907/AB XXV. GP

Eingelangt am 08.05.2014
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BM für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

Anfragebeantwortung

 

 

Präsidentin des Nationalrates

Mag. Barbara PRAMMER

Parlament

1017 Wien

 

 

                                                                                            Wien, am 7. Mai 2014

 

                                                                                            Geschäftszahl:

                                                                          BMWFW-10.101/0132-IM/a/2014

 

 

In Beantwortung der schriftlichen parlamentarischen Anfrage Nr. 1150/J         betreffend „Bedrohungsszenarien für Pipelines in der Ukraine“, welche die       Abgeordneten Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen am           26. März 2014 an mich richteten, stelle ich einleitend fest:

 

Da sich die Anfrage sowohl auf Öl- als auch auf Erdgaspipelines bezieht, darf zunächst festgehalten werden, dass kein russisches Rohöl über die Druschba-Pipeline via die Ukraine nach Österreich importiert wird. Sämtliche Importe von Rohöl, unabhängig davon, ob dieses Rohöl aus der Russischen Föderation oder aus einem anderen Lieferland stammt, erfolgen vom Hafen Triest aus via die Transalpine Ölleitung und die Adria-Wien-Pipeline. Von allfälligen Unter-brechungen von Erdölpipelines, die durch die Ukraine führen, wären öster-reichische Erdölimporte daher nicht betroffen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass OMV und Gazprom am 29.4.2014 ein Memorandum of Understanding über den Bau des österreichischen Abschnitts der South Stream-Pipeline unterzeichnet haben. Dieses Projekt würde durch eine weitere Diversifizierung der Lieferrouten Österreichs hohe Versorgungssicherheit zusätzlich stärken und die Funktion als europäische Energiedrehscheibe ausbauen.

 

Die erfolgreiche Bewältigung von Versorgungsstörungen in der Vergangenheit und die Ergebnisse regelmäßiger Krisenübungen beweisen, dass Österreich mit der Kombination von Pflichtbevorratung, Bezugsdiversifikation und Krisenübungen für potentielle Versorgungsstörungen bestens gerüstet ist.

 

 

Antwort zu Punkt 1 der Anfrage:

 

Öl:

Durch verbrauchsorientierte Haltung von Pflichtnotstandsreserven im Form von Rohöl und Mineralölprodukten für mindestens 90 Tage ist Österreich für        potentielle Versorgungsstörungen am Erdölsektor gerüstet. Österreich ist als Mitglied der Internationalen Energieagentur und der Europäischen Union verpflichtet, Mindestreserven an Erdöl und Mineralölprodukten zu halten. Der Umfang dieser Notstandsreserven muss mindestens 25 % der Vorjahresimporte betragen. Importeure werden in Österreich gemäß den Bestimmungen des Erdölbevorratungsgesetzes zur Haltung dieser Notstandsreserven verpflichtet. Aktuell haben die österreichischen Notstandsreserven eine Höhe von 105 Verbrauchstagen und gehen somit deutlich über die verpflichtend zu haltenden 90 Tage hinaus.

 

Neben der Pflichtbevorratung werden Möglichkeiten zur Bezugsdiversifikation   genützt. Österreich importierte 2013 aus 16 Ländern Rohöl und aus 24 Ländern Mineralölprodukte. Die Bezugsquellen werden laufend den jeweiligen Markt-situationen angepasst.

 

Die Raffinerie Schwechat ist als eine der modernsten Raffinerien Europas in der Lage, alle derzeit am Markt befindlichen Rohölsorten zu verarbeiten.

 

Erdgas:

Die Liefereinschränkungen von Erdgas im Jahr 2009 haben gezeigt, dass die österreichische Gaswirtschaft auch bei einem Ausfall der größten Importleitung die Versorgung der Gaskunden auch zu hohen Verbrauchszeiten sicherstellen kann. Basis für die Zusammenarbeit der verschiedenen Marktakteure im Krisen-fall sind das Energielenkungsgesetz und die Energielenkungsdaten-Verordnung, die regelmäßig den Marktentwicklungen und dem geltenden Rechtsrahmen für die österreichische Gaswirtschaft angepasst wurden.

 

Zudem ist 2010 als Folge der Gaskrise von 2009 auf europäischer Ebene die Verordnung (EU) Nr. 994/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasver-sorgung und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/67/EG des Rates (SoS-VO) erlassen worden, die die Zuständigkeiten für die Versorgungssicherheit in den Mitgliedstaaten, die Erstellung eines Präventions- und Notfallplans, die Ver-pflichtung zur Einhaltung eines „Infrastrukturstandards“, die Schaffung von Umkehrflüssen in der europäischen Infrastruktur und Überprüfung der Versorgung von Gaslieferanten geschützter Kunden - Einhaltung eines Ver-     sorgungsstandards - sowie die Verbesserung des Informationsaustauschs auf EU-Ebene als Eckpfeiler hat.

 

Gemäß Art. 9 der SoS-VO war bis 3. Dezember 2011 eine Risikobewertung durchzuführen; diese ist erstmals bis 3. Juni 2014 und danach alle zwei Jahre vor dem 30. September des betreffenden Jahres zu aktualisieren.

