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Bearbeiter: Mag. Christian Theiss

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GZ:

Kija-05/01/080109

 

 

Graz, am 8. Januar 2009

 

 

Stellungnahme zum Entwurf der Änderungen
des Asylgesetzes 2005,

des Fremdenpolizeigesetzes 2005 und
des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes und zum

Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes

zur Beratung in Fällen besonderen Interesses

 

BMI-LR1310/0015/III/1/c/2008

 

 

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Die Kinder- und Jugendanwaltschaften Österreich nehmen zum vorgelegten Entwurf der Änderungen des Asylgesetzes 2005, Fremdenpolizeigesetzes 2005 sowie des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes wie folgt Stellung:

 

 

 

Patenschaft

 

Als Voraussetzung für die Gewährung eines humanitären Aufenthalts sieht der Gesetzesentwurf in Art. 4 § 2 eine Patenschaft vor. Bei dieser Regelung handelt es sich um eine Haftungsbestimmung, die den Paten für mindestens fünf Jahre verpflichtet für alle Kosten, die einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden, bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung sowie u. a. bei der Vollziehung der Schubhaft anfallen persönlich zu haften.

 

Neben der allgemeinen Problematik einen privatrechtlichen Vertrag als Ausgangspunkt für ein Verwaltungsverfahren heranzuziehen, was einer Privatisierung der sozialen Absicherung der Bürger und Bürgerinnen gleich kommt, birgt auch die Beziehung zwischen Flüchtling und Paten ein großes Missbrauchsrisiko.


 

 

 

 

 

Gemäß des Entwurfes steht die Übernahme einer Patenschaft nur natürlichen Personen mit entsprechendem Vermögen nicht aber NGOs oder anderen öffentlichen Einrichtungen offen, so dass aufgrund nicht vorhandener Kontrollmaßnahmen die Gefahr der Ausnutzung des Flüchtlings durch den Paten besteht.

Im Fall von minderjährigen Flüchtlingen erscheint die Gefahr der missbräuchliche Ausnützung des Patenschaftsverhältnisses umso gegenwärtiger.

 

Ein weiterer wesentlicher Punkt liegt darin, dass die potentiellen Kosten für Familien, die ein humanitäres Aufenthaltsrecht beantragen wollen wesentlich höher liegen als bei Flüchtligen ohne Kinder. Das hat zur Folge, dass aufgrund der Haftungsbestimmungen des Entwurfes ein Pate für Familien aufgrund der höheren Kosten schwerer zu finden sein wird, so dass die Haftungsbestimmung eine unüberwindbare Hürde darstellen könnte.

Die daraus resultierende Ungleichbehandlung entspricht weder Art 8 EMRK noch Art. 3 UN-KRK. Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark legt daher ausdrücklich nahe - aufgrund der dargelegten Gründe - vom Patenschaftsmodell Abstand zu nehmen.

 

 

 

Beirat

 

Die Einsetzung eines Beirates in den Bundesländern sowie die Verlagerung der Entscheidungskompetenz sind grundsätzlich zu begrüßen, da in der größeren Nähe zu den Schicksalen der Betroffenen mit Sicherheit ein Vorteil in der Entscheidungsfindung zu sehen ist.

 

Bezüglich des Beirates handelt es sich im vorliegenden Entwurf jedoch um eine
„kann“-Bestimmung, so dass es jedem Bundesland überlassen ist einen Beirat zu etablieren. Es ist anzunehmen, dass die Etablierung eines Beirates sehr stark von den jeweiligen politischen Verhältnissen in den Bundesländern abhängig ist. Das hat zur Folge, dass Flüchtlinge, die ein humanitäres Aufenthaltsrecht beantragen, mit unterschiedlichen Verfahren in den unterschiedlichen Bundesländern zu rechnen haben.

Daher empfiehlt die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark die vorliegende „kann“-Bestimmung in eine verpflichtende „muss“-Bestimmung abzuändern, um ein einheitliches Verfahren zu gewährleisten.

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft regt weiters an, die zum gegenständlichen Gesetzesentwurf eingebrachten Änderungsvorschläge im Sinn der UN Kinderrechtekonvention umzusetzen.

 

 

 

Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge

 

In der Novelle des § 10 des Asylgesetzes wird die besondere Situation von unbegleiteten Minderjährigen bei denen in einem Asylverfahren kein Bedarf an internationalem Schutz festgestellt wurde, nicht bedacht (sofern deren Ausweisung aus Österreich keine Verletzung des Artikels 8 EMRK darstellen würde).

