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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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197. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

 

XXV. Gesetzgebungsperiode

 

Mittwoch, 4. Oktober 2017

 

 


Stenographisches Protokoll

197. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

XXV. Gesetzgebungsperiode               Mittwoch, 4. Oktober 2017

Dauer der Sitzung

Mittwoch, 4. Oktober 2017: 9.09 – 16.32 Uhr

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Tagesordnung

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 19 Absatz 2 der Ge­schäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Auch in Wahlkampfzeiten: Verantwor­tung für Steuermittel und Arbeitsplätze“

2. Punkt: Antrag der Abgeordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthalts­gesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensge­setz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Grenzkontrollgesetz geän­dert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017)

3. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Franz Leonhard Eßl, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundes­gesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird

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Inhalt

Personalien

Verhinderungen .............................................................................................................. 13

Ordnungsruf ................................................................................................................... 37

Geschäftsbehandlung

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2217/A der Abge­ordneten Mag. Christiane Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz – KSG), BGBl. I Nr. 106/2011, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 58/2017, geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen                     14

Verlangen gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf Durchführung einer kur­zen Debatte im Sinne des § 57a Abs. 1 GOG .......................................................................................................... 14


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 2

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christiane Brunner ........................................................................................... 129

Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger ............................................................................... 131

Johann Höfinger ......................................................................................................... 132

Walter Rauch .............................................................................................................. 134

Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber ........................................................................... 135

Michael Bernhard ....................................................................................................... 137

Ablehnung des Fristsetzungsantrages .......................................................................... 138

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2272/A der Ab­geordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung ...............................................................................................  14, 138

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2276/A der Ab­geordneten Dr. Gabriela Moser, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Prüfung gesetzlicher beruflicher Ver­tretungen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................................  14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2277/A der Ab­geordneten Dr. Gabriela Moser, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verkürzung der Stellungnahmefrist bei Rechnungshofprüfungen gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung ...............................................................................................  14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Rechnungshofausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2275/A der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Martina Schenk, Kolleginnen und Kollegen betreffend Präzisierung der Auskunftspflicht gegenüber dem Rechnungshof gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung ........................................  14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den An­trag 1366/A der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Ungleichbehandlung von Frauen in der Berechnung der Notstandshilfe durch Änderung des Arbeitslosenversiche­rungsgesetzes (ALVG), BGBI 1977/609, zuletzt geändert durch das Bundesge­setz BGBI. I Nr. 118/2015, abgeschafft wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsord­nung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Annahme              14, 139

Antrag der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 2305/A der Abgeordneten Erwin Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Angestelltengesetz, das Gutangestelltengesetz, das Entgeltfortzahlungsgesetz, das Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz, das All­gemeine bürgerliche Gesetzbuch, das Landarbeitsgesetz 1984, das Allgemeine So­zialversicherungsgesetz und das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz geän­dert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung .............................................................  14, 139


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 3

Antrag der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kolle­gen, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den An­trag 2309/A der Abgeordneten Ulrike Königsberger-Ludwig, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Behinderteneinstellungsgesetz, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz und das Bundesbehindertengesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Ok­tober 2017 zu setzen – Annahme              14, 139

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, dem Aus­schuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 2308/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Freiwilligengesetz und das Familienlastenausgleichsgesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Ok­tober 2017 zu setzen – Annahme ...............................................................  14, 139

Antrag der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen, dem Aus­schuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 2304/A der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Insolvenz-Entgeltsicherungsgesetz und das Berufsausbildungs­gesetz geändert werden, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen – Annahme ...............................................................  14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2313/A der Abgeordne­ten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, zuletzt geändert durch das Bun­desgesetzblatt BGBl. I Nr. 157/2015, wie folgt geändert wird (WGG-Novelle 2017), gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu set­zen – Ablehnung .........  14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2314/A der Abgeordne­ten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, zuletzt geändert durch das Bun­desgesetzblatt BGBl. I Nr. 157/2015, wie folgt geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung                                                    14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2315/A der Abgeordne­ten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz 1996, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 107/2017, wie folgt geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung .................................................................................  14, 139

Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2316/A der Abgeordne­ten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Maklergesetz 1996, zuletzt geändert durch das BGBl. I Nr. 107/2017, wie folgt geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung .................................................................................  14, 140

Antrag der Abgeordneten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2318/A der Abgeordne­ten Mag. Ruth Becher, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG, BGBl. Nr. 1/1930, geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 10. Okto­ber 2017 zu setzen – Ablehnung ..............................................................................................................  14, 140


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 4

Antrag der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen, dem Aus­schuss für Konsumentenschutz zur Berichterstattung über den Antrag 2284/A der Abgeordneten Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Verbraucherzahlungskontogesetz geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 5. Oktober 2017 zu setzen – Annah­me ................................................................................................................................  14, 140

Antrag der Abgeordneten Elisabeth Hakel, Kolleginnen und Kollegen, dem Kul­turausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2310/A der Abgeordneten Eli­sabeth Hakel, Georg Willi, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Josef Schellhorn, Kollegin­nen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesmuseen-Ge­setz 2002 geändert wird, gemäß § 43 Abs. 1 der Geschäftsordnung eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen – Ablehnung .............................................................  14, 140

Redezeitbeschränkung nach Beratung in der Präsidialkonferenz gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Geschäftsordnung .......................................................................................................... 14

Unterbrechung der Sitzung .......................................................................................... 75

Verlesung der vorgesehenen Fassung eines Teiles des Amtlichen Protokolls die­ser Sitzung durch Präsidentin Doris Bures ............................................................................................ 140

Genehmigung des verlesenen Teiles des Amtlichen Protokolls ................................ 140

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 13

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 13

Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Bil­dungsblockade durchbrechen mit OECD Länderprüfung (2321/A)(E) .......................................................................... 75

Begründung: Dr. Harald Walser ................................................................................... 81

Bundesministerin Mag. Dr. Sonja Hammerschmid .................................................. 86

Debatte:

Mag. Albert Steinhauser .............................................................................................. 90

Mag. Elisabeth Grossmann ......................................................................................... 92

Asdin El Habbassi, BA ................................................................................................ 93

Wendelin Mölzer ........................................................................................................... 96

Mag. Dr. Matthias Strolz ............................................................................................ 100

Sigrid Maurer .............................................................................................................. 102

Mag. Dr. Matthias Strolz (tatsächliche Berichtigung) ................................................ 105

Mag. Andrea Kuntzl ................................................................................................... 106

Dr. Karlheinz Töchterle ............................................................................................. 107

Mag. Gerald Hauser ................................................................................................... 109

Claudia Angela Gamon, MSc (WU) .......................................................................... 111

Julian Schmid, BA ...................................................................................................... 114

Katharina Kucharowits .............................................................................................. 116

Dr. Walter Rosenkranz .............................................................................................. 117

Mag. Helene Jarmer ................................................................................................... 119

Elmar Mayer ................................................................................................................ 120

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ....................................................................... 122


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 5

Gerhard Schmid ......................................................................................................... 124

Leopold Steinbichler .................................................................................................. 125

Entschließungsantrag der Abgeordneten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Deutsch-Klassen für Schüler ohne ausreichende Kenntnis der Unterrichtssprache – Ablehnung  99, 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterrichtsmittel eigener Wahl – Ablehnung .......................................................  104, 128

Entschließungsantrag der Abgeordneten Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrah­mens für elementare Bildungseinrichtungen – Annahme (E 217)................................................................................................. 113, 128

Ablehnung des Selbständigen Entschließungsantrages 2321/A(E) ............................. 128

Verhandlungen

1. Punkt: Erklärung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Nationalrates zum Thema „Auch in Wahlkampfzeiten: Ver­antwortung für Steuermittel und Arbeitsplätze“          ............................................................................................................................... 15

Bundesminister Dr. Johann Georg Schelling ........................................................... 15

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 81 Abs. 1 der Geschäftsord­nung                  15

Redner/Rednerinnen:

Mag. Andreas Schieder ............................................................................................... 19

August Wöginger ......................................................................................................... 21

MMag. DDr. Hubert Fuchs ........................................................................................... 23

Mag. Werner Kogler ..................................................................................................... 24

Mag. Dr. Matthias Strolz .............................................................................................. 27

Kai Jan Krainer ............................................................................................................. 28

Gabriele Tamandl ......................................................................................................... 30

Bernhard Themessl ...................................................................................................... 31

Mag. Judith Schwentner .............................................................................................. 32

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 34

Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................................................. 35

Peter Haubner ............................................................................................................... 36

Dipl.-Ing. Georg Strasser ............................................................................................ 37

Dr. Peter Pilz ................................................................................................................. 38

Mag. Bruno Rossmann ................................................................................................ 39

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 41

Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA ......................................................................... 42

Martina Schenk ............................................................................................................. 44

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 45

2. Punkt: Antrag der Abgeordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Auf­enthaltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Grenzkon­trollgesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) (2285/A)                     47

Redner/Rednerinnen:

Dr. Dagmar Belakowitsch ........................................................................................... 47

Werner Amon, MBA ..................................................................................................... 50

Mag. Alev Korun ........................................................................................................... 52

Otto Pendl ..................................................................................................................... 54


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 6

Dr. Nikolaus Scherak, MA ........................................................................................... 55

David Lasar ................................................................................................................... 56

Barbara Rosenkranz .................................................................................................... 60

Leopold Steinbichler .................................................................................................... 62

Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kollegin­nen und Kollegen betreffend unbedingt erforderliche Neukodifikation des Fremden­rechts – Ablehnung ............  49, 63

Entschließungsantrag der Abgeordneten David Lasar, Kolleginnen und Kolle­gen betreffend: Rückübernahmeabkommen forcieren – straffällige Asylwerber ab­schieben – Ablehnung              58, 63

Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Österreich muss Einwanderung eigenständig kontrollieren. Kein Ausverkauf unserer Souveränität! – Ablehnung ................................................................................................................  61, 63

Annahme des im Antrag 2285/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 62

3. Punkt: Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Franz Leonhard Eßl, Mag. Ge­rald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird (2286/A) .................................................... 63

Redner/Rednerinnen:

Josef A. Riemer ............................................................................................................ 63

Franz Leonhard Eßl ..................................................................................................... 66

Mag. Christiane Brunner ............................................................................................. 67

Dietmar Keck ................................................................................................................ 70

Rupert Doppler ............................................................................................................. 72

Mag. Gerald Loacker .................................................................................................... 73

Bundesministerin Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc ................................................. 73

Entschließungsantrag der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kol­legen betreffend Schutz der kleinen Tierschutzvereine – Ablehnung ..................................................................  65, 74

Annahme des im Antrag 2286/A enthaltenen Gesetzentwurfes .................................... 74

Eingebracht wurden

Berichte ......................................................................................................................... 13

Vorlage 145 BA: Monatserfolg August 2017; BM f. Finanzen

III-431: Bericht über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jahre 2018 gemäß § 9 LWG 1992; Bundesregierung

III-432: Grüner Bericht 2017; Bundesregierung

Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG ................................................................ 14

