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bearbeiter Herr MMag Dr Patrick SEGALLA

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Telefon 01/53115/2353

BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008

 

Parlamentsdirektion

Parlament

1017 Wien

 

Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird;

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

In der Anlage übermittelt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 seine Stellungnahme zum oben angeführten Gesetzesentwurf.

 

9. Jänner 2009

Für den Bundeskanzler:

i.V. SPORRER

 

 

Elektronisch gefertigt

 

 

 


 

An das
Bundesministerium

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Antwort bitte unter Anführung der GZ an die Abteilungsmail

 

 

BetrifftEntwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird;

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL …“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Vorbemerkung:

Der vorliegende Entwurf wurde am 10. Dezember 2008 elektronisch übermittelt. Die den zur Begutachtung eingeladenen Stellen eingeräumte Stellungnahmefrist endet am 9. Jänner 2009. Für eine Stellungnahme stand somit eine Frist von etwas mehr als vier Wochen zur Verfügung; wegen der Feiertage umfasste die Frist allerdings lediglich 17 volle Arbeitstage.

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist seit langem darauf hin, dass Fristen für die Begutachtung von Bundesgesetzen und Verordnungen des Bundes angemessen zu setzen sind und den begutachtenden Stellen eine Frist von wenigstens sechs Wochen zur Verfügung stehen soll (vgl. etwa die Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 10. Dezember 1958, GZ 49.008‑2a/58, vom 13. November 1970, GZ 44.863‑2a/70 und vom 19. Juli 1971, GZ 53.567‑2a/71). Angesichts der kurzen Begutachtungsfrist war eine umfassende verfassungsrechtliche Beurteilung des Entwurfs nicht möglich.

Zu Artikel 1 (Änderung des Asylgesetzes 2005):

Zu Z 1 (§ 10 Abs. 2 Z 2):

In seinen Entscheidungen B 328/07 und B 1150/07 hat der Verfassungsgerichtshof die nunmehr im Entwurfstext angeführten Beurteilungskriterien, ob Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht, aus der Rechtsprechung des EGMR abgeleitet und die maßgeblichen Judikate in seinem eigenen Entscheidungstext angeführt. Es wird angeregt, diese EGMR-Judikatur in die Erläuterungen zur Novelle aufzunehmen, da die jeweiligen Entscheidungen in der Praxis für die Auslegung der angeführten Kriterien von Bedeutung sein können.

Zu Z 2 (§ 10 Abs. 5):

Die Wendung „ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist“ vermittelt den Eindruck, als würde § 10 Abs. 2 Z 2 regeln, was unter einer Unzulässigkeit „auf Dauer“ zu verstehen ist. Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Unzulässigkeit „auf Dauer“ werden aber an keiner Stelle des Entwurfs ausdrücklich geregelt; vor allem ist unklar, ob es sich dabei um eine Prognoseentscheidung handelt (diesfalls wäre auch zu regeln, über welchen Zeitraum sich diese zu erstrecken hat und welche Kriterien zu berücksichtigen sind) oder ob bei einem Ausspruch gemäß Art. 10 Abs. 2 Z 2 jedenfalls von einer Unzulässigkeit „auf Dauer“ auszugehen ist. Es wird empfohlen, diesen zentralen Begriff entsprechend zu konkretisieren.

Zu Z 3 (§ 22 Abs. 9):

Im Sinne der besseren Determinierung der vorgesehenen Datenübermittlung wird vorgeschlagen, den Begriff „relevanten Teile“ im Sinne der Erläuterungen auch gesetzlich zu präzisieren.

Außerdem fehlt nach der Angabe des Paragraphen („§ 44a“) das Zitat der Rechtsvorschrift (NAG).

Zu Artikel 2 (Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005):

Zu Z 2 (§ 21 Abs. 9):

Für die Ausübung des offenbar eingeräumten Ermessens (arg. „kann“) sollten gesetzliche Kriterien festgelegt werden.

