Amt der Steiermärkischen Landesregierung

 

 

Fachabteilung 7C

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è Innere Angelegenheiten, Staatsbürgerschaft und Aufenthaltswesen

                                                                   

Aufenthaltswesen

Bearbeiter: Dr.Harald Hanik
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GZ:

FA1F-14.00-23/2005-2

Bezug:

BMI.-LR1310/0015-III/1/c/2008

Graz, am 19. Jänner 2009

 

Ggst.:

Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005,
das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über
einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird;
Stellungnahme des Landes Steiermark

 


 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Zu dem mit do. Schreiben vom 10. September 2008, obige Zahl, übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005 und das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz geändert werden und ein Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses erlassen wird, wird seitens des Bundeslandes Steiermark folgende Stellungnahme abgegeben:

 

Allgemeines:

Wie in den erläuternden Bemerkungen ausgeführt, beinhaltet der Gesetzesentwurf die verpflichtende Umsetzung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Juni 2008 betreffend die Regelung des humanitären Aufenthaltsrechts. Positiv bewertet wird seitens des Bundeslandes Steiermark die Tatsache, dass nunmehr gesetzlich definierte Kriterien, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes entnommen werden konnten, in die entsprechenden Gesetze aufgenommen werden und bereits in asylrechtlichen und fremdenpolizeirechtlichen Ausweisungsverfahren Berücksichtigung finden sollen. Positiv bewertet wird weiters die Tatsache, dass im Rahmen der Gesetzesinitiative auch in anderen Bereichen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, vor allem in verfahrensrechtlicher Hinsicht, notwendige Änderungen vorgenommen werden sollen.

Kritisch steht das Bundesland Steiermark dem Vorschlag gegenüber, dass nunmehr sämtliche Verfahren mit einem humanitären Hintergrund in den Ämtern der Landesregierungen konzentriert werden sollen, da dies nicht nur zu einer intensiven Mehrbelastung der zuständigen Abteilungen führt, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht, vor allem im Hinblick auf die Doppelfunktion der Bezirksverwaltungsbehörden als Aufenthalts- und Fremdenpolizeibehörde, nicht nachvollziehbar erscheint.

 

Zu den Kosten:

Den erläuternden Bemerkungen zum Gesetzesentwurf ist zu entnehmen, dass Mehr- oder Minder­belastungen für Bund, Länder oder sonstige Gebietskörperschaften nicht zu erwarten sind. Dies kann in dieser Form seitens des Bundeslandes Steiermark nicht akzeptiert werden, da im Falle einer Beschlussfassung des Gesetzesentwurfes jedenfalls ein Mehraufwand auf die Ämter der Landesregie­rungen zukommen wird. Die Verwaltung des Landes Steiermark umfasst neben der Landeshauptstadt Graz 16 Bezirkshauptmannschaften und 2 Politische Exposituren, erfahrungsgemäß ist das Bundes­land Steiermark intensiv mit der Abwicklung humanitärer aufenthaltsrechtlicher Verfahren befasst. Der vorliegende Gesetzesentwurf würde jedenfalls einen personellen Mehrbedarf im Bereich des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung nach sich ziehen, der auch nicht durch die beabsichtigte Entlastung der Bezirkshauptmannschaften kompensiert werden kann. Gleiches gilt für die Folge­wirkungen des vorliegenden Entwurfes eines Bundesgesetzes über einen Beirat des Landeshaupt­mannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses.

Durch den vorgelegten Gesetzesentwurf entstehen Mehrkosten, die in den Erläuterungen nicht beziffert werden. Daher wird der gegenständliche Entwurf als nicht im Sinne der Vereinbarung über einen Konsultations­mechanismus übermittelt angesehen. Das Land Steiermark behält sich daher vor, die zusätzlichen Kosten vom Bund einzufordern.

 

Zu den einzelnen Bestimmungen:

Zu § 10 Abs. 2 Z. 2 Asylgesetz und § 66 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz
Entsprechend dem vorliegenden Gesetzesentwurf soll sowohl im asylrechtlichen als auch im Rahmen des fremdenpolizeilichen Ausweisungsverfahrens eine Überprüfung im Hinblick auf die Verletzung von Art. 8 EMRK anhand der aufgezählten Kriterien stattfinden. Grundsätzlich wird dieses konzen­trierte Prüfungsverfahren durch Asyl- und Fremdenpolizeibehörden anhand gesetzlich klar definierter Kriterien, welche den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes entsprechen, als positiv bewertet, wobei jedoch auf eine behutsame Ausübung dieser Vollzugsaufgaben jedenfalls Bedacht zu nehmen sein wird. Die Kriterien sind von unterschiedlicher Gewichtung, vor allem die Bewertung der Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens sowie der Grad der Integration sollten bei einer Überprüfung einer eventuell zulässigen Ausweisung eine entsprechende Würdigung erfahren.

