I.

 

 

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Wien, am 21. September 2018

 

 

 

Betreff:    Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses; Begutachtungsverfahren,

do. GZ. BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008

 

Seitens des Präsidiums des Asylgerichtshofes wird zum Begutachtungsentwurf vom 10.12.2008, GZ. BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008, eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses, erlassen wird, folgendes angemerkt:

 

I. Zum Konzept des Entwurfes:

 

Das Präsidium des Asylgerichtshofes geht zunächst davon aus, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels (samt eines Arbeitsmarktzuganges) nach dem Regime des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes an Fremde, deren Außerlandesschaffung eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten würde, positive Beurteilung finden wird (können).

 

Da die Vergangenheit gezeigt hat, dass gerade in Asylverfahren jede Änderung der gesetzlichen Bestimmungen zu einem erheblichen Auslegungsbedarf der neuen Normen führt, ist es (allerdings) im Interesse der Vermeidung weiterer Belastungen des Asylsystems grundsätzlich angezeigt, Änderungen im Asylrecht nur in so geringem Umfang wie notwendig vorzunehmen und – gegebenenfalls – so präzise und einfach wie möglich zu gestalten.

 

Dies umso mehr, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass Fremde, die auf einem anderen Weg kein Aufenthaltsrecht erlangt haben (oder erlangen können), im Einzelfall unter legitimer Nutzung der durch die vorgeschlagenen Normen eröffneten Möglichkeit allenfalls (zusätzliche oder weitere) Anträge auf internationalen Schutz stellen könnten.

 

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass viele der durch frühere gesetzliche Neuregelungen (etwa durch die AsylG-Novelle 2003 oder die Neukodifizierung des Asylrechts im AsylG 2005) entstandenen rechtlichen Unklarheiten durch die zwischenzeitig ergangene Rechtsprechung der Höchstgerichte weitgehend ausgeräumt und geklärt sind. Insoweit aus der Sicht des Asylgerichtshofes die Gefahr besteht, dass es durch die vorgeschlagenen Bestimmungen zu neuen rechtlichen Unsicherheiten kommen kann, die (abermals) zu langwierigen Judikaturentwicklungen (und damit verbundenen Verfahrensverzögerungen) führen könnten, wird im Folgenden näher darauf eingegangen.

 

 

 

II. Anmerkungen zu Artikel I des Entwurfes (Änderung des Asylgesetzes 2005):

 

II.1. Zu Art. I Z 4 (§ 75 Abs. 8 AsylG 2005)

 

Ausgangspunkt für die inhaltliche Stellungnahme des Asylgerichtshofes bildet zunächst die vorgeschlagene Übergangsbestimmung des § 75 Abs. 8, der zufolge die Bestimmungen des §10 Abs. 2 Z 2, Abs. 5 und § 22 Abs. 9 auf alle am 31. März 2009 anhängigen Verfahren mit der Maßgabe Anwendung finden sollen, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zuständig ist. Noch bevor eine Auseinandersetzung mit den Regelungsinhalten der vorgeschlagenen neuen Bestimmungen im Einzelnen erfolgen kann, gilt es, eine Aussage über den Geltungsbereich dieser Normen auf dem Boden der zitierten Übergangsbestimmung zu treffen.

 

