Parlament Österreich

 

 

 

 

Stenographisches Protokoll

 

 

 

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122. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXIV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 12. Oktober 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

122. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXIV. Gesetzgebungsperiode          Mittwoch, 12. Oktober 2011

Dauer der Sitzung

                         Mittwoch, 12. Oktober 2011: 10.16 – 10.18 Uhr

                                                                                                  13.16 – 17.06 Uhr

*****

Inhalt

Personalien

Verhinderungen ................................................................................................................ 9

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kol­legen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 945/A(E) der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäfts­ordnung eine Frist bis 14. November 2011 zu setzen .................................. 12

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 12

Redner/Rednerinnen:

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 77

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 80

Dr. Reinhold Lopatka ................................................................................................... 81

Herbert Kickl ................................................................................................................. 82

Dr. Gabriela Moser ....................................................................................................... 84

Stefan Petzner .............................................................................................................. 85

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 86

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 12

Wortmeldung des Abgeordneten Gerald Grosz im Zusammenhang mit einer von der Abgeordneten Dr. Eva Glawischnig-Piesczek vorgebrachten tatsächli­chen Berichtigung ................................ 65

Wortmeldung des Abgeordneten Mag. Ewald Stadler im Zusammenhang mit dem in der Debatte über den Dringlichen Antrag eingebrachten Entschließungs­antrag der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betref­fend direkte Demokratie .................................................................. 68


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 2

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ....................................................................................................... 9

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................... 9

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Abhaltung von Volksbefragungen (1685/A)(E) ............................................................... 13

Begründung: Heinz-Christian Strache ......................................................................... 14

Bundeskanzler Werner Faymann ............................................................................... 19

Debatte:

Herbert Kickl ................................................................................................................. 24

Dr. Josef Cap ................................................................................................................ 26

Ing. Peter Westenthaler (tatsächliche Berichtigung) ................................................... 29

Karlheinz Kopf .............................................................................................................. 29

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek .................................................................................... 32

Josef Bucher ................................................................................................................. 34

Harald Vilimsky ............................................................................................................ 37

Dr. Peter Wittmann ...................................................................................................... 39

Dr. Martin Strutz (tatsächliche Berichtigung) ............................................................... 40

Mag. Wolfgang Gerstl .................................................................................................. 41

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 42

Heinz-Christian Strache (tatsächliche Berichtigung) .................................................. 44

Gerald Grosz ................................................................................................................. 45

Mag. Harald Stefan ....................................................................................................... 48

Mag. Ewald Stadler (tatsächliche Berichtigung) .......................................................... 51

Angela Lueger .............................................................................................................. 51

Mag. Silvia Fuhrmann .................................................................................................. 52

Mag. Daniela Musiol ..................................................................................................... 54

Mag. Ewald Stadler ...................................................................................................... 60

Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (tatsächliche Berichtigung) ........................................ 64

Dr. Martin Strutz ........................................................................................................... 65

Dr. Günther Kräuter ..................................................................................................... 68

Peter Mayer ................................................................................................................... 70

Karl Öllinger .................................................................................................................. 71

Mag. Rainer Widmann ................................................................................................. 71

Wolfgang Großruck ..................................................................................................... 73

Ing. Robert Lugar ......................................................................................................... 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend mehr Mitsprache und direkte Demokratie durch „Internet-Volks­begehren“ – Ablehnung .  46, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der direkten Demokratie nach Schweizer Vor­bild – Ablehnung .................  50, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend direkte Demokratie – Ablehnung .........................................................................................  56, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend die generelle Verpflichtung der Durchführung von Volksabstim­mungen über EU-Vertragsänderungen – Ablehnung     62, 76


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 3

Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Harald Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ausgestaltung der Volksbefragung als Minderheiten­recht – Ablehnung .................  67, 76

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Banken-Stresstest für österreichische Banken unter Berücksich­tigung eines hypothetischen Schuldenerlasses für Griechenland – kein inhaltli­cher Zusammenhang mit Verhandlungsgegenstand ...  72, 72

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 1685/A(E) .............................. 76

Eingebracht wurden

Petitionen ........................................................................................................................ 9

Petition betreffend „Petition der Landeshauptstadt Klagenfurt bezüglich ,der gänzlichen oder teilweisen Abschaffung der nicht mehr zeitgemäßen Prag­matisierung‘“(Ordnungsnummer 124) (überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber)

Petition betreffend „110-kV ade!“ (Ordnungsnummer 125) (überreicht vom Abge­ordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber)

Petition betreffend „Etablierung eines Weltmädchentags der Vereinten Nationen“ (Ordnungsnummer 126) (überreicht von der Abgeordneten Petra Bayr)

Bericht ............................................................................................................................. 9

Zu III-245: Korrigendum zum Bericht betreffend Evaluierung der Umweltförderung des Bundes für 2008–2010; BM f. Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was­serwirtschaft

Anträge der Abgeordneten

Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Abhaltung von Volksbefragungen (1685/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Banken-Stresstest für österreichi­sche Banken unter Berücksichtigung eines hypothetischen Schuldenerlasses für Grie­chenland (1686/A)(E)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen betreffend europaweit einheitliche Haf­tungsregeln für Atomkraftwerke (1687/A)(E)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Mitsprache und direkte De­mokratie durch „Internet-Volksbegehren“ (1688/A)(E)

Mag. Daniela Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend direkte Demokratie (1689/A)(E)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen betreffend Gleichstellung der Arbeitspsycho­logInnen als 3. Präventivfachkraft im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (1690/A)(E)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Gewährleistung eines existenzsichernden Berechtigungsumfangs für MasseurInnen (1691/A)(E)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Veröffentlichungs­pflichten im „Amtsblatt der Wiener Zeitung“ (1692/A)(E)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 4

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen betreffend Erstellung eines jähr­lichen Berichts zu Ein-Personen-Unternehmen (EPU) (1693/A)(E)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend: „Wir wollen keinen grauen Strom“ – Atomstromimporte verbieten (1694/A)(E)

Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen betreffend Änderung der praxisfremden Bestimmungen im Führerscheingesetz (1695/A)(E)

Werner Herbert, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Bezüge der Bundesbeamten (Gehaltsgesetz 1956 – GehG), BGBl. Nr. 54/1956, geändert wird (1696/A)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Neue UNI-Zugangsre­gelungen“ (1697/A)(E)

Mag. Rainer Widmann, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Wiedereinführung der Studiengebühren“ (1698/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Mobbing an den Schulen (9395/J)

Dr. Ruperta Lichtenecker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler be­treffend Aktivitäten des Bundeskanzlers gegen die AKW-Ausbaupläne der tschechi­schen Bundesregierung (9396/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Speicherung von bildungspolitischen Aktivist_innen unter Extremis­mus in der EDIS-Datei (9397/J)

Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend registrierte und mit Be­scheid zugelassene Zucht- und Liefereinrichtungen (9398/J)

Stefan Petzner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend Aktenvermerk vom 26. Jänner 2010 zu Gespräch zwischen Staatsanwalt­schaft und Finanzministerium sowie Kapitalbedarf der Hypo Alpe-Adria (9399/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend „Feuerwerkskörper und to­xische Stoffe – Kontrollmaßnahmen“ (9400/J)

Franz Glaser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, In­novation und Technologie betreffend Eisenbahn-Grundversorgung gemäß ÖPNRV-Ge­setz (9401/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Slacklines als Gefahr für Hubschrauber (9402/J)

Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Hundebisse in Oberösterreich (9403/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesmi­nister für Gesundheit betreffend Tod der früheren Bundesministerin für Inneres Liese Prokop (9404/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesminis­terin für Justiz betreffend Umstände zum Tod der früheren Innenministerin Liese Pro­kop (9405/J)


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Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betref­fend Hundehaltung in Österreich (9406/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend Politik als „Marketingverstärker“ (9407/J)

Dr. Andreas Karlsböck, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ge­sundheit betreffend Datenleck in der Tiroler Gebietskrankenkasse (TGKK) (9408/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend MRSA-Bakterien (9409/J)

Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend das gescheiterte Konzept „Museum neu“ (9410/J)

Rupert Doppler, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend türkisches Privatgymnasium in Tirol (9411/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesund­heit betreffend MRSA-Bakterien (9412/J)

Ing. Heinz-Peter Hackl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend MRSA-Bakterien (9413/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen be­treffend Betrugsbekämpfung und Steuerfahndung (9414/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen be­treffend Betrugsbekämpfung und Steuerfahndung in Einzelfällen (9415/J)

Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Nachfrage zur AB EU-weite Telefon­hotline vermisste Kinder (9416/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend „Gesundheitsschäden durch Lärm in Diskotheken
(und vergleichbaren Lokalen) sowie bei Veranstaltungen – Kontrollergebnisse 2010“ (9417/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Fi­nanzen betreffend die Goldpolitik der Oesterreichischen Nationalbank (9418/J)

Wolfgang Zanger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Projektentwicklungsgesellschaft Spielberg Neu (9419/J)

Mario Kunasek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Bundesheerinserate in SJ-Schülerkalender (9420/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Öffentlich­keitsarbeit 2010 (9421/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9422/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9423/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9424/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 6

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen be­treffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9425/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betref­fend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9426/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9427/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9428/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesverteidi­gung und Sport betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9429/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forst­wirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9430/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9431/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9432/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9433/J)

Karl Öllinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung betreffend Öffentlichkeitsarbeit 2010 (9434/J)

Mag. Heidemarie Unterreiner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend die Vorgänge in der Spanischen Hofreitschule (9435/J)

Petra Bayr, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und in­ternationale Angelegenheiten betreffend die überplanmäßigen Mehrausgaben des BMeiA im 2. Quartal 2011 in der Höhe von 20 Millionen € (9436/J)

Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten betreffend missverstandenen Dialog: ÖVP/SPÖ unterstützen das „Internationale König-Abdullah-Bin-Abdulaziz Zentrum für Interreligiö­sen und Interkulturellen Dialog“ (9437/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend „Punzierungsgesetz 2000 – Daten und Erfahrungen im Jahr 2010“ (9438/J)

Mag. Johann Maier, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Arbeit, So­ziales und Konsumentenschutz betreffend „Sicherheitsprobleme im AMS – Bedro­hungen und Tätlichkeiten gegenüber AMS-MitarbeiterInnen“ (9439/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend „StudierendenvertreterInnen als Terrorismusverdächtige – bedenkliche Ten­denzen des Rechtsstaats“ (9440/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Polit-Kuhhandel rund um die Millionenkampag­ne zur „Rettungsgasse“ (9441/J)

Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Strafanzeige wegen unrichtiger Mitteilungen in den Geschäftsberichten der Flughafen Wien AG den neuen Terminal „Skylink“ betreffend (9442/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 7

Mag. Bernd Schönegger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend ÖBB: Bundes-Behindertengleichstellungs­gesetz wird ignoriert, keine Barrierefreiheit am Grazer Ostbahnhof (9443/J)

Dr. Erwin Rasinger, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Gesundheit betreffend Kinder-Gewaltschutzregister und weitere Vorschläge der Österreichischen Gesellschaft für Unfallchirurgie (9444/J)

Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend die Steuerleistung gemeinnütziger Bauträger (9445/J)

Werner Neubauer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Rechtswidrigkeit des Vertrages Linz-Westring (9446/J)

Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betref­fend Einsatz von Trojanern (9447/J)

Gerald Grosz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz betreffend „Gemeinsame Obsorge im Lichte der Kündigung gemäß § 30 Abs. 2 Z 6 MRG (Nicht­benützung der Wohnung)“ (9448/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst betreffend „Gemeinsame Obsorge im Lichte der Kündigung gemäß § 30 Abs. 2 Z 6 MRG (Nichtbenützung der Wohnung)“ (9449/J)

Mag. Dr. Martin Graf, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wis­senschaft und Forschung betreffend die neue Akademie-Rektorin Eva Blimlinger (9450/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Notendruck und „Nicht genügend“ an Volksschulen (9451/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Unter­richt, Kunst und Kultur betreffend Verständigungspflichten der Schule des Jugendwohl­fahrtsträgers (9452/J)

Ursula Haubner, Kollegin und Kollegen an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur betreffend „Protest gegen Kürzungen von Werteinheiten an der HTL Holla­brunn!“ (9453/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für euro­päische und internationale Angelegenheiten betreffend Reise nach Tripolis (Libyen) (9454/J)

Erich Tadler, Josef Jury, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Schnellstraße S 37 und Schnellstraße S 36 (9455/J)

Dr. Günther Kräuter, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Finanzen betreffend „Damoklesschwert Hypo Alpe-Adria“ (9456/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Kolleginnen und Kollegen (9074/AB zu 9272/J)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 8

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Susanne Winter, Kolleginnen und Kollegen (9075/AB zu 9241/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Bernhard Vock, Kolleginnen und Kollegen (9076/AB zu 9300/J)


 


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 9

10.16.01Beginn der Sitzung: 10.16 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Mag. Barbara Prammer, Dritter Präsident Mag. Dr. Martin Graf.

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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich er­öffne die 122. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unterstützten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde.

Die Amtlichen Protokolle der 120. und 121. Sitzung vom 30. September 2011 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und unbeanstandet geblieben.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Köfer, Dr. Matznetter, Dr. Bartenstein, Hörl, Neugebauer, Ing. Hofer, Brosz, Dr. Grünewald, Windbüchler-Souschill, Schenk und Dr. Königshofer.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Für diese Sitzung hat das Bundeskanzleramt über die Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstorfer wird durch den Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger und der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner wird durch den Bundes-minister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich vertreten.

10.17.08Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsge­genstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsord­nung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 9395/J bis 9442/J;

2. Anfragebeantwortungen: 9074AB bis 9076/AB;

3. Ergänzung oder Änderung von Regierungsvorlagen oder Berichten:

Korrigendum zum Bericht des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Evaluierung der Umweltförderung des Bundes für 2008 – 2010 (Zu III-245 d.B.).

B. Zuweisungen:

Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 32a Abs. 4, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen:

Petition Nr. 124 betreffend „Petition der Landeshauptstadt Klagenfurt bezüglich ,der gänzlichen oder teilweisen Abschaffung der nicht mehr zeitgemäßen Pragmatisie­rung‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 10

Petition Nr. 125 betreffend „110-kV ade!“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 126 betreffend „Etablierung eines Weltmädchentags der Vereinten Natio­nen“, überreicht von der Abgeordneten Petra Bayr;

Zuweisungen auf Ersuchen des Ausschusses für Petitionen und Bürgerinitiati­ven an andere Ausschüsse:

Gesundheitsausschuss:

Petition Nr. 120 betreffend „Petition der Gemeinde Kirchstetten zur Erhaltung der Hausapotheken“, überreicht vom Abgeordneten Johann Höfinger;

Justizausschuss:

Petition Nr. 122 betreffend „,Contra Schadenersatz‘ der Aktion Leben“, überreicht vom Abgeordneten Dr. Franz-Joseph Huainigg;

Umweltausschuss:

Petition Nr. 77 betreffend „Zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht von den Abgeord­neten Mag. Christiane Brunner und Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 82 betreffend „Zum Weltweiten Atomausstieg – Abschalten! Jetzt!“, über­reicht von den Abgeordneten Dr. Josef Cap, Karlheinz Kopf, Heinz-Christian Strache, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek,

Petition Nr. 85 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Gmunden zum europa- und weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirkl­huber,

Petition Nr. 86 betreffend „Petition der Marktgemeinde Vorchdorf zum weltweiten Atom­ausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 87 betreffend „Petition der Marktgemeinde Eichgraben zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 88 betreffend „Petition der Marktgemeinde Vöcklamarkt zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 89 betreffend „Petition der Stadtgemeinde St. Johann zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser,

Petition Nr. 90 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Seekirchen zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser,

Petition Nr. 91 betreffend „Petition der Marktgemeinde Waldegg zum weltweiten Atom­ausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser,

Petition Nr. 92 betreffend „Petition der Gemeinde Hennersdorf zum europa- und welt­weiten Atomausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser,

Petition Nr. 93 betreffend „Petition der Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg für ,Raus aus Euratom‘“, überreicht von der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner,

Petition Nr. 94 betreffend „Petition der Marktgemeinde Hinterbrühl zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner,

Petition Nr. 95 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Langenlois zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner,

Petition Nr. 99 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Ried im Innkreis zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 11

Petition Nr. 100 betreffend „Petition der Gemeinde Behamberg betreffend NEIN zu einem Atommüllendlager in Grenznähe zu Österreich“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 101 betreffend „Petition der Marktgemeinde Altenberg bei Linz zum Thema ,Petition zum weltweiten Atomausstieg‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 102 betreffend „Petition der Marktgemeinde Strengberg betreffend ,Atom­müllendlager in Grenznähe zu Österreich‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 105 betreffend „Petition der Gemeinde Weiden an der March betreffend ,Resolution zum weltweiten Atomausstieg‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 106 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Neumarkt am Wallersee be­treffend ,Resolution zum weltweiten Atomausstieg‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 107 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Ebreichsdorf betreffend ,Reso­lution zum weltweiten Atomausstieg‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolf­gang Pirklhuber,

Petition Nr. 108 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Mödling betreffend ,Resolution zum weltweiten Atomausstieg‘“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 109 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Deutsch-Wagram zum welt­weiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirkl­huber,

Petition Nr. 110 betreffend „Petition der Marktgemeinde Karlstein an der Thaya zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirkl­huber,

Petition Nr. 111 betreffend „Petition der Marktgemeinde Gaweinstal zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 114 betreffend „Petition der Stadtgemeinde Heidenreichstein zum weltwei­ten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 115 betreffend „Petition der Gemeinde Hundsheim zum weltweiten Atom­ausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 116 betreffend „Petition der Gemeinde Grünau im Almtal zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht von der Abgeordneten Dr. Susanne Winter,

Petition Nr. 118 betreffend „Petition der Marktgemeinde Euratsfeld zum weltweiten Atomausstieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 119 betreffend „Petition der Gemeinde Grünau zum weltweiten Automaus­stieg“, überreicht vom Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber,

Petition Nr. 123 betreffend „Petition zum weltweiten Atomausstieg - Resolution der Ge­meinde Winden am See“, überreicht vom Abgeordneten Erwin Preiner;

Unterrichtsausschuss:

Petition Nr. 79 betreffend „Übernahme des Schulversuches ,Volksschulen und Volks­schulklassen mit musikalischem Schwerpunkt‘ in das Regelschulwesen“, überreicht vom Zweiten Präsidenten des Nationalrates Abgeordneten Fritz Neugebauer,

Bürgerinitiative Nr. 27 betreffend „Ergänzung des § 46 (1) SchOG“;


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 12

Verkehrsausschuss:

Petition Nr. 83 betreffend „Erhalt des Personenverkehrs auf der Bahnstrecke Ober­wart–Friedberg“, überreicht von der Abgeordneten Mag. Christiane Brunner,

Bürgerinitiative Nr. 31 betreffend „Aufrechterhaltung und Aufwertung von Betrieb und Infrastruktur der Bahnlinie Oberwart-Friedberg als wichtige Eisenbahnverbindung des Südburgenlands nach Wien“.

*****

10.17.22Ankündigung eines Dringlichen Antrages

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Der freiheitliche Parlamentsklub hat gemäß § 93 Abs. 2 der Geschäftsordnung das Verlangen gestellt, den Selbständigen An­trag 1685/A(E) der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ab­haltung von Volksbefragungen dringlich zu behandeln.

Der Aufruf des Dringlichen Antrages wird um 13.15 Uhr erfolgen.

10.17.41Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Vor Eingang in die Tagesordnung teile ich mit, dass Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek beantragt hat, dem Verfassungsaus­schuss zur Berichterstattung über den Antrag 945/A(E) der Abgeordneten Dr. Gla­wischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ eine Frist bis 14. November 2011 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzu­führen.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrages verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

Die Abstimmung über den Fristsetzungsantrag wird nach Schluss dieser Debatte er­folgen.

*****

Ich gebe bekannt, dass die Sitzung von ORF2 bis 16 Uhr und von TW1 zur Gänze live übertragen wird.

Nun unterbreche ich die Sitzung bis 13.15 Uhr.

Die Sitzung ist unterbrochen.

*****

10.18.10(Die Sitzung wird um 10.18 Uhr unterbrochen und um 13.16 Uhr wieder aufge­nommen.)

*****

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, ich nehme die un­terbrochene Sitzung wieder auf und darf Sie ersuchen, Ihre Plätze einzunehmen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 13

13.16.37Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Heinz-Christian Strache, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Abhaltung von Volksbefragungen (1685/A)(E)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 1685/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführerin.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Aus einer aktuellen Umfrage des IMAS-Instituts geht hervor, dass sich nur noch 5 % der Österreicher sehr stark für Politik interessieren. 21% interessieren sich „ziemlich stark“. Diesen stehen drei Viertel der Bevölkerung gegenüber, die das politische Ge­schehen kalt lässt. Noch nie habe sich die Bevölkerung so wenig für Politik interessiert, heißt es im IMAS-Report. Vor allem die 16- bis 29-Jährigen zeigen kaum Interesse am politischen Geschehen. Das höchste Interesse am innenpolitischen Geschehen hatte das IMAS-Institut im Jahr 2000 registriert.

Dazu passt, dass einer aktuellen OGM-Umfrage zufolge drei Viertel der Wahlberech­tigten wenig bis kein Vertrauen in die Politik haben. Es überrascht daher wenig, dass die Unzufriedenheit der Wähler mit der Regierung laut Gallup-Politbarometer einen neuen Höhepunkt erreicht hat. 85 % sind unzufrieden, nur 11% bewerten die Regie­rungsarbeit positiv. Unter den Wiener Wählern sind nur mehr 5% mit der Bundesre­gierung zufrieden, aber 93% (!) unzufrieden. Ein Negativrekord.

Mittlerweile sprechen sich auch 51% für Neuwahlen aus, zumal die Bundesregierung nicht ansatzweise in der Lage ist, wichtigste Fragen richtungsweisend zu entscheiden. Bei den Jungen unter 30 sind es sogar 64%. Bei den Opinion Leadern 73%. Ein nahe­liegender Ausweg wäre die Inanspruchnahme des Rechtsinstitutes der Volksbefragung um über die Reformstarre der großen Koalition hinweg zu kommen. Letztlich geht das Recht vom Volk aus.

Aus diesem Grunde stellen unterfertigte Abgeordnete folgenden

Entschließungsantrag:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Art. 49b B-VG jeweils einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung zu folgenden Angelegen­heiten zur Beschlussfassung vorzulegen:

1. Nichtteilnahme Österreichs an einer Europäischen Transferunion.

2. Einführung einer zeitlich limitierten Millionärssolidaritätssteuer.

3. Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht.

4. Beibehaltung des freien Hochschulzuganges.

5. Ausschluss von Fremden aus der Mindestsicherung.

6. Beibehaltung der nationalstaatlichen Kompetenz zur temporären Wiedereinführung von Grenzkontrollen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu ge­ben.

*****

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 14

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Ich erteile nun Herrn Klubobmann Strache als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte.

 


13.17.00

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! (Ruf bei der ÖVP – in Richtung der auf der Regierungsbank Platz nehmenden Bundesmi­nisterin Dr. Karl –: Dame!) – Dame inzwischen auch, ja! Es ist uns wichtig, im Rahmen der heutigen Sondersitzung das Thema direkte Demokratie auch hier voranzutreiben, denn es ist notwendig und wichtig, direkte Demokratie endlich auch in unserem Land zu leben und die Mechanismen dafür sicherzustellen. Es ist daher heute diese Son­dersitzung unter dem Titel „Direkte Demokratie statt rot-schwarzem Reformstillstand, Herr Bundeskanzler!“ von uns einberufen worden. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist ja wirklich erstaunlich: Als wir vor neun Tagen, am 3. Oktober, diese Sondersit­zung für mehr direkte Demokratie beantragt haben, haben sich plötzlich Vertreter von SPÖ, ÖVP, aber auch von den Grünen nahezu überschlagen vor lauter Eifer, auch im­mer wieder Forderungen in Richtung der direkten Demokratie zu erheben. Das ist durchaus erfreulich, aber das sind genau jene Parteien, die bis dato fast jeden unserer Anträge abgelehnt und sich in vielen Bereichen nicht für die direkte Demokratie ausge­sprochen haben.

Wenn es darum geht, dass wir konkret verbindliche Volksabstimmungen eingefordert haben, zum Beispiel in der Frage des Europäischen Rettungs- und Haftungsschirmes, oder wenn es um Volksbefragungen geht, dann haben wir immer wieder in diesem Ho-hes Haus erleben müssen, dass leider Gottes Vertreter von SPÖ, ÖVP, aber auch von den Grünen diese direkt-demokratischen Instrumente abgelehnt haben. Die heutige Sitzung wird daher auch für Sie eine Nagelprobe sein, denn heute haben wir Gelegen­heit, endlich auch die direkte Demokratie gemeinsam in unserem Land durchzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und wenn Sie das wirklich ernst meinen und eben nicht nur Lippenbekenntnisse zum Besten geben, dann werden Sie das heute sicherlich ihn Ihrem Abstimmungsverhalten kundtun! Derzeit lebt man ja eher die Praxis, die direkte Demokratie um jeden Preis zu vermeiden, man hat bei vielen Fragen Angst vor der Entscheidung des Volkes. Ganz im Gegenteil versuchen SPÖ und ÖVP unser Land – ich sage: in manchen Berei­chen – noch undemokratischer zu gestalten, wie ja zuletzt auch die ewige rote Zu­kunftshoffnung der SPÖ, nämlich Frau Laura Rudas, mit ihrer Forderung nach einem Mehrheitswahlrecht bewiesen hat. Ganz nach dem Motto: Wenn uns die Wahlergebnis­se nicht passen, na dann ändern wir halt das Wahlrecht, bis es nicht mehr repräsenta­tiv ist und man es so hingebogen hat, dass man dann vielleicht, auch wenn man mit Abstand nicht die Mehrheiten hat, doch andere Mehrheiten für sich möglich machen kann.

Von solch einer Partei kann man natürlich auch nicht erwarten, dass sie für mehr De­mokratie eintritt, aber vielleicht schreibt der Herr Bundeskanzler ja vor der nächsten Wahl wieder einmal einen persönlichen Brief an eine große Tageszeitung Österreichs, einen Leserbrief, in dem er dann auch wieder verspricht, wie im Jahr 2008, dass er ei­ne Volksabstimmung, einen Volksentscheid bei wichtigen und essenziellen Fragen und Änderungen, auch des Europäischen Vertrages, der uns ja betrifft, möglich machen wird – denn versprochen hat er ja schon vieles, gehalten bis dato in dieser Frage leider Gottes nichts.

Da darf man sich dann auch nicht wundern, wenn sich laut einer Umfrage des IMAS-Institutes nur noch 5 Prozent der Österreicher „sehr stark“ für Politik interessieren be­ziehungsweise sich daneben 21 Prozent der Österreicher noch zumindest „stark“ für


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 15

die Politik interessieren, aber nahezu drei Viertel der Bevölkerung sich heute abgesto­ßen abwenden von der Politik, vor allem von dieser Regierungspolitik, da man immer wieder erleben muss, dass gegen die Interessen der österreichischen Bevölkerung Po­litik betrieben wird und man nicht bereit ist, die eigene Bevölkerung in Entscheidungs­prozesse einzubinden. Einfach drüberfahren über die eigene Bevölkerung, das ist in vielen Bereichen Ihr Motto. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher darf man sich nicht wundern, wenn eben drei Viertel der Österreicher heute das politische Geschehen und die Handlungsweisen dieser österreichischen Bundesregie­rung immer mehr kalt lassen, ja viel schlimmer, sich immer mehr angewidert abwenden von solchen politischen Mechanismen. Noch nie hat sich die Bevölkerung, laut der IMAS-Studie, so wenig für Politik interessiert. Da heißt es im IMAS-Report, dass vor allem die 16- bis 29-Jährigen immer weniger Interesse am politischen Geschehen zei­gen. Da sollten bei uns allen die Alarmglocken schrillen, denn eine Demokratie lebt na­türlich von der Beteiligung des Volkes. Sie lebt davon, dass sich die Menschen für Poli­tik interessieren, aber sie lebt auch davon, dass wir die Menschen, die Bürger, ja das Volk ernst nehmen, auch einbinden und letztlich auch das leben, was in unserer Ver­fassung verankert ist, nämlich dass das Recht vom Volk ausgeht und auszugehen hat. (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das vermisst aber die österreichische Bevölkerung heute, und da kann man es den Menschen auch nicht übelnehmen, wenn sich immer mehr von solchen politischen Mechanismen abwenden. Sie müssen schließlich nahezu täglich schmerzlich erfahren und erleben, dass sich die rot-schwarze Regierung – ich sage jetzt ganz bewusst: mit dem grünen Blinddarm – überhaupt nicht dafür interessiert, was die Bevölkerung denkt.

Dass Sie über die österreichischen Interessen drüberfahren, ist ja in vielen Bereichen evident und anhand des Rettungsschirmes, der uns alle maßgeblich betrifft, ganz deut­lich evident geworden. Da werden heute Milliarden für Bankspekulanten und Pleite­staaten ausgegeben, und man bricht die EU-Verträge explizit. Außerdem wird der Ver­such unternommen, gegen die Interessen der Österreicher eine Transferunion in Gang zu setzen. Und da schicken SPÖ, ÖVP und Grüne unsere Steuermilliarden in den so­genannten Rettungsschirm, der in Wirklichkeit ein Enteignungsschirm ist.

Aber befragt man dazu das Volk? Nimmt man die Meinung der Bevölkerung ernst? Lässt man das Volk abstimmen? Nein, das ist bis dato von SPÖ, ÖVP und den Grü­nen abgelehnt worden. Das zeigt, wie ernst Sie die direkte Demokratie nehmen, näm­lich gar nicht! (Beifall bei der FPÖ.)

Es passt Ihnen nicht in den Kram, das Volk entscheiden zu lassen. Sie haben Angst vor der Bevölkerung und deren Entscheidungsgewalt. Es sind auch die sogenannten Basisdemokraten von den Grünen, die in dieser Frage ziemlich schmähstad sind, denn die Grünen sind überhaupt nur für Demokratie, wenn es ihnen irgendwo ideologisch in den Kram passt. Aber wenn es um existenzielle Fragen geht, möchte man mit der di­rekten Demokratie nichts zu tun haben, da will man die eigene Bevölkerung für unmün­dig erklären, wie man das auch mit dem Abstimmungsverhalten der letzten Wochen und Monate bewiesen hat.

Wir bringen daher heute ein ganzes Maßnahmenpaket für mehr direkte Demokratie, für verbindliche direkt-demokratische Prozesse ein, weil wir Freiheitlichen schon seit Jah­ren, ja Jahrzehnten die Einführung von mehr direkter Demokratie fordern. Es gibt genü­gend Anwendungsbereiche dafür. Wir sehen es auch als einzige Möglichkeit, die Men­schen wieder stärker für Politik zu interessieren, ja auch als Rettungsanker für notwen­dige demokratische Entwicklungen in unserer Heimat, um die Menschen zu motivieren, sie dafür zu begeistern, auch um ihnen zu zeigen, dass sie ein Mitspracherecht haben, dass sie auch ein Initiativrecht erhalten sollen, gegen den Willen des Parlaments ver­bindliche Volksabstimmungen durchzusetzen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 16

Das ist Erweiterung und Ausbau der Demokratie statt Abbau der Demokratie, wie wir das heute erleben.

Die Bevölkerung Österreichs will endlich die Möglichkeit haben, mitzubestimmen, stär­ker mitzugestalten. Sie will nicht nur alle paar Jahre  so wie Sie das beschlossen ha­ben, auf nationaler Ebene bei Nationalratswahlen statt alle vier Jahre alle fünf Jahre – zu einer Wahl gehen dürfen. Das ist zu wenig. Man will aktiv mitgestalten und mitent­scheiden bei wichtigen Fragen.

Die Menschen wollen einbezogen werden und haben es satt, dass über ihre Köpfe hin­weg entschieden wird. Das hat ja auch das ORF-Bürgerforum, wo ja alle Klubobleute eingeladen waren, sehr, sehr deutlich zum Ausdruck gebracht.

Wir Freiheitlichen wollen ausdrücklich keine Wutbürger, wir wollen Mutbürger. Es hilft niemandem, wütend zu sein. Man muss mutig sein, um Fehlentscheidungen und Fehl­entwicklungsprozesse in unserer Heimat abzuändern, diesen entgegenzutreten. Dann kann man etwas erreichen, auch in unserem Land, und genau dafür stehen wir ein. Wir wollen mutige Bürger, die bereit sind, auch mit uns gemeinsam gegen diese Fehlent­wicklungsprozesse aufzustehen und sich dagegenzustellen. (Beifall bei der FPÖ.)

Was spricht jetzt wirklich dagegen, dass es im Jahr meinetwegen drei, vier oder sollen es auch mehr sein, Volksbefragungen oder direkt-verbindliche Volksabstimmungen gibt, was spricht dagegen?  Nichts spricht dagegen. Ich sehe jetzt schon, quasi vor meinem geistigen Auge, viele Vertreter von SPÖ und ÖVP hier heraus kommen und wiederholen: Das kostet alles so viel Geld! Sie werden sozusagen jammern, welche Kosten da verursacht werden würden, und sagen, dass man es den Menschen ja nicht zumuten kann, dass sie in direkt-demokratische Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Aber Demokratie kostet eben etwas, und das muss es uns auch wert sein. Wahlen sind auch teuer, und trotzdem leisten wir sie uns – ja, weil wir uns zur Demo­kratie bekennen und auch in die Demokratie investieren müssen! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn es um die Europäische Union und um den Euro-Haftungs- und Knebelungs­schirm geht, ist Ihnen ja auch nichts zu teuer, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP. Es ist Ihnen nichts zu teuer, wenn es um das österreichische Steuergeld geht, das Sie dann sehr, sehr leichtfertig ausgeben, obwohl wir heute in Österreich eine dra­matische Überschuldung haben, obwohl Triple A auch bei uns durchaus gefährdet sein könnte und obwohl wir heute jeden Steuercent bei uns im Land bräuchten.

Es ist Ihnen auch nichts zu teuer, wenn Sie Milliarden in Richtung Pleitestaaten, nach Griechenland oder in Richtung diverser Bankspekulanten transferieren. Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren, und genau das ist das, was die Menschen so aufregt!

Ganz konkret wollen wir die von uns schon so oft geforderte verbindliche Volksab­stimmung über die europäische Transferunion. Der Europäische Gerichtshof für Men­schenrechte befasst sich ja schon mit einer von mir eingebrachten Beschwerde gegen den Euro-Haftungsschirm und das Plünderungsinstrument, das da auf den Plan getre­ten ist.

Ich sage: Respekt vor den Slowaken (Beifall bei der FPÖ), Respekt vor dem slowaki­schen Parlamentspräsidenten Richard Sulik, der gestern, gemeinsam mit vielen Abge­ordneten, den Mut hatte, gegen diesen EFSF zu stimmen. Das war einmal ein Zeichen, dass man sich nicht alles gefallen lässt, dass man die Interessen der Bürger auch ernst nimmt. Aber man stimmt ja in den europäischen Staaten so lange ab, bis dann das Er­gebnis passt; das kennen wir ja schon aus der Vergangenheit.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das österreichische Steuergeld ist uns zu wichtig, als dass es an finanzmarode Staaten, vor allem auch an die dahinterstehen­den Gläubiger, die Banken und Spekulanten, transferiert wird. Da wird jeder Österrei­cher geschädigt.


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Wir wollen dieses Grundrecht der Österreicher sicherstellen. Es braucht da eine direkte Volksabstimmung, verweigern Sie diese nicht, geben Sie dem Volk wieder das Recht auf Entscheidungsgewalt!

Außerdem ist diese Vorgangsweise auch in keiner Weise von den Grundlagen der eu­ropäischen Kompetenzen gedeckt, die bei Österreichs EU-Beitritt festgelegt worden sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, wir wollen auch Volksbefragungen (ironi­sche Heiterkeit und Zwischenrufe der Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek): eine Volksbe­fragung über die Einführung einer zeitlich limitierten Millionärssolidaritätssteuer, über die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht, über die Frage der Studiengebühren, über den Ausschluss von Fremden aus der Mindestsicherung  weil das letztlich auch sicherstellen würde, dass sich Leistungsträger angezogen fühlen und nicht Zuwanderer in das Sozialsystem, wie das heute der Fall ist (Beifall bei der FPÖ)  und über die Bei­behaltung der nationalstaatlichen Kompetenz zur temporären Wiedereinführung von Grenzkontrollen, wenn es um die zeitliche Aussetzung der Schengengrenzen geht, wie wir das seit längerer Zeit ja auch einfordern, um wieder mehr Sicherheit für unsere Be­völkerung sicherzustellen. (Abg. Öllinger:  ja keine Ahnung!)

Fragen wir die Österreicher, wie sie dazu stehen! Haben wir keine Angst vor der Ent­scheidung der Österreicher, wie sie aber leider Gottes manche Vertreter von SPÖ, ÖVP und den Grünen in diesem Raum haben!

Die Regierungsparteien haben ja letzte Woche verlautbaren lassen, dass sie sich eini­ge dieser Punkte zumindest vorstellen können. Das ist zumindest einmal interessant. Wenn von diesen Parteien mitgeteilt wird, dass man sich etwas vorstellen kann, dann ist es nur eine Frage der Zeit – von 15, 20, 30 Jahren –, bis vielleicht irgendetwas in Bewegung kommt. Das wissen wir aus leidvoller Erfahrung im Bereich der Verwal­tungsreform, der Gesundheitsreform und vieler anderer Themenbereiche, die notwen­digerweise angegangen werden sollten, gelöst werden sollten. Da schieben Sie aber alles auf die lange Bank.

Hören Sie auf damit! Jetzt braucht es Entscheidungen! Wir müssen jetzt endlich bereit sein, diesen Stillstand, dieses Demokratiedefizit, das Sie zu verantworten haben, ge­meinsam zu überwinden. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Regierungsparteien müssen auch den Mut haben, unseren Anträgen einmal zuzu­stimmen – oder kann man wieder einmal davon ausgehen, dass all das, was Sie ge­sagt haben, Herr Klubobmann Kopf und Herr Klubobmann Cap, nur heiße Luft ist. „Vor­stellen können wir uns das“ – das sind aber eigentlich alles nur rhetorische Floskeln, denn in Wirklichkeit haben wir gar nicht vor, die Bürger in dieser Frage zu befragen.

Wir Freiheitlichen wollen grundsätzlich mehr direkte Demokratie! Wir wollen die Volks­befragung zu einem parlamentarischen Minderheitsrecht umgestaltet wissen, sodass auch ein Drittel der Abgeordneten im Nationalrat die Möglichkeit hat, eine Volksbefra­gung zu erwirken. Ja, das wäre eine Demokratisierung unseres Stillstandssystems! (Beifall bei der FPÖ.)

Das wäre notwendig, um den Stillstand aufzubrechen, diese Lähmung, die Sie auch in den letzten Jahren tagtäglich leben.

Das stellte einen sinnvollen Ausbau der direkten Demokratie dar. Und interessant wird natürlich auch sein, wie sich bei diesem Antrag und bei den anderen heutigen Anträ­gen das Abstimmungsverhalten der Grünen gestalten wird, denn ich sage ganz be­wusst: Es muss auch ein Initiativrecht des Volkes her! Es braucht ein Initiativrecht des Volkes, damit das Volk bei Fehlentwicklungen als Regulativ tätig werden kann, ein­schreiten kann, auch gegen den Willen des Parlaments tätig werden und eine verbind­


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liche Volksabstimmung erzwingen kann. Ja, das ist notwendig! Das Recht hat vom Volk auszugehen, und es gehören diese direkt-demokratischen Mechanismen endlich gestärkt. (Beifall bei der FPÖ.)