 

Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz

Zu § 3 Abs.1:

Wie bereits ausgeführt, ist die beabsichtigte Einschränkung der Verordnungsermächtigung des Landeshauptmannes an die Bezirksverwaltungsbehörden nach Ansicht des Bundeslandes Steiermark nicht erforderlich, zumal die beabsichtigte Neuregelung ausreichend erscheint, einen einheitlichen Vollzug zu gewährleisten. Vor allem bei Vorliegen von fremdenpolizeilichen Entscheidungen wäre eine Beibehaltung der Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörden in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht sinnvoll.

 

Zu § 11 Abs.1 Z. 3:  

Die beabsichtigte Anpassung bzw. Neuformulierung des zwingenden Versagungsgrundes erscheint jedenfalls erforderlich. Die Praxis der letzten Jahre hat gezeigt, dass in einigen Fällen, in denen sämtliche materiellen Erteilungsvoraussetzungen gegeben waren, auf Grund der bisherigen Bestimmung eine negative Entscheidung ergehen musste, die in ihren Auswirkungen nicht als angebracht erschien.

 

Zu §§ 19, 20 und 21: 

Auch diese verfahrensrechtlichen Änderungen werden seitens des Bundeslandes Steiermark als positiv bewertet, da die bisherige Regelung betreffend die Heilung von Verfahrensmängeln mit einem nicht angemessenen Verfahrensaufwand verbunden ist, der letztlich auch für die Parteien lange Verfahrens­dauern nach sich zieht. Ebenso wird die beabsichtigte Neuregelung betreffend die Zulässigkeit der Inlandsantragstellung, wie sie nunmehr im § 21 Abs.3 vorgesehen ist, befürwortet.

 

Zu § 24:

Die Neuregelung bei Fristversäumnissen mit dem beabsichtigten Wiedereinsetzungsverfahren scheint entbehrlich, da sich die bisherige Regelung, gemäß welcher Anträge bis zu einer sechsmonatigen Verspätung als Verlängerungsanträge zu gelten haben, bewährt hat. Die beabsichtigte Fassung lässt nicht nur einen verstärkten Verfahrensaufwand für die Behörden erwarten, sondern auch Unannehmlichkeiten für die Parteien.

 

Zu den §§ 43 und 44:

Gegen die diesbezüglichen Bestimmungen im Hinblick auf die Erteilung von Niederlassungs­bewilligungen beschränkt bzw. unbeschränkt bestehen seitens des Bundeslandes Steiermark grundsätzlich keine Einwände.

 

Zu § 44a und § 44b:

Diese Verfahrensbestimmungen spiegeln die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 27. Juni 2008 wider. Die Prüfung eventuell vorliegender Sachverhalte gemäß Art.8 EMRK durch die Asyl- und Fremdenpolizeibehörden wird seitens des Bundeslandes Steiermark im Hinblick auf Verfahrenskonzentration und Verfahrensbeschleunigung befürwortet, wobei lediglich die Bestimmung des § 44b Abs. 1 Z. 2 im Hinblick auf die Formulierung des „maßgeblich“ geänderten Sachverhaltes Fragen aufwirft. Abgesehen von der Frage, wann von einem „maßgeblich geänderten Sachverhalt“ auszugehen ist, lässt der vorliegende Gesetzesentwurf weiters die Frage offen, wie bei einer entsprechenden Würdigung des Sachverhaltes durch die Aufenthaltsbehörde in weiterer Folge vorzugehen ist. Ebenso differenziert der vorliegende Gesetzesentwurf zwischen Ausweisungen, welche auf Dauer für unzulässig erklärt wurden, und offensichtlich vorübergehend unzulässigen Ausweisungen, was wiederum Rechtsunsicherheiten sowohl für die Aufenthaltsbehörden als auch für die betroffenen Personen nach sich ziehen dürfte.

 

Der beabsichtigten Bestimmung des § 44 b Abs. 3 ist zu entnehmen, dass Anträge gemäß § 43 Abs. 2 und § 44 Abs. 3 kein Aufenthalts- oder Bleiberecht nach diesem Bundesgesetz begründen. Diese Regelung ist in aufenthaltsrechtlicher Hinsicht zwar nachvollziehbar, bedeutet jedoch, dass trotz anhängiger Prüfungsverfahren fremdenpolizeiliche Maßnahmen durchgesetzt werden können. Diesbezüglich wäre eine entsprechende Bestimmung im Fremdenpolizeigesetz wünschenswert, gemäß welcher die Umsetzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen für die Dauer eines gemäß § 44b anhängigen Verfahrens ausgesetzt wird.

