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Bundesministerium für Inneres

Begutachtungen

Postfach 100

1014 Wien            

GZ: BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008

 

 

Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf einer Novellierung des Asylgesetzes 2005, des Fremdenpolizeigesetzes 2005 und des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes sowie Erlassung eines Bundesgesetzes über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses.

 

Das Ziel einen verfassungskonformen Zustand bei der Asyl- und Fremdenrechts bzw. Aufenthaltsgesetzgebung herzustellen wird durch diesen Entwurf nicht erreicht.

 

Der Entwurf ist nur geeignet einen kleinen Teil der bestehenden Bleiberechtsproblematik zu lösen. Zwar wird ein rechtsstaatliches Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 Menschenrechtskonvention eingeräumt, doch wird der Großteil der Anträge an bei weitem zu rigorosen Ausschlusskriterien scheitern, die ihrerseits wiederum nicht mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Einklang zu bringen sind.

Es wird zwar vordergründig ein rechtsstaatliches Verfahren errichtet, gleichzeitig aber dafür Sorge getragen, dass möglichst wenige Betroffene daran partizipieren können.

Als gleichheitswidrig wirken insbesondere die Spezialregelungen des Asylgesetzes. Wird das Ausweisungshindernis im Zuge eines Asylverfahrens geprüft, ist eine negative Entscheidung des AsylGH nicht beim Verwaltungsgerichtshof anfechtbar. Wird hingegen derselbe Tatbestand im Zuge eines fremdenpolizeilichen Ausweisungsverfahren geprüft, steht nach einer Abweisung sowohl eine Beschwerde an den Verwaltungs- als auch an den Verfassungsgerichtshof offen.

Eine Bleiberechtsregelung, die eine Entlastung der Asylbehörden von langjährig anhängigen Verfahren mit sich bringen würde, wird mit dem vorliegenden Entwurf weder beabsichtigt noch erreicht.

 

Kritisiert wird die Ungleichbehandlung refoulementgeschützer Personen:
Eine Niederlassungsbewilligung wird nur erteilt, wenn eine Ausweisung
auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Für Fremde, bei denen gemäß FPG eine
Ausweisung/ein Aufenthaltsverbot aus rechtlichen oder faktischen Gründen
nicht möglich ist, wird der Aufenthalt in Form eines Abschiebungsaufschub 46/3 weiterhin nur geduldet. Erst nach 1 Jahr soll diesem Personenkreis eine Aufenthaltsberechtigung als "Opfer" erteilt werden. Gerade gegen Opfer von Menschenhandel oder familiärer Gewalt wird aufgrund ihres irregulären Aufenthaltes oftmals zuerst ein Aufenthaltsverbot erlassen, bevor

sie überhaupt als „Opfer“ erkannt werden. Gleiches gilt wohl auch für Opfer familiärer

Gewalt.

 

Damit wird die rechtliche Ungleichbehandlung gegenüber subsidiär Schutzberechtigten fortgesetzt, die aufgrund derselben rechtlichen Gründe von den Asylbehörden eine mindestens einjährige verlängerbare Aufenthaltsberechtigung erhalten, die mit einem freien Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden ist. Demgegenüber haben Personen mit
Abschiebungsaufschub keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und erst nach einem
Jahr nach Erteilung des Aufenthaltsstatus "Opfer" Zugang zu einer Beschäftigungsbewilligung.

Der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen empfiehlt daher dringend ein rechtsstaatliches Verfahren zu installieren, das für alle AntragstellerInnen ohne Hindernisse zugänglich ist.


Kritik: LangzeitasylwerberInnen ausgeschlossen
Der Entwurf behält das Konzept bei, wonach eine asylrechtliche Aufenthaltsberechtigung die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nach dem NAG ausschließt. Für gut integrierte LangzeitasylwerberInnen ist ein Umstieg in das Niederlassungsregime nicht möglich, obwohl diese mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausgewiesen werden können. Damit
wird die weitere Integration blockiert, etwa bei der Freizügigkeit, die rechtmäßig aufhältigen Drittstaatsangehörigen in der EU zukommt, beim Recht auf Familienzusammenführung oder Erwerb der Staatsbürgerschaft.