Zu Z 3 (§ 66):

Die beiden unterschiedlichen Novellierungsanordnungen sollten besser auf zwei Ziffern aufgeteilt werden; allenfalls könnte die Novellierungsanordnung lauten: „§ 66 Abs. 2 und 3 lautet:“. Zu Abs. 2 und 3 ist weiters auf die Anmerkungen zu Art. 1 Z 1 und 2 zu verweisen.

Zu Z 4 (§ 105 Abs. 7):

Es wird auf die Ausführungen zu Art. 1 Z 3 verwiesen.

Zu Artikel 3 (Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes):

Zu Z 3 (§ 3 Abs. 1):

Zu Z 3 ist auf das laufende Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, G 174/08 zu verweisen. In diesem Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof u.a. beantragt, § 3 Abs. 1 NAG (bzw. Teile davon) als verfassungswidrig aufzuheben. Die dort vorgesehene Regelung, wonach der Landeshauptmann mit Verordnung die Bezirksverwaltungsbehörde ermächtigen kann, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden, verstoße gegen § 3 Abs. 1 des BVG ÄmtdLReg. Die vorgeschlagene Bestimmung entspricht in diesem Punkt der geltenden Rechtslage, wäre also, falls sich die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofs als zutreffend erweisen, ebenfalls verfassungswidrig.

Zu Z 4 (§ 3 Abs. 2):

Hinzuweisen ist darauf, dass die in den Erläuterungen zum Ausdruck kommende Rechtsansicht, der Bundesminister für Inneres könnte „grob rechtswidrige Bescheide aus dem Rechtsbestand entfernen“ im Gesetzestext selbst nicht zum Ausdruck kommt. Dem Wortlaut des Entwurfs nach ist jeder Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Z 1, 2 und 4, gegen § 11 Abs. 3 sowie gegen die Bestimmungen des 2. Teiles zur Nichtigerklärung ausreichend. Vor diesem Hintergrund fragt sich auch, ob der – offenbar unbefristet mögliche – Eingriff in die Rechtskraft von Bescheiden in allen diesen Fällen und unabhängig von den Umständen des Einzelfalles sachlich gerechtfertigt ist; dabei ist auch an die möglichen grundrechtlichen Konsequenzen einer Nichtigkeitserklärung eines Aufenthaltstitels insbesondere in Bezug auf Art. 8 EMRK zu denken.

Widersprüchlich scheint, dass ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 an sich keinen Nichtigkeitsgrund darstellt; wird allerdings von den Voraussetzungen des Abs. 2 aus dem Grund des Abs. 3 fälschlicherweise abgesehen, so stellt (nur) dies einen Nichtigkeitsgrund dar.

Zu Z 8 (§ 11 Abs. 3):

Hier wird auf die Anmerkung zu Art. 1 Z 1 verwiesen.

Zu Z 9 (§ 19 Abs. 8):

Es ist unklar, was darunter zu verstehen ist, dass die Behörde die „Heilung eines Verfahrensmangels zulassen“ kann. Die damit verbundenen Rechtsfolgen sollten konkret geregelt werden, zB, dass die Behörde ermächtigt ist, von bestimmten Voraussetzungen abzusehen, oder dass dem Antragsteller die Möglichkeit eröffnet wird, versäumte Handlungen nachzuholen.

Unklar ist auch, in welcher Rechtsform die „Zulassung der Heilung“ erfolgen soll. Der vorgeschlagene Abs. 9 regelt nur, dass über Zurückweisungen und Abweisungen (erst) im verfahrensbeendenden Bescheid abzusprechen ist; damit bleibt offen, in welcher Form positive Entscheidungen zu ergehen haben. Sinnvollerweise sollte hier ebenso vorgegangen werden wie bei negativen Entscheidungen. Abs. 9 könnte somit lauten: „Über Anträge nach Abs. 8 ist im verfahrensbeendenden Bescheid abzusprechen.“. Sofern es für die „Zulassung der Heilung“ erforderlich ist, schon im Lauf des Verfahrens eine Erledigung zu erlassen (und nicht etwa die faktische Weiterbehandlung eines Antrages ausreicht), so könnte dies mit einer (nicht gesondert bekämpfbaren) Verfahrensanordnung erfolgen.

