Stellungnahme des Vereins Projekt Integrationshaus

 

zum Entwurf eines Bundesgesetzes, „mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird“

 

  1. Vorbemerkung

 

Der Verein Projekt Integrationshaus setzt sich ein für ein

 

Ø      generelles Bleiberecht in all jenen Fällen, in denen der langjährige Aufenthalt des Fremden auf ein Unterlassen einer zügigen Verfahrensfortführung seitens der österreichischen Behörden (insbesondere Bundesasylamt, Unabhängiger Bundesasylsenat bzw. Asylgerichtshof) zurückzuführen ist sowie für ein

 

Ø      Bleiberecht in jenen Fällen, in denen der Verbleib des Fremden in Österreich aus humanitären Gründen geboten ist.

 

Diese beiden unterschiedlichen Formen des Bleiberechtes sollten nach Ansicht des Vereins Projekt Integrationshaus entgegen der öffentlichen Diskussion als eigene Themenstellungen betrachtet werden.

 

Ein wesentlicher Unterschied liegt schon in dem Umstand, dass im erstgenannten Fall die Verantwortung für die nicht fristgerechte Verfahrensführung bei den österreichischen Behörden und nicht beim Antragsteller/bei der Antragstellerin liegt. Dieser unverschuldete, oftmals langjährige Aufenthalt hat in der großen Mehrzahl der Fälle zu einer nachhaltigen Integration der Betroffenen geführt, wobei in gleichem Umfang der Kontakt zum Herkunftsland verloren ging. Insbesondere die Kinder dieser Antragsteller sind oftmals in Österreich zur Welt gekommen, besuchen hier die Schule. Ihre Heimat ist Österreich und nicht das unbekannte, fremde Land, dem ihre Eltern entstammen. In diesen Fällen ergibt sich das Recht, in Österreich zu verbleiben, in aller Regel bereits zwingend aus dem in Österreich im Verfassungsrang stehenden Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Art. 8 EMRK.

 

Beim Bleiberecht aus humanitären Gründen sollte das Hauptaugenmerk hingegen nicht auf eine ‚juristische’ Prüfung der Kriterien des Art. 8 EMRK wie auch anderer verfassungsrechtlicher Vorgaben, sondern auf humanitäre Gesichtspunkte gerichtet sein. Solche im humanitären Bereich gelegene Gründe, welche einen (zumindest vorübergehenden) Aufenthalt in Österreich erforderlich machen können, liegen nach Ansicht des Vereins Projekt Integrationshaus beispielsweise im Falle einer ernsthaften Erkrankung des Antragstellers/der Antragstellerin vor oder auch der notwendigen Pflege eines zum Aufenthalt berechtigten Fremden durch einen nicht aufenthaltsberechtigten Angehörigen. Als humanitärer Grund wäre auch eine Integration des Antragstellers/der Antragstellerin denkbar, die das für eine Verletzung des Art. 8 EMRK geforderte Ausmaß (noch) nicht erreicht hat.

 

 

 

Während im erstgenannten Fall des Vorliegens eines langjährigen Aufenthalts das zu gewährende Aufenthaltsrecht sich letztlich aus verfassungs- und völkerrechtlichen Vorgaben ergibt, wird im Fall des zweitgenannten, ‚humanitären’ Bleiberechts nur ausnahmsweise eine Verletzung verfassungs- und/ oder völkerrechtlicher Bestimmungen einer ansonsten drohenden Ausweisung des/der Betreffenden entgegenstehen. Dennoch hindern weder  Völkerrecht noch Europarecht den (bereits einfachen) Gesetzgeber, ein solches Bleiberecht aus humanitären Gründen einzurichten.

 

Der Verein Projekt Integrationshaus ist daher der Ansicht, dass ein humanitäres Bleiberecht weiter gefasst sein muss als es Art. 8 EMRK vorsieht. Zahlreiche humanitäre Fälle (wie etwa das genannte Beispiel einer schweren Erkrankung) fallen grundsätzlich weder in den Schutzbereich des Art. 8 EMRK noch in jenen des Art. 3 EMRK, weshalb die Ausweisung und daran anschließend die Abschiebung der betroffenen Personen in rechtlicher Hinsicht nach der geltenden Rechtslage zulässig wäre.

 

Es bedarf daher zum einen eines Bleiberechtes für jene Fälle, in denen eine Abschiebung Art. 8 EMRK verletzen würde (betrifft also insbesondere langjährig aufhältige Fremde). Von diesem sich unmittelbar aus den Vorgaben der EMRK in ihrer Auslegung durch den EGMR ergebenden Nichtausweisungsgebot (und somit Bleiberecht) abgesehen, bedarf es aber zum anderen des Rechtsinstituts eines tatsächlichen humanitären Bleiberechts, sodass auch humanitäre Gründe außerhalb bzw. neben den Vorgaben insbesondere des Art 8 und 3 EMRK zu einem Aufenthaltsrecht führen können.

