728 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXV. GP

 

Bericht

des Justizausschusses

über die Regierungsvorlage (689 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Suchtmittelgesetz, die Strafprozessordnung 1975, das Aktiengesetz, das Gesetz vom 6. März 1906 über Gesellschaften mit beschränkter Haftung, das Gesetz über das Statut der Europäischen Gesellschaft, das Genossenschaftsgesetz, das ORF-Gesetz, das Privatstiftungsgesetz, das Versicherungsaufsichtsgesetz 2016, und das Spaltungsgesetz geändert werden (Strafrechtsänderungsgesetz 2015),

den Antrag 1110/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Georg Vetter, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch, das Aktiengesetz und das Gesetz über Gesellschaften mit beschränkter Haftung geändert werden,

den Antrag 969/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen betreffend "Erhöhung des Straftatbestandes der Tierquälerei"

die Petition betreffend „Vergewaltigung verurteilen. Ein Nein muss genügen. Strafrecht in Österreich verbessern“, überreicht von der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm (42/PET),

die Bürgerinitiative 53/BI betreffend „Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz“

sowie

über die Bürgerinitiative 63/BI betreffend „Mehr Rechte für Tiere“

1. Im Februar 2013 hat die damalige Justizministerin Univ. Prof. Dr. Beatrix Karl eine Arbeitsgruppe mit dem Ziel eingesetzt, einen Bericht darüber vorzulegen, welche Änderungen im StGB für erforderlich erachtet werden, damit das Strafgesetzbuch – ein im Jahr 1975 epochales Werk – seine Eigenschaft als verständliche und möglichst breit akzeptierte Kodifikation dessen, was in einer demokratischen Gesellschaft mit den schärfsten Sanktionen bedroht sein soll, in vollem Umfang behält oder wiedererlangt. Der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ wurde folgender Auftrag erteilt:

„Die Strafdrohungen des gerichtlichen Strafrechts spiegeln Werthaltungen der Allgemeinheit wider, die einer Veränderung unterliegen, auf die nicht punktuell nach Art einer Anlassgesetzgebung reagiert werden soll.

Das bestehende System gestufter Strafsätze gerät auch dadurch unter Druck, dass im Rahmen von Rechtsakten der Europäischen Union Mindeststrafdrohungen harmonisiert werden, die nicht nur eine Anhebung der Strafdrohungen nach sich ziehen, sondern mitunter auch nur schwer in das System des österreichischen Strafrechts einzuordnen sind.

Die Differenzierung zwischen den Strafrahmen im Bereich der Delikte gegen Leib und Leben und den Vermögensdelikten mit ihren von Wertgrenzen abhängigen Strafsätzen wird seit Jahren kritisch betrachtet. Auf diese Kritik hat der Gesetzgeber mit diversen Maßnahmen, wie z.B. der Einführung von Untergrenzen im Bereich der Delikte gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung sowie bei Gewaltdelikten gegen Unmündige reagiert, eine systematische Aufarbeitung jedoch bislang noch nicht vorgenommen. Auf der anderen Seite ist auch zu hinterfragen, ob das System der Wertgrenzen und deren Abstufung noch mit der realen Entwicklung übereinstimmen.

Seit Inkrafttreten des StGB 1975 hat sich auch das Verständnis von den Strafzwecken verändert, einzelne Entwicklungen, wie z.B. die neuen Tatbestände der beharrlichen Verfolgung und der fortgesetzten Gewaltausübung machen die Orientierung anhand opferbezogener Faktoren deutlich. So ist etwa auch die Entwicklung im Rahmen des Einbruchsdiebstahls zu sehen, weil hier mitunter kritisiert wird, dass das Gewicht der Verletzung der Privat- und Intimsphäre keinen Widerhall in einer Differenzierung der anzuwendenden Strafrahmen findet.

Diese Überlegungen sollen auch unmittelbare Konsequenzen auf das Jugendstrafrecht und das Verbandsverantwortlichkeitsgesetz mit einbeziehen.“

Das Vorhaben „StGB 2015“ fand auch Eingang in das Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018 und wurde unter Bundesminister Univ. Prof. Dr. Wolfgang Brandstetter fortgesetzt.

Nach der konstituierenden Eröffnungssitzung der Arbeitsgruppe am 27. Februar 2013 traf sich diese zu insgesamt 14 weiteren Sitzungen. Letztlich wurden die Sitzungen der Arbeitsgruppe am 4. Juli 2014 abgeschlossen. Resultierend aus den erzielten Ergebnissen und Vorschlägen wurde ein Bericht (Bericht der Arbeitsgruppe „StGB 2015“) verfasst, der gemäß der Entschließung des Nationalrates vom 29. April 2014, 17 E/XXV. GP (Bericht des Bundesministers für Justiz über die Fortschritte der Reformgruppe zum Strafgesetzbuch) Ende September dem Parlament übermittelt wurde (Bericht III 104 d.B. XXV. GP) und Gegenstand der Diskussion in der 4. Sitzung des Justizausschusses am 14.Oktober 2014 war.

Die im Bericht enthaltenen Empfehlungen der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ bilden die Grundlage für den vorliegenden Entwurf. Sie beinhalten zahlreiche Vorschläge zur Strafenrelation im Sinne einer Senkung der Strafdrohungen im Bereich der Vermögensdelikte und einer Anhebung der Strafdrohungen für die qualifizierte Körperverletzung. Darüber hinaus wird eine Neugestaltung der Fahrlässigkeitsdelikte, insbesondere die Schaffung eines eigenen Tatbestandes „grob fahrlässige Tötung“ empfohlen. Dem technischen Fortschritt wird vor allem durch die Empfehlungen im Cybercrime-Bereich und dem Vorschlag eines neuen Tatbestandes des Ausspähens von Daten eines unbaren Zahlungsmittels Rechnung getragen. Den sozialen Medien kommt in der heutigen Zeit eine große Bedeutung zu, weshalb die Arbeitsgruppe es für erforderlich hielt, dem unerwünschten neuen gesellschaftlichen Phänomen „Cybermobbing“ mit einer eigenen Strafbestimmung im StGB entgegenzuwirken. Schließlich wird auch eine Vereinheitlichung und Vereinfachung hinsichtlich der Strafdrohungen von Bestimmungen, welche eine Geldstrafe alternativ zu einer Freiheitsstrafe vorsehen, angesprochen, die mit der vorgeschlagenen Aufnahme einer alternativ angedrohten Geldstrafe in allen Delikten mit einer Strafdrohung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe erreicht werden soll.

Die vorgeschlagene Neuregelung der Gewerbsmäßigkeit (nunmehr „Erwerbsmäßige Begehung“ – siehe die Erläuterungen zu Artikel 1 Z 16, 37, 38, 74, 81, 83, 87, 88, 95 bis 97, 99, 109, 113, 115, 116, 122, 145, 152, 163, 178, 181, 206 und 207 (§§ 70, 96 Abs. 1 und 2, 130, 138 Z 4, 145 Abs. 2 Z 1, 148, 148a Abs. 2, 153d Abs. 3, 153e Abs. 1, 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 und 2, 164 Abs. 4, 165 Abs. 1, 168a Abs. 1 Z 3, 177b Abs. 3, 184, 207a Abs. 2, 217 Abs. 1, 241a Abs. 2, 241e Abs. 2, 305 Abs. 4 Z 3 und 306 Abs. 3 StGB) – wird auch in zahlreichen Nebengesetzen Änderungen erfordern; diese sollen einem gesondertem Entwurf vorbehalten bleiben, um die Ergebnisse des gegenständlichen Gesetzgebungsverfahrens berücksichtigen zu können.

2. Darüber hinaus dienen die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich der vermögensrechtlichen Anordnungen der Umsetzung der Richtlinie 2014/42/EU über die Sicherstellung und Einziehung von Erträgen aus Straftaten in der EU ABl. Nr. L 127 vom 29.04.2014 S. 39, in der Fassung der Berichtigung ABl. Nr. L 138 vom 13.05.2014 S. 114 (im Folgenden: „RL Einziehung“), jene im Bereich der Geldfälschung der Umsetzung der Richtlinie 2014/62/EU zum strafrechtlichen Schutz des Euro und anderer Währungen gegen Geldfälschung und zur Ersetzung des Rahmenbeschlusses 2000/383/JI des Rates, ABl. Nr. L 151 vom 21.05.2014 S. 1 (im Folgenden: „RL Eurofälschung“). Mit den im Bericht der Arbeitsgruppe „StGB 2015“ vorgeschlagenen Änderungen soll auch die Richtlinie 2013/40/EU über Angriffe auf Informationssysteme und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2005/222/JI des Rates ABl. Nr. L 218 vom 14.08.2013 S. 8 (im Folgenden: „RL Cybercrime“) umgesetzt werden.

