2239/J XXV. GP

Eingelangt am 22.07.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde an den Bundesminister für Justiz

betreffend Verfahrensstand zum Untersuchungsgegenstand Staatsbürgerschaften

BEGRÜNDUNG

 

Die juristische Aufarbeitung des Untersuchungsausschusses zur Klärung von Korruptionsvorwürfen dauert an. Am 8. November 2012 wurde bereits in der Sondersitzung des Nationalrates der Stand der Verfahren erfragt, in einer parlamentarischen Anfrage vom 22.5.2013 wurden die Fragen erneuert. Nunmehr ein Jahr später wird diese Anfrage nach dem Verfahrensstand aktualisiert.

In der Sondersitzung vom 8. November 2012 brachten die Grünen ihren Bericht zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses als parlamentarischen Entschließungsantrag ein. Als Grundlage für die Beantwortung werden im Folgenden die wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Bericht zum Beweisthema 7 – Staatsbürgerschaften nochmals kurz zusammengefasst:

Zusammenfassung der Ergebnisse des Untersuchungsausschusses auf Basis des Berichts der Grünen an den Nationalrat zum Beweisthema 7 – Staatsbürgerschaften

Es gab Hinweise, dass sich ein System gebildet hat, in dem sich wohlhabende Ausländer gegen Leistung von Investitionen und möglicherweise auch Spenden an Parteien oder von diesen namhaft gemachte Vereine die österreichische Staatsbürgerschaft „kaufen“ können. Berühmt geworden ist in diesem Zusammenhang der in einem aufgezeichneten Gespräch vom damaligen Kärntner Landeshauptmannstellvertreter Uwe SCHEUCH geäußerte Satz, wonach die Staatsbürgerschaft bei einer bestimmten Investition „part of the game“ sei.


Normalerweise setzt die Verleihung der Staatsbürgerschaft eine zehnjährige Aufenthaltsdauer in Österreich voraus. Wenn die Bundesregierung mit einem Beschluss bestätigt, dass die Verleihung an den Antragsteller aufgrund von diesem bereits erbrachten oder von ihm noch zu erwartenden Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt, kann sich die Frist verkürzen. Der Beschluss über die tatsächliche Verleihung erfolgt auch in diesem Fall durch die Landesregierung. Die Bundesregierung tritt hier vergleichbar mit einem Gutachter über das „besondere Interesse der Republik“ auf. 

Nach dieser Bestimmung werden etwa Staatsbürgerschaften an Sportlerinnen und Sportler verliehen, die bei Wettkämpfen für Österreich startberechtigt sein sollen, oder an außergewöhnlich begabte Künstlerinnen und Künstler.

Einer der bekanntesten Fälle des mutmaßlichen Staatsbürgerschaftskaufs betrifft jene russischen Sponsoren, die auf Ersuchen des damaligen Landeshauptmannes von Kärnten, Jörg HAIDER, den Formel 1 Auftritt des jungen Fahrers Patrick FRIESACHER sponserten, wofür der Schriftzug „Land Kärnten“ an Anzug und Fahrzeug des Fahrers angebracht werden konnte.

Seit ungefähr dem Jahr 2002 waren die beiden russischen Geschäftsleute bemüht, sich in Österreich anzusiedeln und die Staatsbürgerschaft zu erhalten. Sie waren in der russischen Energiebranche erfolgreich tätig. In Österreich gründeten sie mehrere Holdinggesellschaften, die auch ihre russischen Beteiligungen verwalteten. 

Im Jahr 2004 wurden ihnen über die Vermittlung der ABA (Austrian Business Agency - Ansiedlungsagentur des Wirtschaftsministeriums) mehrere Projekte vorgestellt, und sie entschieden sich, in das Projekt „Blumenhotel“ in St. Veit / Glan zu investieren.

Im Gespräch war zunächst eine Investitionssumme von vier Millionen Euro. Auch das Anliegen, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben, war von Beginn an im Gespräch.