 

 

  1. Grundsätzliches zum Entwurf

 

Im Lichte der obigen Ausführungen begrüßt der Verein Projekt Integrationshaus insbesondere (nähere Ausführungen siehe unter Punkt 3), dass der vorliegende Entwurf

 

Ø      die bislang bestehende Lücke zwischen Asylverfahren und Niederlassungs- sowie Aufenthaltsrecht im Falle der dauerhaften Unzulässigkeit der Ausweisung des Antragstellers zu schließen bestrebt ist

 

Ø      ausdrücklich ein Aufenthaltsrecht für den Fall vorsieht, dass dessen Erteilung zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK erforderlich ist

 

Ø      die Schaffung eines Aufenthaltstitels für Opfer familiärer Gewalt (Z 17; § 69a NAG des Entwurfes) vorsieht

 

Ø      die Einräumung eines Aufenthaltsrechtes für langjährig im Bundesgebiet befindliche Fremde auch in jenen Fällen ermöglicht, in denen eine Ausweisung die aus Art. 8 EMRK erfließenden Rechte derselben an sich nicht verletzen würde (§ 44 Abs. 4 NAG des Entwurfes – siehe aber auch sogleich)

 

 

Hingegen erachtet der Verein Projekt Integrationshaus für bedenklich insbesondere (nähere Ausführungen siehe unter Punkt 3), dass

 

Ø      das vorgesehene Rechtsinstitut nach § 44 Abs. 4 NAG (neu) – Niederbelassungsbewilligung beschränkt, so der/die AntragstellerIn bereits seit dem 01.03.2003 durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und ein einzurichtender Beirat eine positive Empfehlung abgibt – in seiner vorliegenden Form (insbesondere wegen der nur unzulänglichen Verfahrensausgestaltung) in einem Spannungsverhältnis zu verfassungsrechtlichen Bestimmungen steht

Ø      im Anwendungsbereich des NAG verspätet gestellte Verlängerungsanträge nunmehr ohne Toleranzfrist grundsätzlich als Erstanträge gelten sollen (Z 12; § 24 NAG des Entwurfs)

 

Ø      die dem BMI eingeräumte Möglichkeit der Nichtigerklärung von Bescheiden in Ausübung des Aufsichtsrechtes in der vorliegenden, ausgesprochen weiten Fassung in einem (verfassungs)rechtlichen Spannungsverhältnis zu den Vorgaben des AVG wie auch Verfassungsgrundsätzen steht

 

Ø      der Name des Aufenthaltstitels „Opfer“ die nach diesem Titel Aufenthaltsberechtigten stigmatisiert

 

Ø      Personen, denen nach der Novelle ein Aufenthaltsrecht zur Hintanhaltung einer Verletzung des Art 8 EMRK nach § 44 Abs 3 NAG (neu), § 44  Abs. 4 NAG (neu) oder als Opfer nach § 69a NAG (neu) zukommt, keinen Arbeitsmarktzugang haben und ihnen somit die Möglichkeit genommen wird, sich selber zu erhalten

 

Ø      Subsidiär Schutzberechtigten, unabhängig von der Anzahl der Verlängerungen ihrer befristeten Aufenthaltsberechtigung, keine Möglichkeit eröffnet wird, ins Regime des NAG zu wechseln

 

Ø      der gegenständliche Entwurf LangzeitasylwerberInnen keine Möglichkeit eröffnet, einen Antrag nach dem NAG auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wegen sonstiger Verletzung des Art 8 EMRK in der Form zu stellen, dass mit Erteilung des Aufenthaltstitels nach dem NAG das Asylverfahren als eingestellt gilt

 

Ø      auf die besondere Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge, deren Antrag auf internationalen Schutz mangels Vorliegen der Voraussetzungen ohne Schutzgewährung abgewiesen werden musste, und somit auf das Kindeswohl nicht gesondert Rücksicht genommen wird.

 

 

  1. zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs

 

Änderungen des Asylgesetzes 2005

 

ad Z 1 (§10 Abs. 2 Z 2 des AsylG)

 

Die Übernahme des vom VfGH unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR ausgearbeiteten Kriterienkataloges betreffend die Vorgaben des Art. 8 EMRK in den Gesetzestext wird begrüßt.

 

Kritisch ist hingegen anzumerken, dass auf die besondere Situation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge und somit auf das Wohl des Kindes nicht gesondert Rücksicht genommen wird. Die (auch völkerrechtlich) gebotene Rücksichtnahme auf das Kindeswohl wird in der Regel erfordern, dass nach, mit einer Ausweisung verbundener, rechtskräftiger Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nicht wie vom Gesetz vorgesehen – als einziges Mittel der Wahl – mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Minderjährigen/die Minderjährige vorgegangen wird, sondern sorgfältig erwogen wird, welche Vorgangsweise dem Kindeswohl im konkreten Fall am ehesten entspricht.

