Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll164. Sitzung / Seite 180

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Wir halten es zweitens für eine Flucht aus den EU-Verträgen. Einmal mehr wird dieser Weg über einen völkerrechtlichen Vertrag gewählt, statt die Enhanced Cooperation, also die verstärkte Zusammenarbeit, auch nur zu versuchen.

Und drittens haben wir schwere verfassungspolitische Bedenken, die auch beim Hea­ring vor dem Verfassungsausschuss von Professor Griller schon vorgetragen wurden. Unserer Meinung nach ist es unzulässig, diesen Fiskalpakt in dieser Form mit einfa­cher Mehrheit zu beschließen. Dieser Fiskalpakt enthält Bestimmungen, die mit der ös­terreichischen Verfassung nicht im Einklang stehen. (Abg. Grosz: Jetzt auf einmal!) Das heißt, damit sie mit einfacher Mehrheit diesen Vertrag ratifizieren können, hätten die Regierungsparteien vorher die entsprechenden Verfassungsbestimmungen ändern müssen, was ihnen natürlich schwerfiele, weil sie die Zweidrittelmehrheit schwer zu­sammenbekommen. Aber das hätten sie versuchen müssen. So laufen sie Gefahr, dass der Verfassungsgerichtshof früher oder später die Ratifizierung dieses Pakts wird aufheben müssen.

Ganz abgesehen davon: Wie kann man so einen Vertrag unterschreiben, wo wichtige Bestimmungen derart vage beziehungsweise unklar sind? Die Definition des strukturel­len Defizits, die Problematik haben wir schon erwähnt. Aber es betrifft auch den Arti­kel 5 beispielsweise, die Zustimmungs-/Genehmigungsrechte von Rat und Kommission in Bezug auf sogenannte Partnerschaftsprogramme. Das ist ein neuer Begriff im Rah­men der Verfahren der sogenannten übermäßigen Defizite. Als österreichischer Jurist würde man sagen: Wenn hier ein neuer Begriff verwendet wird – neu im Verhältnis zum bisherigen Stabilitäts- und Wachstumspakt und neu in Bezug auf den „Sixpack“ –, dann müssen die Vertragspartner in diesem Zusammenhang auch etwas Neues mei­nen. Ja, was genau meinen sie hier? Ganz abgesehen davon, dass das, was ein au­tomatischer Korrekturmechanismus sein soll, im Vertrag nicht definiert ist. Das wird hier nicht definiert! Wohl aber setzen sich die Vertragspartner einer Strafe aus, wenn der EuGH findet, das ist nicht ordnungsgemäß verwirklicht.

Also ich finde, das ist ein Husch-Pfusch. Abgesehen jetzt von der inhaltlichen ökonomi­schen Problematik ist es legistisch ein Husch-Pfusch, was hier gemacht wird. Sorry! (Beifall bei den Grünen.)

17.57


Präsident Fritz Neugebauer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Bartenstein. – Bitte.

 


17.57.36

Abgeordneter Dr. Martin Bartenstein (ÖVP): Herr Präsident! Meine Herren Staats­sekretäre! Hohes Haus! Herr Professor Van der Bellen, die Grünen haben soeben dem ESM zugestimmt. Die Grünen sagen nein zum Fiskalpakt. Die Grünen sagen aber auch – schlag nach bei Frau Lichtenecker! –, dass Fiskalpakt und ESM eins sind, mit­einander junktimiert sind.

Also diese Chuzpe erklären Sie mir einmal, wieso die Grünen dadurch, dass sie gegen den Fiskalpakt sind, eigentlich indirekt auch gegen den ESM sind, weil ja durch das Junktim das eine oder das andere nicht geht. Das ist auch ganz klar im Expertenhea­ring herausgekommen.

Rein formal mögen Sie recht haben, Herr Kollege Van der Bellen, dass es kein formel­les Junktim gibt, aber es gibt sehr wohl ein politisches, zum Beispiel das deutsche, das da heißt: Keine Finanzierung aus dem ESM für ein Land, das dem Fiskalpakt nicht bei­getreten ist!

Die „Financial Times“ ist und bleibt – mit Verlaub! – eine englische Zeitung, und der Gipfel hat sich über alles Mögliche unterhalten, aber eben nicht über den Fiskalpakt.


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