396/J XXV. GP

Eingelangt am 13.01.2014
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

der Abgeordneten Albert Steinhauser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend

betreffend opt-out bei Smartmetern

BEGRÜNDUNG

 

In der Elektrizitätswirtschaft ist seit einigen Jahren die Einführung intelligenter Messgeräte, sogenannter „Smartmeter“, Gegenstand von Debatten. Während dadurch einerseits Stromspareffekte und bessere Energielenkungsmöglichkeiten erhofft werden, bestehen auch Bedenken hinsichtlich Sicherheitsaspekten und Datenschutz. Wesensmerkmal der intelligenten Messgeräte ist, dass in kurzen Zeitabständen der Stromverbrauch laufend gemessen wird und diese Daten an den Netzbetreiber übermittelt werden. Allzu genaue Messintervalle lassen jedoch detaillierte Rückschlüsse auf die Lebensgewohnheiten und Privatsphäre der StromkundInnen zu. Und durch die Angreifbarkeit der netzangebundenen Geräte, welche in der Regel auch über eine Fernabschaltfunktion verfügen, wird das Stromnetz insgesamt durch Hacker oder Cyberangriffe verletzlich.

Im Jahr 2010 führten SPÖ, ÖVP und FPÖ im Elektrizitätswirtschafts und
-organisationsG eine gesetzliche Regelung ein, welche zwar die Einführung von Smartmetern durch Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft ermöglichte, die Sicherheits- und Datenschutzaspekte aber weitgehend ungeregelt beließ und damit in Konflikt zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art 1 DatenschutzG stand. Im Juni 2013 wurde versucht, die schwersten dieser Mängel durch eine Novelle des Gesetzes zu beheben.

Ein wesentliches Kernelement dieser Reform war die Einführung einer opt-out-Regel: EndbenutzerInnen, welche für sich die bestehenden Risiken und Gefahren höher bewerteten als den potentiellen Nutzen eines intelligenten Messgerätes, sollten ganz im Sinne des auch im Datenschutzgesetz vorgesehenen Zustimmungsprinzips die Gelegenheit erhalten, die Installation eines intelligenten Messgerätes abzulehnen.

Aufgrund der komplizierten technischen Detailregelungen, welche zweckmäßigerweise  durch Verordnung und nicht auf Gesetzesebene zu regeln sind, wurde in § 83 Abs 1 Elektrizitätswirtschafts und –organisationsgesetz ElWOG folgende Formulierung eingefügt:

Im Rahmen der durch die Verordnung bestimmten Vorgaben für die Installation intelligenter Messgeräte hat der Netzbetreiber den Wunsch eines Endverbrauchers, kein intelligentes Messgerät zu erhalten, zu berücksichtigen.

 

Demgegenüber berichtete die Tageszeitung „Wirtschaftsblatt“ am 5.12.2013 unter dem Titel „Smart Meters: Widerstand ist zwecklos“:

 

Laut Wirtschaftsblatt-Informationen gibt es nun Klarheit darüber, wie die Klausel in der Praxis ausgelegt werden soll: „Die Installation von elektronischen Zählern erfolgt flächendeckend, jeder bekommt sie", heißt es in Versorger-Kreisen. Bei Kunden, die die Opt-out-Option gewählt haben, werden die Zähler trotzdem verbaut, die Verbrauchsmessung im Viertelstundentakt aber deaktiviert. Fernabschaltung und -ablesung sind dann aber weiterhin möglich.

Das sei das Ergebnis von Gesprächen mit dem Wirtschaftsministerium über die Auslegung der neuen Klausel.

Dazu ist festzuhalten, dass eine derartige Praxis dem klaren Wortlaut des Gesetzes eindeutig widersprechen würde. Mit der Formulierung „hat … zu berücksichtigen“ in §83 Abs 1 ElWOG ist gesetzlich eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass hier dem Netzbetreiber kein Ermessen eingeräumt sondern ein Ablehnungsrecht der Kunden festgeschrieben wird. Auch der Begriff „Wunsch des Kunden“ kann an diesem Ergebnis nichts ändern, da diese Wendung auch an anderen Stellen des ElWOG gebraucht wird und ausdrücklich gesetzliche Rechte der Kunden bezeichnet. So erwähnt beispielsweise § 84 Abs 5 leg cit den „Wunsch“ des Endverbrauchers, die Werte selbst aus dem Messgerät auslesen zu können, welchem der Netzbetreiber (wie auch in § 83 Abs 1 ElWOG) nachzukommen hat. § 84 Abs 6 ElWOG spricht diesbezüglich ganz eindeutig von einem „Recht“ der Endverbraucher.