Aufnahme der Verhandlungen über ein Revisionsprotokoll zum Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteue­rung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen

Anträge der Abgeordneten

Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Bildungsblockade durchbre­chen mit OECD Länderprüfung (2321/A)(E)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 7

Angela Lueger, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Fa­milienlastenausgleichsgesetz 1967 geändert wird (Unterhaltsgarantiegesetz) (2322/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz und das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städ­tebundes geändert werden (2323/A)

Mag. Wolfgang Gerstl, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfassungs­gesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) geändert wird (2324/A)

Mag. Dr. Matthias Strolz, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesverfas­sungsgesetz, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird (2325/A)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Maßnahmen im Zu­sammenhang mit dem Pflegeskandal von Kirchstetten (2326/A)(E)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Verteidigerkostener­satz im Strafprozess (2327/A)(E)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen betreffend Förderung von Architekturwettbe­werben (2328/A)(E)

Dipl.-Ing. Georg Strasser, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Grundsätze für Sozialhilfeleistungen bzw. für Leistungen der bedarfsorientierten Mindestsicherung zur Sicherung des Unterhalts für Kinder ge­regelt werden (Unterhaltszuschussgesetz – UZG) und das Familienlastenausgleichsge­setz 1976 sowie das Einkommenssteuergesetz 1988 geändert werden (2329/A)

Anneliese Kitzmüller, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Gewährung von Vorschüssen auf den Unterhalt von Kindern (Unterhaltsvorschußgesetz 1985 – UVG), BGBl. Nr. 451/1985, geändert wird (2330/A)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausgleichsmaßnah­men für besondere Erschwernisse des Exekutivdienstes im Nachtdienst (2331/A)(E)

Anfragen der Abgeordneten

Mag. Bruno Rossmann, Mag. Dr. Wolfgang Zinggl, Daniela Holzinger-Vogtenhu­ber, BA, Leopold Steinbichler, Ing. Waltraud Dietrich, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Minister-„Datenschutz“ für Stiftungen und steuerflüchtige Konzerne (14052/J)

Otto Pendl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend „Ausbildungssituation der Polizei“ (14053/J)

Katharina Kucharowits, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend minderjährige und unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Einrichtungen des Bundes und der Länder (14054/J)

Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Straftaten von Asylwerbern in Tulln (14055/J)

Dr. Nikolaus Scherak, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Parteiarbeit von Ministeriumsmitarbeitern (14056/J)

Jürgen Schabhüttl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend Vergabe von Bestellungsverträgen im Südburgenland durch die Monopolver­waltung GmbH (14057/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 8

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Mangel an Kinderärzten in der Steiermark (14058/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend drei Babykätzchen in Bio-Mülltonne ausgesetzt (14059/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Mann vergiftet sich durch Haftcreme für die dritten Zähne (14060/J)

Dipl.-Ing. Gerhard Deimek, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend die Wiederbestellung von Ursula Zechner als Sektionschefin im BMVIT (14061/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend finan­zielle Unterstützung von Glaubensgemeinschaften (14062/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Klassenzusammenlegung am BG Babenbergerring (14063/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Kosten im Zusammenhang mit dem geplanten Sicherheitspaket (14064/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Polytechnische Schulen (14065/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Informationskampagne zum Ausbau der Ganztagsschule (14066/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres be­treffend Asyl-Verteilerquartier in Tarvis (14067/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Inte­gration und Äußeres betreffend Asyl-Verteilerquartier in Tarvis (14068/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Schließung von Kleinschulen (14069/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend 400.000 Patienten nahmen unwissend an Studien teil (14070/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend 47 Tierbabys binnen weniger Tage vor steirischem Tierheim aus­gesetzt (14071/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Ärzte fordern ein Verbot von schädlichem Biozid Triclosan (14072/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Ausgediente Pferde getötet und verscharrt (14073/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Förderungen für NGOs und Vereine im Jahr 2016 (14074/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für In­neres betreffend Erstürmung eines Nachtzuges von Udine nach Wien durch Flüchtlinge (14075/J)

Dr. Walter Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten im Zusammenhang mit dem geplanten Sicherheitspaket (14076/J)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 9

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Kosten des Besuchs von Emmanuel Macron am 23. und 24. August 2017 in Salzburg (14077/J)

Christian Hafenecker, MA, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Erstürmung eines Nachtzuges von Udine nach Wien durch Flüchtlinge (14078/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Faschiertes ist stark mit antibiotikaresistenten Keimen belastet (14079/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend immer mehr Kinder haben Bluthochdruck und Gefäßerkrankun­gen (14080/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend kontaminierte Eier in den Niederlanden (14081/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend massive Gefährdung des Schmetterling-Vorkommens in Öster­reich (14082/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend AMA Kinderbuch nach Kritik eingestellt (14083/J)

Ing. Christian Höbart, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung betreffend plötzliche Umbenennung des BORG Guntramsdorf (14084/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend „Finanzamtslandkarte 2016+“ (14085/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend „Begegnungszone“ im Keller der Justizanstalt Graz-Karlau (14086/J)

Christian Lausch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betref­fend Salzburger Swap-Prozess (14087/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend illegale Schächtung in der Steiermark (14088/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Mindesthaltbarkeit von Milchprodukten wird willkürlich festgesetzt (14089/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Österreich hat zweithöchste Todesrate bei Hepatitis C Erkran­kungen (14090/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend rapider Anstieg von Hantavirus-Infektionen (14091/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Schokolade ist extrem mit Mineralöl belastet (14092/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Schweinemastskandal in Kärnten aufgedeckt (14093/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend WHO warnt vor Gonorrhoe-Superkeimen (14094/J)


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Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend dutzende tote Ferkel in Mülltonnen eines südsteirischen Ferkel­zuchtbetriebes entdeckt (14095/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ar­beit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend Neue Fakten rund um die LSE-Stu­die und den Hauptverband (14096/J)

Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Ge­sundheit und Frauen betreffend Läusebefall zu Schulbeginn in Wiener Pflichtschulen und Kindergärten (14097/J)

Mag. Günther Kumpitsch, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Ver­kehr, Innovation und Technologie betreffend Koralmbahnausbau – Droht der Süden von Graz im Verkehr zu ersticken? (14098/J)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Altersfeststellungsverfahren (14099/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betref­fend Kosten der Rechtsberatung und für Rechtsmittelverfahren im Asylverfahren – Wer bezahlt sie und wer profitiert davon? (14100/J)

Dr. Jessi Lintl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Kosten der Rechtsberatung und für Rechtsmittelverfahren im Asylverfahren – Wer bezahlt sie und wer profitiert davon? (14101/J)

Mag. Gerald Hauser, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesund­heit und Frauen betreffend Proteste gegen die geplante EU-Verordnung Acrylamid (14102/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend EU will Acrylamidbelastung verringern (14103/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres betreffend Begünstigung „privilegierten“ Täter und massive Ver­nachlässigung von Opfern durch österreichische Behörden? (14104/J)

Dr. Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend ExpertInnengruppe zum Thema Cannabis auf Rezept (14105/J)

Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend 22 stark abgemagerte Huskys in der Weststeiermark behördlich abgenommen (14106/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend Direktorenbestellung an der HBLA Pitzelstätten (14107/J)

Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung be­treffend Schreiben BRG Wörgl (14108/J)

Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft betreffend Stellenaufstockung in der Stipendienstelle (14109/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Seltsame Ermittlungspraktiken bei steirischem Arzt (14110/J)

Georg Willi, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien betreffend KUZ Mattersburg: Förderzusage trotz Missstands­festellung (14111/J)


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Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen be­treffend „Abschleicher“ aus der Schweiz und Liechtenstein (14112/J)

Mag. Albert Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Lan­desverteidigung und Sport betreffend scharf geschossen mitten im Ortsgebiet – Wen schützt BM Doskozil? (14113/J)

Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz betreffend Pflegeskandal Kirchstetten (14114/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Inneres betreffend Fund illegaler Waffen und Nazi-Devotionalien bei „N.N.“ in Ardag­ger sowie allenfalls rechtswidrige Vorgänge im BMI (14115/J)

Dr. Johannes Jarolim, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Justiz be­treffend Fund illegaler Waffen und Nazi-Devotionalien bei „N.N.“ in Ardagger sowie allenfalls rechtswidrige Vorgänge im BMI (14116/J)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (13124/AB zu 13940/J)

des Bundesministers für Justiz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Aygül Berivan Aslan, Kolleginnen und Kollegen (13125/AB zu 13948/J)

des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber, Kolleginnen und Kol­legen (13126/AB zu 13946/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (13127/AB zu 13947/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (13128/AB zu 13949/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Bruno Ross­mann, Kolleginnen und Kollegen (13129/AB zu 13950/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen (13130/AB zu 13953/J)

der Bundesministerin für Bildung auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (13131/AB zu 13951/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Mag. Alev Korun, Kolleginnen und Kollegen (13132/AB zu 13952/J)

des Bundesministers für Europa, Integration und Äußeres auf die Anfrage der Abge­ordneten Tanja Windbüchler-Souschill, Kolleginnen und Kollegen (13133/AB zu 13954/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Sigrid Maurer, Kolleginnen und Kollegen (13134/AB zu 13956/J)

des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen (13135/AB zu 13955/J)

des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen (13136/AB zu 13959/J)


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des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen (13137/AB zu 13957/J)

des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie auf die Anfrage der Ab­geordneten Asdin El Habbassi, BA, Kolleginnen und Kollegen (13138/AB zu 13960/J)

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Albert Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen (13139/AB zu 13961/J)

der Bundesministerin für Familien und Jugend auf die Anfrage der Abgeordneten Dr. Ha­rald Walser, Kolleginnen und Kollegen (13140/AB zu 13958/J)

des Bundesministers für Finanzen auf die Anfrage der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen (13141/AB zu 13963/J)


 


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09.09.32Beginn der Sitzung: 9.09 Uhr

Vorsitzende: Präsidentin Doris Bures, Zweiter Präsident Karlheinz Kopf, Dritter Präsi­dent Ing. Norbert Hofer.

*****

 


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich eröffne die 197. Sitzung des Nationalrates, die aufgrund eines ausreichend unterstütz­ten Verlangens gemäß § 46 Abs. 6 des Geschäftsordnungsgesetzes einberufen wurde, ein wenig verspätet, weil noch so viele Anträge eingelangt sind, die natürlich überprüft werden mussten.

Die Amtlichen Protokolle der 194., der 195. und der 196. Sitzung vom 20. Septem­ber 2017 sind in der Parlamentsdirektion aufgelegen und wurden nicht beanstandet.

Als verhindert gemeldet sind die Abgeordneten Gessl-Ranftl, Gusenbauer-Jäger, Kirch­gatterer, Mag. Muttonen, Mag. Gisela Wurm, Ertlschweiger, MSc, Jank, Mag. Johan­nes Rauch, Schittenhelm, Hafenecker, MA, Mag. Haider, Jannach, Dr. Karlsböck, Ing. Schellenbacher, Dipl.-Ing. Doppelbauer, Dr. Winter und Dr. Franz.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsidentin Doris Bures: Für den heutigen Sitzungstag hat das Bundeskanzleramt über Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung, welche sich in einem anderen Mit­gliedstaat der Europäischen Union aufhalten, folgende Mitteilung gemacht:

Der Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres Sebastian Kurz wird durch den Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft Dr. Harald Mahrer ver­treten.