 


 

 

 

 

Artikel 3 der Kinderrechtskonvention legt fest, dass bei allen Maßnahmen, die Kinder (0-18jährige laut UN-KRK) betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen ist. Jede Entscheidung, die für ein von seiner Familie getrenntes Kind getroffen wird, bedeutet gravierende Einschnitte in dessen Leben, also ist die Abwägung, ob die Entscheidung tatsächlich zum Wohle des Kindes getroffen wurde, unbedingt zu dokumentieren.

 

Nachdem Österreich die Kinderrechtskonvention ratifiziert hat, gelten deren Artikel für alle Kinder, die unter seine Rechtsprechung fallen (Artikel 2). Diese Rechte müssen daher allen Kindern zuerkannt werden. Das zukünftige Gesetz muss also dafür Sorge tragen, dass der leidigen „Zwei-Klassen-Gesellschaft von sog. ‚österreichischen’ und ‚fremden’ Kindern“ deutlich Einhalt geboten wird.

Asyl suchende Kinder, Flüchtlingskinder und MigrantInnenkinder brauchen die selben Schutz-, Versorgungs- und Beteiligungsrechte wie alle anderen Kinder in Österreich – völlig unabhängig von deren Nationalität, Zuwanderungsstatus oder einer potentiellen Staatenlosigkeit (siehe auch: Ausschuss für die Rechte des Kindes, Allgemeine Bemerkung Nr. 6 (2005) – Behandlung unbegleiteter und von ihren Eltern getrennter Kinder außerhalb ihres Herkunftslandes, CRC/GC/2005/6, 3. Juni 2005, S. 6.).

 

Österreichs Exekutive, Legislative und Jurisdiktion sollte die UN-KRK-Verpflichtungen, die Kindern und Jugendlichen vollen Schutz und bestmögliche Entwicklungschancen zusichern, vollumfänglich erfüllen, auch dann, wenn die Kinder/Jugendlichen unbegleitet oder von ihren Eltern bzw. Sorgeberechtigten getrennt leben bzw. ohne diese nach Österreich gelangt sind.

 

Die Erfahrung der Kinder- und Jugendanwaltschaft ist, dass die Rückkehr des Kindes in dessen Herkunftsland sehr häufig unter dem Gesichtspunkt „irgendwelche Familienangehörige finden sich immer, die das Kind aufnehmen und betreuen werden“, betrachtet wird. Die aktuellen (politischen, sozialen, versorgungsmäßigen, …) Verhältnisse am Wohnort und im Herkunftsland werden häufig nachrangig betrachtet, womit die Chancen einer Rückkehrmöglichkeit steigen.

 

Der Grundsatz „zum Wohl des Kindes“ verlangt jedoch, dass eine Rückführung erst dann stattfinden darf, wenn ein geeignete/r BetreuerIn – ein Elternteil, ein anderer Verwandter, ein anderer Erwachsener, der das Kind in seine Obhut nimmt, eine staatliche Stelle, eine Kinderbetreuungseinrichtung – im Herkunftsland zugestimmt hat und auch tatsächlich in der Lage ist, die Verantwortung für das Kind zu übernehmen und es in angemessener Weise zu schützen und zu betreuen - z. B. nach geklärter Betreuungs- und Vormundschaftsübernahme - (siehe auch: UNHCR, Richtlinien über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender, unbegleiteter Minderjähriger, 1997, S. 10f.)

 

Wenn, wie sehr häufig, keine Betreuung durch Eltern oder Angehörige des erweiterten Familienkreises verfügbar ist und ein „absehbares Risiko besteht, weil die Rückkehr zu Verstößen gegen die Grundrechte des Kindes“ führt, sollte keine Rückkehr durchgeführt werden. Nachdem ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling zum Zeitpunkt einer solchen Rückführungsüberlegung meist schon lange in Österreich weilt, sollte – in dubio pro reo – ein rechtlich abgesicherter Aufenthalt (mit Wohnunterbringung, Grundversorgung, Sprachausbildung, Bildungsangebot, Gesundheitsversorgung, Therapie, …) ermöglicht werden.


 

 

 

 

Das Argument einer allgemeinen „Einwanderungskontrolle“ (‚Bitte keine Präzedenzfälle schaffen’, wörtliches Zitat einer Beamtin) wird laufend angewendet, ist aber eindeutig kein ausreichendes Gegengewicht zum Kindeswohl im Sinne der österreichischen Jugendwohlfahrtsgesetze und der UN-Konvention über die Rechte des Kindes.

 

Die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark fordert daher, dass unbegleitete Minderjährige, die keinen Anspruch auf internationalen Schutz haben, im Sinne des Kindeswohls in Österreich verbleiben. Dazu soll im § 10 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegt werden, dass für unbegleitete Minderjährige eine Ausweisung unzulässig ist, wenn diese nicht zum Wohl des Kindes erfolgt.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für die Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark

 

 

 

 

Mag. Christian Theiss