen haben, indem wir das Vier-Augen-Prinzip bei den Staatsanwälten einführen, um bei den Ermittlungsmaßnahmen besondere Obsorge walten zu lassen und einen zweiten Blick darauf werfen zu lassen, ist ein Qualitätsmerkmal. Ich verstehe überhaupt nicht, warum man so tut, als wäre die Staatsanwaltschaft eine Gruppe von Personen, die sich total von den Untersuchungsrichtern differenziert. Wir haben die Staatsanwälte unlängst sogar in die Verfassung aufgenommen. (Abg. Mag. Stadler: Das war ein weiterer Pleischl-Böhmdorfer-Vorschlag!)

Mit der neuen StPO-Novelle haben wir ein neues System innerhalb der Justiz geschaffen, und das muss man jetzt konsequenterweise umsetzen. Meine Kolleginnen und Kollegen! Das tun wir letztlich.

Was den letzten Tagesordnungspunkt anlangt, ist es natürlich betrüblich, dass wir eine Verzögerung bei der Umsetzung der neuen Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwalt­schaft brauchen – keine Frage. Das liegt allerdings daran, dass in den vergangenen zwei Jahren Personalpflege und Nachrekrutierung offenbar – aus welchen Gründen auch immer – nicht entsprechend stattgefunden haben. Jetzt können wir nicht sehen­den Auges in ein Problem, in ein Dilemma hineinlaufen, das die staatsanwalt­schaftlichen Behörden in der neuen Organisation nicht bewältigen können. Daher


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 235

kommt dieses gestaffelte Inkrafttreten mit der Konsequenz, dass wir eben ein paar Monate später das gleiche Ziel erreichen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Mag. Donnerbauer.)

20.05


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort gemeldet. 10 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.05.28

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Meine Damen und Herren! Frau Bun­desminister! Hohes Haus! Kollege Jarolim, die Aufnahme der Staatsanwaltschaft in den Artikel 90a unserer Bundesverfassung – und dann auch noch in dieser verunglück­ten Formulierung – war auch so eine Pleischl-Böhmdorfer-Erfindung.

Übrigens habe ich gerade erfahren, dass Kollege Böhmdorfer, der ehemalige Justizminister, auch schon der Anwalt des Herrn Lind in diesem ersten Verfahren war, das ich schon genannt habe. (Abg. Ing. Westenthaler: Ach so?! Interessant!) Das passt ja alles zusammen. Wenn man die ganzen Seilschaften kennt, dann rundet sich das Bild ja schön ab. Frau Bundesminister! Darüber werden wir ohnehin noch extra reden, das sage ich Ihnen heute schon. Dass ich da zur Tagesordnung übergehe, ist sicher nicht zu erwarten. (Heiterkeit bei Bundesministerin Dr. Karl.) – Ja, da wird Ihnen das Lachen noch vergehen. Wenn Sie nicht anders handeln, wenn Sie den Leuten auf den Leim gehen, dann werden Sie noch sehr viel Ungemach ernten. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, nun zur vorliegenden Gesetzesmaterie: Den ersten Teil, diese Strafverschärfung, tragen wir mit. Deswegen sind wir auch dankbar dafür, dass die Grünen eine getrennte Abstimmung verlangt haben. Wir werden diesen Teil mittragen. Den zweiten Teil dieser Novelle, in dem es um dieses sogenannte Vier-Augen-Prinzip geht, tragen wir nicht mit. Was ist das für ein Vier-Augen-Prinzip, wenn ein Staatsanwalt aus der gleichen Behörde an einer Entscheidung mitwirkt, die der Kollege schon getroffen hat? Na das schaue ich mir an, wie der ihm Vorhaltungen macht.

Dieses strafrechtliche Kompetenzpaket und die Verschiebung des Termins auf den 1. September 2012 sind weitere verunglückte Gesetze aus dieser – ja, wie soll ich sagen – schlampigen Form bei der Gesetzeserzeugung der Budgetbegleitgesetze. Man hat dem Parlament schlicht und einfach Dinge in Aussicht gestellt, die der Apparat nicht zu leisten vermag. Da sieht man wieder – und das zieht sich wie ein roter Faden durch –, dass man die Dinge, die die Regierung macht, nicht eins zu eins übernehmen kann und darf und schon gar nicht glauben darf.

Ich habe gerade gehört, wie Kollege Donnerbauer das Loblied auf die Staatsanwalt­schaft gesungen hat. Herr Kollege Donnerbauer! Erstens wäre ich da ein bisschen vorsichtiger, und zweitens sieht dein Klubobmann das völlig anders. Ich bin eher auf der Seite deines Klubobmannes Karlheinz Kopf, der davon gesprochen hat, dass es sich um einen Staat im Staat handelt. Wir haben bei der Staatsanwältetagung in Kössen vor einer oder eineinhalb Wochen erlebt, wie rasch sich Kollege Donnerbauer vom eigenen Klubobmann distanziert hat, nur um sich bei den Staatsanwälten beliebt zu machen. Er hat gesagt: Nein, er teilt diese Einschätzung überhaupt nicht. Er war dann ein bisschen entsetzt, dass Herr Pleischl, der sozusagen der Mentor dieser Veranstaltung war, gesagt hat: Nein, nein, er ist ganz der Meinung des Kollegen Kopf, er fühlt sich als Staat im Staat. Er ist der Meinung, dass die Staatsanwaltschaft ein Staat im Staat wäre. Ich habe mir gedacht, ich höre nicht recht – der Staat im Staat unter der Führung des Herrn Pleischl als Staatschef. Nein, danke, das brauchen wir nicht. Das hat mit der Demokratie dieses Landes nichts zu tun. (Beifall beim BZÖ.)


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Da wir gerade ein bisschen über die Staatsanwälte reden, will ich Ihnen gleich sagen, wie sich Herr Staatschef Pleischl den Staat im Staat vorstellt. Das deckt sich mit der Einschätzung des Kollegen Kopf, deines Klubobmannes. Ich habe vor einiger Zeit begonnen, die Geschichte im Zusammenhang mit der Causa Kampusch aufzuzeigen. Ich gehe jetzt nicht auf die Causa Kampusch ein. Die Ministerin hat sich nach längerem Hin und Her bereit erklärt, dafür zu sorgen, dass die Sache in einer westlichen Staatsanwaltschaft, in der Staatsanwaltschaft Innsbruck, noch einmal aufgeklärt wird, und es wurde ein Ermittlungsrichter eingesetzt.

Dieser Ermittlungsrichter hat mittlerweile umfangreiche Ermittlungen durchgeführt. Ich will Ihnen jetzt nicht sagen, was sie ergeben haben, die Ergebnisse sind nicht ganz ohne. (Ruf bei der ÖVP: Das kann ja nicht sein!) Er hat dann trotz öffentlicher Ankündigung die betroffenen Staatsanwälte als Beschuldigte vorgeladen, nämlich den Oberstaatsanwalt Mühlbacher aus Graz und den Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Herrn Dr. Pleischl. Der eine hat öffentlich angekündigt, dass er natürlich sehr gerne mit dem Ermittlungsrichter und der Staatsanwaltschaft in Innsbruck zusam­menarbeiten wird.

Wissen Sie, was sich vorgestern ereignet hat?Der Richter hat beide vorgeladen. Beide wollten ursprünglich gar nicht kommen. Daraufhin musste der Richter einem Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien und dem Leiter der Staatsanwaltschaft Graz die Vorführung mit der Polizei androhen.

Darauf haben sich die Herren endlich nach Innsbruck bequemt, um sich dort der Aussage zu entschlagen, meine Damen und Herren. (Zwischenruf des Abg. Hörl.) So, jetzt möchte ich etwas wissen, Kollege Jarolim. Du hast doch damals auch gesagt: Nein, das können wir uns alles nicht vorstellen und das hat ja alles keine Substanz. – Tatsache ist, dass die Ermittlungen in Innsbruck bereits soweit sind, dass beide Herren zuerst gar nicht kommen wollten, denn – Staat im Staat – da entscheidet man ja selber, wann man kommt, während der kleine Hendldieb natürlich sofort durch die Polizei geholt wird.

Der Richter hat ihnen gesagt, er hat sie gewarnt, er wird sie behandeln wie jeden anderen Beschuldigten auch und er lässt sie mit der Polizei vorführen. Daraufhin haben sie sich dann doch nach Innsbruck bequemt, um sich dort der Aussage zu entschlagen, wobei bekannt ist, dass sich beide sogar gegen eine Videoaufzeichnung ausgesprochen und beantragt haben, dass die Videoaufzeichnung abgestellt wird.

Das kann ein Zeuge machen, aber kein Beschuldigter. Also das heißt: Ich, Pleischl, ich, Mühlbacher, beanspruche Sonderrechte, denn wir sind ja Staat im Staat – quod erat demonstrandum.

Es war also das, was dein Klubobmann gesagt hat, wesentlich näher an der Realität der Denke dieser Leute als das, was du vertrittst.

