BUNDESMINISTERIUM

FÜR

EUROPÄISCHE UND INTERNATIONALE

ANGELEGENHEITEN

 

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E-MAIL

 

GZ:

BMeiA-AT.8.15.02/0006-I.2/2009

Datum:

9. Jänner 2009

Seiten:

4

An:

Kopie:

BMI - begutachtung@bmi.gv.at und bmi-III-1@bmi.gv.at

begutachtungsverfahren@parlament.gv.at

Von:

Bot. H. Tichy

SB:

Ges. Kumin, Ges. Heindl, MR Griessler, Ges. Pacher, OR Lux, AD Mauritz, Mag. Russek

DW:

3397

 

 

BETREFF:   Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird; Ressortstellungnahme des BMeiA

 

Zu do. GZ BMI-LR1310/0015-III/1/c/2008

vom 10. Dezember 2008

 

 

Das Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten nimmt zum oz. Gesetzesentwurf wie folgt Stellung und schlägt die nachfolgenden Änderungen vor:

 

 

I. Zu Art. 1 (Änderung des Asylgesetzes 2005)

 

Zusätzlicher Punkt (§ 10 Abs. 2 AsylG):

 

Dem in der Stellungnahme des UNHCR enthaltenen Vorschlag zur Erweiterung von § 10 Abs. 2 AsylG zum Schutz unbegleiteter Minderjähriger wird zugestimmt. Das BMeiA schlägt daher vor, dem § 10 Abs. 2 AsylG folgende neue Z 3 anzufügen:

 

„3. diese im Fall von unbegleiteten Minderjährigen dem Wohl des Kindes nicht ausreichend Rechnung tragen würde.“

 

 

II. Zu Art. 2 (Änderung des Fremdenpolizeigesetzes 2005):

 

Zu Z 2 (§ 21 FPG):

 

Der Entwurf des BMI sieht folgenden neuen § 21 Abs. 9 FPG vor:

 

„(9) Fremden kann, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts, ein Visum erteilt werden, wenn dies zur medizinischen Weiterbehandlung aus gesundheitlichen Gründen zwingend erforderlich ist.“

 

Das BMeiA regt an, diese Möglichkeit der Visumserteilung im Inland noch etwas zu erweitern: bei geltender Rechtslage werden Visa für unbedingt notwendige Aufenthalte nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums in aller Regel von österreichischen Vertretungsbehörden in Nachbarstaaten erteilt, die dabei zumeist unter Zeitdruck und mit nur eingeschränkter Prüfungsmöglichkeit agieren müssen. Die vom BMeiA angestrebte Regelung würde eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung für die Behörden und einen verbesserten Zugang für die Antragssteller bringen.

 

Es wird daher folgende Änderung vorgeschlagen:

 

„(9) Fremden kann, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts, ein Visum erteilt werden, wenn wegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses ein längerer Aufenthalt notwendig ist. Im Fall höherer Gewalt, die eine rechtzeitige Antragstellung unmöglich macht, kann das Visum auch nach Ablauf der Gültigkeit des vorangegangenen Visums erteilt werden, sofern der Antrag binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses eingebracht wird.

 

Für die Materialien wird dazu folgender Text vorgeschlagen: „Die bisher im Vollzug aufgetretenen Fälle von nicht vermeidbaren über die Visumgültigkeit hinausgehenden Aufenthalten nach Visumerteilung durch die österreichischen Vertretungsbehörden werden durch eine sehr eingeschränkt mögliche Visumerteilung im Inland gelöst. Der neue Abs. 9 schafft die Möglichkeit zur Erteilung von Visa an Fremde im Inland, wenn diese nachweisen können, dass durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ein längerer Aufenthalt notwendig ist und im Falle höherer Gewalt auch nach Ende des rechtmäßigen Aufenthalts.“

 

Zusätzlicher Punkt (§ 24 FPG):

 

§ 24 Abs. 1 FPG lautet derzeit:

 

㤠24. (1) Die Aufnahme

 

1.         einer bloß vorübergehenden selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 16);

2.         einer bloß vorübergehenden unselbständigen Tätigkeit (§ 2 Abs. 4 Z 17) oder

