2724/J XXV. GP

Eingelangt am 13.10.2014
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Anfrage

 

der Abgeordneten Alev Korun, Harald Walser, Freundinnen und Freunde an die Bundesministerin für Inneres

betreffend Deutschnachweis trotz inländischer Matura oder Inlandsstudium

BEGRÜNDUNG

 

Seit Jahren werden durch die Verschärfung der Ausländersondergesetze von MigrantInnen gesetzlich immer höhere Deutschniveaus verlangt, wobei bei Nichterfüllung Maßnahmen von Geldstrafen bis hin zur Ausweisung und Abschiebung drohen. Dass dabei völlig absurde Konstellationen auftreten, zeigen zahlreiche Fälle, die uns zugetragen wurden: Personen, die eine österreichische Matura (bei der Deutsch bekanntermaßen ein Pflichtprüfungsfach ist) abgelegt haben, müssen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft dennoch einen gesonderten Deutschnachweis erbringen. Selbst ein Studienabschlusszeugnis – für die Aufnahme eines Studiums ist Deutsch auf dem Niveau B2 Voraussetzung! – wird nicht als Nachweis der Deutschkenntnisse anerkannt.

 

Laut Informationen des Österreichischen Sprachdiploms Deutsch (ÖSD) musste erst kürzlich beispielsweise eine chinesische Staatsbürgerschaftswerberin, die nicht nur ein vollständig in Österreich abgeschlossenes Pharmaziestudium, sondern hier sogar noch ein Doktorratsstudium beendet hat, einen gesonderten Nachweis erbringen, um zu bestätigen, dass sie das erforderliche B2-Sprachniveau für eine Einbürgerung nach §11a Abs. 6 erfüllt. Auch ein hier abgeschlossenes Germanistikstudium wird nicht als Deutschnachweis anerkannt. Selbst die Befähigung zur Abnahme der für eine Niederlassungsbewilligung und Erlangung der Staatsbürgerschaft notwendigen Prüfungen reicht nicht als Nachweis über die erforderlichen Sprachkenntnisse. Das ÖSD berichtet von mehreren derartig gelagerten Fällen pro Monat.

 

Dieser Missstand sorgt für erhebliche Verzögerungen, Mehraufwand, Stress und Verärgerung auf Seiten der betroffenen AntragstellerInnen. Gleichzeitig steigert sich dadurch der bürokratische Aufwand bei den Behörden, die Verfahrensdauer verlängert sich, wodurch dem Staat auch Mehrkosten entstehen. Die Ursache liegt in den zu eng gefassten Gesetzesbestimmungen zur Anerkennung von Deutschkenntnissen im Staatsbürgerschaftsgesetz, wie z.B. §11a Abs. 6 und §10a StbG. Da diese Regelungen zudem unpräzise verfasst sind, gibt es dazu auch eine uneinheitliche Behördenpraxis. So wurde uns etwa von einem restriktiven Vorgehen seitens der MA35 in Wien berichtet und von einem sehr viel pragmatischeren und unterstützenden Vorgehen seitens einer BH im Burgendland.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Ist Ihnen das obengenannte Problem hinsichtlich Nichtanerkennung von inländischer Matura bzw. Studium bei volljährigen EinbürgerungswerberInnen bekannt?

a) Falls ja, seit wann und was haben Sie bisher unternommen, um diesen Missstand zu beheben?
b) Falls nein, was planen Sie zu unternehmen, um diesen Missstand zu beheben und mit welchem Zeithorizont?

2)    Aus welchem Grund wurde beispielsweise das an einer österreichischen Universität absolvierte und abgeschlossene Germanistikstudium einer russischen Staatsbürgerschaftswerberin nicht als gültiger Nachweis für die in § 11a Abs. 6 geforderten B2-Deutschkenntnisse anerkannt?

 

3)    Sie haben Ende Juli via „Die Presse“ bekanntgegeben, dass es einen schriftlichen Hinweis an die Behörden gäbe, der klarstellen sollte, dass eine österreichische Matura als Deutschnachweis anerkannt würde: „Wir werden das jetzt rasch im Vollzug klarstellen“, werden Sie zitiert.[1] Wurde dieser schriftliche Hinweis an die Behörden bereits verschickt?
a) Fall nein, warum nicht?
b) Falls ja, bitte um Angabe des Zeitpunkts und um Beifügung des Dokuments.