Kritik: Entscheidung des Landeshauptmanns
Die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung liegt im Ermessen des Landeshauptmann, der die Erteilung einer Bewilligung der Innenministerin zur Kenntnis zu bringen hat, bei Niederlassungsbewilligungen beschränkt auf Empfehlung des Beirats muss die Bundesministerin sogar vorab informiert werden. Das Innenministerium behält sich vor, solche Entscheidungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies wird in den Erläuterungen als erforderlich zur Wahrung einer einheitlichen Erteilung angesehen, eine solche systematische Aufsicht besteht aber bei anderen Aufenthaltstiteln nicht. Die Vermutung liegt nahe, dass damit "zu großzügigen" Entscheidungen einzelner Bundesländer ein Riegel vorgeschoben werden soll.

Kritik an der Schaffung des Beirats:
Die Einrichtung eines Beirats obliegt dem Landeshauptmann. Sollte dieser untätig bleiben und keinen Beirat einrichten, ist der Weg zur Niederlassung bei all jenen humanitären Fällen versperrt, wo ein langjähriger Aufenthalt aber keine aktuelle Ausweisung vorliegt. Diesem
Beirat kommt keine Entscheidungskompetenz zu, er kann nur eine Empfehlung abgeben. Der Beirat selbst ist zudem für eine positive Entscheidung an das Vorliegen einer Patenschaft gebunden. Die Zusammensetzung des Beirats und die Entscheidung durch einfache Mehrheit gibt den Behördenvertretern in jedem Fall ein Vetorecht. Neben
2 VertreterInnen von humanitären und kirchlichen Einrichtungen setzt sich dieser aus je einem Vertreter des Landeshauptmanns, der Sicherheitsdirektion und der Wohnsitzgemeinde des Fremden zusammen, im Fall der Stimmengleichheit ist die Stimme des Landesvertreters und zugleich Vorsitzenden entscheidend. Selbst in dem Fall, wo beide humanitären Organisation sich für das Aufenthaltsrecht aussprechen und eine private Patenschaftserklärung vorliegt, ist eine positive Entscheidung nicht möglich.
Fraglich ist, ob VertreterInnen humanitärer und kirchlicher Einrichtungen in ihrer Funktion als Beiratsmitglied eine Amtsverschwiegenheit auferlegt werden kann und wieweit die Beratungen im Beirat in die Begründung der Entscheidung einfließen.

Kritik an der Haftungserklärung:
Für Fremde, die nicht alle Voraussetzungen des NAG für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erfüllen, ist eine per Notariatsakt beglaubigte Haftungserklärung erforderlich, die nicht nur etwaig fehlende Unterhaltsmittel, Krankenversicherung oder Unterkunft abdeckt, sondern darüber hinaus auch Kosten zur Durchsetzung
aufenthaltsbeendender Entscheidungen und Maßnahmen. Der in der Gesetzesnovelle anstatt der Haftungserklärung des § 2 Abs.1 Zi 15 verwendete Begriff "Patenschaft" für den gleichen Regelungsinhalt beschönigt die weitreichende Haftung.
Eine so weitreichende auf fünf Jahre abzugebende Verpflichtung erscheint sittenwidrig, da der Zweck einer solchen Erklärung in der Unterstützung zur Erlangung des Aufenthaltsrechts liegt, nicht jedoch in der Übernahme von Kosten für die Außerlandesschaffung im Falle einer negativen Entscheidung. Einem privaten Unterstützer wird so das Risiko zugemutet,
für etwas zu bezahlen, was er eigentlich verhindern wollte. Bei den in den vergangenen Monaten bekannt gewordenen Fällen von langjährig aufhältigen integrierten AsylwerberInnen handelte es sich häufig um Familien. Die systematische Verschlechterung der Position von
AsylwerberInnen am Arbeitsmarkt seit 2004, die nur noch befristete saisonale Beschäftigung erlaubt und erfolgte Integration in den Arbeitsmarkt zunichte macht (keine Erteilung von Arbeitserlaubnis oder Befreiungsschein), hat zur Folge, dass Haftungserklärungen vielfach
erforderlich sein werden, weil die Erwerbstätigkeit der Betroffenen beendet oder eingeschränkt wird und die Einkommen aus Arbeitslosengeld oder Notstandhilfe für den Unterhalt einer Familie nicht ausreichen. Es ist zu befürchten, dass langjährig aufhältigen Personen mangels einer entsprechenden Haftungserklärung der Weg zum Bleiberecht versperrt bleibt. Ohne taugliche Haftungserklärung kann der Beirat keine Empfehlung aussprechen. Bedenklich erscheint auch die lange Dauer der Haftungserklärung von mindestens 5 Jahren, der kein freier Zugang zu Arbeitsmarkt gegenübersteht. Anstatt einer beschränkten Niederlassungsbewilligung, die eine Beschäftigungsbewilligung für die unselbständige Erwerbstätigkeit erfordert, sollte jedenfalls eine unbeschränkte
Niederlassungsbewilligung erteilt werden.