3.         einer Tätigkeit, zu deren Ausübung eine Beschäftigungsbewilligung nach § 5 AuslBG Voraussetzung ist,

 

im Bundesgebiet ist nur nach Erteilung eines Aufenthalts-Reisevisums möglich. In diesem Fall ist dem Fremden unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 1 und im Fall der Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bei Vorliegen einer Sicherungsbescheinigung nach § 11 AuslBG ein Aufenthalts-Reisevisum bis zu sechsmonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

 

Aufgrund der derzeitigen Rechtslage müssen sog. Saisonniers zwangsläufig Visa der Kategorie D+C erteilt werden. Diese werden im Einklang mit der aktuellen Interpretation des Schengen-Besitzstands von den Nachbarstaaten Österreichs nur innerhalb der ersten 90 Tage der Gültigkeit als Schengenvisa angesehen. Nach Ablauf dieser Frist können Saisonniers das Bundesgebiet am Landweg nur mit Visa der österreichischen Nachbarstaaten verlassen. Durch eine Trennung von D-Visa und C-Visa im Text der Vorschrift könnte dieses Problem gelöst werden. Im Übrigen soll das Visum D+C im Zuge der Neukodifikation des Visa-Besitzstands ohnedies abgeschafft werden.

 

Das BMeiA schlägt daher folgende Änderung des § 24 Abs. 1 FPG vor:

 

„... im Bundesgebiet ist nur nach rechtmäßiger Einreise möglich. In diesem Fall ist dem Fremden unter Berücksichtigung des § 21 Abs. 1 und im Fall der Anwendbarkeit des Ausländerbeschäftigungsgesetzes bei Vorliegen einer Sicherungsbescheinigung mit bis zu dreimonatiger Gültigkeitsdauer nach § 11 AuslBG ein Reisevisum und bei einer Gültigkeitsdauer zwischen drei und sechs Monaten ein Aufenthaltsvisum zu erteilen.“

 

 

III. Zu Art. 3 (Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes):

 

Zu Z 8 (§ 11 Abs. 3 NAG), Z 9 (§ 19 Abs. 8 bis 10 NAG), Z 13 (§ 43 Abs. 2 NAG) und Z 14 (§ 44 Abs. 3 NAG):

 

Die Einräumung der Antragsmöglichkeit zur Erlangung eines Aufenthaltstitels im Sinne von Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) sowie die Festlegung von Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch nach Art. 8 EMRK vorliegt, entspricht der Judikatur des VfGH (die sich auch auf die Judikatur des EGMR stützt) und wird vom BMeiA begrüßt.

 

Zu Z 10 (§ 20 NAG sowie § 10 NAG):

 

Gemäß § 20 Abs. 4 erlischt ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EG“ (§ 45) oder „Daueraufenthalt Familienangehöriger“ (§ 48) nach 12 bzw. längstens 24 Monaten Aufenthalt außerhalb des EWR. Dies stellt für Drittstaats-Familienangehörige von ins Ausland entsandten Bundesbediensteten und Mitarbeitern der Wirtschaftskammer Österreich, die den Ehepartner bzw. die Eltern begleiten, einen gravierenden Nachteil dar.

 

Das BMeiA schlägt daher folgenden neuen Abs. 5 des § 20 NAG vor:

 

„(5) Abweichend von Abs. 4 erlischt ein Aufenthaltstitel nach Abs. 3 nicht, wenn sich sein Inhaber als ein zum Haushalt gehörendes Familienmitglied eines in einem Dienstverhältnis zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes stehenden österreichischen Staatsbürgers, der seinen Dienstort im Ausland hat (Auslandsbeamter), im Ausland aufhält.“

 

Diese Formulierung stützt sich auf § 26 Abs. 3 Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idgF, Art. 37 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl. Nr. 66/1966, und Art. 46 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969.

 

Eine analoge Bestimmung wäre auch in § 10 NAG hinsichtlich des § 10 Abs. 3 Z 4 NAG aufzunehmen.