 

Es wird daher angeregt, § 10 AsylG wie auch die inhaltlich im Zusammenhang stehenden Bestimmungen des AsylG, des FPG sowie des NAG dahingehend zu modifizieren, dass dem Wohl des Kindes jedenfalls entsprochen wird.

 

ad Z 2 (§ 10 Abs. 5 AsylG)

 

Bislang behob der Asylgerichtshof den Spruchpunkt der Unterinstanz betreffend die Ausweisung im Fall der Unzulässigkeit derselben ersatzlos ohne gesondert (als eigenen Spruchpunkt) auszusprechen, dass und für welche Dauer eine Ausweisung des Antragstellers/der Antragstellerin unzulässig ist. Das Unterlassen des ausdrücklichen Ausspruches hinsichtlich der Unzulässigkeit der Ausweisung stellte die Antragsteller insbesondere im Behördenverkehr vor mannigfache Probleme.

 

Nicht nur wegen der auf diesem Weg angestrebten Lückenschließung, sondern auch aus vorgenanntem Grund, wird die ausdrückliche Anordnung gutgeheißen, dass über die Ausweisung jedenfalls (also in Form eines eigenen Spruchpunktes) abzusprechen ist.

 

Der Gesetzeswortlaut des § 10 Abs. 5 AsylG (neu) legt allerdings nahe, dass über die Dauer der Unzulässigkeit der Ausweisung in der Begründung abzusprechen ist (Arg.: „… ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese (…) auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen“ (Hv.d.Autor). Der Terminus „begründet“ verweist im Rahmen einer normalen Wortinterpretation auf die Bescheidbegründung; dem Wortlaut der beabsichtigten Bestimmung nach würde also die Dauer der Unzulässigkeit nicht dem Spruch, sondern der Begründung zu entnehmen sein.

 

Der Verein Projekt Integrationshaus geht allerdings davon aus, dass die Bestimmung missverständlich formuliert wurde und über die Dauer der Unzulässigkeit (an die das Aufenthaltsrecht nach dem NAG anknüpft) im Spruch abgesprochen werden soll.

 

Zur Beseitigung allfälliger Zweifel seitens der zur Vollziehung berufenen Behörden wird daher angeregt, die Bestimmung dahingehend umzuformulieren, dass zweifelsfrei sowohl über die Frage der Zulässigkeit wie auch die Dauer der allfälligen Unzulässigkeit (im Spruch) abzusprechen ist.

 

 

ad Z 3 (§ 22 Abs. 9 AsylG)

 

Wie dargelegt, wird die unter anderem durch diese Bestimmung angestrebte Lückenschließung zwischen dem AsylG und dem NAG in rechtsstaatlicher Hinsicht und im Interesse der Betroffenen begrüßt.

 

Eine Ungleichbehandlung Fremder untereinander (und somit eine Verfassungswidrigkeit) könnte aus dem Umstand resultieren, dass Personen, deren Ausweisung vorübergehend als unzulässig festgestellt wurde, keinen Aufenthaltstitel nach dem NAG erlangen können. Eine Abschiebung dieser Personen ist nicht zulässig (sie „dürfen“ sich also insoweit in Österreich aufhalten), ein Aufenthaltsrecht im eigentlichen Sinn wird ihnen aber vorenthalten. Besonders gravierend wären jene Personen betroffen, in deren Ansehung die Behörden die vorübergehende Unzulässigkeit der Ausweisung (möglicherweise mehrfach) für möglicherweise jeweils mehrjährige Zeit feststellen.

 

Es wird daher angeregt, § 10 Abs. 5 und § 22 Abs. 9 AsylG (neu) dahingehend zu modifizieren, dass auch Fremde, deren Ausweisung für zumindest ein Jahr unzulässig ist, in den Genuss eines Aufenthaltsrechtes kommen.

 

 

Änderungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG)

 

ad Z 2 (§ 21 Abs. 9 FPG)

 

Etwas kryptisch sieht diese Bestimmung die Erteilung eines Visums vor, wenn dies zur medizinischen Weiterbehandlung aus gesundheitlichen Gründen zwingend erforderlich ist und der/die Fremde rechtmäßig eingereist und rechtmäßig aufhältig ist.

 

Tatsächlich stehen Drittstaatsangehörige, welche in Österreich aufhältig sind und hier einer dringenden medizinischen Behandlung bedürfen, mitunter vor dem Dilemma, dass behördliche Entscheidungsträger durchaus gewillt sind, den Aufenthalt für die zwingend durchzuführende medizinische Behandlung zu ermöglichen, das geltende Recht diese Möglichkeit aber grundsätzlich nicht vorsieht.