3. Im Bereich Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt sollen weitere Schritte gesetzt werden. Damit soll zum einen der wiederholten Bezugnahme auf dieses Thema im Regierungsprogramm für die laufende Legislaturperiode (so etwa im Justizteil auf S 85) Rechnung getragen werden. Insbesondere sollen damit auch Vorhaben des Nationalen Aktionsplans zum Schutz von Frauen vor Gewalt 2014 – 2016 umgesetzt werden, der von der interministeriellen Arbeitsgruppe „Schutz von Frauen vor Gewalt“ ausgearbeitet und am 26. August 2014 von der österreichischen Bundesregierung beschlossen wurde. Nicht zuletzt dienen die in diesem Bereich vorgeschlagenen Maßnahmen auch zur weiteren Umsetzung des von Österreich am 14. November 2013 ratifizierten und am 1. August 2014 in Kraft getretenen Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, BGBl III Nr. 164/2014.

4. Sozialbetrug verursacht jährlich Schäden in Millionenhöhe, führt zu Wettbewerbsverzerrungen und wirkt sich negativ auf den Wirtschaftsstandort Österreich aus. Das Regierungsprogramm 2013 – 2018 sieht unter anderem „Maßnahmen gegen Scheinanmeldungen“ vor (S 14). Die vorgeschlagene Änderung des § 153d StGB soll eine effizientere Bekämpfung dieses Phänomens durch die strafrechtliche Erfassung aller „betrügerischer“ Anmeldungen und die Erweiterung der Strafbarkeit auf das „Vermitteln“ bzw. „In-Auftrag-Geben“ solcher Anmeldungen bewirken.

5. Das Regierungsprogramm 2013 – 2018 sieht unter anderem auch eine Evaluierung der Tatbestände und Sanktionen im Bereich der Bilanzdelikte vor (S 85). In diesem Sinn (vgl. zur Entstehungsgeschichte im Übrigen unten bei § 163a StGB) sollen die derzeit in zahlreichen Einzelgesetzen des Gesellschaftsrechts bestehenden Straftatbestände der „Bilanzfälschung“ (§ 255 AktG, § 122 GmbHG, § 64 SEG, § 89 GenG, § 43 ORF-Gesetz, § 41 PSG, § 114 VAG (ab 1.1.2016: § 323 VAG 2016, BGBl. I Nr. 34/2015), § 18 SpaltG) durch einheitliche Straftatbestände der „Bilanzfälschung“ im StGB (§§ 163a, 163b) ersetzt werden.

6. Durch die vorgeschlagenen Änderungen im Bereich des § 283 StGB sollen u.a. Verpflichtungen aus dem Rahmenbeschlusses 2008/913/JI zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. Nr. L. 328 vom 06.12.2008 S. 55, und Vorgaben des Zusatzprotokolls zum Übereinkommen über Computerkriminalität betreffend die Kriminalisierung mittels Computersystemen begangener Handlungen rassistischer und fremdenfeindlicher Art, CETS Nr. 189, das von Österreich am 30. Jänner 2003 unterzeichnet und bislang noch nicht ratifiziert wurde sowie – dies sowohl im Bereich des § 283 StGB als auch des § 278 Abs. 2 StGB – Empfehlungen der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) und Empfehlungen des Ausschusses für die Beseitigung der Rassendiskriminierung (CERD) umgesetzt werden. Das Regierungsprogramm sieht in diesem Zusammenhang eine verbesserte Erfassung der Phänomenologie des (Rechts-)Radikalismus“ vor (S 85). Der Vorschlag soll aber insbesondere auch die Ergebnisse des am 14. Oktober 2014 abgehaltenen „Gipfels gegen Hass und Hetze“ reflektieren.

7. Im Jahr 2014 rückte auch der Tatbestand des „Landfriedensbruches“ vermehrt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit (vgl. etwa den Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird (Straftatbestand Landfriedensbruch), 393/A XXV. GP). Mit der vorgeschlagenen Änderung soll § 274 StGB zeitgemäß formuliert und präzisiert werden.

8. Am 14. Juli 2014 ratifizierte Österreich die Änderung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, mit der u.a. das Verbrechen der Aggression definiert und Bedingungen für die Ausübung der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs über dieses Verbrechen festgelegt wurden. Nach der StGB-Novelle 2014, mit der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in das StGB aufgenommen wurden, stellt die vorgeschlagene Aufnahme des Verbrechens der Aggression in das StGB einen weiteren wichtigen Schritt zur Umsetzung des Völkerstrafrechts dar.

9. Aufgrund der in der Praxis auftretenden Umtriebe bei Zwangsversteigerungsverfahren nach der EO wurde in der Exekutionsordnung im Jahr 2014 die Möglichkeit geschaffen, bei unzulässigen Bieterabsprachen eine Ordnungsstrafe zu verhängen. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass diese Möglichkeit alleine nicht ausreicht, um derartige Malversationen im Zusammenhang mit Zwangsversteigerungsverfahren zu unterbinden, weshalb die Einführung eines gerichtlichen Straftatbestandes sinnvoll erscheint.

10. Die derzeitigen Verfahrensabläufe bei Suchtmitteldelinquenz bewirken einen hohen bürokratischen Aufwand, der eine rasche Reaktion verzögert. Dies ist gerade aus gesundheitspolitscher Sicht kontraproduktiv. Schließlich ist bekannt, dass gesundheitsbezogene Maßnahmen insbesondere dann zweckmäßig sind, wenn sie in einem frühen Stadium von Substanzmissbrauch ansetzen. Die Dauer des Suchtmittelmissbrauchs kann sich erheblich auf das Therapieverhalten und die Erfolgswahrscheinlichkeiten auswirken. Aus diesem Grund ist es bedeutsam, die gesundheitsbezogenen Maßnahmen so rasch wie möglich anzusetzen. Dahersollen die Abläufe vereinheitlicht und der Informationsfluss vereinfacht werden. Damit soll eine raschere Reaktion der Gesundheitsbehörden bei Suchtmittelmissbrauch ermöglicht werden. Die vorgeschlagenen Änderungen sollen auch zu einer erheblichen Reduktion von Anfragen an das Suchtmittelregister sowie von Stellungnahmen der Bezirksverwaltungsbehörden als Gesundheitsbehörden führen.

Mit der vorgeschlagenen Änderung soll Österreich dem internationalen Trend der Ressourcenkonzentration auf schwerwiegendere Suchtgiftdelikte folgen, ohne dass damit eine Entkriminalisierung einhergeht. Die hier vorgeschlagenen Regelungen ändern nichts an den Straftatbeständen, weshalb sie auch mit den Verpflichtungen aus internationalen Übereinkommen sowie nach Unionsrecht im Einklang stehen.

11. Die vorgeschlagenen Änderungen der Strafprozessordnung dienen im Wesentlichen der Anpassung an die neuen Bestimmungen des StGB, wobei eine Änderung der Zuständigkeit auf Grund der Anhebung der zweiten Wertgrenze und damit eine belastungsmäßig nicht verkraftbare Verlagerung der Zuständigkeit im Rechtsmittelverfahren auf die Oberlandesgerichte vermieden werden soll.

Was im Übrigen die Änderungen im materiellen Recht betrifft, so wird die Anhebung der Wertgrenzen und damit die Änderung in den Strafrahmen auch Auswirkungen auf solche Ermittlungsmaßnahmen haben, deren Zulässigkeit davon abhängt, ob der Verdacht einer vorsätzlich begangenen Straftat besteht, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist. Abgesehen davon, dass die gegenüber dem Ministerialentwurf vorgenommenen Änderungen in der Definition des § 70 StGB („Erwerbsmäßigkeit“) vorgetragenen Sorgen eines unzureichenden Ermittlungsinstrumentariums zum Teil entkräften, ist dies Ausdruck des im Bereich der Grundrechtseingriffe zu wahrenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (siehe schon § 5 Abs. 1 StPO bzw. § 173 Abs. 1 StPO: „…Bedeutung der Straftat oder zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis …“). Eine Öffnung der Zulässigkeitsvoraussetzungen für bestimmte Ermittlungsmaßnahmen begegnet daher grundrechtlicher Bedenken, weil damit die Bewertung des Unrechts durch den Gesetzgeber im Bereich des zur Verfügung stehenden Ermittlungsinstrumentariums nicht nachvollzogen bzw. in das Gegenteil verkehrt würde. Im Übrigen sollen die Ermittlungsmaßnahmen der Strafprozessordnung weiterhin der Aufklärung des Sachverhalts und nicht der bloßen Gefahrenabwehr dienen.

