arbeitsmarktpolitische Betreuungseinrichtung

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Stellungnahme

 

 

Das Beratungszentrum für Migranten und MigrantInnen in Wien nimmt zu dem am 10.12.2008 in Begutachtung gegangenen Entwurf des Bundesgesetzes mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird, wie folgt Stellung:

 

Als Berater und Beraterinnen von Menschen aus aller Welt wissen wir, dass jedes Schicksal einzigartig ist und dass unvorhersehbare Ereignisse dazu führen können, dass so manche Biografie nicht in die Schablonen des Fremdenrechts passt. Umso wichtiger ist es, dass das Menschenrecht auf Privat- und Familienrecht für jeden gelten muss und nicht durch einen Gnadenakt gewährt werden darf. Wir begrüßen daher die Streichung der Regelungen über die amtswegige Erteilung „humanitärer“ Aufenthaltstitel und die Schaffung durchgängiger Verfahren, wie dies vom Verfassungsgerichtshof vorgegeben wurde.

 

Kritisch sehen wir die Art der Umsetzung des höchstgerichtlichen Auftrages, da die Betroffenen beim Stellen von komplexen Zusatzanträgen sicherlich rechtskundiger Unterstützung bedürfen. Auch werden die zuständigen Behörden durch ihre erweiterte Manuduktionspflicht mit erheblicher Mehrbelastung zu rechnen haben.

 

Im Interesse der Sparsamkeit und der Entlastung der Behörden und Gerichte regen wir daher Bleiberecht für all jene an, die sich bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetztes bereits 5 Jahre im Bundesgebiet aufhalten.

 

Da das Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen nicht in Fragen des Asylrechts berät, bezieht sich die Stellungnahme nur auf die geplanten Änderungen im Fremdenpolizeigesetz und Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz und das neue Bundesgesetz über einen Beirat.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu den geplanten Änderungen im Fremdenpolizeigesetz:

 

 

 

§ 21 (9) FPG

 

Wir begrüßen ausdrücklich die Möglichkeit, im Inland nach rechtmäßiger Einreise ein Visum erteilen zu können, wenn aus medizinischer Sicht eine Ausreise nicht möglich ist. In unserer Beratungspraxis erleben wir häufig Menschen in Ausnahmesituationen, die aus triftigen Gründen (z.B. ein anhängiges Gerichtsverfahren, in dem es Rechte zu wahren gilt, ein Todesfall in der engeren Familie etc) nicht nach Ablauf des Visums bzw. des legalen sichtvermerksfreien Aufenthaltes das Bundesgebiet verlassen können.

Wir regen daher an, die Möglichkeit der Visaerteilung im Inland für alle nachvollziehbaren Notfälle zu eröffnen.

 

 

 

 

§ 66 (2) FPG

 

Wie in den erläuternden Bemerkungen angeführt, stellen die gleich lautenden Änderungen in den §§ 10 (2)Asylgesetz, § 66 (2) Fremdenpolizeigesetz und

§ 11 (3) Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz im fremdenpolizeilichen Verfahren keine inhaltliche Änderung dar, es wurden nur die vom Verfassungsgerichtshof formulierten Kriterien für die Beurteilung, ob ein Recht auf Verbleib im Inland gem. Art. 8 EMRK besteht, explizit in die Regelung hinein genommen.

 

Bezüglich der Z. 1 regen wir an, zumindest in den erläuternden Bemerkungen fest zu halten, dass die Ausschöpfung des gesetzlichen Instanzenzuges nicht per se als aussichtslose Antragstellung gewertet werden darf, auch wenn im Instanzenzug letztlich abschlägig entschieden wurde.

 

Auch die Auslegung der Z. 8 (die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden zu einem Zeitpunkt entstand, als sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren) darf nicht dazu führen, dass Familien, deren Mitglieder teilweise Asylsuchende sind oder waren, weniger Wert sind und weniger Schutz verdienen als andere. Gerade prekäre Situationen wie z.B. Flucht oder Asylverfahren machen ja die menschenrechtliche Norm des Art. 8 EMRK erst notwendig. Das Bemühen des Staates, so genannte „Aufenthaltsehen“ zu verhindern, darf nicht dazu führen, binationale Ehen und Familien unter Generalverdacht zu stellen und ihnen den Schutz des Art. 8 EMRK zu verweigern, weil der Ehegatte zur Zeit der Eheschließung etwa Asylwerber war.

 

 

 

 

Zu den geplanten Änderungen im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005

 

 

 

§ 3 (2) NAG

 

Die Nützung der Option des § 68 (4) Z. 4 AVG zeugt von einer Abwehrhaltung gegen Fremde im Allgemeinen sowie von Misstrauen gegen die eigenen Unterbehörden im Besonderen. Bei Täuschungshandlungen seitens des Fremden wäre das Instrument der Wiederaufnahme jedenfalls ausreichend.

In anderen Fällen ist es rechtsstaatlich wie menschenrechtlich äußerst bedenklich, die Rechtkraft von Bescheiden nachträglich durch Nichtigerklärung aufzuheben, zumal auf diesen Bescheiden, also den Aufenthaltstiteln, meist gesamte Existenz der Fremden aufgebaut ist.