Es kann – auch wenn die Ausführungen in den Erläuterungen Gegenteiliges nahe legen – nach dem Wortlaut des Entwurfes nicht ausgeschlossen werden, dass dieser eine ab 1.4.2009 entstehende Zuständigkeit von Bundesasylamt oder Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung in allen anhängigen Verfahren, d.h. auch in solchen, in denen die bisherige Rechtslage keine solche Kompetenz der genannten Stellen kannte, anstrebt (Arg: „..mit der Maßgabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung der Ausweisung zuständig ist“). Konkret bedeutete dies, dass bei Verfahren, bei denen das AsylG 1997 hinsichtlich der Hauptfrage anzuwenden wäre, die Ausweisungsentscheidung ab dem 1.4.2009 nach dem AsylG 2005 zu erfolgen hätte. Dem widerspricht aber die unverändert gebliebene Wortfolge des § 10 Abs. 1 AsylG 2005, nach der lediglich eine Entscheidung „nach diesem Bundesgesetz …“, also nach dem AsylG 2005 mit einer Ausweisungsentscheidung zu verbinden wäre. Sollte intendiert sein, § 10 AsylG 2005 in der vorgeschlagenen Fassung nur in Asylverfahren, die nach dem AsylG 2005 abzuführen sind, anzuwenden, wird angeregt, dies (etwa sprachlich oder durch Entfall des § 75 Abs. 8 AsylG 2005 in der vorgeschlagenen Fassung) klarzustellen. Ist hingegen intendiert, § 10 AsylG 2005 in der vorgeschlagenen Fassung auch auf Verfahren nach dem AsylG 1997 anzuwenden, wäre in den Übergangsbestimmungen explizit anzuführen, dass Entscheidungen nach dem AsylG 1997, die ab dem 1. April 2009 erfolgen, in Bezug auf § 10 AsylG 2005 als Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz gelten; im Übrigen wäre dann aber die Überprüfung sämtlicher Übergangsbestimmungen des § 75 AsylG 2005 auf deren Kompatilität zu und Konsistenz mit dem vorgeschlagenen Abs. 8 des § 75 AsylG angezeigt.

Es sollte daher, und um schwierige Auslegungsprobleme zu verhindern, jedenfalls auf eine Rückwirkung auf Verfahren, die nach dem AsylG 1997 zu führen sind, verzichtet werden.

 

Im diesem Zusammenhang wäre es darüber hinaus allerdings aus verfassungs-rechtlicher Sicht bedenklich, dass der Asylgerichtshof zur Erlassung der Ausweisung auch in solchen Fällen zuständig sein soll, bei denen das Bundesasylamt – mangels rechtlicher Grundlage bei Entscheidungen vor dem 1.5.2004 – keine Ausweisung verfügt hat. Dies deshalb, da der Asylgerichtshof nach Art. 129c ff B-VG nach Erschöpfung des Instanzenzuges über Bescheide der Verwaltungsbehörden in Asyl-sachen und über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in Asylsachen (Säumnis) erkennt. Eine Befugnis des Asylgerichtshofes erstinstanzlich eine Ausweisung zu erlassen, ist – über den dargestellten Sonderfall der Säumnis hinaus – dem Verfassungsrecht nicht zu entnehmen. Zumal beim Asylgerichtshof noch eine größere Zahl von Verfahren anhängig ist, ist angezeigt klarzustellen, dass der Asylgerichtshof nur dann über eine Ausweisung abzusprechen hat, wenn eine solche bereits durch das Bundesasylamt erlassen und diese Ausweisung in weiterer Folge durch den Beschwerdeführer bekämpft wurde.

 

 

II.2. Zu Artikel I Z 1 (§ 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005)

 

Zum vorgeschlagenen § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist anzumerken, dass die Aufzählung der jedenfalls zu berücksichtigenden Kriterien nicht zwingend erforderlich ist, da sich diese ohnehin aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschen-rechte bzw. aus den zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes ergeben. Ergänzend ist auch anzumerken, dass durch die Normen des vorgeschlagenen § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005, so vom Bundesasylamt ein in der leg.cit. „jedenfalls“ verlangter Tatbestand nicht (hinreichend) geprüft worden ist, davon auszugehen wäre, dass dann der Sachverhalt so mangelhaft ermittelt worden wäre, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof unvermeidlich erschiene.

 

Darüber hinaus ist die lit. a des vorgeschlagenen § 10 Abs. 2 AsylG 2005 mit unbestimmten Begriffen („offenkundig aussichtslos“) bzw. im Asylrecht mit anderer Intention verwendeten Begriffen – „unzulässige Anträge“ werden nach den §§ 4 und 5 AsylG 2005 bzw. nach § 68 AVG zurückgewiesen – versehen, sodass mit einem erheblichen Aufwand zur Klärung dieser Begriffe (in einer asylrechtlichen Nebenfrage) - möglicherweise bis hin zu einer Grundsatzentscheidung - zu rechnen sein wird. Auch scheint die lit. a des vorgeschlagenen § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 nicht in den in den Erläuterungen zitierten Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes auf, sodass diese Erkenntnisse diesbezüglich auch keine Auslegungshilfen darstellen. Es ist – wie die Judikatur zeigt – in Einzelfällen möglich, festzustellen, dass verfahrensgegenständliche Anträge „offenkundig aussichtslos“ waren; es wird aber ohne nähere Determinierung in einem Großteil von Verfahren äußerst schwierig sein, festzustellen, dass die dem Verfahren zu Grunde liegenden Anträge tatsächlich „offenkundig aussichtslos“ waren. Das umso mehr, als die vorgeschlagene Formulierung in manchen Verfahren die retrospektive Betrachtung von mehreren Asyl-, Fremdenpolizei- und Niederlassungsverfahren und die Beurteilung jedes dieser Verfahren an den Kriterien der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der jeweiligen Anträge mit sich bringen würden.