Weiters soll künftig auch hinsichtlich jener Delikte, die zwar nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, jedoch in die schöffen- bzw. geschworenengerichtliche Zuständigkeit fallen, ein diversionelles Vorgehen zulässig sein und so ein breiteres Spektrum der Reaktion und Sanktionierung durch verstärkte Bezugnahme auf den Einzelfall ermöglicht werden. In Anbetracht des hohen Stellenwertes des Rechtsgutes der sexuellen Selbstbestimmung und sexuellen Integrität soll diese Ausweitung auf Straftaten im Bereich des 10. Abschnittes des Besonderen Teils des StGB, die mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind, keine Anwendung finden. Im Übrigen soll insbesondere im Rahmen des Tatausgleichs sichergestellt werden, dass jedenfalls Opfer von häuslicher Gewalt über ihren Anspruch auf Prozessbegleitung, die in Betracht kommenden Opferschutzeinrichtungen belehrt werden. Die Ausgleichsverhandlungen solle in Anwesenheit der Vertretung des Opfers stattfinden, wobei dem Opfer und seiner Vertretung auch ausreichende Zeit zur Vorbereitung und Überlegung einzuräumen ist. Die Anwendung der Diversion, insbesondere des Tatausgleichs wird daher vermehrt Opferinteressen berücksichtigen, sodass auf den im Ministerialentwurf noch vorgesehenen Ausschluss der Diversion bei Vorliegen bestimmter Erschwerungsgründe verzichtet werden kann. Als weitere Maßnahme zur Verringerung der Verfahrensdauer soll es der Staatsanwaltschaft vor dem Hintergrund des Bemühens um eine zügige und effektive Verfolgung des Hauptvorwurfs künftig möglich sein, aus Opportunitätserwägungen von der Verfolgung einzelner Straftaten endgültig oder unter Vorbehalt späterer Verfolgung abzusehen und das Ermittlungsverfahren insoweit einzustellen, wenn dem Beschuldigten mehrere Straftaten zur Last liegen und dies voraussichtlich weder auf die Strafen oder vorbeugenden Maßnahmen, auf die mit der Verurteilung verbundenen Rechtsfolgen noch auf diversionelle Maßnahmen wesentlichen Einfluss hat.

Auf Ebene des Europarates gibt es verstärkt Bemühungen, dem in mehr als der Hälfte der Mitgliedstaaten bestehenden Problem der Überbelegung von Gefängnissen entgegenzuwirken. So fand am 8. und 9. Dezember 2014 das erste Treffen des Drafting Committee on Prison Overcrowding des Europarats statt. Es bestehen bereits zahlreiche Berichte, Empfehlungen und Richtlinien (ua. European Prison Rules, Council of Europe Probation Rules, Rec [2014]4, Rec [2012]12) des Europarates zur Reduktion des Überbelages von Gefängnissen. In diesen wird neben der Entkriminalisierung bestimmter Handlungen und einer Änderung der Art der geeigneten strafrechtlichen Sanktion auch der vermehrte Einsatz von die Resozialisierung fördernden Reaktionsmöglichkeiten (z. B. Diversion) empfohlen. Der vorliegende Entwurf entspricht – insbesondere im Hinblick auf die veränderte Definition und qualifizierende Wirkung der Erwerbsmäßigkeit und Anhebung der Wertgrenzen und dadurch der Milderung der anzuwendenden Strafrahmen auch diesen internationalen Empfehlungen und Zielsetzungen.

 

Die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Georg Vetter, Kolleginnen und Kollegen haben den gegenständlichen Initiativantrag am 23. April 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„In den letzten Jahren haben sich in der Praxis vielfach Unklarheiten bei der Anwendung des Untreuetatbestands und dessen Grenzen – und zwar sowohl hinsichtlich des Befugnismissbrauchs wie auch des Untreueschadens – ergeben.

Der Entwurf will, ohne den Gerichten diesbezüglich ein zu enges Korsett anzulegen, beide Begriffe – Missbrauch und Untreueschaden – in Einklang mit deren Grundverständnis und der Systematik der Vermögensdelikte präzisierend neu fassen. Gleichzeitig soll in das Aktiengesetz und in den Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechend internationalen Vorbildern eine Regelung aufgenommen werden, wonach Entscheidungsträger in der Wirtschaft jedenfalls dann rechtmäßig handeln und sich von vornherein nicht wegen Untreue strafbar machen können, wenn sie ihre unternehmerische Entscheidung sorgfältig vorbereitet haben und diese an den Interessen des Unternehmens ausgerichtet war (sog. Business Judgement Rule).

Zu Art. I (Änderung des Strafgesetzbuchs):

Inanspruchnahme von Rechtsmacht

Untreue ist Vermögensschädigung durch Missbrauch einer Rechtsmacht. Das Wesen des Untreuetatbestands besteht daher, wie in der Lehre häufig formuliert, darin, dass der Machthaber im Rahmen eines rechtlichen Könnens (also durch Inanspruchnahme von Rechtsmacht) den Regeln des internen Dürfens zuwiderhandelt („Missbrauch“) und eben dadurch den Machtgeber am Vermögen schädigt.

Der Entwurf hält daran fest, dass jede Untreue eine Inanspruchnahme von Rechtsmacht erfordert. Eine Anwendung des Untreuetatbestands soll jedenfalls voraussetzen, dass der Machthaber durch sein Handeln unmittelbare rechtliche und nicht bloß wirtschaftliche Folgen für den Machtgeber auslöst. Fälle der indirekten Stellvertretung oder auch der Ausübung eines Vollrechts, wie bei der Treuhandschaft, liegen daher außerhalb des Tatbestands.

Eine Benennung der unterschiedlichen Begründungsmöglichkeiten von Rechtsmacht („Gesetz“, „behördlicher Auftrag“, „Rechtsgeschäft“) kann im Gesetz – weil sachlich verzichtbar – unterbleiben.

Missbrauch

Die Tathandlung der Untreue besteht auch weiterhin in einem Missbrauch von Rechtsmacht, also in einem qualifizierten Zuwiderhandeln gegen die Regeln des internen Dürfens (dazu sogleich unten). Welche diese Regeln des internen Dürfens sind, ergibt sich jeweils aus dem konkreten Sachzusammenhang. Zu denken ist etwa an gesetzliche Regelungen, Regelungen des organisationsbezogenen Binnenrechts einer Gesellschaft (zB durch Satzung oder Geschäftsordnung) oder auch an konkrete Instruktionen für den Einzelfall; fehlt es an expliziten derartigen Binnenregeln, so soll weiterhin der Grundsatz gelten, dass der Machthaber zur bestmöglichen Wahrung der Vermögensinteressen des Machtgebers verpflichtet ist.

Eine solche Orientierung am Wohl des Machtgebers erfordert aber, wie zu betonen ist, keineswegs notwendigerweise eine kurzfristige Nutzenmaximierung, sondern erlaubt – selbstverständlich – auch eine Berücksichtigung des langfristigen Machtgeberinteresses.

Die Tatbestandsformulierung der Untreue in § 153 Abs. 1 StGB spricht unverändert vom „Miss-brauch“ der in Rede stehenden Rechtsmacht. § 153 Abs. 2 (neu) präzisiert – in Einklang mit dem Grundverständnis dieses Begriffs nach der hM – was unter einem solchen Missbrauch zu verstehen ist; und zwar in dreifacher Hinsicht.