Soll der Behörde – durch Verwendung des Wortes „kann“ in Abs. 8 – Ermessen eingeräumt werden, so sollten Kriterien für die Ausübung dieses Ermessens festgelegt werden.

In Bezug auf Abs. 8 wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Bedeutung der Wendung „Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren“ unklar ist. Ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung zu Folge wäre sie so zu verstehen, dass die Belehrung nur den richtigen Antragszeitpunkt (i.e. nur bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheids) betrifft, nicht aber das Antragsrecht an sich. Dies scheint im Hinblick auf die Zielsetzung der Belehrungspflicht wenig zweckmäßig zu sein.

Zu Z 11 (§ 21 Abs. 3):

Die Chronologie der Antragstellung in Bezug auf die zusätzlich geschaffene Möglichkeit, einen „Antrag auf Inlandsantragstellung“ zuzulassen, erscheint unklar. Die Erläuterungen gehen davon aus, dass zuvor oder gleichzeitig ein Erstantrag gestellt werden muss. In der Praxis erscheint es jedoch denkbar, dass der „Antrag auf Inlandsantragsstellung“ vor dem Erstantrag gestellt wird, um Rechtssicherheit über die Zulässigkeit der Antragstellung im Inland zu erhalten. Der Gesetzeswortlaut scheint dies nicht auszuschließen; eine solche Antragstellung stünde allerdings im Widerspruch zu § 21 Abs. 4, weil in einem solchen Fall noch kein (Haupt-) Verfahren anhängig ist.

Da in allen Fällen aber ohnehin erst mit dem verfahrensbeendenden Bescheid im Hauptverfahren negativ über den Antrag abgesprochen werden kann, stellt sich die Frage, ob die vorgesehene Erleichterung nicht besser als Ausnahme vom Erfordernis der Auslandsantragstellung – analog § 21 Abs. 2 – auszugestalten wäre und nicht als Antrag innerhalb eines Verfahrens.

Außerdem gilt auch hier, dass für den Fall, dass der Behörde Ermessen eingeräumt werden soll, auch Kriterien für die Ausübung dieses Ermessens festgelegt werden müssten.

Aus legistischer Sicht wird angeregt, die Voraussetzung „[und] kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 und 4 vorliegt“ vorzuziehen und schon im ersten Satz nach dem Wort „wenn“ einzufügen.

Zu Z 13 (§ 43 Abs. 2):

Der Verweis auf § 11 Abs. 3 in Abs. 2 Z 1 ist insofern missverständlich, als § 11 Abs. 3 keine Regelung enthält, wann die Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen Art. 8 EMRK geboten ist, sondern lediglich regelt, unter welchen Umständen ein Aufenthaltstitel aufgrund der Erfordernisse des Art. 8 EMRK trotz Vorliegens von Erteilungshindernissen erteilt werden darf. Abs. 2 Z 1 sollte daher umformuliert werden.

Hinsichtlich Z 1 stellt sich außerdem die Frage, ob die Prüfung am Maßstab des Art. 8 EMRK auch dann nochmals zu erfolgen hat, wenn bereits gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG – aus Gründen des Art. 8 EMRK – die Unzulässigkeit der Ausweisung ausgesprochen wurde.