Kritik an der Stichtagsregelung
Die Wahl des Stichtags 1.1.2003, die in den Erläuterungen mit der Einschränkung der Zuwanderung auf Schlüsselarbeitskräfte begründet wird, ist eher als eine politisch gewollte Verlängerung der Aufenthaltsdauer auf mindestens 6 Jahre, bevor ein Antrag beim Landeshauptmann eingebracht werden kann, zu sehen als eine zweckmäßige Stichtagregelung. Überzeugender als Stichtag wäre jedenfalls der Aufenthalt ab 1.5.2004,
ab dem im Asylverfahren auch die Frage der Rechtmäßigkeit der Ausweisung zu prüfen ist. Tritt die Gesetzesnovelle wie vorgesehen ab 1. April 2009 in Kraft, liegt jedenfalls ein bereits fünfjähriger Aufenthalt vor, ein Zeitraum, bei dem von einer Aufenthaltsverfestigung auszugehen ist und nach dem Drittstaatsangehörigen eine Reihe von Rechten eingeräumt wird (etwa in der EU Richtlinie für langfristig Aufenthaltsberechtigte).

Kritik am Aufenthaltsrecht für Opfer
Um das Wort "humanitär" zu vermeiden, wird ein Begriff vorgeschlagen, der stigmatisierend wirkt. Positiv hervorzuheben ist, dass eine solche Aufenthaltsberechtigung auf Antrag oder von amtswegen auszustellen ist und nunmehr auch Opfer familiärer Gewalt ein Aufenthaltsrecht erhalten. Opfern eines bewaffneten Konflikts wird durch den Entwurf zwar eine gewisse Aufenthaltssicherheit gegenüber der derzeitigen Ermessensentscheidung gegeben, indem vorerst ein geduldeter und zu bescheinigender Aufenthalt zu gewähren ist. Die Umwandlung dieser Duldung in ein Aufenthaltsrecht ist jedoch erst aufgrund einer
Verordnung der Bundesregierung möglich. Der Richtlinie der EU über vorübergehenden Schutz im Falle einer Massenflucht wird mit dieser Vorgangsweise nicht entsprochen, da ein Aufenthaltsrecht zu gewähren ist und beispielsweise auch nicht erkennbar ist, wie das Recht auf Familienzusammenführung wahrgenommen werden soll.

Inlandsantragsstellung
Die Ausnahme von der Erstantragstellung im Ausland (§ 21, Abs3) trägt nun dem Umstand Rechnung, dass die Antragstellung im Ausland aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen unmöglich sein kann. Positiv hervorzuheben ist, dass hierbei unter Beachtung des Kindeswohls bei unbegleiteten Minderjährigen sowie zum Schutz des Privat- und
Familienlebens ein Antrag auf Antragstellung im Inland eingebracht werden kann, da ein solcher nur bis zur erstinstanzlichen Entscheidung möglich sein soll, wäre jedenfalls auch amtswegig zu ermitteln, ob die Voraussetzungen dafür vorliegen, anstatt den Antragsstellern die Beweislast einseitig aufzubürden. Dies erscheint insbesondere bei unbegleiteten Minderjährigen nicht vertretbar, für die in aufenthaltsrechtlichen Verfahren keine gesetzliche Vertretung vorgesehen ist.