Unserer Überzeugung nach ist ein Volksbegehren in Zukunft einer Volksabstimmung zu unterziehen, wenn es Unterstützung von zumindest 150 000 stimmberechtigten Ös­terreichern findet. Das wäre ein Instrument, mit dem die Bevölkerung per Initiativrecht von sich aus tätig werden und sagen könnte: Wenn die Regierung, wenn das Parla­ment nicht bereit und nicht fähig sind, unseren Interessen zu folgen, dann werden wir mit einem Volksbegehren einen Prozess in Gang setzen, bei dem am Ende – wenn über 150 000 Österreicher dieses Volksbegehren unterstützt haben – eine rechtlich verbindliche Volksabstimmung stattzufinden hat.

Genau das ist es ja: Heute wird ja das Volk gepflanzt. Wenn man heute ein Volksbe­gehren macht – so wie wir beispielsweise erfolgreich das Anti-Temelín-Volksbegehren in Gang gesetzt haben, das über eine Million Österreicher unterschrieben haben –, was erlebt man dann? – Da wird man als Bürger gepflanzt! Da unterschreiben über ei­ne Million Österreicher ein Volksbegehren, fordern sozusagen die Bundesregierung auf, tätig zu werden, und dann gibt es im Parlament ein Begräbnis erster Klasse. Dann wird das ein Mal behandelt und dann schubladisiert und überhaupt nicht mehr ernst ge­nommen. Genau das darf nicht mehr sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Genau das sind die Erfahrungen, derentwegen sich Menschen völlig angewidert vom politischen Prozess abwenden. Und genau da braucht es ein Initiativrecht des Volkes, braucht es ein Regulativ, bei einem Stillstand, wie wir ihn heute erleben, oder auch ge­gen eine gelebte Anti-Österreich-Politik, wie beispielsweise im Zusammenhang der Be­reitstellung des Rettungsschirmes von Ihrer Seite, womit Sie gegen die österreichischen Interessen Politik betreiben.

Wir müssen für mehr Demokratie sorgen, denn die Lage ist erschreckend. Auf die IMAS-Umfrage habe ich heute schon hingewiesen, und wenn Sie weiter so agieren wie bisher, dann wird die Situation mit Sicherheit nicht besser werden, sondern noch viel schlimmer. Es wird die Frustration der Bevölkerung berechtigterweise immer größer werden und weiter anwachsen und steigen.

Wir Freiheitlichen nehmen uns ein Beispiel an der Schweiz. Die Schweiz ist ein Paradebeispiel für wirklich exzellent gelebte Demokratie: einerseits parlamentarische Demokratie, aber parlamentarische Demokratie ergänzt durch das Regulativ der direk­ten Demokratie und der Möglichkeiten des Initiativrechts für die Schweizer Bevölke­rung, um in wesentlichen Fragen das Parlament zu zwingen, auf den Wunsch der Be­völkerung zu hören, diesen ernst zu nehmen und umzusetzen, und zwar ganz gleich, welche Regierung da oben sitzt, welche Farben in ihr vertreten sind, also auch für die Zukunft. Jede Regierung, egal, welche Partei in der Regierung sitzt, hat dann diese Ab­stimmungsergebnisse verbindlich umzusetzen und ernst zu nehmen. Das ist der ent­scheidende Prozess, für den wir uns die Schweiz als Vorbild nehmen. Warum soll das in Österreich nicht funktionieren oder nicht möglich sein? (Beifall bei der FPÖ.)

Die Österreicher haben die demokratische Reife, die Sie vonseiten der SPÖ und der ÖVP vielleicht noch nicht haben. Diese demokratische Reife fehlt Ihnen vielleicht, der österreichischen Bevölkerung mit Sicherheit nicht! Sie leben geistig leider Gottes in vielen Bereichen noch immer in Ihren alten Proporzmustern und sind verstrickt in Ihrem Proporzdenken. Das zeigt ja auch der „natürliche“ Abwehrmechanismus von SPÖ und ÖVP gegen solch direkt-demokratische Mechanismen und gesetzliche Einrichtungen. Für Sie ist das Volk oftmals nicht der Zweck der Politik, sondern eine lästige Neben­sache, ja manchmal vielleicht sogar eine Plage. Genau das soll es nicht sein! Genau das kann und darf es nicht sein! Und ich sage daher: Kommen Sie endlich im 21. Jahr­


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hundert an! Mit dem Bevormundungsstaat rot-schwarzer Prägung muss endlich Schluss sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Das ist auch genau das, was die Menschen und Bürger von uns erwarten. Sie wollen, dass auch Sie einmal bereit sind, von Ihren alteingefahrenen und verfahrenen Pro­zessen abzugehen, endlich einmal bereit sind, eine neue Zeit im Bereich der Demokra­tie und der Demokratieentwicklung einzuläuten. Und ich kann deshalb nur an Sie ap­pellieren: Nehmen Sie das ernst! Denn wenn Sie nicht bereit sind, in diesem Bereich umzudenken und auch einmal Fehler einzugestehen und vor allem auch einmal von Ihrem hohen Ross herunterzukommen, dann werden Sie vom Bürger und vom Wähler bei kommenden Wahlen durch Wahlergebnisse von Ihrem hohen Ross heruntergeholt werden. Die Bürger werden sich das auf Dauer nicht mehr gefallen lassen, dass Sie glauben, solche Proporzmechanismen fortsetzen zu können. (Beifall bei der FPÖ.)

Es lebe die direkte Demokratie und unsere Heimat Österreich! Die Bürger haben es verdient, ernst genommen zu werden! (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

13.37


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zur Abgabe einer Stellungnahme hat sich der Herr Bundeskanzler zu Wort gemeldet. Die Redezeit soll 20 Minuten nicht überschrei­ten. – Bitte. (Abg. Mag Stadler: Freiwillige Redezeitbeschränkung: 3 Minuten!)

 


13.37.44

Bundeskanzler Werner Faymann: Frau Präsidentin! Mitglieder der Regierung! Ver­ehrte Abgeordnete! Hohes Haus! Dieser Dringliche Antrag hat aus meiner Sicht tat­sächlich zwei Komponenten, eine sehr ernsthafte Komponente, die Fragen der direkten Demokratie und die, wie man das Thema direkte Demokratie möglichst sinnvoll behan­deln kann, ohne sie durch Übertreibungen lächerlich zu machen, sodass zum Schluss auch diejenigen, die für direkte Demokratie sind, zu der Auffassung gelangen, dass das wahrlich kein Instrument mehr sein kann. Also: Wie kann man ernsthaft über direk­te Demokratie reden?

Der zweite Punkt, auf den ich näher eingehen möchte, betrifft den Inhalt möglicher Fra­gestellungen. Da kann ich allein schon an den Formulierungen, die Sie für einige Ihrer Beispiele vorgeschlagen haben, keine wirkliche Ernsthaftigkeit erkennen, und auch das möchte ich dann in weiterer Folge noch ausführen.

Lassen Sie mich aber zuerst auf das Ernsthafte zu sprechen kommen: In Europa sind wir tatsächlich in einer politischen und wirtschaftlichen Situation, in der viele Menschen nicht nur in Österreich – und das zeigt sich nicht nur in IMAS- und Gallup- oder OGM-Umfragen, sondern in zahlreichen anderen wahrnehmbaren Reaktionen, die auch in den Eurobarometer-Befragungen und vielen anderen sichtbar werden – unsicher sind, ob wir in dieser Europäischen Union und speziell in der Eurozone in der Lage sind, die anstehenden Probleme zu lösen. Tatsächlich ist es so, dass in dieser Wirtschaftskrise in der Bevölkerung viel an Vertrauen verlorengegangen ist, weil die Menschen inzwi­schen vieles, das sie nie für möglich gehalten hätten, erlebt haben. Hätte vor der Wirt­schaftskrise jemand erzählt, wie Banken in Schwierigkeiten kommen können, wie Staa­ten in Europa in Schwierigkeiten kommen können, hätte man das wahrscheinlich nicht geglaubt. Es waren wenige Mahner, Nobelpreisträger oder Buchautoren, die heute da­für bekannt geworden sind. (Abg. Mag. Stadler: Das haben wir auch gesagt!) Der Großteil der Menschen, der Wissenschaft, der Politik hat einen derartigen Zusammen­bruch nicht vorhergesehen.

Wir sind auch heute noch nicht am Ende dieser Wirtschaftskrise angelangt, weil dieser Vertrauensverlust davon herrührt, was die Spekulation angerichtet hat, was mitgeris­sen wurde, was da an zusätzlichen Effekten, an Arbeitslosigkeit, an Jugendarbeitslo­sigkeit, an Sozialabbaumaßnahmen, an Steigerung der Armut in ganz Europa ausge­


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löst wurde. All das an Konsequenzen, was jede Bürgerin und jeder Bürger in Europa spürt und merkt und sieht, hat noch nicht das Gefühl entstehen lassen, wir hätten be­reits alle Maßnahmen gesetzt, damit erstens wieder alles in Ordnung kommt und es zweitens nie wieder passieren kann.

Und das ist auch ein richtiges Gefühl. Tatsächlich hat die Eurozone gar keine Regeln oder gar Instrumente vorbereitet, um so etwas wie eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu machen. Als Beispiel: Etwa in Ländern Südeuropas Maßnahmen zu setzen, mit de­nen man ein Steuersystem etabliert, in dem nicht nur Steuergesetze vorschreiben, wel­che Steuer zu zahlen wäre, sondern auch vergleichbar mit dem niederländischen, skandinavischen, deutschen, österreichischen Steuersystem dafür gesorgt wird, dass diese Steuern auch tatsächlich eingehoben werden und das auch kontrolliert wird.

Es gibt auch viele andere Bereiche – Fragen des Grundbuchs und Fragen, die im Zu­sammenhang mit der Privatisierung stehen –, in denen die Rechtssysteme und wirt­schaftlichen Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern der Eurozone so eklatant sind, dass bei der Gründung der Eurozone keine Instrumente vorgesehen wurden. Die­se Entscheidungen müssen jetzt als Konsequenz aus der Wirtschaftskrise, zum Aufbau dieser Länder getroffen werden. Diese Entscheidungen müssen wir in den nächsten Monaten treffen, obwohl wir wissen, dass uns das Instrument einer Mehrheitsent­scheidung, um etwa Missstände der Spekulation zu verbieten, den Wiederaufbau in diesen Ländern kontrolliert durchzuführen, Schattenwirtschaft zu beseitigen, überhaupt nur in wenigen Bereichen zur Verfügung steht und in den wesentlichen Bereichen oft gar nicht.

Der EU-Vertrag und erst recht die Spielregeln der Eurozone sehen nicht vor, dass ein Finanzminister auf EU-Ebene geschaffen wird, der die Kompetenzen hat, gegen Schat­tenwirtschaft vorzugehen, für ordentliche Steuereinnahmen zu sorgen und bei der Kon­trolle der Ausgaben das vorzunehmen, was wir gemeinsam verlangen, also müssen wir in der Eurozone mit 44 Parteien in 17 verschiedenen Regierungen jedes Mal ein ein­stimmiges Ergebnis zustande bringen, um uns auf freiwilliger Basis einem Ziel zu nä­hern, von dem wir alle wissen, dass wir es eigentlich erreichen sollten.

Dass 44 Parteien mit all dem, was da an Schielen auf die Innenpolitik zum Beispiel ge­rade bei unserem Nachbarn Slowakei bei einem Koalitionspartner der Fall ist, dass al­so bei 44 Parteien schon alleine ... (Abg. Mag. Stadler: Die Sozialdemokraten sind auch nicht ohne!) Auch die Sozialdemokraten, die dort in der Slowakei in Opposition sind, spielen so wie alle anderen. Die 44 Parteien, von denen ich spreche, sind ja ei­gentlich nur die Parteien der Regierungskoalitionen. Wenn wir jetzt auch noch die be­rücksichtigen, die etwa als Minderheitsregierungen zusätzliche Stimmen benötigen, um überhaupt regieren zu können, und wenn man bei Situationen wie den derzeitigen in der Slowakei auch noch die Oppositionsparteien dazurechnen muss, die mithelfen sol­len, eine Mehrheitsentscheidung im Parlament zu bekommen, kommen wir auf eine weit höhere Zahl, die wir alle überzeugen müssen. Und das alles unter ständigen Zuru­fen, wir sollten das Tempo mit den Möglichkeiten zu einer verstärkten Koordination er­höhen. (Abg. Grosz: Es ist einfach alles sehr kompliziert!)

Ich möchte Ihnen also sagen, dass ich davon überzeugt bin, dass auch durch Ver­säumnisse aus der Zeit der Schaffung der Eurozone, weil man das nicht vorhergese­hen hat – und das habe ich ja versucht, zu erläutern (Abg. Dr. Graf: Alle haben es ge­wusst!) –, weil es keine Propheten gibt mit Ausnahme weniger selbsternannter hier im Haus, also da man üblicherweise davon ausgeht, dass es keine ernsthaften und ernst zu nehmenden Propheten mit Anspruch darauf gibt, auch in Zukunft immer recht zu ha­ben, heißt das ... (Abg. Dr. Graf: In Palermo wird es nicht viel Steuern geben!) Dass Sie ein Palermo-Experte sind, Herr Präsident, will ich Ihnen gar nicht absprechen. Der Wortmeldung, die Sie heute vielleicht noch halten, werde ich da jedenfalls geduldig zu­


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hören. (Abg. Dr. Graf: Da braucht man kein Experte zu sein, um vorherzusagen, dass aus Palermo nicht viel an Steuern hereinkommen wird!)

Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die Europäische Union, und zwar weder die Kommission noch die Mitglieder der Regierungen, überhaupt eine Möglichkeit hat, das Steuersystem in Italien zu beeinflussen oder gar mit direkten Kompetenzen für irgend­eine Art der Durchsetzung in einem Land wie Italien zu sorgen. Das weiß ich, weil ich die Verträge kenne und weiß, wie die Kompetenzen gelagert sind, und weil ich daher die Auskunft geben kann, dass diese Entscheidung gar nicht zu fassen wäre, auch nicht von einem morgen zu ernennenden Finanzminister. Der heißt dann zwar Finanz­minister, und wir können uns auch Wirtschaftsregierung nennen, wenn es hilft, aber das hat dann noch keine neuen Instrumente hervorgebracht und noch keine Verbesse­rung der qualifizierten Durchsetzung oder der Effizienzsteigerung.

Wir stehen also tatsächlich im eigenen Land wie in Europa vor entscheidenden Refor­men, die mit viel Energie, viel Kraft, viel Koordination und Ausdauer, manches Mal auch mit Rückschlägen durchzusetzen sind. Und an diesem Punkt möchte ich doch ein Beispiel dafür bringen, was Österreich nicht nur in der Vergangenheit geschafft hat. Das kennen Sie, und ich weiß, dass Sie das kennen, und Sie werden verstehen, dass ich es öfter in Erinnerung rufe als Sie. Es ist nicht die Hauptaufgabe einer Opposition, die positiven Daten unseres Landes in den Vordergrund zu stellen, aber wir sollten dennoch so etwas wie einen Grundkonsens zustande bringen, dass wir sagen: Auf­grund der Leistungen der Unternehmen, der Arbeitnehmer – ich sage als Regierung: natürlich auch der Rahmenbedingungen, die die Regierung geschaffen hat; es ist für mich als einen Regierungschef doch wohl eine Selbstverständlichkeit, dass ich stolz bin auf die Leistung aller Regierungsmitglieder, die in diesem Zusammenhang eine Leistung erbracht haben – befinden wir uns in einer Situation, die um vieles stabiler ist, die uns befähigt, zu den Triple A-Ländern zu gehören, die internationalen Vergleichen hinsichtlich Beschäftigung und Jugendbeschäftigung durchaus standhält.

Ich könnte Ihnen auch verschiedene Bewertungen auf europäischer Ebene zeigen, die beweisen, dass Ihr Ausdruck „Reformstau“ unpassend ist. Der angebliche Reformstau ist Ihre Begründung und, wie ich meine, eine nicht richtige Begründung für direkte De­mokratie, denn direkte Demokratie in meiner Definition ist nicht ein Ausgleich für Re­formstau, sondern direkte Demokratie bietet die Möglichkeit, zusätzlich zu entschiede­nen Reformen auch in der einen oder anderen Grundsatzfrage die Bevölkerung mit Hil­fe einer Befragung oder einer Abstimmung einzubinden. Das heißt, direkte Demokratie ist nicht ein Umweg, um das Wort „Reformstau“ wieder einmal verwenden zu können, sondern direkte Demokratie ist ein Bestandteil im Ablauf von Entscheidungen eines Landes. Und da habe ich ja immer gesagt, dass ich das durchaus für richtig halte.

Ich habe auch immer zwei Beispiele genannt: Die Wehrpflicht als eine Grundsatzfrage und wesentliche, essenzielle Entscheidungen, die etwa den Vertrag der Europäischen Union verändern. Dafür habe ich als Beispiel die Türkei genannt; es wären aber natür­lich auch andere Beispiele denkbar.

Das heißt, ich bin durchaus der Überzeugung, dass wir bei den Entscheidungen, die auf europäischer Ebene anstehen und die wesentlichen Entscheidungen für die Zu­kunft Europas, auch für unseren Wohlstand, unseren Arbeitsmarkt, unsere Exporte, un­ser Wirtschaftswachstum sind, eine aktive Rolle zu spielen haben.

Ich bin auch der Überzeugung, dass auf europäischer Ebene ein Volksbegehren dazu führen können soll, dass man etwa in Fragen der Finanztransaktionssteuer, in Fragen der Kernenergie die Bevölkerung dafür mobilisiert, stärker Druck auszuüben in die Richtung, von der ich der Meinung bin, dass wir darüber auch von der Zielsetzung her übereinstimmen. Es gibt sowohl in Fragen der Finanztransaktionssteuer eine Fünfpar­


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teieneinigung als auch bei der Ablehnung von Kernenergie und Nuklearenergie. (Beifall bei der SPÖ. – Abgeordnete der FPÖ erheben sich von ihren Plätzen und halten ein Transparent in die Höhe.)

Es gibt also Beispiele dafür, dass es durchaus sinnvoll sein kann, das Volksbegehren, aber durchaus auch die Volksbefragung oder die Volksabstimmung einzusetzen. (Abg. Kickl: Schauen Sie sich das Transparent ruhig an, schauen Sie nicht so angestrengt weg!) Ich möchte das nicht so in einem Punkt fokussieren: Entweder ist man für das eine oder man lehnt alles, was direkte Demokratie betrifft, grundsätzlich ab. (Abg. Mag. Stadler: Auf dem Transparent fehlt noch ein zweiter Satz: Und kehrt nicht mehr zurück!)

 


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Meine Damen und Herren, wie üblich: Ich darf Sie dringend einladen, das Transparent wieder einzurollen.

Bitte, Herr Bundeskanzler, setzen Sie Ihre Rede fort.

 


Bundeskanzler Werner Faymann (fortsetzend): Meine Überzeugung ist es daher, dass, wenn wir über Volksabstimmungen oder über Volksbefragungen diskutieren, auch die Fragestellung eine entscheidende Rolle spielt. Lassen Sie mich nur an zwei Beispielen, die ich nennen möchte, nachweisen, dass ich an Ihrem Interesse an einer ernsthaften Diskussion doch einigermaßen zweifle. Eine der in Ihrem Antrag bei­spielhaft angeführten Fragestellungen ist die Nichtteilnahme Österreichs an einer Euro­päischen Transferunion.

Nun haben Sie ja in Hunderten Aussendungen – ich lese nicht alle Ihre Aussendungen, verzeihen Sie, aber ich habe das doch in vielen Ihrer Aussendungen gelesen – ge­meint, die Transferunion gäbe es schon längst. Seit der ersten Maßnahme des Schutzschirmes hören wir, es gibt für Sie nach Ihrer Definition (Abg. Strache: Wider­rechtlich!) – widerrechtlich – die Transferunion. Das haben Sie oft genug zum Ausdruck gebracht. Das heißt, die „Nichtteilnahme Österreichs an einer Europäischen Transfer­union“, wie sie in Ihrem Dringlichen Antrag gefordert wird, heißt zur Stunde, mit dem, was beschlossen wurde, bereits in der Vergangenheit, auszutreten. (Abg. Strache: Blödsinn! – Abg. Kickl: So ein Schmarren! Das wird immer schlimmer!) Denn was ist sonst eine Nichtteilnahme an einer Transferunion, die es bereits gibt? (Abg. Strache: Das ist eine Operette, die Sie da aufführen!)

Das heißt, allein die Tatsache, dass ein Schutz, eine Art von Anleihe gemeinsam auf­genommen wird – und da rede ich noch überhaupt nicht von Eurobonds, sondern da rede ich nur von dem, was wir in den verschiedensten Bereichen in der Europäischen Union einstimmig und nach oft zu langen Diskussionen beschlossen haben –, nennen Sie schon eine Transferunion – und aus der wollen Sie heraus! Das alleine heißt ja, die Bevölkerung zu fragen: Wollt ihr in dieser Situation, in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wo wir vor reduzierten Wachstumsprognosen stehen, wo sich die Arbeiterinnen und Arbeiter, die ArbeitnehmerInnen zu Recht die Frage stellen, ob wir das Wachstum und den Export wieder hinaufbringen, damit die Arbeitsplätze nicht gefährdet sind, aus der Eurozone austreten? (Abg. Strache: Das hat 2008 ganz anders von Ihnen ge­klungen!) Da fragen Sie also mehr oder weniger: Wollen Sie aus der Eurozone austre­ten oder nicht? – Aber ohne den Leuten zu sagen, was dann nach dem Austritt wäre. Ist das dann die Wiedereinführung des Schilling? Was ist das? (Abg. Strache: ... unser Steuergeld für unsere Staatsbürger!)

Sie zitieren manchmal Experten, die von einer neuen Eurozone sprechen, von einer Eurozone einiger Länder; es wird immer wieder Deutschland mitgenannt. Ich kann Ih­nen aber versichern, dass die deutsche Bundeskanzlerin unmissverständlich, und zwar unterstützt von nahezu allen Parteien, auch von der Oppositionspartei SPD, deutlich er­klärt hat, dass sie gar nicht daran denkt, irgendeine andere Zone zu begründen. (Abg. Strache: Aus der eigenen Partei haben ein paar dagegen gestimmt!) Also bleibt ja Ihre


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Alternative, Sie werden die vier deutschen Parteien davon überzeugen, dass es besser für sie wäre, auf den Export zu verzichten und eine Eurozone mit einer völlig unbere­chenbaren Währung zu schaffen, die dazu führt, dass die Exporte dann ganz zusam­menbrechen. Es wird Ihnen nicht gelingen. (Abg. Strache: Von CDU, CSU, FDP haben ein paar Abgeordnete dagegen gestimmt! So viel zur Wahrheit! – Abg. Bucher: Sie werden das noch erleben, Herr Bundeskanzler – nicht mehr als Kanzler, sondern als Privatperson!)

Und daher ist das zwar eine politisch gerechtfertigte Diskussion, aber eine Diskussion, bei der man, wenn man fair diskutiert, den Bürgerinnen und Bürgern die Konsequen­zen nicht verheimlichen darf. (Beifall bei der SPÖ.)

Ein weiterer Punkt in Ihrem Dringlichen Antrag lautet „Ausschluss von Fremden aus der Mindestsicherung“. – Also nach Ihrer Definition ist ein „Fremder“ doch jedes Mal ei­ner, der nicht Staatsbürger ist. Und selbst da machen Sie das immer mit dem Migra­tionshintergrund. Haben Sie da auch eigene Definitionen? – Aber ein Fremder ist je­denfalls einer, der nicht Staatsbürger ist.

Das heißt, wie Sie richtigerweise festgestellt haben ... (Abg. Dr. Rosenkranz: Nein, nein! EU-Bürger!) – Wo steht das? Wo steht das? (Abg. Dr. Rosenkranz: Sie verste­hen es nicht!) – Das heißt, Sie müssen den Leuten einmal sagen, ob Sie die Bürger der Europäischen Union als Fremde meinen oder nicht. Jetzt gibt es die Regelung, dass man nach fünf Jahren – und unter anderem bei anderen Gesetzen ebenfalls – ei­ne Gleichstellung auf europäischer Ebene zu erreichen hat. Wenn Sie das nicht wollen, stellt das ebenfalls die bestehende rechtliche Basis der Europäischen Union, die es gibt und die Ihretwegen nicht geändert werden wird, so in Frage, dass eigentlich auch nur der Austritt aus der Europäischen Union bleibt. (Abg. Strache: Der Familienlasten­ausgleichsfonds ist privatrechtlich zu sehen!)

Also meinen Sie vielleicht jene Menschen, die außerhalb der Europäischen Union sind. Und da wird dann eine politische Diskussion zu führen sein, wieso jemand, der hier 20 oder 30 Jahre Steuern zahlt, hier arbeitet, von der Wirtschaft geholt wurde, weil ge­braucht, dann von der Mindestsicherung ausgeschlossen werden soll. (Abg. Strache: Nach zehn Jahren soll er sie erhalten, wenn er etwas eingezahlt hat! Nur weil der Herr Bundeskanzler das nicht verstehen kann, mutet er das der Bevölkerung zu!)

Alleine diese beiden Beispiele, von der Transferunion und vom Begriff „Fremde“ zei­gen, dass für eine direkte Demokratie ein höheres Maß an Sachlichkeit, ein höheres Maß an inhaltlichem Tiefgang und ein höheres Maß an offener und konstruktiver Dis­kussion notwendig ist. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Abgeordneten der ÖVP.)

Daher begrüße ich jede ernsthafte politische Diskussion, die die Frage stellt: Wie kön­nen Reformen heute hier im Hohen Haus zustande gebracht werden, mit den Be­schlüssen des österreichischen Nationalrates? (Abg. Bucher: Das fragen wir uns seit Jahren!) Wie können Reformen durch die österreichische Bundesregierung vorange­trieben werden, um diesen hohen Standard in Österreich abzusichern und in dieser schwierigen Situation in der Europäischen Union eine aktive Rolle zu spielen?

Ich begrüße auch eine Diskussion über die Frage: Wo und wie kann direkte Demokra­tie dabei eine sinnvolle Rolle spielen? Ich habe auch selber immer wieder Vorschläge gemacht. Voraussetzung dafür ist aber, dass man das nicht dazu verwendet, politi­sches Kleingeld daraus zu schlagen (Abg. Dr. Graf: Das sagen gerade Sie?) und ein paar Begriffe etwas öfter in der Öffentlichkeit zu platzieren, sondern dazu, sich Gedan­ken darüber zu machen, wie man Entscheidungsprozesse in einem Land unter Einbe­ziehung der Bevölkerung zum Besten und zum Wohle des Landes durchführen kann. (Anhaltender Beifall bei der SPÖ sowie Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Bei Ihnen geht es um 7 Millionen, nicht um Kleingeld!)

13.55



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Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner/keine Rednerin länger als 10 Minuten sprechen darf. Jedem Klub kommt eine Gesamtrede­zeit von 25 Minuten zu.

Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte. (Abg. Dr. Jarolim: Ich habe ge­glaubt, der Martin Graf spricht!)

 


13.56.29

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wir waren jetzt wieder einmal Ohren- und Augen­zeugen eines weiteren missglückten Versuchs unseres Herrn Bundeskanzlers, seine Wirtschafts- und finanzpolitische Kompetenz unter Beweis zu stellen. Er hat bis zum heutigen Tag noch immer nicht begriffen, dass wir in diesen Pallawatsch, der jetzt ge­rade in Europa passiert und der den ganzen Kontinent hinunterzureißen droht, erst hi­neingekommen sind, weil das Problem der Euro als solcher ist. Der Fehler steht am Beginn. – So einfach ist die ganze Angelegenheit! (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Ing. Lugar.)

Kommen Sie dann nicht mit irgendwelchen Dingen daher, die man nicht hätte vorher­sehen können! All das, was Sie genannt haben, hat man vorher gewusst, meine Da­men und Herren.

Mit der Finanzpolitik und mit der Wirtschaftspolitik ist man bei Ihnen an der falschen Adresse. Auch mit der direkten Demokratie, meine Damen und Herren, ist man bei die­sem Bundeskanzler an der falschen Adresse. Wenn Sie von direkter Demokratie re­den, dann meinen Sie damit nichts anderes als ein Instrument, das Ihnen aus wahltak­tischen Überlegungen das eine oder andere Mal vielleicht ins Konzept passt, das eine oder andere Mal vielleicht auch nicht; dann spielen Sie damit.

Wenn wir Freiheitliche von direkter Demokratie reden, dann meinen wir damit das un­umstößliche Bekenntnis, das in einer Demokratie das letzte Wort beim Wähler liegt, beim Souverän, bei Staatsvolk. Das ist der entscheidende Unterschied! (Demonstrati­ver Beifall bei der FPÖ.)

Deshalb arbeiten wir auch Tag und Nacht daran, dass das Recht vom Volk ausgeht, während Sie Tag und Nacht daran arbeiten, dass das Recht dem Volk ausgeht. Und das ist ein wesentlicher Unterschied in unserer Zugangsweise! (Neuerlicher Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, was war das denn, Herr Bundeskanzler, was Ihre Partei als Kanzlerpartei damals getan hat, als Sie im Zuge des Knebelvertrags von Lissabon den Österreicherinnen und Österreichern die Volksabstimmung verwehrt haben, gemein­sam mit der ÖVP und den Grünen? Was war das denn? – Das war doch eine vom ho­hen Ross herunter ausgesprochene Entmündigungserklärung an die eigenen Bürger und an das eigene Wahlvolk, an den Souverän, meine Damen und Herren! Das haben Sie zustande gebracht: dem eigenen Souverän die politische Kompetenz abzuspre­chen, um Entscheidungen zu treffen, die noch lange nachwirken werden, wenn in Ös­terreich schon kein Mensch mehr wissen wird, wer Werner Faymann überhaupt war, außer Sie inserieren es! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ.)

Und womit haben wir es jetzt im Zusammenhang mit der Euro-Krise und mit dem so­genannten Schutzschirm zu tun? Womit haben wir es jetzt zu tun? Das ist jetzt der nächste Anschlag, wo Sie den Pleitestaaten Milliarden nachschmeißen, wo Sie Speku­lanten finanzieren. Was ist denn das? Nach dem Schlag der Entmündigung ist das der nächste Schlag und der heißt „Enteignung des Staatsvolkes“. Entmündigung und Ent­eignung: Das sind die beiden sozialistischen Stoßrichtungen, mit denen wir es zu tun haben, meine Damen und Herren! (Beifall bei der FPÖ.)


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Ich frage mich schon die ganze Zeit, was Ihnen eigentlich die österreichische Bevölke­rung getan hat. Was hat sich denn die österreichische Bevölkerung zuschulden kom­men lassen, dass Sie so mit ihr umspringen? Ist es vielleicht die Rache dafür, dass schon bei der letzten Wahl über 70 Prozent der Wähler so gescheit waren, Sie nicht zu wählen? Das könnte eine mögliche Zugangsweise sein, dass Sie das unter 30 Prozent-Trauma der SPÖ sozusagen bis heute nicht verkraftet haben.

Oder es könnte auch sein, dass Sie bis heute nicht die Volksabstimmung zu Zwenten­dorf überwunden haben; dass das ein zweites Trauma ist, das SPÖ-Zwentendorf-Kreisky-Trauma. Oder vielleicht sind es beide zusammen. Aber Zwentendorf ist doch ein wesentlicher Punkt, den man sich in Erinnerung rufen sollte. Und da sollten auch die Damen und Herren von den Grünen ihre Ohren spitzen.

Damals, 1978, war es die einfache österreichische Bevölkerung, die gewusst hat, dass das, was Sie ihr mit all Ihren Experten und all Ihren Atomphysikern als größte Zukunfts­errungenschaft im Energiebereich aufschwatzen wollten, der falsche Weg ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Österreicher wollten davon nichts wissen und haben in ihrer Mehrheit – und das, ohne promovierte Atomphysiker oder Nuklearexperten zu sein – die richtige Entschei­dung getroffen, meine Damen und Herren. Sie sollten also den Österreichern nicht bö­se sein wegen einer solchen Entscheidung, sondern Sie sollten sich in Wahrheit bei der österreichischen Bevölkerung bedanken, daraus lernen und ihr öfters solche Fra­gen vorlegen.

Herr Bundeskanzler, ich weiß ja nicht, wo Sie sich Ihre Befehle oder Ihre Arbeitsanlei­tungen herholen. Beim Kaiser hat man gewusst, er leitet seinen Anspruch, das zu tun, was er getan hat, vom Herrgott her. Bei Ihnen ist es wahrscheinlich eher die Europäi­sche Kommission. Das könnte, nehme ich einmal an, einer der Einflussfaktoren sein.

Vielleicht ist es aber auch die eine oder andere Reise, die Sie in die Schweiz geführt hat. Den Tipp würde ich Ihnen geben, Herr Bundeskanzler: Wenn Sie schon in die Schweiz fahren, dann schauen Sie sich bitte in der Schweiz das funktionierende Modell der direkten Demokratie an, wie es dort seit vielen, vielen Jahren erfolgreich gelebt wird, und holen Sie sich nicht bei den Bilderberger-Sitzungen irgendwelche Befehle ab! (Beifall bei der FPÖ.)

Vielleicht wird uns der Herr Kollege Cap dann noch erklären, was Sie dort im Übrigen als österreichischer Regierungschef verloren haben. Das wäre durchaus interessant, denn das G’schichterl, dass Sie als Privatmann dort aufgetaucht sind, können Sie je­mand anderem erzählen.

Aber versetzen wir uns einmal einen Moment in eine positive Fantasiewelt! Nehmen wir nur einmal einen Moment an, wir hätten einen Regierungschef, der sich durch Lea­dership auszeichnet und dem man etwas glauben kann, wenn er etwas verspricht! – Sie brauchen sich nicht betroffen zu fühlen, Sie sind damit nicht gemeint. (Heiterkeit bei der FPÖ.)

Oder nehmen wir nur einmal an, meine Damen und Herren, wir hätten einen Kanzler, der nicht vergessen hat, dass es die österreichische Verfassung ist, auf die er angelobt ist und sonst gar nichts. – Keine Angst, Sie sind nicht betroffen, Sie sind nicht gemeint, Herr Bundeskanzler!

Oder nehmen wir nur einmal an, wir hätten einen Bundeskanzler, der es auch wirklich ernst meint mit den Reformbemühungen und nicht nur so tut. – Keine Angst, das gilt alles nicht für Sie, Herr Bundeskanzler!

Das wäre eine Lichtgestalt in der österreichischen Politik – also das Gegenteil von Ih­nen, Herr Bundeskanzler! Eine richtige Lichtgestalt! (Abg. Mag. Muttonen: Ist das wit­zig?)


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Aber dieser Politiker neuen Typs, den wir hier in Österreich ganz, ganz dringend bräuchten, würde bei jeder wesentlichen Entscheidungsfrage, wo es um Weichenstel­lungen für künftige Generationen geht, nach bestem Wissen und Gewissen handeln und es nicht übers Herz bringen, ohne die Einbindung der unmittelbar Betroffenen, nämlich des Staatsvolkes, solche Entscheidungen zu treffen, meine Damen und Her­ren. Das ist doch der Punkt, um den es geht! (Beifall bei der FPÖ.)

Und es wird Sie jetzt vielleicht wundern, dass ich trotz alledem eigentlich noch optimis­tisch bin. Wir stecken schon in einem ziemlichen Schlamassel in diesem Österreich – auch aufgrund Ihrer falschen Analysen und Ihrer falschen Weiterentwicklungen –, aber ich denke, dass für Österreich noch nicht alles verloren ist, meine Damen und Herren. Doch es wird erst dann etwas Gutes für dieses Land herauskommen, wenn wir in Zu­kunft einen Politiker an der Spitze der Bundesregierung haben, der so stark ist, dass er es zulassen kann, die Bevölkerung einzubinden und die Bevölkerung anzunehmen, und nicht mehr einen Bundeskanzler, der so schwach ist, dass er sich vor der Bevölke­rung fürchten muss und dass er die Bevölkerung ausgrenzt, so wie Sie einer sind, Herr Bundeskanzler Faymann. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist daher so – ich komme zum Schluss –, dass Sie – und daran sind Sie selber schuld – als „Inserator“ in die Geschichte der Zweiten Republik eingehen werden und nicht als Reformator. (Anhaltender Beifall bei der FPÖ.)

14.03


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun gelangt Herr Klubobmann Dr. Cap zu Wort. – Bitte.

 


14.04.10

Abgeordneter Dr. Josef Cap (SPÖ): Naja, das hat sich die österreichische Bevölke­rung nicht verdient, dass die Freiheitlichen heute mit diesem Dringlichen Antrag die di­rekte Demokratie gar nicht ernst nehmen. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der FPÖ. – Abg. Dr. Strutz: Oberlehrer!)

Denn ich sage Ihnen jetzt den Unterschied: Sie reden über die direkte Demokratie, aber als bei Ihnen in Ihrer Partei der Jörg Haider noch Vorsitzender war, da war er Manns genug, dass er sie auch angewendet hat. Da hat es eine Serie von Volksbegeh­ren gegeben zugegeben: vor dem Jahr 2000. Als er dann an der Regierung war, hat es plötzlich keine Volksbegehren mehr gegeben, da war es dann aus. (Abg. Strache: Temelín! – Abg. Dr. Graf: Alles vergessen!) Aber er war Manns genug, dass er je­denfalls damals wirklich das Volksbegehren auch als Instrumentarium eingesetzt hat. (Abg. Strache: Alzheimer hat Sie schon befallen! Temelín! Türkei-Beitritt!)

Wo war damals ein Volksbegehren in der Frage: Griechenland in die Eurozone!? Wo war das damals? Wo war ein Volksbegehren oder eine Volksabstimmung über die Fra­ge, 7 oder 8 Milliarden € für die Eurofighter auszugeben? Wo war das damals? Neh­men Sie Ihre Geschichtsbücher! Schauen Sie nach! (Rufe bei der FPÖ: Temelín!) – Temelín ist ja nicht von Ihnen ausgegangen. Das haben wir überall mitbetrieben. (Ironi­sche Heiterkeit bei FPÖ und BZÖ.) Hören Sie doch auf! Betreiben Sie jetzt doch nicht einfach Etikettenschwindel, damit wir uns da einmal klar sind.

Ich verstehe den Titel insofern nicht: Warum sind Sie nicht auch mit uns stolz darauf, dass es hier in Österreich die niedrigste Arbeitslosenquote im europäischen Vergleich gibt, dass es die höchste Beschäftigung gibt, dass wir im Spitzenfeld der Kaufkraft sind (Abg. Dr. Graf: Weil wir fleißige Leute haben!), dass hier das beste Gesundheits-, So­zial- und Pensionssystem ist? Warum sind Sie nicht einfach mit stolz darauf? Das ha­ben doch die fleißigen Österreicherinnen und Österreicher miterarbeitet, mitfinanziert. (Abg. Dr. Graf: Nur die!) Das ist doch allen so wichtig. Wieso wollen Sie das hier nicht auch anerkennen? (Abg. Strache: Die fleißigen Österreicher wollen mitbestimmen, was Sie verweigern!)