09.11.08Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Doris Bures: Hinsichtlich der eingelangten Verhandlungsgegenstände und deren Zuweisungen verweise ich gemäß § 23 Abs. 4 der Geschäftsordnung auf die im Sitzungssaal verteilte Mitteilung.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

A. Eingelangte Verhandlungsgegenstände:

1. Schriftliche Anfragen: 14052/J bis 14116/J

2. Anfragebeantwortungen: 13124/AB bis 13141/AB

B. Zuweisungen:

1. Zuweisungen seit der letzten Sitzung gemäß §§ 31d Abs. 5a, 32a Abs. 4, 74d Abs. 2, 74f Abs. 3, 80 Abs. 1, 100 Abs. 4, 100b Abs. 1 und 100c Abs. 1:

Budgetausschuss:

Monatserfolg August 2017, vorgelegt vom Bundesminister für Finanzen (Vorlage 145 BA)

2. Zuweisungen in dieser Sitzung:

zur Enderledigung im Sinne des § 28b GOG (vorbehaltlich der endgültigen Ent­scheidung des Ausschusses):


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Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft:

Bericht der Bundesregierung über Maßnahmen für die Land- und Forstwirtschaft im Jah­re 2018 gemäß § 9 LWG 1992 (III-431 d.B.)

Grüner Bericht 2017 der Bundesregierung (III-432 d.B.)

C. Unterrichtung gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

Aufnahme der Verhandlungen über ein Revisionsprotokoll zum Abkommen zwischen der Republik Österreich und Irland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen

*****

09.11.21Ankündigung eines Dringlichen Antrags

 


Präsidentin Doris Bures: Der Klub der Grünen hat gemäß § 74a Abs. 2 der Ge­schäftsordnung vor Eingang in die Tagesordnung das Verlangen gestellt, den zum glei­chen Zeitpunkt eingebrachten Selbständigen Antrag 2321/A(E) der Abgeordneten Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Bildungsblockade durchbrechen mit OECD Länderprüfung, dringlich zu behandeln.

Gemäß der Vereinbarung in der Präsidialkonferenz ist beabsichtigt, diesen Dringlichen Antrag um 13 Uhr aufzurufen.

09.11.55Fristsetzungsanträge

 


Präsidentin Doris Bures: Weiters teile ich mit, dass Herr Abgeordneter Mag. Steinhau­ser beantragt hat, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2217/A der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Ferner liegt das von fünf Abgeordneten gemäß § 43 Abs. 3 der Geschäftsordnung ge­stellte Verlangen vor, eine kurze Debatte über diesen Fristsetzungsantrag durchzufüh­ren.

Da für die heutige Sitzung die Behandlung eines Dringlichen Antrags verlangt wurde, wird die kurze Debatte im Anschluss an diese stattfinden.

*****

Weiters liegen fünf Fristsetzungsanträge der Abgeordneten Mag. Steinhauser, Kolle­ginnen und Kollegen (Beilagen E bis I) sowie elf Fristsetzungsanträge von Abgeordne­ten des SPÖ-Klubs (Beilagen J bis T) vor. Die Anträge werden gerade verteilt.

*****

Ich gebe bekannt, dass diese Sitzung von ORF 2 bis 11.30 Uhr live übertragen wird. ORF III wird diese Sitzung in voller Länge übertragen, wobei jener Teil der Sitzung, der über 19.40 Uhr hinausgeht, zeitversetzt gesendet werden wird.

Wir gehen in die Tagesordnung ein.

Redezeitbeschränkung

 


Präsidentin Doris Bures: Zwischen den Mitgliedern der Präsidialkonferenz wurde Kon­sens über Gestaltung und Dauer der Debatten erzielt. Gemäß § 57 Abs. 3 Z 2 der Ge-


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schäftsordnung wurde eine Tagesblockzeit von 2,5 „Wiener Stunden“ vereinbart, so­dass sich folgende Redezeiten für die Fraktionen ergeben: SPÖ und ÖVP je 34, FPÖ 31, Grüne 26 und NEOS 14 Minuten.

Gemäß § 57 Abs. 7 der Geschäftsordnung beträgt die Redezeit für die gesamte Tages­ordnung von jenen Abgeordneten, die keinem Klub angehören, je 7 Minuten. Darüber hinaus wird deren Redezeit auf 5 Minuten je Debatte beschränkt.

Weiters wurde zu Tagesordnungspunkt 1 vereinbart, dass sich die Rednerreihenfolge nach der Fraktionsgröße bestimmt.

Wir kommen sogleich zur Abstimmung über die soeben dargestellten Redezeiten.

Ich bitte jene Damen und Herren Abgeordneten, die diesem Vorschlag zustimmen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist einstimmig angenommen.

09.14.281. Punkt

Erklärung des Bundesministers für Finanzen gemäß § 19 Absatz 2 der Geschäfts­ordnung des Nationalrates zum Thema „Auch in Wahlkampfzeiten: Verantwor­tung für Steuermittel und Arbeitsplätze“

 


Präsidentin Doris Bures: Wir gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung.

Im Anschluss an diese Erklärung wird im Sinne des § 81 der Geschäftsordnung ent­sprechend dem vorliegenden Verlangen von fünf Abgeordneten eine Debatte darüber stattfinden.

Ich begrüße die Mitglieder der Bundesregierung und erteile Ihnen, Herr Finanzminister, nun das Wort. – Bitte.

 


9.15.07

Bundesminister für Finanzen Dr. Johann Georg Schelling: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Geschätzte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vor den Bildschirmen! (Rufe bei der FPÖ: Ein bisschen lauter!) Ich wende mich heute mit dieser Erklärung an Sie alle nicht nur als Finanzminister, der die finanziell angespannte Lage dieser Republik sehr genau kennt – und ich gehe davon aus, dass auch Sie alle diese Lage genau kennen; wir hatten viele Diskussionen in den Sitzungen des Budgetausschusses darüber, in de­nen das ganz klar dargestellt wurde –, sondern ich wende mich an Sie auch als Staats­bürger in der Erkenntnis, dass es auch einen Tag nach der Wahl gibt und dass wir auch am 16. Oktober diese Republik in eine gute Zukunft führen werden müssen.

Ich wende mich an Sie aber auch – und das erlebe ich sehr intensiv – als Großvater, dem bewusst ist, dass all das, was jetzt beschlossen wird und budgetbelastend ist, die Generation unserer Kinder und Enkelkinder finanzieren und bezahlen wird müssen. Da­her habe ich mich dazu entschlossen, diese Erklärung abzugeben, weil wir das, was wir eigentlich immer selbst sagen – nämlich auf die zukünftige Generation zu schauen und den Staat enkelfit zu machen (Abg. Strolz: „Enkelfit“ hat er gesagt!) –, nicht nur als Lippenbekenntnisse sehen sollten, sondern tatsächlich auch danach handeln sollten. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Bitte, ja mein Appell und mein ehrli­ches Anliegen sind: Bitte fassen Sie heute und bei der noch ausstehenden Sitzung die­ses Nationalrates keine Beschlüsse mehr, die dem Staatshaushalt neue Kosten aufbür­den! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Den ÖVP-Schuldenhaufen der letzten 30 Jahre noch größer machen!) – Da alleine heute wieder 16 Anträge eingebracht werden, wer­de ich noch kurz aus der Erfahrung der letzten Sitzung berichten.


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Ich habe in diesem Wahlkampf von allen Parteien gehört, dass es ihnen bewusst sei, dass die Österreicherinnen und Österreicher vom herrschenden alten Politstil genug ha­ben. (Abg. Belakowitsch: Aber!) Und alle haben gesagt: Machen wir es doch anders! (Abg. Korun: Sie waren 30 Jahre in der Regierung!) – Sie sind die Ersten, die hier jetzt mit Zwischenrufen brillieren. Machen wir es doch anders!, war doch Ihre Aufforderung. Sie können heute beweisen, ob Sie diese Ankündigung: Machen wir es doch anders!, tatsächlich ernst meinen. (Beifall bei der ÖVP.)

Beschließen wir in diesem Hohen Haus nicht in letzter Minute Wahlzuckerl, die in der Wahlauseinandersetzung nicht helfen, aber auf viele Jahre hohe Kosten verursachen!

Dieser Stil, meine sehr geehrten Damen und Herren – viele von Ihnen werden sich noch daran erinnern –, hat eine unrühmliche Geschichte. Erinnern Sie sich an den Septem­ber 2008, als wir in einer Nationalratssitzung Milliarden an Belastungen beschlossen haben! Damals war auch ich Mitglied dieses Hohen Hauses und habe die Dramatik je­ner Sitzung im freien Spiel der Kräfte mitbekommen. Ich habe mich auf die Frage, ob ich das Amt des Finanzministers übernehmen würde, gerne dazu bereit erklärt, auch mit großem Engagement, aber auch vor dem Hintergrund, dass ich darauf vertraue, dass ich dafür stehe und auch alle auffordere und bitte, dass wir das nicht mehr wiederho­len, was 2008 passiert ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Manche haben ja diese Sitzung als „Stern­stunde des Parlaments“ bezeichnet. (Abg. Steinhauser: Genau! Freie Mehrheiten!) Ich sehe das deutlich anders (Abg. Hauser: War die Erhöhung der Familienbeihilfe schlecht?), denn alleine der Umstand, dass wir damals eine Art Geldverbrennungsaktion gemacht haben, hat dazu geführt, dass alle hier im Parlament vertretenen Parteien, die damals dabei waren, gesagt haben: Nie wieder! Das wollen wir nicht wiederholen. Nicht alle – wie heute die Anträge auch zeigen – haben sich daran gehalten. (Abg. Brunner: Aber ist es nicht schlimmer, wenn die Regierung die ganze Zeit gar nichts macht?!) – Frau Kollegin, Sie können sich ja gerne dann zu Wort melden und Ihre Meinung dazu kund­tun. Sie sind ja auch ein Treiber dessen, was die Kostenlage anlangt. (Abg. Schieder: Das ist hier unsere Geschäftsordnung! Halten Sie Ihre Erklärung, aber tun Sie da nicht Abgeordnete maßregeln!)

Ich habe überhaupt niemanden abgemahnt, ich habe Sie aufgefordert ... (Abg. Schie­der: Aber das ist nicht Ihre Aufgabe! – Unruhe im Sitzungssaal.) – Herr Klubobmann Schieder, ich habe alle gebeten, ihre Redebeiträge dann abzugeben und ihre Sicht der Dinge zu bringen. (Abg. Krainer: Um das kümmert sich schon noch die Präsidentin!) Sie können ja gerne sagen, Herr Klubobmann Schieder, dass Sie dagegen sind, das ist ja alles kein Problem. (Abg. Schieder: Sie sind hier Gast im Haus! – Zwischenruf des Abg. Heinzl.)