 

Eine Ausweisung – auch sterbenskranker – PatientInnen, die nicht über ein Aufenthaltsrechtsrecht für das Bundesgebiet verfügen, stellt in aller Regel (nach der Judikatur des EGMR) keine Verletzung des Art. 3 EMRK dar (siehe Urteil des EGMR vom 27.05.2008, N. vs. United Kingdom; in diesem Fall wurde die Abschiebung einer Frau, die Jahrzehnte in Europa ein normales Leben führen hätte können, in ihr Herkunftsland, wo sie binnen Jahresfrist, allenfalls nach höchstens zwei Jahren der – wie der Entscheidung zu entnehmen ist –  sichere Tod erwartet, für zulässig erklärt). Eine Abschiebung in den Tod ist in solchen und ähnlichen Fällen also weder völkerrechtlich noch nach innerstaatlichem Recht unzulässig.

 

Zur Entschärfung dieser Problematik trägt der nun vorgesehene § 21 Abs. 9 FPG (neu) bei. Dieser umfasst allerdings ausschließlich jene Fälle, in denen der/die PatientIn nicht nur rechtmäßig eingereist ist, sondern sich in Österreich auch rechtmäßig aufhält. Nicht erfasst sind somit insbesondere AsylwerberInnen, wenn und soweit ihr Asylantrag rechtskräftig abgelehnt wurde, da es ihnen sodann jedenfalls an der Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthaltes (in vielen Fällen wohl auch an der rechtmäßigen Einreise) mangelt. Anzumerken ist hierzu, dass auch schwerste Krankheiten bei rechtsrichtiger Auslegung der geltenden Gesetze (mangels drohender Verletzung von Art. 3 EMRK in der derzeitigen Auslegung durch den EGMR) grundsätzlich nicht zu einem Aufenthaltsrecht im Asylverfahren führen können. Eine Asylgewährung scheidet in aller Regel mangels Erfüllung des Flüchtlingsbegriffes der GFK aus. Eine Gewährung Subsidiären Schutzes ist bei rechtsrichtiger Auslegung des AsylG grundsätzlich ebenso wenig möglich.

 

Personen, deren Asylantrag in Österreich trotz schwerster lebensbedrohlicher Erkrankung abgewiesen werden musste, sind von dem Schutzbereich des § 21 Abs. 9 FPG (neu) ebenso wenig erfasst wie alle anderen Fremden, denen es an der rechtmäßigen Einreise oder am rechtmäßigen Aufenthalt mangelt. Geradezu kurios würde dieses Ergebnis in jenen Fällen anmuten, in denen eine rechtmäßig eingereiste Person den Antrag auf Grund einer akut erforderlich gewordenen Behandlung (etwa ein künstlicher Tiefschlaf infolge eines Unfallgeschehens,...) nicht rechtszeitig (also während des (noch) rechtmäßigen Aufenthalts) stellen kann und somit aufenthaltsbeendende Maßnahmen der Fremdenpolizei zu gewärtigen hätte.

 

Es wird daher angeregt, mittels entsprechender Modifikation dieser Bestimmung sicherzustellen, dass

 

Ø      PatientInnen unter keinen Umständen in ihren sicheren, auf mangelnde Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland zurückzuführenden Tod (hierzu wird auch eine im Fall der Abschiebung zu erwartende deutliche Verkürzung der Lebenserwartung wie im Fall N. vs. UK gerechnet) geschickt werden können wie auch

 

Ø      dass all jene Personen ein (befristetes) Aufenthaltsrecht bekommen, deren Gesundheitszustand sich infolge des im Fall der Abschiebung gegebenen Behandlungsabbruchs in Zusammenschau mit den mangelnden Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsland lebensbedrohlich verschlechtern würde.

 

 

 

 

ad Z 3 (§ 66 Abs. 2 und 3 FPG)

 

Wie bereits in Ansehung der beabsichtigten Änderung des AsylG festgehalten, wird die Übernahme des vom VfGH unter Bezugnahme auf die Judikatur des EGMR ausgearbeiteten Kriterienkataloges betreffend die Vorgaben des Art. 8 EMRK in den Gesetzestext ebenso begrüßt wie die dahingehende Änderung, dass über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls abgesprochen werden soll.

 

Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hinsichtlich der Bestimmung des § 66 Abs. 3 FPG (neu) auf die Ausführungen zu § 10 Abs. 5 AsylG (neu) verwiesen.