 

Zu § 75:

Entbehrlich erscheint die Regelung des § 75 Z. 2, gemäß der die beabsichtigte Erteilung einer Niederlassungsbewilligung beschränkt gemäß § 44 Abs. 4 vorweg dem Bundesminister für Inneres mitzuteilen ist, zumal die Erteilung sonstiger Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen erst nach Erteilung unter Darstellung der maßgeblichen Gründe zur Kenntnis zu bringen ist. Eine derartige Differenzierung zwischen jenen Fällen, in denen die Asyl- und Fremdenpolizeibehörden eine Ausweisung für unzulässig erachtet haben, und jenen Fällen, in denen eine positive Empfehlung des Beirates des Landeshauptmannes vorliegt, ist nicht nachvollziehbar.

 

Zu § 81:

Im Hinblick auf die Übergangsbestimmungen in Abs. 11 erscheint eine Abwicklung bereits anhängi­ger Verfahren nach den derzeitigen Bestimmungen als sinnvoller, da eine Vielzahl dieser Verfahren bereits seit geraumer Zeit anhängig ist und ein Inkrafttreten der beabsichtigten Regelung definitiv zu weiteren Verzögerungen für die betroffenen Personen führen würde. Diesbezüglich ergeht seitens des Bundeslandes Steiermark das Ersuchen, die bereits anhängigen Verfahren, mit Ausnahme jener, die in den Anwendungsbereich des § 44 Abs. 4 fallen (folglich jene Personen betreffen, die nachweislich seit dem 1.Jänner 2003 in Österreich sind), nicht dem neuen Regelungsregime zu unterwerfen.

Die Bestimmung des § 81 Abs. 13, auf welche in den erläuternden Bemerkungen Bezug genommen wird, ist dem Gesetzestext nicht zu entnehmen.

 

Zum Bundesgesetz über einen Beirat des Landeshauptmannes zur Beratung in Fällen besonderen Interesses:

Ein entsprechendes Gesetz wird seitens des Bundeslandes Steiermark grundsätzlich befürwortet, da es der Forderung einer verstärkten Entscheidungskompetenz des Landeshauptmannes unter Einbindung von Vertretern der Gemeinde bei humanitären Entscheidungen Rechnung trägt. Allerdings sollte es nicht dem Landeshauptmann überlassen bleiben, einen Beirat einzurichten (keine „Kann-Bestimmung“). Eine solche Wahlmöglichkeit des Landeshauptmannes wird aus Gründen einer österreichweit einheitlichen Vollziehung des Niederlassungs- und Aufenthaltsrechts abgelehnt. Länderweise unterschiedliche Vorgangsweisen bei beschränkten Niederlassungsbewilligungen würden von der Bevölkerung nicht akzeptiert werden und wohl zu Umgehungsversuchen führen.

Strikt abgelehnt wird die beabsichtigte Einführung der in § 2 vorgesehenen Patenschaft, da diese nach Ansicht des Bundeslandes Steiermark jedenfalls als unsachliches Kriterium betrachtet wird. Abgesehen von der Tatsache, dass man Antragsteller zu Bittstellern degradiert, die auf die Gunst von privaten Personen oder Vereinen angewiesen sind, stellt sich dieses Kriterium wahrscheinlich in vielen Fällen als unüberbrückbare Hürde heraus, da eine Patenschaft für größere Familien in der vorgesehen Form kaum übernommen werden wird.

Darüber hinaus erscheint die beabsichtigte Einführung dieser Patenschaft der grundsätzlichen Intention des Gesetzesvorschlages zuwiderzulaufen, da bei Vorliegen entsprechender Kriterien gemäß dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27.Juni 2008 ein entsprechendes Aufenthaltsrecht gewährt werden muss und dieses nicht von Garantieerklärungen privater Personen abhängig gemacht werden sollte.

 

Sollte trotz der Bedenken an der vorgesehen Patenschaft festgehalten werden, ergeht seitens des Bundesland Steiermark die Anregung, eine Bestimmung aufzunehmen, gemäß der eine Patenschaft nicht erforderlich ist bzw. hinfällig wird, sobald die Selbsterhaltungsfähigkeit der betroffenen Dritt­staatsangehörigkeiten nachgewiesen werden kann.

 

 

Dem Präsidium des Nationalrates werden unter einem 25 Abdrucke dieser Stellungnahme zugeleitet. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail Adresse begutachtungsverfahren@parlament.gv.at.

 

 

Für die Steiermärkische Landesregierung

Der Landesamtsdirektor

 

 

(Dr. Gerhard Ofner)