In lit. a der leg.cit. sollte daher jedenfalls die Wortfolge „oder durch offenkundig aussichtslose oder unzulässige Anträge ermöglicht wurde“ entfallen.

Zudem ist nicht zu erkennen, dass ein Verstoß gegen das Asyl- und Fremdenrecht (lit. g) in den zitierten Erkenntnissen thematisiert wird; vielmehr sprechen die Erkenntnisse von einem Verstoß gegen das Einwanderungsrecht.

 

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sowohl das Bundesasylamt als auch der Asylgerichtshof in ihren Verfahren streng am Maßstab des Gesetzes die Zulässigkeit der Ausweisung zu prüfen haben; diese sind nach den neuesten einschlägigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (NNYANZI gegen Vereinigtes Königreich, Fall Nr. 21878/06 und DARREN OMOREGIE und andere gegen Norwegen, Fall Nr. 265/07) im Regelfall zulässig. Das Bundesasylamt und der Asylgerichtshof können in ihren Entscheidungen eine politische oder gesellschaftliche Willensbildung, die einem bestimmten Fremden über das geltende Recht hinaus den Aufenthalt in Österreich gestatten will, nicht berücksichtigen. Es wird daher vorgeschlagen, auch Asylwerber während ihres noch laufenden Asylverfahrens – so ein entsprechender politischer oder gesellschaftlicher Wille besteht – in die Zuständigkeit des vorgeschlagenen Beirates aufzunehmen und die Erteilung eines Titels an diese Fremden – allenfalls nach Schaffung einer verwaltungsökonomischen Möglichkeit, deren offene Asylverfahren abschließen zu können – zu ermöglichen.

 

 

II.3. Zu Artikel I Z 2 (§ 10 Abs. 5 AsylG 2005)

 

Im Zusammenhang mit der vorgeschlagenen Bestimmung des § 10 Abs. 5 ist unter Hinweis auf die bereits unter Punkt II.1. dargestellten verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu bemerken, dass der Asylgerichtshof nur dann darüber absprechen darf, ob eine Ausweisung „auf Dauer“ unzulässig ist, wenn eine dies-bezügliche Entscheidung bereits durch das Bundesasylamt getroffen wurde, was insbesondere dann nicht der Fall ist, wenn das Bundesasylamt den Asylwerber ausgewiesen hat und diese Ausweisung durch den Asylgerichtshof behoben wurde. Im Gegensatz zu den §§ 3 Abs. 5 und 8 Abs. 4 AsylG 2005 stellt die Frage, ob eine Ausweisung „auf Dauer“ oder eben nicht „auf Dauer“ unzulässig ist, keine bloße Rechtsfolge einer Entscheidung des Asylgerichtshofes dar, sondern erfordert eine eigene – faktisch erstinstanzliche – Willensbildung, die beim Asylgerichtshof jedoch nur in Säumnisangelegenheiten zulässig ist.

 

Weiters wird im Entwurf – offenbar hinsichtlich der Wortfolge „auf Dauer“ in Anlehnung an die Terminologie des § 10 Abs. 3 AsylG 2005 (‚… nicht von Dauer …’) – vorgeschlagen, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof, so diese der Ansicht sind, dass eine Ausweisung unzulässig sei, festzustellen hätten, ob diese Unzulässigkeit „auf Dauer“ bestehen würde oder nicht.

 

Im Vollzug würde der Entwurf allerdings erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen, da eine Prognoseentscheidung verlangt werden soll, für die einerseits – im Gegensatz zu den Fällen des § 10 Abs. 3 AsylG 2005 – die für die Prognose notwendigen Anhaltspunkte im Entscheidungszeitpunkt nicht feststellbar sein würden und es andererseits an einer klaren Definition der Wortfolge „auf Dauer“ mangelt.

