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Bundesministerium für Inneres
Begutachtungen
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GZ: BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008
Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf einer Novellierung des Asylgesetzes 2005, des Fremdenpolizeigesetzes 2005 und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes sowie Erlassung eines Bundesgesetzes über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses.
Das Ziel einen verfassungskonformen Zustand bei der Asyl- und Fremdenrechts bzw. Aufenthaltsgesetzgebung herzustellen wird durch diesen Entwurf nicht erreicht.
Der Entwurf ist nur geeignet einen kleinen Teil der bestehenden Bleiberechtsproblematik zu lösen. Zwar wird ein rechtsstaatliches Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 Menschenrechtskonvention eingeräumt, doch wird der Großteil der Anträge an bei weitem zu rigorosen Ausschlusskriterien scheitern, die ihrerseits wiederum nicht mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Einklang zu bringen sind.
Es wird zwar vordergründig ein rechtsstaatliches Verfahren errichtet, gleichzeitig aber dafür Sorge getragen, dass möglichst wenige Betroffene daran partizipieren können.
Als gleichheitswidrig wirken insbesondere die Spezialregelungen des Asylgesetzes. Wird das Ausweisungshindernis im Zuge eines Asylverfahrens geprüft, ist eine negative Entscheidung des AsylGH nicht beim Verwaltungsgerichtshof anfechtbar. Wird hingegen derselbe Tatbestand im Zuge eines fremdenpolizeilichen Ausweisungsverfahren geprüft, steht nach einer Abweisung sowohl eine Beschwerde an den Verwaltungs- als auch an den Verfassungsgerichtshof offen.
Eine Bleiberechtsregelung, die eine Entlastung der Asylbehörden von langjährig anhängigen Verfahren mit sich bringen würde, wird mit dem vorliegenden Entwurf weder beabsichtigt noch erreicht.
Kritisiert
wird die Ungleichbehandlung refoulementgeschützer Personen:
Eine Niederlassungsbewilligung wird nur erteilt, wenn eine Ausweisung
auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Für Fremde, bei
denen gemäß FPG eine
Ausweisung/ein Aufenthaltsverbot aus rechtlichen oder faktischen Gründen
nicht möglich ist, wird der Aufenthalt in Form eines Abschiebungsaufschub
46/3 weiterhin nur geduldet. Erst nach 1 Jahr soll diesem Personenkreis eine
Aufenthaltsberechtigung als "Opfer" erteilt werden. Gerade gegen Opfer von Menschenhandel oder
familiärer Gewalt wird aufgrund ihres irregulären Aufenthaltes
oftmals zuerst ein Aufenthaltsverbot erlassen, bevor
sie überhaupt als „Opfer“ erkannt werden. Gleiches gilt wohl auch für Opfer familiärer
Gewalt.
Damit
wird die rechtliche Ungleichbehandlung gegenüber subsidiär
Schutzberechtigten fortgesetzt, die aufgrund derselben rechtlichen Gründe
von den Asylbehörden eine mindestens einjährige verlängerbare
Aufenthaltsberechtigung erhalten, die mit einem freien Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden
ist. Demgegenüber haben Personen mit
Abschiebungsaufschub keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und erst nach einem
Jahr nach Erteilung des Aufenthaltsstatus "Opfer" Zugang zu einer
Beschäftigungsbewilligung.
Der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen empfiehlt daher dringend ein rechtsstaatliches Verfahren zu installieren, das für alle AntragstellerInnen ohne Hindernisse zugänglich ist.
Kritik: LangzeitasylwerberInnen ausgeschlossen
Der Entwurf behält das Konzept bei, wonach eine asylrechtliche
Aufenthaltsberechtigung die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG
ausschließt. Für gut integrierte LangzeitasylwerberInnen ist ein
Umstieg in das Niederlassungsregime nicht möglich, obwohl diese mit hoher
Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausgewiesen werden können. Damit
wird die weitere Integration blockiert, etwa bei der Freizügigkeit, die
rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen in der EU
zukommt, beim Recht auf Familienzusammenführung oder Erwerb der
Staatsbürgerschaft.