Diese Leute haben die Auffassung, sie entscheiden, wer in diesem Land angeklagt wird und wer nicht, und zwar so, wie es die Freunde gerne haben. Sie entscheiden, ob sie selber belangt werden können oder nicht. Sie entscheiden, ob sie sich einem Verfahren überhaupt stellen oder nicht, und sie entscheiden dann, wie es mit ihnen weitergeht. Und deswegen, Frau Bundesministerin, fordere ich von Ihnen die Suspen­dierung dieser zwei Herren, und zwar so lange, bis die Ermittlungsverfahren abgeschlossen sind. (Beifall beim BZÖ.)

In jedem anderen Land, meine Damen und Herren, würden Behördenleiter, die derart massiv unter Verdacht stehen und nicht einmal mehr bereit sind, an der Aufklärung mitzuwirken – weil Staat im Staat –, sofort suspendiert werden. Ich verlange von Ihnen, Frau Bundesminister, dass Sie beide Herren von ihren Funktionen bis zum Vorliegen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 237

des Endergebnisses suspendieren. Ich verlange von Ihnen ferner, dass Sie dafür sorgen, dass nicht die gleichen Leute in Ihrem Ministerium jetzt darüber entscheiden, ob Anklage erhoben wird oder nicht, denn es ist ja ein Vorhabensbericht an Sie unterwegs, die vorher schon bei der Entscheidung mitgewirkt haben, die heute Unter­suchungsgegenstand in Innsbruck ist. Nicht dass die darüber entscheiden, ob sie damals richtig entschieden haben oder nicht (Abg. Ing. Westenthaler: Karussell!), ob sie dem Herrn Pleischl und dem Mühlbacher zu Recht auf den Leim gegangen sind oder nicht.

Das heißt, da werden wir ganz genau hinschauen. Das schauen wir uns wirklich ganz genau an. Verlassen Sie sich darauf! Ich sage Ihnen heute schon voraus: Einer Staatsanwaltschaft, die diese Selbstreinigungskraft nicht hat, die hier gefordert ist, misstraue ich.

Ich habe im Untersuchungsausschuss genug erlebt, meine Damen und Herren, und gesehen, was dort aufgeführt wurde, trotz Verfassungslage, trotz eindeutiger Gesetzeslage, trotz eindeutiger Bestimmungen, und was sie in einem anderen Zusammenhang mit einem Minister nicht aufgeführt haben. Ich bin heute überzeugt, dass die ÖVP froh gewesen wäre, wenn man ihn damals schon erwischt hätte und ihn nicht erst noch in der Europäischen Union werken hätte lassen, um sich dann öffentlich von britischen Medien vorführen zu lassen, meine Damen und Herren. (Abg. Ing. Westenthaler: Kontrolle!) Deswegen ist das Lobbyistengesetz in der politischen Diskussion.

Das heißt, solange mir der Apparat nicht beweist, Frau Bundesministerin, dass er die Selbstreinigungskraft hat, die notwendig ist, die sich auch bei den Selbstreini­gungserfordernissen im Zusammenhang mit dem Testamentsskandal in Vorarlberg zeigt, misstraue ich ihm. Das ist kein Ausweis für Selbstreinigungskraft.

Es gab 300 Testamentsfälschungen. Stellen Sie sich das einmal vor! Und dann beklagt man: Die Politik sei schuld, dass der Ruf der Justiz so schlecht ist. Dieser Apparat hat nur dann eine Chance, einen besseren Ruf bei der Bevölkerung zu erlangen, wenn die Selbstreinigungskräfte auch tatsächlich funktionieren.

Erst der Beginn der Selbstreinigungskraft ist es, dass Behördenleiter, wie der Herr Pleischl oder der Herr Mühlbacher, die sich sogar weigern, an der Aufklärung der Geschichte in Innsbruck mitzuwirken, nicht einmal kommen wollen, sofort von ihren Funktionen zu suspendieren sind, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Jury.)

Ceterum censeo: Wir brauchen in diesem Haus einen Unterausschuss, der die Tätig­keit oder Untätigkeit der Staatsanwaltschaften untersucht, meine Damen und Herren, weil wir dort auch den Einzelfall prüfen werden müssen, sonst sind wir darauf ange­wiesen, dass wir das hier machen, sonst sind wir darauf angewiesen, dass wir das über parlamentarische Anfragen machen. Wenn Sie also eine Verbesserung wollen, dann müssen wir diesen Ausschuss einrichten, meine Damen und Herren. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

20.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort hat sich Frau Bundesministerin Dr.  Karl gemeldet. – Bitte.

 


20.14.30

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Bei den gegenständlichen Gesetzesänderungen geht es ja um zwei Maßnahmen, nämlich zum einen um die Vorratsdatenspeicherung und zum anderen um die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 238

Lassen Sie mich mit dem ersten Punkt beginnen. Im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung ist es auch notwendig, den Schutz vor missbräuchlicher Verwendung der auf diesem Wege bezogenen Informationen auszu­weiten. Derartige Datenauskünfte von den Staatsanwaltschaften sollen daher nur streng nach dem Vier-Augen-Prinzip angeordnet werden dürfen und Personen, die gespeicherte Daten unzulässig veröffentlichen, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen belegt werden können.

Betreffend die neu gegründete Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist vor­ge­sehen, dass der Fokus zunächst auf die mittlere und schwere Wirtschafts- und Korruptionskriminalität, nämlich Wirtschaftsdelikte mit besonders hohem Schaden, Korruptionsdelikte und Bilanzfälschungsdelikte von Unternehmen mit über 5 Millionen € Stammkapital oder mehr als 2000 Beschäftigten, gelegt wird. Diese Fälle sollen der neuen Spezialstaatsanwaltschaft bereits mit 1. September 2011 zugewiesen werden, während die übrigen Zuständigkeiten erst mit 1. September 2012 wirksam werden sollen.

Damit soll dem Risiko vorgebeugt werden, dass nicht sämtliche Planstellen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fristgerecht besetzt werden können. Die Änderungen bieten darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, die neuen Strukturen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unter noch nicht vollständiger Auslastung aufzubauen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Scheibner: Das war alles?!)

20.16


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Hakl. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.16.33

Abgeordnete Mag. Karin Hakl (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Neben der von mir als absolut notwendig erachteten Strafbestimmung für Missbrauch von Daten aus der Vorratsdatenspeicherung möchte ich noch einmal ganz grundsätzlich auf die Vorratsdatenspeicherung eingehen, weil die Frage, wozu wir das eigentlich brauchen, heute noch gar nicht beleuchtet worden ist.

Ich möchte schon daran erinnern, dass auch bei kleinen Delikten, ich nenne zum Beispiel Stalking, dieses Thema von Bedeutung ist. Stalking ist ein Delikt, das haupt­sächlich via Internet, hauptsächlich via Handy begangen wird. Es ist ein Delikt, das zur Anzeige kommt, wenn der Betroffene bereits völlig psychisch zerrüttet ist – ich habe solche Leute kennengelernt –, und dann muss der Täter ermittelt werden. Es kann nicht sein, dass die Polizei einem solchen Betroffenen einfach achselzuckend sagt: Es tut uns leid, wir haben die Daten nicht, sie werden uns nicht gegeben, sie müssen nicht gespeichert werden. Sie haben Pech, wir können da gar nichts tun.

Wir wissen, dass wir auch in naher Zukunft einen eigenen Straftatbestand einführen werden: das Grooming. Das ist das Anbahnen sexueller Kontakte von Erwachsenen, meistens Männern, mit Kindern via Internet. Auch für diese Fälle wird es wohl zwingend notwendig sein, die Täter auszuforschen. Das sind jetzt nicht die ganz schweren Delikte, von denen ich spreche, aber solche, wo eine Verfolgbarkeit in einem Rechtsstaat wohl immer möglich sein muss.

Ich bin alles andere als ein strenger Law-and-Order-Staat-Verfechter – ganz im Gegen­teil –, aber es kann nicht sein, dass ein Staat einfach achselzuckend sagt: Es tut uns leid! Nichts zu machen! Das Internet ist rechtsfrei!

Nur weil es jetzt das Internet gibt, kann es nicht sein, dass man bei einem Delikt, das Menschen an den Rande des Abgrundes bringt, das Kinder sexuellen Angriffen


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aussetzt, achselzuckend die Waffen streckt und sagt: Na ja, das ist das Internet. Da tun wir einfach gar nichts. Da schauen wir zu.

Zum anderen muss ich sagen, dass die Fluggastdatenübermittlung an die USA und jetzt auch an Australien vom Europäischen Rat aus meiner persönlichen Sicht über­zogen ist. Insbesondere die Speicherdauer von fünfeinhalb Jahren macht, glaube ich, keinen Sinn.

Ich möchte allerdings dazu sagen, dass das Europäische Parlament da tätig geworden ist und diese Fluggastdaten nach bereits einem einzigen Monat anonymisiert werden. Das heißt, da gibt es zwar die Möglichkeit, anonym und abstrakt über die Dauer von fünfeinhalb Jahren auszuwerten, aber die Daten sind angeblich nicht mehr auf den einzelnen Fluggast persönlich zurückzuführen. Das sei auch zur Verteidigung des Europäischen Parlaments gesagt. Ich gehe aber davon aus, dass sich der Europäische Gerichtshof und der Gerichtshof für Menschenrechte insbesondere mit der langen Speicherdauer noch beschäftigen werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abg. Schönpass.)