Tatsächlich sind alle meine Warnungen und meine Bitten im Wesentlichen verhallt, un­gehört verhallt, und daher waren es aus meiner Sicht so etwas wie leere Kilometer, was wir derzeit versuchen, denn die Anträge, die heute und vermutlich später noch kommen werden, sind genau das Gegenteil von dem, was wir eigentlich besprochen hatten.

Nun, niemand oder nur wenige haben das unterstützt. Sebastian Kurz hat sich zu Wort gemeldet und gesagt, er komme aus dieser Generation. (Abg. Schimanek: Wo ist er denn? – Ruf bei der FPÖ: Er ist ja nie da!) Er hat zwei meiner Vorschläge aufgegriffen: Der eine Vorschlag ist eine Schuldenbremse in der Verfassung und der zweite Vor­schlag ist, dass wir ein Gesetz beschließen, dass nach Beschlussfassung über die Auf­lösung des Nationalrates – außer es sei Gefahr im Verzug – keine budgetrelevanten Beschlüsse mehr umgesetzt werden sollen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brosz: Parla­mentsknebelungsantrag! – Zwischenruf des Abg. Kickl.)

Die Generation, die nach uns kommt und die wir so oft adressieren, kann, glaube ich, diese Sonntagsreden, dass wir Österreich enkelfit machen wollen, nicht mehr hören. Ich


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mache darauf aufmerksam, dass das Budget durch die Beschlüsse des Jahres 2008 mit 4 Milliarden € nachhaltig belastet ist. Das sind Mittel, die wir dringend woanders bräuchten. (Abg. Kickl: Was hat Ihre Grenzöffnung gekostet?! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Die Frage der Schuldenbremse in der Verfassung ist auch eine Frage der Glaubwür­digkeit, nämlich wie wir in Zukunft mit dem Budget umgehen. Viele von Ihnen haben sich zu Wort gemeldet und gefragt, warum denn Österreich keine Überschüsse und Deutschland so hohe Überschüsse hat. Viele von Ihnen sehen das als positives Bei­spiel. Der wesentliche Grund dafür, warum das in Deutschland so ist, ist eine Schul­denbremse in der Verfassung, die für alle Gebietskörperschaften gilt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Fragestellungen, die wir hier haben, deu­ten alle darauf hin, dass wir eine Art Wahlkampf mit Steuergeld führen. (Abg. Bela­kowitsch: Geh, wirklich?!) Daher bitte ich Sie wirklich nochmals: Versuchen Sie, Ihre Verantwortung wahrzunehmen! Versuchen Sie, die Verantwortung jedes Einzelnen wahr­zunehmen, dass wir das nicht mehr machen! (Abg. Belakowitsch: ... das ist auch Steu­ergeld!)

In der letzten Sitzung – ich habe das kurz erwähnt – sind in Summe Anträge einge­bracht worden, die eine Belastung von ungefähr 1,2 Milliarden € ausgelöst hätten. Jetzt kann man sagen, die Anträge sind nicht angenommen worden, aber ich möchte Ihnen einen Vergleich vorlegen: 1,2 Milliarden € sind mehr, als das gesamte Gesundheits­budget in Österreich beträgt. Und wenn wir darüber diskutieren, Zukunftsinvestitionen zu machen, dann sollten wir wissen, dass wir diese Mittel dringend für Investitionen brauchen, zum Beispiel ins Breitband, das von allen gefordert wird, wofür – nur um ei­nen Vergleich zu bringen – im aktuellen Budget 110 Millionen € enthalten sind. Daher noch einmal mein Appell: Tun Sie das, was 2008 passiert ist, nicht! (Abg. Weninger: Schwache Abschlussrede! – Abg. Schimanek: Wer hat das damals beschlossen?!)

Ich glaube, dass in vielen Bereichen nur Minimalkompromisse zustande kommen, die wird aber niemand – und schon gar nicht die Bürgerinnen und Bürger – als großen Wurf betrachten. Es standen vier Jahre zur Verfügung, um diese Beschlüsse ernsthaft und mit allen Konsequenzen zu diskutieren, und jetzt sollen sie in der letzten Minute in so einer Husch-Pfusch-Art über die Bühne gehen. Nichts von dem, was Sie heute zu beschließen haben oder beschließen wollen, ist so dringlich, dass es nicht dem nächs­ten Nationalrat nach einer konstituierenden Sitzung übertragen werden könnte – ordent­lich durchdacht, auf zukünftige budgetäre Auswirkungen überprüft, mit ordnungsgemä­ßer Begutachtung und solider Gegenfinanzierung. (Abg. Kickl: Ah so! Wie war das beim Sicherheitspaket?!) Glauben Sie mir: Die Menschen wissen, dass diese Schnell­schussaktionen in letzter Minute dem Wahlkampf geschuldet sind, aber nicht der Zu­kunft dieses Landes. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie wissen auch, dass es, glaube ich, von den Bürgerinnen und Bürgern nicht honoriert wird, wenn wir die letzten Sitzungen in dieser Legislaturperiode (Abg. Schwentner: Ar­beiten!) zu einem Ausverkauf machen – und zwar zu einem Ausverkauf des Menschen­verstandes –, der auf die Bürger wirkt, denn die erwarten sich von uns Verantwortung. Sie sind die gewählten Vertreterinnen und Vertreter dieser Bürger; machen Sie sich be­wusst (Zwischenrufe der Abgeordneten Kickl, Pirklhuber und Steinbichler), dass die­ser Ausverkauf nicht mit zusätzlichen Wählerstimmen, sondern mit der Zukunft und den Schulden des Landes bezahlt wird.

Wir sollten nicht davon reden, diese Dinge zu tun, sondern danach handeln! Hier ist mein Appell an die Verantwortung dieses Hohen Hauses: Fassen wir daher einen Be­schluss für das Gesetz einer Schuldenbremse in der Verfassung! Das Beispiel Deutsch­land zeigt, dass es das geeignete und beste Mittel ist, um den Staatshaushalt zu steu­ern und zu konsolidieren. Fassen wir den Beschluss für ein Gesetz, dass nach Be-


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schlussfassung über die Auflösung des Nationalrates keine Beschlüsse, die Auswir­kungen auf das Budget haben, mehr gefasst werden dürfen und dass alle anderen Ge­setzesvorlagen, die dieses Hohe Haus beschließen soll, verpflichtend einer ordentli­chen Begutachtung unterworfen werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Damit zeigen wir Verantwortung für dieses Land, damit zeigen wir Verantwortung ge­genüber den Bürgerinnen und Bürgern. Und ich bin mir sicher, Sie als Vertreter erleben im Wahlkampf draußen mit, dass die Bürgerinnen und Bürger diese Verantwortung von Ihnen verlangen. Wenn wir das gemeinsame Ziel haben, Österreich zurück an die Spit­ze zu führen, dann sollten wir uns durch jetzt gefasste Beschlüsse, die langfristig und nachhaltig das Budget belasten, diese Chancen auf diesem Weg nicht verbauen, son­dern diesen Weg konsequent beschreiten.

Ich glaube, dass es auch richtig war, die Entscheidung zu treffen, dass in einer auf­rechten Koalition keine gegenseitige Überstimmung stattfinden sollte. Ich glaube, es ist richtig, dass man sich daran hält, auch wenn es für andere offensichtlich nicht richtig erscheint. Ich weiß, dass die Versuchung groß ist, und ich bestätige Ihnen hier ganz offiziell, dass auch aus den Ressorts, die von der ÖVP geführt werden, solche Wün­sche an mich herangetragen werden. Ich kann Ihnen versichern, sie werden genauso wie alle anderen Ansuchen, mit denen an mich herangetreten wird, im Hinblick auf ihre Budgetrelevanz behandelt. (Abg. Kickl: Es gäbe sogar Anträge, womit man sparen könnte! – Abg. Pirklhuber: Stillstand verwalten ist auch keine Politik! – Zwischenruf des Abg. Steinhauser.)

Es ist meine Verantwortung, mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger sorgsam umzu­gehen. Sie sollten sich nicht nur heute, sondern immer bewusst machen, dass die Quelle allen Geldes die Bürgerinnen und Bürger sind, von denen Sie gewählt wurden und de­nen gegenüber Sie verantwortlich sind. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kickl: Ihnen sollte man das auf die Schreibtischunterlage schreiben!)

Alle Parteien haben in ihren Programmen auch das Thema Steuer- und Abgabenquote verankert, und alle wollen, dass die Steuer- und Abgabenquote sinkt. Jede Million, die Sie heute beschließen, verbaut den Weg, dass Sie mit Ihren eigenen Programmen die­ses Ziel realisieren können, wie auch immer die nächste Bundesregierung zusammen­gesetzt sein wird. (Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Kickl.)

Haben Sie sich eigentlich – und da gibt es für mich eine klare Antwort – die Frage ge­stellt, ob Sie die heute erwarteten Anträge auch ohne Wahlkampf eingebracht hät­ten? – Meine klare Antwort ist: Nein! Glauben Sie, dass dieses Spiel, dass es hier um Wahlzuckerltaktik und nicht um nachhaltige Beschlüsse geht, nicht längst von den Bür­gerinnen und Bürgern durchschaut wird? Wenn Sie mir nicht glauben, dann erinnere ich Sie daran, dass alle renommierten Wirtschaftsforscher dieses Landes, der Gouver­neur der Nationalbank, die internationalen Organisationen bis hin zu den Ratingagen­turen, dass alle dringend davor gewarnt haben, Beschlüsse zu fassen, die das Budget belasten, um die Konsolidierung des österreichischen Haushalts nicht zu gefährden. Also wenn Sie es mir nicht glauben, dann glauben Sie doch bitte diesen Experten! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Steinhauser: Tun Sie nicht so dramatisieren!)

Ganz ehrlich gesagt halte ich die Aufforderung von einem Experten, man sollte einen Wandertag statt einer Plenarsitzung machen, nicht für angebracht. Ich halte das für nicht angebracht! Aber stellen wir doch das Vertrauen in die Politik wieder her, indem wir uns verantwortungsvoll verhalten! (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Sie haben es in der Hand, diesen Entwürfen zuzustimmen und keine weiteren Maßnahmen zu be­schließen. (Abg. Brosz: Die nächstwöchige Sitzung sagen wir ab!) Wir engen das Bud­get der Zukunft durch unvernünftige, übereilte Beschlüsse enorm ein, und wir verhin­dern für jeden zukünftigen Finanzminister, wer immer das ist, aber auch für das Parla­ment und die Bundesregierung, dass wir für die Zukunft gestalterische Spielräume, die


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wir dringend brauchen, haben. Viele lange Jahre werden die Nachfolger unter diesen Beschlüssen zu leiden haben.