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Und in der Lebensqualität sind wir sowieso spitze in großen Städten, wie in Wien und in anderen großen Städten und überhaupt in Österreich. – Das sei nur einmal voraus­geschickt. (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt zu den Punkten, die Sie hier anführen. Punkt eins: „Nichtteilnahme Österreichs an einer Europäischen Transferunion“. – Da müssen Sie sich verschrieben haben, denn da hätte in Wirklichkeit hergehört: Nichtteilnahme des österreichischen Steuerzahlers an einer innerösterreichischen Transferunion für den Haftungsrahmen der Kärntner Landeshypo in der Größenordnung von 22 Milliarden €.

Wieso steht das nicht da? – Weil Sie nicht Manns genug sind, das auch wirklich auf diese Liste hinzubringen. 22 Milliarden, und jetzt wieder 1,5 Milliarden überweisen. (Zwischenruf des Abg. Dr. Strutz.) Und wieder hören wir, dass die Kärntner Landes­hypo Geld braucht. Sie werden das noch genauer wissen. Der Schatten von Jörg Hai­der, der mitten unter Ihnen sitzt, wird Ihnen das vielleicht noch genauer berichten kön­nen. Ja, das ist FPK, Uwe Scheuch, den werden Sie möglicherweise sechs Monate lang nicht gescheit befragen können, weil er nämlich gerade eine unbedingte Strafe gekriegt hat aufgrund dieser „Part-of-the-Game“-Geschichte mit den Staatsbürger­schaften. Aber das werden wir uns im Untersuchungsausschuss eh noch anschauen. Aber nicht vergessen: Das wäre der erste Punkt gewesen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Dr. Strutz.)

Punkt zwei: „Einführung einer zeitlich limitierten Millionärssolidaritätssteuer“. – Ha! Wie­so eigentlich „zeitlich limitiert“? Haben Sie da an potenzielle Spender für Ihre Parteikas­sa gedacht, dass Sie sich nicht getraut haben, dass man grundsätzlich eine Millio­närssteuer für die 80 000 Millionäre in Österreich einführt? (Abg. Kickl: ... kriminell ist ...!) Wieso nur zeitlich limitiert?

Sie wissen ganz genau, 1 Prozent der Österreicher haben 27 Prozent des Geldvermö­gens, 10 Prozent 54 Prozent, 80 000 Euromillionäre gibt es in Österreich. (Abg. Dr. Graf: Einer davon sind Sie!) Und dann sagen Sie: Tun wir es zeitlich limitieren! Tun wir die Millionäre nicht verärgern! Sind Sie der Vertreter der großen Masse der Österrei­cherinnen und Österreicher, des Mittelstandes, der „kleinen Leute“, wie früher der Jörg Haider immer gesagt hat? Sind Sie das? (Abg. Strache: Sind wir! Ja!) Sie sagen, 80 000 Millionäre zwicken wir ein bisschen, zwick, zwick, zwick, aber mehr wollen wir nicht machen, und das zeitlich limitiert und dann, husch, mit der Hand weg, sonst ver­brennen wir sie uns. (Abg. Strache: Wir sind keine Kommunisten wie Sie, Herr Cap!) Also das ist eine ganz schwache Ansage bei Punkt zwei.

Punkt drei und Punkt vier von Ihnen sind überhaupt gut. Da steht: „Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht“. Sie wollen eine Volksbefragung durchführen über deren Bei­behaltung. Und: „Beibehaltung des freien Hochschulzuganges“. Zu Letzterem möchte ich sagen: Wir haben gemeinsam hier herinnen die Studiengebühren abgeschafft. Wa­rum Sie das plötzlich in Frage stellen auf diesem Weg, müssen Sie extra  (Abg. Stra­che: Weil das Volk entscheiden soll!) – Na ja, Sie haben die Studiengebühren mit uns – Rot, Blau, Grün – abgeschafft. Aber das ist ja gar nicht das Thema.

Der Beweis, dass Sie heute die Debatte zur direkten Demokratie nicht ernst nehmen, sind unter anderem diese zwei Punkte. Sie sagen: Stimmen wir einfach ab, ob wir et­was beibehalten! Angenommen es geht so aus, dass wir etwas nicht beibehalten – was ist dann? – Das wissen Sie nicht. (Abg. Strache: Das soll das Volk entscheiden! Das wollen Sie verhindern!) Das steht ja auch gar nicht da. Na, das steht ja gar nicht da. Aber Sie müssen bitte sagen  (Abg. Strache: Genieren Sie sich gar nicht mit dem Kasperltheater?) – Sie nehmen das einfach nicht ernst. Wir wissen, wenn das so aus­geht, dann gehört ein Profi her, das ist zeitgemäß, das ist modern, die anderen euro­päischen Länder haben das auch.


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Ja, wir können uns das vorstellen, dass wir eine Volksbefragung machen. Jawohl, aber wir haben ein Ziel: Wir können das vorgeben, Sie nicht. Sie sind da nicht Manns genug zu sagen, was Sie wirklich wollen. Sie stellen sich einfach nur her und sagen: Lassen wir es! Wie es ist, ist es gut. (Abg. Strache: Es soll das Volk entscheiden, was es will – nicht wir! Da hat er Angst! Da könnte was rauskommen, was Sie nicht wollen!) – Nein. Da machen Sie Punkte, schreiben Sie her, erstens, zweitens, drittens, viertens, wie es ist, ist es gut. Sind Sie auch der Meinung, wie es ist, ist es gut? – Na, super! So wollen Sie ernst genommen werden von der österreichischen Bevölkerung, wenn Sie über die direkte Demokratie reden? (Abg. Strache: Sie wollen die Bevölkerung nicht entschei­den lassen!) – Nein, so werden Sie nicht ernst genommen. Und ich kann Ihnen diese Frage schon jetzt beantworten: Das hilft nicht weiter.

Weiters steht in Ihrem Antrag: „Ausschluss von Fremden aus der Mindestsicherung“. – Das hatten wir heute schon in der Diskussion. Sie wissen ganz genau: Weder die Ille­galen noch die Asylwerber oder sonst jemand fällt da darunter. Wen meinen Sie damit? Meinen Sie damit österreichische Staatsbürger mit Migrationshintergrund? Wen mei­nen Sie damit? (Zwischenruf des Abg. Strache.) Also das ist einfach nicht eruierbar, man weiß nicht, was da wirklich gemeint ist.

Dann steht hier: „Beibehaltung der nationalstaatlichen Kompetenz zur temporären Wie­dereinführung von Grenzkontrollen“. – Das gibt es schon! Es gibt die Möglichkeit, bei bestimmten Anlässen Grenzkontrollen für eine gewisse Zeit einzuführen. Davon wird auch Gebrauch gemacht, und davon werden wir in nächster Zukunft selbstverständlich, wenn es notwendig ist, auch Gebrauch machen. (Abg. Strache: Aber nur, wenn Sie vorher in der EU nachgefragt haben! Nur dann, wenn Sie vorher in Brüssel angerufen und nachgefragt haben!)

Sie nehmen diese Diskussion nicht ernst! Sie haben im Text Ihres Antrages nicht ein­mal drinnen, was Sie vorhin gesagt haben, nämlich, dass es ab einer bestimmten Zahl bei Volksbegehren verbindlich eine Volksabstimmung geben soll. Das steht nicht ein­mal im Antragstext drinnen, sondern Sie haben nur in Ihrem Redebeitrag darüber schwadroniert.

Ich wollte nur folgenden Unterschied aufzeigen: In der Zeit, als in Ihrer Partei der Jörg Haider Vorsitzender war, ist er hier herausgegangen und hat vieles kritisiert – und ich sage: Man kann zu ihm stehen, wie man will; wir haben ihn politisch bekämpft, wo es nur gegangen ist, weil wir in vielen Fragen nicht seiner Meinung waren, aber manchmal hat er auch Fragen aufgeworfen, die durchaus diskussionswürdig waren –, aber dann ist er in Aktion getreten. Aber was machen Sie auf europäischer Ebene? Es gibt die Europäische Bürgerinitiative. Was machen Sie da direktdemokratisch? (Abg. Strache: Gegen den Türkei-Beitritt eintreten! Da werden wir das erste europaweite Begehren machen, gegen den Türkei-Beitritt einzutreten!)

Nichts machen Sie da, weil Sie nämlich außerhalb der österreichischen Grenzen in Wahrheit gar keine Ansprechpartner haben. Sie machen da nichts! Wir haben immer­hin die Finanztransaktionssteuer – mit dem Herrn Bundeskanzler an der Spitze – so lange thematisiert, bis sogar der EU-Kommissionspräsident Barroso gesagt hat: Die Fi­nanztransaktionssteuer wollen wir einführen! – Das ist ein messbarer Erfolg! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Das ist doch absurd!)

Was machen Sie beim Ausstieg aus der Kernenergie auf europäischer Ebene? Nichts! Sie schwelgen da bei Temelín: Damals in den Zeiten mit Temelín – das waren in Wahr­heit auch nicht Sie! (Abg. Strache: Das war meine Wiener Landesgruppe!) – Ja, ge­nau! Jetzt sind Sie plötzlich auch Mitglied der FPÖ im Jahr 2000 gewesen. (Abg. Strache: Man sieht, dass Sie keine Ahnung von politischen Prozessen haben!) Hier sagen Sie dauernd, Sie seien eigentlich erst im Jahr 2006 sozusagen auf die politische Welt gekommen. Was vorher in Österreich los war, daran können Sie sich gar nicht er­


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innern. (Abg. Strache: Sie haben keine Ahnung von politischen Prozessen!) Ich sage Ihnen ja nur: Da könnten Sie auf der europäischen Ebene ebenfalls etwas unterneh­men und sich in den Kampf für den Ausstieg aus der Kernenergie einreihen!

Summa summarum muss ich Ihnen sagen: Ich verstehe das auch deswegen nicht ... (Abg. Dr. Graf: Gescheitert wieder einmal!) – Nein, nein! Wir haben in diesem Haus 323 Gesetze beschlossen, davon waren 231 Regierungsvorlagen. Davon wurden nur 19 Prozent mit den Stimmen von Rot und Schwarz allein, 36 Prozent einstimmig und der Rest mehrstimmig, auch mit den Stimmen der Opposition, beschlossen.

Also: Dieses Parlament arbeitet! Dieses Parlament funktioniert! Und mit 231 Regie­rungsvorlagen ... (Abg. Strache: Also wollen Sie weiter über das Volk drüberfahren?! Sagen Sie es doch ehrlich, dass Sie das Volk nicht mitbestimmen lassen wollen!) Auch diese Regierung arbeitet und funktioniert! Daher sparen Sie sich diese apokalyptischen Bilder mit der direkten Demokratie, so wie Sie sie verstehen und nicht ernst nehmen! Das schadet viel mehr der direkten Demokratie, als es Nutzen bringt. Es ist viel ernster zu nehmen, denn der Bürger hat natürlich ein Recht darauf, dass er an dem, was in diesem Land geschieht, beteiligt wird. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strache: Das ver­hindern Sie!)

14.13


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Ing. Westenthaler zu Wort gemeldet. Herr Abgeordneter, Sie ken­nen die diesbezüglichen Bestimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


14.13.32

Abgeordneter Ing. Peter Westenthaler (BZÖ): Frau Präsidentin! Meine werten Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr SPÖ-Klubobmann Cap hat soeben in seiner Rede behauptet, dass seitens der FPÖ mit Jörg Haider nach dem Jahr 2000 kein weiteres Volksbegehren eingebracht worden sei. – Diese Behauptung ist falsch!

Richtig ist: Es fand vom 14. bis 21. Jänner des Jahres 2002 das Anti-Temelín-Volksbe­gehren statt, das mit 914 973 Unterschriften das dritterfolgreichste in der Geschichte aller Volksbegehren war.

Zweite tatsächliche Berichtigung:

Herr Klubobmann Cap hat ebenfalls in dieser seiner Rede von diesem Rednerpult aus fälschlicherweise behauptet – und das ist das „Allerbeste“! –, er und die SPÖ seien es gewesen, die dieses Anti-Temelín-Volksbegehren eingebracht haben. (Abg. Strache: Das ist absurd! – Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.)

Ich weiß nicht, wie Sie darauf kommen, ich berichtige jedenfalls tatsächlich: Die Ein­bringer, die Unterzeichner, die Ersteinbringer dieses Volksbegehrens waren der Wie­ner FPÖ-Obmann Hilmar Kabas, der niederösterreichische FPÖ-Obmann Ernest Wind­holz und der oberösterreichische FPÖ-Obmann Hans Achatz – und nicht die SPÖ!

Es ist eine Schande, wie Sie hier die Menschen falsch zu informieren versuchen! (Bei­fall bei BZÖ und FPÖ.)

14.14


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer weiteren tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Neubauer zu Wort gemeldet. (Zwischenruf des Abg. Neu­bauer.) – Sie ziehen Ihre tatsächliche Berichtigung zurück? (Abg. Neubauer: Ja!)

Dann gelangt als Nächster Herr Klubobmann Kopf zu Wort. – Bitte.

 


14.15.06

Abgeordneter Karlheinz Kopf (ÖVP): Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Ge­schätzte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Herr Strache und Herr Kickl, ha­


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ben Sie schon einmal einen Blick in die österreichische Bundesverfassung gewor­fen? – Sie reden hier von Angst vor dem Volk, Sie reden von Entmündigung des Vol­kes.

Das Recht geht vom Volke aus – vollkommen richtig! Die österreichische Bundesver­fassung sieht vor, dass das Volk bei Wahlen sein Recht in der Weise wahrnimmt, dass es 183 Abgeordnete dazu legitimiert, das Recht dieses Volkes, stellvertretend für das Volk, hier herinnen wahrzunehmen und Entscheidungen im Namen des Volkes zu tref­fen. Und genau das tun wir hier herinnen! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Das heißt, Sie wollen keine Volksabstimmung und keine Volksbefragung!?)

Das heißt, was Sie hier tun, ist: Sie verhöhnen die österreichische Verfassung und Sie verhöhnen das österreichische Volk! Das tun Sie hier herinnen! (Neuerlicher Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Der leider aus gesundheitlichen Gründen aus der Bundesregierung ausgeschiedene ÖVP-Vizekanzler und Finanzminister Josef Pröll hat in seiner Abschiedsrede davon ge­sprochen, dass dieses Land ein Problem mit Anstand und Stillstand habe.

Wir haben tatsächlich ein Problem mit dem Anstand: Wir diskutieren seit einiger Zeit über Korruptionsvorwürfe, und da ist es nicht verwunderlich, dass auch die Politik – ne­ben der Wirtschaft – ein hohes Maß an Vertrauensverlust zu gewärtigen hat. Aber mei­ne Damen und Herren von der FPÖ und vom BZÖ, Sie sind da mittendrin: Sie arbeiten konsequent an diesem Vertrauensverlust, den die Politik hier erleidet, und dann zeigen Sie mit dem Finger auf die anderen und beklagen diesen Vertrauensverlust! Das ist doch wirklich eine unehrliche Vorgangsweise, die zum Himmel schreit! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Strache: Es geht um Aufklärung und Ver­trauen!)

Ich bin nicht ganz der Meinung von Josef Pröll, was seinen zweiten Vorwurf bezie­hungsweise seine zweite Feststellung anbelangt, nämlich zum Thema „Stillstand“. Okay, es gibt eine gewisse Unzufriedenheit, aber die ist in vielen Ländern Europas der­zeit mit der Demokratie und mit dem, was demokratische Systeme im Augenblick wei­terbringen, zu verspüren. (Abg. Neubauer: Zum Beispiel in Wien!) Und es ist fast ein bisschen zu einer „Running Message“ geworden, dass man überall den Stillstand be­klagt – das ist in Deutschland und auch in anderen Ländern nicht anders. Das soll aber nicht heißen, dass es da oder dort nicht zügiger weitergehen müsste. Der Herr Bun­deskanzler ist darauf schon eingegangen, dass wir auch auf europäischer Ebene mit dieser Konsensfindung unsere Probleme haben.

Aber: Ganztagskinderbetreuung, Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten, einkom­mensabhängiges Kinderbetreuungsgeld, „Neue Mittelschule“, Energiestrategie, Öko­stromgesetz, thermische Sanierung, Einrichtung eines Integrationsstaatssekretariats, Verabschiedung eines Nationalen Aktionsplans für Integration, Einrichtung eines Pfle­gefonds, Sicherung der Pflegefinanzierung, und, und, und – diese Liste könnte man noch einige Zeit fortführen. Also so ist es nicht, meine Damen und Herren, dass dieses Parlament seiner Aufgabe nicht nachkommt, ganz im Gegenteil! (Beifall bei der ÖVP. – Ruf bei der FPÖ: Das Parlament schon – aber nicht die Regierung!)

Seien Sie doch nicht so selbstkritisch! Herr Kollege Cap hat doch vorhin darauf ver­wiesen, bei wie vielen Gesetzen Sie mitgestimmt haben, mitgewirkt haben. Viele davon sind sogar einstimmig beschlossen worden. Warum wollen Sie das alles jetzt schlecht­reden?! (Ruf bei der FPÖ: Das tut doch kein Mensch!) Dieses Parlament funktioniert, dieses Parlament arbeitet, und zwar für das österreichische Volk! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Dr. Graf: Aber die Regierung nicht!)

Aber wir haben auch einiges vor uns, das einer Lösung harrt. Nur: Ob wir das mit Of­fensiven, wie zum Beispiel mit „Mein Österreich“, dem Sie sich ja zum Teil ange­


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schlossen haben, oder zum Beispiel mit einem Mehrheitswahlrecht, wie es der Frau Rudas so gefällt, diese Probleme lösen können, das wage ich zu bezweifeln.

Faktum ist: Dieses von der Frau Rudas so gepriesene Mehrheitswahlrecht würde doch bedeuten, dass wir keine Abbildung des Wählerwillens mehr in der Zusammensetzung dieses Hauses hätten. Man würde dann zwar mehr Effizienz in der Regierungstätigkeit gewinnen – aber um den Preis von weniger Demokratie! Das wollen wir in dieser Form nicht! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Aber interessant ist schon, dass dieselben Leute dann gleichzeitig nach mehr Demo­kratie rufen, und zwar in Form von Volksabstimmungen! Das ist ja eigentlich ein Wider­spruch in sich: weniger demokratische Legitimation hier herinnen in der Volksvertre­tung und dafür so manche zweifelhafte plebiszitäre Einzelentscheidung. – Das wären Festspiele für Populisten, Festspiele für Kampagne betreibende Boulevardmedien! Das wäre, wenn man nämlich das Ganze noch als Minderheitsrecht einrichten würde, ein regelmäßiges Ausnützen von irgendwelchen ungünstigen Stimmungen für Zwi­schenwahlkämpfe. – Meine Damen und Herren, das hat sich die österreichische Bevöl­kerung nicht verdient! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie müssen das demokratische Prinzip schon akzeptieren können, das eine Mehrheit dazu legitimiert ist, Entscheidungen zu treffen – hier herinnen genauso wie an der Wahlurne. Die Mehrheit entscheidet in einer Demokratie – und nicht die Minderheit, ob Ihnen das passt oder nicht! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Warten Sie, bis Sie auf 10 Prozent herunterkommen!)

Wenn wir, meine Damen und Herren, hier herinnen unsere Aufgabe wahrnehmen und mit Mehrheit – oft auch einstimmig, aber auf jeden Fall mit Mehrheit! – Entscheidungen treffen, dann verdient es dieser Vorgang nicht, von Ihnen als „Drüberfahren“ abquali­fiziert zu werden. Nein, wir kommen unserer demokratischen Aufgabe nach und fällen Entscheidungen. Dazu sind wir von der österreichischen Bevölkerung legitimiert und beauftragt – ob es Ihnen passt oder nicht! Das ist kein Drüberfahren, sondern das ist die Wahrnehmung unserer demokratisch legitimierten Aufgabe hier herinnen. (Beifall bei der ÖVP.)

Aber über eines sollten wir tatsächlich reden: ob wir den Parlamentarismus nicht noch stärken können! Darüber sollten wir durchaus nachdenken – auch über eine stärkere Personalisierung des Wahlrechts, überhaupt keine Frage! Ich kann mir eine höhere Be­wertung der Vorzugsstimmen vorstellen, sodass die Bevölkerung noch stärker Einfluss nehmen kann, und zwar nicht nur darauf, welche Partei hier herinnen sitzt, sondern auch darauf, welche Personen hier herinnen sitzen. Das ist überhaupt keine Frage, da­rüber können wir gerne reden.

Zu guter Letzt noch eines, meine Damen und Herren: Wir gehen verdammt schwie­rigen Zeiten entgegen, und ich glaube ... (Abg. Dr. Strutz: Ja, die ÖVP!) – Das verdient ein bisschen mehr Ernsthaftigkeit, meine Damen und Herren, als es Ihre sehr dümmli­chen Zwischenrufe, die Sie hier machen, an den Tag legen. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, wir stehen vor schwierigen Aufgaben: einer Staatsschulden­krise, die dringend nach einer Schuldenbremse und nach ernsthaften Maßnahmen zur Eindämmung der Staatsschulden ruft, einer demographischen Entwicklung, die drin­gend nach Lösungen, auch bei unserem Pensionssystem, und nach mehr Generatio­nengerechtigkeit ruft, und auch einer Wachstumsschwäche, die uns bevorsteht, die un­seren Wohlstand gefährdet.

Meine Damen und Herren, wir sollten gemeinsam an diesen schwierigen Aufgaben ar­beiten und Lösungen dafür erarbeiten und uns nicht mit diesen populistischen Neben­schauplätzen, die Sie hier eröffnen, beschäftigen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)


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Eines ist klar: An der Lösung dieser schwierigen Aufgabe wird die regierende Mehrheit dieses Hauses ernsthaft und intensiv arbeiten. Und die Entscheidung darüber und die Bewertung dieser Arbeit wird in zwei Jahren das Volk vornehmen –und nicht Sie! (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Das Wort „Volk“ müsste aus Ihrem Parteinamen he­rausgestrichen werden! – Abg. Neubauer: Nehmen Sie den Namen „Volk“ von Ihrer Partei!)

14.23


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nun kommt Frau Klubvorsitzende Dr. Glawisch­nig-Piesczek zu Wort. – Bitte.

 


14.24.04

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wenn man es sich ganz nüchtern ansieht, warum wir diese Sondersitzung heute ha­ben, und wenn man weiß, dass Ende Oktober das Parlamentsjahr zu Ende ist und jede Fraktion eine Sondersitzung beantragen kann und die Freiheitlichen das noch nicht in Anspruch genommen haben, dann wird einem klar: Sie haben jetzt mit diesem absolut unvorbereiteten Antrag einfach ein neues Thema entdeckt. (Abg. Kickl: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not!)

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Kickl, war ich einige Jahre – wirklich Jahre, muss man sagen! – in der großen Verfassungsreformdiskussion im Österreich-Konvent mit dabei, und es ist dokumentiert – Sie können es in den Protokollen darüber nachlesen –, dass es damals von der Freiheitlichen Partei nicht einen einzigen Vorschlag zur Stär­kung von Volksbegehren im Zusammenhang mit Volksabstimmungen gab. (Abg. Kickl: Das ist ein kompletter Unsinn!) Das können Sie nachlesen. Betreiben Sie Geschichts­forschung und kehren Sie einmal vor der eigenen Tür! (Beifall bei den Grünen.)

Das Zweite, was einem in den Sinn kommt, warum jetzt diese Sondersitzung stattfindet mittels dieses wirklich erbärmlichen Antrages im Umfang von einer Seite, der gerade einmal fünf Punkte umfasst, ist: Was passiert nämlich gerade real in der Außenwelt? – In Klagenfurt wird jetzt neuerlich einer Person aus dem blau-orangen Umfeld der Pro­zess gemacht, wo es um Geldwäsche und um Staatsbürgerschaften für zwei Russen, die offensichtlich gekauft worden sind, geht. Also, es ist nichts anderes als ein reines Ablenkungsmanöver von dem größten Korruptionssumpf, den es in der Zweiten Repu­blik je gegeben hat. Davon abzulenken, versuchen Sie heute. Für diesen Korruptions­sumpf ist die Freiheitliche Partei zu einem sehr großen Teil verantwortlich. Das wollen die Menschen aufgeklärt wissen! (Beifall bei den Grünen.)

Sich nur darüber zu beklagen, dass Politikverdrossenheit herrscht, ist zu wenig. Wir haben letztes Jahr ein Jahr des Streits in der Koalition erlebt; es hätte heuer das Jahr der Reformen werden sollen. Auf diese warten wir im Übrigen noch immer. Bei jedem Ministerrat nur einen einzigen Gesetzesvorschlag zu machen, das ist ein bisschen we­nig. Aber okay.

Tatsächlich ist es das Jahr der Korruptionsskandale geworden, und die Bevölkerung hat ein ganz wichtiges Anliegen – zu Recht! –, nämlich: Das Vertrauen muss wieder­hergestellt werden! Das hat durch drei Maßnahmen zu erfolgen.

Erstens: durch schonungslose Aufklärung. Deswegen ist es bedauerlich, dass nicht schon heute die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beschlossen wird – sehr bedauerlich! (Beifall bei den Grünen. – Abg. Kopf: Das ist billig!) Wir versäumen wie­der eine Woche an Zeit für Arbeit.

Zweitens: Es muss Verantwortlichkeiten geben. Wenn Politiker rechtskräftig verurteilt werden, dann haben sie zurückzutreten. Das ist eine Verantwortung, die sie gegenüber


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der Bevölkerung wahrzunehmen haben – weil Sie immer sagen, das Recht geht vom Volke aus. Ich wiederhole: Rechtskräftig verurteilte Politiker müssen zurücktreten. Da könnten Sie vielleicht auch einmal verlangen, dass man das einer Volksbefragung un­terzieht. Ich wäre neugierig, was das Volk dazu sagen würde. (Abg. Strache: Bei rechtskräftig Verurteilten?) – Ja, bei rechtskräftig Verurteilten. (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Strache: Bei rechtskräftig Verurteilten selbstverständlich!)

Und das Dritte, und das ist das Allerwichtigste: Wir brauchen die schärfsten Antikorrup­tionsgesetze innerhalb der Europäischen Union, um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen. Die sollten wir schleunigst in diesem Haus verabschieden. Deswe­gen werden wir später eine Fristsetzung zum Thema „gläserne Parteikassen“ einbrin­gen.

Wir gehen da mit gutem Beispiel voran: Alle Abgeordneten von den Grünen haben die Nebeneinkünfte offengelegt, sofern sie welche haben. (Abg. Grosz: Und Van der Bel­len?!) Wir haben unsere Parteikassen offengelegt. Und wir werden am Parteitag am Sonntag eine weitere Verschärfung beschließen. Stichwort: Beraterverträge, Gutach­terverträge, Unternehmensbeteiligungen. (Abg. Grosz: Van der Bellen!) Sie können dann herauskommen und erklären, wie Ihre Parteifinanzen ausschauen.

Noch einmal: Wir haben schonungslos offengelegt! Und das erwarte ich mir auch ein­mal vom BZÖ. Da gibt es genug Fälle. Gerade letzte Woche kam wieder ein Ausliefe­rungsbegehren in dieses Haus: Kollege Westenthaler steht unter Verdacht der Un­treue. Also: Kehren Sie einmal vor der eigenen Türe, bevor Sie auf den Kollegen Van der Bellen zeigen! (Beifall bei den Grünen. – Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Nur noch zwei Sätze zu diesem Ihren Antrag: Sich als Reformpartei zu präsentieren, und dann heißt es: „Beibehaltung ...“, „Beibehaltung ...“, „Nichtteilnahme ...“, „Beibehal­tung ...“ – ich meine, was soll denn das sein? Das ist der absolute Stillstand, den Sie da laut Ihrem Antrag einzementieren wollen.

Und wenn Sie „Europäische Transferunion“ und solche Begriffe ständig in den Mund nehmen, dann führen Sie wirklich einmal eine seriöse Diskussion über eine Weiter­entwicklung der Europäischen Union oder seien Sie so mutig und sagen Sie, Sie wol­len einen Austritt aus der EU und einen Austritt aus der Währungszone! Aber dann sei­en Sie auch so mutig, den Leuten die Wahrheit zu sagen, in welcher Welt wir uns dann bewegen! Denn eines kann man mit Sicherheit sagen: Wäre Österreich nicht Teil der Euro-Zone, wären wir schon lange Opfer von sehr viel aggressiveren Finanzmärkten geworden.

Sie machen hier in Wirklichkeit das Geschäft der Spekulanten, denn die warten nur da­rauf, dass diese Euro-Zone zerfällt, um sich dann jedes Land einzeln vorzunehmen. Seien Sie so mutig, dann auch zu sagen, dass die Spekulanten genau das wollen! Die wollen nämlich ganz genau das: nämlich, dass die Euro-Zone zerfällt, um jedes ein­zelne Land dann nach der Reihe in die Ecke zu drängen! – Wir wollen das nicht! Wir wollen eine Weiterentwicklung. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Über Ihre Formulierungen ist jetzt hier schon genug polemisiert worden, aber was soll denn das heißen: „Ausschluss von Fremden aus der Mindestsicherung“? – Bleiben Sie zumindest bei der Wahrheit! Ohne fünfjähriges Einkommen gibt es keine Mindestsi­cherung. Ohne fünfjähriges Einkommen gibt es keinen Aufenthalt. (Abg. Kickl: Dieses Gesetz ist ein Papiertiger!) Wen wollen Sie denn da ausschließen: Leute, die fünf Jah­re ernsthaft hier gearbeitet haben? Ich bin der Meinung: Wer ernsthaft in Österreich ar­beitet, der soll auch Sozialleistungen beziehen. Selbstverständlich! Oder hetzen Sie wieder die Schwachen gegen die Schwachen auf, so wie immer und üblich? Ich finde es zutiefst verabscheuungswürdig, immer die Schwachen gegen die Schwachen aufzu­hetzen. Und das ist bei der Mindestsicherung genau das Thema: die Schwachen ge­gen die Schwachen aufzuhetzen! (Beifall bei den Grünen.)


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Noch einmal: Es gibt keine Aufenthaltsgenehmigung, wenn man hier nicht ein Einkom­men nachweisen kann. – Einmal logisch zu denken, wäre da vorausgesetzt. (Abg. Strache: Das Arbeitsloseneinkommen zählt als Einkommen! Da sind Sie wirklich nicht informiert!)

Ich möchte noch zwei Sätze zu unseren Vorschlägen, was die Weiterentwicklung der direktdemokratischen Instrumente betrifft, sagen. (Abg. Kickl: So etwas von einer Traumwelt, die Sie da zusammenfabrizieren! So weit weg von der Wirklichkeit!) Ich dis­kutiere gerne auch mit Ihnen diese Fragen. Im Österreich-Konvent waren Sie nicht da­zu bereit, es zu diskutieren, da haben Sie keine Vorschläge gemacht. Die Grünen ha­ben hier seit Jahren präzise durchdachte Vorschläge, und da geht es auch um die Rahmenbedingungen, unter welchen man Volksbefragungen, Volksabstimmungen durchführt. Mir ist es wichtig, dass es seriöse, objektive Information gibt – und nicht sol­che sinnentleerten, komischen Punkte wie in Ihrem Programm da drinnen. (Abg. Stra­che: Wenn für Sie die direkte Demokratie sinnentleert ist, dann haben Sie heute einen Offenbarungseid geleistet!) Mit dem kann man in keiner Weise direktdemokratische Instrumente stärken. Das ist ja eine Verhöhnung der direkten Demokratie, was Sie da aufgelistet haben! (Beifall bei den Grünen.)

Ich halte es für begrüßenswert, Verfassungsreformprozesse auch wieder in Gang zu setzen, aber das Allerwichtigste, die allerwichtigste Frage für die Bevölkerung heißt Vertrauen wiederherstellen, und das heißt schonungslose Aufklärung, auch Ihrer Skan­dale. Und ich kann Ihnen noch etwas ankündigen: Wir haben leider Beweise für illegale Parteienfinanzierung in der FPÖ. Kollege Pilz wird das weiter ausführen, ich habe jetzt leider keine Redezeit mehr. (Beifall bei den Grünen. – Ironische Heiterkeit bei der FPÖ.)

14.31


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Bucher zu Wort. – Bitte.

 


14.31.07

Abgeordneter Josef Bucher (BZÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Manchmal über­fordern wir die Bürger wirklich, die Dinge noch einigermaßen auseinanderzuhalten, wenn eine Oppositionspartei wie die Grünen heute eine Sondersitzung kritisiert, in der es darum geht, mehr Demokratie in unserem Land zuzulassen. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist schon eine erklärungsbedürftige Haltung, die Sie da einnehmen. Mir ist noch ein bisschen in Erinnerung, dass Sie aus einer Bürgerinitiative heraus entstanden sind (Abg. Strache: Zum real existierenden Sozialismus zurückgekehrt!), und jetzt wollen Sie sich in den Mainstream der Regierungsparteien einordnen und sagen: Nein, wir brauchen kein Volk, wir wissen besser, wo es langzugehen hat!

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen, damit, glaube ich, wer­den Sie nicht als demokratische Partei in die Geschichte eingehen, sondern eher ein­gehen. (Beifall beim BZÖ.)

Das Zweite: Hören Sie doch bitte auf, Frau Kollegin Glawischnig, zu behaupten, dass Österreich, wäre es nicht in der Euro-Zone, ein Opfer der Spekulanten wäre! Das ist ja wirklich der größte Unsinn aller Zeiten! Soweit mein Volkswirtschaftsverständnis zu­rückreicht zumindest der größte Unsinn. Denken Sie an Norwegen, bitte denken Sie an Schweden, denken Sie an die Schweiz! (Abg. Strache: Tschechien! Tschechien! Eng­land!) Die sind alle nicht in der Euro-Zone, das sind Vorzeigedemokratien, Volkswirt­schaften, die auf das Volk hören, die keine Europäische Union in der Ausprägung brau­chen, wie wir uns da verpflichtet haben, ihr Folge zu leisten, meine sehr geehrten Da­men und Herren! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)


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Die spielen alle heute in der Champions League, während wir uns in der Unterliga he­rum bemühen müssen! Das ist die Realität, vor der wir heute stehen!

Wir haben heute auch wieder einen Bundeskanzler erlebt, der keine Antworten lie­fert. – Herr Bundeskanzler, ganz ehrlich gesagt: Von einem Regierungsmanager er­wartet sich die Bevölkerung nicht, dass er ständig Fragen stellt, sondern dass er Ant­worten liefert! Sie haben heute in Ihrer Stellungnahme unentwegt Fragen gestellt. Das ist ja auch der Grund für die Politikerverdrossenheit in Österreich, weil die Bevölkerung sagt: Da haben wir hoch bezahlte Politiker auf der Regierungsbank sitzen, ja, um Got­tes willen, da dürfen wir uns doch erwarten und auch verlangen, dass sie die richtigen Antworten liefern – aber nicht die Fragen stellen, meine sehr geehrten Damen und Her­ren! (Beifall beim BZÖ.)

Hätten Sie den Mut, dem Volk die Frage zu stellen, dann würden Sie vom Volk auch klare Antworten erhalten! Aber Sie haben ja nicht den Mut, das Volk zu befragen, meine sehr geehrten Damen und Herren (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ), sondern Sie verstecken sich hinter Ihrem Regierungsamt und wollen keine Ent­scheidungen treffen und bejammern die Instrumente, die Ihnen auf europäischer Ebe­ne fehlen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, da frage ich mich schon: Diese ganze Kri­se ist ja nicht erst seit gestern entstanden, sondern schon im Jahr 2008! Mittlerweile sind drei Jahre ins Land gezogen. Seit drei Jahren wartet der Finanzmarkt, warten die Wirtschaftsräume auf klare politische Entscheidungen, die das unterbinden, was im Jahr 2008 geschehen ist. Nur, bis heute wurden keine Entscheidungen getroffen! Die Politik hat sich nicht durchringen können, auf europäischer Ebene die richtigen Maß­nahmen zu setzen, um Wirtschaftskrisen zu verhindern. Und wir stehen unmittelbar vor der nächsten Wirtschaftskrise, wenn wir uns heute die Daten von den Wirtschaftsfor­schungsinstituten ansehen, die uns bescheinigt haben, dass kein Wachstum mehr im vierten Quartal zustande kommen wird. Das sind die Versäumnisse der Regierungs­politiker in Österreich und auf europäischer Ebene! (Beifall beim BZÖ.)

Das, was Sie unter direkter Demokratie verstehen, Herr Bundeskanzler, das ist nicht eine Volksbefragung, sondern Sie fragen einen Zeitungsherausgeber. Das ist Ihr Ver­ständnis von Demokratie. Darauf sollten wir auch immer wieder hinweisen: dass das kein demokratisches Verständnis ist, sondern das ist ein demokratisches Missver­ständnis, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ.)

Gerade jetzt hätten wir uns Antworten auf so existenzbedrohende Fragen erwartet. Und Sie haben sie uns ja zu Recht gestellt, so quasi nach dem Motto: Was sollen wir tun? Wir stehen vor einer Riesenkatastrophe! Es ist nicht so einfach, die Probleme häufen sich, die Ereignisse werden von Tag zu Tag schlimmer! (Abg. Grosz: Aber wir haben es ihnen ja gesagt!) – Ja, Herr Bundeskanzler, dann treffen Sie doch endlich einmal eine Entscheidung! Wenn Sie nicht mutig genug sind, die Entscheidung zu tref­fen, dann lassen Sie doch das Volk entscheiden darüber, wie es weiterzugehen hat, ob wir diesen Rettungsschirm auf europäischer Ebene brauchen, ob wir uns ausliefern wollen einer europäischen Diktatur, die uns vorschreibt, was wir in Österreich zu tun und was wir zu unterlassen haben! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Das ist ja der Weg geradeaus in eine abhängige Transferunion, in einen Zentralstaat! Sagen Sie das auch den Menschen, Herr Bundeskanzler, was hier auf europäischer Ebene vorbereitet wird, dass ja schon längst hinter verschlossenen Türen die Entschei­dungen getroffen worden sind, was die Entmündigung der einzelnen souveränen Staa­ten betrifft! Auch Österreich wird – selbstverständlich! – einige Entscheidungen an Brüssel abgeben müssen. Da werden wichtige Weichenstellungen getroffen, und wir, die Parlamente und natürlich das Volk, werden dabei ausgespart. Sie sparen am fal­schen Platz, Sie sparen beim Volkswillen und bei den Volksentscheidungen, meine


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sehr geehrten Damen und Herren, und das wollen wir unterbinden und bekämpfen. (Beifall beim BZÖ.)

Sie sollten den Menschen einmal erklären, wovor Sie Angst haben – das habe ich heu­te nämlich nicht von Ihnen gehört –, warum Sie bei einer so wichtigen Entscheidung mit einer Tragweite von 29 Milliarden € die Menschen nicht dabei haben wollen. Es kommen ja wieder europäische Wahlen. Da werden die Menschen hoffentlich wieder eingebunden werden, aber Sie werden sie dann nicht mehr erreichen, weil Sie jetzt die Menschen bei dieser zentralen Frage nicht dabeihaben wollen. Jetzt geht es nämlich um die Zukunft unseres Landes, jetzt geht es um die nächsten Generationen. Und Sie verpfänden die Zukunft, Sie verschleudern das Volksvermögen! Das ist doch Tatsache, wenn man sieht, um welche Beträge es dabei geht.

Nehmen Sie doch endlich einmal diese Tatsachen zur Kenntnis, und binden Sie die Bevölkerung ein, denn sonst blüht Ihnen eines, nämlich dass die Politik auf den Stra­ßen stattfinden wird – und dann brauchen nicht die Euroländer einen Schutzschirm, sondern dann brauchen Sie einen Schutzschirm, Herr Bundeskanzler, und das wollen wir alle vermeiden! (Beifall beim BZÖ.)

