Dr. Margarete Aulehla
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An das
Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst
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Ministerialentwurf betreffend ein Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird und ein Bundesgesetz zur Durchführung des Fakultativprotokolls vom 18. Dezember 2002 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (OPCAT-Durchführungsgesetz) erlassen wird

 

 

                                  Stellungnahme

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1. Österreich wird aller Voraussicht nach mehrere Nationale Monitoring-Mechanismen haben müssen, um seinen gesamten Jurisdiktionsbereich mit Visiten abdecken und dadurch das OPCAT umsetzen zu können.

Artikel 2 und 17 OPCAT sind grundlegend für das Verständnis des Aufbaus, den die Organisation/en haben sollen, die das OPCAT- Monitoring auf nationaler Ebene durchführen. So ergibt sich aufgrund von Art.3, dass das "Gremium, das (..) Besuche durchführt",  die kleinste OPCAT-Monitoring-Einheit darstellt ("visiting body", "organe de visite")..

Jeder Vertragsstaat hat zumindest ein solches Gremium zu "bilden, bestimmen, unterhalten". Es können aber auch mehr Gremien sein. Wenn das OPCAT in der weiteren Folge seines Textes von "nationalem Präventionsmechanismus" spricht, so meint er die Gesamtheit der Gremien, die vom Vertragsstaat mindestens/jedenfalls zu bilden sind - also eines oder mehrere. Art. 3 enthält keine "Legaldefinition" eines Nationalen Präventionsmechanismus, sondern es handelt sich um eine Art "Arbeitsausdruck".

Gemäß Art. 17 OPCAT hat jeder Vertragsstaat zumindest "einen oder mehrere unabhängige Nationale Präventionsmechanismen" zu schaffen (bestehend aus mindestens einem visiterenden "Gremium")..

Weiters wird festgelegt, dass "durch dezentralisierte Einheiten geschaffene Mechanismen für die Zwecke dieses Protokolls als nationale Präventionsmechanismen bezeichnet werden, wenn sie den Bestimmungen des Protokolls entsprechen."

Das heißt, dass eine spezielle Wortbedeutung von "Nationaler Präventionsmechanismus" als Arbeitsbegriff für das OPCAT existiert, die sich vom herkömmlichen Sprachverständnis unterscheidet.
In das vorliegende OPCAT-Umsetzungsverfahren scheint die falsche Auffassung Eingang gefunden zu haben,  dass die vorliegenden Entwürfe geeignet sind, die "Volksanwaltschaft (mit ihren Kommissionen)" als   d e n "Nationalen Präventionsmechnismus" für Österreich zu installieren.

Das ist nämlich nicht der Fall.

 

Österreich ist ein Bundesstaat mit einer Aufteilung der Vollzugskompetenzen je nach Materie in Bundes- und Ländesvollziehung.

Das OPCAT legt in seinem Artikel 4 fest, dass ein Vertragsstaat in seinem  gesamten Jurisdiktionsbereich OPCAT-Visiten zulassen muss

Die Volksanwaltschaft soll aber  gemäß dem vorgeschlagenen Art. 148a Abs. 3 nur "im Bereich der Verwaltung des Bundes einschließlich dessen Tätigkeit als Träger von Privatrechten" zu Visitationen berechtigt sein.

Alle Orte im Sinne des Art. 4 OPCAT, die in die Vollziehung der Länder fallen, können von der Volksanwaltschaft nur dann visitiert werden, wenn die betreffenden Länder zustimmen.

 

So fallen in die Vollziehung der Länder: gemäß Art. 12 Abs. 1 Zi 1 B-VG " "Armenwesen; Bevölkerungspolitik, soweit sie nicht unter Art. 10 fällt; Volkspflegestätten, Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge; Heil- und Pflegeanstalten; vom gesundheitlichen Standpunkt aus an Kurorte sowie Kuranstalten und Kureinrichtungen zu stellende Anforderungen; natürliche Heilvorkommen;" sowie gemäß Art. 14 Abs. 3 b) die "äußere Organisation (Aufbau, Organisationsformen, Errichtung, Erhaltung, Auflassung, Sprengel, Klassenschülerzahlen und Unterrichtszeit) der öffentlichen Pflichtschulen.