 

Auch in Ansehung des § 66 Abs. 3 FPG (neu) wird daher zur Beseitigung allfälliger Zweifel seitens der zur Vollziehung berufenen Behörden angeregt, die Bestimmung dahingehend umzuformulieren, dass zweifelsfrei sowohl über die Frage der Zulässigkeit wie auch die Dauer der allfälligen Unzulässigkeit (im Spruch) abzusprechen ist.

 

 

ad Z 4 (§ 105 Abs. 7 FPG)

 

Auch in Ansehung dieser Bestimmung wird – wie schon bei der vorgeschlagenen Änderung des AsylG – das Bestreben um Lückenschließung zu den Bestimmungen des NAG begrüßt.

 

 

 

 

 

 

 

Änderungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG)

 

ad Z 4 (§ 3 Abs. 2 NAG)

 

Das Ziel dieser Bestimmung, rechtswidrig erteilte Aufenthaltstitel bzw. Bescheinigungen zu beseitigen, ist ein durchaus nachvollziehbares.

 

Dennoch erblickt der Verein Projekt Integrationshaus in der Möglichkeit der Nichtigerklärung von Bescheiden in jenen Fällen, in denen kein Verschulden des Antragstellers/der Antragstellerin festgestellt wurde, sondern die materielle Unrichtigkeit des Bescheides ausschließlich auf Behördenfehler zurückzuführen ist, ein sachlich nicht gerechtfertigtes Abgehen von den Bestimmungen des AVG zur Abänderung und Behebung von Bescheiden von Amts wegen.

 

Das AVG sieht unter der Überschrift „Abänderung und Behebung von Amts wegen“ verschiedene Fälle der – wie die Überschrift sagt – amtswegigen Bescheidabänderung bzw. – behebung vor. Als Grundtenor lässt sich dieser Bestimmung entnehmen, dass – da immer ein Eingriff in erworbene Rechte vorliegt – mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen ist (siehe hierzu § 68 Abs. 2 und 3 AVG).

 

Nach Ansicht des Vereins Projekt Integrationshaus muss der mit Nichtigkeit iSd § 68 Abs. 4 Z 4 bedrohte Fehler von einem Mindestmaß an Schwere und Erheblichkeit sein, um die Beseitigung erworbener Rechte zu rechtfertigen. Ein Eingriff in die Rechte des/der Betroffenen wird daher umso eher möglich sein, je eher die materielle Unrichtigkeit seiner/ihrer Sphäre zuzurechen ist oder gar von ihm/ihr verschuldet wurde. Nun stellt sich insbesondere – wie dargelegt - in jenen Fällen, in denen die materiell unrichtige Entscheidung ausschließlich auf einen Behördenfehler, der dem/die AntragstellerIn nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, zurückzuführen ist, die Frage, ob eine derart weite Auslegung des (auch) verfassungskonform zu interpretierenden § 68 Abs. 4 Z 4 AVG zulässig ist.

 

Der Verein Projekt Integrationshaus geht davon aus, dass die § 3 Abs. 2 NAG (neu) zu Grunde liegende Auslegung des § 68 Abs. 4 Z 4 AVG den Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen sprengt.

 

Es wird daher angeregt, die Möglichkeit der amtswegigen Nichtigerklärung zur Hintanhaltung einer möglichen Verfassungswidrigkeit und aus Gründen der Rechtssicherheit auf Fälle zu beschränken, in denen Ursache des Fehlers auf ein Verschulden des Antragstellers/der Antragstellerin zurückzuführen ist bzw. zumindest dessen/deren Sphäre zuzurechnen ist.

 

Jedenfalls sollte zudem aus Gründen der Rechtssicherheit eine Frist in das Gesetz aufgenommen werden, mit deren Ablauf der Fehler als geheilt zu betrachten ist.

 

 

ad Z 8 (§ 11 Abs. 3 NAG)

 

Wie schon in Bezug auf die beabsichtigte Änderung des AsylG und des FPG festgehalten, wird auch in Ansehung dieser Bestimmung die Aufnahme des Kriterienkataloges begrüßt.

 

Nach der vorgeschlagenen Fassung dieser Bestimmung bleiben ein Aufenthalts- und Rückkehrverbot sowie eine Aufenthaltsehe und Aufenthaltsadoption als Versagungsgrund jedenfalls beachtlich. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass insbesondere das Vorliegen eines Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbotes eine Verletzung des Art. 8 EMRK im Fall einer Ausweisung des/der Betreffenden nicht ausschließt. Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbote haben ebenso wie Aufenthaltsehen und Aufenthaltsadoptionen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des konkreten Einzelfalles mitberücksichtigt zu werden. Die in Rede stehende Bestimmung steht in einem Spannungsverhältnis zu Art. 8 EMRK.