Hinsichtlich Z 2 ist anzumerken, dass die Erfordernisse der lit. a bzw. lit. b dem Wortlaut der Entwurfsbestimmung nach auf alle Minderjährigen anzuwenden sind, während § 14 NAG unmündige Minderjährige von der Verpflichtung zur Erfüllung der Integrationsvereinbarung ausnimmt, sie daher also auch keine Deutschkenntnisse nachzuweisen haben. Die unterschiedliche Behandlung unmündiger Minderjähriger in den beiden Fällen muss aufgrund der jeweiligen Regelungsverhältnisse sachlich gerechtfertigt sein. Es erscheint auch nicht ohne Weiteres zulässig, eine Regelung, die (wie in den Erläuterungen angegeben), auf den Erwerb der Staatsbürgerschaft ausgerichtet ist, vorbehaltlos auf die (aufgrund von Art. 8 EMRK gebotene) Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zu erstrecken. Es wird daher angeregt, die Sachlichkeit der vorgeschlagenen Regelung in den Erläuterungen näher zu begründen.

Zu Z 14 (§ 44):

In Bezug auf Abs. 3 wird angeregt, diese Vorgangsweise ausdrücklich als subsidiär – nämlich soweit nicht ein Antrag bzw. eine amtswegige Erteilung nach § 43 Abs. 2 in Betracht kommt – vorzusehen. Im Übrigen gelten die Anmerkungen zu § 43 Abs. 2 Z 1.

Inwieweit der in Abs. 4 Z 1 vorgesehene Stichtag des 1. Jänner 2003 sachlich gerechtfertigt ist, vermag vom Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst auch unter Bezugnahme auf die in den Erläuterungen dargestellten Erwägungen nicht abschließend beurteilt zu werden; fraglich erscheint insbesondere, ob es nicht dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz widerspricht, dass die geforderte Mindestaufenthaltsdauer im Ergebnis umso länger ist, je später das Verfahren eingeleitet wird.

Für die Ausübung des Ermessens, das der Behörde durch die Verwendung des Wortes „kann“ offenbar eingeräumt werden soll, müssten gesetzliche Kriterien festgelegt werden.

Nicht ganz unbedenklich erscheint auch das fehlende Antragsrecht der Betroffenen in Fällen des § 44 Abs. 4: Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis G 246, 247/07 ua. einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip darin gesehen, dass der einzelne Rechtsschutzsuchende seine Interessen, denen die Gewährung des humanitären Aufenthaltstitels wesentlich dient, nicht unabhängig vom Tätigwerden der Behörden als seine Rechte geltend machen kann; es sei unzulässig, in diesen Fällen lediglich ein Tätigwerden der Behörden von Amts wegen vorzusehen und keine Antragstellung des in seinen Rechten betroffenen Einzelnen zuzulassen. Die vorliegende Novelle sieht zwar Antragsrechte und Parteistellung in jenen Fällen vor, in denen aus Art. 8 EMRK abgeleitete Rechte berührt sind; auch die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach dem vorgeschlagenen § 44 Abs. 4 dürfte aber wesentlich Interessen des betroffenen Fremden – wenn auch außerhalb der Sphäre des Art. 8 EMRK – und weniger öffentlichen Interessen dienen, sodass nicht auszuschließen ist, dass das Rechtsstaatsprinzip und der verfassungsrechtliche Gleichheitssatz auch hier die Einräumung eines Antragsrechts und der Parteistellung im Verfahren gebieten.

Zur Empfehlung des Beirats ist auf die Anmerkungen zu Art. 4 zu verweisen.

Zu Z 15 (§§ 44a und 44b):

Hinsichtlich § 44a ist – da die Bestimmung nur den Fall amtswegiger Erteilung erwähnt – davon auszugehen, dass in diesem Fall kein Antrag des Betroffenen zulässig sein soll; von der Zulässigkeit solcher Anträge scheint aber § 44b Abs. 1 auszugehen, der ausdrücklich auf den Fall abstellt, dass „kein Fall des § 44a“ vorliegt – § 44b regelt aber jedenfalls die antragsgebundene Erteilung von Aufenthaltstiteln. Es sollte klar geregelt werden, ob auch in Fällen des § 44a (ausnahmsweise) Anträge zulässig sind; aus rechtsstaatlicher Sicht erscheint dies geboten, um den Betroffenen eine Handhabe gegen allfällige Untätigkeit der Behörde zu bieten.