20.19


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Becher. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.19.50

Abgeordnete Mag. Ruth Becher (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte ganz kurz zum Antrag 1580, zur Ver­schiebung der Zuständigkeit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft Stel­lung nehmen.

Die Frau Ministerin hat ja auch erklärt, warum das so sein soll und dass vor allem auch die Gefahr besteht, dass nicht alle Posten fristgerecht mit Personal besetzt werden können.

Ich denke, die personelle Situation bereitet tatsächlich auch Kopfzerbrechen, und das ist überhaupt keine Kritik an der Frau Ministerin, sondern es ist ein großes Interesse des Ministeriums da, sehr gute Juristen und Wirtschaftsexperten in diese Korruptions­staatsanwaltschaft aufzunehmen. Das zeigt auch die Tatsache, dass von 55 Bewer­bern nur sieben übernommen werden konnten. Aus diesem Grund, weil ich das für so wichtig halte, ist diese Verschiebung der Zuständigkeit auch durchaus vertretbar, wenn man die bestmöglichen Experten bekommen möchte und diese dann auch die Mittel haben sollen, effektiv zu arbeiten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur noch kurz auf zwei Dinge hinweisen. Das eine ist eine Unterlage von der Vereinigung Österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die ich durchaus für sehr wichtig halte. Ich denke auch, dass in diesem Zusammenhang eine sehr konstruktive Auseinandersetzung damit erfolgen muss, denn sollten die Recht behalten und sollte die Wirtschafts- und Korruptionsstaats­anwaltschaft aus personellen Gründen nicht zustande kommen, dann wäre das ein Schaden für die Justiz und natürlich auch für die Politik.

Das andere ist eine Reihe von Forderungen, die unser Justizsprecher Jarolim für die Sozialdemokratie präsentiert hat, bei denen es wieder um die personelle Ausstattung bei den Staatsanwälten geht und vor allem um eine Aufstockung und bessere Aus­bildung. Ich denke, da ist ein Punkt enthalten, der mir sehr wichtig erscheint, nämlich attraktivere Arbeitsplätze für die Staatsanwälte, die verschiedene Anreize bieten sollen, damit nicht der Fall eintritt, dass während eines laufenden Verfahrens die Staats­anwälte ihre Position wechseln, denn das bedeutet nur eine Verlängerung der Ver­fahrens.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 240

Insgesamt denke ich, dass es ein sehr wichtiger Schritt ist, der in die richtige Stoß­richtung geht, nämlich die Rahmenbedingungen in diesem Bereich zu verbessern. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

20.22


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Schönegger. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.22.46

Abgeordneter Mag. Bernd Schönegger (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es besteht ja gar kein Zweifel, die zur Debatte stehenden Umsetzungen der EU-Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten sind nicht ganz unproblematisch. Aber trotz aller Problematik, trotz aller berechtigter Kritik, trotz aller – dort, wo sie ehrlich gemeint ist – berechtigter Sorge muss man diesen Regelungen eines zugestehen: Sie versuchen, ein relativ neues, aber umso realeres Rechtsproblem konkret zu lösen.

Es geht nämlich um die Frage, wie man mit derart anonymisierten und nennen wir sie „spurenarmen“ strafrechtlich relevanten Handlungen umgeht, und zwar im Bereich der Telekommunikation und im Bereich des Internets, wo die Verantwortlichkeit für Straftaten in Frage gestellt wird, wo es zu einem rechtsfreien Raum kommt. Wer keine Spuren hinterlässt, kann auch nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, halten wir es für normativ geboten, dem Staat die Möglichkeit der Spurensicherung auch in diesen Bereichen offen zu halten. Zugegeben, es findet durch den Wegfall der Anonymität durchaus ein deutlicher Eingriff in die Freiheit des Einzelnen statt. Auch die Gefahr des Missbrauchs muss beachtet werden. Aber das Ergebnis der heute zur Debatte stehenden Beschlussfassung über die Begleitmaßnahmen ist zufriedenstellend. Das Ergebnis bietet ein Höchstmaß an Schutz für die Bürgerinnen und Bürger vor übermäßigen Eingriffen durch den Staat und vor Missbrauch.

Die Einführung des Vier-Augen-Prinzips und die Strafbarkeit bei verbotenen Veröf­fentlichungen entsprechen auch den Forderungen der Opposition und schützen, wie gesagt, die Bürger vor Missbrauchsfällen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegen jede Art von Sicherheitsregelung zu sein wird dem Staat auf Dauer nicht besonders zuträglich sein. Es gibt nämlich einen wesentlichen Unterschied zwischen praxisfernen wissenschaftlichen Betrachtungen und Bedenken und tatsächlichen politischen Bedrohungen. Hier haben wir so einen Fall.

Kollege Stadler! Angesichts Ihrer Redebeiträge gestern, heute und in Erwartung Ihrer Beiträge morgen: Die politische Empörung ist ein knappes Gut, die sollte man auch knapp einsetzen, denn sonst hat man ein Glaubwürdigkeitsproblem. Aber das haben Sie anscheinend ohnehin schon ad acta gelegt. – Danke. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Mag. Stadler: Nie gehabt!)

20.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Scheibner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.25.30

Abgeordneter Herbert Scheibner (BZÖ): Herr Präsident! Lieber Kollege! Ich möchte nur die Frau Bundesministerin fragen, ob Sie bei der Rede von Mag. Stadler zugehört hat. (Bundesministerin Dr. Karl: Ja, das habe ich!) – Ja, aber es ist Ihnen kein Wort


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 241

dazu eingefallen. (Bundesministerin Dr. Karl: Ist das Thema der Debatte? – Zwischen­ruf der Abg. Mag. Wurm.)

Frau Bundesministerin, ich kann Ihnen natürlich keine Anweisungen geben, wie Sie auf Redebeiträge von Abgeordneten zu reagieren haben. Das ist selbstverständlich. Angenommen, es gibt einen Bereich, in dem Sie tätig sind, das muss gar nicht einmal ein Ministerium sein, sondern ein Verein oder irgendeine Gruppe, und wenn diese Gruppe von jemandem von außen massiv kritisiert wird und es Verdachtsmomente gegen Angehörige dieser Gruppe gibt und diese Frage wird an Sie als Vorsitzende, als Vertreterin dieser Gruppe gestellt, und dann fällt Ihnen kein einziges Wort dazu ein, dann frage ich mich wirklich: Was haben Sie für ein Amtsverständnis? (Zwischenruf beim BZÖ.)

Lieber Kollege Jarolim, plaudern Sie nicht allen nach! (Abg. Mag. Stadler: Der Richter hat das gesagt!) Da geht es darum, dass eine ganz wichtige Einrichtung in einem Rechtsstaat, die Justiz, in den Verdacht kommt, dass ganz einfach nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien gehandelt wird, und der zuständigen Bundesministerin fällt dazu gar nichts ein. (Beifall beim BZÖ.)

Wenn die Bundesministerin sagt, das stimmt alles nicht, und sich vor ihre Bediensteten stellt und sagt: Das wird alles aufgeklärt, ich bin überzeugt, das ist alles unrichtig, das sind unhaltbare Anschuldigungen der Opposition!, und man kritisiert das, okay, dann gehen wir in diese Diskussion ein. Aber dass einem als Justizministerin gar nichts einfällt außer das, was da offensichtlich vorbereitet worden ist, das, Herr Kollege Jarolim, spricht doch Bände.

Denn entweder es stimmt und die Ministerin wird es aufklären oder sie will es zudecken, dann ist es skandalös, weil auch die Justiz an sich das Recht hat und viele rechtschaffene Staatsanwälte, Richter das Recht haben, dass das Ansehen der Justiz geschützt wird, wenn es Einzelfälle gibt, die sich nicht an die Gesetze halten. Das muss die Ministerin aufklären. Oder wenn es nicht stimmt, dann haben auch diese Justizbeamten, Richter und Staatsanwälte das Recht und die Forderung zu stellen, dass die Justizministerin sich vor sie hinstellt. Wenn sie aber weder das eine noch das andere macht, dann ist sie fehl am Platz in dieser Funktion. (Beifall beim BZÖ sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Frau Bundesministerin, nur darum geht es mir jetzt in diesem Redebeitrag; Sie haben noch Zeit. Es kommen noch Wortmeldungen. Entschuldigung, dass ich die noch ein bisschen aufgehalten habe. (Ruf bei der SPÖ: Wo bitte? Es war nicht wichtig ... !) – Ich glaube schon, dass es wichtig ist, Herr Kollege. Sie wissen ganz genau, dass das Ansehen der Justiz, das Vertrauen in die Justiz in den letzten Jahren aus den ver­schiedensten Gründen gelitten haben. Das ist ein bedenklicher Zustand.

Wir alle hier als Vertreter der Bevölkerung, als Gesetzgeber, aber vor allem die zuständige Justizministerin sollten es uns zum Ziel machen, dieses Ansehen der Justiz, das Vertrauen in die Justiz zu stärken und diese Probleme zu beseitigen. Dazu ist es aber notwendig, dass, wenn es solche gravierenden Verdachtsmomente gibt, diese aufgeklärt werden, dass, wenn es Verfehlungen gibt, die Verantwortlichen bein­hart die Konsequenzen zu tragen haben, dass durchgegriffen wird. Wenn es nicht stimmt, dann soll das auch entsprechend hier dargelegt werden.