Zunächst stellt die Regelung des Abs 2 erster Satz zweiter Halbsatz (neu) in Einklang mit dem teleologischen Schutzzweck des § 153 StGB (Schutz der Vermögensinteressen des Vertretenen) klar, dass die maßgeblichen Regeln des internen Dürfens nur solche sein können, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Eine Verletzung von Regelungen, die entweder reinen Ordnungsanliegen oder aber den Interessen Dritter (etwa von Gläubigern oder auch der Öffentlichkeit) dienen, scheidet damit für die Begründung einer Untreuestrafbarkeit kategorisch aus. Derartige Konstellationen unterliegen – nach Maßgabe der diesbezüglichen Voraussetzungen – allein den Bilanzdelikten und den Kridadelikten.

Mit der Bezugnahme auf die Interessen des wirtschaftlich Berechtigten führt der Entwurf die vom OGH zur GmbH entwickelte (10 Os 170/80 und andere) wirtschaftliche Betrachtungsweise zur Untreue fort und verankert sie zur Klarstellung in allgemeiner Form im Gesetz. Maßgeblich sind danach nicht „die formaljuristischen Rechtsverhältnisse“, sondern „die wirtschaftlich-faktischen Gegebenheiten“ (OGH 10 Os 170/80). Untreue scheidet daher aus, wenn eine Vertretungshandlung zwar formal den Machtgeber schädigt, der diesbezügliche Nachteil aber wirtschaftlich dem hinter dem Machtgeber stehenden Berechtigten (bei Kapitalgesellschaften beispielsweise den Anteilseignern entsprechend ihren Anteilen) zugute kommt. Eine Verantwortlichkeit nach den einschlägigen Bilanz- oder den Gläubigerschutzdelikten bleibt aber auch diesfalls (nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls) vorstellbar.

Sodann definiert Abs. 2 erster Satz erster Halbsatz – in Übereinstimmung mit der hL – den Begriff „Missbrauch“ iS eines unvertretbaren Gebrauchs von Rechtsmacht. „Unvertretbar“ ist jener Gebrauch, der außerhalb des Bereichs des vernünftigerweise Argumentierbaren liegt. Wann diese Grenze der Unvertretbarkeit erreicht ist, hängt davon ab, wie konkret die einschlägigen Regeln des internen Dürfens bestimmt sind. Steht etwa dem Machthaber bei seinen Entscheidungen ein Ermessensspielraum zu, so ist die Grenze zum Missbrauch erst überschritten, wenn die konkrete Machthaberentscheidung außerhalb jeder vernünftigen Ermessensübung liegt („Ermessensmissbrauch“). Präzisiert der Machtgeber diesen Ermessensspielraum durch prozedurale oder auch inhaltliche Konkretisierungen, dann sind diese Präzisierungen auch für die Frage der Vertretbarkeit des Gebrauchs der in Rede stehenden Rechtsmacht maßgeblich. Gibt der Machtgeber dem Machthaber (insbesondere durch individuelle Instruktionen) überhaupt konkrete Handlungsanweisungen vor, die keinerlei Spielraum lassen, dann kann im Einzelfall bereits jede diesbezügliche Abweichung sachlich unvertretbar sein.

Die Definition des Missbrauchs iS eines sachlich objektiv unvertretbaren Gebrauchs der in Rede stehenden Rechtsmacht lässt eine subjektivierte Deutung dieses Tatbestandsmerkmals als „vorsätzlicher Fehlgebrauch“ entbehrlich erscheinen, schließt ein solches Verständnis aber auch nicht aus. Die Strafbarkeit des Machthabers setzt allerdings auf Ebene des subjektiven Tatbestands ohnedies dessen Wissentlichkeit in Bezug auf den Missbrauch – und damit auf die Unvertretbarkeit des Gebrauchs der Rechtsmacht – voraus.

Drittens spricht Abs. 2 zweiter Satz (neu) klarstellend aus, dass die Zustimmung des Machtgebers einen Missbrauch auf Seiten des Machthabers jedenfalls ausschließt: Da der Machthaber in einem solchen Fall in Einklang mit dem Willen des Machtgebers handelt, ist ein Missbrauch sachlich nicht vorstellbar. Der Entwurf spricht neutral von „Zustimmung“; in der Sache handelt es sich um einen Fall des tatbestandsausschließenden Einverständnisses. Ein solches Einverständnis des Machtgebers schließt im Übrigen auch einen Untreueschaden kategorisch aus. Für die Fälle des Vertretungshandeln im Rahmen von Gesellschaften stellt Abs. 2 Satz 2 (neu) klar, dass die Zustimmung des wirtschaftlich Berechtigten (also der Gesellschafter) jedenfalls als ausreichende „Machtgeberzustimmung“ zu verstehen ist.

Schaden

Der Entwurf hält weiters daran fest, dass die Untreue – so wie bisher – ein Schädigungsdelikt ist, ein Missbrauch des Machthabers also nur insoweit zur Strafbarkeit führt, als der Missbrauch aus sich heraus eine Vermögensverkürzung des Machtgebers bewirkt. Das geltende Recht spricht in § 153 Abs. 1 vom „Nachteil“ des Machtgebers, in der Qualifikationsbestimmung des (derzeitigen) Abs. 2 vom „Schaden“. Der Entwurf stellt – vereinheitlichend – auch für den Grundtatbestand auf den Schaden des Machtgebers ab. Der Schadensbegriff soll dabei für die Untreue – so wie sonst im Vermögensstrafrecht – im Sinne eines effektiven Verlusts an Vermögenssubstanz zu verstehen sein. Betrug und Untreue sind Schädigungstatbestände: Beim Betrug schädigt der Täter den Geschädigten durch Täuschung (genauer: durch eine täuschungsbedingte selbstschädigende Vermögensdisposition), bei der Untreue durch Missbrauch einer Rechtsmacht.

Bloße Vermögensgefährdungen stellen – so wie beim Betrug – einen effektiven Vermögensverlust noch nicht her; und zwar auch dann nicht, wenn der Machthaber Vermögenswerte des Machtgebers einem sehr beträchtlichen Verlustrisiko exponiert. Bewilligt der Filialleiter eine Kreditgewährung an seinen insolventen Bekannten im Bewusstsein von dessen Zahlungsunfähigkeit, so liegt in der unbesicherten Auszahlung des Kredits in wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits mit dessen Hingabe ein Totalverlust des Gesamtbetrags; ist der Kreditnehmer hingegen bei Kreditgewährung und Auszahlung bloß insolvenzgefährdet, so liegt in der Ausreichung der Kreditvaluta ungeachtet der gefährdeten Rückzahlung noch kein Schaden des Machtgebers; und zwar auch nicht in Höhe der Differenz zwischen dem Nominale der Kreditforderung und deren wirtschaftlichem – mit dem Ausfallrisiko gewichteten – Wert.

Auf der inneren Tatseite soll es dabei bleiben, dass hinsichtlich des Vermögensschadens Eventualvorsatz des Machthabers hinreicht. Wollte man auch insoweit auf die Wissentlichkeit des Machthabers abstellen, so ließe sich zwar insoweit die Strafbarkeit beschränken, doch wäre eine solche Restriktion nicht sachgerecht: Jener Machthaber, der durch Missbrauch seiner Rechtsmacht über fremdes Vermögen auf dessen Verlust hin disponiert, soll dafür auch strafrechtlich einstehen müssen.

Voraussetzung einer solchen Strafbarkeit ist allerdings, dass sich der Machthaber auch wirklich mit dem tatsächlichen Verlust von Vermögenssubstanz, nicht bloß mit der Eröffnung eines sozial-inadäquaten Risikos für diese abfindet. Das bloße Handeln im Bewusstsein eines sozial-inadäquaten Risikos – also einer (auch sehr beträchtlichen) Vermögensgefährdung – reicht für einen solchen Eventualschädigungsvorsatz nicht hin; der Machthaber muss gerade eingedenk der Materialisierung dieses Risikos – also eingedenk des tatsächlichen Vermögensverlusts – handeln. Vertraut der Machthaber darauf, dass sich dieses Risiko – sei es infolge einer plötzlichen Besserung der wirtschaftlichen Lage, sei es infolge des Eingreifens eines neuen Investors – nicht verwirklichen werde, fehlt es an einem solchen Eventualschädigungsvorsatz.

Wertqualifikationen

§ 153 Abs. 3 StGB (neu) enthält die Anpassung an die geänderten Wertqualifikationsschwellen.