Während im ElWOG an anderer Stelle ohnehin festgehalten wird dass den KundInnen auch Tarife zur Verfügung stehen müssen, bei denen keine Übermittlung von Viertelstundenwerten erfolgt (§81 Abs 7 iVm § 84a ElWOG), sollte durch die oben zitierte opt-out Regelung gerade auch jenen Bedenken Rechnung getragen werden, die sich gegen die Sicherheit der Geräte an sich und die immanent bestehende technische Missbrauchsgefahr richten. Die Gefahr eines unbefugten Zugriffs auf die Smartmeter, entweder um eine  Sperre des Stromzugangs zu veranlassen, oder um illegal Nutzungsdaten abzuschöpfen, lässt sich bei einer stattgefundenen Installation der Geräte nicht völlig beseitigen. Wie die Enthüllungen der vergangenen Monate über die illegalen Überwachungspraktiken der NSA und anderer Geheimdienste gezeigt haben, sind solche Befürchtungen durchaus in der Realität verankert.

Es ist daher mehr als befremdlich, wenn in der Tat seitens des Wirtschaftsministeriums den Netzbetreibern eine gesetzwidrige Auslegung nahegelegt worden sein sollte, welche den im parlamentarischen Prozess erzielten Erfolgen im Interesse der Datenschutz- und Sicherheitsbedürfnisse der EndkundInnen diametral zuwiderläuft. Eine wissentlich gesetzwidrige Auslegung könnte hier, da Sie das Grundrecht auf Datenschutz der Betroffenen zu schädigen geeignet ist, sogar den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllen.

Tatsächlich zeigen die hier auftretenden Interpretationsprobleme, dass offenbar detailliertere Regelungen zu den Anforderungen in datenschutzrechtlicher Hinsicht aber auch zur Datensicherheit dringend erforderlich sind. Die Novelle des ElWOG hat hier in § 83 Abs 6 eine Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Wirtschaft im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler eingeführt, aufgrund derer zum Zweck der Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit nähere Bestimmungen zum Stand der Technik festgelegt werden können. Die Erlassung einer derartigen Verordnung wäre daher dringend geboten, bevor die Beschaffungsvorgänge der Netzbetreiber in Angriff genommen werden.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist der Bericht des Wirtschaftsblatts zutreffend, wonach die opt-out-Regel des §83 Abs 1 ElWOG so interpretiert werden soll, dass trotz opt-out-Wunsches des Kunden dennoch ein intelligentes Messgerät installiert werden soll?

2)    Handelt es sich dabei um einen Vorschlag von Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums?

3)    Falls ja: wessen Vorschlag ist diese Interpretation?

4)    Wie begründet sich diese, sowohl dem Wortlaut als auch dem Zweck der Gesetzesbestimmung klar zuwiderlaufende Interpretationsvariante?

5)    Wie soll in diesem Fall die durch die opt-out Möglichkeit u.a. bezweckte Verhinderung illegaler Zugriffe auf die gegen den ausdrücklichen Wunsch der EndverbraucherInnen installierten intelligenten Messgeräte erreicht werden?

6)    Ist Ihnen bewusst, dass die Anleitung zu einer klar gesetzwidrigen Vorgehensweise zum Schaden der betroffenen EndkundInnen den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs erfüllen könnte?

7)    Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um sicherzustellen, dass die vom Nationalrat beschlossene, gesetzlich verankerte opt-out Möglichkeit für StromkundInnen hinsichtlich der Ablehnung der Installation intelligenter Messgeräte auch umgesetzt, und nicht durch Umgehungstechniken wie die im Wirtschaftsblatt geschilderte vereitelt wird?

8)    Wie weit sind Ihre Vorbereitungen für den Erlass einer Verordnung nach § 83 Abs 6 ElWOG zur Gewährleistung von Datenschutz und Datensicherheit gediehen, und wann ist mit der Fertigstellung der Arbeiten daran zu rechnen?