 

Es wird zur Hintanhaltung von Vollzugsakten, die in einem Spannungsverhältnis zu Art. 8 EMRK stehen oder selbigen verletzen, angeregt, das Vorliegen eines Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbotes wie auch einer Aufenthaltsehe oder Aufenthaltsadoption nicht als absolute Ausschlussgründe zu normieren.

 

ad Z 11 (§ 21 Abs. 3 und 4 NAG)

 

Als einen weiteren Schritt, das Spannungsverhältnis des österreichischen Fremdenrechts zu Art. 8 EMRK abzubauen, wird auch die in § 21 Abs. 3 vorgesehene, erweiterte Möglichkeit der Inlandsantragstellung begrüßt.

 

ad Z 12 (§ 24 Abs. 1 und 2 NAG)

 

Wie schon oben (‚Grundsätzliches zum Entwurf’) angeführt, stellt die vorgeschlagene Neufassung des § 24 NAG eine massive Verschlechterung in gleich mehrfacher Hinsicht gegenüber der geltenden Rechtslage dar.

 

§ 24 NAG (neu) sieht in Abkehr von der geltenden Rechtslage vor, dass verspätet eingebrachte Verlängerungsanträge ohne Toleranzfrist (grundsätzlich) als Erstanträge gelten sollen. Nun sind allerdings die unterschiedlichsten Konstellationen denkbar, die zu einer Fristversäumnis führen können. Viele dieser verspäteten Anträge werden wohl wiedereinsetzungsfähig sein und die Anträge somit als Verlängerungsanträge iSd § 24 Abs. 2 NAG (neu) zu gelten haben. Dennoch wird die Zahl jener Fälle, in denen verspätet gestellte Anträge als Erstanträge einzustufen sind, gegenüber der geltenden Rechtslage steigen.

 

Dies hat unter anderem zur Folge, dass die österreichischen Behörden sich wohl zahlreichen verspäteten Anträgen gegenüber sehen werden, die die Voraussetzungen für die Erstantragstellung nicht erfüllen oder (vorerst) mangels Quotenplatz keinen Aufenthaltstitel bekommen können, bezüglich derer die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen aber insbesondere auf Grund von Art. 8 EMRK nicht möglich sein wird.

 

Es ist daher davon auszugehen, dass diese Neufassung einen nicht unbeträchtlichen Mehraufwand provozieren wird, da viele Verfahren mit einiger Wahrscheinlichkeit ‚umsonst’ geführt werden. Kann dem als Erstantrag geltenden Verlängerungsantrag nicht stattgegeben werden, so werden die Betroffenen auf die Verfahren nach § 43 Abs. 2 oder § 44 Abs. 3 iVm § 44b NAG (neu) ausweichen, da eine Ausweisung wohl in der großen Mehrzahl der Fälle – wie bereits angesprochen – eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würde. Ausnahmsweise werden die Betroffenen wohl auch die Erlangung eines Aufenthaltsrechtes nach § 44 Abs. 4 NAG (neu) anstreben.

 

§ 24 NAG (neu) hat also im Ergebnis zur Folge, dass die große Mehrzahl der fristversäumenden AntragstellerInnen ihr Aufenthaltsrecht nur unter einem enormen (nicht zuletzt auch finanziellen) Mehraufwand – auch der Republik Österreich – bekommen werden.

 

Es wird daher angeregt, im Interesse der AntragstellerInnen wie auch zur Vermeidung eines frustrierten Mehraufwandes

 

Ø      die geltende Version des § 24 NAG (alt) unverändert beizubehalten bzw. optimaler Weise

 

Ø      auf die Rechtslage vor der Novelle 2005 zurückzugreifen, sodass, wenn und soweit der/die AntragstellerIn durchgehend in Österreich aufhältig war, der (wenn auch verspätet eingebrachte) Verlängerungsantrag fristenunabhängig als Verlängerungsantrag und nicht als Erstantrag zu gelten hat.

 

 

ad Z 13 und Z 14 (§ 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 3 NAG)

 

Ausdrücklich gutgeheißen wird die beabsichtigte Einführung eines Aufenthaltstitels zur Hintanhaltung von Verletzungen des aus Art. 8 EMRK erfließenden Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens. In rechtsstaatlicher Hinsicht begrüßenswert ist nach Ansicht des Vereins Projekt Integrationshaus auch die nunmehr in Umsetzung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes für die Betroffenen vorgesehene Möglichkeit der Antragstellung.

 

Auf die obigen Ausführungen (siehe bei Z 8, § 11 Abs. 3 NAG) zu den absoluten Versagungsgründen (Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbot und Aufenthaltsehe sowie Aufenthaltsadoption) wird verwiesen.

 

 

ad Z 14 (§ 44 Abs. 4 NAG)

 

a. Begrüßt wird die grundsätzliche Intention dieser Bestimmung, auch Fälle jenseits des Art. 8 EMRK – wohl aus humanitären Gründen – zu berücksichtigen.