Kritik:
Entscheidung des Landeshauptmanns
Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung liegt im Ermessen des
Landeshauptmann, der die Erteilung einer Bewilligung der Innenministerin zur
Kenntnis zu bringen hat, bei Niederlassungsbewilligungen beschränkt auf
Empfehlung des Beirats muss die Bundesministerin sogar vorab informiert werden.
Das Innenministerium behält sich vor, solche Entscheidungen auf ihre
Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies wird in den
Erläuterungen als erforderlich zur Wahrung einer einheitlichen Erteilung
angesehen, eine solche systematische Aufsicht besteht aber bei anderen
Aufenthaltstiteln nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass damit "zu
großzügigen" Entscheidungen einzelner Bundesländer ein
Riegel vorgeschoben werden soll.
Kritik an der Schaffung des Beirats:
Die Einrichtung eines Beirats obliegt dem Landeshauptmann. Sollte dieser
untätig bleiben und keinen Beirat einrichten, ist der Weg zur
Niederlassung bei all jenen humanitären Fällen versperrt, wo ein
langjähriger Aufenthalt aber keine aktuelle Ausweisung vorliegt. Diesem
Beirat kommt keine Entscheidungskompetenz zu, er kann nur eine Empfehlung
abgeben. Der Beirat selbst ist zudem für eine positive Entscheidung an das
Vorliegen einer Patenschaft gebunden. Die Zusammensetzung des Beirats und die
Entscheidung durch einfache Mehrheit gibt den Behördenvertretern in jedem
Fall ein Vetorecht. Neben
2 VertreterInnen von humanitären und kirchlichen Einrichtungen setzt sich
dieser aus je einem Vertreter des Landeshauptmanns, der Sicherheitsdirektion
und der Wohnsitzgemeinde des Fremden zusammen, im Fall der Stimmengleichheit
ist die Stimme des Landesvertreters und zugleich Vorsitzenden entscheidend.
Selbst in dem Fall, wo beide humanitären Organisation sich für das
Aufenthaltsrecht aussprechen und eine private Patenschaftserklärung
vorliegt, ist eine positive Entscheidung nicht möglich.
Fraglich ist, ob VertreterInnen humanitärer und kirchlicher Einrichtungen
in ihrer Funktion als Beiratsmitglied eine Amtsverschwiegenheit auferlegt
werden kann und wieweit die Beratungen im Beirat in die Begründung der
Entscheidung einfließen.
Kritik an der Haftungserklärung:
Für Fremde, die nicht alle Voraussetzungen des NAG für die Erteilung
einer Niederlassungsbewilligung erfüllen, ist eine per Notariatsakt
beglaubigte Haftungserklärung erforderlich, die nicht nur etwaig fehlende
Unterhaltsmittel, Krankenversicherung oder Unterkunft abdeckt, sondern
darüber hinaus auch Kosten zur Durchsetzung
aufenthaltsbeendender Entscheidungen und Maßnahmen. Der in der
Gesetzesnovelle anstatt der Haftungserklärung des § 2 Abs.1 Zi 15
verwendete Begriff "Patenschaft" für den gleichen
Regelungsinhalt beschönigt die weitreichende Haftung.
Eine so weitreichende auf fünf Jahre abzugebende Verpflichtung erscheint
sittenwidrig, da der Zweck einer solchen Erklärung in der
Unterstützung zur Erlangung des Aufenthaltsrechts liegt, nicht jedoch in
der Übernahme von Kosten für die Außerlandesschaffung im Falle
einer negativen Entscheidung. Einem privaten Unterstützer wird so das
Risiko zugemutet,
für etwas zu bezahlen, was er eigentlich verhindern wollte. Bei den in den
vergangenen Monaten bekannt gewordenen Fällen von langjährig
aufhältigen integrierten AsylwerberInnen handelte es sich häufig um
Familien. Die systematische Verschlechterung der Position von
AsylwerberInnen am Arbeitsmarkt seit 2004, die nur noch befristete saisonale
Beschäftigung erlaubt und erfolgte Integration in den Arbeitsmarkt
zunichte macht (keine Erteilung von Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein),
hat zur Folge, dass Haftungserklärungen vielfach
erforderlich sein werden, weil die Erwerbstätigkeit der Betroffenen
beendet oder eingeschränkt wird und die Einkommen aus Arbeitslosengeld
oder Notstandhilfe für den Unterhalt einer Familie nicht ausreichen. Es
ist zu befürchten, dass langjährig aufhältigen Personen mangels
einer entsprechenden Haftungserklärung der Weg zum Bleiberecht versperrt
bleibt. Ohne taugliche Haftungserklärung kann der Beirat keine Empfehlung
aussprechen. Bedenklich erscheint auch die lange Dauer der
Haftungserklärung von mindestens 5 Jahren, der kein freier Zugang zu
Arbeitsmarkt gegenübersteht. Anstatt einer beschränkten
Niederlassungsbewilligung, die eine Beschäftigungsbewilligung für die
unselbständige Erwerbstätigkeit erfordert, sollte jedenfalls eine
unbeschränkte
Niederlassungsbewilligung erteilt werden.