Ich darf Ihnen sagen, dass unser Budget durch die Beschlüsse aus dem Jahr 2008 heute – ich habe das schon erwähnt – mit 4 Milliarden € belastet ist. Wenn man die Steuer- und Abgabenquote senken will, dann sollte man davor nicht die Kosten erhö­hen, um die Spielräume einzuengen. (Abg. Brosz: Dann sollten wir sagen, wen das treffen wird! – Abg. Steinhauser: ... Ihrer Fraktion! Zu wem reden Sie?! – Abg. Kickl: Da darf er nicht reden!)

Dabei machen Sie mit diesen Dingen nicht einmal mehr politisches Kleingeld, sondern Sie hinterlassen mit diesen Entscheidungen einen budgetären Scherbenhaufen. (Zwi­schenrufe der Abgeordneten Brosz, Kogler und Krainer.) Darum bitte ich Sie noch einmal eindringlich: Erinnern Sie sich an Ihre Verantwortung als Volksvertreter, schal­ten Sie nicht aus wahltaktischen Gründen Ihr Gewissen und Ihre Vernunft aus!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Denken Sie an das Land und die Menschen, für die Sie Verantwortung tragen, und handeln Sie auch danach! – Vielen Dank. (An­haltender Beifall bei der ÖVP.)

9.30


Präsidentin Doris Bures: Wir gehen nun in die Debatte über die Erklärung des Herrn Finanzministers ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Mag. Schieder. – Bitte.

 


9.30.58

Abgeordneter Mag. Andreas Schieder (SPÖ): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Finanzminister, das war ein interessantes Schauspiel, was Sie da ab­geliefert haben (Abg. Steinhauser: Na ja! – Abg. Belakowitsch: Interessant war’s we­niger!), aber vielleicht hat es ja auch damit zu tun, dass gestern im Fernsehen schon Ihr Nachfolger aufgetreten ist und dass Sie sich jetzt gedacht haben: Jetzt muss ich mir noch einmal im Parlament einen Fehltritt leisten. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Um Ih­nen das auch einmal ganz offen und ehrlich zu sagen: Es ist nicht die Aufgabe des Fi­nanzministers, das Parlament zu maßregeln! (Abg. Steinhauser: Genau!) Es ist nicht die Aufgabe des Finanzministers, über die Verfassung drüberzuspringen und alle hier für blöd zu verkaufen – wirklich nicht, Herr Finanzminister! (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der FPÖ. – Bravorufe bei der FPÖ. – Rufe bei den Grünen: Ge­nau!)

Vielleicht ist es aber schon ein gewisser Vorgeschmack, wie Ihr Demokratieverständnis dann sein wird, wenn die totale Machtübernahme der neuen ÖVP stattgefunden haben wird. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Ehrlich gesagt kann man sich das ja so nicht gefal­len lassen, dass ein Finanzminister 183 frei gewählten Abgeordneten alles aberklärt, was parlamentarische Rechte sind. – So nicht, Herr Finanzminister! (Beifall bei SPÖ, Grünen und NEOS. – Ruf bei der ÖVP: Silberstreifen!)

Ehrlich gesagt: Wenn es Ihnen um Ihre Arbeit geht, dann wäre es gescheiter gewesen, Sie hätten den Mut gehabt, sich in der Plenarsitzung nächste Woche hierherzustellen, um einfach einen Budgetvorschlag vorzulegen. (Ruf bei der FPÖ: Richtig!) Aber das machen Sie auch nicht, weil ja Ihr Sebastian Kurz gesagt hat, wir müssen Neuwahlen haben – und wir sind jetzt da, wo wir sind! Also bitte, Herr Finanzminister, nehmen Sie den Mund nicht so voll, wenn Sie in dieser Frage auch selbst genug Dreck am Stecken haben. (Beifall bei SPÖ und Grünen. – Abg. Rädler: „Dreck am Stecken“!)

Für uns Sozialdemokraten ist die beste Budgetpolitik übrigens Wachstumspolitik, das heißt, zu schauen, dass die Wirtschaft wächst und Chancen wieder entstehen; und en­kelfitte Politik ist Bildungspolitik, das heißt, Chancen für die jungen Leute zu errichten.


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In diesem Zusammenhang war übrigens der Beschluss von 2008, die Studiengebühren abzuschaffen, kein Fehler, wie Sie das sagen, Herr Finanzminister, sondern ein Vorteil für unsere Jugend, den sie bis heute immer noch hat. Das, was Sie wieder einführen wollen, was in Ihrem Wahlprogramm steht, ist eine doppelt so hohe Studiengebühr wie jene, die wir damals abgeschafft haben. Das sage ich nur, damit die Studierenden ein­mal wissen, was ihnen droht, wenn der Langzeitstudent Sebastian Kurz die Macht in diesem Land übernimmt. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Omafit, dieses Wort hätte ich mir einmal erwartet (Zwischenruf bei der ÖVP), denn oma­fit heißt sichere Pensionen. Was sagen Sie dazu? – Geld verbrennen. Na, das werden sich die Pensionisten in diesem Land gefallen lassen, dass der Opa Schelling sagt, si­chere Pensionen sind Geldverbrennung. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schel­ling.) Na pfiat di Gott, das ist eine interessante Herangehensweise. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf des Abg. Berlakovich.)

Wofür wir eintreten – nur damit das klar gesagt ist –: Wir haben sieben Punkte veröf­fentlicht, nämlich unter anderem 3 Milliarden € weniger Steuern auf Arbeit, damit Schluss ist mit Steuerprivilegien und Sonderrechten für Großkonzerne und damit die Arbeit ent­lastet wird. Wir haben gesagt: 1 500 € steuerfrei und einen Mindestlohn ab 1 500 € ab 2019. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Wir wollen einen Rechtsanspruch auf Ganztags- und Kinderbetreuung. Wir wollen 5 000 Lehrer mehr; und wir brauchen auch 2 500 Poli­zisten mehr, Herr Innenminister. Wir wollen die Pflegefinanzierung sicherstellen und das übrigens auch durch eine gerechte Erbschaftssteuer ab 1 Million € finanzieren. Viele Menschen in diesem Land würden sich wünschen, dass sie so viel erben, dass sie überhaupt Erbschaftssteuer nach unserem Modell zahlen müssten. Zudem fordern wir sichere Pensionen für alle statt Pensionsprivilegien für wenige und eine moderne Ver­waltung. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Wenn man sich auf der anderen Seite das ÖVP-Programm anschaut – was übrigens ir­gendwie wie eine Gruppenarbeit zwischen Schelling und Kickl ausschaut, so wie ich es lese, denn komischerweise haben ÖVP und FPÖ dasselbe Wirtschaftsprogramm, was diese 14 Milliarden € betrifft; das ist Sand-in-die-Augen-Streuen! (Abg. Kickl: Wenn, dann das gleiche, nicht dasselbe!) –, dann kommt man drauf – auch dann wenn man liest, was Ihre Berater wie die Industriellenvereinigung immer so veröffentlichen –, dass dann ein Megasparprogramm und Sozialabbauprogramm auf uns zukommen wird. Das ist die Warnung vor Schwarz-Blau. (Abg. Kickl: Ah!) Mit Schwarz-Blau werden die Pen­sionen gekürzt, werden die sozialen Sicherheiten gekürzt (Zwischenrufe bei der FPÖ), und man kann das alles schon jetzt in den Wahlprogrammen von Schwarz und Blau le­sen, die miteinander, voneinander abgeschrieben haben, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kickl: Silberstein-Modus! – Abg. Neubauer: Sie lassen von Silberstein schreiben!)

Aber es gibt ja durchaus auch Vorschläge, die nichts kosten, zum Beispiel die Anglei­chung in den Rechten von Arbeitern und Angestellten. Letztes Mal hier im Nationalrat ist eine Fristsetzung beschlossen worden. Die Einzigen, die nicht mitgestimmt haben, waren die ÖVPler, obwohl das der ÖVP-Guru Sebastian Kurz in seinem Wahlpro­gramm groß versprochen hat. Was ist denn da? – Es kostet nicht einmal etwas, und trotzdem macht ihr es nicht!

Das Gleiche gilt beim Verbot von Glyphosat, also einem einfachen Nein in der Europäi­schen Union zu Glyphosat. Wer hat sich geweigert? – Der Umweltminister Rupprech­ter. Das kostet auch nichts, es ist einfach gratis und trotzdem sinnvoll. (Zwischenruf des Abg. Schultes.) Vielleicht könnten Sie sich einmal dafür einsetzen, anstatt uns hier mit Ihren Reden auch irgendwie zu nerven.

Zur Unterhaltsgarantie, nur weil wir beim Thema Worthalten sind: Im Fernsehen hält Sebastian Kurz das Ja-Taferl rauf, damit die Unterhaltsgarantie – eine langjährige For-


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derung – endlich eingeführt wird. Was schlägt er jetzt vor? – Dass man nur dann eine Unterhaltsgarantie bekommt, wenn man auf sein ganzes Vermögen verzichtet. Das ist ehrlich gesagt auch keine redliche Politik. (Zwischenruf des Abg. Neubauer.) Das ist genau das, was die Bürger bis obenhin satthaben: Ihre Belehrungen, Herr Finanzminis­ter, Ihre Vorgehensweise und Ihre Sozialabbauprogramme, die jetzt schon im Wahlpro­gramm stehen. Dazu braucht es ein Nein, und das Nein kann nur ein Ja zur SPÖ hei­ßen – damit Sie es auch einmal wissen! (Beifall bei der SPÖ. – Oh-Rufe bei der ÖVP. – Abg. Rädler: Eine Silberstein-Rede war das!)

9.37


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Wö­ginger. – Bitte.

 


9.37.11

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Herr Kollege Schieder, ich würde mir in Ta­gen wie diesen gut überlegen, wie man hier an das Rednerpult tritt. (Abg. Brosz: Das sollte man dem Schelling sagen! – Zwischenrufe bei der FPÖ.) Es ist nämlich so: Wenn man im Glashaus sitzt, soll man nicht mit Steinen werfen! (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist Ihre Fraktion, meine Damen und Herren, es ist die SPÖ (Abg. Pirklhuber: ... Schnö­selpolitik!), die derzeit dafür verantwortlich ist, dass wir, was das politische Image an­belangt, einen absoluten Tiefpunkt in Österreich erreicht haben. Das sollte zu Beginn dieser Debatte auch erwähnt werden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Ich danke dem Finanzminister für seine Initiative, dass er heute, elf Tage vor einer Na­tionalratswahl, hier noch einmal einen Aufruf an die 183 Abgeordneten tätigt, dass wir unsere Verantwortung letzten Endes auch wahrnehmen. (Abg. Brosz: Parlamentskne­belungsantrag! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.)

Wir von der Volkspartei haben seit dem Zeitpunkt, als klar war, dass es Neuwahlen ge­ben wird – und diesen Antrag haben wir hier gemeinsam beschlossen –, immer klar fest­gehalten, dass wir bereit sind, noch Punkte abzuarbeiten, die wir gemeinsam ausgear­beitet haben (Abg. Brosz: Aber nur die, die euch passen! – weitere Zwischenrufe bei den Grünen), dass wir aber keine Beschlüsse mehr haben wollen, die budgetschädlich sind. Wir haben uns auch darauf verständigt, dass wir unseren Koalitionspartner nicht überstimmen werden. (Abg. Brosz: Welchen Koalitionspartner?) Das halten wir auch ein, meine Damen und Herren, weil es gegenüber der Bevölkerung unverantwortlich wä­re. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf des Abg. Bösch.)