Wir hoffen alle und sind überzeugt davon, dass sich die Mehrheit, auch der in der Justiz Tätigen, an die Gesetze halten und nach den Grundsätzen der Rechts­staatlichkeit arbeiten. Aber das ist Ihre Verantwortung, Frau Justizministerin, und das erwarten wir von Ihnen!


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 242

Frau Minister, Sie haben jetzt noch ein paar Minuten Zeit. Sie können jetzt weiter sagen, das ist nicht Thema, das interessiert mich nicht, aber dann werden wir auch unsere entsprechenden Schlüsse ziehen. Und glauben Sie mir, Abgeordneter Stadler wird dann das tun, was eigentlich Sie machen müssten, er wird nämlich zur Aufklärung dieser Verdachtsmomente seinen Beitrag leisten. (Beifall beim BZÖ.)

20.29


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Weninger. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.30.02

Abgeordneter Hannes Weninger (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Kollege Scheibner, wenn ich gewusst hätte, dass das von dir eine Fragestunde wird und nicht ein Beitrag zu den vorliegenden Gesetzentwürfen, dann hätten wir das mit dem Vortritt nicht so gehandhabt. Aber es ist natürlich wichtig, was du angesprochen hast: Der Vertrauensverlust der Bevölkerung und auch der Medien in die Justiz beschäftigt uns ja schon seit Monaten und Jahren hier in diesem Haus. Es ist deshalb besonders zu betonen, dass die Novellen, die wir heute beschließen, jene Präzisie­rungen beinhalten, die das, was wir einerseits versprochen haben, als wir die Vorrats­datenspeicherung beschlossen haben, und was wir, als wir die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ins Leben gerufen haben, gemeinsam vereinbart haben, heute auch umsetzen.

Das sind Punkte, wo wir glauben, dass wir nicht nur den Oppositionsparteien gegen­über das, was wir in Entschließungsanträgen formuliert haben, heute einlösen, sondern auch der Bevölkerung: das Vier-Augen-Prinzip bei der Datenerfassung, Strafbestim­mungen bei Missbrauch et cetera und auch eine kompetente Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft. Es geht darum, dass Beamte und Beamtinnen die großen Wirtschaftskriminalitätsfälle untersuchen, die auch die entsprechende Teamfähigkeit haben, die das internationale Know-how haben und die auch die Möglichkeit und die Kompetenz haben, diese Delikte aufzuklären.

Wenn es darum geht, das Vertrauen in die Justiz wiederherzustellen, dann ist es natürlich auf der einen Seite die Ministerin, die das, was hier diskutiert wird, was gefragt wird, was in den Raum gestellt wird, mitnehmen wird in ihr Ressort, so wie alle andere Ministerinnen und Minister auch, und es dort diskutieren wird.

Aber die andere Frage ist: Wie geht die Politik mit der Justiz um? Ist das, was sich momentan in manchen Medienberichten abspielt, diese rasche mediale Berichterstat­tung, wo man von einem Tag auf den anderen Ergebnisse haben will, was aber oft im Widerspruch zu notwendigen Untersuchungen steht, für die Justiz tragbar? Ist das auch der Wunsch mancher Oppositionspolitiker, vor allem der des Kollegen Stadler, der etwas in den Raum stellt und sofort das Verfahren abgeschlossen haben will oder im laufenden Verfahren konkrete Antworten haben will? Auch das trägt nicht dazu bei, das Vertrauen in eine unabhängige Justiz zu stärken.

Ich glaube, wir haben alle gemeinsam die demokratiepolitische Verantwortung, Miss­stände in der Justiz zu kritisieren, aber gleichzeitig alles daranzusetzen, dass es besser wird. Die konkreten Gesetzesbeschlüsse zu Strafprozessordnung, Strafgesetz­buch und Staatsanwaltschaftsgesetz bringen uns einen großen Schritt weiter. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.32


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 243

20.32.50

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich möchte mit einem Missverständnis aufräumen. Wir haben bei der Vorratsdatenspeicherung nicht nur die EU-Richtlinie umgesetzt, wir sind weit darüber hinausgegangen. Und es war wirklich ein Grenzgang, weil wir wegen eines imaginären Feindes mittlerweile so viele Daten speichern und so viele Gesetze machen, aus Angst vor etwas, das in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. (Demonstrativer Beifall des Abg. Mag. Stefan.)

Da sind wir weit über das hinausgegangen. Und ich habe nur deswegen zustimmen können, weil uns versprochen wurde, dass die ungerechtfertigte und verbotene Veröffentlichung solch erfasster Daten unter Strafe gestellt wird und der Auftrag das Vier-Augen-Prinzip enthält. Und das erhält er mit diesen beiden Gesetzesänderungen im Strafgesetzbuch und in der Strafprozessordnung. Aber wir dürfen doch nicht beginnen, Gesetze zu machen vor einem imaginären Feind, wo wir später plötzlich draufkommen – und da müssen wir uns selber bei der Nase nehmen –, dass das so ausgelegt wird, dass wir „Tierschützerkränzchen“ zu einem Terrorismusklub erklären! Das kann doch nicht sein!

Wir müssen doch irgendwann beginnen, etwas vorsichtiger mit der Weitergabe von Daten zu sein. Da bin ich bei der Kollegin Hakl. Wenn ich höre: fünfeinhalb Jahre Flugdatenweitergabe an die USA – ja irgendwo muss man damit aufhören, dass die Angst regiert. Wir müssen ja ein Leben ohne Angst in dieser Republik gewährleisten. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten von ÖVP und FPÖ.)

Wir können doch nicht Gesellschaftspolitik ausschließlich über Strafbestimmungen machen, davon müssen wir uns verabschieden, und nicht immer mit einem imaginären Feind hier argumentieren. Wir müssen vorsichtiger werden bei diesen Geschichten, und wir müssen ganz hellhörig werden, wenn da weitere Maßnahmen kommen, denn ich glaube, es ist irgendwo auch menschenrechtlich der Plafond erreicht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.34


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


20.34.50

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Herr Abgeordneter Westenthaler hat vom Vertrauen in die Justiz gesprochen. (Abg. Ing. Westenthaler: Ich habe gar nichts gesagt!) – Bitte um Entschuldigung: Herr Abgeordneter Scheibner hat vom Vertrauen in die Justiz gesprochen; es war zumindest jemand von derselben Partei.

Zum Vertrauen in die Justiz gehört auch der Respekt vor der Justiz, und ich fordere auch Respekt vor der Justiz ein und fordere daher auch auf, dass man es der Justiz auch ermöglicht, dass Verfahren in Ruhe abgeführt werden, und dass man sich in laufende Verfahren nicht einmischt. Ich mische mich in laufende Verfahren nicht ein, und ich sehe es nicht als meine Aufgabe als Justizministerin, laufende Verfahren zu kommentieren und in laufende Verfahren einzugreifen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Verfahren, die von Herrn Abgeordnetem Stadler angesprochen worden sind, sind laufende Verfahren, und den Ergebnissen will und kann ich nicht vorgreifen. Und wir können in diesem Zusammenhang auch nichts verstecken, weil jede Einstellung in dieser Angelegenheit ja auch vom Rechtsschutzbeauftragten geprüft werden wird. Also es geht hier nicht ums Verstecken, genauso wenig wie es darum geht, Verfehlungen nicht aufzuzeigen, Verfehlungen unter die Decke zu schieben oder irgendwie zu verheimlichen. Ganz im Gegenteil! Wenn es Verfehlungen gibt, dann wird es auch die


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notwendigen Konsequenzen geben. Aber natürlich muss einmal zuerst auch in einem Verfahren geprüft werden, ob es diese Verfehlungen tatsächlich gibt, und das wird nicht hier im Parlament geprüft, sondern in den dafür vorgesehenen Verfahren vor unseren Gerichten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zweite Wortmeldung: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. – Bitte. (Beifall bei Abgeordneten des BZÖ.) 10 Minuten sind eingestellt. – Bitte.

 


20.36.44

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Frau Bundesministerin! Ich trage Ihnen jetzt kurz eine APA-Meldung vor, und dann erlaube ich mir, Ihnen eine ganz einfache Frage zu stellen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Jarolim.) Kollege Jarolim, mein Vorredner!

„Im Ermittlungsverfahren gegen fünf Staatsanwälte wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs im Fall Natascha Kampusch will der Innsbrucker Ermittlungsrichter Georg Putz die Ergebnisse der Beweisaufnahmen Ende Juli der Staatsanwaltschaft Innsbruck übermitteln.

Das erklärte Putz der APA am Mittwoch in Innsbruck. In der vergangenen Woche wurden zwei Beschuldigte, der Leiter der Wiener Oberstaatsanwaltschaft (OStA), Werner Pleischl, und der Leiter der Staatsanwaltschaft Graz und ehemalige Sonder­ermittler in der Causa Kampusch, Thomas Mühlbacher, einvernommen. Beide hätten sich für ihn ,überraschend’ der Aussage entschlagen, erklärte Putz.