Um § 44a eindeutig als Verfahrensbestimmung kenntlich zu machen, wird folgende Formulierung angeregt: „Bei der Gewährung von Aufenthaltstiteln gemäß den §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 hat die Behörde von Amts wegen vorzugehen, wenn…“. Die Bestimmung könnte aber auch in die §§ 43 und 44 integriert werden, zB, indem jeweils folgender Schlusssatz angefügt wird: „Der Aufenthaltstitel ist, wenn eine Ausweisung gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 oder gemäß § 66 FPG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, von Amts wegen [oder auf Antrag], in allen anderen Fällen auf Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen ist, zu erteilen.“

Hinsichtlich § 44b Abs. 1 ist zu bemerken, dass es – um den Eindruck zu vermeiden, hier würden materielle Versagungskriterien als Unzulässigkeitsgründe definiert – systematisch sinnvoller erschiene, bei den jeweiligen Antragstatbeständen (§ 43 Abs. 2, § 44 Abs. 3) einschlägige Zulässigkeitsvoraussetzungen vorzusehen.

Allgemein erscheint das in den §§ 43 bis 44b vorgesehene Normensystem ausgesprochen komplex und schwer nachvollziehbar geregelt. Eine Überarbeitung der Gesetzessystematik in diesem Teil wird angeregt; insbesondere sollte klarer differenziert werden, in welchen Fällen Anträge zulässig sind und in welchen Fällen nur von Amts wegen vorzugehen ist; Zulässigkeitsvoraussetzungen und Entscheidungskriterien sollten dann im jeweiligen Zusammenhang geregelt werden.

Zu Z 17 (§ 69a):

Die Aufzählung in Abs. 1 sollte deutlich erkennen lassen, ob die Kriterien der Z 1 bis 3 alternative (was angenommen werden darf) oder kumulative Kriterien sind (jeweils „und“ bzw. „oder“ am Ende der Ziffern).

Hinsichtlich Abs. 1 Z 2 stellt sich die Frage, ob der vorgeschlagene § 69a – unter der Überschrift „Opfer“ – der systematisch richtige Ort für die Regelung ist; der Zweck dieser Bestimmung scheint nämlich nicht so sehr im Opferschutz, sondern (in Umsetzung der Richtlinie 2004/81/EG) in der Sicherstellung der Strafverfolgung bzw. der Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen zu liegen; wäre tatsächlich der Schutz der Opfer von Menschen- und Prostitutionshandel das primäre Ziel der Bestimmung, so könnte es unsachlich sein, dass dieser Schutz auch dann von der Durchführung eines Straf- oder Zivilverfahrens und der Kooperation der Opfer abhängig gemacht wird, wenn diese gar nicht die Möglichkeit zur Kooperation haben.

Hinsichtlich Abs. 1 Z 3 fragt sich, ob es nicht überschießend und daher unsachlich ist, dass Opfer von Gewalt in der Familie nicht nur eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO vorzuweisen haben, sondern – im Gegensatz zur Regelung des § 27 Abs. 4 NAG – darüber hinaus glaubhaft machen müssen, dass eine Aufenthaltsbewilligung zum Schutz vor weiterer Gewalt durch den Zusammenführenden erforderlich ist.

Hinsichtlich Abs. 3 und 4 ist anzumerken, dass das Vorliegen der in Abs. 1 Z 2 und 3 genannten Kriterien materielle Voraussetzung für die Stattgabe von Anträgen ist. Grundsätzlich wären Anträge beim Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen daher ab- und nicht zurückzuweisen.