Kritik an der Handhabung der Verlängerungsanträge
Verlängerungsanträge (§ 24) sollen nach dem Entwurf nur binnen 3 Monate vor Ablauf des Aufenthaltstitels gestellt werden können. Durch die Einschränkung des Zeitraums vor Ablauf des Aufenthaltstitels besteht die Gefahr, dass diese Frist versäumt wird und damit der Antrag als Erstantrag zu behandeln ist. Eine nicht sanierte verspätete Antragstellung hat darüber hinaus den Verlust des Aufenthaltsrechts zur Folge, was eine Verwaltungsstrafe nach sich zieht. So weitreichende Folgen einer Fristversäumnis erscheinen unverhältnismäßig.
Bei einem Antrag auf Wiedereinsetzung trifft den Antragsteller die Beweislast, dass er an der rechtzeitigen Stellung des Verlängerungsantrags durch unabwendbare Ereignisse verhindert war und ihn kein Verschulden trifft. Ob diese Einschränkung tatsächlich erforderlich ist, ist aus den Erläuterungen nicht nachvollziehbar.

 

Aus der Sicht des OBDS (Österreichischer Berufsverband der SozialarbeiterInnen) ist der vorliegende Entwurf leider neuerlich geeignet noch zusätzliche menschliche Härten und verfahrenstechnische Ungereimtheiten und Ungleichbehandlungen zu verursachen.

 

Der ursächliche Kritikpunkt des Verfassungsgerichtshofurteils, dass die bisherigen Regelungen des humanitären Aufenthaltsrechts Verfahrensmängel enthält und nicht dem Art. 8 EMRK gerecht werden, wird durch vielfach noch kompliziertere und detailliertere Bestimmungen ersetzt, die aus der Sicht des OBDS neuerlich zur Aufhebung der Gesetzesänderungen führen würden, da sie wiederum nicht dem Art.8 EMRK entsprechen und aus Gründen der Ungleichbehandlung gegen die Verfassung verstoßen.

Dazu ist festzustellen, dass die „heiklen“ Entscheidungen nicht mehr vom Ministerium getroffen werden sollen, sondern eine Ebene tiefer von den Landeshauptleuten (wobei im Gesetzestext die weibliche Form fehlt!) getroffen werden sollen.

Noch viel weiter geht aber die Absicht des Gesetzesentwurfs, das „Bleiberecht“ an die Übernahme einer Patenschaft zu knüpfen, womit jegliches Risiko von Aufenthaltskosten an private Einzelpersonen abgeschoben wird.

Dieses Vorhaben ist eine deutlich inhumane und negative Tendenz, die Abhängigkeiten schafft, die an eine Art neues „Sklaventum“ erinnert und den sogenannten „Paten“ nicht einzuschätzende Risiken aufbürdet, die in Österreich sonst gemeingesellschaftlich getragen werden: Krankheitsfall, Invaliditätsfall, Versorgung von pflegebedürftigen und unmündigen Personen. Es ist schlicht nicht nachvollziehbar, was an dieser Regelung die Integration fördern soll.

Es geht nicht um privates Wohlwollen, noch dazu um den Preis potenzieller Abhängigkeit. Es besteht etwa die Gefahr der Ausbeutung von Frauen durch männliche „Paten“. Andererseits könnte für Unternehmer die Möglichkeit bzw. Versuchung entstehen, durch die Übernahme von Patenschaften billige Arbeitskräfte illegal zu beschäftigen und ebenfalls auszubeuten.

 

Ein Gesetzesentwurf, der solche Ansätze enthält, kann nicht Rechtsstaatlichkeit herstellen und verfassungskonforme Verhältnisse, leider  ganz im Gegenteil wird die prekäre humanitäre Situation in der Fremden- und Asylgesetzgebung noch verstärkt und neue Angriffspunkte aus humanitärer und verfassungsrelevanter Sicht geschaffen.

 

Der Österreichische Berufsverband der SozialarbeiterInnen empfiehlt dringend die angeführten Bereiche völlig neu zu überarbeiten.

 

Für den OBDS

 

Maria Moritz                                                                                      Herbert Paulischin eh.

Vorsitzende                                                                                       Geschäftsführer