,Vor allem bei Mühlbacher hat es mich überrascht. Er hatte jedoch im Vorhinein eigentlich angekündigt, umfangreich Stellung nehmen zu wollen‘, meinte der Ermitt­lungs­richter. Putz sagte zudem, dass die beiden Staatsanwälte ursprünglich ,überhaupt nicht kommen‘ wollten.

,Aber als ich ihnen dann androhte, sie wie jeden anderen Beschuldigten in so einem Fall vorführen zu lassen, sind sie doch erschienen‘, erklärte der Richter. Pleischl habe im Vorfeld eine schriftliche Stellungnahme übermittelt, die jedoch ,sehr oberflächlich‘ gewesen sei, meinte Putz.“

Nun meine einfache Frage an Sie, Frau Bundesministerin, und das hat nichts mit laufenden Verfahren zu tun: Sind Sie der Meinung, dass Ihre Behördenleiter sich so wie jeder andere Bürger auch in einem Ermittlungsverfahren nach Möglichkeit zur Aufklärung einbringen sollen oder nicht? Sind Sie dieser Meinung? Das würde mich nur interessieren. Das ist eine Meinung, da brauchen Sie nichts groß vorschreiben zu lassen.

Das ist eine Frage, die ich schlicht und einfach an Sie persönlich als Ministerin stelle: Sind Sie der Meinung, dass es korrekt ist, wenn eine Staatsanwaltschaft vor einer Hausdurchsuchung die Medien informiert und zuerst dafür sorgt – und ich stehe jetzt wirklich nicht im Verdacht, ein besonderer Freund des Herrn Karl-Heinz Grasser zu sein –, dass dort ein großer Medienrummel ist, wenn die Hausdurchsuchung beginnt? Sind Sie dieser Meinung, dass das korrekt ist? – Das habe nicht ich erfunden. Das ist alles öffentlich. Das ist nicht eine Einmischung des Ewald Stadler und das sind auch keine unbewiesenen Behauptungen, sondern das ist eine APA-Meldung. Der Ermittlungsrichter Putz wird schon wissen, was er sagt. Ich bin überzeugt, dass der Mann keine Halluzinationen hatte.

Sind Sie der Meinung, dass Behördenleiter mitzuwirken haben bei Ermittlungs­verfah­ren, insbesondere wenn es um Kinderschändung geht, ja oder nein? Sind Sie der Meinung, dass es richtig ist, dass die Richter mediale Inszenierungen vor einer Hausdurchsuchung veranstalten, ja oder nein? Sind Sie der Meinung, dass es korrekt ist, wenn eine Staatsanwaltschaft versucht, gegen eine Oppositionspartei Politik zu


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machen, indem man gegen die Mitarbeiter dieser Oppositionspartei Ermittlungen einleitet, obwohl eine Verfassungsbestimmung dagegensteht? Sind Sie der Meinung, dass das korrekt ist, ja oder nein? – Auch nicht von mir erfunden. (Abg. Ing. Westenthaler: Parlamentsmitarbeiter!) Parlamentsmitarbeiter, kleine aus einer Presseabteilung, die es gewagt haben, eine Rede des Kollegen Westenthaler als Presseaussendung hinauszulassen. Sind Sie der Meinung, dass das korrekt ist, ja oder nein?

Das sind ganz einfache Fragen erwiesener Sachverhalte, nicht Behauptungen des Ewald Stadler.

Glauben Sie mir: Gerade bei der Geschichte mit Natascha Kampusch und den Vorgängen, die bis heute nicht aufgeklärt sind, werde ich nicht locker lassen! Ich sage Ihnen, wenn Sie die gleiche Haltung, die Sie heute hier zelebriert haben, weiter transportieren, dann stehen Sie im Gegensatz zu dem, was Ihre Vorgängerin war. Ihre Vorgängerin war, wenigstens in der Frage des Kinderschutzes, eine Riesin. Ich bin noch nicht sicher, wo ich Sie ansiedeln werde. (Beifall beim BZÖ.)

20.40

20.40.23

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte.

Wünscht einer der Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung, die ich über jeden Ausschussantrag getrennt vornehme.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 27: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Strafgesetzbuch und das Staatsanwaltschaftsgesetz geändert werden (1279 der Beilagen).

Hierzu liegt ein Verlangen des Abgeordneten Mag. Steinhauser auf getrennte Abstim­mung vor.

Ich werde daher zunächst über die vom Verlangen auf getrennte Abstimmung betrof­fenen Teile des Gesetzentwurfes und anschließend über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile samt Titel und Eingang abstimmen lassen.

Ich komme sogleich zur getrennten Abstimmung über Artikel 2 des Gesetzentwurfes in der Fassung des Ausschussberichtes und ersuche jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Damit gelangen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Ausschussberichtes.

Wer hierfür ist, den ersuche ich um ein Zeichen. – Das ist ebenfalls mit Mehrheit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung für den Gesetzentwurf stimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Tagesordnungspunkt 28: Entwurf eines Bundes­gesetzes, mit dem die Strafprozessordnung 1975 geändert wird, samt Titel und Eingang (1280 der Beilagen).

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 246

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die dem vorliegenden Gesetzentwurf auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Auch das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

20.43.00 29. Punkt

Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1389/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rückerstattung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge erlassen und das Bundesgesetz zur Rückführung der Kühlgeräteentsorgungsbeiträge der Konsumenten aufgehoben wird (1281 d.B.)

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir gelangen zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Hübner. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.43.49

Abgeordneter Dr. Johannes Hübner (FPÖ): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde das Stadler‘sche Ministerverhör nicht fortsetzen, das kann ich jetzt schon sagen, aber ein bisschen anschließen an die Thematik. (Abg. Kopf: Es gibt sicher wieder eine Fragestunde für ihn!)

Ich werde nun also ein bisschen anschließen an die Thematik. Wir haben jetzt von der Glaubwürdigkeit und von der Aufrichtigkeit der Justiz und vom Ansehen bei der Bevölkerung gesprochen. Das sollte nicht nur für die Justiz gelten, sondern auch für die Legislative, und bei diesem Tagesordnungspunkt, der doch eher unerheblich klingt – es geht um die Kühlgeräteentsorgungsbeitragsproblematik –, ist dieses Prob­lem, glaube ich, da.

Worum geht es? – Es geht um die Beträge, die pfandweise, also treuhändig von einer Privatgesellschaft von etwa Anfang der neunziger Jahre bis 2005 von jedem Käufer eines Kühlgerätes eingehoben wurden. Verwaltet wurden diese Beträge von einer UFH Umweltforum Haushalte GmbH & Co. KG, beziehungsweise, und da kommen wir fast schon zurück in Richtung Staatsdruckerei von gestern, einer dahinter stehenden UFH Umweltforum Haushalt Privatstiftung. Diese Gelder sollten eigentlich rückerstattet werden, wenn man die ordnungsgemäße Entsorgung des Kühlgerätes nachweist und die Vignette zurückgibt. Das ist, nicht unerwartet, in vielen Fällen nicht geschehen und geschieht jetzt schon überhaupt nicht mehr, nachdem das ganze System außer Kraft getreten ist.

Es gibt jetzt in dem Topf dieser Privatfirma eine nicht näher bekannte und nach meinen Informationen nicht ermittelte Summe, die eigentlich treuhändiges Eigentum der Käufer der Kühlgeräte der Jahre 1992 bis 2005 ist. Gut – was machen?

Hier liegt jetzt der Gesetzesvorschlag vor, der vorsieht, dass die Republik Österreich gegen eine einmalige Zahlung von 21 Millionen durch die genannten Privatfirmen alle Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dieser Pfandgeschichte übernimmt. Das heißt, sie deckt auf der einen Seite allfällige Ansprüche von zurückgegebenen Vignetten von Kühlgerätekäufern ab, sie stellt aber auch die genannten Gesellschaften gegen Ansprüche der Kühlgerätekäufer schad- und klaglos.

Es wäre schön, wenn die ganze Sache untersucht worden ist. Laut Auskünften im Ausschuss ist das aber nicht geschehen, sondern die bisherige Gesetzeslage nach


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 247

Artikel 50 des Bundesbegleitgesetzes hat vorgesehen, dass die Rechtsträger, um die es heute geht, verpflichtet sind, dem Bund auf Verlangen über die seit dem Inkraft­treten der Verordnung vereinnahmten Belege Rechnung zu legen. Das wurde nach unseren Informationen nicht verlangt. Das heißt, wir beschließen jetzt, etwa 21 Mil­lionen treuhändiges Vermögen in den Staatsbesitz zu übernehmen und diejenigen, die das verwaltet haben, ohne Abrechnung und ohne weitere Erklärungen aus der Haftung zu entlassen.

Das ist, glaube ich, keine saubere Legistik und im Sinne des vorab zur Rechtspflege Erörterten auch nicht akzeptabel. Deshalb werden wir selbstverständlich hier nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

20.47


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zur Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Hammer. 3 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


20.47.24

Abgeordneter Mag. Michael Hammer (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Wir haben heute ein Thema abzuschließen, und es schließt auch die heutige Plenartagung ab, das ja schon länger vakant war, nämlich die Regelung für den sogenannten Kühlgeräteentsorgungsbeitrag, landläufig auch das Kühlgeräte- oder Kühlschrankpickerl.

