Stellungnahme der LEFÖ – Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels

Zum

Bundesgesetz, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besondern Interesses erlassen wird[1]

 

 

Aufenthaltsrecht von Opfern von Menschenhandel

 

Der neuen Bestimmung §69a „Opfer“ muss vorausgeschickt werden

Basis, dass Menschen ein Aufenthaltsrecht in Anspruch nehmen können, ist, dass sie von den zuständigen Behörden als solche erkannt werden. Diese  Identifizierung gehandelter Personen setzt eine entsprechende Schulung der zuständigen Personen und Behörden in einer gender- und kultursensitiven Weise voraus.

 

§ 69a. (1) 2. „Opfer“

1. Es wird darauf hingewiesen, dass das von Österreich ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels[2] in Artikel 14 folgendes festlegt:

 

Artikel 14 – Aufenthaltstitel
(1) Jede Vertragspartei erteilt dem Opfer einen verlängerbaren Aufenthaltstitel,
wenn mindestens einer der beiden folgenden Fälle vorliegt:
a) Die zuständige Behörde ist der Auffassung, dass der Aufenthalt des Opfers
aufgrund seiner persönlichen Situation erforderlich ist;

b) die zuständige Behörde ist der Auffassung, dass der Aufenthalt des Opfers für

seine Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden bei den Ermittlungen

oder beim Strafverfahren erforderlich ist.

 

Aufenthaltsberechtigungen für Opfer von Menschenhandel dürfen nicht von der Bereitschaft oder Fähigkeit des Opfers abhängig gemacht werden, im Strafverfahren als ZeugInnen gegen den/ die Menschenhändler auszusagen, sondern müssen an den Rechten, der Gefährdung und den Bedürfnissen des Opfers ausgerichtet sein.

Wir möchten darauf hinweisen, dass die konditionale Verbindung von „Aussage“ und „Aufenthalt“ in Strafverfahren von den Verteidigern der Angeklagten als Argument verwendet wird, um die Glaubwürdigkeit der Zeuginnen zu untergraben.

 

Der jetzt vorgelegte Gesetzesentwurf stellt zwar insofern eine Verbesserung zur derzeit geltenden Rechtslage dar, dass nach der bloßen Möglichkeit zu einem Aufenthalt aus humanitären Gründen nun die zuständigen Behörden zur Erteilung verpflichtet sind, dennoch ändert sich nichts daran, dass die Möglichkeit eines Aufenthaltstitels auf die Gewährleistung von Strafverfolgung oder die Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen reduziert wird.

Obwohl das oben genannte Übereinkommen des Europarats den Vertragsparteien eine Auswahlmöglichkeit gewährt, wird empfohlen, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen nicht nur dann möglich sein soll, „wenn das Opfer mit den Behörden kooperiert oder zivilrechtliche Ansprüche gegen den/die Händler geltend macht, sondern auch unanhängig davon, ob individuelle Gründe geltend gemacht werden, wobei hier der Schutzbedürftigkeit des Opfers eine große Bedeutung zukommt.“[3]

 

Weiters wurde im Österreichischen Bericht zur Bekämpfung des Menschenhandels des Jahres 2008 festgehalten:

„Wenn festgestellt wurde, dass es sich um Opfer des Menschenhandels handelt, können für diese Personen (und unter Umständen auch für Kinder dieser Personen) Aufenthaltsbewilligungen aus humanitären Gründen von mindestens 6 Monaten Gültigkeitsdauer gewährt werden, wenn es die persönliche Situation des Opfers erforderlich macht, auch unabhängig davon ob die Bereitschaft besteht, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.“

 

Ebenfalls wird im Bericht der EU-ExpertInnengruppe von 2004[4] empfohlen, dass der Aufenthalt unabhängig von der Beteiligung an der Strafverfolgung ausgesprochen werden soll, da nur dies den Schutz der Opfer garantiert.

 

Auch um für Opfer eine Rechtssicherheit zu schaffen, empfehlen wir den vorliegenden Text insofern zu ergänzen, dass ein Aufenthaltstitel auch zum Schutz und zur Sicherheit für Opfer erteilt werden kann und dazu die Expertise einer Opferschutzeinrichtung zugezogen wird. Hervorzuheben ist, dass die Möglichkeit eines humanitären Aufenthalts aufgrund der persönlichen Situation der Betroffenen bereits in Form eines Erlasses geregelt wird.[5] Die Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes könnte als Anlass genommen werden, um diese Regelung durch einen Erlass in das Gesetz aufzunehmen.