Kritik an der Stichtagsregelung
Die Wahl des Stichtags 1.1.2003, die in den Erläuterungen mit der
Einschränkung der Zuwanderung auf Schlüsselarbeitskräfte
begründet wird, ist eher als eine politisch gewollte Verlängerung der
Aufenthaltsdauer auf mindestens 6 Jahre, bevor ein Antrag beim Landeshauptmann
eingebracht werden kann, zu sehen als eine zweckmäßige
Stichtagregelung. Überzeugender als Stichtag wäre jedenfalls der
Aufenthalt ab 1.5.2004,
ab dem im Asylverfahren auch die Frage der Rechtmäßigkeit der
Ausweisung zu prüfen ist. Tritt die Gesetzesnovelle wie vorgesehen ab 1.
April 2009 in Kraft, liegt jedenfalls ein bereits fünfjähriger
Aufenthalt vor, ein Zeitraum, bei dem von einer Aufenthaltsverfestigung
auszugehen ist und nach dem Drittstaatsangehörigen eine Reihe von Rechten
eingeräumt wird (etwa in der EU Richtlinie für langfristig
Aufenthaltsberechtigte).
Kritik am Aufenthaltsrecht für Opfer
Um das Wort "humanitär" zu vermeiden, wird ein Begriff
vorgeschlagen, der stigmatisierend wirkt. Positiv hervorzuheben ist, dass eine
solche Aufenthaltsberechtigung auf Antrag oder von amtswegen auszustellen ist
und nunmehr auch Opfer familiärer Gewalt ein Aufenthaltsrecht erhalten.
Opfern eines bewaffneten Konflikts wird durch den Entwurf zwar eine gewisse
Aufenthaltssicherheit gegenüber der derzeitigen Ermessensentscheidung
gegeben, indem vorerst ein geduldeter und zu bescheinigender Aufenthalt zu
gewähren ist. Die Umwandlung dieser Duldung in ein Aufenthaltsrecht ist
jedoch erst aufgrund einer
Verordnung der Bundesregierung möglich. Der Richtlinie der EU über
vorübergehenden Schutz im Falle einer Massenflucht wird mit dieser
Vorgangsweise nicht entsprochen, da ein Aufenthaltsrecht zu gewähren ist
und beispielsweise auch nicht erkennbar ist, wie das Recht auf
Familienzusammenführung wahrgenommen werden soll.
Inlandsantragsstellung
Die Ausnahme von der Erstantragstellung im Ausland (§ 21, Abs3) trägt
nun dem Umstand Rechnung, dass die Antragstellung im Ausland aus
tatsächlichen und rechtlichen Gründen unmöglich sein kann.
Positiv hervorzuheben ist, dass hierbei unter Beachtung des Kindeswohls bei
unbegleiteten Minderjährigen sowie zum Schutz des Privat- und
Familienlebens ein Antrag auf Antragstellung im Inland eingebracht werden kann,
da ein solcher nur bis zur erstinstanzlichen Entscheidung möglich sein
soll, wäre jedenfalls auch amtswegig zu ermitteln, ob die Voraussetzungen
dafür vorliegen, anstatt den Antragsstellern die Beweislast einseitig
aufzubürden. Dies erscheint insbesondere bei unbegleiteten
Minderjährigen nicht vertretbar, für die in aufenthaltsrechtlichen
Verfahren keine gesetzliche Vertretung vorgesehen ist.