 

Zu Z 17 (§ 69a NAG):

 

Art. 14 Abs. 1 lit a) des Übereinkommens des Europarats zur Bekämpfung des Menschenhandels, BGBl. III Nr. 10/2008, enthält folgende Verpflichtung:

 

„(1) Jede Vertragspartei erteilt dem Opfer einen verlängerbaren Aufenthaltstitel, wenn mindestens einer der beiden folgenden Fälle vorliegt:

 

a) Die zuständige Behörde ist der Auffassung, dass der Aufenthalt des Opfers aufgrund seiner persönlichen Situation erforderlich ist;“

 

Dieser völkerrechtlichen Verpflichtung wird im vorgeschlagenen neuen § 69a NAG nicht entsprochen, da dessen Abs. 1 Z 2 eine Aufenthaltsbewilligung für Opfer von Menschenhandels nur „zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen“ vorsieht.

 

Das BMeiA regt daher die Aufnahme folgender neuer Ziffer in § 69a Abs. 1 NAG, z.B. nach der Z 2, an:

 

„wenn der Aufenthalt eines Opfers von Menschenhandel aufgrund seiner persönlichen Situation erforderlich ist“.

 

 

Zusätzlicher Punkt (europarechtliche Fragen; widersprüchliche Definitionen):

 

Das BMeiA würde es begrüßen, wenn aus Anlass dieses Novellierungsvorhabens auch diejenigen Anpassungen am NAG vorgenommen werden könnten, die sich aus jüngsten Entscheidungen des EuGH (insbesondere Rs. C-551/07 vom 19. Dezember 2008) im Hinblick auf das Aufenthaltsrecht für drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern ergeben.

 

Außerdem sollte die Novelle zum Anlass genommen werden, die widersprüchlichen Definitionen von „Zusammenführender“ in § 2 Z 10 NAG und § 47 Abs. 1 NAG sowie von „EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen“ in § 51 und von „freizügigkeitsberechtigten EWR-Bürgern“ in § 52 zu bereinigen.

 

 

IV. Zu Art. 4 (Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses)

 

Der Umstand, dass die Einrichtung des in diesem Gesetz vorgesehenen Beirates und somit auch die Durchführung von Verfahren gemäß § 44 Abs. 4 NAG in der Fassung der Novelle fakultativ sind, kann zu Ungleichheiten von Bundesland zu Bundesland führen. Eine möglicherweise große Anzahl von Beschwerden beim VfGH bzw. EGMR wegen Verletzung von Art. 7 B-VG bzw. Art. 14 EMRK (Verbot der Benachteiligung) könnte die Folge sein.

 

Das BMeiA regt daher an, § 1 Abs. 1 des Gesetzes wie folgt zu formulieren:

 

§ 1. (1) Der Landeshauptmann als Behörde gemäß § 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, hat mit Verordnung einen Beirat zur Beratung in Fällen besonderen Interesses einzurichten.

 

§ 2 des Gesetzes regelt nicht,

 

- unter welchen Umständen eine Patenschaft zurückgenommen werden kann,

 

- was die Rechtsfolgen der Rücknahme einer Patenschaft für den/die Begünstigte/n sind und

 

- ab wann und unter welchen Umständen der/die Begünstigte eine unbeschränkte Niederlassungsbewilligung erlangen kann.

 

Dies sollte aber aus Sicht des BMeiA geregelt werden, um für ausreichende Rechtssicherheit zu sorgen und künftige Beschwerden beim EGMR und anderen internationalen Menschenrechtsorganen möglichst hintanzuhalten.

 

 

V. Abschließende Bemerkungen:

 

Der komplizierte Aufbau, die widersprechenden Bestimmungen sowie die umfangreichen Querverweise des Fremdenrechtspakets erschweren gesetzeskonforme Entscheidungen. Daher wird angeregt, die Kompatibilität der verschiedenen fremdenrechtlichen Gesetze eingehend zu überprüfen und die bestehenden Widersprüche ehestmöglich zu bereinigen. In diesem Zusammenhang werden auch die anstehenden staatsbürgerschaftsrechtlichen Probleme legistisch neu zu regeln sein; das BMeiA behält sich diesbezüglich die Abgabe einer gesonderten Stellungnahme vor.

 

 

 

Für den Bundesminister:

H. Tichy