Patrick FRIESACHER bemühte sich für die Saison 2005 in der Formel 1 starten zu können. Vom Team Minardi wurde ein Platz in Aussicht gestellt, Bedingung war aber das „Mitbringen“ von 5 Millionen US-Dollar an Sponsormitteln für die ganze Saison. FRIESACHER sprach auf einer Veranstaltung Jörg HAIDER an, ob dieser ihn bei der Suche nach Sponsoren unterstützen könnte. Schon 2003 hatte das Land einmal 100.000 Euro für FRIESACHER gesponsert. Am 15.2.2005 fand eine Pressekonferenz im Casino Velden statt, bei der der Vertrag zwischen Minardi und FRIESACHER unterschrieben wurde, wobei HAIDER als Zeuge „mitunterschrieb“ .  Der Schriftzug „Land Kärnten“ wurde in weiterer Folge als Werbung auf dem Formel 1 Auto und dem Anzug von Patrick FRIESACHER angebracht. Vereinbart war, dass MINARDI insgesamt 5 Mio USD an Sponsorgeldern erhalten sollte, zahlbar in monatlichen Raten zu je 500.000 USD.   Nachdem die ersten beiden Raten von FRIESACHERs Privatsponsor erbracht worden waren, wäre Anfang März 2005 die nächste Zahlung von 500.000 USD für das Sponsoring fällig gewesen. Da HAIDER aber noch keine Sponsoren gefunden hatte und eine Zahlung aus Landesmitteln nicht möglich war, eröffnete Franz KOLOINI, Protokollchef des Landes Kärnten und enger Mitarbeiter von HAIDER, im Auftrag von HAIDER auf den Namen von FRIESACHER ein Konto bei der Hypo Alpe Adria Bank. Dieser Kontoeröffnungsantrag wurde nie unterschrieben, FRIESACHER vom Konto nie informiert. Von  diesem Konto überwies die Hypo in der Folge in mehreren Tranchen bis Juli 2005 insgesamt 2 Mio USD an Minardi auf Kredit. Dazu gab es Absprachen zwischen HAIDER und dem Hypo-Vorstand Gert XANDER. 

Bereits am 28. Jänner 2005 richtete HAIDER als Landeshauptmann ein Schreiben an die Vertreter der russischen Geschäftsleute, in dem er um ein Sponsoring von FRIESACHER ersuchte. Diese hatten sich daraufhin zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt bereit erklärt, FRIESACHER mit zwei Millionen Euro (später reduziert auf 1,9 Millionen Euro, nicht Dollar!) zu sponsern. In ihren Einvernahmen berichteten sie allerdings, dass ihnen FRIESACHER selbst kein Anliegen war. Es wurde nie ein Sponsorvertrag mit ihnen aufgesetzt, die Sponsern erhielten auch selbst keinerlei werbliche Gegenleistung im Sinne eines Sponsorings. Beworben wurde nur das Land Kärnten durch einen Schriftzug. 

Gleichzeitig mit der Entscheidung FRIESACHER zu „sponsern“ wurde die Investition in das Projekt Blumenhotel von vier auf zwei Millionen Euro reduziert, also genau um den vereinbarten „Sponsoringbetrag“ vermindert. Im Juli 2005 kam es dann zur Überweisung von 1 Mio Euro (nicht Dollar!) von einem Konto eines den Investoren zuzurechnenden Unternehmens auf das „FRIESACHER“-Konto bei der Hypo Alpe Adria. Zu weiteren Zahlungen von der Hypo an Minardi kam es danach nicht mehr, das überwiesene Geld wurde zur Abdeckung des  Saldos verwendet. Es wären aber weitere Zahlungen fällig gewesen, da bisher erst 3 Mio USD der vereinbarten 5 Mio USD an Minardi geflossen waren. Das Fahrer-Engagement FRIESACHER wurde daher mit Mitte der Saison beendet, er konnte nicht mehr in der Formel 1 mitfahren. Eine Gegenleistung für das erbrachte „Sponsoring“ war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. 

Am 1. März 2006 wurde die stille Einlage von zwei Millionen Euro ins Projekt Blumenhotel eingebracht, der Vertrag dazu wurde am 13. März 2006 unterschrieben. Unmittelbar danach wurden  Anträge auf Staatsbürgerschaftsverleihung eingebracht. Darin wurde das „Sponsoring“ für FRIESACHER nicht erwähnt, sondern nur auf das Projekt Blumenhotel Bezug genommen. Die Anträge wurden von der Kärntner Landesregierung dem BMI zur Einholung der Bestätigung der Bundesregierung nach Paragraf 10 Abs 6 Staatsbürgerschaftsgesetz übermittelt. Von dort gingen sie im Haus an Verfassungsschutz (BVT) und Bundeskriminalamt zur Überprüfung und außerdem an das Wirtschaftsministerium zur Abgabe einer Stellungnahme. Am 12. Juni 2006 gab die WKO (Wirtschaftskammer Österreich) vorerst eine negative Stellungnahme ab, die jedoch auf Intervention aus Kärnten abgeändert wurde.