Sehr geehrte Damen und Herren von der Opposition, man kann natürlich bei jedem Thema ein Mords-Tamtam schlagen, aber bei diesem Thema ist es offensichtlich, dass es eine Lösung brauchte. Es ist einfach das ursprüngliche System des Kühlgeräte­pickerls, das ja in einer Zeit erfunden worden ist, wo es auch berechtigt war und seine Dienste erwiesen hat, ausgelaufen, weil es da andere Modelle gibt und weil einfach nicht alle Beiträge rückerstattet werden konnten und daher in diesem Umweltforum Haushalt entsprechende Restbeträge verblieben sind.

Ich glaube, es ist doch sinnvoll, dass es hier eine einvernehmliche Lösung gibt, um einen länger dauernden Rechtsstreit zu vermeiden, und es ist ja doch gelungen, dass immerhin 24 Millionen für sinnvolle Maßnahmen auch in den öffentlichen Haushalt, in das Budget kommen und damit – und das gehört in aller Deutlichkeit gesagt – dieses Geld auch den Bürgerinnen und Bürgern, auch denen, die die Kühlgeräteent­sorgungs­beiträge gezahlt haben, über Rück- und Umwege auch wieder zugutekommt.

Ich möchte es noch einmal verdeutlichen: All jene, die dieses Kühlgerätepickerl noch einlösen wollen, haben noch zehn Jahre die Möglichkeit dazu. Das heißt, es stirbt keiner, der das will, um diesen Kühlgerätebeitrag, und es kann jeder beim Umwelt­forum Haushalt für zehn Jahre diese Beiträge noch verlangen.

Und da das angesprochen worden ist: Natürlich sind noch Restbeträge in diesem Umweltforum drinnen. Da gibt es Beiträge, die für die Rückerstattung vorgesehen sind und auch für die Abwicklung dieser Rückerstattung, und es ist natürlich unsere Aufgabe, in Zukunft darauf zu schauen, dass diese Mittel auch entsprechend verwen­det werden.

In Summe, glaube ich, ist das jedenfalls eine richtige und wichtige Lösung, die den Menschen auch etwas bringt. Keiner fällt da um sein Kühlgerätepickerl um, und daher werden wir diese Lösung entsprechend beschließen. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

20.49


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stein­hauser. 2 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 248

20.50.01

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon gesagt worden: Bis 2005 musste man beim Kauf eines Kühlgerätes einen Entsorgungsgutschein bezahlen. Dann kam eine Richtlinie der EU, die eine kostenlose Entsorgung vorsah. Und damit waren bereits bezahlte Gutscheine nicht mehr ein­zulösen. Und wie das so oft ist: Man hat diese Gutscheine wahrscheinlich in der Doku­mentenmappe liegen, gibt den Kühlschrank gratis zurück und vergisst, dass dieser Gutschein einen Gegenwert hat. Daher liegt offensichtlich bei dieser Entsorgungsfirma nach wie vor ein größerer Euro-Betrag. Daran hat sich die Republik Österreich erinnert und im Budgetbegleitgesetz etwas grundsätzlich Richtiges gemacht: Sie hat gesetzlich beschlossen, dass diese Firma die Gelder der KonsumentInnen an die Republik über­tragen soll.

Das ist natürlich nur die zweitbeste Lösung. Die beste Lösung wäre, diesen Betrag an die KonsumentInnen zurückzugeben. Aber wenn das nicht möglich ist, ist es wahrscheinlich besser, die Republik übernimmt diese Gelder und investiert sie sinnvoll, als sie liegen bei einer privaten Firma.

Diese Regelung hält aber offensichtlich nicht, weil sich die Firma zu wehren beginnt und sagt, das sei eine Enteignung. Also, wenn jemand enteignet wird, dann nicht die Firma, sondern die KonsumentInnen, das muss man einmal dazusagen, aber gut. Die Firma sagt, das sei eine Enteignung. Und dann beginnt man, quasi in einem Kniefall an einer neuen Lösung zu arbeiten, und die schaut jetzt anders aus. Plötzlich werden nur 24 Millionen € übertragen – das ist offensichtlich nicht der gesamte Betrag, weil man mit dieser privaten Firma einen Kompromiss eingegangen ist.

Ich habe im Ausschuss vier präzise Fragen gestellt.

Erstens: Wie viel Geld liegt insgesamt in dieser Privatstiftung? – Das ist eine relativ einfache Frage, und das sollte man wissen.

Zweitens: Wie kommt man gerade auf den zu überweisenden Betrag von 24 Millio­nen €? – Das müsste man als Antragsteller auch erklären können.

Drittens: Wieso wird nicht das gesamte Kapital mithilfe eines Vertrags zugunsten Dritter auf den Bund übertragen? – Eine berechtigte Frage.

Viertens: Was passiert mit dem bei der Firma verbleibenden Rest?

Man hat mich treuherzig angeschaut und konnte mir keine einzige Frage beantworten. Das Einzige war, dass man wenigstens gesagt hat, gut, wir vertagen es und schauen es uns an. Das kann ja einmal passieren. Es ist zwar kein Musterbeispiel, dass man einen Antrag stellt, den man nicht erklären kann, aber sei es so.

Am 22.6. war der gleiche Antrag wieder im Ausschuss, ich habe die gleichen vier Fragen gestellt – wieder keine Antwort. Und das halte ich für unzumutbar. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Mag. Stefan.)

Wir wissen nicht, wie viel Geld in der Firma liegt. Wir übertragen einen bestimmten Betrag, wahrscheinlich bleibt ein anderer dort liegen, wir wissen nicht, warum, wir wissen nicht, was mit dem Geld passieren soll. Das halte ich gegenüber den Kon­sumentInnen und den SteuerzahlerInnen für nicht vertretbar.

Aber, Frau Ministerin, Sie haben die Chance, mir heute diese vier Fragen zu beantworten – ich sage sie Ihnen jetzt noch einmal und ersuche Sie, sie mitzu­schreiben und sie mir präzise zu beantworten –:

Erstens: Wie viel Geld liegt im Moment insgesamt in der Privatstiftung?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 249

Zweitens: Wie kommt man gerade auf den Betrag von 24 Millionen €, der jetzt an die Republik übertragen wird?

Drittens: Wieso wird – das ist eine Annahme – nicht das gesamte Kapital übertragen, nämlich im Rahmen eines Vertrags zugunsten Dritter, damit das dann auch nicht anfechtbar ist als Quasi-Enteignung?

Viertens: Was passiert in dieser Firma mit dem noch verbliebenen Kapital, vor allem dann, wenn sich keine weiteren KonsumentInnen melden, die noch Gutscheine liegen haben? – Und das vermute ich, denn 2005 ist jetzt sechs Jahre her, und ich glaube nicht, dass sich besonders viele KonsumentInnen bei dieser Firma melden werden und ihren Gutschein einlösen werden.

Das ist eine entscheidende Frage, denn ich verstehe nicht, warum man einer Firma – aus welchen Gründen auch immer – einen bestimmten mehrstelligen Millionen-Euro-Betrag schenken soll.

Wenn Sie mir diese Fragen präzise beantworten können und wenn das schlüssig ist, bin ich gerne bereit, unsere Ablehnung zu überdenken. Solange aber Antragsteller einen Gesetzesantrag nicht erklären können und der Verdacht nahe liegt, dass da möglicherweise hinten herum ein fauler Kompromiss mit einer privaten Firma geschlossen wurde, die jetzt KonsumentInnengelder einbehalten darf, gibt es sicher nicht unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

20.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bayr. 4 Minu­ten Redezeit. – Bitte.

 


20.54.13

Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde versuchen, ein paar der Fragen zu beantworten. Mich hat das nämlich auch inter­essiert, und ich habe auch recherchiert. Ich beginne aber trotzdem mit dem Grund­sätzlichen, bevor ich zu den Zahlen komme.

Mit dem vorliegenden Gesetz wird der Rahmen dafür geschaffen, dass wie bisher diese Rückzahlaktion der Kühlschrank-Vignetten auf konsumentenfreundliche Art abge­wickelt werden kann. Und da ist es mir wichtig, zu betonen, dass Konsumentinnen und Konsumenten, die Pickerl oder Gutscheine – also beiderlei – noch zu Hause haben, allein dadurch, dass sie die Nummer des Pickerls oder des Gutscheins in das Antragsformular schreiben, den Nominalwert zurückfordern können, und zwar nicht bis 2020, sondern bis 2035. Denn in der Tat hat am 13. August 2005 die UFH veröf­fentlicht, dass es von den Verträgen mit den Konsumenten zurücktritt. Und nach Bürgerlichem Recht ist es möglich, Verträge 30 Jahre lang rückabzuwickeln – also bis 2035 und nicht bis 2020. Es ist mir wichtig, das zu sagen.