Mein Appell, den ich neuerlich an die Grünen richte: Es liegt an den Grünen, an einer demokratisch legitimierten und gewählten Partei, diese Volksentscheidung zu ermögli­chen, sie zuzulassen. (Heiterkeit des Abg. Öllinger.) Ja, Sie hätten die Möglichkeit in der Hand, das zuzulassen! (Abg. Strache: Beim real existierenden Sozialismus des Herrn Öllinger gibt es so etwas nicht!) Und ich appelliere neuerlich an Sie, nicht ein Anti-Korruptionsgesetz zur Volksabstimmung zuzulassen, sondern den europäischen Rettungsschirm.

Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Grünen! Die Anti-Korruption können wir hier herinnen regeln, da brauchen wir keinen Volksentscheid dazu. Soweit ich infor­miert bin, wollen alle Parteien, dass Regeln ausgemacht werden, damit hier in Zukunft nichts mehr geschehen kann. Wir bekennen uns dazu, aber dazu brauchen wir nicht den Volkswillen! Wir brauchen jetzt ganz klar die Volksentscheidung in Sachen euro­päischer Rettungsschirm, damit wir wissen, ob wir diesen Rettungsschirm in Zukunft brauchen oder nicht. Wir sagen ganz klar, wir brauchen ihn nicht, weil wir schon genug gezahlt haben und uns das auch nicht leisten können, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Ich glaube, Sie sind sich gar nicht bewusst, Herr Bundeskanzler, was Sie alles aufs Spiel setzen. Ich bin mir wirklich nicht sicher, dass Sie die Tragweite dieser Entschei­dung tatsächlich bis zum Ende durchgedacht haben. Sie setzen unsere Zukunft aufs Spiel, Sie versetzen die nächsten Generationen in eine Situation, wo ihnen die Spiel­räume genommen werden. Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, was sagen wir denn jenen Generationen, die vor uns dieses Land aus den Trümmern des Zweiten Weltkrieges aufgebaut haben, denen wir unseren Wohlstand, in dem wir heute leben, verdanken, wenn wir jetzt hergehen und unser Land verpfänden und nicht wissen, wie die Zukunft ausschauen wird, die Zukunft der nächsten Generationen?! Ja, können Sie diesen Menschen noch in die Augen blicken, die unter großem Verzicht all das geleis­tet haben, damit wir hier im Wohlstand unser Leben verbringen können?

Das wollen wir unterbinden, meine sehr geehrten Damen und Herren! Daher warne ich vor diesem Riesen-Desaster, das da auf uns zukommt, vor diesem Riesen-Tsunami, auf den Österreich niemals vorbereitet sein kann, weil wir finanziell gar nicht so ausge­stattet sind, dass wir uns das werden leisten können, was da auf europäischer Ebene an Finanzierung auf uns zukommen wird in nächster Zukunft. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Sie haben seit dem Jahr 1994 die Bevölkerung nicht mehr gefragt, ob sie diesen Weg auch tatsächlich mitgehen will. Damals hat das Volk mit 66 Prozent ja gesagt, ja zu ei­


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nem freien Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr. Es war keine Rede von ei­ner gemeinsamen Währung. Es war keine Rede davon, dass der Stabilitätspakt gebro­chen wird, dass Haftungen für andere Länder übernommen werden, auch für Banken, die nicht in österreichischem Besitz sind, und dass die Europäische Zentralbank Staatsanleihen kaufen darf.

Alle Regeln, alle Prinzipien auf europäischer Ebene sind gebrochen worden. Daher gibt es kein Zutrauen mehr in diese europäische Politik. Wir brauchen mehr Demokratie, wir brauchen mehr Volk, dann hat Österreich auch mehr Zukunft! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

14.41


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Vilim­sky. – Bitte.

 


14.41.37

Abgeordneter Harald Vilimsky (FPÖ): Frau Präsident! – So viele rhetorische Verren­kungen der beiden großkoalitionären Klubobleute Cap und Kopf, wo immer sie gerade sein mögen, habe ich überhaupt noch nie gehört, welche Argumente es gibt, direkte Demokratie im Staate möglichst zu verunmöglichen. Ich kann beiden nur eines emp­fehlen, einen Blick in unsere Bundesverfassung zu werfen, wo der Artikel 1 den wahr­scheinlich vornehmsten und nobelsten Grundsatz unserer Republik normiert, nämlich: Alle Macht geht vom Volke aus! – und nicht nur von Ihren beiden Parteien und den Be­fehlen, die Sie aus Brüssel immer wieder entgegennehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und Herrn Bundeskanzler Faymann möchte ich auch eines mit auf den Weg geben: Es gibt nicht zwei Formen der direkten Demokratie, die ernste, die durch Sie vertreten wird und überhaupt nie stattfindet, und die lächerliche, die wir heute einmahnen. Es gibt ei­ne einzige Form der direkten Demokratie: Das ist die Bestimmung durch die Bevölke­rung selbst, und die haben Sie auch zu akzeptieren. Und Sie haben sie versprochen, die direkte Demokratie. Sie haben in einem Brief an sämtliche Leser einer großen Ta­geszeitung mittels Inserat versprochen, dass Sie bei sämtlichen Änderungen, welche die Europäische Union in ihrem Vertragswerk in signifikanter Form und Weise be­treffen, eine Volksbefragung oder Volksabstimmung zulassen werden. Sie haben das bis heute nicht gemacht, und Sie machen sich über das Instrument der direkten Demo­kratie lustig. Das ist nicht gut in diesem Hohen Haus, wo wir diese Regelungen hier vorgesehen haben! (Beifall bei der FPÖ.)

Das wird nur noch übertrumpft durch Klubobmann Kopf, der sagt, es gibt 183 Leute hier, die sollen sich den Kopf darüber zerbrechen. Im Prinzip hätte er recht, dass die Abgeordneten dieses Hohen Hauses sich damit zu befassen haben, nur: Die Vorschlä­ge, die wir gemacht haben, resultieren aus der rot-schwarzen Unfähigkeit heraus. Ob das die Wehrpflicht ist, ob das die Studiengebühren sind, ob das die Frage der Millio­närssteuer ist, alles Themen, wo Sie beide sich nur in Hader und Zank ergehen, der bereits über Wochen und Monate geht, und nicht in der Lage sind, auch nur einen kleinen Grundkonsens zu definieren. Daher haben wir gesagt: Ja, wir brauchen hier eine Volksabstimmung, damit wenigstens irgendetwas weitergeht in dieser Republik! Sie beide sind dazu nicht in der Lage. (Beifall bei der FPÖ.)

Darüber hinausgehend wollen wir auch eine Volksabstimmung haben, wenn es darum geht, dass 60 Milliarden auf Basis unserer Staatseinnahmen jedes Jahr, die Hälfte da­von jetzt, überwiesen werden sollen für einen europäischen Rettungsschirm. Wir wol­len auch eine Volksabstimmung haben, wenn es darum geht, ob die Türkei zur Euro­päischen Union kommen soll oder nicht, wo wir als Freiheitliche Partei ein klares Mei­nungsbild haben und wo Sie bis zum heutigen Tag nicht in der Lage sind, hü oder hott zu sagen. (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 38

Sie sagen hier in Österreich: Ja, mit der Türkei sollen weiterhin Beitrittsverhandlungen geführt werden, und wecken so bei der Türkei die Erwartung, dass sie tatsächlich in die europäische Staatengemeinschaft kommt. Andernorts sagen Sie wieder das Gegen­teil. – Von Ihnen ist nicht einmal in diesen zentralen Fragen irgendeine verbindliche Po­sition zu vernehmen. Daher sind Volksbefragungen, daher sind Volksabstimmungen unabdingbar, und wir streiten darum, im edelsten Sinn des Wortes: um diese Demokra­tie, die durch Ihre Politik der Untätigkeit in eine Krise geraten ist.

Bis zu zwei Drittel der Menschen sagen, sie sind damit, wie es jetzt ist, nicht mehr zu­frieden. Diese Demokratie soll neuen Wind erhalten, diese Demokratie soll wieder be­lebt werden, wie es früher war, als die Österreicher noch auf der Straße diskutiert ha­ben über Fragen, die sie als Teil des Wahlvolkes mitentscheiden haben dürfen. Das ist doch eine Entwicklung, die toll ist, wenn Menschen beginnen, sich wieder mit politi­schen Themen auseinanderzusetzen: wenn diskutiert wird auf der Straße, an den Stammtischen, wenn es Volksabstimmungen, Volksbefragungen gibt, wenn man als Bürger noch den Eindruck hat, irgendetwas mitbestimmen zu können, was durch Ihre Herrschaft unmöglich gemacht wurde! (Beifall bei der FPÖ.)

Gestern hat – Sie haben es sicher gesehen – Vizekanzler Spindelegger in der „Zeit im Bild 2“ beklagt, dass sich der französische Staatspräsident Sarkozy und die deutsche Kanzlerin Merkel für den großen Reformkongress am 23. Oktober ausmauscheln wol­len, wie sie gedenken, die europäische Zukunft zu gestalten. Und er hat zu Recht be­klagt, dass Österreich hier nicht eingebunden ist, aber er muss sich einmal vorstellen, wie es den Österreicherinnen und Österreichern geht, wenn Sie über die Köpfe der Menschen hinweg bestimmen und diese an den Entscheidungen nicht mehr teilhaben dürfen.

Das, was Sie vor allem bei der ÖVP meinen, nämlich dass wir innerhalb der Europäi­schen Union wirklich mitbestimmen könnten, hat Vizekanzler Spindelegger gestern klar widerlegt. Die Entscheidungen fallen andernorts, Österreich kann hier nicht mitbestim­men. Das ist nicht erst seit gestern so, das war auch schon im Mai des Jahres 2011 so. Ich erinnere nur an das informelle Treffen auf Schloss Senningen, wo sich Trichet, Jun­cker, Olli Rehn, Vertreter Deutschlands, Frankreichs und Italiens getroffen und be­stimmt haben, dass die Europäische Gemeinschaft 60 Milliarden für Griechenland zu überweisen hat – und Finanzministerin Fekter hat der Tageszeitung entnehmen müs­sen, dass das so sein wird. Und Sie beide haben das durchgepeitscht.

Das ist aber nicht die Politik, für die wir stehen, sondern Sie sollten sich als Regie­rungsmitglied das Mandat der österreichischen Bevölkerung holen, bevor Sie nach Brüssel fahren, damit Sie wissen, wie die Österreicher denken, welchen Verhandlungs­spielraum Sie in Brüssel bei der Gestaltung der europäischen Politik haben (Beifall bei der FPÖ) – und nicht nur darauf warten, was von den Mächtigen Europas, zu denen Sie nicht gehören, vorgegeben wird, in den 27 Ländern oder in den Mitgliedstaaten der europäischen Währungszone umzusetzen.

Ich weiß schon, Sie haben wahrscheinlich Probleme damit, unserem Antrag zuzu­stimmen, aber Sie haben die Möglichkeit, einen eigenen Antrag, der gleichlautend sein kann, einzubringen, denn das, was heute durch Klubobmann Cap und Klubobmann Kopf lächerlich gemacht wurde, die direkte Demokratie, das ist nichts anderes als der Vorschlag, den Herr Bundeskanzler Faymann selbst in der Tageszeitung „Österreich“ gemacht hat. Also macht Klubobmann Cap seinen Genossen Vorsitzenden lächerlich mit seiner Art der Darstellung.

Stehen Sie zu diesen Punkten, die Sie versprochen haben – eine verbindliche Volks­abstimmung in die Wege zu leiten –, und Sie werden dabei unsere Unterstützung ha­ben! – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

14.48



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 39

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Wittmann zu Wort. – Bitte.

 


14.48.48

Abgeordneter Dr. Peter Wittmann (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Regierungsmitglieder! Hohes Haus! Von gro­ßer intellektueller Qualität ist dieser Antrag wohl wahrlich nicht. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das muss man einmal an die Spitze aller Ausführungen hier stellen.

Sie von der FPÖ versuchen hier, über die Spielwiese der direkten Demokratie Fuß zu fassen, haben aber selbst als Partei nichts damit am Hut, aber wirklich nichts damit am Hut. Ich erinnere an Folgendes: Bei der Hypo Alpe-Adria wurden 20 Milliarden an Haf­tung, nicht 8 Milliarden wie für Griechenland, 20 Milliarden an Haftung beschlossen, ohne die Mitglieder des Landtages zu befragen, geschweige denn eine Volksbefragung darüber zu machen!

Sie treten die Demokratie dort, wo Sie an der Macht sind, mit Füßen und stellen sich hier her und verkünden, die direkte Demokratie ist das Allheilmittel. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Na wo war denn die Befragung der Bevölkerung in Kärnten, als Sie eine Haftung von 20 Milliarden eingegangen sind, beide nämlich, die Freiheitlichen und das BZÖ?! Nirgends haben Sie gefragt, nirgends wurde darüber abgestimmt! Das sollte man einmal klar und deutlich hier sagen.

Ins Stammbuch der Freiheitlichen geschrieben: Wissen Sie, wann der Beschluss ge­fasst wurde, dass Griechenland in die Euro-Zone kommt? – Am 20. Juni 2000! Wissen Sie, wer damals bei uns in der Regierung war? – Die Freiheitlichen! Wo war denn das Volksbegehren gegen den Beitritt der Griechen zur Euro-Zone, wieso hat es da keines gegeben? (Beifall bei der SPÖ.)

Damals hat es sogar mit dem freiheitlichen Vorsitzenden der Steiermark, Kurzmann, der sogar im Hauptausschuss gesessen ist und das ausdrücklich befürwortet hat, eine Personalunion gegeben. (Abg. Mag. Kogler: Jawohl!) Wo war denn damals das große freiheitliche Aufbegehren dagegen? – Sie haben das zu verantworten, Sie haben uns das eingebrockt! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Neubauer: Ein Blödsinn!)

Und jetzt stellen Sie sich hier her und tun so, als wären Sie nicht dabei gewesen. Am 20. Juni 2000 ist dieser Beschluss gefasst worden, am 14. Juni war die Sitzung des Hauptausschusses. In diesem sind Kurzmann – jetzt seines Zeichens Parteiobmann in der Steiermark – und Scheuch – seines Zeichens Parteiobmann in Kärnten, von den Freiheitlichen! – gewesen. (Abg. Kickl: Wie hat die SPÖ abgestimmt?) Wo waren die mit den großen Ankündigungen? Wo waren Sie? Warum haben Sie damals nichts ge­macht? Dann hätten wir uns das alles erspart. (Abg. Kickl: Wie hat die SPÖ abge­stimmt? – Zwischenruf des Abg. Grosz.)

Wie war denn das bei den Eurofightern, wo war denn da ein Volksbegehren? Wo ha­ben Sie sich dagegen gewehrt? – Nirgends haben Sie sich dagegen gewehrt! Sie ha­ben es angekündigt, aber sonst nichts gemacht. In Wirklichkeit ist das, was Sie hier verzapfen, ganz plumper Populismus, und der ist nicht intellektuell hochstehend. (Zwi­schenruf des Abg. Grosz.)

Unterhalten wir uns über die direkte Demokratie: Zu behaupten, dass die repräsenta­tive Demokratie nicht demokratisch ist, halte ich schlichtweg für eine Bezeichnung, die eines Parlaments nicht würdig ist, das sich aus der repräsentativen Demokratie ablei­tet. Natürlich kann man auch dafür sein, mehr direkte Demokratie einzuführen, aber mit diesem Instrument muss man sehr vorsichtig umgehen. Es gibt viele Grenzbereiche, wo es mit der direkten Demokratie Schwierigkeiten geben wird. Denken wir nur daran: Wenn wir Rechte der Mehrheit gegen die Minderheit abstimmen lassen, wer schützt dann die Minderheit?


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 40

Man sollte solche Fragen nicht so flapsig stellen, denn man muss mit diesem Instru­ment sehr vorsichtig umgehen.

Das Zweite ist: Was geschieht denn bei einer Volksbefragung? – Manchmal können es sich ganz einfach Gruppen besser leisten, zu kampagnisieren. Wollen wir das? Wollen wir die Kampagnisierungsfähigkeit der Industrie auf die Probe stellen oder wollen wir die Reichen gegen die Armen ausspielen? (Abg. Kickl: Reden Sie von sich selbst oder wie? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Oder will man sich dem Boulevard auslie­fern, weil dort die Kampagnisierungsfähigkeit am größten ist? (Abg. Neubauer: Klas­senkampf, was ihr da macht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Fragen sollte man sich schon stellen, wenn man ein derartiges Begehren vorbringt.

In Grundsatzfragen: ja. Und da bin ich beim Bundeskanzler, denn das ist verantwor­tungsvoll. Über eine gesellschaftspolitisch bedeutende Frage wie die Wehrpflicht kann man sehr wohl abstimmen lassen, denn da ist jeder betroffen (Abg. Dr. Rosenkranz: Bravo!) – je nachdem, wie man will. (Abg. Dr. Rosenkranz: Wann?) Aber das ist auch eine wirklich grundlegende Frage. Da macht es Sinn, aber für eine Beibehaltung ein Volksbegehren durchzuführen, ist reiner Populismus. (Abg. Mag. Stefan: Über die Bei­behaltung der Wehrpflicht machen wir es, oder was?) Denn wenn Sie es nicht ändern wollen, warum wollen Sie dann darüber abstimmen lassen? Oder haben Sie den Hin­tergedanken (Zwischenrufe bei der FPÖ), dass es anders ausgehen könnte, und Sie wollen das provozieren? (Ruf: Reiner Populismus!)

Es steht viel Populismus hinter Ihren Fragen, dahinter, die Beibehaltung zu hinterfra­gen. (Abg. Mag. Stefan: Die Beibehaltung der Wehrpflicht!)

Wenn ich etwas will, das anders ist als der momentane Zustand, dann hat ein erfolg­reich durchgeführtes Begehren die Konsequenz, dass sich die Situation ändert. Dann macht es Sinn – aber nicht, wenn etwas, das jetzt schon geltendes Recht ist, nochmals bestätigt werden soll (Abg. Mag. Stefan: So wie die Wehrpflicht!), denn dann ist das keine Weiterentwicklung, sondern die Beibehaltung einer bestimmten Situation (Abg. Kickl: Wie ist das jetzt bei der Wehrpflicht?), und dann ist das letztendlich Populismus.

Ich halte eine Volksbefragung über die Wehrpflicht für durchaus denkbar. (Beifall bei der SPÖ.)

14.54


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Dr. Strutz zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


14.54.29

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Herr Abgeord­neter Wittmann hat hier behauptet, die Haftungen für die Hypo Alpe-Adria-Bank seien ohne die Zustimmung der Mitglieder des Kärntner Landtages eingegangen worden. (Ruf bei der ÖVP: Das hat er nicht gesagt!) Diese Aussage hat er getätigt, und diese Aussage ist falsch. Ich berichtige das.

Richtig und die Wahrheit ist – erstens: Die Möglichkeit, Haftungen für Banken, insbe­sondere für die Hypo Alpe-Adria-Bank in Kärnten zu übernehmen, wurde in den neun­ziger Jahren mit Stimmen der SPÖ und der ÖVP im Kärntner Landtag beschlossen. (Beifall des Abg. Neubauer. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Zweitens: Die Haftungen des Landes, insbesondere für die Hypo Alpe-Adria-Bank, sind fixer Bestandteil des Budgetbeschlusses. Und der Beschluss im Kärntner Landtag, der auch die Übernahme der Haftungen beinhaltet, wurde wechselseitig – einmal mit Zu­stimmung der Sozialdemokraten und einmal mit Zustimmung der ÖVP – beschlossen. (Beifall und Ah-Rufe bei der FPÖ.)

14.55



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 41

Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mag. Gerstl zu Wort. – Bitte.

 


14.55.48

Abgeordneter Mag. Wolfgang Gerstl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundeskanzler! Sehr geehrte Dame und sehr geehrte Herren auf der Regierungsbank! In der jetzigen Debatte sind mir zwei Punkte besonders aufgefallen.

Erster Punkt: Der Antrag lautet: „,Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Natio­nalrat gemäß Art. 49b B-VG jeweils einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volks­befragung zu folgenden Angelegenheiten zur Beschlussfassung vorzulegen ...‘.“ – Mei­ne Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei, warum bringen Sie den Antrag nicht selbst ein? Warum brauchen Sie die Bundesregierung dazu, dass sie Ihnen einen Antrag schreibt für die Punkte, die Sie wollen? (Abg. Neubauer: Damit sie endlich ein­mal etwas arbeiten! – Heiterkeit bei ÖVP und FPÖ.)

Sie könnten schon längst etwas arbeiten, Herr Kollege! Sie haben es bis jetzt verab­säumt, diesen Antrag zu schreiben. Und das zeigt das auf, was in dieser Debatte schon gesagt wurde: Dieser Antrag ist schlampig und kurzfristig eingebracht worden! (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, eine zweite Frage habe ich mir während der heutigen Dis­kussion gestellt: Warum spricht die Freiheitliche Partei ständig von der Schweiz? Wa­rum spricht sie nicht davon, wo sie in den vergangenen Jahren vielleicht Einfluss ge­habt hat? Warum spricht sie nicht von Kärnten? (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Warum haben Sie nicht darüber geredet, dass Sie in Kärnten auch die Möglichkeit ge­habt hätten, eine Volksabstimmung durchzuführen? – In Kärnten gibt es seit 1974 ein eigenes Kärntner Volksabstimmungsgesetz. In Ihrer Verantwortungszeit haben Sie kein einziges Mal davon Gebrauch gemacht, dem Kärntner Volk eine Gesetzesvor­lage zur Abstimmung vorzulegen. Das zeigt, wo Sie wirklich stehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Dort, wo Sie in der Opposition sind, redet es sich für Sie ganz anders als dort, wo Sie Regierungsverantwortung tragen, denn da kennen Sie nämlich das Prinzip der direkten Demokratie nicht mehr, meine Damen und Herren, im Gegenteil.

Sie haben vor wenigen Monaten eine Briefbefragung zu einem Gesetzeswerk durchge­führt, für das der Kärntner Landtag überhaupt keine Zuständigkeit hat. Sie haben sich darum bemüht, noch einmal über etwas zu befragen, wofür es eine Zuständigkeit des Bundes gibt. Lernen Sie die österreichische Bundesverfassung, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei! (Beifall bei der ÖVP.)

Im vorhergegangenen FPÖ-Parteiprogramm, das jetzt nicht mehr gültig ist, haben Sie noch großspurig davon gesprochen, die Schaffung der Einleitungsmöglichkeit einer Volksabstimmung durch die Stimmbürger oder eine bestimmte Anzahl von Gemeinden forcieren zu wollen. Im jetzigen Parteiprogramm ist das nicht mehr drinnen, und in Kärnten haben Sie es noch kein einziges Mal gemacht, meine Damen und Herren. (Abg. Riepl: Schau dir was an!)

Schauen wir uns die Situation im restlichen Europa an, reden wir nicht nur über die Schweiz. Es gibt in der Europäischen Union nur sechs Staaten, wo es eine Erfolg ver­sprechende Form der Mitbestimmung für Bürgerinnen und Bürger über verpflichtende Volksabstimmungen gibt. Fünf Staaten davon sind erst 2004 der Europäischen Union beigetreten, und in diesen Staaten ist die notwendige Anzahl an Unterschriften so hoch, dass es bis jetzt kaum gelungen ist, dadurch eine Gesetzesänderung herbeizu­führen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 42

Meine Damen und Herren! In Italien, wo es auch die Möglichkeit gibt und regelmäßig von Volksbegehren Gebrauch gemacht wird, führen die Volksbegehren aber nie zu Än­derungen, weil die Beteiligung unter den erforderlichen 50 Prozent bleibt. Und gerade darin liegt der Pferdefuß: Nirgendwo, auch nicht in der Schweiz, ist die Beteiligung an dieser Art von Volksabstimmungen groß genug, um von einem repräsentativen, demo­kratisch bindenden Ergebnis sprechen zu können. Das müssen wir uns jedes Mal in Erinnerung rufen, wenn wir vom Prinzip der direkten Demokratie reden: dass wir immer im Bereich der Mehrheitsentscheidungen bleiben.

Das Grundprinzip der repräsentativen Demokratie, das es uns erst ermöglicht, effizient und rasch Entscheidungen herbeizuführen, ist wichtig, um wichtige Entscheidungen nicht unnötig zu verzögern. Aber Sie, meine Damen und Herren von der FPÖ, führen, glaube ich, nichts anderes im Schilde, als sich hier bewusst ins Rampenlicht zu stellen, wofür Ihnen jedes Mittel recht ist. Sie spielen gerne mit den Urängsten der Menschen, und zwar nicht im positiven Sinne, sondern schauen, wie Sie sie zur Befriedigung Ihre Machtgier missbrauchen können. (Abg. Riepl: Genau!)

Wenn Ihnen die Republik, die Stabilität des Staates ein Anliegen wäre, dann würden Sie nicht mit Neid und Missgunst schnell Schlagzeilen produzieren, sondern dann wür­den Sie verantwortungsvoll mitarbeiten, dann würden Sie sich hersetzen und sagen, reden wir über die Verantwortungsbereiche der direkten Demokratie und diskutieren wir das hier im Hause. Machen Sie in diesem Zusammenhang hier keine Show, die zu nichts führt, meine Damen und Herren! (Abg. Strache: Dass Sie das Volk nicht ernst nehmen, das können Sie besser gar nicht herausstreichen als heute!)

Wenn Sie sich dazu entschließen könnten, den Menschen reinen Wein einzuschenken, dass unendliches Wachstum nicht möglich ist, und gleichzeitig dazu beitragen würden, Sorge dafür zu tragen, wie man in diesem Land in Zukunft den Wohlstand sicherstellen kann, dann würden Sie produktiv an der Gestaltung Österreichs mitwirken – und nicht in dem Sinne, dass Sie versuchen, alles schlechtzumachen. (Abg. Strache: Da braucht man gar nichts zu versuchen, das beweisen Sie tagtäglich!)

Meine Damen und Herren! Im Sinne Europas ist es wichtig, dass wir zusammenstehen und dort, wo schwierige Entscheidungen fallen müssen, diese auch fällen. Es ist wich­tig, dass wir uns von denen unterscheiden, die, bevor sie Regierungsverantwortung übernommen haben, anders geredet haben als nach der Übernahme – so, wie es in diesem Moment gerade die Grünen in Wien tun. Noch vor wenigen Monaten haben sie davon gesprochen, dass Bürgerbeteiligung ein Punkt ist, der für sie wichtig ist, und heute kennen sie Bürgerbeteiligung nicht mehr.

Es ist wichtig, mit den Menschen zu reden, und wir tun das – aber ohne Sie, Herr Kol­lege Strache, denn das ist wahrer und direkter. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Strache: Jetzt hat der letzte ORF-Zuseher bei Ihrer Rede abgeschaltet!)

15.02


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Dr. Pilz zu Wort. – Bitte.

 


15.02.49

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (Grüne): Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe ja schon viele Dringliche Anfragen und viele Dringliche Anträge erlebt, aber so etwas wie dieser Dringliche Antrag ist mir bis jetzt noch nicht untergekommen. (Abg. Strache: Pfui Teufel, direkte Demokratie ist für den Pilz ein Gräuel!)

In welcher Not haben Sie diesen wirklich vor Unsinn strotzenden Antrag geschrieben, und was ist Ihr wirkliches Motiv? – Die Druckwerke, die die Freiheitliche Partei in die­ses Haus bringt, sind im Durchschnitt nicht von besonderer Qualität, aber dieser Dring­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 43

liche Antrag sticht heraus. Lassen Sie mich daher kurz einige Überlegungen zum mög­lichen Motiv dieses missglückten Dringlichen Antrages anstellen.

Ich gehe davon aus, dass Ihre Absicht eine andere war, denn um zu Volksabstimmun­gen zu kommen, gibt es völlig andere Instrumente und Möglichkeiten in diesem Haus und auch außerhalb dieses Hauses.

Ich gehe davon aus, dass Sie ein einziges Interesse verfolgt haben, nämlich von frei­heitlichen Korruptionsaffären abzulenken. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der FPÖ: Ha!)

Herr Abgeordneter Kickl, ich gehe davon aus, dass Sie die Beschuldigtenvernehmung Walter Meischberger vom 10. November 2009 zumindest genauso gut kennen wie ich. Ich darf daraus zitieren:

„Befragt zu zwei Rechnungen der Neuen Freien Zeitung vom 1.12.2004 und 28.12.2004 an die Zehnvierzig“ – das ist eine Meischberger-Firma – „über € 102.600 bzw. € 89.400 für die“ – Zitat – „,Platzierung verschiedener Persönlichkeiten und Produkte, speziell Telcos‘“ – das sind Telekommunikationsunternehmen –: „Obwohl auf den Rechnungen gebucht steht, glaube ich, dass zumindest eine Rechnung nicht zutragen gekommen ist.“ – „... eine Rechnung nicht zu tragen gekommen ist“, sie ist aber sehr wohl bezahlt worden.

Weiter heißt es: „Es ging wieder um Regulierungsmaßnahmen im Telekombereich, und zwar, um Information, Artikel und Recherchen an die Neue Freie Zeitung zum Abdruck weiterzugeben. In Wahrheit“ – sagt Herr Meischberger – „sind es Druckkostenbeiträge. Ich habe mit der Neuen Freien Zeitung vereinbart, dass Geschichten zB über das Auf­stellen von Handymasten, über die Betrachtung der Marktbestimmung der Telekom im Verhältnis zu den privaten Telekomanbietern, Erfahrungsberichte aus der Umgebung von Handymasten etc. erscheinen. Ein Journalist der Neuen Freien Zeitung hat dann recherchiert, Interviews geführt und entsprechende Artikel verfasst. Die NFZ hat mir diese Tätigkeit dann in Rechnung gestellt. Ich bzw. die Zehnvierzig haben im Auftrag von Hochegger gehandelt. Hochegger hatte einen Gesamt-PR-Jahresauftrag von der Telekom. Ich glaube nicht, dass es einen schriftlichen Auftrag von Hochegger gibt. Die Zehnvierzig hat diese Beträge in irgendeiner Form von Hochegger wieder kassiert.“

So, was ist jetzt konkret passiert? Das Ganze ist überprüft worden und steht detailliert morgen auch im „Falter“. Was ist konkret passiert? (Zwischenruf des Abg. Rädler.)

Herr Meischberger nimmt Telekom-Gelder, die er von Herrn Hochegger gekriegt hat, 192 000 €, geht damit zur „Neuen Freien Zeitung“ und gibt ihr das Geld. Die „Neue Freie Zeitung“ ist bekanntlich das Parteiorgan der FPÖ (Abg. Neubauer: Tagesord­nung!), das auch im Eigentum der FPÖ steht.

So, und was geschieht jetzt für diese 192 000 €? (Abg. Ing. Höbart: Bitte, rufen Sie zur Sache!) – Sowohl der „Falter“-Journalist als auch ich haben uns Jahrgänge der „Neuen Freien Zeitung“ angeschaut: Es steht nichts drinnen, es ist nichts erschienen! Es gibt keine Leistung! Es ist das alte Meischberger-Problem: Herr Strache, wo ist die Leis­tung? Herr Kickl, wo ist die Leistung? 192 000 € von Telekom und keine Leistung von­seiten der FPÖ! Und deswegen gibt es den konkret begründeten Verdacht, diese 192 000 € von der Telekom stellen illegale Parteienfinanzierung an die Freiheitliche Partei Österreichs dar. So schaut es aus! Und das wird inzwischen untersucht, und das ist nicht der einzige Fall! (Beifall bei den Grünen.)

Ich schildere Ihnen jetzt einmal, bevor ich zur FPÖ komme, das Problem der Telekom. (Abg. Neubauer: Der große Aufdecker!) Wenn der Telekom-Vorstand von der FPÖ keine Leistung erhalten hat – und danach schaut es aus (Abg. Strache: Das war jetzt eine wirklich dünne Suppe!) –, dann besteht der konkrete Verdacht der Untreue, und


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deswegen wird morgen von uns eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwalt­schaft gehen.

Zweitens: Wenn es sich um illegale Parteienfinanzierung gehandelt hat, dann kann die­ser Betrag nicht als Betriebsausgabe von der Steuer abgesetzt werden. Falls es doch geschieht, besteht Verdacht auf Steuerhinterziehung.

Aber das Entscheidende ist die Freiheitliche Partei. Sie von der Freiheitlichen Partei bezeichnen den Bundeskanzler als „Inserator“? – Wahrscheinlich zu Recht, aber Sie, Herr „Inserator“ Kickl, und Sie, Herr „Inserator“ Strache, sollten einmal vor der eigenen Inseraten-Tür kehren! (Beifall bei den Grünen.)

Sind Sie bereit, Herr Strache, die 192 000 € an die Telekom zurückzuzahlen? (Abg. Mag. Kogler: Jawohl!) Sind Sie bereit, der Telekom ihr Eigentum zurückzugeben, oder sind Sie bereit, im Nachhinein irgendeine Leistung zu erbringen, oder haben Sie viel­leicht schon eine Leistung erbracht, haben Sie vielleicht eine Leistung erbracht in Form von Gefälligkeiten, Gesetzeslobbying und so weiter für die Telekom?

Ich kündige Ihnen gleich noch etwas an: Es gibt nicht nur diesen einen Korruptionsfall Telekom/Freiheitliche Partei, es gibt auch noch einen zweiten, und in diesem zweiten Fall geht es bereits um konkreten Gesetzeskauf mit Telekom-Geldern. Über diesen Fall werden wir morgen im Detail berichten. Mir reicht es vollkommen, wenn die Freiheit­lichen jetzt einmal beginnen, diese Geschichte aufzuklären. Also, Herr Strache, Herr Kickl und wer auch immer: Wo war die Leistung? Wir fragen Sie das nicht nur hier im Plenum des Nationalrates, sondern wir werden Sie das auch im Untersuchungsaus­schuss fragen. Dort werden Sie unter Wahrheitspflicht unsere Fragen beantworten müssen. Sie werden die Fragen beantworten müssen nach der nach unseren Informa­tionen und den Recherchen der Staatsanwaltschaften korruptesten Partei der Zweiten Republik, nämlich der Freiheitlichen Partei Österreichs.

Deshalb ist es auch wichtig, den Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich ein­zusetzen, damit wir die systematische freiheitliche Korruption, für die Herr Strache, Herr Kickl und andere die volle politische Verantwortung tragen, endlich aufklären und – ich hoffe es – beenden können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

15.10


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Strache zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.10.35

Abgeordneter Heinz-Christian Strache (FPÖ): Herr Abgeordneter Peter Pilz, Sie haben heute wieder einige Dinge in wahrheitswidriger Weise behauptet.

Faktum ist, und ich stelle richtig: Ich bin im Jahr 2005 Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs geworden (lebhafte Heiterkeit bei den Grünen und bei Abgeordneten des BZÖ) und habe als Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs sofort über unabhän­gige Prüfer, die alle Bereiche überprüft haben, eine Kassaprüfung sichergestellt. Diese Prüfer haben festgestellt, dass meine Vorgänger Geld der Freiheitlichen Partei sozusa­gen abgesaugt haben und dass Schulden hinterlassen worden sind. Es sind alle unkor­rekten Vorgänge aufgearbeitet und auch zur Anzeige gebracht worden; es haben sich sogar Gerichte damit auseinandergesetzt. Wir haben daher sichergestellt, dass im Jahr 2005 unter meiner Führung eine saubere, korrekte Freiheitliche Partei entstanden ist. (Beifall und Bravorufe bei der FPÖ.)

15.11


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Grosz zu Wort.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 45

15.11.37

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Ich nehme wieder einmal zur Kenntnis, dass wir uns nicht in einer parlamentarischen Debatte über die Demokratie und die Stärkung der Demokratie befinden, sondern eine kollektive Vergangenheitsbewältigung stattfindet. (Präsident Dr. Graf übernimmt den Vorsitz.)

Ich nehme zwei Kuriositäten der heutigen Debatte mit:

Erstens bringt der Kollege Cap offenbar nach 40 Jahren hier im Parlament die Realität ein wenig durcheinander, sodass er plötzlich die Sozialdemokratie als Einbringer des Temelín-Volksbegehrens nennt. – Kollege Cap, ich verstehe das. Wenn man 40 Jahre lang nichts anderes als diesen Saal sieht, und das tagein, tagaus, verliert man wahr­scheinlich wirklich den Blick für das Wesentliche, für die Wahrheit. Wenn man von die­sem Pult der Republik aus von den „Leuten da draußen“ spricht und von den Lebens­umständen eigentlich keine Ahnung mehr hat, dann kann man schon die eine oder andere Zahl durcheinander bringen. Nur, Kollege Cap: Es ist heilbar. Dafür gibt es im Übrigen auch Mediziner – oder die Frühpension. Das müssten Sie selbst entscheiden. (Beifall beim BZÖ.)

Die zweite Kuriosität des heutigen Tages: Der Vortrag des selbsternannten Savonarola der Republik, Peter Pilz, hat mir sehr gut gefallen, aber eine Antwort hat mir gefehlt. Ihre Kolleginnen und Kollegen haben heute alle T-Shirts, wo etwas von der „Gläsernen Parteikasse“ der Grünen draufsteht, von Parteispenden, Parteiförderung, Mitgliedsbei­trägen. Ich habe erstens überall die 220 000 € vom Herrn Kollegen Van der Bellen als jährliche illegale Parteispende der Stadt Wien für Rot und Grün vermisst, und das Zweite, was ich vermisst habe (Abg. Strache: Die Langthaler, die vom Hochegger was kassiert hat!) – bitte hört auf mit den Zwischenrufen! –, war diese Parteispende von Peek & Cloppenburg. Ich nehme aber an, das waren die grauslichen T-Shirts, die ihr von dort bekommen habt.

Ansonsten ist mir an der heutigen Debatte nur aufgefallen, dass die Wortbeiträge von Rot und Schwarz durch nichts außer Abgehobenheit gekennzeichnet waren. Sie kom­men hier heraus, reden über die direkte Demokratie, über Bürgerbeteiligung, und fast wie beim Oktoberfest sagen Sie: Die Leute da draußen verstehen das nicht!, und: Das kann man ihnen nicht zumuten!, statt dass Sie endlich wieder Ihre Aufgabe als Volks­vertreter ernst nehmen. Sie vertreten sich ja nicht selbst, sondern Sie vertreten die Be­völkerung, die es schaudert, dass sie in der Republik Österreich des Jahres 2011 ent­rechtet wurde, sehr geehrte Damen und Herren!

Sie beschließen den Rettungsschirm und versenken 21 Milliarden € in Griechenland. (Abg. Strache: 29 Milliarden! Mit Zinsen 29 Milliarden!) Sie verweigern den Menschen eine Mitbestimmung beim Ausstieg aus EURATOM. Sie lassen sie nicht mitbestimmen, wenn es darum geht, im Rahmen einer Verwaltungsreform endlich 21 Sozialversiche­rungsanstalten zusammenzulegen, damit es zu keinen Beitragserhöhungen kommt. (Beifall beim BZÖ.)

Sie haben die Weisheit mit dem Löffel „gefressen“, meinen Sie, und dass die Demo­kratie dem Bürger nichts wert sei. Ich sage Ihnen: Wahlen alleine, sehr geehrte Damen und Herren, machen noch keine Demokratie!