Wir wollen auch keine Husch-Pfusch-Aktionen! Und, Herr Kollege Schieder, bei allen anderen Gesetzen wird während einer Legislaturperiode darauf gepocht, dass es or­dentliche Begutachtungen gibt, dass die Sozialpartner auch bei wichtigen Materien ein Mitspracherecht haben (Abg. Schwentner: Aber wenn Sie fünf Jahre nichts getan ha­ben!); und jetzt soll man innerhalb weniger Tage hier Gesetze durchpeitschen, die weit­reichende Veränderungen auch im gesellschaftlichen Leben, auch im wirtschaftlichen Leben und auch für die Menschen in Österreich haben. (Abg. Schieder: Das war ja der Schelling!) Meine Damen und Herren, da machen wir von der Volkspartei schlicht und einfach nicht mit! (Beifall bei der ÖVP.)

Warum machen wir bei diesen Aktionen nicht mit? – Weil wir den 24. September 2008 noch in schlechter Erinnerung haben. (Abg. Schimanek: ... Familienbeihilfe ... das war ja nichts Schlechtes!) Ja, es ist richtig, auch wir haben damals bei einigen Gesetzesbe­schlüssen mitgestimmt. Und wissen Sie warum? – Weil es hier herinnen vier Tage vor einer Wahl, wie es damals war, leider Gottes wie am Basar ist. Man versucht, sich ge-


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genseitig auch mit Forderungen zu überbieten, um den Menschen noch zu zeigen, was man letzten Endes für die Bevölkerung alles an Gutem tun will.

Wir haben bei einigen Gesetzen mitgestimmt, wir haben aber auch einige verhindert oder versucht zu verhindern. Erinnern wir uns nur an die letzte Sitzung – der Herr Fi­nanzminister hat es bereits ausgeführt –: Es sind Anträge, die Kosten in der Höhe von 1,2 Milliarden € verursachen würden, hier vorgelegen, haben aber Gott sei Dank keine Mehrheit gefunden. (Abg. Pirklhuber: Ihr seid gegen jede Vermögensbesteuerung!)

Meine Damen und Herren! Wir haben auch wenige Tage vor der Wahl unsere Verant­wortung gegenüber der Bevölkerung wahrzunehmen. Daher lehnen wir von der Volks­partei es ab, hier budgetschädliche Beschlüsse in einem derartigen Ausmaß noch zu fassen. Das haben sich die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht verdient, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP.)

Wir bringen daher zwei Anträge ein. Der eine Antrag beinhaltet genau das, was auch viele andere europäische Länder bereits umgesetzt haben (Abg. Schieder: Ohne Be­gutachtung, oder? Was ist mit der Begutachtung?): dass es dann zu keinen budget­schädlichen Beschlüssen mehr kommen darf.

Ich möchte die Aussage zurückweisen, dass das Parlament damit ausgeschaltet wird. Das stimmt nicht! Im Gesetzestext steht ganz vorne, dass bei Gefahr im Verzug das Parlament natürlich zusammentreten und auch Beschlüsse fassen kann. (Zwischenruf des Abg. Scherak.) Aber wir wollen einfach nicht, dass es zu diesen budgetschädli­chen Beschlüssen kommt, weil eine Nachfolgeregierung letzten Endes in der Ver­antwortung steht und sozusagen ja auch mit dem umgehen muss. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.)

Nur ein Beispiel: Es würde doch in einer Gemeinde, also auf der kommunalen Ebene – ich bin ja nach wie vor in einer 800-Einwohner-Gemeinde als Gemeinderat tätig –, der Ge­meinderat niemals vor einer Gemeinderatswahl Beschlüsse fassen, die weitreichende Änderungen zum Nachteil des Gemeindebudgets zur Folge hätten. (Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Also wenn es auf Gemeindeebene nicht gemacht wird, dann brau­chen wir es hier im Nationalrat auch nicht zu machen, meine Damen und Herren! (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Das ist ja unglaublich! Die ganzen schwarzen nieder­österreichischen Gemeinden ...! – Abg. Schimanek: In meiner Gemeinde hat die ÖVP gegen das Sparprogramm gestimmt!)

Das Zweite ist, die Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen. Das Land Ober­österreich, in dem es eine Koalition von ÖVP und FPÖ gibt, hat das ja vor Kurzem be­schlossen, nämlich dass das Land Oberösterreich eine Schuldenbremse haben soll. Das ist ein Vorschlag, den wir auch für den Bundeshaushalt und für ganz Österreich umset­zen wollen.

Meine Damen und Herren, abschließend zu diesem Thema: Es gibt keinen Grund da­für, dass Wahlprogramme noch vor der Wahl umgesetzt werden müssen. (Abg. Schi­manek: Es gibt aber ein Regierungsprogramm, das umgesetzt gehört hätte!) Das Wahl­programm ist dazu da, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen, dass sie einen wählen sollen, und zu zeigen, dass man das nach der Wahl auch umsetzen möchte. So machen wir es auch in den Gemeinden. (Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ.)

Meine Damen und Herren! Jetzt sind die Wählerinnen und Wähler am Wort. Nehmen wir diese Verantwortung gemeinsam wahr, werben wir in den letzten Tagen für unsere Programme, für unsere Ideen – und dann haben die Wählerinnen und Wähler das Wort. Das sind wir den Menschen in unserem Land schuldig! (Beifall bei der ÖVP.)

9.42


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter DDr. Fuchs. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 23

9.43.04

Abgeordneter MMag. DDr. Hubert Fuchs (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Wöginger hat jetzt mit dem zweiten Teil der Märchenstunde fortgesetzt, die unser Finanzminister heute begonnen hat.

Verantwortung für Steuermittel muss man auch in Vorwahlkampfzeiten, nicht nur in Wahlkampfzeiten zeigen, Herr Finanzminister! (Beifall bei der FPÖ, bei Abgeordneten der NEOS sowie des Abg. Krainer.)

Da haben Sie allerdings kläglich versagt. Wo waren denn Ihre mahnenden Worte, als die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise das Geld abgeschafft hat? (Beifall bei der FPÖ.)

Ich zitiere die Flüchtlingskosten aus dem Stabilitätsprogramm: 2014: 524,1 Millionen, 2015: 920,4 Millionen, 2016: 1 671,3 Millionen, und 2017: 1 711,6 Millionen €.

Fast 5 Milliarden € haben Sie in der Vergangenheit an Flüchtlingskosten in die Luft ge­blasen, und da hat man von Ihnen aber überhaupt nichts gehört, Herr Finanzminister! (Beifall bei der FPÖ.) – So viel zu Ihrer Glaubwürdigkeit.

Ein weiterer Aspekt: Eigenartigerweise zeigen sich die rot-schwarzen Ministerien in Wahl­kampfzeiten besonders geberfreundlich, was das Schalten von Inseraten anbelangt: Mehr als dreimal so viele Inserate wie die wahlwerbenden Parteien schalteten die rot-schwarzen Ministerien im Zeitraum 1. September 2017 bis 22. September 2017, also in 22 Tagen. 1,64 Millionen € beträgt der Bruttowerbewert, den die rot-schwarzen Ministe­rien in 22 Tagen in die Luft geblasen haben. Das sind fast 75 000 € pro Tag! Und dann stellt sich der Herr Finanzminister heute hier im Parlament her und spricht vollmundig von Verantwortung für Steuermittel auch in Wahlkampfzeiten. Wie glaubwürdig ist das denn, Herr Finanzminister? – Stoppen Sie diesen millionenteuren Inseratenunfug Ihrer rot-schwarzen Regierungskollegen! (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Kogler: Da hat er recht! – Abg. Steinhauser: Das ist alles eine Doppelmoral!)

Ein weiterer Aspekt: Die FPÖ hat in der Vergangenheit den Antrag betreffend ein Bun­desverfassungsgesetz über die Freiheit zur unbeschränkten Verwendung von Bargeld im Zahlungsverkehr eingebracht. Die ÖVP hat diesen FPÖ-Antrag vehement abge­lehnt – es sei Irrsinn, den Schutz des Bargelds in die Verfassung aufzunehmen, meinte die ÖVP. Nunmehr hat die ÖVP in ihrem Wahlprogramm – Gott sei Dank – ein Bekennt­nis zum Bargeld abgegeben.

Die FPÖ hat in der Vergangenheit unzählige Male die verfassungsrechtliche Veranke­rung einer Schuldenbremse gefordert. Die ÖVP hat das immer abgelehnt und gesagt, keine Schuldenbremse in der Verfassung. (Abg. Schimanek: So sind sie! – Abg. Kickl: Der schwarze Mann spricht mit gespaltener Zunge!) Und heute präsentiert die ÖVP mit ihrem zukünftigen Juniorpartner aus der roten Reichshälfte ein Bundesverfassungsge­setz zur Schuldenbremse. Die ÖVP ist hier gleich glaubwürdig wie ihr Finanzminister samt den Regierungskollegen, die eine Verantwortung für Steuermittel einmahnen, gleich­zeitig aber das Geld mit dem Schalten von Inseraten zum Fenster hinauswerfen. (Bei­fall bei der FPÖ sowie des Abg. Loacker.)

Wenn man sich Ihre beiden Entwürfe zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes ansieht, dann fragt man sich schon: Kommen diese Entwürfe aus Ihrer Legistikabtei­lung oder – was ich eher vermute – aus Ihrer Marketingabteilung? Im ersten Punkt for­mulieren Sie, dass es in Wahlkampfzeiten keine Gesetzesbeschlüsse mehr geben soll, die sich auf das Budget auswirken. – Herr Finanzminister! Die Bundesregierung befin­det sich seit zwei Jahren in einem Dauerwahlkampf! Das heißt, wir wären zwei Jahre lang arbeitslos gewesen und hätten hier überhaupt keine Beschlüsse fassen können. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak. – Zwischenbemerkung von Bundesmi­nister Schelling.)


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Ein zweiter Punkt: Auch in Wahlkampfzeiten fordert der Herr Finanzminister ein ordent­liches Begutachtungsverfahren. – Herr Finanzminister! Wir haben nicht einmal außer­halb der Wahlkampfzeiten ein ordentliches Begutachtungsverfahren. (Neuerlicher Bei­fall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak. – Abg. Kogler: Ja, richtig!)

Herr Finanzminister! Das beste Beispiel sind ja Ihre beiden Vorschläge zur Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes. Wir haben gestern um 19.25 Uhr den Entwurf einer Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes bekommen (Abg. Kogler: Ja!) – zwölf Ta­ge vor der Wahl –, und heute sollen wir darüber abstimmen. Und Sie stellen sich hier­her und fordern ein ordentliches Begutachtungsverfahren! (Heiterkeit und Beifall bei der FPÖ sowie Beifall bei Abgeordneten von SPÖ, Grünen und NEOS.)