 

Nach den Erläuterungen zu § 10 Abs. 3 AsylG 2005 hat der Gesetzgeber bei der Aufschiebung der Durchführung der Ausweisung vornehmlich an schwere, aber vorübergehende Erkrankungen gedacht, deren Verlauf im Rahmen eines Er-mittlungsverfahrens – etwa und vor allem durch Einholung eines Sachverständigengutachtens – prognostiziert werden können.

Dem gegenüber setzt der vorgeschlagene § 10 Abs. 5 AsylG 2005 eine Prognose über den Ausgang von unter Umständen bei einer anderen Behörde oder einem anderen Gericht anhängigen Verfahren voraus (Beispiel: anhängiges höchst-gerichtliches Verfahren der Mutter mit aufschiebender Wirkung, welche die Au-weisung des minderjährigen Sohnes derzeit und für den Fall einer Stattgebung nach Aufhebung durch das Höchstgericht auf Dauer verunmöglicht) oder über das weitere Verhalten des betroffenen Fremden (Beispiel: Ausweisung eines bisher unbescholtenen Fremden wird nach dessen Verurteilung wegen eines Verbrechens zulässig).

 

Die Wortfolge „auf Dauer“ könnte im Lichte des oben gesagten daher so ausgelegt werden, dass die Prognoseentscheidung im Zweifel jedenfalls potentiell „auf Dauer“ zu lauten hätte. Auch vertretbar wäre, sich bei der Auslegung der Wortfolge „auf Dauer an § 10 Abs. 3 AsylG 2005 zu orientieren, der vorsieht, dass die Durchführung einer Ausweisung aufzuschieben wäre, wenn diese eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen würde und die hiefür maßgeblichen Gründe „nicht von Dauer“ wären. In einer Zusammenschau mit § 8 AsylG 2005 liegt der Schluss nahe, dass die maßgeblichen Gründe dann „nicht von Dauer“ sind, wenn sie voraussichtlich nicht mehr als ein Jahr anhalten werden; andernfalls wäre nämlich dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu erteilen und die damit verbundene Aufenthaltsberechtigung gegebenenfalls – wenn die Gründe weggefallen sind – nach einem Jahr nicht zu verlängern. Würde man allerdings die Wortfolge „auf Dauer“ im vorgeschlagenen § 10 Abs. 5 AsylG so lesen, würden zumindest alle Fälle, in denen eine Ausweisung voraussichtlich für mehr als ein Jahr nicht zulässig wäre, als „auf Dauer“ zu qualifizieren sein. Bei Abhängigkeit einer Entscheidung über die Dauer der Unzulässigkeit der Ausweisung vom Ausgang eines Verfahrens eines Familienangehörigen wird – so zeigt die Erfahrung – dies derzeit noch anzunehmen sein. Es kann das Ergebnis der Auslegung durch die Judikatur, die über die Anwendung der gleichlautenden Bestimmungen im FPG durch die Fremdenpolizeibehörden und allfällige Grundsatzentscheidungen in Asylangelegenheiten schließlich durch den Ver-waltungsgerichtshof und in asylrechtlichen Beschwerdesachen (Willkür) durch den Verfassungsgerichtshof erfolgen wird, nicht vorhergesehen werden. Im Interesse der Vermeidung einer längerfristigen Judikaturentwicklung zur Auslegung der gegenständlichen Wortfolge sollte diese daher näher determiniert werden.

 

Dazu wird folgendes Beispiel demonstrativ dargestellt:

Ein Elternteil hat vor dem 1.5.2004 einen Asylantrag gestellt. Dieser wurde durch das Bundesasylamt ebenfalls noch vor dem 1.5.2004 abgewiesen und gleichzeitig festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung dieses Fremden in den Herkunftsstaat zulässig ist. Die Ausweisung ist – mangels Rechtsgrundlage vor dem 1.5.2004 – unterblieben. Der Asylwerber hat gegen diese Entscheidung berufen. In Folge wurde für dessen nachgeborenes Kind ein Asylantrag bzw. ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der ebenfalls gänzlich abgewiesen wurde. Dieser wurde nach der üblichen Verwaltungspraxis des Bundesasylamtes vor der Entscheidung des VwGH 2006/19/1276 vom 11.06.2008 mit einer Ausweisung verbunden. Beide Verfahren sind noch am 1.4.2009 beim Asylgerichtshof anhängig. Im Verfahren vor dem Asylgerichtshof kann dieser im Falle einer negativen Entscheidung gegen den Elternteil keine Ausweisung verfügen (siehe hiezu die Ausführungen oben); daher wird der Asylgerichtshof die Ausweisung gegen das Kind wegen einer drohenden Verletzung des Rechts auf Familienleben zu beheben haben.