Die Geschäftsführerin der SPÖ, Rudas, fordert nach Manier der Zentralsekretäre der KPdSU allen Ernstes, dass 26 Prozent für die Sozialdemokratie automatisch eine Mehrheit von knapp 50 Prozent in diesem Land bedeuten, obwohl, sehr geehrte Frau Kollegin, 74 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mit Ihrer Partei aber über­haupt nichts mehr anfangen können! (Beifall beim BZÖ.)

Das zeigt doch Ihren Zugang zur Demokratie. Sie treten die Demokratie mit Füßen, um Ihr System des rot-schwarzen Nehmertums pragmatisieren zu können! Ich weiß schon,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 46

Sie „haben“ es mit den Beamten, aber dennoch leben wir in einer Demokratie, in der gewählt werden muss und auch die Bevölkerung eingebunden werden muss.

Seit 1964 haben wir in Österreich insgesamt 34 Volksbegehren gehabt. 31 haben zu einer Behandlung in diesem Parlament geführt – 31 Volksbegehren haben Sie schubla­disiert. Diese 31 Volksbegehren, die seit 1964 beschlossen worden sind, wurden von 14 255 000 Österreicherinnen und Österreichern unterschrieben. Sie haben die Mei­nung, die Stimme von mehr als 14 Millionen Österreicherinnen und Österreichern in den letzten vier Jahrzehnten schlichtweg negiert und trauen sich, hier von Demokratie zu sprechen?!

Wir wollen direkte Demokratie. Wir fürchten uns nicht vor Volksabstimmungen wie in der Schweiz. Wir fürchten uns nicht vor der Intellektualität der Bürger, denn um diese geht es, nicht um Ihre sich sozusagen selbst verliehene Intellektualität. Die Menschen haben genügend Hausverstand (Beifall beim BZÖ), die Menschen haben genügend Logik, um ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen zu können, statt sie einer Nacht­wächter-Regierung auf dieser Regierungsbank zu überantworten.

Daher bringe ich den Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef Bucher, Kolle­ginnen und Kollegen betreffend mehr Mitsprache und direkte Demokratie durch „Inter­net-Volksbegehren“ ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Geset­zesentwurf vorzulegen, der sogenannte ‘Internet-Volksbegehren’ ermöglicht und wel­cher insbesondere auch folgende Punkte enthält.

1. Möglichkeit für alle wahlberechtigten Österreicher über die Homepage des österrei­chischen Parlaments Volksbegehren zu starten und zu unterstützen,

2. Verpflichtende Behandlung derartiger Volksbegehren im Parlament ab 100.000 Un­terstützern, verpflichtende Volksabstimmung über derartige Volksbegehren ab 400.000 Unterzeichnern,

3. Unterstützung soll auch über allgemein zugängige, öffentliche Endgeräte bei öffentli­chen Stellen abgegeben werden können,

4. Vorprüfung der Anträge durch eine unabhängige Expertenkommission anhand von klaren Kriterien, um beispielsweise verhetzende und diskriminierende Forderungen auszufiltern.“

*****

Wenn Sie wirklich von Demokratie, wenn Sie wirklich von Bürgerbeteiligung sprechen, wenn Sie sich wirklich nicht vor den Bürgern dieses Landes fürchten, die Sie immer despektierlich „die da draußen“ nennen, wenn Sie wirklich, so wie wir, ein Bestandteil von „denen da draußen“ sind, dann stimmen Sie diesem Antrag heute zu. (Beifall beim BZÖ.)

15.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

des Abgeordneten Josef Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Mitspra­che und direkte Demokratie durch "Internet-Volksbegehren"


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 47

eingebracht in der 122. Sitzung des Nationalrates im Zuge der Debatte über den Dring­lichen Antrag der AbgzNR Strache an den Bundeskanzler betreffend die Abhaltung von Volksbefragungen

In Zeiten der Politikverdrossenheit braucht es, um gerade die junge Generation von der Sinnhaftigkeit politischen Agierens im Sinne einer demokratisch geprägten politischen Auseinandersetzung zu überzeugen, mehr Möglichkeiten zur Mitwirkung an den politi­schen Entscheidungsprozessen wie auch den verstärkten Einsatz von Mitteln der direkten Demokratie.

Eine moderne und schnelle, aber auch kostengünstige Gelegenheit die interessierten Bürger einzubinden bietet das mittlerweile schon weit verbreiteten Angebot der Tele­kommunikation, im konkreten das Internet.

Seit einer Woche wird engagierten Bürgern beispielsweise auf Initiative der Vorsit­zenden des Petitionsausschusses, der BZÖ-Abgeordneten Ursula Haubner, über die Homepage des österreichischen Parlaments die Möglichkeit geboten, online Petitionen und Bürgerinitiativen zu unterstützen.

Ein Blick über den Tellerrand der österreichischen Bürokratie gen Nordwesten der Eu­ropäischen Union zeigt uns aber, dass in Großbritannien darüber hinaus auch Volksbe­gehren über die Homepage des englischen Parlaments beantragt und unterstützt wer­den können. Ab 100.000 Unterschriften müssen diese sogar verpflichtend von der Volksvertretung diskutiert werden. In England gibt es klare Kriterien, welche Volksbe-gehren zugelassen werden, beispielsweise werden verhetzende oder diskriminierende Forderungen selbstverständlich ausgefiltert.

In Österreich soll dies eine unabhängige Expertenkommission prüfen und wie in Eng­land sollen auch bei uns alle abgewiesenen Begehren veröffentlicht werden, um für maximale Transparenz zu sorgen. Aktiv und passiv teilnahmeberechtigt sollen alle bei Nationalratswahlen wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher sein. Wer selbst über keinen Internetzugang verfügt, soll seine Unterstützung auch bei öffentli­chen Stellen abgeben können. Missbrauch wäre durch klare Teilnahmekriterien auszu­schließen; beispielsweise könnte die Nummer eines amtlichen Lichtbildausweises als Identifikationsnachweis neben Namen und Wohnort verlangt werden. Schriftliche An­bringen bei Behörden in jeder technisch möglichen Form zu übermitteln, ist bereits seit der AVG-Novelle 2008 (BGBl I 2008/5) Bestandteil unserer Rechtsordnung (vgl. im Einzelnen § 13 leg.cit.).

Konkret sollen also die Österreicherinnen und Österreicher die Möglichkeit bekommen, via Internet Volksbegehren zu starten und zu unterstützen. Das BZÖ verlangt, dass dieses "Internet-Volksbegehren" ab 100.000 Unterstützern verpflichtend im Parlament behandelt werden soll und es ab 400.000 Unterzeichnern eine verpflichtende Volksab­stimmung geben muss.

Wem direkte Demokratie ein Anliegen ist, wird von diesem Ansatz aus leicht die Mittel finden, die berechtigte Forderung nach einem "Internet-Volksbegehren" umzusetzen. Mit dem "Internet-Volksbegehren" des BZÖ wird auch der Druck auf die herrschende politische Kaste steigen, Politik vermehrt für die Menschen unseres Landes zu machen und nicht wie derzeit vordringlich für Banken und Lobbyisten.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

"Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat ehestmöglich einen Geset­zesentwurf vorzulegen, der sogenannte "Internet-Volksbegehren" ermöglicht und wel­cher insbesondere auch folgende Punkte enthält:


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 48

1. Möglichkeit für alle wahlberechtigten Österreicher über die Homepage des österrei­chischen Parlaments Volksbegehren zu starten und zu unterstützen,

2. Verpflichtende Behandlung derartiger Volksbegehren im Parlament ab 100.000 Un­terstützern, verpflichtende Volksabstimmung über derartige Volksbegehren ab 400.000 Unterzeichnern,

3. Unterstützung soll auch über allgemein zugängige, öffentliche Endgeräte bei öffentli­chen Stellen abgegeben werden können,

4. Vorprüfung der Anträge durch eine unabhängige Expertenkommission an Hand von klaren Kriterien, um beispielsweise verhetzende oder diskriminierende Forderungen auszufiltern."

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stefan. 6 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


15.17.40

Abgeordneter Mag. Harald Stefan (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Selten hat man gesehen, dass um ein Thema so herumgeeiert wird und versucht wird, das Thema der Sitzung völlig beiseite zu schieben, wie das Rot, Schwarz und auch Grün heute getan haben.

Bei Rot und Schwarz sehe ich die blanke Angst, bei Grün ist es offenbar das schlechte Gewissen, denn sie wollen von ihren eigenen Themen plötzlich nichts mehr wissen. Wenn man Demokratie ernst nimmt – und das ist der Kern unseres heutigen Themas, und da können Sie noch so sehr versuchen, es wegzuschieben –, ist der Kern, dass das Recht vom Volk ausgeht und dass das Volk der Souverän ist. Und wenn man das ernst nimmt, dann muss letztendlich die Entscheidung eben vom Volk getroffen wer­den.

Herr Klubobmann Kopf hat uns hier erklärt, die Verfassung 1920 wurde etabliert, und da ist vorgesehen, dass es Wahlen gibt – und das ist es dann. Aber das Volk konnte niemals darüber entscheiden, wie es die Demokratie wünscht. Es hat nie darüber ent­schieden, und das ist der entscheidende Punkt, um den es heute hier geht. Und das ist genau das, was wir einfordern, dass nämlich das Volk entscheiden soll: Will es mehr direkte Demokratie? Welche Ausformung der indirekten Demokratie will es? Genau darum geht es hier, und das hier so „herunterzudodeln“ ist eine Unverschämtheit. (Bei­fall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Ich stelle einen entsprechenden Antrag, und wenn Sie ein bisschen Geduld haben, werden Sie ihn sofort hören. Sie wissen genau, dass wir das schon sehr oft hier debat­tiert haben und dass das ganz klare Ansichten und Forderungen der Freiheitlichen Par­tei sind, die schon wiederholt gestellt wurden. Denn: Nur zu behaupten, dass Wahlen letztendlich uns Mandatare und damit auch alle Entscheidungen rechtfertigen würden, ist sehr kühn, das ist viel zu weit gegriffen. Daher ist es auch sehr wichtig, dass wir hier diese grundsätzliche Frage des Initiativrechts des Volkes zur Debatte stellen und dass wir das Volk darüber entscheiden lassen, wie es letztendlich diesen Staat und die De­mokratie ausgestaltet haben will. (Beifall bei der FPÖ.)

Jedem Argument gegen direkte Demokratie, das wir hier gehört haben, ist entgegenzu­halten, dass nur das Volk selbst darüber zu entscheiden hat, wie direkte Demokratie auszuschauen hat. Das haben nicht Sie als Abgeordnete in letzter Konsequenz zu ent­scheiden. Und genau das ist der Fehler, diese Abgehobenheit, hier immer wieder zu sagen: Was würde denn dabei herauskommen? Da würde es entsetzliche Abstimmun­


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gen geben: Freibier für alle und Abschaffung der Steuern! Das ist ja das, was Sie uns hier einreden wollen: Dass das Volk so dumm ist. Und diese bornierte Abgehobenheit ist in Wirklichkeit die größte Sauerei! (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn wir uns mit der Politikverdrossenheit befassen – und das müssen gerade die Parteien, die so sehr am absteigenden Ast sind wie SPÖ und ÖVP –, verstehe ich auch, dass der Kollege Gerstl sich so intensiv mit der FPÖ beschäftigt hat. Als Wiener ÖVP-Abgeordneter würde ich mir auch einmal anschauen, wie die FPÖ das macht, um Erfolge zu haben.

Man muss doch erkennen, dass es in Österreich ein massives Problem gibt und dass die Bevölkerung sich letztendlich auch von uns hier nicht wirklich vertreten fühlt.

Wenn Kollege Kickl vom „Darüberfahren“ gesprochen hat, dann hat er nicht gesagt, dass das keine Demokratie ist, was hier abläuft, sondern er hat gesagt, dass es immer wieder Entscheidungen gibt, wo die Meinung der überwiegenden Mehrheit der Bevöl­kerung diametral dem entgegensteht, was hier abgestimmt wird. Das nennen wir Darü­berfahren, und da muss in der Sache entschieden werden können. (Beifall bei der FPÖ.)

Dass es in der Schweiz eine ganz andere Identifikation mit dem Staat und mit dem Ge­meinwesen gibt, das ist doch evident. Darüber brauchen wir doch jetzt nicht zu disku­tieren. Und dass man daher dort Anleihen nimmt, ist doch auch ein absolut sinnvoller Ansatz.

Ich bringe daher den entsprechenden Entschließungsantrag ein:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Art. 49b B-VG einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung über den Ausbau der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild zur Beschlussfassung vorzulegen.“

*****

Genau das ist der entscheidende Punkt: Dass wir hier das Volk befragen, dass wir hier letztendlich dann auch das Initiativrecht des Volkes etablieren und dann einmal das Volk entscheiden lassen, wie es tatsächlich dieses Staatswesen will. Das ist jedenfalls im Sinne der Demokratie, und das ist jedenfalls im Sinne dieses Staates. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich höre schon das Argument – es ist ja jetzt schon angeklungen –, es muss einen Ka­talog der Themen geben, über die nicht abgestimmt werden darf. Ja, wenn es so ei­nen Katalog geben soll, dann soll das Volk diesen Katalog beschließen! Das ist nicht eine Frage der politischen Korrektheit oder die Aufgabe von irgendwelchen abgeho­benen Abgeordneten, einen solchen Katalog zu erstellen, sondern das Volk, der Sou­verän, hat zu entscheiden, wie dieser Katalog aussehen soll.

Letztendlich ist ja der entscheidende Punkt, dass wir die Demokratie in Österreich wei­terentwickeln und der Bevölkerung die Möglichkeit geben, in Sachfragen selbstständig zu entscheiden, und zwar nicht immer nur, so wie bisher, aufgrund einer Gnade des Parlaments, indem wir vielleicht gnädig eine Volksbefragung, allenfalls gnädig eine Volksabstimmung gestatten. Nein! Es muss hier der Souverän von sich aus die Mög­lichkeit haben, aktiv zu werden. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich weiß nicht, welche Angst hier umgeht. Ich bin mir sicher, dass das Volk auch – viel­leicht nicht konkret einige der Abgeordneten hier und auch nicht der Regierungsmitglie­der – indirekte Demokratie wünscht, und es will vor allem verantwortungsvolle Politiker. Und ein verantwortungsvoller Politiker ist einer, der einerseits zwar Entscheidungen


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trifft, aber der auch Manns oder Frau genug ist und sich traut, in einer entscheidenden Sache auch das Volk zu befragen. Das sind die wirklich verantwortungsvollen Politiker, wie das Volk sie sich wünscht. (Beifall bei der FPÖ.)

Entwickeln wir also die Demokratie in Österreich weiter, beziehen wir das Volk tatsäch­lich auch in Sachentscheidungen mit ein! Das würde auf jeden Fall das Ansehen der Politik heben, den Zusammenhalt in der Bevölkerung und die Identifikation auch mit dem Staat und mit dem Gemeinwesen verbessern und damit Österreich jedenfalls bes­ser auf die Zukunft vorbereiten. (Beifall bei der FPÖ.)

15.24


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht ebenfalls mit zur Diskussion.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Stefan und weiterer Abgeordneter betreffend den Ausbau der direkten Demokratie nach Schweizer Vorbild

Eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag des KO Strache in der 122. Sitzung des Nationalrates am 12.10.2011

Aus einer aktuellen Umfrage des IMAS-Instituts geht hervor, dass sich nur noch 5 % der Österreicher sehr stark für Politik interessieren. 21% interessieren sich „ziemlich stark“. Diesen stehen drei Viertel der Bevölkerung gegenüber, die das politische Ge­schehen kalt lässt. Noch nie habe sich die Bevölkerung so wenig für Politik interessiert, heißt es im IMAS-Report. Vor allem die 16- bis 29- Jährigen zeigen kaum Interesse am politischen Geschehen. Das höchste Interesse am innenpolitischen Geschehen hatte das IMAS-Institut im Jahr 2000 registriert.

Dazu passt, dass einer aktuellen OGM-Umfrage zufolge drei Viertel der Wahlberech­tigten wenig bis kein Vertrauen in die Politik haben. Es überrascht daher wenig, dass die Unzufriedenheit der Wähler mit der Regierung laut Gallup-Politbarometer einen neuen Höhepunkt erreicht hat. 85 % sind unzufrieden, nur 11 % bewerten die Regie­rungsarbeit positiv. Unter den Wiener Wählern sind nur mehr 5 % mit der Bundesre­gierung zufrieden, aber 93% (!) unzufrieden. Ein Negativrekord. Mittlerweile sprechen sich auch 51% für Neuwahlen aus, zumal die Bundesregierung nicht ansatzweise in der Lage ist, wichtigste Fragen richtungsweisend zu entscheiden. Bei den Jungen un­ter 30 sind es sogar 64%. Bei den Opinion Leadern 73 %.

Ein naheliegender Ausweg wäre die Inanspruchnahme der direkt demokratischen Rechtsinstitute. Diese sind aber nicht ausreichend bürgerfreundlich ausgestaltet. Im Vergleich zur Schweiz ist in Österreich eine fakultative Volksabstimmung nur möglich, wenn diese der Nationalrat beschließt oder die Mehrheit seiner Mitglieder verlangt (bei einfachen Bundesgesetzen) oder wenn ein Drittel seiner Mitglieder eine solche verlangt (bei einer Teiländerung der Bundesverfassung). Direktdemokratischer wäre es, wenn ein solches Verlangen auch direkt von Wahlberechtigten gestellt werden könnte.

Ebenso fremd ist der Österreichischen Verfassung das Rechtsinstitut der Volksinitia­tive. Diese hat den Vorteil, dass im Falle einer direktdemokratischen Gesetzesinitiative letztlich das Volk entscheidet, ob der Vorschlag Gesetz werden soll oder nicht. Beim Österreichischen Volksbegehren entscheidet letztlich immer der Nationalrat. Daher sollte das Staatsvolk zur Frage, ob die Limits für die direkte Demokratie in Österreich nach Schweizer Vorbild ausgestaltet werden sollen, im Wege einer Volksbefragung be­fragt werden.

Aus diesem Grunde stellen unterfertigte Abgeordnete folgenden:


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Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat gemäß Art. 49b B-VG einen Antrag betreffend die Abhaltung einer Volksbefragung über den Ausbau der direkten Demokratie in Österreich nach Schweizer Vorbild zur Beschlussfassung vorzulegen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abgeordneter Mag. Stadler zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die einschlägigen Be­stimmungen der Geschäftsordnung. – Bitte.

 


15.24.56

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Klub­obmann Cap wie auch Herr Abgeordneter Dr. Wittmann haben tatsachenwidrig be­hauptet, es hätte unter Haider keine Volksabstimmung und auch kein Volksbegehren zum Euro gegeben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Nein, das war Temelín, aber es kommt ja noch dicker.

Ich habe mir extra eine Kopie der damaligen Broschüre aus dem Jahre 1997 ausgeho­ben: „Kein EURO ohne Volksabstimmung!“ heißt es da auf der Titelseite.

Als weiteres Beispiel, Seite 8: „Auch für Österreich muss gelten: Kein EURO ohne Volksabstimmung!“

Und letztlich, damit Sie auch ein Bild davon haben, dass wir damals dieses Volksbe­gehren getragen haben: „Kein EURO ohne Volksabstimmung!“ – mit dem Bild der Frau Dr. Riess-Passer. (Abg. Silhavy: Das sieht man ja nicht!)

Das heißt, die Behauptung der beiden Abgeordneten ist tatsachenwidrig und unrichtig. (Beifall bei BZÖ und FPÖ.)

15.25


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Lueger. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


15.25.57

Abgeordnete Angela Lueger (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanz­ler! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kolleginnen und Kollegen! „Direkte Demokratie statt rot-schwarzem Reformstau“. – Schauen wir uns einmal an, wie Österreich im europäischen Vergleich dasteht. Was hat Österreich alles gemacht, damit wir so dastehen in einer Zeit, die sehr schwierig ist, in einer Zeit der Krise? (Abg. Dr. Glawischnig-Piesczek: Sie wollen ja eh alles beibehalten, nicht?)

Wir haben richtig reagiert, denn es wurden die Kaufkraft und die Konjunktur gestärkt und es wurde die Mittelschicht entlastet. Und wir können stolz darauf sein, dass Öster­reich ein soziales und ein sicheres Land ist. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Österreich hat mit 3,7 Prozent im EU-Vergleich die niedrigste Arbeitslosenquote. Der EU-Durchschnitt sind 9,5 Prozent. In puncto Sicherheit sind wir auf dem ersten Platz von 48 Industriestaaten. Bei der Jugendarbeitslosigkeit belegen wir Rang 2, bei der Kaufkraft Rang 4. Im Gesundheitsbereich liegen wir im europäischen Vergleich eben­falls auf Rang 4.

Wien hat im Rahmen der Mercer-Studie das zweite Mal einen Preis gewonnen. Wir wissen, die Mercer-Studie beurteilt die Lebensqualität. Verglichen wurden 221 Metro­polen auf der ganzen Welt, und wenn es in Wien so schlecht wäre, dann wäre Wien nicht zum zweiten Mal zur Stadt mit der höchsten Lebensqualität gewählt worden.


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Gleichzeitig gibt es auch einen Leistungsausweis und keinen Rückstand und keinen Stillstand. 320 Gesetze – und sie wurden heute hier zum Teil schon zitiert – haben wir beschlossen, damit Österreich so dasteht, wie es heute dasteht. Ich habe das Ganze noch auf zwölf Seiten zusammengefasst: Die Themenbereiche betreffen Wirtschaft, Fi­nanzen, Arbeit und Soziales, Gesundheit, Demokratie und Verwaltung. Diese zwölf Seiten mit dieser Menge an Gesetzen sollten Sie eigentlich kennen, Herr Strache, und wissen, dass wir sie hier so beschlossen haben, denn sie sind die Basis dessen, wie Österreich in der Zeit der Krise heute dasteht. (Beifall bei der SPÖ.)

Was Sie heute machen, ist Folgendes: Sie benutzen eine Umfrage für einen Antrag, über dessen Inhalt ich nichts mehr sagen möchte. Sie haben damals gesagt: Ich werde Bürgermeister. Sie haben damals gesagt: Ich werde Bundeskanzler. – Es hat nicht ge­klappt. (Ruf bei der ÖVP: Bürgermeister von Minimundus!) Es wird auch jetzt nicht klappen, aber Sie glauben, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Was Sie machen, ist ein absoluter Missbrauch der direkten Demokratie. Sie benutzen das Ganze für parteipolitische Zwecke, um selbst an die Macht zu kommen.

Und was diesen Antrag, den Sie hier zitieren, angeht, wonach 51 Prozent sich für Neu­wahlen aussprechen, möchte ich Sie nur an eine OGM-Umfrage aus dem Jahr 2002 erinnern: 61 Prozent sind gegen Schwarz-Blau. 2005: 57 Prozent sind gegen Schwarz-Blau. – Was haben Sie damals für Konsequenzen daraus gezogen? Haben Sie damals das Volk ernst genommen?

Sie spielen mit einer Volksbefragung, die sehr, sehr schlecht formuliert ist, die Ihnen zweckdienlich ist und nützlich erscheint, um Ihre rechtspopulistische Parteipolitik zu machen. (Abg. Strache: Haben Sie Angst vor dem Volk?) Ich habe keine Angst vor den Menschen draußen, sicherlich nicht.

Da Sie vom „Drüberfahren“ sprechen: Die Menschen haben sich damals nicht ge­wünscht, dass die Passgebühren um 100 Prozent erhöht wurden, die Gerichtsgebüh­ren um 100 Prozent erhöht wurden. Da haben Sie das Volk nicht befragt! (Abg. Stra­che: Wir wollen es jetzt! Sie verhindern es ja!) Das haben Sie damals in der Regierung mit beschlossen.

Wir haben in einer wirklich schwierigen Zeit viel zu tun und wir stellen uns auch der He­rausforderung gemeinsam mit dem Volk, aber mit anderen Mitteln, als Sie sie wählen. Wir machen unsere Politik in Zukunft verantwortungsvoll und sachlich und verbringen nicht unsere Zeit ausschließlich damit, Diskotheken zu besuchen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.30


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als nächste Rednerin gelangt Frau Abgeordnete Mag. Fuhrmann zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.30.25

Abgeordnete Mag. Silvia Fuhrmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Kollegin Lueger, ich möchte genau bei dem anschließen, was Sie gerade gesagt haben, und unterstreiche es fünfmal. Uns muss es nämlich – und wenn ich sage uns, dann meine ich die große Koalition, dann meine ich die SPÖ, aber auch die ÖVP – in Zukunft viel mehr darum gehen, konstruktiv und verantwortungsvoll dieses Land zu regieren. Denn wenn uns diese Sitzung heute eines gezeigt hat, dann ist es nicht, dass HC Strache der bessere Bundeskanzler ist, was er gerne wäre, das hat er uns in seinem Eingangsstatement auch gezeigt. Heute ist er nicht der Jeans tragende Rebell, sondern der Anzug tragen­de Bundeskanzler in spe, der er gerne wäre.

Das heißt, die Erkenntnis aus der heutigen Sitzung kann für uns nur sein, dass SPÖ und ÖVP, die die Verantwortung haben, noch mehr die Ärmel aufkrempeln müssen und sich noch mehr anstrengen müssen, um Lösungen für Probleme, die die Men­schen in diesem Land haben, anzubieten.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren und auch sehr geehrte Zuseher vor den Fern­sehschirmen, genau das werden wir tun, denn es gibt keinen einzigen Grund, zu glau­ben, dass HC Strache als populistischer Oppositionspolitiker Ideen dafür hat, wie man dieses Land regiert, und ich sage Ihnen auch, warum.

Wenn wir von einer Krise sprechen, sowohl was den Staatshaushalt in Österreich be­trifft als auch in der Europäischen Union, Stichwort Griechenland, dann ist es ein Leich­tes, zu sagen, wir sind dagegen. Ich vermisse allerdings die alternativen Konzepte, die ein zukünftiger Bundeskanzler hier auch auf den Tisch legt. Die gibt es nämlich nicht.

Man lernt in jedem Kommunikationsseminar, dass man als Vortragender, als Trainer gut ankommt, wenn man sagt, meine lieben Damen und Herren, sagt mir, was ihr wollt, und ich werde das tun, damit ihr glücklich seid. Dass man so allerdings kein Land re­gieren kann, das ist uns hoffentlich auch klar. Ich glaube, darauf muss man auch oft genug hinweisen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ihnen geht es nämlich nicht darum, in Österreich oder auch in Europa Probleme zu lö­sen. Sie sind berühmt geworden mit lustigen Sagern, die Sie plakatieren: „Unser Geld für unsere Leut“ oder der Euro-Rettungsschirm, den Sie als „Hoffnungs- und Knebel­schirm“ bezeichnet haben. Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein. (Abg. Dr. Strutz: Schwarz ist geil!) Das ist doch bloß Rhetorik.

Sie haben keine Lösung dafür, wie es mit der Finanzstabilität in der Euro-Zone aus­schauen würde, wenn wir nicht so gehandelt hätten, wie wir es letzte Woche be­schlossen haben. (Abg. Strache: Da haben Sie offenbar nicht zugehört!)

Sie haben keine Lösung dafür, wie man verhindern kann, dass auch finanziell gesunde Länder von dieser Finanzkrise angesteckt werden. Sie haben auch keine Lösung dafür, wie verhindert werden kann, dass noch gesunde Länder wie Spanien, wie Portugal ein derartiges Schicksal erleiden. (Abg. Strache: Die sind gesund?)

Sie haben auch nicht gesagt, was es für das europäische, was es für das österreichi­sche Wachstum, für die Beschäftigung bedeutet, wenn wir Griechenland in die Pleite schicken. (Abg. Strache: Da haben Sie nicht zugehört! Es gibt ganz konkrete Vor­schläge von uns!) Davon wollen Sie nicht reden. Aber gut, Sie wollen ja auch nicht Mit­glied der Europäischen Union sein. Wo sind denn nun Ihre Visionen? Wo sind denn Ih­re Pläne? – Die gibt es nicht.

Da ist es dreimal gescheiter, man setzt sich mit Themen, die auf der Tagesordnung sind, auseinander und versucht, diese auch zu bewältigen. Nur zu sagen, wir geben den Griechen das Geld nicht, was wir ja mit dem Gesetz, das wir in der vergangenen Woche beschlossen haben, nicht einmal getan haben, sondern wir haben die Haftung im Anlassfall beschlossen, bewegt genau gar nichts. Das löst auch die Griechenland­pleite nicht. Das Geld denen nicht zu geben ist keine Lösung, sondern die Lösung be­steht darin, die Griechen zu motivieren und ihnen auch eine Chance zu geben, länger als vorgesehen Reformen in die Wege zu leiten. (Abg. Strache: Das sehen aber die griechischen Bürger völlig anders!) Darum wird es gehen, und dafür treten wir von der ÖVP auch ein. (Beifall bei der ÖVP.)

Herr Strache, wenn Sie heute in einer Aussendung den slowakischen Parteien gratulie­ren und den Anstand der Politiker dort hervorheben, dann stellen Sie sich mit ihnen in dieselbe Ecke und sagen, eigene populistische Interessen gehen vor das Staatsziel, gehen auch vor europäischer Verantwortung. (Abg. Strache: Bürgerinteressen!) Für wen sind Sie jetzt? – Sind Sie für unsere Leute, sind Sie für Österreich oder sind Sie für die Slowakei? (Abg. Strache: Für die europäischen Bürger!) Sagen Sie, für wen sind Sie! – Für unsere Leute oder für die anderen? (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist höchst an der Zeit, dass wir auch Maßnahmen für den österreichischen Staats­haushalt treffen, mit der Schuldenbremse, die schon angekündigt ist, um so auch den


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Maastricht-Kriterien zu entsprechen. Aber es braucht auch Maßnahmen in Richtung Sicherung der Zukunft für die Jungen, Stichwort Generationengerechtigkeit, Generatio­nen-Scan für Gesetze, aber auch dafür, wie es künftig mit den Pensionen weitergehen soll.

Ich glaube, das, was die Sozialpartner vorgelegt haben, ist ein erster Schritt, 1,5 Milliar­den € sind ein Ansporn. Es muss in diese Richtung weitergehen.

Eines noch: Wenn Sie sagen, das Volk soll entscheiden, warum sind Sie dann gegen die Einführung von Studiengebühren? Aus Umfragen wissen wir, das Volk will die Stu­diengebühren. (Abg. Strache: Machen wir doch eine Abstimmung! Warum verhindern Sie die Volksabstimmung? – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.) Sie wollen das Volk befragen, obwohl Sie wissen, dass die Bevölkerung Studiengebühren will. Das, was Sie tun, ist scheinheilig, sonst würden Sie nämlich schon längst tun, was das Volk will. Scheinheilig sage ich nur, scheinheilig! (Beifall bei der ÖVP.)

15.36


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Musiol. 5 Minuten freiwillige Redezeitbeschränkung. – Bitte.

 


15.36.22

Abgeordnete Mag. Daniela Musiol (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Kolleginnen und Kollegen! Sehr ge­ehrte ZuseherInnen hier im Haus und zuhause, ganz speziell die Grippekranken, die vielleicht jetzt die Möglichkeit haben, uns einmal ausnahmsweise zu folgen. Ich bin ge­rade der Grippe entkommen. (Beifall des Abg. Kickl.)

Herr Kollege Grosz, bevor ich mich dem Thema widme: Nur weil Sie etwas mehrfach behaupten, wird es nicht wahrer. Tatsache ist, Kollege Van der Bellen ist seit der
Wahl 2010 Universitätsbeauftragter der Stadt Wien (Abg. Mag. Stadler: Wie viele Uni­versitäten hat die Stadt Wien?), und seinem Ressort steht ein Budget für Veranstaltun­gen, für Ressourcen, für Unterstützungen der universitären Institute zur Verfügung. Sie brauchen gar nicht zu versuchen, uns in ein Licht zu rücken, als wären die Grünen auch eine Partei, die Gelder nimmt, von wo auch immer. Das bleibt ganz schön bei Ih­nen. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Wir haben eindeutig weiße Hemden, auch wenn ich es jetzt oben gelassen und nicht angezogen habe.

Herr Kollege Stefan, ich habe Ihnen sehr genau zugehört. Und Ihnen persönlich glaube ich sogar, dass Sie das meinen, was Sie sagen, nämlich das Ziel, das Sie mit direkter Demokratie verbinden – Ihrer Partei nicht, aber das ist Ihr Problem. Ich muss Ihnen al­lerdings sagen, Sie haben zu einem absolut untauglichen Mittel gegriffen. Mit diesem Antrag, der von meinen KollegInnen schon hinreichend besprochen wurde, mit diesem Dringlichen Antrag dienen Sie der Diskussion über direkte Demokratie in keinem Fall, in wirklich keinem Fall, und Sie dienen auch nicht der Diskussion rund um die Frage Politikverdrossenheit oder Parteipolitikverdrossenheit.

Wir alle wissen, dass es hier in diesem Haus Menschen gibt, die nicht ganz klar von sich weisen können, dass in ihren Parteien nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Kol­lege Pilz hat Ihnen gerade die FPÖ-Parteifinanzen, die illegalen Parteifinanzierungen vorgehalten.

Wir alle wissen, dass es verurteilte Personen unter anderem in Ihrer Partei gibt, die es nicht für notwendig erachten, von ihren Ämtern zurückzutreten, sondern die sich als Opfer hochstilisieren. Und dann glauben Sie, dass wir nicht andere Probleme hätten, als direkte Demokratie als Gegenmittel zur Politikverdrossenheit zu holen? – Nein, wir müssen Korruption bekämpfen, man muss hier ganz klare Verhältnisse schaffen. Man muss untersuchen und aufklären und ganz klar Transparenz walten lassen. Nur das


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kann wirklich Parteipolitikverdrossenheit beseitigen, aber nicht direkte Demokratie. (Abg. Mag. Stefan: Beides!)

Direkte Demokratie muss eine Selbstverständlichkeit sein. Sie darf nicht Antwort auf Ir­ritationen in der Bevölkerung sein, weil Parteipolitik, so wie sie die Regierungsparteien, aber auch Sie in der FPÖ und auch das BZÖ hier repräsentieren, zu einer Verdrossen­heit führt, weil Sie absolut korruptionsanfällig agieren.

Parteipolitik braucht eine Ergänzung, und diese Ergänzung ist direkte Demokratie. Wenn Sie direkte Demokratie ernst meinen, dann meinen Sie sie immer ernst und nicht nur dann, wenn Ihnen Themen nicht recht sind! (Beifall bei den Grünen.)

Vor diesem Hintergrund ist es ganz klar, dass wir uns zu direkter Demokratie positio­nieren, wie wir das schon vor 25 Jahren getan haben. Die Grünen sind nahezu eine Partei, die aus Beteiligung, BürgerInnenbeteiligung und direkter Demokratie entstan­den ist. Und wir haben auch im Österreich-Konvent ganz klare Vorstellungen vorgelegt, die kamen von Ihren Parteien nicht.

Ganz im Gegenteil: Sie hatten dazu null Ideen. Und wenn Sie hier heute – wenn wir das ernst nehmen wollen – den Kampf für direkte Demokratie beginnen wollen, dann beginnen Sie aber auch in Ihren Gemeinden und Ihren Bezirksgruppen; weil diese re­gelmäßig Anträgen zur BürgerInnenbeteiligung, beispielsweise in Wien zur Einrichtung der Lokalen Agenda 21, in bestimmten Bezirken ablehnend gegenüberstehen, weil ih­nen die Inhalte nicht passen. Wenn Sie es ernst meinen, dann bitte von der Bezirks­ebene bis auf die nationale Ebene. (Beifall bei den Grünen.)

Was wollen wir jetzt genau? – Direkte Demokratie muss eine Ergänzung zu repräsen­tativer Demokratie sein. Daher haben wir einen Entschließungsantrag betreffend di­rekte Demokratie vorbereitet, der jetzt hier von mir eingebracht wird. Er wurde an Sie verteilt und hat folgende wesentliche Kernpunkte zum Inhalt:

Zum einen die zwingende Volksabstimmung nach ausreichend unterstützten Volksbe­gehren. Das heißt, wenn ein Volksbegehren eine bestimmte Anzahl von Stimmen er­hält, soll es die Möglichkeit geben, eine Volksabstimmung darüber abzuhalten. Denn es ist Tatsache, dass derzeit die Regelung bezüglich Volksbegehren unbefriedigend ist. Es ist heute schon erwähnt worden, 34 Volksbegehren wurden in der Zweiten Re­publik abgehalten, 31 davon haben die nötigen Stimmen erreicht und keines davon ist tatsächlich umgesetzt worden. Aber das bedeutet auch, dass es dazu die nötigen Rah­menbedingungen braucht.

Da braucht es Kostenersatz, da braucht es finanzielle Ausstattung von InitiatorInnen, es braucht Informationspflichten, durchaus nach dem Beispiel der Schweiz, wo man sogenannte Abstimmungsbücher hat. Das heißt, beide Parteien haben die Möglichkeit, im gleichen Ausmaß ihre Pros und Kontras darzulegen. Weiters braucht es Zeiten im öffentlich-rechtlichen Funk und Fernsehen, das heißt, es braucht Platz, um Informatio­nen durchgeben zu können.

Es ist aber auch klar, dass es da inhaltliche Grenzen geben muss. Herr Kollege Stefan, da muss ich Ihnen widersprechen. Grund- und Menschenrechte sind nicht verhandel­bar! Sie sind auch nicht abstimmbar, nicht von Mehrheiten niederstimmbar. Da liegt für mich ganz klar die Grenze von möglichen Abstimmungen und Volksbegehren. (Beifall bei den Grünen.)

Wir sprechen uns auch für ein Vetoreferendum aus. Sprich: Wenn ein Gesetz hier im Parlament erlassen wurde, soll eine bestimmte Anzahl von UnterstützerInnen die Mög­lichkeit haben, zu verlangen, dass dieses Vetoreferendum einer Volksabstimmung un­terzogen wird.

Wir sprechen uns auch dafür aus, dass das Volk sowie eine Minderheit im Parlament Volksbefragungen initiieren kann. Weiters – das unterscheidet uns von den Anträgen,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 56

die Sie hier heute eingebracht haben – sprechen wir uns dafür aus, dass alle Men­schen dort mitentscheiden können, wo sie leben. Das schließt nicht nur österreichische StaatsbürgerInnen, sondern auch MigrantInnen und EU-BürgerInnen ein. Auch für die­se Menschen fordern wir nicht nur das Wahlrecht, sondern auch das Recht, bei direkt-demokratischen Instrumenten mitzutun.

Wir werden diesen Herbst sehr intensiv über die Europäische BürgerInneninitiative dis­kutieren. Dort werden wir die Umsetzung in das nationale Recht noch sehr intensiv ver­handeln müssen. Diese Europäische Bürgerinitiative gibt Möglichkeiten, die das Volks­begehrengesetz jetzt noch nicht hat; und wir werden weiter dranbleiben, wenn es da­rum geht, das auch in die nationalen Instrumente umzusetzen.

Zu den Anträgen der Freiheitlichen zur Volksbefragung über den Ausbau: Es ist vom Verfassungsgerichtshof ganz klar ausgesprochen, dass ein etwaiger Ausbau über eine direkte Demokratie einer Volksabstimmung zu unterziehen ist. Also verstehe ich nicht, warum Sie da eine Volksbefragung, das viel schwächere Instrument, vorlagern wollen. Daher werden wir diesen Antrag ablehnen.