Herr Finanzminister! Wenn Sie schon Verantwortung für Steuermittel und Arbeitsplätze einmahnen, dann können Sie sich selbst gleich an der Nase nehmen und die Steuer­mittel, die Sie den österreichischen Steuerzahlern in der Vergangenheit durch die kalte Progression weggenommen haben, wieder zurückgeben. Die FPÖ wird die Abschaf­fung der kalten Progression in der heutigen Sitzung des Finanzausschusses wieder the­matisieren, und ich bin neugierig, ob es der ÖVP wirklich um eine Entlastung der Steu­erzahler geht oder ob das nur wahlkampfbedingte Lippenbekenntnisse sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Österreich verdient Fairness. Die Abschaffung der kalten Progression ist kein Wahlzu­ckerl, und die FPÖ wird sicherstellen, dass die durch Rot und Schwarz in Österreich ver­ursachte Fairnesskrise am 15. Oktober 2017 beendet wird. (Beifall bei der FPÖ.)

9.49


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Kogler. – Bitte.

 


9.50.17

Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Her­ren! Ich glaube, wir sollten den Versuch unternehmen, die Debatte wieder vom Kopf auf die Füße zu stellen. (Ruf bei der FPÖ: Der Kopf hat ja gar nicht geredet!)

Bei allem Respekt, Herr Finanzminister – es verbinden uns ja einige Erfolge –: Ganz erschließt sich dieser Vorgang nicht. Die Bundesregierung hat laut der österreichischen Verfassung und der Geschäftsordnung dieses Hauses das Recht, sich hier zu erklä­ren – auch Minister. Aber ich bin mir nicht sicher, ob der Verfassungsgesetzgeber vo­rausgesehen hat, dass sich Minister in dieses Parlament begeben werden, um sich dem Parlament zu erklären und dem Parlament zu erklären, dass es gefälligst die Pappen halten soll, nämlich das Parlament. (Beifall bei den Grünen sowie bei Abgeordneten von SPÖ und NEOS. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Das hat sich der Verfassungsgesetzgeber nicht gedacht. Und das ist auch gut so.

Selbst dann, wenn es so wäre, wie Sie es befürchten: Man kann ja die Studiengebüh­rendebatte von damals aufgreifen. Es hat halt eine Mehrheit dafür gegeben, eine de­mokratisch gewählte Mehrheit, die das beschlossen hat. (Abg. Steinhauser: Das war eine Entlastung der BürgerInnen!) Und dann ist das halt so. Die Wählerinnen und Wäh­ler hatten dann im Jahr 2013 die Möglichkeit, dieses zu betrachten, zu berücksichti­gen – vorausgesetzt die Medienlandschaft funktioniert und berichtet all das relativ kor­rekt – und sich ein Bild zu machen. Und diejenigen, die das für Geldverbrennerei halten, wie Ihre Fraktion das formuliert, wählen halt dann andere Parteien. Dann kann man schau­en, wer sich wie gegenüber den jungen Menschen verhält – apropos enkelfit. (Beifall bei den Grünen.)

Das Gleiche würde ja für diese Gesetzgebungsperiode gelten. Wir haben ja erst knapp vor dem Sommer folgende Beschlüsse gefasst: Uni-Milliarde – das kann ich so oder so sehen. Ich weiß schon, dass es da in Ihrer Fraktion welche gegeben hat, die gemeint


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 25

haben, man müsse die Uni-Finanzierung, nämlich eine ausreichende, sichere, dass die Unis überhaupt planen können – das muss man sich einmal vorstellen! –, wenn man sie beschließt, an Bedingungen knüpfen. Das darf man ja, und das haben Sie gemacht, waren im Prinzip aber dagegen. Wir und auch andere – eben eine Mehrheit – waren der Meinung, dass es längst notwendig ist, dieses wechselseitige Haxlstellen der Re­gierungsparteien zu beenden, damit die Uni-RektorInnen wenigstens für die unmittel­bar nächste Zeit planen können.

Sie sprechen immer und überall von enkelfit, reden von der Zukunft, vom Wirtschafts­standort, Forschungsstandort, Wissenschaftsstandort, und dann sind wir nicht einmal in der Lage, das Budget, ausreichend für ein paar Monate, ein paar Jahre, zu beschlie­ßen, dass man gestalten kann. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb war es richtig, dass das Parlament das beschlossen hat. Das war richtig. In dieser, von Ihnen gezeichneten Welt dürften wir das gar nicht mehr. – Das wäre die Selbstentleibung des Parlaments! Was hören wir denn da? Was hören wir denn da? (Abg. Pirklhuber: Autoritärer Stil!)

Ja, dass Herr Kurz nie ins Parlament kommt, in das er als Regierungsmitglied gehörte, das wissen wir. Wo ist er denn überhaupt die ganze Zeit? Erklärt er sich hier? – Nein, er tritt nur mehr im Fernsehen auf, wie ein Fernsehguru. Und dann tritt Herr Wöginger, vermutlich der zukünftige Klubobmann, hier ans Rednerpult und gestaltet seinen Auf­tritt hier wieder so, dass man in der letzten Reihe schon den Sektenbeauftragten alar­mieren muss. (Beifall bei den Grünen, bei Abgeordneten der FPÖ sowie des Abg. Strolz. – Heiterkeit bei der FPÖ.)

Das sind Ihre Vorgaben und Inszenierungen hier. (Ruf bei der ÖVP: ... die Frau Luna­cek? – Zwischenruf des Abg. Wöginger.) Und deshalb bleiben wir dabei und deshalb sage ich: vom Kopf auf die Füße.

Was wäre denn gewesen mit dem Ökostromgesetz? – Ja, kostet ein bisschen etwas, kostet ein bisschen mehr. Dass bei Ihnen – und leider auch da bei der SPÖ – alle im­mer gegen irgendetwas waren und die wechselseitige Blockade bevorzugt haben, wie so oft, ist eine Sache, aber es ist den Grünen, die halt wieder einmal vermittelt haben, auch gelungen, dass wir zumindest ein Minimalgesetz zustande gebracht haben – kos­tet ein bisschen etwas. Wissen Sie, wie viele Investitionen dadurch ausgelöst werden, im Übrigen, apropos enkelfit, in die richtige Richtung? Dass wir auch eine ein bisschen ökologische Wirtschaftspolitik betreiben können, ist Ihnen ja komplett abhandengekom­men. Komplett!

Man fragt sich eigentlich, warum grün überhaupt – nach der Farbenmischungslehre – ein Bestandteil von türkis sein soll, denn das ist nicht erkennbar. (Heiterkeit bei den Grü­nen.) Sie sollten sich eine andere Farbe nehmen, am besten wieder schwarz, denn so sind Sie nämlich noch immer unterwegs. Diese Tarnkappenbomberei muss man Ihnen halt immer wieder vorhalten. Es fallen ja genug Leute darauf herein; das ist halt so. Das muss man in der Demokratie auch aushalten. Aber Sie werden es nicht schaffen, dem Parlament hier mit solchen Vorträgen sozusagen de facto die Beschlussfähigkeit zu entziehen. Ja, so weit kommt es noch! Wir können uns ja vorstellen, wohin das alles führt, wenn Sie denn einmal und so weiter und so fort. (Beifall bei Grünen und NEOS sowie bei Abgeordneten der SPÖ.)

Dasselbe gilt für die Bildungsreform – da sind die Kosten nicht so hoch gewesen –, die haben wir auch noch schnell beschließen müssen, wo Sie von Rot und Schwarz jah­relang nichts zustande gebracht haben. Und drei Monate vor der Wahl ist es doch end­lich so weit, und dann wollen Sie via Selbstbeschneidung einen luziden Moment der Koalition auch noch verdunkeln! Also das geht sich nicht aus.


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Wir haben also durch die Abgeordneten Sigi Maurer, Christiane Brunner und Harald Wal­ser in all diesen Bereichen noch etwas zustande gebracht – Uni-Milliarde, Ökostromge­setz, Bildungsreform –, das Sie in Zukunft verhindern wollen und die Sie an ihrer Arbeit hindern wollen. Na wunderbar! Seien wir froh, dass es hier ein paar aufgeweckte, gute Abgeordnete gibt, die die Regierung wieder an der Hand nehmen und darauf schauen, dass hier etwas weitergeht – und selbst, wenn es vor der Wahl ist. (Beifall bei den Grü­nen.)

Zur Demokratie gehört, dass es Wahlen gibt. Die Zeit davor kann keine finstere Zeit sein, nur weil es Ihnen gerade so passen würde.

Glyphosatverbot – das kostet gar nichts. Gestern haben wir hier in den Nebenräumen das Glyphosatverbot durchgesetzt. Auch ein gemeinsamer Erfolg. Super! Hätte das 3 Mil­lionen € gekostet, wäre es das leicht wert gewesen. Tut es aber nicht, nicht unmittelbar jedenfalls. Vermutlich wird das langfristig gute Dinge befördern. Aber nach Ihrer Logik wäre nichts geschehen.

Also mit dem können Sie abfahren. Das ist nur Ausdruck dessen, welche Geisteshal­tung hier offensichtlich Einzug halten soll, und von dieser halten wir nichts.

Wenn wir schon beim Herrn Außenminister und Spitzenkandidaten sind, der ja ständig auf der Flucht ist – er ist ja die halbe Zeit nicht in den Sitzungen des Europäischen Ra­tes, wenn er dort sein sollte, er ist die halbe Zeit nicht in der Regierung und im Parla­ment schon gar nicht, aber andere erklären sich hier ständig; das geht nicht –: Im Fern­sehen erklärt er Steuersenkungen ohne ausreichende Gegenfinanzierung von plus/mi­nus – ist ja eh nicht so genau. (Abg. Brunner: Das ist kein Problem!) Selbst die Indus­triellenvereinigung hat sich zu Recht aufgeregt, weil man nicht so schludrig über Beträ­ge von plus/minus 15 Milliarden € reden kann. Da regt sich in der ÖVP keiner auf?

Hier geht es um Beschlüsse in der Höhe von ein paar Hundert Millionen, da kriegen Sie die Panik, wenn einmal vielleicht auch noch etwas Richtiges geschieht, aber nur, weil es Ihnen nicht passt. Aber wenn ein Spitzenkandidat damit hausieren geht, un­schuldige, vor dem Fernseher sitzende Österreicherinnen und Österreicher überfällt und ihnen erklärt, dass sie 15 Milliarden an Steuersenkungen zu erwarten haben, ohne aus­reichende Gegenfinanzierung, ist Ihnen das wurscht! Da wären Sie als Finanzminister gefordert. (Beifall bei den Grünen.)

Deshalb sagen wir auch in dieser Situation: Wir, die Grünen jetzt, stellen uns nicht hin und versprechen wieder einiges – wie damals schon Schüssel, Grasser, denn wohin das geführt hat, haben wir ja gesehen, oder auch Frau Fekter, der ich im Übrigen zu­mindest ehrliches Bemühen unterstelle, im Gegensatz zu den beiden Erstgenannten. Wir wissen, dass das nicht funktioniert, und würde es funktionieren – das ist ja ohne­dies schon ein Schmäh –, ginge es auf Kosten der Schwächsten, wenn man innerhalb kurzer Zeit so viel Geld herunterkürzen will.