Tatbeteiligung

Der Gesetzesentwurf nimmt – weil der Sache nach übergreifende Fragen der Sonderdelikte betreffend – von einer Regelung der Tatbeteiligung Abstand. In der Praxis haben sich allerdings vermehrt Unsicherheiten und Unklarheiten bezüglich der Grenzen strafbarer sonstiger Tatbeiträge ergeben, etwa hinsichtlich der Verfolgung von Kreditnehmern für die Inanspruchnahme pflichtwidrig ausgereichter Kredite.

Schon nach den allgemeinen Regeln muss der Tatbeteiligte allerdings – weil er ja auch Täter (gemäß § 12 Alt 2 oder 3 StGB) ist – jedenfalls in eigener Person wissentlich bezüglich der Unvertretbarkeit des Befugnisgebrauchs durch den unmittelbaren Täter handeln. Hält er einen Befugnismissbrauch bloß für möglich, ja sogar eventualiter für gegeben, aber nicht für gewiss, so reicht dies für seine Strafbarkeit nicht hin.

Eine zusätzliche Restriktion der Beteiligtenstrafbarkeit ergibt sich gemäß § 14 Abs. 1 zweiter Satz zweite Variante StGB („sonst in bestimmter Weise an ihr mitwirkt“) in der Auslegung durch die Rechtsprechung daraus, dass diese die „Mitwirkung in bestimmter Weise“ auf Seiten des unmittelbaren Täters im Sinne eines missbräuchlichen Verhaltens, verstanden als zumindest eventualvorsätzlichen Fehlgebrauch einer Befugnis, deutet.

Der vorliegende Entwurf will – ungeachtet der Präzisierung missbräuchlichen Handelns im neuen Abs. 2 – die diesbezüglichen Voraussetzungen der Beteiligtenstrafbarkeit jedenfalls nicht lockern. Hingegen soll es Lehre und Rechtsprechung überlassen bleiben, ob in Zukunft die Anforderungen iSd § 14 Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB – etwa durch das Erfordernis eines wissentlichen Fehlgebrauchs einer Rechtsmacht durch den unmittelbaren Täter als Voraussetzung einer Strafbarkeit des tatbeteiligten Extraneus oder auch einer „doppelten Wissentlichkeit“ – noch restriktiver gefasst werden.

Zu den Art. II und III (Business Judgment Rule)

Die Definition lehnt sich an § 93 deutsches AktG an. Dort fehlt aber ein wesentliches Merkmal der Business-Judgement-Rule: nämlich die Freiheit von Interessenkollisionen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist im vorliegenden Entwurf enthalten. Die Formulierung bringt den Safe-harbor-Charakter der Bestimmung deutlich zu Ausdruck: Wer so handelt wie im Text beschrieben, handelt jedenfalls im Einklang mit der gebotenen Sorgfalt und hat keine nachteiligen Rechtsfolgen zu befürchten, insbesondere auch keine Strafverfolgung.

Durch das Wort „jedenfalls“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Umkehrschlüsse unzulässig sind. Auch wenn die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht erfüllt sind, muss kein Sorgfaltsverstoß vorliegen. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtwidrigkeit des Handels wäre dann aber gesondert zu prüfen, weil der „Safe-harbor“-Effekt der Regel entfällt.“

 

Die Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen haben den Entschließungsantrag 969/A(E) am 25. Februar 2015 im Nationalrat eingebracht und wie folgt begründet:

„Wer ein Tier hält oder es betreut, ist verpflichtet, es artgerecht zu pflegen, zu ernähren und dem Tier eine artgerechte Unterbringung zur Verfügung zu stellen. Dem Tier dürfen weder Schmerzen noch Leiden zugefügt werden, doch trotz der bestehenden Schutzvorschriften ist Tierquälerei weit verbreitet. Wer die Berichterstattung aufmerksam verfolgt, wird bestätigen, dass sich die Fälle von Tierquälerei in den letzten Jahren leider gehäuft haben.

In Österreich ist das Verbot der Tierquälerei im § 5 des Bundesgesetzes über den Schutz der Tiere aus dem Jahr 2005 (Bundestierschutzgesetz) formuliert. Es ist laut Absatz 1 verboten, einem Tier ungerechtfertigt Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen oder esin schwere Angst zu versetzen. Einzelne Tathandlungen werden im 2. Absatz aufgeführt, wie zum Beispiel Qualzucht, Zucht auf Aggressivität, der Einsatz von Hilfsmitteln zur Verhaltensbeeinflussung durch Strafreize oder eine Unterbringung, die für das Tier mit Leiden verbunden ist.

Gemäß § 222 StGB ist Tierquälerei in Österreich strafbar, das Strafmaß beträgt bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder bis zu 360 Tagessätze Geldstrafe.

Ein Blick in unsere Nachbarländer zeigt, dass es auch anders geht:

In Deutschland wird die Tierquälerei im § 17 Tierschutzgesetz (TierSchG) als Straftat bezeichnet. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet, einem Wirbeltier entweder aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt sowie länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Wenn es sich dabei außerdem um ein fremdes Tier handelt, so kann die Tat als Sachbeschädigung nach § 303 Strafgesetzbuch strafbar sein.

In der Schweiz wird Tierquälerei gem. Art. 26 ff des schweizerischen Tierschutzgesetzes (TSchG) mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, handelt der Täter oder die Täterin fahrlässig, so ist die Strafe eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen. Die derzeitige Strafandrohung in Österreich von bis zu einem Jahr ist viel zu gering. Tierquälerei sollte kein Fall fürs Bezirksgericht, sondern für das Landesgericht sein. Eine Erhöhung des Strafmaßes würde zu einer Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung beitragen, denn immerhin wird Tierquälerei in der I-CD 10 als Symptom der Störung des Sozialverhaltens (F-91) beschrieben.“

 

Die Petition Nr. 42 wurde von der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm überreicht. In dieser Petition geht es um eine Verbesserung des Strafrechts in Bezug auf den Tatbestand Vergewaltigung. Die UnterzeichnerInnen geben zu bedenken, dass die meisten Sexualdelikte in Österreich nicht angezeigt werden. Nach derzeit geltendem Recht seien sexuelle Handlungen gegen den ausdrücklichen Willen einer Person nämlich nur dann strafbar, wenn Gewalt, Drohung oder Freiheitsentziehung angewandt wurden. Dies bedeute, dass die Betroffenen massive Gegenwehr, Freiheitsentzug oder gefährliche Drohung nachweisen müssen, damit es zu einer Verurteilung kommt. Die derzeit in Österreich laufende Strafrechtsreform würde nun die Möglichkeit bieten, die Situation für Opfer von sexueller Gewalt zu verbessern. Die zahlreichen Unterschriften seien ein klarer Auftrag an den Gesetzgeber, gesetzlich festzuschreiben, dass Sexualkontakt ohne beiderseitigem Einverständnis strafbar ist. Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen hat in seiner Sitzung am 14. April 2015 beschlossen, die Präsidentin des Nationalrates zu ersuchen, die gegenständliche Petition dem Justizausschuss zuzuweisen. Die Präsidentin hat diesem Ersuchen entsprochen.

 

Die Bürgerinitiative 53/BI betreffend „Herausnahme von Cannabis aus dem Österreichischen Suchtmittelgesetz“macht sich für die Legalisierung von Cannabis stark. Geht es nach den UnterzeichnerInnen, sollen künftig sowohl der Anbau und die Herstellung von Cannabis für den persönlichen Konsum als auch der Erwerb und Besitz von Cannabis in geringen Mengen ab Erreichen des 16. Lebensjahrs erlaubt sein. Wer größere Mengen Cannabis produzieren will, soll eine Lizenz erwerben müssen, als Vertriebsstellen für Cannabisprodukte werden Trafiken, Apotheken und andere lizensierte Abgabestellen vorgeschlagen. Auch über einen Grenzwert für den THC-Gehalt im Blut für AutofahrerInnen hat sich die Bürgerinitiative Gedanken gemacht. Begründet wird die Forderung nach Herausnahme von Cannabis aus dem österreichischen Suchtmittelgesetz mit der Begründung, dass Hanf der wohl vielseitigste natürliche Rohstoff der Erde sei und lediglich aus industriellen Interessen mit unverhältnismäßigen Strafen politisch bekämpft werde. Damit würden undurchsichtige Schwarzmärkte gefördert und künstlich globale Gesellschaftsprobleme erzeugt. Mit dieser Inquisition müsse Schluss sein, verlangt die Bürgerinitiative.