 

b. Verfassungsrechtliche/ Rechtsstaatliche Bedenken

 

Dennoch wirft diese Bestimmung in verfassungsrechtlicher, insbesondere rechtsstaatlicher Hinsicht Fragen auf. In dem Prüfungsbeschluss zur Zl. B 375/07 führt der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus:

 

„2.4. Der Gerichtshof hegt vorläufig auch Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip:

            § 73 Abs. 2 iVm Abs. 1 NAG stellt unter dem Aspekt humanitärer Gründe wesentlich auf individuelle bzw. persönliche Interessen der Rechtsschutzsuchenden ab, sieht aber gleichzeitig nicht die Möglichkeit vor, dass der einzelne Rechtsschutzsuchende diese Interessen als seine Rechte unabhängig vom Tätigwerden der Behörde von Amts wegen geltend machen kann. Nach der vorläufigen Ansicht des Verfassungsgerichtshofes ist es jedoch unzulässig, in diesen Fällen lediglich ein Tätigwerden der Behörden von Amts wegen vorzusehen und keine Antragstellung des – in seinen Rechten betroffenen – Einzelnen zuzulassen.“

 

Zwar handelt es sich bei diesen Ausführungen, in denen zwischen einer Rechtsverletzung im Zusammenhang mit Art. 8 iVm 13 EMRK und den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatprinzip – unabhängig von einer möglichen Verletzung von Art. 8 EMRK – unterschieden wird, ‚lediglich’ um den verfahrenseinleitenden Prüfungsbeschluss, doch zeigt dieser deutlich auf, dass die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus – letztlich – humanitären Gründen lediglich von Amts wegen in einem Spannungsverhältnis zum Rechtsstaatlichkeitsprinzip stehen kann. In dem verfahrensabschließenden Erkenntnis trennt der Gerichtshof leider nicht mehr mit gleicher Schärfe wie im Prüfungsbeschluss zwischen diesen beiden Ebenen; die deutlichen Worte im Prüfungsbeschluss lassen aber jedenfalls Bedenken an der Verfassungskonformität des vorgeschlagenen § 44 Abs. 4 NAG (neu) aufkommen.

 

Es wird daher angeregt, den Betroffenen ein Antragsrecht einzuräumen wie auch die Möglichkeit vorzusehen, die Entscheidung über die Erteilung des Aufenthaltstitels in einem rechtsstaatlichen Verfahren überprüfen zu lassen.

 

c. Stichtag sollte 1. Mai 2004 sein

 

Hinsichtlich des Stichtages sei festgehalten, dass bis zur Beschlussfassung hinsichtlich der gegenständlichen Novelle seit dem 1. Jänner 2003 jedenfalls mehr als sechs Jahre verstrichen sein werden. Da die gegenständliche Bestimmung nicht auf eine Verletzung des Art. 8 EMRK abstellt, sind die vom Verfassungsgerichtshof in seinen Entscheidungen ausgearbeiteten Grundlinien für ein ‚Bleiberecht’ nicht von Kernrelevanz. Dennoch sei angemerkt, dass der Verfassungsgerichtshof bei Vorliegen eines über fünfjährigen Aufenthalts tendenziell von einem schützenswerten Privatleben iSd Art. 8 EMRK ausgeht. Eine Ausweisung und daran anschließende Abschiebung verletzt den Betroffenen/die Betroffene daher in seinen/ihren aus Art. 8 EMRK erfließenden Rechten, so nicht im Einzelfall gewichtige, gegen eine Verletzung sprechende Sachverhaltselemente vorliegen.

 

Auch die Pattform Bleiberecht, der auch der Verein Projekt Integrationshaus angehört, fordert seit längerem ein Bleiberecht für jene Personen, die unverschuldet, in der Regel auf Grund von Behördenuntätigkeit, seit mehr als 5 Jahren in Österreich aufhältig sind.

 

Es wird daher angeregt, als Stichtag den 1. Mai 2004 heranzuziehen, wodurch ein angemessener und – wie auch in den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung gefordert – fünfjähriger Aufenthalt sichergestellt ist.

 

 

 

d. Beirat – Patenschaft

 

Die vorgeschlagene Fassung des § 44 Abs. 4 NAG (neu) setzt für die Erteilung eines Aufenthaltstitels eine positive Empfehlung eines einzurichtenden Beirats voraus. Als Voraussetzung für die Empfehlung des Beirates ist eine ‚taugliche Patenschaft’ vorgesehen (§ 1 Abs. 5 des Bundesgesetzes über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses).