4)    Wird ein Studium an einer inländischen Universität/PH/FH ebenfalls als Nachweis der Deutschkenntnisse anerkannt?
a) Fall nein, warum nicht?
b) Falls ja, bitte um Präzisierung: Ab welchem Zeitpunkt (Inskription,.Absolvierung von Lehrveranstaltungen, Abschlüsse, Studienfächer, etc.)

 

5)    Welche Kriterien wurden der Festsetzung des Nachweises der Deutschkenntnisse auf B1- (§10a StbG) bzw. B2-Level (§11a Abs. 6 StbG) zugrunde gelegt?

6)    Was waren konkret die Gründe dafür, dass die zahlreichen Einwände von Seiten der Wissenschaft und von einschlägigen Institutionen und Organisationen bei Einführung bzw. dann Hinaufsetzung der erforderlichen Sprachkenntnisse von A2- auf B1-Niveau, deren Nachweis als high-stake-Prüfungen firmieren, keinerlei Berücksichtigung fanden?

 

7)    Die Auswirkungen von high-stake-Prüfungen sind vielfach wissenschaftlich untersucht worden. Ein Ergebnis davon lautet, dass diese die soziale Selektion verstärken und unter bestimmten Umständen sogar verminderte Leistungen nach sich ziehen können.[2] Auf welche konkreten wissenschaftlichen Resultate stützt sich Ihre Entscheidung, von MigrantInnen und StaatsbürgerschaftswerberInnen genau solche Prüfungen zu verlangen und dann bei Einbürgerungen nach §10a StbG das erforderliche Niveau auch noch von A2 auf B1 hinaufzusetzen?

 

8)    War bei der Erstellung der Regierungsvorlage zum Staatsbürgerschaftsgesetz 2013 die Festsetzung des Nachweises der Deutschkenntnisse auf B1- (§10a StbG) bzw. B2-Level (§11a Abs. 6 StbG) eine Materie, die zuvor evaluiert wurde?

 

9)    Weshalb wurde der Nachweis in § 11 a Abs. 6 StbG nicht gleich geregelt wie die bereits vorher existierende Regelung in § 10a StbG?

 

10) Wie viel kostet derzeit eine Deutschprüfung bei einem im Rahmen des Staatsbürgerschaftsgesetzes zertifizierten Kursträger/Organisation für den

a) B1 Test?

b) B2 Test?

 

11) Weshalb werden beispielsweise Zeugnisse des Goethe Instituts über die Zentrale Oberstufenprüfung (C1-Deutschniveau!) von den österreichischen Behörden im Rahmen des Staatsbürgerschaftsverfahrens NICHT anerkannt?

 

12) Ist Ihnen bekannt, dass es bezüglich der Anwendung der §10a und § 11a Abs. 6 StbG derzeit zu einer unterschiedlichen Handhabung durch die Bezirkshauptmannschaften kommt?

 

13) Was werden Sie gegen den derzeitigen Missstand diesbezüglich, der zu zusätzlichem Behördenaufwand führt, unternehmen?

 

14) Laut §10a, Abs. 4, Z 1 StbG sind alle jene StaatsbürgerschaftswerberInnen vom Nachweis der Deutschkenntnisse ausgenommen, deren Muttersprache Deutsch ist. Wie definiert sich "Muttersprache" und von welchen Kriterien ist eine Anerkennung als "muttersprachlich Deutsch" abhängig?

 

15) Beiliegend finden Sie eine Einreichbestätigung für einen Antrag auf Bewilligung eines Aufenthaltstitels. In dieser Bescheinigung wird u.a. der Nachweis von Deutschkenntnissen auf Niveau B1 verlangt: „Nachweis das erreichtes Diplom gleichlautet mit B1Niveau des europäischen Referenzrahmens vom Österreichischen Integrationsfond bzw. zertifiziertem Kursträger.“ Dass ein offizielles Schreiben, mit dem ein Nachweis von bestimmten Sprachkenntnissen gefordert wird, dermaßen fehlerhaft ist, kann von AntragstellerInnen nur als provokanter Willkürakt empfunden werden und führt zugleich die Intention des Gesetzgebers, den AntragstellerInnen die Wichtigkeit von sprachlichen Kenntnissen zu vermitteln, ad absurdum. Welche Maßnahmen werden Sie treffen, um Peinlichkeiten dieser Art zukünftig zu vermeiden?

 

 

 

 


 

 



[1] http://diepresse.com/home/politik/innenpolitik/3844922/Einburgerung-ohne-Schikane

[2] Vgl. u.a.: Nichols, S. L., Berliner, D. C. (2007): Collateral damage: How high-stakes testing corrupts America's schools. Cambridge, MA: Harvard Education Press.