 

2. Die vorgesehene Benennung des §69 a NAG lautet auf „Opfer“. Wir weisen darauf hin, daß diese Benennung, sollte sie auch in Dokumenten, wie z.B der Aufenthaltskarte die eine Betroffene erhält (und die z.B. auch einem potentiellen Arbeitgeber gezeigt wird), verwendet werden, eine stigmatisierende Wirkung hätte. Es wird daher empfohlen, den Namen des Aufenthaltstitels zu verändern, um der Stigmatisierung entgegen zu wirken. Mindestens aber sollte diese Benennung nicht in persönlichen Dokumenten der Betroffenen aufscheinen.

 

3. Zu Begrüßen ist, dass die langjährige Forderung nach einem Antragsrecht umgesetzt wurde.

Weiters ist zu begrüßen, dass der Antrag in 6 Wochen erledigt werden soll.

Dabei ist zu bedenken, dass gehandelte Personen meist über kein Identitätsdokument verfügen, dies meist nicht in 6 Wochen nachgebracht werden kann, dies aber nicht zu einer Ablehnung führen darf.

Bei etwaigen Ablehnungen aus formalen Gründen muss ein neuerlicher Antrag möglich sein.

 

4. Empfohlen wird weiterhin, dass bis zur Entscheidung über den Antrag ein faktischer Abschiebeschutz besteht. Auch diese Personengruppe darf Rechtssicherheit während des Verfahrens erwarten. Dieser ist im vorliegenden Text nicht festgehalten. Deshalb wird empfohlen, die Erholungs- und Bedenkzeit, dessen Erteilung derzeit im Wege eines Erlasses[6] festgelegt ist, im Zuge der Änderung in das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz durch eine zusätzliche Bestimmung aufzunehmen. Die Erholungs- und Bedenkzeit wird auch in Art. 6 RL 2004/81[7] festgelegt und auch der EU ExpertInnenbericht 2004, S.105ff  empfiehlt eine mindestens 3 monatige Stabilisierungszeit. Diese Stablisierungszeit muss bis zur Ausstellung des Aufenthaltes verlängerbar sein.

 

5. § 8 Abs. 5 NAG sieht vor, daß eine § 69a Aufenthaltsbewilligung in eine Niederlassungsbewilligung übergehen kann, „sofern dies in diesem Bundesgesetz vorgesehen ist“. In den §§ 43 und 44 NAG sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt“ und „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ geregelt, allerdings findet sich dort kein direkter Verweis auf jene Betroffenen, die nach § 69a eine Aufenthaltsbewilligung haben.  Wir empfehlen daher dringend die Ergänzung der §§ 43 und 44 NAG um Drittstaatsangehörige, die eine Aufenthaltsbewilligung nach § 69a erhalten haben. Dies wäre auch im Sinne des von Österreich ratifizierte Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels[8], die im Artikel 14 auch sinngemäß festhält, daß bei der Erteilung von Aufenthaltstiteln anderer Art für Opfer von Menschenhandel / Frauenhandel durch die Vertragspartei berücksichtigt werden soll, daß das Opfer einen verlängerbaren Aufenthaltstitel im Sinne des jetzt geplanten § 69a innehat oder –hatte.

 

6. Diese Aufenthaltsberechtigung muss mit Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden sein, um Abhängigkeiten und eine Marginalisierung zu verhindern und die Stabilisierung zu unterstützen.

 



[1]  Dezember 2008

[2] SEV Nr. 197

[3] Österreichische Erläuterungen zum Übereinkommen des Europarats, para. 180ff.

[4] EU-ExpertInnengruppe, Bericht vom 22.12.2004, Kapitel 4, para. 94.

[5] Erlass des Bundesministeriums für Inneres, BMI-FW1700/0114_III/4/2005.

[6] BMI-FW1700/0090-III/4/05.

[7] Richtlinie 2004/81/EG des Rates vom 29. April 2004 über die Erteilung von Aufenthaltstiteln für Drittstaatsangehörige, die Opfer des Menschenhandels sind oder denen Beihilfe zur illegalen Einwanderung geleistet wurde und die mit den zuständigen Behörden kooperieren

[8] SEV Nr. 197