 

Die Bürgerinitiative 63/BI betreffend „Mehr Rechte für Tiere“ fordert eine härtere Bestrafung von Menschen, die Tiere quälen oder aus rein kommerziellen Interessen ihr Leiden oder ihren Tod in Kauf nehmen. Im konkreten soll bei Vorliegen des Tatbestands der Tierquälerei (darunter fällt auch die fahrlässige Herbeiführung des Todes durch Vernachlässigung) eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren verhängt werden können. Damit wäre auch gewährleistet, dass derartige Fälle nicht mehr nur am Bezirksgericht, sondern am Landesgericht verhandelt werden müssen. Außerdem soll die nicht-artgerechte Haltung von exotischen Tieren im privaten Bereich (Schlangen, Vogelspinnen etc.) verboten werden. Solange die Strafdrohungen bei Tierquälerei derart gering sind wie bisher, werden Menschen heranwachsen, denen es an Respekt vor fremden Leben fehlt, sind die EinbringerInnen überzeugt. Eine Erhöhung des Strafmaßes würde nämlich auch zu einer Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung beitragen.

 

Die Bürgerinitiativen 53/BI und 63/BI wurden vom Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen in seiner Sitzung am 25. Juni 2015 in Verhandlung genommen. Der Ausschuss beschloss, die Präsidentin des Nationalrates zu ersuchen, die gegenständlichen Bürgerinitiativen dem Justizausschuss zuzuweisen. Die Präsidentin hat diesem Ersuchen entsprochen.

 

Der Justizausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage sowie den Antrag 1110/A in seinen Sitzungen am 24. Juni 2015 und 30. Juni 2015 in Verhandlung genommen. Nach der Berichterstattung durch den Abgeordneten Mag. Friedrich Ofenauer beschloss der Ausschuss einstimmig, den weiteren Beratungen die Regierungsvorlage 689 der Beilagen zugrunde zu legen. Weiters wurde einstimmig beschlossen, O.Univ.-Prof. Dr. Helmut Fuchs, Institut für Strafecht und Kriminologie, Universität Wien, Univ.Prof. Dr. Alois Birklbauer, Institut für Strafrechtswissenschaften, Johannes Kepler Universität Linz, Univ. Prof, Dr. Lyane Sautner, Institut für Strafrechtswissenschaften, Johannes Kepler Universität Linz, Dr. Josef Weixelbaum, Vizepräsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Mag. Friedrich Forsthuber, Präsident Landesgericht für Strafsachen Wien und Dr. Christoph Koss, Geschäftsführer Verein Neustart, als Sachverständige zu laden.

Nach einleitenden Statements durch den Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Michaela Steinacker, Mag. Harald Stefan, Mag. Albert Steinhauser, Dr. Kathrin Nachbaur und Dr. Nikolaus Scherak gaben die geladenen Sachverständigen ihre Stellungnahmen ab.

An der anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Mag. Elisabeth Grossmann, Ing. Mag. Werner Groiß, Dr. Georg Vetter, Mag. Judith Schwentner, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Walter Rosenkranz, Dr. Peter Wittmann, Mag. Philipp Schrangl und Mag. Dr. Beatrix Karl sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter.

Nachdem die Verhandlungen vertagt wurden, nahm der Justizausschuss in seiner Sitzung am 30. Juni 2015 seine Beratungen neuerlich auf. Im Zuge der Beratungen wurden auch der Antrag 969/A(E), die Petition Nr. 42 sowie die Bürgerinitiativen 53/BI und 63/BI in Verhandlung genommen, wobei die Abgeordnete Dr. Kathrin Nachbaur hinsichtlich des Antrages 969/A(E), die Abgeordnete Mag. Gisela Wurm hinsichtlich der Petition Nr. 42 sowie der Bürgerinitiativen 53/BI und 63/BI als Bericherstatterin fungierte.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dr. Johannes Jarolim, Mag. Albert Steinhauser, Mag. Philipp Schrangl, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Dr. Nikolaus Scherak, Dr. Kathrin Nachbaur, Mag. Alev Korun, Mag. Gernot Darmann, Mag. Gisela Wurm, Ing. Mag. Werner Groiß, Mag. Dr. Beatrix Karl, Dr. Peter Wittmann und Dr. Harald Troch sowie der Bundesminister für Justiz Dr. Wolfgang Brandstetter und die Ausschussobfrau Abgeordnete Mag. Michaela Steinacker.

 

Im Zuge der Debatte haben die Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim einen Abänderungsantrag eingebracht, der wie folgt begründet war:

„Zu Z 1 und 2 (§§ 70, 96 Abs. 1 und 2, 130, 138 Z 4, 145 Abs. 2 Z 1, 148, 148a Abs. 2, 153d Abs. 3, 153e Abs. 1, 154 Abs. 3, 155 Abs. 1 und 2, 164 Abs. 4, 165 Abs. 1, 168a Abs. 1 Z 3, 177b Abs. 3, 184, 207a Abs. 2, 217 Abs. 1, 241a Abs. 2, 241e Abs. 2, 305 Abs. 4 Z 3 und 306 Abs. 3 StGB, 20a Abs. 1 Z 1 und 31 Abs. 3 Z 6a StPO)

Anregungen im Ausschuss folgend, soll die vorgeschlagene Bezeichnung „Erwerbsmäßige Begehung“ durch die ursprüngliche Bezeichnung „Gewerbsmäßige Begehung“ ersetzt werden, weil zum einen keine Verbesserung durch die Umbenennung gesehen wird und sich zum anderen dadurch auch die Anpassung zahlreicher Bestimmungen über die Gewerbsmäßigkeit in Nebengesetze an die neue Bezeichnung erübrigt.

Zu Z 1 (§ 153 StGB) und Z 5 bis 8 (§ 84 Abs. 1a AktG und § 25 Abs. 1a GmbHG):

In den letzten Jahren haben sich in der Praxis vielfach Unklarheiten bei der Anwendung des Untreuetatbestands und dessen Grenzen – und zwar sowohl hinsichtlich des Befugnismissbrauchs wie auch des Untreueschadens – ergeben.

Aufbauend auf dem Initiativantrag 1110/A XXV. GP sollen, ohne den Gerichten diesbezüglich ein zu enges Korsett anzulegen, beide Begriffe – Missbrauch und Untreueschaden – in Einklang mit deren Grundverständnis und der Systematik der Vermögensdelikte präzisierend neu fassen. Gleichzeitig soll in das Aktiengesetz und in den Gesetz über die Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechend internationalen Vorbildern eine Regelung aufgenommen werden, wonach Entscheidungsträger in der Wirtschaft jedenfalls dann rechtmäßig handeln und sich von vornherein nicht wegen Untreue strafbar machen können, wenn sie ihre unternehmerische Entscheidung sorgfältig vorbereitet haben und diese an den Interessen des Unternehmens ausgerichtet war (sog. Business Judgement Rule).

Inanspruchnahme von Rechtsmacht: Untreue ist Vermögensschädigung durch Missbrauch einer Rechtsmacht. Das Wesen des Untreuetatbestands besteht daher, wie in der Lehre häufig formuliert, darin, dass der Machthaber im Rahmen eines rechtlichen Könnens (also durch Inanspruchnahme von Rechtsmacht) den Regeln des internen Dürfens zuwiderhandelt („Missbrauch“) und eben dadurch den Machtgeber am Vermögen schädigt.

Der Entwurf hält daran fest, dass jede Untreue eine Inanspruchnahme von Rechtsmacht erfordert. Eine Anwendung des Untreuetatbestands soll jedenfalls voraussetzen, dass der Machthaber durch sein Handeln unmittelbare rechtliche und nicht bloß wirtschaftliche Folgen für den Machtgeber auslöst. Fälle der indirekten Stellvertretung oder auch der Ausübung eines Vollrechts, wie bei der Treuhandschaft, liegen daher außerhalb des Tatbestands.

Eine Benennung der unterschiedlichen Begründungsmöglichkeiten von Rechtsmacht („Gesetz“, „behördlicher Auftrag“, „Rechtsgeschäft“) kann im Gesetz – weil sachlich verzichtbar – unterbleiben.