 

Nach Ansicht des Vereins Projekt Integrationshaus ist die Erteilung eines Aufenthalttitels aus – letztlich – humanitären Gründen schon wesensmäßig getrennt von finanziellen Erwägungen der Republik zu betrachten. Dass das Vorliegen einer Patenschaft als conditio sine qua non normiert werden soll, untergräbt den Charakter der Bestimmung als Auffangstatbestand für besondere (humanitäre) Ausnahmefälle.

 

Es wird daher angeregt, die Voraussetzung des Vorliegens einer Patenschaftserklärung entfallen zu lassen.

 

 

ad Z 15 (§ 44b NAG)

 

a. § 44b Abs. 2 schließt mit den Worten „§ 25 Abs. 2 gilt sinngemäß“. § 25 Abs. 2 NAG (alt und neu) sieht unter anderem vor, dass, so eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft erwachsen ist, das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen ist.

 

Hieraus könnte nun die Rechtsauffassung abgeleitet werden, dass Verfahren auf Grund von Anträgen nach § 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 3 NAG (neu) dann formlos einzustellen sind, wenn und soweit eine Ausweisung nach den Vorläuferbestimmungen des AsylG 2005 und FPG 2005 erlassen wurde.

 

Im Widerspruch zu einer solchen (wohl auch verfassungswidrigen Auslegung) stehen freilich die Ratio wie auch der Wortlaut der § 44b NAG (neu) iVm § 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 3 NAG (neu) und schließlich auch die Erläuternden Bemerkungen (EB), denen zu Folge die Bezugnahme in § 44b Abs. 2 NAG (neu) klarstellen soll, „dass nur Ausweisungsentscheidungen nach diesen Bundesgesetzen und nicht solche nach früheren asyl- oder fremdenrechtlichen Bestimmungen zur Zurückweisung nach Abs. 1 (Anm. des § 44b NAG (neu) führen können. Weiter wird ausgeführt: „Damit wird ein zeitliches Naheverhältnis zwischen der getroffenen Ausweisungsentscheidung und der nach Abs. 1 Z 1 vorgesehen Zurückweisung hergestellt.“

 

Die Zurückweisungsmöglichkeit nach § 44b NAG (neu) verfolgt also wohl im Sinne der Verfahrensökonomie die Absicht, Verfahren nicht weitschweifig neu aufrollen zu müssen, wenn die Ausweisung zeitnahe zum Antrag nach § 43 Abs. 2 oder § 44 Abs. 3 NAG (neu) ausgesprochen wurde und kein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens hervorgekommen ist (siehe § 44b Abs. 1 Z 2 NAG (neu)).

 

Eine formlose Einstellung des Verfahrens in jenen Fällen, in denen die Ausweisung eben nicht zeitnah ausgesprochen wurde, würde daher dem Sinn der Bestimmung selbst, welcher auch in den EB dargelegt ist, aber auch dem Wortlaut des § 44b Abs. 2 NAG (neu), demzufolge die Behörde die Sicherheitsdirektion von der Antragstellung zu verständigen und um Stellungnahme zu ersuchen hat, absolut zuwiderlaufen. Die Verständigung der Sicherheitsdirektion wie auch das Ersuchen um Stellungnahme und schließlich die ebenso in § 44b Abs. 2 NAG (neu) vorgesehene Hemmung des Fristenlaufs nach § 73 Abs. 1 AVG wären im Fall der formlosen Verfahrenseinstellung in Ansehung von Altfällen völlig sinnentleert.

 

Dennoch wird zur Vermeindung von Unklarheiten und Missverständnissen angeregt, § 44b Abs. 2 derart zu modifizieren, dass eine formlose Verfahrenseinstellung im Falle der Antragstellung nach § 43 Abs. 2 oder § 44 Abs. 3 NAG (neu) nicht möglich ist.

 

b. Zudem sollte auch in Ansehung von Fällen, in denen eine Ausweisung nach den Vorläuferbestimmungen des AsylG 2005 sowie des FPG 2005 erlassen wurde (‚Altfälle’), klargestellt werden, dass Anträge nach §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 3 NAG (neu) zulässig sind, so – wie es § 44b Abs. 1 Z 2 NAG (neu) für ‚neue’ Fälle vorsieht – „im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens (…) ein maßgeblich geänderter Sachverhalt“ hervorgekommen ist.

 

ad Z 17 (§ 69a NAG)

 

Begrüßt wird die beabsichtigte Schaffung eines Aufenthaltstitels für Opfer.

 

Hingewiesen wird allerdings auf den Umstand, dass die Bezeichnung des Titels („Opfer“) stigmatisierend wirkt.

 

Es wird daher angeregt, eine unbestimmtere Bezeichnung vorzusehen oder bei Ausstellung des Titels lediglich auf den Paragraphen ohne ausdrückliche Bezeichnung des Titels als „Opfer“ Bezug zu nehmen.

 

 

Wien, am 8.1.2008