 

Deshalb muss mit jedenfalls bis zu neun zur "Volksanwaltschaft (mit ihren Kommissionen)" hinzutretenden "Nationalen Präventionsmechanismen" gerechnet werden, die etabliert werden müssen, damit die Bedingungen für die OPCAT-Umsetzung erfüllt sind.

Sollten sich nun eines bis zu neun Bundesländern dafür entscheiden, eigene "Nationale Präventionsmechanismen" nach OPCAT einzurichten, so bedeutet das notgedrungen auch Überschneidungen betreffend die zu visitierenden Orte.

 

Wenn in einer Krankenanstalt sowohl PatientInnen liegen, die ohne ihren Willen untergebracht sind als auch solche, die sich in freiwillige Heilbehandlung begeben haben, - wer wird dann visitieren? Wenn ein Krankentransport bundesländerübergreifend ist - sind dann die "Nationalen Monitoringmechanismen" mehrerer Bundesländer für deren Visitation zuständig? Wer trägt die Kosten?

Das föderalistische System Österreichs stellt daher eine Herausforderung dar bzw. macht es komplizierter, das OPCAT umzusetzen. Ohne das Erzielen von Ausgleich und Kompromissen wird das nicht möglich sein.

Das Diskussionspapier von Matt Pollard, Legal Adviser, APT
für das Seminar “The Optional Protocol to the UN Convention against Torture: Implementation in Federal States and Decentralized States”
Sao Paulo, Brazil (22-24 June 2005) beschäftigt sich mit der Problematik (im Internet nur als PDF abrufbar).
2. Bedenken gegen die Volksanwaltschaft (mit ihren Kommissionen) als einzigem Nationalem Monitoringmechanismus auf Bundesebene

Die geplante Umkonstruktion, verbunden mit einer Demontage des Menschenrechtsbeirats und seiner Konstellation mit den Kommissionen erscheint mit unnötig und kontraproduktiv. Es wurde in den Vorbereitungen zur OPCAT-Umsetzung mehrfach die Besorgnis geäußert, dass die Aufgaben, die hier bisher erfüllt wurden, durch die geplante Neuorganisation, leiden könnten und es spricht auch einiges dafür, dass es so sein wird.

 

Man gewinnt leider den Eindruck, dass hier Sparmaßnahmen ergriffen werden sollen unter dem Deckmantel der OPCAT-Umsetzung.. Denn die Finanzierung der zusätzlich notwendigen Visiten v.a. in Pflegeheimen und auf Psychiatrien scheint keineswegs geklärt und gesichert.

 

Was spricht dagegen, die bestehenden Strukturen um Menschenrechtsbeirat, Kommissionen und Volksanwaltschaft so zu belassen, wie sie sind, und einen oder mehrere zusätzliche Nationale Monitoring-Mechanismen einzurichten, die sich speziell mit Pflegeheimen und Psychiatrien beschäftigen und gleichzeitig von der Zusammenarbeit mit Volksanwaltschaft und Menschenrechtsbeirat/Kommissionen profitieren?

 

Für ein wirkliches hilfreiches Monitoring von Psychiatrien und Pflegeheimen ist die vorgeschlagene Struktur leider nicht hoffnungsversprechend. Wie will man an die 2000 Pflegeheime, Krankenhäuser, Psychiatrien regelmäßig visitieren? Hierfür fehlt noch ein ganzes System.

 

Laut Prof. Manfred Nowak ist es erfahrungsgemäß für ein präventivwirksames Monitoring notwendig, jede Einrichtung alle zwei bis drei Monate zu besuchen. Hier könnte eine Kombination von Berichten von Betroffenen, die ein laufendes Monitoring im Zuge von Besuchen bei Freunden und Verwandten in Anstalten sowieso jetzt schon – wenn auch unsystematisch – durchführen,  mit darauf aufbauenden, gezielten, selektiven Visitationen, eine Lösung darstellen.