Zu Artikel 4 (Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses):

Zu § 1:

Gegen die vorgesehene Einrichtung eines Beirates durch den Landeshauptmann bestehen verfassungsrechtliche Bedenken: Sie dürfte unzulässigerweise in die Organisationskompetenz der Länder eingreifen. Wenn der Bundesgesetzgeber vorsieht, dass der Landeshauptmann in einer Angelegenheit, die in mittelbarer Bundesverwaltung vollzogen wird, einen Beirat einzurichten befugt ist und vorgibt, wie dieser Beirat zu organisieren ist, so trifft er damit eine Regelung über die Organisation der Landesverwaltung. Zwar ist der Materiengesetzgeber zur Regelung behördlicher Zuständigkeiten zuständig; die Errichtung oder Veränderung der Organisation der Landesverwaltung fällt jedoch nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Dies gilt auch dann, wenn eine Einrichtung nicht als Behörde, sondern – wie es der Intention des vorliegenden Entwurfs entspricht – lediglich als beratendes Gremium tätig wird. Auch in der Literatur wird vertreten, dass die Einrichtung eines Beirates dem Organisationsgesetzgeber obliegt; das ist bei Beiräten, die bei einer Landesbehörde eingerichtet werden, der Landesgesetzgeber (K. Lachmayer, Beiräte in der Bundesverwaltung [2003], 80 ff).

Im Übrigen bestehen Bedenken gegen die aufgrund der Entwurfsbestimmungen möglicherweise resultierenden rechtlichen Unterschiede in den einzelnen Bundesländern, was die Frage der Einrichtung eines Beirates und die damit verbundene Möglichkeit, Niederlassungsbewilligungen gem. § 44 Abs. 4 NAG zu erteilen betrifft. Zwar wird nicht verkannt, dass auch in Materien, die gemäß Art. 10 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen, innerhalb des Bundesgebietes in der Vollziehung (zB beim Erlass von Durchführungsverordnungen) Unterschiede bestehen können; diese haben aber im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes (zB aufgrund besonderer örtlicher Bedingungen) gerechtfertigt zu sein. Es ist im vorliegenden Fall äußerst fraglich, ob zwischen den Bundesländern ausreichend – rechtlich relevante – Unterschiede im Tatsächlichen bestehen, die eine Ungleichbehandlung dergestalt, dass in manchen Bundesländern die Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 44 Abs. 4 NAG zulässig ist, in anderen aber nicht, verfassungsrechtlich rechtfertigen können. Dies gilt umso mehr, als das Gesetz keinerlei Kriterien enthält, welche den Landeshauptmann bei der Frage der Einrichtung des Beirats leiten würden.

Es bestehen in diesem Zusammenhang auch grundsätzliche Bedenken im Hinblick auf das offenbar kaum beschränkte Ermessen des Landeshauptmannes bei der Entscheidung, ob er eine Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG erteilt, in Verbindung mit der ebenfalls – von der Voraussetzung gemäß § 1 Abs. 5 abgesehen – nicht näher determinierten Entscheidung des Beirats, ob er eine diesbezügliche Empfehlung abgibt.

Eine abschließende verfassungsrechtliche Beurteilung der Bindung des Landeshauptmannes an das Vorliegen einer Empfehlung des Beirates (er darf zwar von dieser abweichen, aber ohne eine solche Empfehlung nicht nach § 44 Abs. 4 NAG tätig werden) muss an dieser Stelle offen bleiben. Ungeachtet dessen sei aber auf Folgendes hingewiesen: Es ist nicht zu verkennen, dass der Landeshauptmann nicht als oberstes Organ tätig wird und insofern keine verfassungswidrige Bindung eines obersten Organs (Art. 19 B-VG) vorliegt. Mittelbar läge aber eine Bindung des Bundesministers für Inneres vor, der ohne eine Empfehlung des Beirates den Landeshauptmann nicht zur Erteilung oder Prüfung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 4 NAG anweisen könnte. Dazu kommt, dass die Entscheidung des Beirats wegen ihrer Bindungswirkung für den Landeshauptmann und der Beurteilung des Vorliegens einer Patenschaft (§ 1 Abs. 5) unter Umständen selbst als hoheitliche Entscheidung in Einzelfällen angesehen werden könnte, was verschiedene verfassungsrechtliche Fragestellungen – angefangen mit dem demokratischen Legitimationszusammenhang und der parlamentarischen Verantwortlichkeit – aufwerfen würde, sofern der Beirat nicht selbst an Weisungen gebunden ist (die Frage der Weisungsbindung von Beiräten ist strittig; vgl. dazu K. Lachmayer, aaO 93 ff mwN). Der Grad der vorgesehenen Bindung ist für die Tätigkeit von Beiräten jedenfalls untypisch (vgl. auch hiezu K. Lachmayer, aaO, insb. 224 f; danach ist die rechtliche Verpflichtung, den Beirat anzuhören, die stärkste mögliche Einbeziehung des Beirats in ein behördliches Verfahren – die Verpflichtung, nur auf Initiative des Beirats tätig zu werden, würde aber darüber hinausgehen).