Missbrauch: Die Tathandlung der Untreue besteht auch weiterhin in einem Missbrauch von Rechtsmacht, also in einem qualifizierten Zuwiderhandeln gegen die Regeln des internen Dürfens (dazu sogleich unten). Welche diese Regeln des internen Dürfens sind, ergibt sich jeweils aus dem konkreten Sachzusammenhang. Zu denken ist etwa an gesetzliche Regelungen, Regelungen des organisationsbezogenen Binnenrechts einer Gesellschaft (zB durch Satzung oder Geschäftsordnung) oder auch an konkrete Instruktionen für den Einzelfall; fehlt es an expliziten derartigen Binnenregeln, so soll weiterhin der Grundsatz gelten, dass der Machthaber zur bestmöglichen Wahrung der Vermögensinteressen des Machtgebers verpflichtet ist.

Eine solche Orientierung am Wohl des Machtgebers erfordert aber, wie zu betonen ist, keineswegs notwendigerweise eine kurzfristige Nutzenmaximierung, sondern erlaubt – selbstverständlich – auch eine Berücksichtigung des langfristigen Machtgeberinteresses.

Die Tatbestandsformulierung der Untreue in § 153 Abs. 1 StGB spricht unverändert vom „Missbrauch“ der in Rede stehenden Rechtsmacht. § 153 Abs. 2 (neu) präzisiert – in Einklang mit dem Grundverständnis dieses Begriffs nach der hM – was unter einem solchen Missbrauch zu verstehen ist; und zwar in zweifacher Hinsicht.

Zunächst stellt die Regelung des Abs 2 erster Satz zweiter Halbsatz (neu) in Einklang mit dem teleologischen Schutzzweck des § 153 StGB (Schutz der Vermögensinteressen des Vertretenen) klar, dass die maßgeblichen Regeln des internen Dürfens nur solche sein können, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Eine Verletzung von Regelungen, die entweder reinen Ordnungsanliegen oder aber den Interessen Dritter dienen, scheidet damit für die Begründung einer Untreuestrafbarkeit kategorisch aus. Derartige Konstellationen unterliegen – nach Maßgabe der diesbezüglichen Voraussetzungen – allein den Bilanzdelikten und den Kridadelikten.

Mit der Bezugnahme auf die Interessen des wirtschaftlich Berechtigten führt der Entwurf die vom OGH zur GmbH entwickelte (10 Os 170/80 und andere) wirtschaftliche Betrachtungsweise zur Untreue fort und verankert sie zur Klarstellung in allgemeiner Form im Gesetz. Maßgeblich sind danach nicht „die formaljuristischen Rechtsverhältnisse“, sondern „die wirtschaftlich-faktischen Gegebenheiten“ (OGH 10 Os 170/80). Untreue scheidet daher aus, wenn eine Vertretungshandlung zwar formal den Machtgeber schädigt, der diesbezügliche Nachteil aber wirtschaftlich dem hinter dem Machtgeber stehenden Berechtigten (bei Kapitalgesellschaften beispielsweise den Anteilseignern entsprechend ihren Anteilen) zugute kommt. Eine Verantwortlichkeit nach den einschlägigen Bilanz- oder den Gläubigerschutzdelikten bleibt aber auch diesfalls (nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls) vorstellbar.

Sodann definiert Abs. 2 erster Satz erster Halbsatz – in Übereinstimmung mit der hL – den Begriff „Missbrauch“ iS eines unvertretbaren Gebrauchs von Rechtsmacht. „Unvertretbar“ ist jener Gebrauch, der außerhalb des Bereichs des vernünftigerweise Argumentierbaren liegt. Wann diese Grenze der Unvertretbarkeit erreicht ist, hängt davon ab, wie konkret die einschlägigen Regeln des internen Dürfens bestimmt sind. Steht etwa dem Machthaber bei seinen Entscheidungen ein Ermessensspielraum zu, so ist die Grenze zum Missbrauch erst überschritten, wenn die konkrete Machthaberentscheidung außerhalb jeder vernünftigen Ermessensübung liegt („Ermessensmissbrauch“). Präzisiert der Machtgeber diesen Ermessensspielraum durch prozedurale oder auch inhaltliche Konkretisierungen, dann sind diese Präzisierungen auch für die Frage der Vertretbarkeit des Gebrauchs der in Rede stehenden Rechtsmacht maßgeblich. Gibt der Machtgeber dem Machthaber (insbesondere durch individuelle Instruktionen) überhaupt konkrete Handlungsanweisungen vor, die keinerlei Spielraum lassen, dann kann im Einzelfall bereits jede diesbezügliche Abweichung sachlich unvertretbar sein.

Die Definition des Missbrauchs iS eines sachlich objektiv unvertretbaren Gebrauchs der in Rede stehenden Rechtsmacht lässt eine subjektivierte Deutung dieses Tatbestandsmerkmals als „vorsätzlicher Fehlgebrauch“ entbehrlich erscheinen, schließt ein solches Verständnis aber auch nicht aus. Die Strafbarkeit des Machthabers setzt allerdings auf Ebene des subjektiven Tatbestands ohnedies dessen Wissentlichkeit in Bezug auf den Missbrauch – und damit auf die Unvertretbarkeit des Gebrauchs der Rechtsmacht – voraus.

Der zweite Satz des § 153 Abs 2 idF des Initiativantrags wurde vom Justizausschuss nicht übernommen, um den unrichtigen Eindruck zu vermeiden, dass für die Einwilligung des wirtschaftlich Berechtigten bei der Untreue Sonderregeln gelten sollten. Die Frage ist vielmehr nach dem allgemeinen Strafrecht zu beurteilen.

Schaden: Der Entwurf hält weiters daran fest, dass die Untreue – so wie bisher – ein Schädigungsdelikt ist, ein Missbrauch des Machthabers also nur insoweit zur Strafbarkeit führt, als der Missbrauch aus sich heraus eine Vermögensverkürzung des Machtgebers bewirkt. Das geltende Recht spricht in § 153 Abs. 1 vom „Nachteil“ des Machtgebers, in der Qualifikationsbestimmung des (derzeitigen) Abs. 2 vom „Schaden“. Der Entwurf stellt – vereinheitlichend – auch für den Grundtatbestand auf den Schaden des Machtgebers ab. Der Schadensbegriff soll dabei für die Untreue – so wie sonst im Vermögensstrafrecht – im Sinne eines effektiven Verlusts an Vermögenssubstanz zu verstehen sein. Betrug und Untreue sind Schädigungstatbestände: Beim Betrug schädigt der Täter den Geschädigten durch Täuschung (genauer: durch eine täuschungsbedingte selbstschädigende Vermögensdisposition), bei der Untreue durch Missbrauch einer Rechtsmacht.

Bloße Vermögensgefährdungen stellen – so wie beim Betrug – einen effektiven Vermögensverlust noch nicht her; und zwar auch dann nicht, wenn der Machthaber Vermögenswerte des Machtgebers einem sehr beträchtlichen Verlustrisiko exponiert. Bewilligt der Filialleiter eine Kreditgewährung an seinen insolventen Bekannten im Bewusstsein von dessen Zahlungsunfähigkeit, so liegt in der unbesicherten Auszahlung des Kredits in wirtschaftlicher Betrachtungsweise bereits mit dessen Hingabe ein Totalverlust des Gesamtbetrags; ist der Kreditnehmer hingegen bei Kreditgewährung und Auszahlung bloß insolvenzgefährdet, so liegt in der Ausreichung der Kreditvaluta ungeachtet der gefährdeten Rückzahlung noch kein Schaden des Machtgebers; und zwar auch nicht in Höhe der Differenz zwischen dem Nominale der Kreditforderung und deren wirtschaftlichem – mit dem Ausfallrisiko gewichteten – Wert.

Auf der inneren Tatseite soll es dabei bleiben, dass hinsichtlich des Vermögensschadens Eventualvorsatz des Machthabers hinreicht. Wollte man auch insoweit auf die Wissentlichkeit des Machthabers abstellen, so ließe sich zwar insoweit die Strafbarkeit beschränken, doch wäre eine solche Restriktion nicht sachgerecht: Jener Machthaber, der durch Missbrauch seiner Rechtsmacht über fremdes Vermögen auf dessen Verlust hin disponiert, soll dafür auch strafrechtlich einstehen müssen.