Sollte die Intention des Entwurfes sein, dass in solchen Fällen keine Unzulässigkeit der Ausweisung „auf Dauer“ festzustellen wäre, ist zu bemerken, dass der Asylgerichtshof im Lichte des oben gesagten zu dem Schluss kommen könnte, dass die Ausweisung zumindest derzeit „auf Dauer“ nicht möglich ist, da nicht vorhersehbar ist, ob überhaupt oder gegebenenfalls wann die Fremdenpolizeibehörde den Elternteil ausweisen würde. Nach dem vorgeschlagenen Entwurf hätte – so man dieser Auslegung folgt – der nachgeborene Fremde daher dann jedenfalls Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Dies betrifft in analoger Weise auch jene Verfahren, die derzeit beim Verwaltungsgerichtshof anhängig sind und nach einer Aufhebung nicht vor dem 31.3.2009 entschieden werden können, wenn inzwischen über Anträge von nachgeborenen Kinder entschieden wurde, in deren Verfahren eine Ausweisung – aus welchem Grund auch immer – nicht zulässig war.

 

Nach Ansicht des Asylgerichtshofes sollte eine fehlende asylrechtliche Ausweisung nicht zur Einleitung eines Verfahrens nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes führen, sondern es sollte – auch bei Asylwerbern – auf eine Entscheidung der Fremdenpolizeibehörde samt allfälliger Befassung der zuständigen Niederlassungsbehörde (im Sinne des Konzeptes) abgestellt werden. Im Gegensatz zum Bundesasylamt und dem Asylgerichtshof, die ihre zurückweisenden oder gänzlich ab-weisenden Entscheidungen zwingend mit einer Ausweisung zu verbinden haben (vgl. §§ 5a, 6 Abs. 3 und 8 Abs. 2 AsylG 1997 und § 10 Abs. 1 und 2 AsylG 2005), obliegt es den Fremdenpolizeibehörden, über die Ausweisung zu einem geeigneten Zeitpunkt zu entscheiden und etwa im oben geschilderten Beispiel die Erledigung aller offenen Asylverfahren der Familienmitglieder abzuwarten, um dann über die allfällige Ausweisung aller Familienmitglieder – ohne eine Verletzung des Rechts auf das Familienleben durch eine zeitlich unterschiedliche Ausweisung der Familienmitglieder zu provozieren – gleichzeitig zu entscheiden.

 

Tritt man diesem Vorschlag nicht nahe, so müsste die Wortfolge „von Dauer“ jedenfalls durch eine geeignete Begriffsbestimmung näher determiniert werden, da es andernfalls zu einem erheblichen Aufwand bei der Auslegung des vorgeschlagenen § 10 Abs. 5 AsylG 2005 kommen wird.

 

 

II.4. Zu Artikel I Z 3 (§ 22 Abs. 9 AsylG 2005)

 

Zum vorgeschlagenen § 22 Abs. 9 AsylG 2005 ist anzumerken, dass – sofern das im Entwurf konzipierte Modell beibehalten wird – es mit Ausnahme des Bescheides des Bundesasylamtes bzw. Erkenntnisses des Asylgerichtshofes keine relevanten Aktenteile gäbe, da die Niederlassungsbehörde diesfalls gemäß dem vorgeschlagenen § 44a NAG einen Aufenthaltstitel zwingend zu erteilen hätte und ihr kein Ermessensspielraum zukäme. Allenfalls könnte die Niederlassungsbehörde im Einzelfall notwendige Aktenteile beim Bundesasylamt oder dem Asylgerichtshof anfordern. So erscheint etwa die Übermittlung von Verhandlungsschriften mit zum Teil höchstpersönlichen Erzählungen (auch) über Eingriffe in die sexuelle Selbstbestimmung an eine Behörde, die diese für ihre Entscheidung nicht benötigt, nicht von vornherein als unbedenklich.