 

Diese Risikobewertung wurde 2011 erstellt und wird derzeit aktualisiert. Eines der untersuchten Risikoelemente war der Ausfall von Gaslieferungen über die Slowakei und den Entry-Punkt Baumgarten nach Österreich, also von Gas-     lieferungen aus der Russischen Föderation über die Ukraine. Mögliche Ursachen dafür können sein

 

-          politische Unstimmigkeiten zwischen dem Liefer- und dem Transitland,

-          technisches Versagen einer ausländischen Infrastruktur,

-          ein Terroranschlag auf eine ausländische Infrastruktureinrichtung, oder

-          der Ausfall einer ausländischen Infrastruktur durch eine Umweltkatastrophe (Hochwasser, Erdbeben, etc.).

 

Maßnahmen zur Bewältigung einer solchen Situation sind die Aufbringung der erforderlichen Gasmengen zur Deckung des Inlandsverbrauches mit den        technisch möglichen Speicherentnahmekapazitäten und durch erhöhten, marktba-sierten Gasbezug aus Deutschland über Oberkappel.

 

Diese Situation - zwei Wochen andauernde, vollständige Unterbrechung der Gas-lieferungen über Baumgarten nach Österreich aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine - ist im Jänner 2009 auf-getreten und konnte durch verstärkte Entnahme von Gas aus den Speichern und erhöhten Bezug über Oberkappel kompensiert werden. Die Versorgung von Gas-verbrauchern in Österreich war während dieses Zeitraums zu keinem Zeitpunkt eingeschränkt. Die Lage hat sich seit 2009 insofern noch verbessert, als in der Zwischenzeit zusätzliche Speicher ausgebaut wurden, sodass derzeit in        Öster-reich ein Gasspeichervolumen von insgesamt 8,1 Mrd. m³ bei einem Jahresver-brauch von 8,05 Mrd. m³ (vorläufige Zahl für 2013) zur Verfügung steht.

 

Die Kennzahl "Infrastrukturstandard" zeigt für Österreich, dass auch beim Ausfall der größten Infrastruktur, der Gaspipeline durch die Slowakei, Gasmengen über andere Gasleitungen und durch Entnahme aus den Speichern ersetzt werden können. Der Infrastrukturstandard hat dabei einen Wert von 233 %. Damit stehen bei einem Ausfall der wichtigsten Infrastruktur ausreichend Möglichkeiten zur Verfügung, diese Angebotsquelle zu ersetzen. Auch die Analysen der Vereinigung europäischer Netzbetreiber, ENTSOG, im Rahmen des 10-Jahres-Netzentwicklungplans haben ergeben, dass die Gasversorgung in Österreich bei einem Ausfall der Lieferungen über die Ukraine nicht beeinträchtigt würde. Zudem hat die detaillierte Erhebung des Versorgungsstandards im Oktober 2013 durch die E-Control als zuständige Behörde gezeigt, dass die Versorger geschützter Kunden auf Ausnahmesituationen vorbereitet sind.

 

Allgemein ist schließlich festzuhalten, dass Störungen der Energieversorgung primär mit marktkonformen Maßnahmen abgewendet werden. Nur wenn dies nicht mehr möglich ist, sieht das Energielenkungsgesetz staatliches Eingreifen vor. Entwürfe für die dann, also im "Krisenfall" im Sinne des Energielenkungs-gesetzes, zu erlassenden Energielenkungsverordnungen für Erdgas, Elektrizität und für feste und flüssige Energieträger (ua. Öl) liegen auf. Diese Entwürfe enthalten alle wesentlichen Elemente und können daher im Krisenfall der jeweiligen Krisensituation angepasst werden, sodass eine rasche Reaktion auf allfällige    Versorgungsstörungen gewährleistet ist.

 

 

Antwort zu den Punkten 2 und 3 der Anfrage:

 

Ja.

Der Schutz der Infrastrukturen (Objektschutz) liegt in der Verantwortung der jeweiligen Energieunternehmen, die entsprechende interne Vorkehrungen treffen und Übungen abhalten. Auch die gesetzlich vorgesehene staatliche Krisen-      bewältigung wird regelmäßig geprobt.

 

Öl:

Szenarien, welche den Ausfall von Ölpipelines zum Inhalt haben, werden sowohl auf internationaler Ebene in der Gruppe für Notstandsfragen der Internationalen Energieagentur (IEA) und der Öl-Koordinationsgruppe der Europäischen       Kom-mission, als auch auf nationaler Ebene durch mein Ressort, regelmäßig geprobt.

 

International fand zuletzt im Februar 2014 unter dem Titel Emergency Response Exercise 7, eine Krisenübung der IEA in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission und allen Mitgliedstaaten statt. Als Krisenszenario wurde angenommen, dass ein Erdbeben den Druschbastrang nach Europa und gleich-zeitig ein Wirbelsturm die Ölinfrastruktur im südchinesischen Meer zerstört habe.