Das positive Gutachten des BMWA erfolgte tatsächlich erst am 14. November 2006.

Die Hypo hatte wiederholt und massiv auf die offene Abdeckung des Saldos am „Friesacher“-Konto gedrängt, war aber immer wieder vertröstet worden. Im August 2005 versprach KOLOINI eine Zahlung bis Mitte September, im Oktober eine Zahlung bis Mitte November. Am 31.1.2006 wurde nach Rücksprache zwischen XANDER und HAIDER ein Kreditrahmen bis 31.12.2006 eingeräumt.  Die Hypo begann daher im Herbst 2006 sich wieder nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.  Gegenüber der Hypo wurde seitens der Mitarbeiter von HAIDER die Verzögerung der aushaftenden  Zahlung ganz offen mit dem noch ausstehenden Beschluss der Bundesregierung über die  Staatsbürgerschaft der Sponsoren begründet. 

Rund um den Jahreswechsel 2006/2007 brach Hektik aus: Nach den für die ÖVP verlorenen Wahlen war absehbar, dass die Regierung SCHÜSSEL nur noch kurz im Amt sein und Anfang Jänner durch die Regierung Gusenbauer abgelöst würde. Da seit der Antragstellung bereits mehr als ein halbes Jahr vergangen war, wurde am 1. Dezember 2006 vom BMI eine neuerliche Überprüfung durch das Bundeskriminalamt angeordnet. Trotz einer negativen Stellungnahme des Innenministeriums hatten die Interventionen Erfolg. Entgegen der Empfehlung der Abteilung III/4 ordnete Kabinettschef Philipp ITA die Vorbereitung der Akten für den Ministerrat mit einer positiven Stellungnahme an und wollte sich persönlich um eine Ergänzung durch das BMWA bemühen. Es ist nach der Aktenlage klar dokumentiert, dass die Vorbereitung der positiven Behandlung der Anträge im Ministerrat sowohl im BMI als auch im BMWA von den jeweiligen Kabinettschefs angeordnet wurde. Im Ministerrat am 10. Jänner 2007 wurde in Folge dieser beiden Ministerweisungen der Beschluss über die Staatsbürgerschaften gefasst.

Bald darauf trafen die Zahlungen der Russen in Kärnten ein. Am 1. Februar 2007 verfügte Franz KOLOINI die Überweisung des nach Abdeckung des offenen Saldos verbleibenden Betrages von 197.000 Euro auf ein extra dafür neu eingerichtetes, auf ihn lautendes Konto bei der Volksbank. Dort behob er noch am selben Tag  37.000 Euro bar, wovon er einen nicht mehr feststellbaren Teil auf zwei anonyme Sparbücher einzahlte. Den Rest übergab KOLOINI in bar an Haider.

Es besteht der Verdacht, dass bewusst schon im Jahr 2005 die Zahlung in Euro vereinbart wurde, während die Zahlungen an Minardi (Formel 1) in USD erfolgten, um aufgrund der Kursdifferenz einen solchen „Überhang“ zu erzeugen.  Am 2. Februar 2007 behob KOLOINI den Rest von  160.000 Euro bar und brachte ihn in einem Kuvert zu Haider, der ihn an sich nahm.  Am 5. Februar 2007 wurden die Staatsbürgerschaften von HAIDER an die beiden „Sponsoren“ verliehen

Nach Beendigung des Untersuchungsausschusses wurden die beteiligten Personen mittlerweile gerichtlich freigesprochen.

Ein weiterer Fall betraf „Förderer“ von Museen. Aufgrund einer Anzeige des ÖVP-Rathausklubs in Wien ermittelte die Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen des Verdachts der verbotenen Intervention gegen den damaligen Direktor der Kunsthalle Wien, Gerald MATT, im Hinblick auf das Bemühen, die österreichische Staatsbürgerschaft für mehrere potentielle Förderer der Kunsthalle zu erlangen.  Aus E-Mails ließen sich versuchte Interventionen MATTs in höchsten politischen  Kreisen nachvollziehen. 

Darüber hinaus ergab sich aus den dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Akten, dass der Rechtsanwalt, der die vier möglichen „Förderer“ und Staatsbürgerschaftswerber an die Kunsthalle zu vermitteln versuchte, zugleich auch weitere 6 bis 7 Personen mit der Albertina und ihrem Direktor Klaus SCHRÖDER in Verbindung brachte. Der Anwalt selbst wollte für die erfolgreiche Vermittlung der Förderer ein Erfolgshonorar von 4% verrechnen. 