Den Anträgen des BZÖ werden wir zustimmen, weil sie in die gleiche Richtung wie un­ser Antrag gehen. Wir werden weiter für direkte Demokratie kämpfen! Wir werden aber auch weiter gegen Korruption und gegen Missbrauch in diesem Parlament kämpfen! (Beifall bei den Grünen.)

15.44


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt. Er wurde in den wesentlichen Grundzügen erläutert, ob seiner Länge gemäß § 53 Abs. 4 Geschäftsordnungsgesetz an die Abgeordneten bereits ver­teilt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Daniela Musiol, Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Direkte Demokratie

eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag in der Sondersitzung am
13. 10. 2011

Begründung

Zwingende Volksabstimmung nach ausreichend unterstütztem Volksbegehren und Ve­toreferendum

Österreich gehört gemäß dem Ratingbericht zu direktdemokratischen Verfahren und Praktiken 2002 des Initiative & Referendum Institute Europe zu den „Vorsichtigen“ und landet damit in der dritten von sechs Kategorien. Dies ist insbesondere dem Umstand geschuldet, dass das Volk zwar begehren kann, also Anliegen an das Parlament he­rantragen kann, aber eine Volksabstimmung über einen Gesetzesvorschlag (auch ei­nen des Volkes) nicht erzwingen kann. Damit liegt es allein in den Händen des Natio­nalrats, ob ein Volksbegehren, sei es auch noch so hoch unterstützt, umgesetzt wird. Viele UnterstützerInnen von Volksbegehren wurden dergestalt schon frustriert, viele BürgerInnen Österreich fühlen sich ohnmächtig gegenüber den gewählten Repräsen­tantInnen. Eine Ohnmacht, die im Verein mit den aktuellen Skandalen, in eine grund­sätzliche Demokratiefeindlichkeit münden kann. Das Bundes-Verfassungsgesetz sollte daher seinem ersten Artikel – „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ - auch echte Angebote zur Mitwirkung folgen lassen.


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BürgerInnen sollen ein Gesetz initiieren und - bei entsprechend hoher Unterstützung – auch darüber abstimmen können. Eine solche „Volksgesetzgebung“ darf den Grund- und Menschenrechten nicht widersprechen und muss der Zuständigkeitsverteilung zwi­schen der Europäischen Union und Österreich folgen. Mit einem amtlichen Abstim­mungsbuch und anderen Instrumenten muss eine sachliche Auseinandersetzung und ein Informationsgleichgewicht sichergestellt werden. Die Zahl der UnterstützerInnen, die eine Volksabstimmung auslösen, sollte sich an den Hürden der repräsentativen De­mokratie orientieren (wie zB der für den Einzug im Nationalrat notwendigen Stimmen­anzahl). Abhängig soll diese Zahl auch davon sein, wie sehr die Unterstützungsleistung gegenüber dem Status quo erleichtert wird. Derzeit müssen UnterstützerInnen vor dem Gemeindeamt die Unterschrift leisten, Unterstützungen online oder per Brief sind nicht möglich. Ebenso sollte eine Volksabstimmung aus Anlass eines Volksbegehrens erst ab einer bestimmten Mindestteilnahme verbindlich sein. Dieses direkt-demokratische Instrument sollte auch für die Landesebene vorgesehen werden.

BürgerInnen sollen weiters das Recht haben, auf Bundes- und auf Landesebene inner­halb einer bestimmten Frist eine Volksabstimmung über einen gefassten Gesetzesbe­schluss auszulösen (Vetoreferendum). Wird der Gesetzesbeschluss in der Volksab­stimmung nicht mit der unbedingten Mehrheit der abgegebenen Stimmen bestätigt, so tritt er nicht in Kraft. Hinsichtlich der notwendigen Zahl an Unterstützungen und den in­haltlichen Voraussetzungen gilt das oben Gesagte.

Derartige Änderungen des Bundes-Verfassungsgesetzes müssten gemäß Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 28. 6. 2001 (G 103/00) einer Volksabstimmung un­terzogen und von der unbedingten Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen bestätigt werden.

Die Grünen haben bereits 1987 einen Antrag für eine durch Volksbegehren ausgelöste Volksabstimmung eingebracht (Antrag der Abg. Blau-Meissner und Freunde, Nr 68/A vom 4. Juni 1987). Ebenso wurde im Österreich-Konvent 2003 – 2005 mittels Textvor­schlägen ein Ausbau direkt-demokratischer Rechte (siehe www.konvent.gv.at) gefor­dert.

Andere verfassungsrechtliche Erweiterungen direkt-demokratischer Rechte

Das Volksbegehren muss derzeit eine durch Bundesgesetz zu regelnde Angelegenheit betreffen. Volksbegehren sollen sich auch auf Vollzugsakte richten können, dh auf die Erlassung einer Verordnung, allenfalls auch regionale Verordnungen wie etwa einen Maßnahmenplan nach dem Immissionsschutzgesetz-Luft und auf Einzelakte. Es ver­steht sich von selbst, dass derartige Begehren nur gesetzeskonforme Vollzugsakte ver­langen können. Mit dem Beitritt zur Union ist für die Mitglieder der Bundesregierung ei­ne weitere Handlungsebene hinzukommen, die Mitwirkung an der europäischen Norm­setzung im Europäischen Rat und im Rat. Auch auf dieses Handeln sollten sich Volks­begehren beziehen können. Dies alles wird gleichermaßen auch für Volksbefragungen gefordert. Klargestellt wird, dass über derartige Volksbegehren, die keinen Gesetzes­text zum Gegenstand haben, keine Volksabstimmung ausgelöst werden kann.

Seit Einführung der Volksbefragung 1988 wurde noch keine solche durchgeführt. Das Ergebnis der Volksbefragung ist unverbindlich. Sie kann derzeit nur von den Regieren­den ausgelöst werden (Beschluss des Nationalrats auf Antrag von NR-Abgeordneten oder der Bundesregierung). BürgerInnen sollen eine Volksbefragung initiieren können, um diese Schieflage zu beenden.

Die Anfechtung von Ergebnissen von Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volks­befragungen beim Verfassungsgerichtshof ist derzeit nur für die direktdemokratischen Instrumente auf Bundesebene vorgesehen. Auch wenn der Verfassungsgerichtshof solche Anfechtungen auch für die Landes- und Gemeindeebene zugelassen hat, ist


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eine explizite Regelung in der Verfassung wünschenswert. Da der Rechtsschutz für die InitiatorInnen von direkt-demokratischen Instrumenten in den Ländern völlig unter­schiedlich geregelt ist, sollte das Bundes-Verfassungsgesetz ein Mindestniveau sicher­stellen.

Andere (einfachgesetzliche) Verbesserungen des Volksbegehrens

Wie schon oben erwähnt, soll die Unterstützung von Volksbegehren und die Teilnahme an Volksbefragungen erleichtert werden. Während im Wahlrecht 2007 die Briefwahl zu­gelassen wurde, müssen die BürgerInnen bei Volksbegehren und Volksbefragungen jedenfalls vor dem Gemeindeamt erscheinen. Die Brief- und auch die online-Unterstüt­zung sollte ermöglicht werden.

Wir fordern seit Jahren, dass Menschen unabhängig von der Staatsbürgerschaft dort politisch mitentscheiden können, wo sie leben. Das muss auf Wahlen (etwa das kom­munale Wahlrecht für MigrantInnen) aber auch auf direkt-demokratische Instrumente zutreffen. EU-BürgerInnen sollten jedenfalls so weit wie möglich zu direkt-demokrati­schen Instrumenten Zugang haben.

In der Schweiz ist es Initiativen auf Bundesebene erlaubt, 18 Monate die notwendigen 100.000 Unterschriften zu sammeln. In den deutschen Bundesländern beträgt die (amt­liche) Eintragungsfrist für Volksbegehren zwischen 14 Tagen und 6 Monaten (Stand Oktober 2006, nach Gerald Häfner, Erfahrungen, Stand und Perspektiven der direkten Demokratie in Deutschland und Österreich, in: Jos Verhulst & Arjen Nijeboer, Direkte Demokratie (2007)). Gemäß dem österr. Volksbegehrensgesetz beträgt die Frist nur
8 Tage. Die Eintragungsfrist sollte aber mindestens vierzehn Tage betragen.

Volksbegehren sind eine Bereicherung der Demokratie. Die Regierenden müssen die­se Herausforderungen konstruktiv annehmen und das Volk auch in die Lage versetzen, sich zu artikulieren und zu vernetzen sowie über ihr Begehr zu informieren. Den Initia­torInnen des Volksbegehrens sollte daher eine entsprechende Kostenrückerstattung im Verhältnis zur Zahl der Unterstützungen analog zur Wahlkampfkostenerstattung zuste­hen. Formen der (partiellen) Rückerstattung (bzw. Vorfinanzierung) im Falle von Initiati­ven und Abstimmungen existieren in einer Reihe von Staaten, u.a. in Spanien, Polen, Schweden und in einzelnen Bundesländern Deutschlands. Auch in Österreich gibt es eine Kostenrückerstattung für erfolgreiche VB. Dieser Pauschalbetrag macht über € 10.000,-- aus, unabhängig davon wie viele Unterstützungen das VB erreicht hat.

Der Wert direktdemokratischer Instrumente hängt wesentlich von einer sachlichen Be­richterstattung und Diskussion ab. Aus diesem Grund sollten Instrumente entwickelt werden, um die sachliche Berichterstattung in den Medien zu befördern. Jedenfalls sollte bei Volksabstimmungen generell eine Pro und Contra-Broschüre nach dem Schweizer Vorbild (Abstimmungsbuch) verpflichtend werden. Ähnliches muss für das Volksbegehren und die Volksbefragung geschaffen werden.

Vorgaben für das Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative

Die Verordnung über die Bürgerinitiative vom 16. Feber 2011 gilt ab 1. April 2012. Bis zu diesem Zeitpunkt muss auch für Österreich ein Begleitgesetz beschlossen und in Kraft gesetzt werden. Aus grüner Sicht sollte die Sammlung von Unterschriften mög­lichst einfach sein und für die InitiatorInnen – wie auch bei Volksbegehren derzeit schon bestehend – ein Kostenersatz vorgesehen werden. Die Vorgaben der VO zur Si­cherung des Datenschutzes sollten effektiv umgesetzt werden.

Im Zuge der Behandlung der entsprechenden Regierungsvorlagen wird auch die Ge­schäftsordnung des Parlaments zu ändern sein, um die online-Unterstützung der parla­mentarischen Bürgerinitiative (§§ 100 ff GOGNR) sowie die verpflichtende Beiziehung der VertreterInnen einer ausreichend unterstützten parlamentarischen Bürgerinitiative zu den parlamentarischen Beratungen vorzusehen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 59

Die Grünen treten weiters dafür ein, dass auch auf europäischer Ebene Volksabstim­mungen vorgesehen werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler und die Bundesministerin für Inneres, wird aufgefordert

1. zur Erweiterung der direkt-demokratischen Instrumente dem Parlament einen Ent­wurf zur Novellierung des Bundes-Verfassungsgesetzes vorzulegen,

a) damit auf Bundes- und auf Landesebene ausreichend unterstützte Volksbegehren in Form eines Gesetzestextes zwingend einer Volksabstimmung unterzogen werden müssen, wobei sicherzustellen ist, dass die Grund- und Menschenrechte sowie die Zu­ständigkeitsverteilung zwischen Europäischer Union und Österreich beachtet werden; für die Verbindlichkeit der Volksabstimmung ist ein Mindestteilnahmequorum festzule­gen,

b) damit auf Bundes- und auf Landesebene BürgerInnen das Recht erhalten, innerhalb einer bestimmten Frist die Abhaltung einer Volksabstimmung über einen gefassten Ge­setzesbeschluss zu verlangen (Vetoreferendum), wobei sicherzustellen ist, dass die Grund- und Menschenrechte sowie die Zuständigkeitsverteilung zwischen Europäi­scher Union und Österreich beachtet werden; für die Verbindlichkeit der Volksabstim­mung ist ein Mindestteilnahmequorum festzulegen,

c) damit Volksbegehren auch auf Vollzugsakte (unter Beachtung der Gesetze) bzw auf die Positionierung Österreichs im Europäischen Rat und im Rat gerichtet werden kön­nen,

d) damit Volksbefragungen auch vom Volk initiiert werden können und sich auch auf Vollzugsakte beziehen können,

e) um die Anfechtung von Ergebnissen von Volksabstimmungen, Volksbegehren und Volksbefragungen der Landes- und Gemeindeebene vor dem Verfassungsgerichtshof explizit in das Bundes-Verfassungsgesetz aufzunehmen und

f) um einen effektiven Rechtsschutz bei Ablehnung der Einleitung direkt- demokrati­scher Instrumente der Gemeinde- und Landesebene (durch die Behörde) sicherzustel­len,

2. zur Umsetzung der vorhin umrissenen Verfassungsnovelle auf einfachgesetzlicher Ebene sowie zur erleichterten Inanspruchnahme direkt-demokratischer Instrumente und zur Förderung einer sachlichen Auseinandersetzung dem Nationalrat einen Ent­wurf zur Novellierung des Volksabstimmungsgesetzes, des Volksbegehrensgesetzes und des Volksbefragungsgesetzes vorzulegen,

a) damit Volksbegehren und Volksbefragungen auch per Brief und online durchgeführt werden können,

b) damit zu Volksbegehren und -befragungen auch EU-BürgerInnen mit Wohnsitz in Österreich zugelassen werden,

c) um die Auflagefrist für Volksbegehren von derzeit acht auf vierzehn Tage zu verlän­gern,

d) um die finanzielle Unterstützung von Volksbegehren und Volksbefragungen (für Ini­tiierung und Information) zu verbessern,


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e) um eine faire und ausreichende Berichterstattung über Volksabstimmungen, Volks­begehren und Volksbefragungen zu befördern und

f) um für Volksabstimmungen ein amtliches Abstimmungsbuch (mit sachlichen Pro und Contra-Informationen unter Mitwirkung der InitiatorInnen) sicherzustellen,

3. beim Entwurf für ein Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative sicherzustellen, dass

a) die Sammlung der Unterschriften möglichst einfach ist,

b) wirksame Garantien zum Schutz von Daten sichergestellt werden und

c) eine finanzielle Unterstützung für die Einbringung einer europäischen Bürgerinitiative und die Sammlung der Unterschriften sowie die Information über das Begehren vorge­sehen wird.

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Stadler. 5 Minuten Redezeit sind eingestellt. – Bitte.

 


15.45.03

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundes­kanzler! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Wenn Kollege Wittmann – wo ist er denn? – am Antrag der FPÖ bemängelt, dieser sei intellektuell nicht hoch ste­hend (Zwischenruf: Da hat er recht gehabt!), und der Neo-Abgeordnete Gerstl dann noch eine Verfassungsrechtslesung versucht, nämlich mit dem Postulat: “Lernen Sie die österreichische Bundesverfassung!“, dann hätte man erwartet, dass wenigstens ein verfassungsrechtliches Argument kommt – auch von einem Obmann des Verfassungs­ausschusses, Herr Kollege Wittmann.

Der Antrag der FPÖ ist tatsächlich verfassungswidrig. Meine Damen und Herren, so sehr wir das Anliegen unterstützen, aber man kann de lege lata über bereits existie­rende Regelungen keine Volksbefragung durchführen. Das geht nicht! (Abg. Strache: Die Verfassung kann man ändern!) – Das sieht unsere Bundesverfassung für Ände­rungsvorschläge vor, aber nicht für Beibehaltungen – dreimal Beibehaltung, das geht nicht. Das ist in der Lehre und in der Wissenschaft ganz eindeutig und ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Art. 49b. Im Übrigen sage ich dazu, dass ich über die Frage Transferunion, EFSF oder ESM eine Volksabstimmung haben möchte.

Ihr hingegen verlangt nur eine unverbindliche Volksbefragung. Daher werden wir, ob­wohl wir das Anliegen grundsätzlich unterstützen, diesen Antrag nicht unterstützen können, er ist eben tatsächlich verfassungswidrig. Wobei ich mir von dir, lieber Kollege Peter Wittmann, erwartet hätte, dass du ein verfassungsrechtliches Argument ein­bringst – und nicht nur eine Suada von politischen Presseaussendungen der sozialisti­schen Korrespondenz, das ist, bitte, zu wenig gewesen. Wenn man das Verfassungs­recht bemüht, sollte man auch verfassungsrechtliche Argumente haben. Das war aber nicht der Fall. (Beifall beim BZÖ.)

Das Gleiche gilt für den nächsten Antrag, Herr Kollege Stefan. Der Antrag des Kolle­gen Stefan sieht vor, dass die Bundesregierung uns, dem Nationalrat, einen Text, ei­nen Antrag vorlegen soll, damit wir beschließen können, dass eine Volksbefragung über mehr direkte Demokratie durchgeführt wird.

Nach Artikel 49b kann das, Herr Kollege Stefan, jedes einzelne Mitglied tun. Du kannst alleine machen, was du von der Bundesregierung verlangst. Warum also stellst du den Antrag nicht? Art. 49b sieht vor, dass ein einziges Mitglied dieses Hohen Hauses das machen kann, was Kollege Stefan von der Bundesregierung haben will. Ich brauche


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die Bundesregierung doch nicht dazu, dass sie macht, was ich alleine machen kann. Daher verstehe ich das nicht. Daher werden wir auch diesen Antrag ablehnen. So sehr wir das Anliegen grundsätzlich unterstützen, ist es einfach verfassungsrechtlich unsin­nig.

Ich weiß nicht, wer bei euch diese Anträge geschrieben hat, aber sie sind jedenfalls nicht von der Qualität, die man bei einer derartigen Debatte erwarten müsste. (Abg. Bucher: Wir haben eigene!) – Ich komme gleich dazu.

Nächstes verfassungsrechtliches Argument – ja, von den Grünen. Ich habe nicht schlecht gestaunt. Was verlangt ihr?  Ein Volksbegehren auch über Vollzugsakte. Das heißt, wir verlangen in Zukunft, Volksbegehren über Asylbescheide (Abg. Kopf: Straf­mandate!) – oder Strafmandate. Na, wunderbar, das hat eine neue Qualität, das ist nicht von schlechten Eltern! (Abg. Kopf: Auf das habe ich schon lange gewartet!)

Dann: Volksbefragungen sollen in Zukunft vom Volk initiiert werden können, auch über Vollzugsakte. Was glaubt ihr, was die FPÖ da mit Asylbescheiden machen würde? – ich übrigens auch, das sage ich gleich dazu. Also das ist wirklich eine gefährliche Dro­hung. Dann werden wir auch darüber entscheiden, ob ihr sozusagen eine Baubewilli­gung bekommt oder nicht. (Heiterkeit beim BZÖ.)

Jetzt kommt’s noch viel dicker: Anfechtung von Ergebnissen von Volksabstimmungen. Das heißt, wenn das Volk einmal entschieden hat, dann gibt es die Grünen und die fechten das an. Ich möchte einmal wissen, ob dann der Verfassungsgerichtshof gegen das Volk entscheidet. Das ist wirklich ein starkes Stück, starker Tobak. Das werden wir natürlich nicht mittragen, es ist verfassungsrechtlicher Unsinn.

Nun zu Ihnen, Herr Bundeskanzler. Ich möchte Ihnen Ihren Brief in Erinnerung rufen. Sie haben im Juni 2008 wörtlich an die „Kronen Zeitung“ Folgendes geschrieben – ich zitiere: „Auch in Österreich besteht gegenwärtig eine weit verbreitete Skepsis gegen­über der EU.“ – Vollkommen richtig, Herr Bundeskanzler. – „(...) begegnen wir heute ei­ner Stimmung der Verunsicherung und manchmal auch Ablehnung.“ – Der Herr Bun­deskanzler war ein Visionär. – „Viele Menschen beklagen das Demokratiedefizit der EU und die mangelnde Transparenz.“ – Wie recht er doch hatte!

Dann kommt die große Ankündigung, ich zitiere Werner Faymann: „Auf der Basis einer kontinuierlichen Information und einer offenen Diskussion sind wir der Meinung,“ – ge­meint ist nicht wir, Werner Faymann von Gottes Gnaden, sondern wir, die Sozialdemo­kratie – „dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen be­rühren,“ – berühren, nicht einmal beeinträchtigen – „durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen. Sollte also ein geänderter Reformvertrag neuer­lich von Österreich ratifiziert werden müssen, so wollen wir den Koalitionspartner von dieser Vorgangsweise überzeugen.“ (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Kollege Kopf, wie stark war denn die Überzeugungsarbeit, die der Herr Faymann geleistet hat? (Zwi­schenruf des Abg. Kopf.) – Ah, ist bei Ihnen nicht angekommen. Gut, da hat er schon das erste Mal sein eigenes Wort gebrochen, zu diesem Satz.

Und jetzt kommt es:

„Dies gilt auch für einen möglichen Beitritt der Türkei, ...“ – „auch“ heißt, dass er natür­lich in allen anderen Fragen auch gilt, die, ich zitiere noch einmal Werner Faymann – „österreichische Interessen berühren“.

Herr Bundeskanzler, wenn es um Milliarden geht – jetzt wieder zum ESM –, dann kann man doch wohl getrost davon ausgehen – und da werden mir alle Fernsehzuschauer recht geben –, dass da österreichische Interessen, und ich zitiere wörtlich, „berührt“ sind.

Ich schaue mir auch an, wie Sie der österreichischen Öffentlichkeit eine Volksabstim­mung über die Vorschläge, die Merkel und Sarkozy jetzt ausgemacht haben, vorschla­


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 62

gen werden, weil „wir“  – und da meint er die Sozialdemokratie, denn er redet ja nicht im Pluralis Majestatis, das glaube ich nicht. (Abg. Grosz: Na, wer weiß?) – Wer weiß, ja, aber ich glaube es nicht. Er geht also davon aus, dass die SPÖ dann eine Volksab­stimmung verlangen wird. Wir werden sehr bald schon den Testfall haben.

Bei den bisherigen Testfällen, Herr Bundeskanzler, sind Sie wortbrüchig geworden – es sei denn, dass dieser Brief nur für den Herausgeber Dichand gegolten hat. Erklären Sie, bitte, dem Hohen Haus heute, ob dieser Brief für die österreichische Bevölkerung gedacht war oder ob dieser Brief für Ihre eigenen Genossen gedacht war oder ob die­ser Brief nur für den Herrn Herausgeber Dichand gedacht war.

Wenn Sie bei der Linie bleiben, die Sie bisher vertreten haben, dann muss ich davon ausgehen, dass er nur für den Herrn Dichand geschrieben war. Wissen Sie, Herr Bun­deskanzler, dann brauchen Sie aber nicht mit dem langen Finger auf irgendeine Frak­tion hier herinnen zu zeigen. Dann brauchen Sie wirklich nicht mit dem langen Finger zu zeigen.

Daher will ich Ihnen auf die Sprünge helfen und bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzes­entwurf zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zuzuleiten, der sicherstellt, dass künftige EU-Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berüh­ren,“ – wir zitieren messerscharf Werner Faymann – „durch Volksabstimmungen in Ös­terreich entschieden werden müssen.“ – Müssen! Derzeit kann, aber muss nicht.

*****

Ich nehme Sie beim Wort, Herr Bundeskanzler. Und jetzt bin ich gespannt, wie Ihre Fraktion Sie selber mit Ihrem Brief an Dichand ernst nimmt. Wenn Sie von der SPÖ das tun, dann müssen Sie heute diesem Antrag zustimmen! (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

Wenn Sie diesen Antrag heute ablehnen, dann ist von Ihrem Wort nichts zu halten, dann sind Sie wortbrüchig geworden, Herr Bundeskanzler. Das ist heute ein echter Testfall, und der ist verfassungskonform, glauben Sie mir das! Wenn österreichische Interessen berührt sind und das in einer Vertragsänderung mündet, dann, haben Sie versprochen, gibt es eine Volksabstimmung. Wir werden uns heute genau anschauen, wie Ihre Fraktion abstimmt. (Beifall beim BZÖ und bei Abgeordneten der FPÖ.)

15.52


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Bucher, Mag. Ewald Stadler, Kolleginnen und Kollegen betref­fend die generelle Verpflichtung der Durchführung von Volksabstimmungen über EU-Vertragsänderungen


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 63

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag des Abgeordneten Stra­che und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend die Abhaltung von Volksbefragun­gen in der Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2011

Mit den bereits im Mai des Vorjahres erfolgten Beschlüssen zur Finanzhilfe für Grie­chenland hat die EU – bzw. haben die Staats- und Regierungschefs – einen folge­schweren Sündenfall begangen.

In einer Nacht- und Nebelaktion haben die Finanzminister der Eurozone am 2. Mai 2010 für ganz Europa folgenschwere Maßnahmen in Form „finanzieller Unterstützung für Griechenland zur Sicherung der finanziellen Stabilität des Euro-Währungsgebiets“, wie es sinngemäß in einer entsprechenden Presseerklärung des Ratspräsidenten van Rompuy hieß, beschlossen.

 „Finanzielle Unterstützung“ in diesem Zusammenhang bedeutete nicht mehr und nicht weniger als die Summe von 110 Mrd. Euro, die nunmehr von den Eurostaaten in Form von Krediten an Griechenland überwiesen wird.

Mittlerweile hat Österreich aus diesem Titel Zahlungen in der Höhe von mehr als fast 1,4 Mrd Euro an Griechenland geleistet und sich in Summe zu Zahlungen in der Höhe von 2,2 Mrd Euro verpflichtet.

Dazu kommt die Schaffung eines permanenten Rettungsschirms, der 2013 in Kraft tre­ten soll und die Steuerzahler neuerlich massiv belasten wird. In diesen Rettungsschirm wird Österreich einerseits zu einer Ausweitung des Haftungsvolumens sowie anderer­seits zur Bareinzahlung von weiteren rund 2,2 Mrd Euro verpflichtet.

Die Befürchtung vieler Experten, dass mit Griechenland ein Fass ohne Boden aufge­macht wurde, das die europäischen und damit auch die österreichischen Steuerzahler noch sehr viele Milliarden Euro kosten könnte, ohne dass damit der griechischen Be­völkerung tatsächlich geholfen werden würde geschweige denn Griechenland gerettet werden könnte, hat sich mittlerweile bestätigt.

In seinem Kommentar in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 16. Juli 2011 bringt Chris­tian Ultsch die Problematik auf den Punkt, wenn er da umissverständlich feststellt, dass Europas Staatenlenker schon neun Mal Gipfeltreffen abgehalten haben, um der Schul­denkrise in Griechenland Herr zu werden, diese ihnen aber immer wieder entglitten ist.

In ihren Irrläufen seit Beginn des griechischen Dramas brach die EU ein Tabu nach dem anderen, in dem sie mit ihren Finanzhilfen für Griechenland gegen die „Non-Bail-out-Klausel verstieß, so Ultsch weiter.

Eine Umschuldung bzw. ein Schuldenerlass für Griechenland – zunächst vehement ausgeschlossen - ist mittlerweile in Folge der offensichtlich erkannten Ausweglosigkeit der bisher ergriffenen Maßnahmen Gegenstand der politischen Diskussion und zuse­hends „salonfähig“.

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Österreicherinnen und Österreicher von den be­reits bar nach Griechenland gezahlten Steuergeldern für immer verabschieden müs­sen, ist so gut wie fix.

Damit bestätigen sich sämtliche seitens des BZÖ seit Monaten in diesem Zusammen­hang ins Treffen geführte Befürchtungen und Warnungen.

Dazu kommt, dass diese Bundesregierung und insbesondere der Bundeskanzler nicht gewillt sind, in so entscheidenden Fragen die Bevölkerung in Form von Volksabstim­mungen mit einzubeziehen. Selbst die für den permanenten Rettungsschirm erforderli­che EU-Vertragsänderung soll ohne Anwendung direktdemokratischer Mittel durchge­peitscht werden.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 64

In diesem Zusammenhang sei an die noch im Jahr 2008 vollmundig vom jetzigen Bun­deskanzler Faymann gegebenen Versprechen erinnert, künftige Änderungen von EU-Primärrecht einer Volksabstimmung zu unterziehen.

Wörtlich hieß es damals in einem diesbezüglichen Schreiben von Gusenbauer und Faymann vom Juni 2008: „Auch in Österreich besteht gegenwärtig eine weit verbreitete Skepsis gegenüber der EU. () sind wir der Meinung, dass künftige Vertragsände­rungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen.“

Zur Verstärkung dieser Position wurde im SPÖ-Präsidium am 7. Juli 2008, dann auch beschlossen, „künftige EU-Vertragsänderungen, die die grundlegenden Interessen Ös­terreichs berühren, einer Volksabstimmung zu unterziehen".

Vor wenigen Tagen haben nun mehr Merkel und Sarkozy angekündigt, "bedeutende Veränderungen" der Verträge vorzuschlagen. Bundeskanzlerin Merkel meinte in die­sem Zusammenhang, dass eine "verbindlichere Zusammenarbeit in Fragen der Fi­nanz- und Wirtschaftspolitik der Euro-Mitgliedstaaten". angestrebt werde und dass der Weg dorthin "auch Vertragsänderungen mit einschließen werde.

Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie sich angesichts dieser jüngsten Ankündigungen weiterer EU-Vertragsänderungen von Merkel und Sarkozy, die Bundesregierung aber insbesondere Bundeskanzler Faymann verhalten werden, und ob letzterer weiterhin ohne Einbindung der Bevölkerung – unter dem Motto „Es gilt das gebrochene Wort!“ abgehoben agieren wird.

Im Sinne eines Europas für und nicht gegen die Bürgerinnen und Bürger sowie in der Absicht, insbesondere den Abgeordneten der sozialdemokratischen Fraktion die Mög­lichkeit zu geben, den EU-Schwenk in Richtung nationaler Volksabstimmungen bei künftigen EU- Vertragsänderungen – abseits der Kronen Zeitung - mit Leben zu erfül­len und zu verfestigen, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend einen Gesetzes­entwurf zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes zuzuleiten, der sicherstellt, dass künftige EU-Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch Volksabstimmungen in Österreich entschieden werden müssen.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Frau Abgeordnete Dr. Glawischnig-Piesczek zu Wort gemeldet. Ich erinnere an die einschlä­gigen Bestimmungen der Geschäftsordnung und erteile Ihnen das Wort. – Bitte.

 


15.53.05

Abgeordnete Dr. Eva Glawischnig-Piesczek (Grüne): Herr Präsident! Meine sehr ge­ehrten Damen und Herren auf der Regierungsbank! Werte Kollegen und Kolleginnen Abgeordneten! Kollege Stadler hat gerade behauptet, dass Anfechtungen von Volks­entscheiden ein Blödsinn seien.

Ich korrigiere ihn tatsächlich (Abg. Ing. Westenthaler: Was ist das für eine tatsächliche Berichtigung? – Abg. Mag. Stadler: Das hab ich nicht gesagt! – Abg. Ing. Westentha­ler: Das hat er nicht gesagt! Er hat gesagt, dass das im Antrag drinnen steht! Er hat aus dem Antrag zitiert!): Es ist bereits jetzt in der Bundesverfassung verankert, nämlich


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 65

unter Artikel 141 Abs. 3 (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident! Bruch der Geschäfts­ordnung!) – ich lese es Ihnen noch einmal vor (Abg. Mag. Stadler: Das ist eindeutig ein Bruch der Geschäftsordnung!) –:

„Unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren, Volksbefragungen oder Volksabstimmungen zu ent­scheiden hat, wird durch Bundesgesetz geregelt.“

Und das ist auch geregelt. (Abg. Ing. Westenthaler: Nicht einmal die Klubobfrau weiß, was eine tatsächliche Berichtigung ist!) Und im Übrigen ist das auch sehr wichtig so. Ich glaube, dass Sie auch bei Wahlanfechtungen sehr genau überlegen sollten, ob Sie diese abschaffen wollen oder nicht. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Mag. Stadler: Sie distanzieren sich von Ihrem eigenen Anliegen!)

15.53


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Frau Kollegin, Sie sind an einer tatsächlichen Berich­tigung ganz knapp vorbeigeschrammt, aber ich lasse sie einmal gelten. (Abg. Grosz: Zur Geschäftsordnung!)

Herr Abgeordneter Grosz hat sich zur Geschäftsordnung zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 


15.54.09

Abgeordneter Gerald Grosz (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ho­hes Haus! Das, was die Frau Abgeordnete Klubobfrau Glawischnig soeben gemacht hat, ist ein eindeutiger Bruch der Geschäftsordnung.

Offenbar schielt sie nur auf die Fernsehzeit, und damit sie hier noch das eine oder an­dere an Publicity bekommt, zitiert sie den Abgeordneten Stadler falsch.

Der Abgeordnete Stadler hat hier festgestellt (Abg. Ing. Westenthaler: Er hat zitiert aus dem Antrag!), ...

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege – Sie haben schon den Hinweis gelie­fert –: Eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung beinhaltet, dass Sie auch einen ge­schäftsordnungsmäßigen Antrag stellen. (Abg. Grosz: Das mach ich auch!) Ich bitte daher, stellen Sie diesen voran und begründen Sie ihn dann! – Bitte.

 


Abgeordneter Gerald Grosz (fortsetzend): Selbstverständlich! – Der Antrag ist an Sie, Herr Präsident, in Zukunft der Geschäftsordnung gerecht zu werden, auch bei Entgeg­nungen. (Heiterkeit beim BZÖ.)

15.54


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Abgeordneter, das ist kein Antrag gemäß der Geschäftsordnung. (Abg. Grosz setzt ohne Mikrofon fort: Das ist das Erste! – Das Zweite ist, ...!)

Ich erteile jetzt das Wort dem nächsten Redner, denn Sie wollen ebenfalls nur Fern­sehzeit schinden.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Strutz mit 4 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


15.55.09

Abgeordneter Dr. Martin Strutz (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Herr Bundes­kanzler! Das, was mir persönlich in der Debatte aufgefallen ist, ist, dass Sie, Herr Bun­deskanzler, zu dem doch vehementen Vorwurf, der von allen Parteien gekommen ist, nämlich des Stillstands in der Bundesregierung, in Ihrer Stellungnahme eigentlich nichts gesagt haben. Und unser heutiger Versuch, hier auch das Volk mit einzubinden, ist ein neuer Anlauf, ist ein neuerlicher Versuch, diesen Stillstand, diese Pattsituation,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 66

die zwischen den beiden Koalitionsparteien seit Jahren herrscht und einfach dazu führt, dass in Österreich nichts mehr weitergeht, zu beseitigen.

Und wenn wir uns heute gerade vonseiten der ÖVP – des Klubobmanns Kopf – in die­sem Zusammenhang mehrmals den Vorwurf des Populismus eingehandelt haben, dann sage ich Ihnen: Wenn es Populismus ist, das Volk in demokratische Entscheidun­gen einzubinden, wenn es Populismus ist, die Interessen der Österreicherinnen und Österreicher zu vertreten, dann bin ich, dann sind wir Freiheitlichen gerne Populisten hier im Parlament (Beifall bei der FPÖ), denn die Österreicherinnen und Österreicher brauchen eine Lobby hier im Hohen Haus, eine Lobby im positiven Sinne, weil Sie von SPÖ und ÖVP schon lange nicht mehr die Interessen der Österreicherinnen und Öster­reicher vertreten.

Wo ist Ihre Reform, die Sie seit Jahren angekündigt haben? – Absoluter Stillstand in der Bildungsreform, in der Gesundheitsreform! Wenn Ihre Gesundheitsreform, Herr Bundeskanzler, so aussieht, dass Sie gemeinsam mit dem Gesundheitsminister inse­rieren: „Regierung Faymann stoppt die Zwei-Klassen-Medizin“ (der Redner hält die ent­sprechende Seite einer Zeitung in die Höhe), dann sage ich Ihnen nur: Bitte gehen Sie in ein Krankenhaus in Wien und schauen Sie sich an, was sich dort abspielt! Da gibt es nicht die Zwei-Klassen-Medizin, da gibt es die Drei-Klassen-Medizin.

Und das ist die Entwicklung im Gesundheitsbereich (der Redner zeigt eine Graphik): Jährliche Steigerungen zwischen 6 und 10 Prozent. Wo greifen hier Ihre Verspre­chungen? – Stillstand! Ruhe! Aktiv werden Sie nur dann, wenn es darum geht, den Pleitestaaten unser Geld und unser Steuergeld nachzuschmeißen. Deshalb sagen wir: Das ist nicht im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher.

Wovor haben Sie Angst, wovor fürchten Sie sich, wenn wir hier eine Initiative einbrin­gen, die die Bevölkerung einbinden soll?

Deshalb bringe ich auch einen Antrag der Freiheitlichen ein, der sozusagen als ein neuerlicher Ausweg gesehen wird, auch die Inanspruchnahme des Rechtsinstituts der Volksbefragung zu einem Minderheitsrecht zu machen, denn die Regierung mit ihrer Mehrheit ist nicht willens und nicht bereit, die Österreicher einzubinden.

Der Inhalt dieses Entschließungsantrages:

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten die eine Reform des Art. 49b B-VG dahingehend beinhaltet, dass eine Volks­befragung von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates“ – also ein echtes Minder­heitsrecht – „oder von 100 000 Wahlberechtigten verlangt werden kann.“

*****

Denn Sie, meine Damen und Herren von SPÖ und ÖVP, vertreten nicht die Interessen der Österreicher, Sie vertreten die Interessen der Banken – während wir sagen, wir ha­ben in der jetzigen Zeit auf die kleinen Sparer Rücksicht zu nehmen. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf bei der SPÖ.)

Sie, Frau Kollegin von der SPÖ, vertreten die Interessen der Einwanderer – während wir Freiheitlichen sagen: Österreich zuerst! Sie vertreten die Interessen von Grie­chenland, von Italien, von Portugal – während wir sagen, wir müssen hier die Interes­sen der Jugend, der jungen Menschen, die die Suppe Ihrer Schuldenpolitik auszulöf­feln haben, vertreten.

Was Sie tun, das ist nicht mehr im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher. Deshalb: Haben Sie keine Angst vor der Einbindung unserer Bevölkerung! Geben Sie


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 67

der Möglichkeit eines Minderheitsrechts, hier auch die Bevölkerung einzubinden, eine Chance! (Beifall bei der FPÖ.)

15.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, steht in einem sachlichen Zusammenhang und steht mit in Verhandlung. (Abg. Mag. Stadler: Zur Geschäftsordnung!)

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Mag. Stefan und weiterer Abgeordneter betreffend die Ausge­staltung der Volksbefragung als Minderheitenrecht, eingebracht im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag des KO Strache in der 122. Sitzung des Nationalrates am 12.10.2011.

Aus einer aktuellen Umfrage des IMAS-Instituts geht hervor, dass sich nur noch 5% der Österreicher sehr stark für Politik interessieren. 21% interessieren sich „ziemlich stark“. Diesen stehen drei Viertel der Bevölkerung gegenüber, die das politische Ge­schehen kalt lässt. Noch nie habe sich die Bevölkerung so wenig für Politik interessiert, heißt es im IMAS-Report. Vor allem die 16- bis 29-Jährigen zeigen kaum Interesse am politischen Geschehen. Das höchste Interesse am innenpolitischen Geschehen hatte das IMAS-Institut im Jahr 2000 registriert.

Dazu passt, dass einer aktuellen OGM-Umfrage zufolge drei Viertel der Wahlberechtig­ten wenig bis kein Vertrauen in die Politik haben. Es überrascht daher wenig, dass die Unzufriedenheit der Wähler mit der Regierung laut Gallup-Politbarometer einen neuen Höhepunkt erreicht hat. 85% sind unzufrieden, nur 11% bewerten die Regierungsarbeit positiv. Unter den Wiener Wählern sind nur mehr 5% mit der Bundesregierung zufrie­den, aber 93% (!) unzufrieden. Ein Negativrekord.