Bis 2020 – und das ist jetzt auch Gegenstand des Gesetzes, das uns hier vorliegt – wird die UFH die Rückzahlung abwickeln, und zwar im Auftrag des Bundes, und danach ist notwendigerweise das Finanzministerium dafür zuständig, dass auch das restliche Geld an die Leute kommt, die noch kommen. Das Finanzministerium kann natürlich nach 2020, wenn es sinnvoll, finanziell gut oder was auch immer ist, auch jemand anderen dazu beauftragen, das weiter abzuwickeln; zum Beispiel den VKI oder wen auch immer.

Was ich auch noch grundsätzlich sagen möchte und was aus meiner Sicht sehr wichtig ist, ist, dass man versucht, sowohl vor 2020 als auch nach 2020 wirklich Wege zu finden, wie man Konsumentinnen und Konsumenten über ihr Recht informieren kann – zum Beispiel über Medien, über Konsumentenschutzeinrichtungen –, und ihnen auch wirklich sagt, dass man, wenn man irgendwo in einem Winkel, in einer Ablage oder wo


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auch immer solch einen Gutschein, eine Vignette oder ein Pickerl findet, das ein­reichen kann.

Dass das Gesetz überhaupt zustande gekommen ist, ist unter anderem auch ein Verdienst der Arbeiterkammer, die sich seit 2005, also seit die UFH erklärt hat, dass sie von diesen Verträgen zurücktritt, wirklich bemüht hat, dass es eine geordnete Beendigung dieses Systems der Kühlschränkeverordnung gibt. Es wäre sonst ohne Weiteres möglich gewesen, dass diese Gelder heimlich, still und leise bis 2035 einfach liegen geblieben wären. Keinem wäre das aufgefallen, es hätte sich vielleicht keiner gerührt, und dann wäre dieses Geld einfach ins reguläre Eigentum der UFH überge­gangen.

Das ist ganz, ganz sicher nicht im Interesse auch nur einer einzigen Person hier, denn durch die Art und Weise, wie wir das jetzt regeln, können zumindest 24 Millionen dem Bundesbudget zugeführt werden – im Sinne von Klimaschutz, im Sinne von Umwelt­schutz.

Jetzt zu den Zahlen: Alle, die sich einigermaßen damit beschäftigen, sagen mir, dass es eine gewisse Unschärfe in der Berechnung oder in der Abschätzung gibt, wie viele Menschen sich bis 2020 noch melden werden und wirklich ihr Geld – von der Vignette, vom Pickerl oder vom Gutschein – zurückfordern werden. Aber alle schätzen, dass es so zwischen 1 Million und 2 Millionen € sein werden.

30 Millionen hat die UFH laut Bilanz am 31. Dezember 2010 gehabt. Von diesen 30 Millionen sind 2 Millionen abzuziehen, die dafür da sind, dass sie für Pickerl zurückgezahlt werden. Weiters gibt es auch noch aufgrund von Buchungsgewinnen, die die UFH hat, eine notwendige Steuerrückstellung von weiteren 2 Millionen KöSt, die einfach zu leisten sein wird. Außerdem hat die UFH auch eine Nach­schuss­verpflichtung von 1,6 Millionen gegenüber der Muttergesellschaft. Das kommt daher, dass damals eine Zeit lang auch Kühlgeräte der Effizienzklasse A subven­tioniert, also billiger gemacht wurden – davon kommen auch noch Forderungen. Und 200 000 € sind dafür veranschlagt, dass einfach abgewickelt werden kann. Das sind die Kosten dafür, dass jemand da ist, der diese Anträge entgegennimmt und auch abwickelt. Damit erklärt sich also diese Summe.

Es ist mir aber auch sehr wichtig, festzustellen, dass, wenn im Jahr 2020 noch Geld übrig ist, noch Geld im Vermögen der UFH ist – und darin sind wir uns alle, glaube ich, absolut einig –, dieses Geld genauso wie jetzt die 24 Millionen dem Bund zufließen muss, dass es nicht sein kann, dass sich irgendeine Nachfolgegesellschaft dann vielleicht dieses Geld krallen kann. Und dieses Geld, das dann noch an den Bund fließt, muss genauso zweckgewidmet sein wie die jetzigen 24 Millionen, die wir dem Budget zuführen. – Danke sehr. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

20.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. Eingestellt ist die gesamte Restredezeit der Fraktion, 8 Minuten. – Bitte.

 


21.00.01

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Oh, die ÖVP geht schon wieder hinaus! – Das erinnert mich an eine Debatte, meine Damen und Herren: Als der Franz Fuchs erwischt wurde und ich den Sozialisten damals gesagt habe, wer es war, nachdem wir jahrelang selber zu Bombenattentätern gemacht wurden, ist der linke Teil dieses Hauses hinausgegangen. Mittlerweile geht die ÖVP hinaus.


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Aber mir ist es recht: Wer hinaus will, soll hinaus. (Zwischenruf des Abg. Ing. Westenthaler.) Ja, wer hinaus will, soll hinaus. Das ist mir nicht wirklich wichtig, dass die Schwarzen da herinnen sitzen. (Beifall beim BZÖ.)

Meine Damen und Herren, ich bringe folgenden Entschließungsantrag ein:

„Die Bundesregierung wird ersucht, den Verbleib der Kühlschrankmillionen zu untersuchen und dem Nationalrat darüber Bericht zu erstatten sowie eine Infor­mationskampagne betreffend die bestehenden Rückzahlungsmöglichkeiten zu starten.“

*****

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Hammer, die Rückzahlungsmöglichkeit besteht schon zehn Jahre, aber was Sie vergessen haben anzuführen, ist, dass diese Rückzahlungsmöglichkeit ab dem 1. 1. 2014 Geld kostet. Das muss man sich einmal vorstellen: Wenn jemand 7,27 € für einen Kühlschrank in einem Privathaushalt zurückhaben möchte, der Gastronom kann 50 € zurückverlangen, dann muss er wahrscheinlich mehr zahlen, dass er das Geld zurückkriegt, als das, was er zurückkriegen soll. Na, das ist eine super Regelung! Das haben Sie vergessen mit zu erwähnen.

Tatsache ist – und das macht dieser Fall deutlich, und jetzt rede ich wieder in Richtung Sozialdemokratie , dass das ein Beispiel ist, wie eine Auslagerung hoheitlicher Tätigkeit genau nicht stattfinden soll. Ich habe jetzt nicht untersucht, wer das damals gemacht hat. Wer immer das damals gemacht hat, dem mache ich keine Vorwürfe, aber Tatsache ist, dass da ein Kontrolldefizit vorhanden ist, wenn man nicht einmal in der Lage ist, von der Bundesregierung dort über eine Aufsichtsmöglichkeit zu ermitteln, wie viel Geld noch da ist, sondern wir öffentlich darüber spekulieren müssen, ob es 31 Millionen € oder 32 Millionen € sind. Das ist ein evidentes Kontrolldefizit.

Es ist ein Rückforderungsdefizit, denn wenn ich heute eine Förderung für irgendein Projekt in Österreich vergebe, dann behält sich der Bund immer die Rückforderungs­möglichkeiten vor. In diesem Fall nicht. Das ist eine komplett verunglückte Konstruktion gewesen, sodass wir damit leben müssen  und ich finde das nicht wirklich akzep­tabel , dass dort jetzt Funktionäre in einer Stiftung bis zum Jahr 2020 sitzen.

Das hat auch noch niemand erklärt, Herr Kollege Steinhauser, wie man gerade auf das Jahr 2020 kommt. Ich habe den Verdacht, dass dann die Pensionen fällig werden. Das heißt, die haben eine Nicht-mehr-Tätigkeit in einer Stiftung, wo sie im Grunde nichts mehr zu tun haben, denn die Leute werden nicht Geld dafür aufwenden, dass sie ein paar Netsch zurückkriegen, die man ihnen vor vielen Jahren abgenommen hat. Das heißt, die haben dort eine super ruhige Kugel auf Staatskosten und werden dann ... (Ruf beim BZÖ: Für 7 Millionen €!) – Mindestens 7 Millionen €!

Es sind wahrscheinlich mehr, denn die 32 Millionen € sind ja nicht dementiert worden. Wäre das zu hoch gegriffen, hätte man es ja dementiert. (Abg. Strache: ... Zinsen!) Ich glaube, das dürfte sogar mehr sein. Also es sind zumindest 7 Millionen €, die dort bleiben. Die schieben dort die nächsten zehn Jahre eine ruhige Kugel, und es ist davon auszugehen, dass im Jahre 2020 diese ruhige Kugel dann sofort auch noch ins Pensionsalter mitwächst und man dann sozusagen auch weiter auf Kosten des Steuerzahlers lebt. Das ist ein Fall völlig verunglückter Auslagerung, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Man sieht also, dass nicht jede Auslagerung per se eine gute Auslagerung ist. Das zeigt auch, meine Damen und Herren, dass diese Form des Umgangs mit Steuergeld auch nicht dazu angetan ist, beim Steuerzahler Vertrauen zu erwecken. Wenn das die


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Ergebnisse einer Umweltpolitik sind, dann werden die Leute zu Recht sauer sein, wenn man ihnen vorher Geld abnimmt  das ist zunächst einmal nicht viel, aber in Summe ist das viel –, und am Schluss bleibt über, dass ein paar Funktionäre, wahrscheinlich auch parteipolitische Nähe aufweisend, eine ruhige Kugel schieben und sich damit auch noch in die Pension verabschieden können. Inakzeptabel, meine Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

21.03


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Dr. Karl. – Bitte.