Voraussetzung einer solchen Strafbarkeit ist allerdings, dass sich der Machthaber auch wirklich mit dem tatsächlichen Verlust von Vermögenssubstanz, nicht bloß mit der Eröffnung eines sozial-inadäquaten Risikos für diese abfindet. Das bloße Handeln im Bewusstsein eines sozial-inadäquaten Risikos – also einer (auch sehr beträchtlichen) Vermögensgefährdung – reicht für einen solchen Eventualschädigungsvorsatz nicht hin; der Machthaber muss gerade eingedenk der Materialisierung dieses Risikos – also eingedenk des tatsächlichen Vermögensverlusts – handeln. Vertraut der Machthaber darauf, dass sich dieses Risiko – sei es infolge einer plötzlichen Besserung der wirtschaftlichen Lage, sei es infolge des Eingreifens eines neuen Investors – nicht verwirklichen werde, fehlt es an einem solchen Eventualschädigungsvorsatz.

Wertqualifikationen: § 153 Abs. 3 StGB (neu) enthält die Anpassung an die geänderten Wertqualifikationsschwellen. 

Tatbeteiligung: Der Gesetzesentwurf nimmt – weil der Sache nach übergreifende Fragen der Sonderdelikte betreffend – von einer Regelung der Tatbeteiligung Abstand. In der Praxis haben sich allerdings vermehrt Unsicherheiten und Unklarheiten bezüglich der Grenzen strafbarer sonstiger Tatbeiträge ergeben, etwa hinsichtlich der Verfolgung von Kreditnehmern für die Inanspruchnahme pflichtwidrig ausgereichter Kredite.

Schon nach den allgemeinen Regeln muss der Tatbeteiligte allerdings – weil er ja auch Täter (gemäß § 12 Alt 2 oder 3 StGB) ist – jedenfalls in eigener Person wissentlich bezüglich der Unvertretbarkeit des Befugnisgebrauchs durch den unmittelbaren Täter handeln. Hält er einen Befugnismissbrauch bloß für möglich, ja sogar eventualiter für gegeben, aber nicht für gewiss, so reicht dies für seine Strafbarkeit nicht hin.

Eine zusätzliche Restriktion der Beteiligtenstrafbarkeit ergibt sich gemäß § 14 Abs. 1 zweiter Satz zweite Variante StGB („sonst in bestimmter Weise an ihr mitwirkt“) in der Auslegung durch die Rechtsprechung daraus, dass diese die „Mitwirkung in bestimmter Weise“ auf Seiten des unmittelbaren Täters im Sinne eines missbräuchlichen Verhaltens, verstanden als zumindest eventualvorsätzlichen Fehlgebrauch einer Befugnis, deutet.

Der vorliegende Entwurf will – ungeachtet der Präzisierung missbräuchlichen Handelns im neuen Abs. 2 – die diesbezüglichen Voraussetzungen der Beteiligtenstrafbarkeit jedenfalls nicht lockern. Hingegen soll es Lehre und Rechtsprechung überlassen bleiben, ob in Zukunft die Anforderungen iSd § 14 Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB – etwa durch das Erfordernis eines wissentlichen Fehlgebrauchs einer Rechtsmacht durch den unmittelbaren Täter als Voraussetzung einer Strafbarkeit des tatbeteiligten Extraneus oder auch einer „doppelten Wissentlichkeit“ – noch restriktiver gefasst werden.

Zu den Änderungen des Aktiengesetzes und des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Business Judgment Rule):

Die Definition lehnt sich an § 93 deutsches AktG an. Dort fehlt aber ein wesentliches Merkmal der Business-Judgement-Rule: nämlich die Freiheit von Interessenkollisionen. Dieses Tatbestandsmerkmal ist im vorliegenden Entwurf enthalten. Die Formulierung bringt den Safe-harbor-Charakter der Bestimmung deutlich zu Ausdruck: Wer so handelt wie im Text beschrieben, handelt jedenfalls im Einklang mit der gebotenen Sorgfalt und hat keine nachteiligen Rechtsfolgen zu befürchten, insbesondere auch keine Strafverfolgung.

Durch das Wort „jedenfalls“ soll zum Ausdruck gebracht werden, dass Umkehrschlüsse unzulässig sind. Auch wenn die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht erfüllt sind, muss kein Sorgfaltsverstoß vorliegen. Die Rechtmäßigkeit oder Rechtwidrigkeit des Handels wäre dann aber gesondert zu prüfen, weil der „Safe-harbor“-Effekt der Regel entfällt.

Der Sorgfaltsmaßstab für Vorstand und Geschäftsführer gilt auch für den Aufsichtsrat (vgl. § 99 AktG und § 33 Abs.1 GmbHG) und andere Organe, sofern sie in ihrer Funktion ebenso unternehmerische Entscheidungen treffen. Auch für diese Entscheidungsträger gilt die Business Judgement Rule.

Zu Z 1 (§§ 163a und 163b StGB)

Einer der Schwerpunkte der Expertenanhörung war die Neureglung des „Bilanzstrafrechts“. Der Ausschuss ist zu dem Schluss gekommen, dass die in der Regierungsvorlage vorgeschlagenen Bestimmungen nur in einem Punkt geändert werden sollten: Das die Strafbarkeit einschränkende Element der Eignung, „einen schwerwiegenden Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen“, soll etwas weniger streng formuliert werden: es soll die Eignung genügen, „einen erheblichen Schaden für den Verband, dessen Gesellschafter, Mitglieder oder Gläubiger oder für Anleger herbeizuführen“.

Der Ausschuss stellt in diesem Zusammenhang fest, dass mit dem Begriff „Eignung“ die abstrakte Eignung gemeint ist.

Schließlich sollen Anregungen von Univ.-Prof. Dr. Helmut Fuchs zu sprachlichen Adaptierungen aufgegriffen werden; inhaltliche Änderungen sind damit nicht verbunden.“

 

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in der Fassung des oben erwähnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker und Dr. Johannes Jarolim mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, N, dagegen: F, G, T) beschlossen.

 

Damit gelten der Antrag 1110/A der Abgeordneten Mag. Michaela Steinacker, Dr. Johannes Jarolim, Dr. Georg Vetter, Kolleginnen und Kollegen, der Antrag 969/A(E) der Abgeordneten Ulrike Weigerstorfer, Kolleginnen und Kollegen, die Petition Nr. 43 sowie die Bürgerinitiativen 53/BI und 63/BI als miterledigt.

 

Im Zuge der Debatte hat der Abgeordnete Mag. Albert Steinhauser einen selbständigen Entschließungsantrag gem. § 27 Abs. 3 GOG-NR betreffend die Straftatbestände der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung sowie der Sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen eingebracht, der einstimmig beschlossen wurde.

Dieser selbständige Entschließungsantrag war wie folgt begründet:

„Zwar ist im Vorblatt der Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2015 eine interne Evaluierung für das Jahr 2021 vorgesehen, allerdings scheint es in der sensiblen Materie der Straftatbestände der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung sowie der Sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen angebracht, eine Evaluierung bereits bis zum Ablauf des 3. Jahres nach In-Kraft-Treten des Gesetzes durchzuführen, da in der Vergangenheit gerade im Bereich der sexuellen Gewalt die staatsanwaltliche Verfolgungspraxis immer wieder auf Unverständnis bei Opfern und Betroffenen gestoßen ist.“

 

Ferner beschloss der Justizausschuss mit Stimmenmehrheit (dafür: S, V, G, N, T, dagegen: F) folgende Feststellung:

„Der Justizausschuss hält zu § 106a StGB ausdrücklich fest, dass durch die Nötigung zur Aufnahme einer eheähnlichen Gemeinschaft (rituelle oder religiöse, staatlich nicht anerkannte Eheschließungen) besonders wichtige Interessen der genötigten Person verletzt werden, sodass Strafbarkeit nach § 106 Abs. 1 Z  3 StGB gegeben ist.

Weiters wird zur Vermeidung von Unklarheiten klargestellt, dass Opfer einer Zwangsverheiratung Anspruch auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung haben, weil sie Opfer im Sinne des § 65 Z 1 lit. a sind.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Justizausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle

1.      dem angeschlossenen Gesetzentwurf die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen;

2.      die angeschlossene Entschließung annehmen.

Wien, 2015 06 30

                         Mag. Friedrich Ofenauer                                               Mag. Michaela Steinacker

                                   Berichterstatter                                                                            Obfrau