Mittlerweile sprechen sich auch 51% für Neuwahlen aus, zumal die Bundesregierung nicht ansatzweise in der Lage ist, wichtigste Fragen richtungsweisend zu entscheiden. Bei den Jungen unter 30 sind es sogar 64%. Bei den Opinion Leadern 73%.

Ein naheliegender Ausweg wäre die Inanspruchnahme des Rechtsinstitutes der Volks­befragung um über die Reformstarre der großen Koalition hinweg zu kommen. Letztlich geht das Recht vom Volk aus. Hinderlich erweist sich dabei, dass eine Volksbefragung nur stattfinden kann, wenn Sie der Nationalrat beschließt. Demokratischer wäre es, wenn eine Minderheit von Abgeordneten oder eine Summe von Wahlberechtigten eine Volksbefragung verlangen könnten.

Aus diesem Grunde stellen unterfertigte Abgeordnete folgenden:

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zu­zuleiten die eine Reform des Art. 49b B-VG dahingehend beinhaltet, dass eine Volks­befragung von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder von 100.000 Wahl­berechtigten verlangt werden kann.“

*****

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zur Geschäftsbehandlung hat sich Herr Abgeordne­ter Mag. Stadler zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 68

16.00.01

Abgeordneter Mag. Ewald Stadler (BZÖ) (zur Geschäftsbehandlung): Herr Präsident! Ich rege eine kurze Sitzungsunterbrechung an, damit geklärt werden kann, was mit dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Daniela Musiol, Pirklhuber, Kolleginnen und Kollegen betreffend Direkte Demokratie los ist, denn dieser wurde „im Zuge der Debatte zum Dringlichen Antrag in der Sondersitzung am 13.10.2011“ eingebracht – das ist morgen. Die morgige Sondersitzung ist aber heute noch nicht Gegenstand. Viel­leicht kann man das auf kurzem Weg klären. (Heiterkeit und Beifall beim BZÖ sowie des Abg. Strache. – Abg. Grosz: Der Antrag ist falsch! – Abg. Ing. Westenthaler: Das ist eine Blamage!)

16.00


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Sitzungsunterbrechung werde ich jetzt keine vorneh­men, denn wir sind fast am Ende der Debatte zu diesem Verhandlungsgegenstand an­gelangt. Der Antrag ist außerdem erläutert und verteilt worden und steht so zur Ab­stimmung, wie er Ihnen vorliegt. (Abg. Grosz: Aber wir haben nicht den 13.10. heute!) Es bleibt Ihnen unbenommen, dazu pro oder kontra zu stimmen. (Abg. Mag. Stadler: Ist bei Ihnen auch der 13.? – Der Gregorianische Kalender sieht das nicht vor!)

Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 5 Minuten Rede­zeit. – Bitte. (Abg. Ing. Westenthaler: Herr Präsident, welches Datum haben Sie? Was ist bei Ihnen heute: der 12. oder der 13.? – Das können Sie ja nicht ernst nehmen! Das ist ja ein Kasperltheater, was die Grünen da machen!)

 


16.01.07

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Wenn Herr Kollege Westenthaler fertig ist mit seinen Zurufen, beginne ich.

Zunächst zu Ihren Ausführungen, Herr Strache. Herr Strache, Sie reden hier von mehr Demokratie, davon, dass man in diesem Land mehr Demokratie leben muss. Ich gebe Ihnen einen guten Rat: Fangen Sie einmal selbst damit an! Wie ist denn das mit einem wegen Korruption gerichtlich zu 18 Monaten Verurteilten in Ihren Reihen, der in öffentli­chen Ämtern ist? – Das ist Demokratie, da können Sie etwas beweisen! Oder Frau Ab­geordnete Winter, die, obwohl rechtskräftig wegen Hetze verurteilt, hier in einem demo­kratischen Parlament sitzt. (Abg. Strache: Das war ein Schauprozess wie bei der Ti­moschenko!) Oder: Wäre es nicht auch eine Voraussetzung für Demokratie der FPÖ (Abg. Ing. Westenthaler: Ihr habt es notwendig!), dass Sie einmal mit den braunen Flecken in Ihrer Partei aufräumen? Wäre es nicht geboten, zur Causa Kurzmann, was Hetze und Auftreten gegen Religionsfreiheit betrifft, einmal klare Worte zu finden? (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Und, Herr Strache, würden Sie nicht der Demokratie dienen, wenn Sie einmal, was die Skandale BUWOG, Hypo, Eurofighter und Telekom betrifft (Abg. Ing. Westenthaler: ..., Androsch!), ein Bekenntnis der FPÖ zu Ihrer Mitverantwortung ablegen würden? Und wäre es nicht demokratisch, wenn Sie einmal dem Kärntner Landeshauptmann entgegentreten würden, der den ÖGB abschaffen will, wo die Gewerkschafter darum ringen, dass die Arbeitnehmer gerechte Löhne bekommen? (Abg. Strache: Wo nicht einmal die eigenen Pensionen gezahlt werden und die Gewerkschaftsgelder gekürzt werden!) Dazu sollten Sie einmal Stellung nehmen, Herr Strache! (Beifall bei der SPÖ.)

Schauen Sie, Ihr Antrag ist ja inhaltlich zersaust worden, da braucht man nicht mehr viel dazu zu sagen. Aber dass die Wiener FPÖ – daran möchte ich Sie schon erin­nern – bei der letzten Volksbefragung dagegen gestimmt hat (Abg. Strache: Sie mei­nen, die Hundstrümmerlfragen?), daran sehen Sie, meine Damen und Herren: Populis­mus, irgendwas dahererzählen – die Realität hält dem nicht stand, Sie haben ja letztes Mal dagegen agitiert. (Abg. Strache: Das ist halt Ihr Hundstrümmerlfragen-Niveau!)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 69

Mein Gott, mit dem BZÖ möchte ich mich nur entsprechend den 3 Prozent, die Sie in Umfragen noch darstellen, auseinandersetzen. Jetzt gibt es einen E-Voting-Vorschlag. Das ist ja ein kolossaler Unsinn, meine Damen und Herren! (Abg. Strache – in Rich­tung BZÖ –: Missbrauchsanfällig! Das ist nicht wirklich ...!) Wir haben ja bei den Hoch­schülerschaftswahlen eben erst erlebt, wozu das geführt hat: zu einem rechtlichen, sachlichen und formalen Desaster. 0,9 Prozent haben teilgenommen. Und jetzt kommt das BZÖ mit E-Voting daher! Sie sind auf dem Weg zu 2 Prozent, kann ich Ihnen nur sagen.

Hinsichtlich „mehr Demokratie“ brauchen wir als SPÖ uns von niemandem belehren zu lassen, da brauchen wir keine Nachhilfe. Sachlich und seriös kann man über das The­ma selbstverständlich diskutieren. Aber, meine Damen und Herren, stellt sich eine Sys­temfrage in Österreich? Zweite Republik, Sozialpartnerschaft, parlamentarische Demo­kratie, die in Wirklichkeit weltweit gelobt wird, international anerkannt ist, in der Euro­päischen Union ein Vorbild – na, so schlecht kann ja das alles nicht funktionieren! Bei den Arbeitslosenzahlen sind wir die Besten, diejenigen, die sich am besten behaupten, die Krisenbekämpfung hat funktioniert, die Unternehmen haben Beschäftigung, sozia­ler Friede herrscht im Land.

Und gibt es denn keine Errungenschaften? – Die Gesundheitsversorgung zum Bei­spiel! Leute, die im Ausland einen Unfall haben, sich den Knöchel verstaucht haben, sagen: Bringt mich schnell heim nach Österreich, ich möchte zu meinem Hausarzt, ich möchte in die Ambulanz! Oder: Beim Pflegegeld sind wir mit Abstand Weltmeister. 5 Prozent der Bevölkerung beziehen Pflegegeld! Das gibt es nicht einmal in den skan­dinavischen Ländern, die da auch recht fortschrittlich sind. Oder: Wie respektvoll wir mit der älteren Generation umgehen!

Und auch in den Ländern gibt es Reformen, meine Damen und Herren. Vorbildlich – und das sollte nachgeahmt werden – ist da sicher die Steiermark, mit einer Struktur­reform, was die Landespolitik, die Landesverwaltung betrifft, Strukturveränderungen in den Gemeinden. Das wird von der Bevölkerung in höchstem Maße anerkannt!

Nein, nein, die FPÖ ist nicht legitimiert, Herr Kollege, hier Ratschläge zu geben oder Systemkritik zu üben. Ihnen fehlt das konstruktive Element völlig! Wenn ich mir das beispielsweise in der Steiermark anschaue, wo es so anerkannt wird, was dort ge­macht wird – aber der Kurzmann ist gegen alles. Da gibt es eine Charta über das Zu­sammenleben, über Migration – wird abgelehnt! Die neuen Strukturen in der Gesund­heit – abgelehnt! Gemeindekooperationen – wird abgelehnt! (Abg. Neubauer: Unsinn! Was ist das für ein Blödsinn?) Zusammenlegung der Bezirkshauptmannschaften – wird von der FPÖ abgelehnt. Wer ist gegen die Verwaltungsreform? – Na die FPÖ! Wer ist gegen das Budget? – Die FPÖ!

Und die Demokratie, meine Damen und Herren, ist die bei der FPÖ, innerparteilich, in guten Händen? – Das ist ja der Treppenwitz der Geschichte, Herr Strache. Putsch, Zerwürfnisse, Umfärbungen, Neugründungen – das kennzeichnet das letzte Jahrzehnt der FPÖ, um von den Skandalen abzulenken und um letztlich die Misswirtschaft zu ka­schieren.

Glauben Sie wirklich, die Bevölkerung hat Vertrauen in Ihre Demokratiethesen? Das ist ja zum Lachen! Ihre Partei hat einmal eine dritte Republik proklamiert, und am Ende ist der Hypo-Skandal herausgekommen, der größte Skandal in der Geschichte Öster­reichs, meine Damen und Herren. (Abg. Strache: Haben Sie die letzten Wahlergebnis­se verfolgt? Ich glaube, die sind an Ihnen vorübergegangen!)

Danke, Herr Strache! Nein, nein, das brauchen wir alles nicht. Und die Rechnung be­kommen Sie letztendlich von der Wählerin und vom Wähler präsentiert. (Beifall bei der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 70

SPÖ. – Ironische Heiterkeit und Zwischenrufe bei Abgeordneten der FPÖ. – Abg. Ing. Westenthaler: Arbeiter-Zuchtfischerverband!)

16.06


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Mayer zu Wort. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


16.06.13

Abgeordneter Peter Mayer (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Die Darstellung der Arbeit der Bundesregierung, besonders durch gewisse Medien und die Opposition, ist schon etwas zu hinterfragen. Reform-Stau wird kritisiert, und es ist ja fast schon ein Volkssport geworden, Reformen zu fordern. Aber klar ist, und das muss man auch eingestehen: Die Diskussionen zu wichtigen Themen wie Wehrpflicht oder Studiengebühren brauchen auch ihre Zeit. Und man kann das auch kritisieren, das ist auch legitim, aber man sollte nicht die Erfolge dieser Bundesregierung kleinre­den, denn da haben wir vieles vorzuweisen. Mein Vorredner hat vieles schon aufge­zählt, ich erspare Ihnen diese lange Liste der bewältigten Aufgaben dieser Koalition. (Abg. Dr. Strutz: Wo ist sie? – Abg. Strache: Die ist so „lang“, dass Ihnen nichts ein­fällt! – Abg. Dr. Strutz: Wo ist diese Liste? – Sie haben nichts zum Herzeigen!)

Meine sehr geschätzten Damen und Herren! Österreich hat eine funktionierende De­mokratie, und gerade die direkte Demokratie ist schon öfters erfolgreich zur Anwen­dung gekommen – Zwentendorf ist ein Paradebeispiel dafür. Aber ich wehre mich da­gegen, solche Volksbefragungen und Volksabstimmungen inflationär einzusetzen, denn sie verlieren dann ihren Wert. (Abg. Strache: Deshalb schließen Sie sie grund­sätzlich aus, gell? Das ist Ihre Einstellung!) Und grundsätzlich ist ja das Parlament da­zu da, Gesetze zu beschließen und nicht ständig Volksbefragungen in Auftrag zu ge­ben.

Interessant ist ja das Stimmverhalten der FPÖ zu manchen Gesetzen und ihre Begrün­dung dazu, wie zuletzt gestern im Umweltausschuss zum Klimaschutzgesetz. Da hat man gesagt: Wir stimmen nicht zu, das Gesetz hat ja nur zweieinhalb Seiten, das kann ja kein gescheites Gesetz sein! – Wenn das Ihre Feststellung zur Qualität eines Ge­setzes ist (Abg. Neubauer: Da steht nichts drinnen! Nach fünf Jahren!), dann werden wir in Zukunft sämtliche Gesetze mit 600 Seiten ausstatten, und dann wird es Ihnen vielleicht auch recht sein. (Abg. Dr. Rosenkranz: Waren Sie gestern im Umweltaus­schuss anwesend?) Aber da kann man schon verstehen, warum Ihnen das Instrument der Volksbefragung so wichtig ist, denn wenn man selber nicht weiß, warum und wie­so, dann muss man eben andere fragen. (Abg. Neubauer: Ihr werdet es noch schaf­fen, dass euch die Bauern davonrennen!)

Letztendlich geht es aber um das Kernproblem Politikverdrossenheit und die niedrige Wahlbeteiligung. Da sind wir alle, wir Abgeordneten gefordert, dies zu verbessern, spe­ziell bei den Menschen draußen in den Wahlkreisen. Wir müssen dort Politik kommuni­zieren, und wir werden auch für diese Arbeit draußen in den Wahlkreisen bewertet, nämlich mit den Vorzugsstimmen bei den Wahlen, und das ist ja letzten Endes das Zeugnis, das wir Politiker ausgestellt bekommen. Ich wäre auch sehr dafür, diese Vor­zugsstimmen etwas aufzuwerten.

In diesem Sinne glaube ich, wir müssen mehr sagen, was wir tun, und im Speziellen mehr tun, was wir sagen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.08


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. Die Restredezeit Ihrer Fraktion beträgt 3 Minuten. – Bitte. (Die Abgeordneten Mag. Stadler und Ing. Westenthaler – in Richtung des sich zum Rednerpult begeben­den Abg. Öllinger –: Halten Sie die Rede heute oder morgen?)

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 71

16.09.06

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für Selbstgefälligkeit, Herr Kollege Kräuter, ist kein Anlass in dieser Debatte – das in aller Klarheit –, trotz Erfolg oder auch Misserfolgen. Über die reden wir nicht, sondern es geht um ein ernstes Thema. Es geht aber auch um die politische Kultur in diesem Land und in diesem Haus. Da würden wir uns wahrscheinlich – oder sicher – mit Ihnen eher treffen als mit jenen von FPÖ und BZÖ.

Eines ist schon auffällig, Herr Kollege Stadler, um an Ihre Rede anzuknüpfen: Es ist möglicherweise schon richtig, was Sie in Bezug auf die SPÖ gesagt haben, es ist auch durchaus diskussionswürdig, ob auf einem Antrag der 12. oder der 13. Oktober steht, aber so wichtig, Herr Kollege Stadler, ist diese Frage auch wieder nicht.

Ich frage mich, woher die Aufgeregtheit in den Reihen von FPÖ und BZÖ kommt. Als Erklärung dafür bleibt für mich nur eines übrig. (Abg. Dr. Rosenkranz: Momentan regt sich nur einer auf!) Sie bringen einen Antrag auf Volksbefragungen über beliebig aus­gewählte Themen ein, so zum Beispiel über eine zeitlich limitierte Millionärssolidaritäts­steuer. Das ist schon vom Begrifflichen her völlig unverständlich. Ich will eigentlich kei­ne Solidaritätssteuer mit Millionären. Wenn es in der Vergangenheit um eine Solidari­tätssteuer von Millionären gegangen ist, war Ihr Parteiobmann, Herr Strache, immer dagegen, um das klar zu sagen. (Abg. Strache: Blödsinn!) – Ja, selbstverständlich. (Abg. Strache: Das ist doch ein Unsinn! Wir haben das in unserem Programm schon vor Jahren verlangt!) Es gibt auch überhaupt keinen Grund dafür, Herr Strache, dass Millionäre oder – sagen wir – Personen mit hohem Einkommen nur befristet etwas zah­len sollen. (Abg. Neubauer: Haben Sie ein hohes Einkommen?) Warum denn nur be­fristet, Herr Kollege Strache? (Beifall bei den Grünen.) Wenn wir der Meinung sind, es braucht einen gerechten Beitrag von allen, dann bitte nicht von denen, die besonders viel haben, nur einen befristeten Beitrag.

Ich frage mich während dieser Debatte die ganze Zeit, ob die Themen in diesem An­trag auf Volksbefragungen irgendwie zusammengewürfelt sind wie bei einer Lotterie. Mit der Lotterie, Herr Kollege Strache, haben Sie ja Ihre Erfahrungen! Die „Neue Freie Zeitung“ ist ja von den Österreichischen Lotterien und von den Casinos Austria finan­ziert worden. (Abg. Strache: Die Inserate!)

Da wir gerade beim Thema sind: Parteienfinanzierung. – Ich frage Sie, ob das Gerücht um den Rücktritt des Herrn Abgeordneten Königshofer wahr ist. Ist es wahr, dass der Rücktritt des Abgeordneten Königshofer von Ihnen erkauft wurde, dass Sie ihm Geld dafür gegeben haben, dass er zurücktritt? Vielleicht beantworten Sie diese Frage.

Im Übrigen möchte ich den Entschließungsantrag ...

16.12


Präsident Mag. Dr. Martin Graf (das Glockenzeichen gebend): Herr Kollege Öllinger, die Redezeit für die gesamte Fraktion ist bereits überschritten. (Abg. Ing. Westentha­ler: Bring halt morgen einen neuen Antrag ein!) Daher ist es jetzt nicht mehr möglich, dass Sie den Antrag einbringen. Aber es gibt noch ausreichend Gelegenheit hier im Haus, derartige Themen zu behandeln, nämlich schon beim nächsten Verhandlungs­punkt.

(Beifall bei den Grünen für den das Rednerpult verlassenden Abg. Öllinger.)

Als nächster Redner zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Widmann. – Bitte.

 


16.12.40

Abgeordneter Mag. Rainer Widmann (BZÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Die Grü­nen und direkte Demokratie – das ist ein eigenes Thema. Der Euro-Rettungsschirm, bei dem es um Haftungen in Milliardenhöhe geht, die Griechenland-Direkthilfe, bei der


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 72

Milliarden direkt zugeschossen werden, das alles ist für die Grünen überhaupt kein Thema mehr. Ich kann den Grünen zur Lektüre den „Falter“ von dieser Woche emp­fehlen, der von Wutbürgern, von der Krise und dem fantastischen Drohpotenzial der Banker berichtet. Es stimmt sehr vieles von dem, was dort drinsteht. Ich würde mir wünschen, dass die grüne Partei zu den basisdemokratischen Ursprüngen zurückkehrt und die Bürger wirklich wieder einmal einbindet und nicht nur davon spricht.

Auch in Oberösterreich war es so. Als man das Linzer Musiktheater in Perg bauen wollte, hat man eine Volksbefragung durchgeführt. Ich habe Unterschriften dafür ge­sammelt. 300 000 Menschen haben Nein gesagt. Und was ist das Ergebnis? – SPÖ, ÖVP und auch die Grünen haben das Quorum für die Einleitung einer Volksbefragung von 4 auf 8 Prozent erhöht. Und jetzt wird gebaut, mit Ihrer Unterstützung! Ich sage nur, wenn das Ihre Auffassung von direkter Demokratie ist, dann ist das die falsche.

Zum Schluss möchte ich noch einen Antrag einbringen, denn es geht letztlich auch um die Bankenkrise. Es ist ja bekannt, dass die Erste Bank in großen Schwierigkeiten ist; vor zwei Wochen noch 700 Millionen plus, jetzt voraussichtlich 970 Millionen minus. Oder die Dexia Bank: zunächst noch gut bewertet, beim sogenannten Stresstest der Banken ebenfalls abgestürzt. Sie ist verstaatlicht worden. Wir wollen wissen, mit wie viel Geld der Bürger letztlich wirklich haftet.

Ich bringe daher folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend Banken-Stresstest für österreichische Banken unter Berücksichtigung eines hypothetischen Schuldenerlas­ses für Griechenland

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird ersucht, die FMA – im Hinblick auf eine Volksbefragung zu diesem Thema – sofort damit zu beauftragen, die heimischen Banken einem Stresstest unter Berücksichtigung eines möglichen 70-prozentigen Schuldenerlasses“ –

darüber wird bereits gesprochen –

„von Griechenland zu unterziehen und dem Nationalrat einen Bericht über das Ergeb­nis – auch unter dem Gesichtspunkt, ob und falls ja in welcher Höhe ein weiteres ös­terreichisches Bankenhilfspaket notwendig werden könnte – bis spätestens 15. No­vember 2011 vorzulegen.“

*****

Ich denke, das sollten wir tun. Das sollten wir beschließen, denn der Wähler hat ein Recht darauf, zu erfahren, wie hoch die Haftungen sein werden und was er, vielleicht als Weihnachtsgeschenk, an Bankenhaftungen noch wird zahlen müssen. (Beifall beim BZÖ.)

16.14


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Herr Kollege Widmann, ich verstehe schon, dass man unter diesem Dringlichen Antrag alle möglichen Themen subsumieren möchte, aber Ihr Entschließungsantrag steht tatsächlich in keinem inhaltlichen Zusammenhang mit dem Thema. Man kann in diesem Zusammenhang nicht über einen Fristsetzungs­antrag zu einem Bankenhilfspaket in Bezug auf die FMA abstimmen. Daher werde ich diesen Entschließungsantrag gemäß § 55 der Geschäftsordnung nicht zulassen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 73

Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Großruck. 2 Minuten hat Ihre Fraktion noch Restredezeit. – Bitte.

 


16.15.40

Abgeordneter Wolfgang Großruck (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­deskanzler! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Hohes Haus! Wenn man eine kurze Zusammenfassung macht, dann sieht man positive Aspekte. Die Parteien haben sich über eine Weiterentwicklung der Demokratie unterhalten. Ich meine, wenn sich alles andere weiterentwickelt, wenn sich die Welt weiterentwickelt, dann hat sich auch die Demokratie weiterzuentwickeln, ob das in Richtung Nutzung von modernen Strukturen geht oder auch nach unserem Vorschlag die Stärkung des Persönlichkeitswahlrechtes betrifft.

Enttäuscht war ich etwas von der FPÖ, die ein Sammelsurium an Anträgen vorgelegt hat, worauf mein Vorredner Karl Öllinger bereits eingegangen ist. Mir kommt das so vor wie bei Tante Emmas Demokratieladen: Wollen Sie ein bisschen mehr haben? Darf es ein bisschen mehr sein? Bringen Sie das Leergebinde wieder zurück? – So ungefähr war das. Ich glaube, wenn man an ein Thema seriös herangehen will, dann muss man es anders machen. Ich kritisiere aber nicht nur die eine Seite. Es gibt ein Sprichwort, das da lautet: In der Kürze liegt die Würze! – Aber es war zu wenig, um inhaltlich zu diskutieren.

Unser Klubobmann hat darauf hingewiesen, dass es keinen Stillstand gibt. Er hat auf­gelistet, was die Regierung alles zustande gebracht hat. Der Herr Bundeskanzler ist auf die EU-Problematik eingegangen. Wir wissen, die Europäische Union ist kein voll­ständiges, ist noch kein voll funktionierendes Instrumentarium, sie gehört weiterentwi­ckelt. Man könnte es vergleichen mit jemandem, der ein Fahrrad bekommt, mit dem er fahren soll, obwohl ein Pedal abmontiert ist. Damit kann er nicht gut fahren. Auf der ei­nen Seite zu kritisieren, dass die EU zu wenig stark ist, ihr aber auf der anderen Seite nicht die notwendigen Instrumentarien zu geben, um Probleme zu lösen, das ist, glaube ich, zu wenig, und das wäre auch zu billig. Deshalb sind wir für eine Stärkung der Instrumentarien, damit auch Krisen wie diese gelöst werden können.

Ich zitiere zum Schluss – da das BZÖ jetzt immer Sprüche aus der Bibel plakatiert (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen) –: „Hütet euch vor falschen Propheten!“ Auf ein derartiges Plakat gehören, glaube ich, einige von der Opposition. – Danke schön, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Grosz: Aufpassen! Ach­tung, Unfallgefahr!)

16.17


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als vorläufig letzter Redner zu diesem Verhandlungs­punkt ist Herr Abgeordneter Ing. Lugar zu Wort gemeldet. 10 Minuten Redezeit. – Bitte. (Abg. Riepl: Fünf reichten auch!)

 


16.18.01

Abgeordneter Ing. Robert Lugar (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn man sich anschaut, wie groß die Verwunderung bei einigen darüber ist, dass jetzt Griechenland, Spanien, Italien und andere Länder in Zahlungsschwierigkeiten sind, und wie selbstverständlich von allen angenommen wird, dass jene Länder, die gut gewirtschaftet haben, hier einspringen, dann frage ich mich, ob diese Entwicklung nicht absehbar war.

Schauen wir ein bisschen zurück in die Vergangenheit! Sogar ich kann mich noch gut daran erinnern, dass Griechenland und Italien zum Beispiel immer in Zahlungsschwie­rigkeiten waren. Es ist doch Teil der griechischen und italienischen Kultur, permanent kreativ mit ihren Zahlungsströmen umzugehen, permanent die Währung zu schwächen,


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 74

die Inflation nach oben zu treiben und mit allen möglichen Tricks zu versuchen, ihre Währung entsprechend am Leben zu erhalten. Das ist nichts Neues.

Diese Länder haben wir in den Euro gezwängt und sind dann davon ausgegangen, dass das funktionieren kann und funktionieren muss, weshalb es die Konvergenzkri­terien gegeben hat, die aus meiner Sicht sehr sinnvoll sind. Das Problem war nur, es hat sich niemand daran gehalten. Das Problem war, es war jedem egal, sogar Deutschland hat darauf gepfiffen. Spätestens dann war klar, dass sich alle anderen auch nicht daran halten werden – und genau das war das Problem.

Jetzt stehen wir vor der Situation, dass wir über alle Maßen verschuldete Länder in der europäischen Währungsunion haben, und jetzt stellt sich die Frage: Was tun? – Und was tun wir? Wir ketten uns an Länder wie Griechenland oder jetzt auch Italien, die un­tergehen werden. Man muss sich das einmal vorstellen! Wenn Italien untergeht, dann wird das für alle europäischen Länder, die noch zahlen können – und davon gibt es nicht mehr viele; Österreich und Deutschland sind da an vorderster Stelle zu nennen –, gewaltige Probleme nach sich ziehen. Das heißt, wir werden die Steuern massiv er­höhen müssen, um all die Beträge, die notwendig sein werden, aufzubringen.

Jetzt frage ich mich: Will das jemand? – Und damit sind wir genau beim Thema. Jetzt sind wir beim Thema Volksbefragung, Volksabstimmung. Damals, als wir den Euro ein­geführt haben, hat man Millionen für Werbung ausgegeben, um den Menschen einzu­reden, wie gut das sein wird, wie positiv das sein wird. Damals hat es den Ederer-Tau­sender gegeben. Es hat nur positive Aspekte in allen Farben gegeben. Damals hätte man den Menschen sagen müssen, dass sie für so marode Länder wie Griechenland und Italien – die waren damals schon marod – einstehen müssen. Aber man hat ge­sagt, wenn wir sie in die Eurozone lassen, dann gibt es Konvergenzkriterien, an die sich alle halten müssen. Es gibt diese No-Bail-Out-Klausel, das heißt, dass kein Land für das andere Land einstehen muss.

Ich kann mich noch gut an diese Diskussion erinnern. Damals hat Jörg Haider gesagt, dass wir wahrscheinlich in der Eurozone jene Länder finanzieren müssen, die in Schwierigkeiten kommen. Das hat er damals schon gesagt. Dann hat aber jemand von der SPÖ darauf verwiesen, dass in den Verträgen steht, dass eben nicht eingesprun­gen werden muss, dass kein Land, also auch nicht Österreich, für andere haften muss. Das hat damals Jörg Haider angesprochen, aber man hat ihn für verrückt erklärt. Man hat gesagt: Was Sie da wieder reden, das steht doch alles im Vertrag.

Und was ist heute? – Heute ist genau das eingetreten. Wir müssen für diese Länder einstehen, und kein Mensch hat uns gefragt. Kein Mensch hat uns Österreicher ge­fragt, ob wir das auch wollen. Wenn die FPÖ und andere nun mehr Volksbeteiligung fordern, dann heißt es: Um Gottes willen, das können wir doch dem Volk nicht zumu­ten! Herr Wittmann von der SPÖ hat gesagt, solche Volksabstimmungen seien anfällig für Manipulation, da könnte jemand mit viel Geld in irgendeine Richtung drängen.

Was war denn damals beim Euro? – Da war auch jemand mit viel Geld: die Euro­päische Union. Die Bundesregierung hat damals viel Geld aufgewendet, um den Men­schen einzureden: Das ist genau das Richtige. Der Euro wird stabil sein, der Euro wird Sinn machen. (Demonstrativer Beifall bei Abgeordneten der FPÖ.)

Was ist passiert? – Mittlerweile ist es so, dass wir auf Gedeih und Verderb an diesem Euro hängen. Und eines ist auch ganz sicher: Wenn Griechenland und dann auch noch Italien pleitegehen, dann gute Nacht, Österreich! Das können wir nicht stemmen. Allein die 30 Milliarden von Griechenland sind nicht zu bewältigen. Das ist fast die Hälfte des Budgets. Wenn Italien noch dazukommt, dann sprechen wir von 50 Milliarden auf­wärts – fast das gesamte Budget, das dort reinfließen wird.

Dazu kommt, dass dunkle Wolken am Himmel aufziehen. Wir wissen, dass die Finanz­krise, die im Jahr 2008 begonnen hat, die eine Verschuldenskrise war, die dann auf


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den Bankensektor und mittlerweile auf alle Staaten übergegriffen hat, nicht vorbei ist. Wir haben einmal durchgeatmet, und ich habe schon vor eineinhalb Jahren, als viele sich gefreut und gemeint haben, jetzt haben wir es geschafft, jetzt hat die Regierung uns aus diesem Tief befreit, jetzt geht es wieder aufwärts und alles ist wieder in Ord­nung, gesagt, das ist ein Durchatmen, ein Durchatmen in der Krise, aber die Krise wird zurückkommen, und zwar noch brutaler, als wir es erlebt haben.

Was macht die Bundesregierung im Gegenzug? – Wir ketten uns an Pleiteländer, die nicht zu retten sind. Das ist das Erste. Und das Zweite ist – und das ist noch schlim­mer, da sind wir bei der Reformverweigerung –, dass wir in Österreich unzählige Groß­baustellen haben, ob das Gesundheit ist, ob das die Verwaltung ist, ob das die Pen­sionen sind, ob das die Schulen sind. Es ist praktisch jeder Bereich reformwürdig, je­der Bereich. Und was passiert? – Null! Absolut nichts!

Können Sie mir irgendetwas Produktives aufzählen, Herr Faymann, was Sie in den letzten drei Jahren gemacht haben, was in irgendeiner Form dazu angetan wäre, unse­re Probleme zu lösen? (Abg. Riepl: Sagen Sie einmal, was Sie gerne machen wür­den!) Wir haben in fast allen Bereichen riesige Probleme. Wenn ich mir zum Beispiel den Schulbereich ansehe: Wir unterrichten unsere Kinder wie vor hundert Jahren, und das zu einer Zeit, zu der wir 50 Prozent der künftigen Berufe noch gar nicht kennen. Erst 20, 30 Jahre nachdem unsere Kinder ins Arbeitsleben eingestiegen sein werden, wird es diese Berufe geben. Das heißt, wir haben eine dynamische Welt, aber wir reagieren darauf nicht! Unser Schulsystem ist gleich dem vor hundert Jahren, und kei­ner tut etwas. ÖVP und SPÖ blockieren einander in dieser Sache.

Oder: das Gesundheitssystem. Unser Gesundheitssystem ist nicht so, wie Sie, Herr Cap, gesagt haben, Weltklasse. Unser Gesundheitssystem ist eben nicht Weltklasse. Es ist grob verbesserungswürdig und verbesserungsfähig. Aber auch in diesem Be­reich tut keiner was, weil die Länderkompetenzen nicht beschnitten werden sollen.

Über allem aber steht das Pensionssystem. Es gibt doch praktisch keinen einzigen Ex­perten in diesem Land, der glaubt, dass das Pensionssystem in 20 oder 30 Jahren noch finanzierbar sein wird. Die meisten Experten sehen es schon im Jahr 2020 kolla­bieren. Das dauert nicht mehr so lange. In neun Jahren, glauben viele Experten, wird das Pensionssystem kollabieren. Und was machen wir? – Nichts! Die Regierung macht nichts!

Wir lassen die Leute bei den ÖBB mit 52 Jahren in Pension gehen. Wir verlängern die Hacklerregelung, die gut gemeint war, aber schlecht gemacht wurde, die letztlich nicht jenen zugutekommt, die es brauchen, nämlich den Bauarbeitern und Schwerarbeitern. Die brauchen sie, sicherlich nicht die Beamten und Vertragsbediensteten, die aber rei­henweise in Pension gehen. Wir leisten uns 460 000 – knapp eine halbe Million – Inva­liditätspensionisten und liegen damit im internationalen Vergleich ungefähr beim Dop­pelten bis Dreifachen. Entweder sind die Menschen bei uns so früh invalid, weil sie so hart arbeiten, oder das System ist so aufgebaut, dass es einfach jeden gehen lässt, der will. (Abg. Riepl: Machen Sie einen Vorschlag!) – Ich komme schon dazu. (Abg. Riepl: Na hoffentlich! Die Redezeit ist gleich um!)

Wenn wir das Volk einbinden, dann müssen wir es bedingungslos einbinden und nicht nur dort, wo wir glauben, dass das in unsere Richtung geht. Das heißt, wenn ich von der SPÖ höre, wir wollen keine Volksabstimmung, es könnte ja sein, dass uns die Ant­worten nicht passen, dann muss ich sagen, das ist kein demokratischer Zugang. (Abg. Riepl: Wer hat das gesagt?)

Das Volk ist der Souverän, und wir Politiker dürfen uns nicht davor verschließen. Da­rum geht es. Wenn das Volk eine Meinung hat, dann haben wir das zu respektieren. Es ist nicht umgekehrt: dass wir dem Volk sagen, was es denken soll. Wir müssen auf das


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hören, was das Volk uns sagt. Das ist genau der Punkt. (Beifall des Abg. Strache. – Heiterkeit bei der ÖVP.) – Vielen Dank. (Abg. Strache: Was G’scheites gehört unter­stützt!) Deshalb sollten wir das Volk befragen.

Wenn es um Reformverweigerung geht, so kann ich Ihnen eines garantieren: Das Volk will eine handlungsfähige Regierung, die in unserem Land aufräumt und die Probleme endlich angeht. – Vielen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der FPÖ. – Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

16.27

16.27.41

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Ich schlie­ße daher die Debatte.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Entschließungsan­trag 1685/A(E) der Abgeordneten Strache, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ab­haltung von Volksbefragungen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist somit abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Bucher, Kolleginnen und Kollegen betreffend mehr Mitsprache und direkte Demokratie durch „Internet-Volksbegehren“.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen der Zustimmung. (Abg. Riepl: Der Bucher ist gar nicht da! Der fehlt schon wie­der!) – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen weiters zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeord­neten Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend den Ausbau der direkten De­mokratie nach Schweizer Vorbild.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Auch das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abge­ordneten Mag. Musiol, Kolleginnen und Kollegen betreffend direkte Demokratie.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zu­stimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Bu­cher, Kolleginnen und Kollegen betreffend die generelle Verpflichtung der Durchfüh­rung von Volksabstimmungen über EU-Vertragsänderungen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. (Abg. Strache: Was ist mit der SPÖ? – Abg. Ing. Westenthaler: Aus So­lidarität stehen Sie auf, Herr Bundeskanzler!) – Auch das ist die Minderheit. Der An­trag ist abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mag. Stefan, Kolleginnen und Kollegen betreffend die Ausgestaltung der Volksbefra­gung als Minderheitenrecht.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Antrag sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt. (Abg. Rädler: ... Grü­nen auch nicht dafür!)

16.30.11Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Wir kommen nunmehr zur kurzen Debatte betreffend den Antrag der Frau Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, dem Verfassungsaus­


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schuss zur Berichterstattung über den Antrag 945/A(E) der Abgeordneten Dr. Gla­wischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ eine Frist bis 14. November 2011 zu setzen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß § 57a Abs. 1 der Geschäftsordnung kein Redner länger als 5 Minuten sprechen darf, wobei der Erstredner zur Begründung über eine Redezeit von 10 Minuten verfügt. Stellungnahmen von Mitgliedern der Bundesre­gierung oder zu Wort gemeldeten Staatssekretären sollen nicht länger als 10 Minuten dauern.

Das Wort erhält zunächst der Antragsteller? (Abg. Mag. Kogler – auf dem Weg zum Rednerpult –: Ich zum Beispiel!) – Nein, das Wort erhält zunächst Herr Abgeordneter Mag. Kogler. Ich erteile es ihm hiermit.

 


16.31.20

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Sie haben es erwähnt: Es geht um den Antrag zu den „gläsernen Parteikassen“, der seinerseits bereits im Jänner des Jahres 2010 eingebracht wurde. Warum stellen wir diesen Fristsetzungs­antrag? – Es ist ganz klar, dass wir nach dem Auffliegen der Skandale, die wir jetzt im Untersuchungsausschuss zu behandeln haben, mehr oder weniger gleichzeitig auch darangehen müssen, die Glaubwürdigkeit in den zentralen Regeln der Antikorruptions­bekämpfung zurückzugewinnen.

Herzstück jeder Korruptionsbekämpfung ist mit Sicherheit die Frage der Transparenz, die Frage der Offenlegung, in diesem Fall der Parteieinnahmen, im Besonderen der Parteispenden, im Übrigen und in weiterer Folge auch die Offenlegung sämtlicher Poli­tikerinnen- und Politikereinkommen. Mit Transparenz haben wir das meiste, was wir re­geln können, schon erledigt, weil sich dann andere Dinge nicht mehr so streng dar­stellen, solange die Bevölkerung, der/die Wähler/in weiß, was alles eigentlich gemacht wird, wer von wem Geld bekommt.

Jetzt sind wir eigentlich bei dem Punkt – wir können das ganz kurz machen –, dass die Regierungsparteien in dieser Sache seit einem Jahr, Herr Kollege Kopf, seit einem Jahr, Herr Kollege Cap, die Vorlagen hier im Haus schuldig sind! Diese Gesetzesinitia­tive, dieser Entschließungsantrag liegt hier schon seit dem Jahr 2010, und wir werden Sie jetzt nicht mehr auslassen, nämlich dahin gehend, dass hier die Dinge beschleunigt verhandelt werden.