 

§ 11 (1) Z 3 NAG

 

Zu begrüßen ist die Ergänzung der bestehenden Norm um den Halbsatz „ sofern er nicht einen Antrag gem. § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist“.

Dadurch wurde für bestimmte Fälle der Missstand beseitigt, dass eine Ausweisung de facto die Qualität eines einjährigen Aufenthaltsverbotes hat.

Wir regen allerdings an, diesen Missstand vollständig zu beseitigen und die Z 3 gänzlich zu eliminieren.

 

 

§ 11 (3) NAG

 

Hier verweisen auf unsere Ausführungen zu §§ 66 (2)

 

 

§ 24 (1) NAG

 

 

Art. 4 der Richtlinie 2003/019/EG betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen sieht nach 5 Jahren ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts einen Anspruch auf eine langfristige Aufenthaltsberechtigung (Daueraufenthalt-EG od. -Familienangehöriger) vor.

Art. 14(2) der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung sieht vor, dass Familienangehörige von Drittstaatsangehörigen spätestens 12 Monate nach Niederlassung freien Zugang zum Arbeitsmarkt haben müssen (gewährleistet durch Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt).

Die Vorschrift der Zulässigkeit von Verlängerungsanträgen frühestens 3 Monate vor Ablauf des gültigen Aufenthaltstitels ist daher dahingehend zu adaptieren, dass sie zu keinem richtlinienwidrigen Ergebnis führen darf. Daueraufenthalt-EG und Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt für die Kernfamilie von Drittstaatsangehörigen muss daher bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen jederzeit beantragt werden dürfen.

 

(2) Durch die Abschaffung der 6-Monats-Toleranzfrist ist zu befürchten, dass wieder viele Menschen in Unkenntnis der neuen Rechtslage aus rein formalen Gründen in die Illegalität abdriften. Dies führt, wie man noch von der Einführung des Aufenthaltsgesetzes 1993 weiß, zu menschlichen Tragödien, aber auch zu einem massiven Verwaltungsaufwand, um diese Menschen wieder zu legalisieren.

Wir regen daher an, die 6-Monatsfrist zu behalten und zusätzlich die vorgeschlagene Form der Wiedereinsetzung zu ermöglichen.

 

 

§§ 43 (2) und 44 (3) NAG

 

Wenn Menschen aus Gründen des Art. 8 EMRK einen Anspruch auf den Schutz ihres Privat- und Familienlebens und somit ein Bleiberecht in Österreich haben, ist es jedenfalls unsachlich, das Recht, arbeiten zu dürfen, von den jeweiligen Deutschkenntnissen abhängig zu machen. Das könnte zu dem absurden Ergebnis führen, dass ein Volksschulkind aus Gründen des Art. 8 EMRK eine Niederlassungsbewilligung-unbeschränkt erhält, seine Mutter aber nur eine Niederlassungsbewilligung-beschränkt.

Wer aus menschenrechtlichen Gründen in Österreich bleibt, muss auch Zugang zum Arbeitsmarkt haben.

 

 

§ 44b (1) NAG

 

Hier sollte klargestellt werden, dass ein begründeter Antrag wegen maßgeblicher Veränderungen des Sachverhalts nach Erlassung einer rechtskräftigen Ausweisung auch für rechtskräftige Ausweisungen nach dem Fremdengesetz 1997 sowie der Vorgesetze gelten soll. Man käme sonst zu dem nicht erwünschten Ergebnis, dass Menschen, die besonders lang in Österreich leben, ihr Bleiberecht nicht durchsetzen können.

 

 

 

 

 

 

Zum Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses.

 

 

 

§ 1 (1) cit. leg.

 

Um eine gleichheitswidrige Rechtslage hintan zu halten, muss die Einrichtung des Beirates in allen Bundesländern verpflichtend erfolgen.

 

§ 1 (5) cit.leg.

 

Das Konstrukt einer Patenschaft ist insofern fragwürdig, als es zu unerwünschten Abhängigkeitsverhältnissen führen kann.

Das Erfordernis einer Patenschaft erscheint keinesfalls nachvollziehbar, wenn der betroffene Fremde auf Grund von bestehenden zivil-, familien- oder pensionsrechtlichen Ansprüchen selbsterhaltungsfähig ist.

 

Der vorliegende Gesetzesentwurf ist bemüht, verfassungs- und europarechtlichen Minimalanforderungen gerecht zu werden, entbehrt aber der Möglichkeit, „humanitär“ im eigentlichen Sinn zu agieren.

Das Beratungszentrum für Migranten und Migrantinnen regt daher an, die verpflichtend einzurichtenden Beiräte in den Bundesländern zu ermächtigen, Fremden in besonderen Fällen unabhängig von ihrer Aufenthaltsdauer oder dem Vorliegen einer Patenschaft einen humanitären Aufenthaltstitel zu erteilen.

 

 

Wien, am 9.1.2009