Darüber hinaus geht der Asylgerichtshof davon aus, dass  - im Hinblick auf potentielle Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof - der Niederlassungsbehörde nur Abschriften zu übermitteln sind.

 

 

II.5. Sonstige Anmerkungen zum AsylG 2005

 

Schließlich darf ersucht werden, folgende formalen Novellierungen des AsylG 2005 in den Ministerratsvortrag mitaufzunehmen:

 

  1. In § 14 Abs. 1 wäre (zwei Mal) „Berufungsentscheidung“ durch „Beschwerdeentscheidung“ zu ersetzen.

 

  1. In den §§ 14 Abs. 2, 36 Abs. 1, 41 Abs. 4 und 6 und 60 Abs. 4 AsylG 2005 wäre jeweils die grammatikalisch richtige Wortfolge „Unabhängiger Bundesasylsenat“ durch das grammatikalisch richtige Form des Wortes „Asylgerichtshof“ zu ersetzen.

 

  1. In § 17 Abs. 8 wäre „Berufungsergänzung“ durch "Beschwerdeergänzung" zu ersetzen.

 

  1. In § 23 Abs 3 erster Satz wäre nach dem Wort "Entscheidungen" die Wortfolge "des Bundesasylamtes" und nach der Wortfolge "verbunden sind," die Wortfolge "oder von Entscheidungen des Asylgerichtshofes, mit denen Beschwerden gegen solche Entscheidungen zurück- oder abgewiesen werden," einzufügen.

 

  1. In § 25 Abs. 2 wäre im ersten Satz die Wortfolge "im Verfahren erster Instanz" durch die Wortfolge "im Verfahren vor dem Bundesasylamt" und im zweiten Satz die Wortfolge "in Verfahren zweiter Instanz" durch die Wortfolge "im Verfahren vor dem Asylgerichtshof" zu ersetzen.

 

  1. In § 33 Abs. 3 wäre die Wortfolge "sieben Tage" durch die Wortfolge "eine Woche" zu ersetzen.

 

  1. In § 33 Abs. 4 wäre die Wortfolge "Verhandlung der Berufungsbehörde" durch die Wortfolge "Verhandlung des Asylgerichtshofes" zu ersetzen.

 

  1. In § 34 Abs. 1 wäre das Klammerzitat "(§ 2 Z 22)" durch das Klammerzitat "(§ 2 Abs. 1 Z 22)" zu ersetzen.

 

  1. Es wird angeregt, die Staaten Bulgarien und Rumänien in die Aufzählung des § 39 Abs. 1 aufzunehmen und in Abs. 4 entfallen zu lassen.

 

  1. § 41 Abs. 6 erster Satz sollte lauten:

"Wird gegen eine Ausweisung beim Asylgerichtshof Beschwerde erhoben und hält sich der Fremde zum Zeitpunkt der Erlassung der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet auf, so hat der Asylgerichtshof festzustellen, ob die Ausweisung zum Zeitpunkt der Erlassung rechtmäßig war."

 

  1. In § 60 Abs. 3 wäre vor der Wortfolge "die Sammlung von" das Wort "um" einzufügen.

 

  1. In § 61 Abs. 2 wäre nach dem Zitat "Abs. 1 Z 2" das Wort "(Säumnisbeschwerde)" einzufügen und das Wort "Beschwerde" durch "Säumnisbeschwerde" zu ersetzen.

 

  1. In § 63 Abs. 2 Z 2 wäre das Wort "Asylsberechtigten" durch das Wort "Asylberechtigten" zu ersetzen.

 

 

 

III. Zu Artikel 2 des Entwurfes (Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005)

 

Zum Fremdenpolizeigesetz erlaubt sich der Asylgerichtshof auf die obigen Anmerkungen zum vorgeschlagenen § 10 AsylG zu verweisen.

 

 

 

 

 

 

 

Diese Stellungnahme wurde auf elektronischem Wege auch dem Präsidium des Nationalrates zugeleitet.

 

 

 

12. Jänner 2009

Der Präsident:

PERL

 

 

 

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