Wenn wir ein Antikorruptions- und Transparenzpaket auf die Reise bringen wollen, dann wird das Parteispenden-Offenlegungsgesetz das Wesentliche sein! Hier müssen Sie endlich einmal Farbe bekennen und können Sie nicht länger auf diese Art und Wei­se die Partie aufhalten. Wenn Sie das weiterhin tun, werden Sie sich die Frage gefallen lassen müssen, Herr Klubobmann Kopf – weil Sie sich gerade so angeregt mit dem Herrn ehemaligen Finanzstaatssekretär unterhalten –, wie viel Sie von der ÖVP vom Raiffeisenkonzern bekommen, ohne das wirklich zu deklarieren, ja ohne es überhaupt deklarieren zu müssen, wie viel Sie über Großkonzerne, über die Industriellenvereini­gung – eine wunderbar gesetzlich legitimierte Spendenwaschanlage – in Ihre Partei­kassen bekommen, und so weiter und so fort.

Jetzt sage ich ja gar nicht, dass das alles mit diesem Gesetz verhindert werden kann, weil natürlich immer auch Umgehungsmöglichkeiten existieren. Aber erstens einmal kann schon das Gesetz so formuliert werden, dass das erschwert wird. Es müssen vor allem harte Sanktionsbestimmungen hinein! Das wird natürlich die Hemmschwelle da­gegen, hier so vorzugehen, sehr stark in die Höhe treiben. Wir erinnern uns daran, dass in der Bundesrepublik Deutschland Leute wie Parteimanager oder andere -funk­


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tio­näre Gefahr laufen, in Haftstrafe zu kommen, wenn sie das tun, was bei uns gesetz­lich ausdrücklich erlaubt ist. Das kann so nicht bleiben! Wir sind bei diesen Bestimmun­gen Schlusslicht in Europa.

Eine Fristsetzung braucht es auch deshalb, weil es allerhöchste Zeit wird, das zu berei­nigen, nicht nur vor dem Hintergrund der aktuellen Skandale, sondern auch vor dem Hintergrund, dass bereits zum Jahresende, also im Dezember, der nächste GRECO-Bericht – der Bericht der Antikorruptionsgruppe, wenn Sie so wollen, der Staaten im Europarat – vorliegen wird, der sich diesmal – der Bericht und GRECO – die zwei The­men „Korruptionsbestimmungen bei Abgeordneten“ und auf der anderen Seite „offene Parteifinanzen“ zum Gegenstand genommen hat. Das sind genau die beiden Bereiche, in denen Österreich am längsten säumig ist und in denen wir jeweils Schlusslicht in Eu­ropa sind!

Sie werden den öffentlichen Druck, der hier entstehen wird, dann auch nicht länger aushalten. Also teilen Sie sich mit, wenn es darum geht, endlich einmal in diesem Haus – das wird das Parlament verhandeln und sonst niemand –, in diesem Haus et­was weiterzubringen. Nur dann ist überhaupt die Glaubwürdigkeit hinsichtlich des Neu­beginns gesichert.

Jetzt sage ich Ihnen zum Schluss noch einmal, warum wir hier sehr skeptisch sind, dass da etwas weitergeht, wobei wir aber so weit Druck machen werden, dass Sie am Schluss vermutlich doch nicht anders können werden. Wir haben mit heutigem Tag den Entwurf, die Regierungsvorlage mittlerweile zum Lobbyistengesetz hier vorliegen. Das hat haarscharf eine Parallele zu den Parteifinanzen- und den Parteispenden-Of­fenlegungen. Wir erinnern uns: Grasser, Strasser – vor allem Strasser – und so weiter. Bandion-Ortner hat nur einen Gipfel der Speerspitzen, zu denen sie sich selbst hinzu­gezählt hat, zur Korruptionsbekämpfung einberufen.

Unter anderem ist damals in dem Paket dieses Lobbyistengesetz mit in Verhandlung und in Ausformulierung genommen worden. Nicht nur, dass jetzt am Schluss nur die Regierungsparteien die Geschichte verhandelt haben, zusammen mit den Kammern – das ist einmal eine Geschichte –, ist es so, dass vom Erstentwurf dieses Gesetzes weg bis zu dem, was jetzt übrig geblieben ist, sämtliche – wenn überhaupt vorhanden ge­wesene – Zähne gezogen wurden. Das ist wirklich eine Sauerei! Wir werden das jetzt und hier – und das ist auch mit ein Grund für diese Fristsetzung – zu Protokoll bringen, weil genau das nicht passieren darf und genau so diese Antikorruptions- und Transpa­renzgesetze nicht ausfallen können! (Beifall bei den Grünen.)

Es gibt zwei wesentliche Punkte, die es wert gewesen wären, in so einem Gesetz wirk­lich verankert zu werden. Dazu gehört, dass die Lobbyistentätigkeit, und zwar per Auf­trag, registriert wird, nämlich in der Hinsicht: Wer zahlt wen wofür, damit er bei wel­chem Dritten interveniert? – Genau das alles ist jetzt nicht der Öffentlichkeitsverpflich­tung unterworfen worden! (Abg. Rädler – in Richtung Grüne deutend –: ... und wer zahlt das?) Genau das wird nur registriert, ohne Auftragssumme, für die Quasi-Ge­heimhaltung. Nur der Lobbyist und derjenige, der dem Lobbyisten den Auftrag gegeben hat, können sich überhaupt einmal vergewissern, ob sie darin quasi richtig zitiert sind. Und die Amtsperson, die glaubt, von einem Lobbyisten angesprochen worden zu sein, darf dann nachschauen gehen – muss aber zuerst einmal nachweisen, dass das viel­leicht ein Lobbyist war –, ob der wohl drinsteht. Etwas Absurderes gibt es nicht!

Das ist genau die gleiche Parallele wie beim Parteiengesetz, dass die Parteien die Spenden beim Rechnungshofpräsidenten melden mögen, woraufhin dieser sie ein­sperrt und gar nicht darüber reden darf. Der Rechnungshofpräsident darf nur über die Parteispenden reden, wenn die Partei, die betroffen ist, dem Rechnungshofpräsidenten sagt: Bitte, pack das aus, weil ich mich verteidigen will! Aber die eigentliche Idee, dass ein Transparenzgesetz dazu da ist, dass Missbrauch von vornherein verhindert wird,


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weil öffentliche Einsicht herrscht, wird damit natürlich völlig unterminiert. Das sind ja Schutzbestimmungen, das sind regelmäßig Schutzbestimmungen für Bösartigkeiten!

Auch hier: völlig dasselbe Verfahren – wenn das ein Transparenzgesetz sein soll, dann gute Nacht! Sie werden unseren erbitterten Widerstand für dieses Lobbyistengesetz an dieser Stelle ernten. Es ist eine Sauerei, was Sie hier vorgelegt haben, und zwar der Sache nach – weil Sie jetzt plötzlich so aufgeschreckt schauen; das schadet Ihnen oh­nehin nicht –, also der Sache nach und auch der Vorgangsweise nach. (Abg. Kopf: Können Sie einmal normal mit den Leuten reden?)

Die Fragestellung, welche Punkte hier drinnen sind, haben wir im Rahmen von Fünf-Parteien-Gesprächen ausführlich erörtert. Es ist dann von der ÖVP und der SPÖ über­nommen worden, hier irgendetwas zu verhandeln. Wissen Sie, was passiert ist? – Als die Abgeordneten von der Opposition mit verhandeln wollten, hat die Regierung, näm­lich das Ministerium, gesagt: Moment, das müssen wir erst der SPÖ geben, weil das eine Ungleichbehandlung wäre, wenn das vielleicht ein blauer oder grüner Abgeordne­ter vorher bekäme!

Sei‘s drum, wie Sie miteinander umgehen – aber dass gleichzeitig der ORF die Entwür­fe gehabt hat, weil Frau Bundesminister Karl Stimmung machen wollte und etwas be­hauptet hat, was am Schluss gar nicht im Gesetz steht, nur um positiven Wind zu ma­chen, obwohl sie in Wirklichkeit die Nebelmaschine angeworfen hat, ist inakzeptabel. So werden wir kein Transparenzgesetz auf den Boden bringen, allein schon wegen dieser Vorgangsweise! Ich mache hier alle Abgeordneten darauf aufmerksam – ein paar schauen ja schon ganz g’schreckt, vollkommen zu Recht, wissend, was sie hier dann wieder beschließen sollen. (Abg. Rädler: Van der Bellen schaut g’schreckt!)

Das sind Gesetze, die wir im Namen von mehr Transparenz beschließen sollen, die vorher von der Bundesregierung ausgeschnapst werden – unter Ausschaltung der Op­position, obwohl etwas ganz anderes ausgemacht war?! Dann schaut das Gesetz ge­nau so aus, wie zu befürchten war: Die Lobbyisten werden versteckt statt an die Öf­fentlichkeit geführt, die Geschäfte werden versteckt statt transparent einsichtig ge­macht!

Bestes Schmankerl am Schluss: Bei behördlichen Verfahren, zum Beispiel öffentlichen Ausschreibungen, soll das gar nicht gelten! Sie müssen sich die Liste der Ausnahme­bestimmungen einmal anschauen. Da fragt man sich, warum man das Gesetz über­haupt hat. Es wäre wie beim Parteiengesetz: Besser, wir hätten es nicht, weil nur der Anschein erweckt wird. Die öffentlichen Ausschreibungsverfahren sind davon völlig ausgenommen! Mit diesem Lobbyistengesetz hätten die Mensdorffs, die Meischber­gers, die Hocheggers in dem Verfahren BUWOG, in dem Verfahren OMV – das Sie nicht im U-Ausschuss haben wollen –, aber auch bei Eurofighter gar nichts mit der Sa­che zu tun, weil so getan wird, als ob öffentliche Ausschreibungen ohnehin nur korrekt abgewickelt werden! Nein, es gibt keinen Lobbyisten Steininger, der während offener Ausschreibung die Millionen durch die Gegend getragen hat. Den gibt es gar nicht! So schaut ihr Gesetz aus: Der wäre noch nicht einmal tangiert!

Das können Sie sich behalten! Sie werden erkennen, dass das eigentlich die nächste Verunstaltung von Transparenzbestimmungen ist und nichts zur Transparenz beiträgt. (Abg. Rädler – neuerlich in Richtung Abg. Van der Bellen deutend –: Schau da hinü­ber!) Wenn das Ihr Beitrag zum Neubeginn dieser Republik sein soll, dann gute Nacht! Aber wir werden Ihnen Beine machen und Licht in diese Sache bringen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Rädler: Schau in die eigenen Reihen!)

16.41


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Kräuter. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 



Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 80

16.41.32

Abgeordneter Dr. Günther Kräuter (SPÖ): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Über das Lobbyistengesetz zu diskutieren, ist jetzt noch verfrüht. Bleiben wir einmal bei Transparenz und, wie eben dieser Entschließungsantrag heißt, den „gläsernen Partei­kassen“!

Ich verstehe zwei Dinge von den Grünen nicht, Werner Kogler. Erstens: Warum jetzt eine Regierungsvorlage? – Einmal grundsätzlich: Das Verständnis der Grünen (Abg. Mag. Kogler: Schon fünf Mal ausgemacht worden!) von Parlamentarismus, Selbstbe­wusstsein und Selbstverständnis des Parlaments passt da nicht ganz dazu. (Abg. Mag. Kogler: Dann stimmen wir über meinen Antrag ab!) Wir sind ja mit den Verhand­lungen im Finale! Wenn man jetzt die Regierung auffordert, etwas vorzulegen, dann sind ein paar Monate schnell ins Land gezogen, wie wir wissen, und dann wird es heu­er nichts mehr damit werden. Daher verstehe ich auch vom Timing her nicht ganz die­ses Ansinnen. (Abg. Mag. Kogler: Ist ja unglaublich!)

Meine Damen und Herren, die SPÖ hatte bereits 2006 – und das war gar nicht der erste Antrag –, in dem Antrag vom 21. 9. 2006 betreffend Veröffentlichung von Partei­spenden, die Verpflichtung aller Parteien vorgesehen, Spenden ab einer Höhe von 7 000 € zu veröffentlichen, verbunden mit Sanktionen. Alles in Wirklichkeit schon viele, viele Jahre im Haus!

Ich habe dann vor ungefähr eineinhalb Jahren die Initiative ergriffen und habe einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, in dem sich alle Generalsekretäre und Bundesge­schäftsführer getroffen haben. (Abg. Kickl: Seit damals geht es zurück!) Wir haben ja etwas erreicht, wir haben viele Dinge außer Streit gestellt: über 7 000 €, dass das über das Parlament, den Rechnungshof veröffentlicht werden muss, natürlich ein Stücke­lungs- und Umgehungsverbot, harte Sanktionen – das alles ist inzwischen unbestritten.

Die ÖVP war sperrig, das muss man dazusagen. Das ist auch nachzulesen ... (Abg. Amon: Geh, stimmt ja nicht!) Kollege, das ist ja in der APA nachzulesen, da gibt es so­zusagen jede Menge, was da historisch erkennbar ist. Das BZÖ wollte bei der Gele­genheit die Kammern abschaffen, die FPÖ war teilweise in Schockstarre wegen „Part of the game“-Affäre und so weiter. Aber Tatsache ist: Wir haben die Eckpunkte außer Streit gestellt. Das ist auch wichtig – da bin ich wieder bei Kollegen Kogler –, das kön­nen wir uns nicht erlauben: Wenn GRECO, also die internationale Behörde des Euro­parats, den Bericht über Österreich erstattet, dann sollte das doch endlich gelungen und beschlossen sein!

Aber ich habe damals den Herren – es waren nur Herren – von GRECO auch klarge­macht, dass man in Österreich schon ein paar Dinge beachten muss. Wir haben einen Föderalismus, eine Verfassungsstruktur mit Länderautonomie, und wir haben ein Ver­einsrecht. Und wie bestellt – meine Damen und Herren, meine ständigen Thesen! – ha­ben ja gestern die Vorarlberger Parteien beschlossen, dass Spenden über 3 000 € of­fengelegt werden müssen. (Abg. Kopf: Das haben sie noch nicht beschlossen!) So funktioniert das eben in Österreich. (Abg. Kopf: Das haben sie noch nicht beschlos­sen!)

Gemäß der Vorarlberger Landespolitik – Kollege Kopf kennt das natürlich ganz ge­nau – müssen Spenden an Parteien und Landesorganisationen von über 3 000 € künf­tig offengelegt werden. (Abg. Kopf: Sie werden es beschließen!) Das haben die Klub­obleute der vier Vorarlberger Landtagsparteien entwickelt. Die Kontrolle hat der Lan­desrechnungshof. Da sieht man jetzt ganz klar, was ich die ganze Zeit schon predige: Die österreichische Struktur und der Föderalismus sind bei allen diesen Dingen zu be­achten, das spielt eine ganz wichtige und entscheidende Rolle.

Das Zweite zum Vereinsrecht: Stellen wir uns ein Beispiel vor, schön überparteilich, dass wir sagen, entweder der Alpenverein, oder sollen es die Naturfreunde sein, ir­


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gendjemand spendet da eine Almhütte. Das könnte ja vorkommen. Bitte schön, was hat denn das mit einer Parteienfinanzierung oder mit Parteispenden zu tun? – So kann es ja auch nicht sein. Das ist auch im grünen Entschließungsantrag drinnen.

Sollten allerdings der Alpenverein oder die Naturfreunde diese Almhütte einer Partei zur Verfügung stellen oder sozusagen vermachen, dass dort Seminare stattfinden, dann muss das natürlich benannt werden (Abg. Kopf: Du warst aber auch schon sen­sibler bei dem Thema!), weil es eine Sachspende über 7 000 € ist! So einfach ist das Ganze. (Beifall bei der SPÖ.)

Also, bitte, man muss ein bisschen aufpassen, was man da macht. Es gibt einerseits eine Verfassungsstruktur mit Verfassungsautonomie der Länder und auf der anderen Seite auch ein Vereinsrecht. Tatsache ist, dass die Parteienverhandlungen abge­schlossen sind und dass hier im Parlament die Verhandlungen im Finale sind. Dieser Antrag wird das Licht des Parlaments, der Öffentlichkeit in den nächsten Tagen erbli­cken, und dann werden wir das Gesetz beschließen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

16.45


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Lopatka. – Bitte.

 


16.45.49

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Eigentlich müsste auch den Grünen bekannt sein, dass wir hier schon relativ weit sind. Ich kann hier – was selten vorkommt – direkt an meinen Vor­redner anschließen: Es ist tatsächlich so, dass wir in der Zielgeraden sind. Daher halte ich diese Vorgangsweise und diese Fristsetzung einfach für eine unnötige Fleißaufga­be, Kollege Kogler. Es ist nicht notwendig, dass wir hier aufgefordert werden. Es ist auch nicht notwendig, dass wir uns gegenseitig die Schuld zuweisen. Es wird im Inter­esse von uns allen sein, gemeinsam möglichst bald – das Ziel sollte sein, möglichst noch heuer – zu einer Regelung zu kommen, mit der wir einfach die europäischen Standards erfüllen.

Der Europarat hat ja schon 2003 entsprechende Empfehlungen verabschiedet – und diese Empfehlungen sind für mich und sollten für uns die Richtschnur sein –, in denen der Europarat staatliche Regelungen zur Transparenz von Parteispenden, das Verbot geheimer Spenden und die Veröffentlichung von Spenden ab einer gewissen Höhe festlegt. Die Spendenregelung sollte auch gegenüber allen Organisationen gelten und eine Kontrolle durch unabhängige Behörden umfassen. Hier sind auch angemessene Sanktionen vorgesehen. All das ist es, was wir zu verhandeln haben.

Es ist auch GRECO schon angesprochen worden. Die Vertreter von GRECO werden ja in absehbarer Zeit ihren Österreich-Bericht auf den Tisch legen. Hier bin ich auch wie­der bei dem, was Abgeordneter Kräuter schon gesagt hat: Wir können als Nationalrat und als Bundesgesetzgeber natürlich nur das versprechen, was wir dann auch selbst einhalten können. Selbstverständlich müssen wir es schaffen, dass das auch die Lan­desgesetzgeber für ihren Bereich – es haben ja alle Bundesländer entsprechende Par­teienförderungsgesetze und entsprechende Parteienförderung – übernehmen, auch auf landesgesetzlicher Ebene für den Bereich, der die Länder betrifft, entsprechende ... (Abg. Mag. Kogler: Die Spendentätigkeit kann man nur bundesweit regeln!)

Die Spenden sind nicht das Problem. Kollege Kogler, wenn wir nur die Spenden re­geln, dann regeln wir nicht die Parteienfinanzierung. Das sage ich von hier aus als ei­ner, der neun Jahre Landesgeschäftsführer und vier Jahre Generalsekretär einer Partei war. (Abg. Grosz: Eben!) Die Spenden allein, das wäre viel zu eng gegriffen, um das ganz deutlich zu sagen. (Abg. Grosz: ... Inkassoeintreiber von Klasnic und Krainer!)


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Hier ist unser Ziel nicht eine einseitige Konzentration (Abg. Grosz: Wie war das bei Herberstein?) auf die Parteispenden, sondern es geht um die gesamte Parteienfinan­zierung. Es muss ja nicht immer eine Almhütte sein, die man geschenkt bekommt, es kann auch ein Arbeiterheim sein. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wir müssen uns also schon die Bereiche ansehen, die im Rahmen einer umfassenden Regelung von uns betrachtet werden sollen. Wir waren hier ... (Abg. Mag. Kogler: ... es wird nichts, es wird nur verzögert!) Nein, es wird nicht verzögert, Kollege Kogler! Ich kann nur wiederholen – Klubobmann Kopf hat das mehrfach schon öffentlich gesagt –, dass im Zuge dieses umfassenden Transparenzpaketes – da sind ja auch schon ande­re Bereiche angesprochen worden, Kollege Kogler, heute zum Beispiel das Lobbyis­tengesetz, um nur einen weiteren Bereich zu nennen – wir hier auch zu dieser Rege­lung kommen. (Abg. Mag. Kogler: Das ist ein Nebelgesetz und kein Transparenzge­setz! Die Grünen ...!)

Die Grünen waren ohnehin mit eingebunden; das ist heute schon angesprochen wor­den. Man war ja im August des Vorjahres schon relativ weit. Es gibt hier ein Ergebnis­protokoll, das meines Erachtens sogar von den Grünen verfasst worden ist, worin man diese entscheidenden Punkte damals schon festgehalten hat, die wiederum dem ent­sprechen, was der Europarat da bei seinen Empfehlungen hat. Daher sage ich Ihnen, es ist dann auch von unserer Seite her kritisch unter die Lupe zu nehmen, Kollege Kogler, was mit der Klubförderung passiert. Wird die Klubförderung bei den Grünen im­mer und ausschließlich für Klubarbeit verwendet, oder gibt es da auch Finanzierungen der Partei? Können Sie das bei den Grünen ausschließen? (Zwischenrufe bei den Grü­nen.) Können die Freiheitlichen das ausschließen? – Na, ganz sicher nicht!

Hier wurde ja schon öffentlich kritisiert, dass es Direktüberweisungen vom Klub, Bar­geldüberweisungen vom Klub an die Partei gegeben hat. (Ruf bei der ÖVP: Oje!) Ist es das, was das Gesetz vorsieht? Frau Kollegin Moser, wollen wir, dass es in Zukunft möglich ist, dass Klubförderungsmittel für Parteienförderung verwendet werden? Oder soll es da auch Sanktionen geben? (Abg. Öllinger: Mit der ÖVP! Reden Sie doch mit der ÖVP! – Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.) – Ich rede über alle Parteien. Auch die ÖVP ist davon betroffen, aber insbesondere auch die Grünen (Abg. Öllinger: Na!) – das sage ich Ihnen – und die Freiheitliche Partei. Das Nein kommt Ihnen sehr locker über die Lippen. Die Sache ist eine andere. (Zwischenrufe der Abgeordneten Dr. Pirklhuber und Mag. Korun.)

In diesem Sinne: Schauen wir, dass wir gemeinsam möglichst bald zu einer guten Re­gelung kommen! (Beifall bei der ÖVP.)

16.51


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Kickl. – Bitte. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

 


16.51.10

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Spätestens seit heute steht fest – aber eigentlich wissen wir es ohnehin schon länger –, dass es zwei Vorsitzende des „Vereines der Verzögerung der Zeit“ gibt, wenn es um das Gesetz der Parteienfinanzierung geht: Der eine ist rot, und der andere ist schwarz.

Was da in Wirklichkeit geschieht, ist nach einem fulminanten Start und nach einer ful­minanten Startankündigung des Kollegen Kräuter nichts anderes, als dass wir seitdem in der Warteschleife hängen und niemand erklären kann, warum wir in dieser Warte­schleife hängen – außer wir gehen davon aus, dass dieser Zeitraum, der jetzt gewon­nen werden soll, dazu dient, dass man sich untereinander diejenigen Bereiche aus­macht, die möglichst intransparent gestaltet werden sollen. Das ist doch die Wirklich­keit, die da dahinter steht, und sonst gar nichts! (Beifall bei der FPÖ.)


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 83

Wir stimmen diesem Fristsetzungsantrag selbstverständlich zu, weil darin Punkt für Punkt das steht, was wir ja auch in Allparteiengesprächen – sage ich jetzt einmal – durchaus als vehement und gemeinsam auftretende Opposition den beiden Regie­rungsparteien Stück für Stück abringen haben müssen. Das haben wir aber zumindest einmal auf dem Tisch, und deswegen ist es auch sinnvoll, hier weiter Druck zu ma­chen.

In Wirklichkeit ist es ja gar nicht so schwierig, die Schwachpunkte zu finden. Man muss sich nur an den Unzulänglichkeiten des bestehenden Parteienfinanzierungsgesetzes entlanghanteln. Da findet man ja einen Missstand nach dem anderen, und der ist an und für sich mit diesen Punkten repariert. Es geht allerdings um den Bereich, in dem es jetzt dann wirklich spannend wird, und da geht es darum, auf wen das Gesetz ange­wendet werden soll und für wen es gelten soll.

Herr Kollege Kräuter ist ja wirklich sehr, sehr intensiv vorgestoßen, hat auf die Trom­mel gehaut, hat „Reformbedarf“, „GRECO“ – alles Mögliche – geschrien. (Zwischenruf des Abg. Dr. Kräuter.) Die Zeit läuft uns davon. Wir müssen lieber heute handeln als morgen. – So war das. Wenn ich mir aber die jüngsten innerparteilichen Entwicklungen bei der SPÖ anschaue, habe ich schön langsam den Verdacht, dass Sie damals den Mund vielleicht etwas zu voll genommen und vielleicht etwas zu laut gerufen haben, dass jetzt etwas weitergehen muss, und dass jetzt Ihre innerparteiliche Entmachtung und die Gewichtverlagerung hin zur Frau Rudas auch eine der Konsequenzen daraus ist, dass Sie etwas zu weit vorgestoßen sind.

Frau Rudas hat – das kann ich Ihnen sagen – relativ wenig Interesse daran, dass die Machenschaften der SPÖ Wien rund um einen Teppichhändler, Agenturen und was da sonst noch alles herumrennt auch tatsächlich unterbunden werden können. Herr Kräu­ter, ich glaube, Sie sind sozusagen ein Opfer Ihres eigenen Mutes geworden, und des­wegen werden Ihre Leute auch innerparteilich in der Geschäftsstelle abmontiert. Das ist die Wahrheit! (Beifall bei der FPÖ.)

Alle Punkte, die in diesem Fristsetzungsantrag drinnen sind oder die dieser Fristset­zungsantrag betrifft, sind sinnvoll. Wie ist es aber wirklich abgelaufen in der Debatte, in der es dann um das Eingemachte, um den Geltungsbereich gegangen ist? – Na selbst­verständlich soll es um die Parteien auf Bundesebene gehen. Da waren wir uns alle einig, aber dann kam die SPÖ mit folgender Argumentation daher: Bundesländerorga­nisationen – nein, die haben mit der SPÖ nichts zu tun!; die Firmengeflechte der SPÖ Wien – bitte, das hat mit der SPÖ überhaupt gar nichts zu tun!; die Fraktion in der Ar­beiterkammer – also bitte, das hat mit der SPÖ nicht das Mindeste zu tun!; die SPÖ-Fraktion in der Gewerkschaft – ja, die kennen wir überhaupt gar nicht, die kann davon niemals betroffen sein! (Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig); der Arbeiter­fischereiverein des Herrn Kräuter – alles das hat mit der SPÖ überhaupt gar nichts zu tun!; und wenn wir die Regelung der Parteienfinanzierung treffen wollen, dann muss das bitte alles draußen bleiben, für diese Dinge darf das nicht gelten!

Das gleiche Muster haben wir dann umgekehrt bei der ÖVP gefunden. Dort war es so: Auch unsere neun Bundesländer haben mit der ÖVP nichts zu tun – obwohl man manchmal glaubt, diese Bundesländer sind die ÖVP (neuerlicher Zwischenruf der Abg. Königsberger-Ludwig); die Bünde – die haben mit der ÖVP überhaupt gar nichts zu tun, wie kommt man auf die blöde Idee, dass man in einem Finanzierungsgesetz die Bünde und die Finanzierungsstruktur der Bünde mit hineinnehmen müsste?!; die Wirt­schaftskammer – alles das hat mit der ÖVP überhaupt nichts zu tun!

Das ist der Grund, warum wir jetzt einen Stillstand in dieser Sache erleben: weil man versucht, sich hinter den Kulissen auszupackeln, wie man es denn am gescheitesten anlegt, damit das ein Gesetz wird, das insbesondere den Anschein erweckt, dass man Transparenz herstellt, aber in Wirklichkeit dazu dient, möglichst viel zu vertuschen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 84

Meine Damen und Herren! Was jetzt vorliegt und mit Ihrer Vorgangsweise auch umge­setzt werden soll, ist das Unternehmen, bei einem Haus die Vordertür zu verbarrikadie­ren – weil Sie sagen, wir lassen da niemanden mehr herein – und gleichzeitig im Hin­terhof alle Fenster und Türen aufzusperren, um sich die Finanzierung über diese ande­ren Kanäle zu organisieren.

Ich glaube ja, dass es nur einen einzigen Grund gibt, warum es immer heißt: Bitte war­ten! Bitte warten! Bitte warten! – Weil Sie sich in Wahrheit gar nicht trauen, das, was Sie sich jetzt ausgepackelt haben, dem Hohen Haus vorzulegen, weil es wahrschein­lich in der Luft zerrissen werden wird – genau wegen dieser Kritikpunkte. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Tadler.)

16.55


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Moser. (Ruf bei der ÖVP: Frau Moser ...!)

 


16.56.09

Abgeordnete Dr. Gabriela Moser (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Fristsetzung heißt, wir wollen endlich etwas zu Ende verhandelt haben und beschlie­ßen, was schon lange, lange beraten worden ist und worüber man schon Vorverhand­lungen geführt hat. Ich glaube, es wurde schon fünf Mal versprochen und angekündigt: Jetzt wird es beschlossen, jetzt wird es beschlossen! Wir stehen immer für die gläser­ne Kassa bei den Parteien. Wir selber haben alles auf den Tisch gelegt. Sie können die grüne Partei jederzeit in alle Richtungen durchleuchten, sei es jetzt auf Bundes- oder Landesebene, auch beim Klub. Da prüft ja auch der Rechnungshof. Das alles ist ganz gesetzeskonform und transparent geregelt.

Wo wir diese Maßstäbe auch anlegen möchten, ist einfach bei allen. Was spricht denn dagegen? Das gibt es in Schweden, das gibt es in anderen vorbildlich geregelten Staa­ten. Warum soll man das nicht auch in Österreich machen – als ersten Schritt, um wie­der das Vertrauen der Bevölkerung zu bekommen?

Herr Kollege Lopatka, Sie haben gesagt: Jetzt wird es bald, jetzt wird es bald! Herr Kol­lege Kräuter hat auch gesagt, es handle sich wahrscheinlich nur mehr um Tage oder Stunden oder so ähnlich. Aber: Wir haben ja bereits – ich habe es mir extra noch ein­mal mitteilen lassen – am 6. Mai das Versprechen bekommen, jetzt  jetzt!  sei es so weit, am 20. Mai werde unterfertigt. Der Mai ist ins Jahr gegangen, der Sommer kam, und jetzt haben wir Herbst. Es beginnt dann der Winter, und ich weiß nicht, wie das zu Weihnachten ausschauen wird. (Zwischenruf des Abg. Weninger.)

Diese Verzögerung – diese ständige Verzögerung! – ist der Grund, warum wir die Frist­setzung heute machen. Wir können auch inhaltlich weiterdiskutieren – viele Kollegen haben schon inhaltliche Nuancen beigetragen –, aber mir geht es in erster Linie darum, dass das, was angekündigt worden ist, was versprochen worden ist, endlich auch be­schlossen wird, dass das klar ist, dass das vom Tisch ist, damit wir sozusagen ein ers­tes Maßnahmenpaket vorlegen können, dass wir willens sind, endlich einmal die Ebe­nen der Korruptionsmöglichkeit – ich formuliere es jetzt sehr vorsichtig – in Richtung Geldflüsse, in Richtung Parteien, in Richtung Politik durch Transparenz zu immunisie­ren, einfach durch Transparenz zu immunisieren.

Meine Damen und Herren! Es gibt ja noch ein anderes Gebiet, für das wir ebenfalls Versprechungen haben, die noch immer nicht eingelöst worden sind, nämlich das Min­derheitsrecht der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Da werden wir auch immer wieder vertröstet, das ist auch ein Endloskapitel. Das zermürbt beziehungswei­se sät auch Misstrauen in der Bevölkerung, sät Vertrauensverlust, und ich glaube, das haben wir nicht nötig.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 85

Wir könnten jederzeit – von unserer Seite sowieso lieber heute als morgen – endlich einmal dieses Gesamtpaket „Transparenz“ schnüren, beschließen, in Kraft treten las­sen und umsetzen. Darum geht es! Das ist das Ziel dieses Fristsetzungsantrages! Wir wollen nicht ein ständiges Hinausschieben auf nächstes Mal. Bitte, die letzten Tage der Menschheit sollen nicht eintreten. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.59


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Als Letzter zu diesem Tagesordnungspunkt ist Herr Abgeordneter Petzner zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


16.59.25

Abgeordneter Stefan Petzner (BZÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Vorbereitung auf diese Rede – ich war damals bei den Parteiengesprächen, bei den ersten zwei, drei Verhandlungsrunden dabei – wollte ich mich im Klub informieren und habe die Referenten gefragt, aber keiner hat etwas gewusst. Ich habe alle Parla­mentarier gefragt, aber keiner hat gewusst, ob da jetzt etwas weitergegangen ist oder nicht. Nach endlosen Recherchen bin ich draufgekommen, dass seit einem Jahr über­haupt nichts weitergegangen ist. Ich habe jetzt auch noch Kollegen Kogler gefragt und ihm auch gesagt: Werner, das gibt es ja gar nicht, dass jetzt ein ganzes Jahr lang nichts weitergegangen ist! Aber: Es ist tatsächlich nichts weitergegangen!

Genau das ist das Problem, und das wirft die Frage auf, was Sie in diesem einen Jahr gemacht haben, wenn nicht verhandelt. Ich habe ja den Verdacht, dass Sie dieses eine Jahr genützt haben, um schnell noch die eine oder andere Parteispende, die nicht ganz korrekt ist, irgendwie auf Ihre Parteikonten zu verbuchen, meine Damen und Her­ren von SPÖ und ÖVP.

Das haben Sie in diesem einen Jahr gemacht, und das ist auch die Problematik, denn: Das Ergebnisprotokoll, das heute schon zitiert wurde, liegt seit 14. Oktober 2010 vor. In diesem steht alles drinnen. Wir haben damals gut verhandelt, es waren korrekte Ge­spräche, und da gibt es eine fertige Punktation, die man nur mehr in einen Gesetzes­text gießen muss. Da müssen Sie von SPÖ und ÖVP sich schon die Frage stellen las­sen, warum Sie dafür ein Jahr brauchen.

Wenn ich mir anschaue, dass sowohl die SPÖ als auch die ÖVP am Hungertuch na­gen und Pleite sind – ich weiß ja nicht, was Sie mit Ihrem ganzen Parteiengeld ma­chen, ich lese nur die Zeitungen –, habe ich den Verdacht, dass Sie dieses eine Jahr dazu genutzt haben, Ihre Parteifinanzen auf anderen Wegen zu sanieren – die ÖVP zum Beispiel mit diesem Herrn, der uns jetzt laufend beschäftigt, nämlich mit Herrn Mensdorff-Pouilly, der heimliche Parteikassier der Österreichischen Volkspartei. (Der Redner hält eine Zeitschrift in die Höhe.)

Herr Mensdorff-Pouilly wird uns ja auch im Untersuchungsausschuss sehr beschäfti­gen, ebenso die Verbindungen des Herrn Mensdorff-Pouilly, unter anderem ins Nieder­österreichische Landhaus zu Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll (Zwischenrufe bei der ÖVP) – Herr Kollege, hör jetzt zu! –, weil ÖVP-Mitarbeiter, von Kloibmüller bis Ul­mer, die jetzt im Fokus der Staatsanwaltschaft stehen, Schüler beziehungsweise Jün­ger des Erwin Pröll sind; das alles sind Leute der ÖVP-Niederösterreich. (Neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Dieses System ÖVP-Niederösterreich werden wir uns noch genau anschauen! (Zwi­schenruf des Abg. Rädler.) Deine Aufgeregtheit zeigt ja nur, dass der „Heilige Erwin“ schon Angst davor hat (ironische Heiterkeit des Abg. Rädler), was alles in diesem Un­tersuchungsausschuss ans Tageslicht befördert werden wird. (Beifall beim BZÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Und das wird einiges sein; das kann ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei, jetzt schon verspre­chen.


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 86

Es kommt ja wahrscheinlich nicht von ungefähr, wenn Frau Innenministerin Mikl-Leitner dazu sagt – und das muss man direkt auf der Zunge zergehen lassen –, dass die Er­mittlungen der Justiz eine Schande seien. Die Frau Innenministerin bezeichnet den Rechtsstaat, die Ermittlungen der Justiz in dieser Sache als Schande! Wo kommen wir denn da hin!

Da stellt sich schon die Frage: Was hat Frau Mikl-Leitner zu verbergen? Warum schützt sie, warum deckt sie als Niederösterreicherin Herrn Kloibmüller sozusagen auf Teufel komm raus – im wahrsten Sinne des Wortes! (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das alles werden wir noch genau klären, meine Damen und Herren von der ÖVP. Ich freue mich darauf, diese Aufklärungsarbeit gemeinsam mit Ewald Stadler zu leisten.

Auch bei dem Beispiel, das Herbert Kickl im Zusammenhang mit Ali Rahimi gebracht hat, wird die Aufklärung sehr, sehr spannend werden. Mit großer Aufmerksamkeit habe ich gelesen, dass es da auch zu einer Anzeige kommen soll. Ali Rahimi ist ja eine sehr interessante Person; ich formuliere es einmal so. Auch da wird es notwendig sein, Auf­klärungsarbeit zu leisten, womit dieser sogenannte Teppichhändler – meiner Meinung nach ist er ja keiner – wirklich handelt. Teppichhändler gibt es viele, aber Leute, die durch Teppichhandel zu solch großem Reichtum gekommen sind, eher weniger.

Meine Damen und Herren! Es geht darum, mit einem neuen Parteienfinanzierungsge­setz Fälle von Korruption, von Vertuschungsmanövern zu verhindern, indem man eben von Haus aus und durch ein strengeres Parteienfinanzierungsgesetz für korrekte Vor­gänge sorgt. Es ist richtig gesagt worden, dass man damit kriminelle Straftaten nie gänzlich wird ausschließen können, aber es ist trotzdem notwendig, wichtig und richtig, einen Schritt in Richtung mehr Transparenz und Kontrolle zu tun.

GRECO ist ja schon genannt worden, und deren Bericht – da haben wir also nicht mehr viel Zeit – kommt mit Jahresende. Ich fordere Sie, meine Damen und Herren von ÖVP und SPÖ, auf, endlich einen Entwurf vorzulegen, wie das ja vereinbart wurde, und zwar einen ordentlichen Entwurf und nicht wieder irgendeinen Topfen, sondern einen Entwurf, der der zwischen allen Parlamentsparteien erzielten Einigung entspricht und diese Punktation beinhaltet. (Präsident Dr. Graf gibt das Glockenzeichen.) Andernfalls werden wir noch länger brauchen, denn einem zahnlosen Parteienfinanzierungsgesetz werden wir vom BZÖ sicherlich nicht zustimmen. (Beifall beim BZÖ.)

17.04

17.04.10

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet.

Die Debatte ist geschlossen. (Ruf beim BZÖ: Die Aussage von Mikl-Leitner ...!)

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Dr. Gla­wischnig-Piesczek, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Bericht­erstattung über den Antrag 945/A(E) der Abgeordneten Dr. Glawischnig-Piesczek, Kol­leginnen und Kollegen betreffend „gläserne Parteikassen“ eine Frist bis 14. Novem­ber 2011 zu setzen.

Ich ersuche jene Damen und Herren, die für diesen Fristsetzungsantrag sind, um ein diesbezügliches Zeichen. – Das ist die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.

17.05.24Einlauf

 


Präsident Mag. Dr. Martin Graf: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selbständigen Anträge 1685/A(E) bis 1698/A(E) eingebracht wurden.

Ferner sind die Anfragen 9443/J bis 9456/J eingelangt.

*****


Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll122. Sitzung / Seite 87

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 17.06 Uhr ein; das ist gleich im An­schluss an diese Sitzung.

Diese Sitzung ist geschlossen.

17.06.00Schluss der Sitzung: 17.06 Uhr

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Parlamentsdirektion

1017 Wien