Der vorliegende Ministerialentwurf scheint noch unausgegoren, und es wird ein fortgesetzter und transparenter Diskussionsprozess nötig sein, um das OPCAT vor allem auch im Bereich der oben genannten Orte effektiv umzusetzen.


Dr. Margarete Aulehla


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Übersetzung
Fakultativprotokoll
zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame,
unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe
http://www.admin.ch/ch/d/ff/2007/287.pdf
Art. 3
Jeder Vertragsstaat bildet, bestimmt oder unterhält auf innerstaatlicher Ebene ein oder mehrere Gremien, die zur Verhütung von Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe Besuche durchführen (im Folgenden als «nationaler Präventionsmechanismus» bezeichnet).
Art. 17
Jeder Vertragsstaat unterhält, bezeichnet oder schafft spätestens ein Jahr nach Inkrafttreten dieses Protokolls oder nach seiner Ratifikation oder dem Beitritt zu ihm einen oder mehrere unabhängige nationale Präventionsmechanismen zur Verhütung von Folter auf innerstaatlicher Ebene. Durch dezentralisierte Einheiten geschaffene Mechanismen können für die Zwecke dieses Protokolls als nationale Präventionsmechanismen
bezeichnet werden, wenn sie den Bestimmungen des Protokolls entsprechen.

Optional Protocol to the Convention against Torture and other Cruel, Inhuman or Degrading Treatment or Punishment
http://www2.ohchr.org/english/law/cat-one.htm
Article 3
Each State Party shall set up, designate or maintain at the domestic level one or several visiting bodies for the prevention of torture and other cruel, inhuman or degrading treatment or punishment (hereinafter referred to as the national preventive mechanism).
Article 17
Each State Party shall maintain, designate or establish, at the latest one year after the entry into force of the present Protocol or of its ratification or accession, one or several independent national preventive mechanisms for the prevention of torture at the domestic level. Mechanisms established by decentralized units may be designated as national preventive mechanisms for the purposes of the present Protocol if they are in conformity with its provisions.
Protocole facultatif se rapportant à la Convention
contre la torture et autres peines ou traitements cruels,
inhumains ou dégradants
http://www.apt.ch/index.php?option=com_docman&task=cat_view&gid=43&Itemid=256&lang=en
Article 3
Chaque État Partie met en place, désigne ou administre, à l’échelon national,
un ou plusieurs organes de visite chargés de prévenir la torture et autres peines ou traitements cruels, inhumains ou dégradants (ci-après dénommés mécanisme national de prévention).
Article 17
Chaque État Partie administre, désigne ou met en place au plus tard un an
après l’entrée en vigueur ou la ratification du présent Protocole, ou son adhésion audit Protocole, un ou plusieurs mécanismes nationaux de prévention indépendants en vue de prévenir la torture à l’échelon national. Les mécanismes mis en place par des entités décentralisées pourront être désignés comme mécanismes nationaux de prévention aux fins du présent Protocole, s’ils sont conformes à ses dispositions.
Art. 33 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge 1969, das Österreich 1979 ratifiziert hat, bestimmt:
(1) Ist ein Vertrag in zwei oder mehr Sprachen als authentisch festgelegt worden, so ist der Text in jeder Sprache in gleicher Weise massgebend, sofern nicht der Vertrag vorsieht oder die Vertragsparteien vereinbaren, dass bei Abweichungen ein bestimmter Text vorgehen soll.
(2) Eine Vertragsfassung in einer anderen Sprache als einer der Sprachen, deren Text als authentisch festgelegt wurde, gilt nur dann als authentischer Wortlaut, wenn der Vertrag dies vorsieht oder die Vertragsparteien dies vereinbaren. (3) Es wird vermutet, dass die Ausdrücke des Vertrags in jedem authentischen Text dieselbe Bedeutung haben.
Vienna Convention on the Law of Treaties 1969
http://untreaty.un.org/ilc/texts/instruments/english/conventions/1_1_1969.pdf
Deutsche Übersetzung:
http://www.admin.ch/ch/d/sr/i1/0.111.de.pdf


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Diese Stellungnahme wurde auch dem Präsidium des Nationalrates zu übermittelt