 


21.03.58

Bundesministerin für Justiz Mag. Dr. Beatrix Karl: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Mit dem heute vorliegenden Abänderungsantrag wird einerseits ein rechtssicherer Transfer von mehr als 24 Millionen € an Leistungen aus dem Vermögen der UFH in das Bundesvermögen sichergestellt. Gleichzeitig wird auch die zukünftige Abwicklung und Prüfung der noch bestehenden Rückzahlungs­an­sprüche aus den sogenannten Kühlschrankpickerln für die Konsumenten geregelt. Die Republik erspart sich jahrelange Rechtsstreitigkeiten und erhält sofort die Mittel, die für den im Initiativantrag genannten Zweck verwendet werden. Nicht zuletzt können somit auch zahlreiche Arbeitsplätze in der Umweltbranche gesichert werden.

Zu den Fragen, die vom Herrn Abgeordneten Steinhauser gestellt worden sind, kann ich Folgendes sagen: Sie haben gefragt, wie viel Geld in der Privatstiftung liegt. Das sind rund 30 Millionen €, und die sofortige Auszahlung bewirkt ja auch ein Disagio.

Sie haben weiter gefragt, wie man auf die 24 Millionen € kommt. – Es gab mehrere Verhandlungsrunden mit der UFH, und diese Verhandlungsrunden haben auch mit Unterstützung der BDO Austria stattgefunden.

Wichtig ist, in diesem Zusammenhang auch noch zu erwähnen, dass die Übernahme der Abwicklung durch die UFH natürlich ebenfalls monetär zu berücksichtigen ist. Sie haben ja auch gefragt, wieso nicht gleich das ganze Kapital übertragen wird und was mit dem nicht übertragenen Kapital passiert. Es ist ja so, dass die UFH eben nicht zerschlagen wird, das gibt es noch weiter. Diese gefundene Lösung verhindert eben die sofortige Zerschlagung und damit auch den Verlust der Arbeitsplätze. (Abg. Mag. Steinhauser: Wie viele Arbeitsplätze sind denn das?)

Noch ganz kurz dazu, was die UFH, die es eben noch weiter geben wird, tun wird. Die UFH übernimmt für die Kunden weitgehend alle Verpflichtungen, die sich aus der Elektroaltgeräte- und Batterienverordnung ergeben, sowie eben die Sammlung und Verwertung von Elektrogeräten und Industriebatterien. Also die UFH nimmt nach wie vor Aktivitäten wahr und sichert damit auch Arbeitsplätze. – Danke. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

21.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Stadler, haben Sie noch eine Wortmeldung? (Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von BZÖ und ÖVP. Einige ÖVP-Abgeordnete verlassen den Saal. Heiterkeit und Beifall beim BZÖ.)

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 4 Minuten Restredezeit der Fraktion sind übrig. – Bitte.

 


21.06.44

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Ich wollte nur den Test machen, wie viele Schwarze jetzt noch hinausgehen, wie viele Schwarze Standvermögen haben, da


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 253

muss man eben durchzählen, und wie viele wieder hereinkommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Ing. Westenthaler und Strache.)

Wenn man keine Argumente mehr hat, dann muss man natürlich aus dem Plenum flüchten, das ist völlig klar, meine Damen und Herren. Vielleicht können die Kameras auf die Damen und Herren der Österreichischen Volkspartei gehen, um zu zeigen, wer in Wirklichkeit lieber aus dem Parlament hinausgeht, weil eine Auseinandersetzung mit dem Ewald Stadler ... 

21.07


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Stadler, darf ich Sie bitte daran erin­nern, dass Sie zur Sache etwas sagen wollten.

(Beifall beim BZÖ für den das Rednerpult verlassenden Abg. Mag. Stadler. Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Regierungspartei – das nur für das Protokoll!)

Der von Herrn Abgeordnetem Stadler eingebrachte Entschließungsantrag ist aus­reichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Mag. Stadler, Scheibner

Kolleginnen und Kollegen

betreffend Rätsel um weitere „Kühlschrankmillionen“ bzw. die Fragen, wie viele Millionen von Konsumenten für die Entsorgung von Kühlschränken an die UFH geflossen sind, wie viele Millionen bisher an die Konsumenten zurückgeflossen sind, wie viele dieser Millionen samt Zinsgewinne noch immer bei UFH liegen und nicht an das Finanzministerium übertragen werden, warum dies nicht geschieht bzw. wofür die möglicherweise übrig gebliebenen Millionen genau verplant sind sowie die Fragen, ob es eine Werbekampagne betreffend die bestehenden Rückholmöglichkeiten geben wird, ob eine „Zweckwidmung“ für die Verwendung der Millionen erfolgt sowie die Frage, ob strafrechtlich relevante Handlungen begangen worden sind und eine strafrechtliche Verfolgung eingeleitet worden ist sowie

die Kundmachung und Aufklärung der Problematik

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Justizausschusses über den Antrag 1389/A der Abgeordneten Mag. Heribert Donnerbauer, Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Ermächtigung zur Übernahme der Rückerstattung der Kühlgeräteentsor­gungsbeiträge erlassen und das Bundesgesetz zur Rückführung der Kühlgeräteentsor­gungs­beiträge der Konsumenten aufgehoben wird (1281 d.B.)

Viele Bürger haben beim Kauf von Kühlgeräten für die Entsorgung dieser im Voraus bezahlen müssen bzw. bezahlt. Diese Zahlungspflicht ist allerdings nach Umsetzung einer EU-Richtlinie weggefallen. Seitdem besteht Anspruch auf kostenlose Entsorgung, so dass die Käufer die gezahlten Beträge zurückfordern können. Allerdings erfolgten bisher - wohl mangels Kenntnis - so gut wie keine Rückforderungen.

Die gezahlten Gelder befinden sich derzeit in der UFH Umweltforum GmbH & Co KG und der UFH Privatstiftung, wobei die Finanzministerin diese nun in der Form


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übernehmen will, dass sie die Rückzahlungsverpflichtungen der UFH gegenüber den Bürgern gegen Zahlung übernimmt. Nach dem Gesetz geht es um 24 Millionen Euro.

Zudem wird der Übergang „fließend“ gestaltet bzw. der UFH wird über eine lange Zeit eine Aufgabe erhalten. So erfolgt die Prüfung bzw. Abwicklung der Rückzahlungs­ansprüche bis 31. Dezember 2020 und die Begleichung der Rückzahlungen bis 31. Dezember 2013 kostenfrei durch die UFH.

Allerdings steht eine Vielzahl von Fragen im Raum. Insbesondere besteht aufgrund diverser Aussagen der Verdacht, dass noch weitere „Kühlschrankmillionen“ vorhanden sind bzw. nicht die gesamten eingenommenen Entsorgungsbeträge an das Finanz­ministerium übertragen werden. Zudem stellt sich beispielsweise die Frage, warum die Bürgerinnen und Bürger nicht über Rückforderungsmöglichkeiten (besser) informiert werden.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, den Verbleib der „Kühlschrankmillionen“ zu untersuchen und dem Nationalrat darüber Bericht zu erstatten sowie eine Informations­kampagne betreffend die bestehenden Rückzahlungsmöglichkeiten zu starten.“

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21.08.01

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist niemand mehr gemeldet. Ich schließe daher die Debatte. (Unruhe im Saal.)

Wünscht der Herr Berichterstatter ein Schlusswort? – Das ist nicht der Fall.

Ich darf die Herren und Damen Abgeordneten bitten, bei der Abstimmung aufmerksam zu sein, ansonsten passiert noch ein Fehler!

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in 1281 der Beilagen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Gesetzentwurf sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mehrheitlich angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung ihre Zustimmung erteilen wollen, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ord­neten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Rätsel um weitere „Kühl­schrank­millionen“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Die Tagesordnung ist erschöpft.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll113. Sitzung / Seite 255

21.09.10Einlauf

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich gebe noch bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1625/A(E) bis 1631/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 8980/J bis 9033/J eingelangt.

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Die nächste Sitzung des Nationalrates berufe ich für Freitag, den 8. Juli 2011, 11 Uhr, ein.

Die Tagesordnung ist der im Saal verteilten schriftlichen Mitteilung zu entnehmen.

Bevor ich diese Sitzung schließe, möchte ich noch Folgendes in Erinnerung rufen und um Aufmerksamkeit bitten: Im Anschluss an diese Sitzung tritt der Hauptausschuss im Lokal VI zusammen.

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Aus Anlass der morgigen Sitzung des EU-Hauptausschusses im Nationalratssitzungs­saal werden heute nach Schluss der Sitzung die Schubladen der Abgeordnetenplätze versperrt und Unterlagen und Papiere, die sich nicht in den Schubladen befinden, entfernt. Nehmen Sie demgemäß bitte sämtliche persönliche Unterlagen mit.

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Die Sitzung ist geschlossen.

21.10.05Schluss der Sitzung: 21.10 Uhr

 

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