In all diesen Fällen kam es zur Stellung von Staatsbürgerschaftsanträgen nach § 10 Abs 6 StGB. In Aussicht gestellt wurde jeweils pro Person eine Fördersumme von 1 bis 2 Mio Euro.  Die Verleihung scheiterte in allen Fällen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. 

Die Anträge „Kunsthalle“ wurden vom Innenministerium dem Kulturministerium zur Prüfung vorgelegt und erhielten keine positive Stellungnahme. Geschickter als MATT agierte offenbar SCHRÖDER bei seinen Versuchen, gute Stimmung zu erzeugen. Obwohl der Sachverhalt bei beiden Gruppen von Antragstellern im Wesentlichen derselbe war,  gab hier das BMUKK eine positive Stellungnahme ab. Bemerkenswert daran ist, dass zu diesem Zweck vom BMUKK eine externe Stellungnahme eingeholt wurde, und zwar ausgerechnet von SCHRÖDER selbst. Alleine dieser Umstand mutet eigenartig an. 

Die Ermittlungen gegen MATT wurden im Dezember 2012 von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

In mehreren Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft wurde schließlich der Verdacht geäußert, dass es rund um einen Sponsor der Salzburger Osterfestspiele ebenfalls zu einem Staatsbürgerschaftskauf gekommen sei. Das Verfahren bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft wurde nach Prüfung der Verwaltungsakten eingestellt, da sich in diesen keine Hinweise auf ein strafbares Verhalten gefunden hätten. 

Aus der für den Untersuchungsausschuss möglichen Gesamtzusammenschau ergab sich ein Hinweis darauf, dass die Verweigerung der Fortsetzung der Zahlungen des Sponsors mit dem Scheitern des Verleihungsverfahrens zusammen hängen könnte: Als Rechtsanwalt trat der bereits aus dem Kärntner Fall bekannte Anwalt auf.  Auch wenn aus dieser möglicherweise nur zufälligen Personenidentität von Beratern nicht auf unzulässige Vorgänge geschlossen werden kann, sind doch die Parallelitäten zwischen den beiden Fällen – insbesondere die verweigerte Auszahlung versprochener Beträge vor positivem Abschluss des Verleihungsverfahrens – augenfällig.  Im Gegensatz zum Fall „HAIDER“ sind allerdings besondere Interventionen der Salzburger Landeshauptfrau hier nicht ersichtlich. 

Soweit anhand dieser untersuchten Fälle festgestellt werden konnte, war nur ein Fall des versuchten Staatsbürgerschaftskaufs von Erfolg gekrönt: der Fall HAIDER. Er stellte auch aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Umstände der in Vorlage getretenen Hypo Alpe Adria Bank eine Besonderheit dar. 

Es lässt sich daher als Befund festhalten, dass ein System des erfolgreichen Staatsbürgerschaftskaufs in Österreich nicht festgestellt werden kann. Das einzige System, das erkennbar ist, hat sich rund um den damaligen Landeshauptmann HAIDER gebildet.

Sehr wohl ist aber festzustellen, dass es offenbar einige Versuche gegeben hat, auf diese Art und Weise durch größere Investitionen oder Förderungen die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Dies dürfte durch einige Personen und Unternehmen gefördert worden sein, die offenbar ein lukratives Geschäftsfeld auf diesem Gebiet eröffnen wollten. 

 

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Einige Verfahren hinsichtlich der geschilderten Vorgänge wurden bereits durch rechtskräftigte Freisprüche bzw. durch Einstellungen beendet. Sind abgesehen davon derzeit weitere Strafverfahren in Zusammenhang mit den vom Untersuchungsausschuss als Beweisthema 7 untersuchten Fällen der Vergabe von Staatsbürgerschaften im besonderen Interesse der Republik anhängig?

2)    Falls ja: wie viele Verfahren und bei welchen Staatsanwaltschaften bzw. Gerichten?

3)    Kamen seit der letzten Anfrage neue Verfahren dazu, und wenn ja, welche?

4)    Welche Teilaspekte werden strafgerichtlich verfolgt?

5)    Gegen wie viele Beschuldigte richten sich diese Verfahren?

6)    Wer sind die Beschuldigten?

7)    Wegen welcher Straftatbestände werden Ermittlungen geführt?

8)    Wie ist der Stand der Verfahren und wann ist mit einer Entscheidung über die Anklageerhebung zu rechnen?