Kritik an der Handhabung der Verlängerungsanträge
Verlängerungsanträge (§ 24) sollen nach dem Entwurf nur binnen 3
Monate vor Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden können. Durch die
Einschränkung des Zeitraums vor Ablauf des Aufenthaltstitels besteht die
Gefahr, dass diese Frist versäumt wird und damit der Antrag als Erstantrag
zu behandeln ist. Eine nicht sanierte verspätete Antragstellung hat
darüber hinaus den Verlust des Aufenthaltsrechts zur Folge, was eine
Verwaltungsstrafe nach sich zieht. So weitreichende Folgen einer Fristversäumnis
erscheinen unverhältnismäßig.
Bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung trifft den Antragsteller die Beweislast,
dass er an der rechtzeitigen Stellung des Verlängerungsantrags durch
unabwendbare Ereignisse verhindert war und ihn kein Verschulden trifft. Ob
diese Einschränkung tatsächlich erforderlich ist, ist aus den
Erläuterungen nicht nachvollziehbar.
Aus der Sicht des OBDS (Österreichischer Berufsverband der SozialarbeiterInnen) ist der vorliegende Entwurf leider neuerlich geeignet noch zusätzliche menschliche Härten und verfahrenstechnische Ungereimtheiten und Ungleichbehandlungen zu verursachen.
Der ursächliche Kritikpunkt des Verfassungsgerichtshofurteils, dass die bisherigen Regelungen des humanitären Aufenthaltsrechts Verfahrensmängel enthält und nicht dem Art. 8 EMRK gerecht werden, wird durch vielfach noch kompliziertere und detailliertere Bestimmungen ersetzt, die aus der Sicht des OBDS neuerlich zur Aufhebung der Gesetzesänderungen führen würden, da sie wiederum nicht dem Art.8 EMRK entsprechen und aus Gründen der Ungleichbehandlung gegen die Verfassung verstoßen.
Dazu ist festzustellen, dass die „heiklen“ Entscheidungen nicht mehr vom Ministerium getroffen werden sollen, sondern eine Ebene tiefer von den Landeshauptleuten (wobei im Gesetzestext die weibliche Form fehlt!) getroffen werden sollen.
Noch viel weiter geht aber die Absicht des Gesetzesentwurfs, das „Bleiberecht“ an die Übernahme einer Patenschaft zu knüpfen, womit jegliches Risiko von Aufenthaltskosten an private Einzelpersonen abgeschoben wird.
Dieses Vorhaben ist eine deutlich inhumane und negative Tendenz, die Abhängigkeiten schafft, die an eine Art neues „Sklaventum“ erinnert und den sogenannten „Paten“ nicht einzuschätzende Risiken aufbürdet, die in Österreich sonst gemeingesellschaftlich getragen werden: Krankheitsfall, Invaliditätsfall, Versorgung von pflegebedürftigen und unmündigen Personen. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, was an dieser Regelung die Integration fördern soll.
Es geht nicht um privates Wohlwollen, noch dazu um den Preis potenzieller Abhängigkeit. Es besteht etwa die Gefahr der Ausbeutung von Frauen durch männliche „Paten“. Andererseits könnte für Unternehmer die Möglichkeit bzw. Versuchung entstehen, durch die Übernahme von Patenschaften billige Arbeitskräfte illegal zu beschäftigen und ebenfalls auszubeuten.
Ein Gesetzesentwurf, der solche Ansätze enthält, kann nicht Rechtsstaatlichkeit herstellen und verfassungskonforme Verhältnisse, leider ganz im Gegenteil wird die prekäre humanitäre Situation in der Fremden- und Asylgesetzgebung noch verstärkt und neue Angriffspunkte aus humanitärer und verfassungsrelevanter Sicht geschaffen.
Der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen empfiehlt dringend die angeführten Bereiche völlig neu zu überarbeiten.
Für den OBDS
Maria Moritz Herbert Paulischin eh.
Vorsitzende Geschäftsführer