Zu § 2:

Der vorgeschlagene § 2 wirft (zumindest) die Frage auf, was mit einer abgeschlossenen Patenschaft zu geschehen hat, wenn ihr keine Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 44 Abs. 4 NAG folgt. Es erscheint unbillig – wenn nicht unsachlich – in einem solchen Fall die Weitergeltung der Patenschaft bzw. die Möglichkeit einer Gebietskörperschaft, sich auf sie zu berufen, anzunehmen.

III. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf sein Rundschreiben vom 6. November 2007, GZ 600.824/0005-V/2/2007 – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Vorblatt und Erläuterungen; Darstellung der Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben ‑ hin, in denen insbesondere um eine detailliertere Strukturierung der Darstellung der Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben im Vorblatt ersucht wurde.

1. Zum Vorblatt:

Unter „Alternativen“ wären andere Wege zur Erreichung der angestrebten Ziele als die im Gesetzesentwurf gewählten Lösungen anzugeben (vgl. das Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 6. November 2007, GZ 600.824/0005-V/2/2007, Pkt. 7); in diesem Sinne kommt die Beibehaltung der geltenden Rechtslage nicht als zur Zielerreichung geeignete, und daher auch nicht als im Vorblatt anzugebende, Alternative in Frage.

2. Zum Allgemeinen Teil der Erläuterungen:

Im Allgemeinen Teil der Erläuterungen wäre auch anzugeben, worauf sich die Zuständigkeit des Bundes zur Erlassung der vorgeschlagenen Neuregelungen gründet (Legistische Richtlinien 1979, Pkt. 94).

Als Angabe der Kompetenzgrundlage(n) genügt nicht die jeweilige, mehrere Kompetenztatbestände umfassende Ziffer des Art. 10 Abs. 1 B‑VG, vielmehr ist auch der Wortlaut des in Anspruch genommenen Kompetenztatbestandes zu nennen (Legistische Richtlinien 1979, Pkt. 94).

Gemäß § 14 Abs. 1 BHG ist jedem Entwurf für (ua.) ein Bundesgesetz von dem Bundesminister, in dessen Wirkungsbereich der Entwurf ausgearbeitet wurde, eine den Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 BHG entsprechende Darstellung der finanziellen Auswirkungen anzuschließen, aus der insbesondere hervorzugehen hat, wie hoch die durch die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen voraussichtlich verursachten Ausgaben oder Einnahmen sowie Kosten oder Erlöse für den Bund im laufenden Finanzjahr und mindestens in den nächsten drei Finanzjahren zu beziffern sein werden. Eine solche Darstellung kann dem vorliegenden Entwurf nicht entnommen werden.

Auf die finanziellen Folgen einer Missachtung von Verpflichtungen nach der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebiets­körperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999, muss hingewiesen werden.


Diese Stellungnahme wird im Sinne der Entschließung des Nationalrates vom 6. Juli 1961 u.e. auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

9. Jänner 2009

Für den Bundeskanzler:

i.V. SPORRER

 

 

Elektronisch gefertigt