 

Dies hat zum Ergebnis geführt, dass durch eine kollektive Aktion der IEA-Mitglieder und der EU-Mitgliedstaaten sowie Einzelmaßnahmen der beteiligten Staaten, wie etwa Abbau von Pflichtnotstandsreservelagern und Verbrauchsein-schränkungen, die Versorgung der Märkte aufrecht erhalten werden konnte. Österreich war in diesem Szenario nicht auf zusätzliche Öllieferungen aus anderen Staaten angewiesen, sondern konnte im Gegenteil selbst durch Zurver-fügungstellung von Rohöl und Ölprodukten unterstützend tätig werden.

 

National wurde zuletzt im September 2013 von meinem Ressort in Zusammen-arbeit mit der OMV und der Erdöl-Lagergesellschaft mbH eine Krisenübung durchgeführt. Als konkretes Krisenszenario wurde ein Totalausfall der TAL/SIOT (Società italiana per l’Oleodetto Transalpino S.P.A.) unmittelbar nach dem Tanklager Triest aufgrund von starken Unwettern angenommen, wobei das Tanklager Triest selbst nicht betroffen war. Es wurde jedoch angenommen, dass kein Öl mehr über die TAL Pipeline von Italien nach Deutschland oder Österreich verpumpt werden kann.

 

Die Übung hat zu dem Ergebnis geführt, dass durch Abbau von Pflichtnotstands-reservelagern und moderate Maßnahmen zur Verbrauchseinschränkung trotz Totalausfall der Erdölimporte die Versorgung Österreichs mit Mineralölprodukten sichergestellt werden konnte.

 

Erdgas:

Gemäß § 15 der Erdgas-Energielenkungsdaten-Verordnung können von der
E-Control Übungen unter Annahme von Krisenszenarien angeordnet werden. Die E-Control hat 2008, 2009, 2010 und 2012 gasspezifische Übungen durchgeführt.

 

-          3.11.2008: Übung zwischen OMV, E-Control und Austrian Gas Grid     Manage-ment AG (AGGM - Regelzonenführer). Ziel der Übung: Überprüfen der im Krisenhandbuch definierten Abläufe. Krisenszenario: Ausfall der Anlieferung von Erdgas über Baumgarten, Energielenkungsszenario.

-          1.12.2009: Übung zwischen E-Control, AGGM und Gas-Großabnehmern (AGRANA Zucker GmbH, EVN AG, Linz Strom GmbH, Wienstrom GmbH, voestalpine Stahl GmbH). Ziel der Übung: Überprüfen der im Krisenhandbuch definierten Abläufe. Krisenszenario: Minderanlieferung über Baumgarten und Ausfall von Gasspeichern in Österreich.

-          1.12.2010 und 14.2.2011: Übung zwischen E-Control, AGGM und Wien Energie. Ziel der Übung: Zusammenhänge und Abläufe im Notfall-      management. Verschiedene Krisenszenarien für die Versorgung der Stadt Wien.

-          26.-27.1.2012: Übung zwischen E-Control, Amt der Salzburger Landes-regierung, Salzburg AG, Salzburg Netz GmbH, APG (Regelzonenführer Strom), AGGM (Regelzonenführer Gas). Ziel der Übung: Energieträger-übergreifende Übung Strom und Gas.

 

Die Erkenntnisse der Übungen dienten der Verbesserung der Kommunikation von beteiligten Behörden und Unternehmen im Krisenfall.


Zur Übung Ende Jänner 2012 in Salzburg ist zu bemerken, dass diese gemeinsam für die Bereiche Strom und Gas durchgeführt wurde.

 

Übungsannahme waren gravierende Einschränkungen der Importgaslieferungen bei gleichzeitig extremen Wetterbedingungen, was in der Übungsannahme zu schwerwiegenden Problemen in der Stromversorgung führte. In der Übung wurde simuliert, welche Maßnahmen ergriffen werden können und wie die einzelnen Akteure auf Bundes- und Landesebene zusammenwirken müssen, um die Versorgungsstörung zu bewältigen.

 

Die Übung, in die auch Überlegungen hinsichtlich Fernwärme, Wasser und Telekommunikation einbezogen wurden, hat gezeigt, dass die Krisen-       mechanismen des Energielenkungsgesetzes geeignet sind, eine Störung im Gas- und Elektrizitätsbereich zu bewältigen. Gleichwohl ist es unerlässlich, das Bewusstsein der im Ernstfall tätig werdenden Akteure laufend zu schärfen und die konkret erforderlichen Handlungsabläufe regelmäßig zu trainieren.

 

Neben Übungen wie den erwähnten finden verschiedene Aktivitäten, wie etwa Arbeitsgruppen zur Cyber-Sicherheit (Bundeskanzleramt, Bundesministerium für Inneres) oder zu Kritischen Infrastrukturen (Bundeskanzleramt), die Initiative "Plötzlich Blackout" (zivilgesellschaftliche Initiative mit Unterstützung Bundes-ministerium für Inneres, Stadt Wien), oder das Projekt "Blackouts in Österreich" zur Analyse der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen von großflächigen Ausfällen im österreichischen Stromnetz, statt, an denen sich mein Ressort aktiv beteiligt.