Wir haben nichts gegen Einsparungen, aber es geht um ein Sparen mit Herz und Hirn. Und wenn man 15 Milliarden, 16 Milliarden an Steuersenkungen versprechen möchte, dann ist es umgekehrt eine Schande, dass dieses Haus zunächst nicht in der Lage gewesen wäre, für eine ordentliche Pflegefinanzierung Vorsorge zu treffen, die ja im­mer mehr kosten wird. Aber da geht es um Stufenerhöhungen von 100 Millionen. Ja, wieder für den ÖAAB – Bildungshintergrund –: 1 Milliarde, 1 Million, Faktor 1 : 1 000. Nur, damit Sie das ein bisschen mitnehmen können. Schreiben Sie das mit, damit Sie hier nicht wieder solch großen Unsinn reden!

Das ist das Entscheidende. Bleiben wir doch in diesen Fragen, im Übrigen auch in an­deren, wenigstens eine Spur ehrlich und versprechen wir nicht alles! Das wäre viel, viel wichtiger.


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Deshalb meine ich, dass die großen Fragen der Wirtschaftspolitik so natürlich nicht ge­löst werden können. Wir müssen an zwei Rädern drehen: erstens am Gerechtigkeits­rad. Wir haben eine Steuerstruktur, die völlig verkehrt ist: In Österreich zahlt man ganz oben ganz wenig, unten relativ viel. Das muss man umdrehen. Ja, da darf auch so et­was wie ein Beitrag der Millionenerben und der Stiftungsmilliardäre nicht fehlen, die sich bei Ihnen jetzt als Parteispender groß herumtun, denen die halbe Innenstadt ge­hört, die aber ihre Immobilien in Stiftungen verstecken. Da ist etwas drinnen, da sollten wir nachgeben.

Das Zweite ist: Ja, wir müssen rein in die ökologische Wirtschaftswende, und das Steu­ersystem gehört in diese Richtung geändert. Wir sagen aber nicht, dass deshalb alles billiger wird, sondern dass das gute Verhalten, sowohl von Unternehmerinnen als auch von Konsumenten, belohnt gehört und alles andere, was ökologisch schädlich ist und negative Auswirkungen hat, eben teurer werden soll. Dabei verlieren wir kein Geld, aber es wird in die richtige Richtung gesteuert.

Herr Finanzminister, es heißt „Steuern“, deshalb: Umsteuern in eine moderne Wirtschafts­politik und nicht irgendeine altmodische Geschichte erzählen und sich dann als neue Par­tei verkaufen wollen! – Das ist furchtbar. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.00


Präsidentin Doris Bures: Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann gut verstehen und es war auch zu erwarten, dass wir heute eine sehr emotionale Debatte führen werden. Ich ersuche Sie dennoch, dass wir die sachliche Ebene nicht verlassen und dass wir, so wie wir das in der Geschäftsordnung festgelegt haben, un­sere Reden so formulieren, dass wir nicht die Würde des Hauses verletzen. (Abg. Brosz: Das gilt aber für Regierungsmitglieder auch!) – Das war ein Appell an das gesamte Haus.

Nun ist Herr Abgeordneter Klubobmann Dr. Strolz zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Klub­obmann.

 


10.01.10

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Regie­rungsmitglieder! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Sach­liche Leidenschaft ist unsere Stärke, Frau Präsidentin, diese werden wir einhalten. Bei der Aufforderung, die sachliche Ebene nicht zu verlassen, tue ich mir ein bisschen schwer, da heute die sachliche Ebene von diesem Minister noch nie erreicht wurde. Das ist alles Inszenierung, wenn wir uns ehrlich sind, und passt natürlich gut ins Bild dieses ÖVP-Wahlkampfs. (Beifall bei NEOS und Grünen sowie des Abg. Schieder.)

Die ÖVP wird gewinnen, das ist sicher, jedenfalls den Staatspreis für die beste und auch für die teuerste Eventagentur des Landes, denn was sie im ganzen Land an In­szenierungen organisiert, das ist mit 7 Millionen € nie und nimmer darstellbar. (Beifall bei NEOS, FPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten der SPÖ.) Das ist mit kreativen Finanzierungen versehen, mit ihren Vorfeldorganisationen, Vereinen et cetera. Das wird Österreich auch nach diesem Wahltag noch beschäftigen, denn das ist nichts anderes, als den Menschen in einer Art und Weise Sand in die Augen zu streuen, sodass sie verschaukelt werden – ich möchte keine Kraftausdrücke verwenden, damit die Frau Prä­sidentin nicht mit einem Ordnungsruf ausrücken muss.

Warum ist das, was Sie hier machen, nicht glaubwürdig, Herr Minister? – Weil NEOS mehrfach genau diesen Antrag betreffend eine Schuldenbremse im Verfassungsrang ein­gebracht haben. Wir halten das auch für sinnvoll. Wer hat es immer abgelehnt? – Die ÖVP! (Abg. Tamandl: Das stimmt ja gar nicht!) – Schauen Sie in die Protokolle! Ich weiß nicht, wo Sie hinschauen, wenn Sie hier sind, aber jedenfalls nicht ... (Abg. Tamandl: Da warst du ja noch gar nicht da, wie das geplatzt ist!) – Wenn Sie ernsthaft in die Pro­tokolle schauen, dann werden Sie feststellen, Sie haben das immer wieder abgelehnt.


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Eines ist auch klar, wir werden diese Themen weitertreiben, aber es wird eben einen langen Stachel ins Sitzfleisch dieser alteingesessenen Parteien, insbesondere des Herrn Kurz, brauchen. Wenn dieser Mann keine Bewegungshilfe von solchen Kräften wie von uns bekommt, dann wird er sich nicht oder eben in die falsche Richtung bewegen. Wir können das vielfach belegen. Er hat sich ein Funktionärsvirus eingefangen, das er auch verbreitet.

Ich war gestern mit Josef Moser, den ich für seine Reformvorschläge schätze, bei der Wahldiskussion im ORF. Josef Moser hat uns 1 007 Reformvorschläge hinterlassen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Sehr viele dieser Reformvorschläge wurden von der ÖVP blockiert. Jetzt aber wechselt Moser in die Rolle eines ÖVP-Mandatars, und was passiert? Er wird plötzlich vom Virus des Unmutes angesteckt. Bei der Pensionsreform kann er sich plötzlich nicht erinnern, was er selber vorgeschlagen hat. (Zwischenruf der Abg. Fekter.)

Das muss man sich vorstellen: Zum Thema Transparenzdatenbank sagt er auf den Vor­schlag hin, wir sollten Sanktionen für jene Landeshauptleute vorsehen, die eben nicht die Transparenz herstellen: Na ja, lassen wir sie doch, da müssen wir ihnen gut zure­den. – Gut zureden kann man einer schwangeren Kuh, aber nicht einem störrischen Lan­deshauptmann! (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit bei Abgeordneten der FPÖ.) – Das mit der Kuh ist ein Vorarlberger Sprichwort, glaube ich, das ist nichts tierisch Sexisti­sches. – Und dann schickt sich dieser Mann an, Finanzminister der nächsten Regie­rung zu werden. Jetzt haben wir schon drei Anwärter für das Amt des Finanzministers, da sitzen zwei (auf die Bundesminister Schelling und Sobotka weisend), Moser ist der Dritte. Ich würde sagen, ein Duell bei Philippi ist angesagt. Wir werden sehen, einer bleibt möglicherweise übrig. Alle drei sind irgendwie prominente Gefangene der Bünde, der Landeshauptleute, der Tausendschaften an Funktionären.

All diese schreiben jetzt lange Listen (Abg. Wöginger: Von den Bauern kriegst du kei­ne Stimme!), diese sagen, jetzt halte ich noch bis zum 15. Oktober den Mund, und am 16. Oktober stehen sie auf der Matte und sagen: Nicht die Perspektive der Menschen zählt, nein, das ist die Ansicht der NEOS, sondern die Perspektive der Funktionäre zählt. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Jetzt sind wir wieder dran. Jetzt machen wir hei­ter weiter mit der Selbstbedienung in diesem Land, mit der Plünderung dieser Republik in Rot-Schwarz. (Abg. Wöginger: „Plünderung“?!)

Dagegen müssen wir antreten und dafür braucht es so (mit den Händen eine entspre­chende Länge zeigend) einen Stachel. Dafür werden wir da sein! (Beifall bei den NEOS.)

10.05


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster ist Herr Abgeordneter Krainer zu Wort gemel­det. – Bitte.

 


10.05.48

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn dieser Vorschlag, den der Herr Finanzminister hier gemacht hat, be­reits Realität gewesen wäre, nämlich dass wir vor Wahlen oder ab dem Auflösungsbe­schluss keine Gesetze, die Geld kosten, mehr beschließen dürfen, hätten wir zum Bei­spiel im Jahr 2008 das Bankenpaket nicht beschließen dürfen. Ich glaube, dass nie­mand in der ÖVP der Meinung ist, dass das ein schlechtes Gesetz war; es war not­wendig. (Abg. Pirklhuber: Richtig!) Das Parlament muss 365 Tage im Jahr voll hand­lungsfähig sein, und jede Idee, das zu ändern, halte ich für katastrophal. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Finanzminister, Sie haben eingangs Ihrer Rede gesagt, Sie machen sich Sorgen um Geld. Ich habe am Freitag eine Anfrage an Sie gestellt, wo es Geld zu holen gibt. Es gibt die sogenannten Abschleicher aus der Schweiz, aus Liechtenstein, und wir ha-


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ben Abkommen geschlossen, dass mutmaßliches Schwarzgeld von dort mit 30 bis 38 Pro­zent zu besteuern ist. Frau Kollegin Fekter war damals Finanzministerin. Wir haben ein Gesetz beschlossen, dass uns die Banken die Abschleicher, also jene Österreicherin­nen und Österreicher, die ganz knapp vor dem Stichtag Geld nach Österreich überwie­sen haben, melden müssen. Wir wissen, dass wenige Tage, bevor diese 30 bis 38 Pro­zent fällig gewesen wären, 3,3 Milliarden € nur auf Privatkonten nach Österreich ver­schoben wurden. Sie kennen seit 1. Jänner von allen die Namen und Adressen. Was haben Sie bisher gemacht, damit da Geld hereinkommt? – Gar nichts haben Sie ge­macht, gar nichts! (Abg. Belakowitsch: Spenden gesammelt!)

Sie haben kein einziges Verfahren eingeleitet. Ich weiß, auf dieser Liste steht das Who‘s who von Österreich, die obersten Zehntausend sind oben, auch Ihr neuer Hauptaktio­när Stefan Pierer. Er hat es selbst bestätigt, dass er auf der Liste ist, er hat selbst be­stätigt, dass er über 20 Millionen € 14 Tage vor dem Stichtag nach Österreich verscho­ben hat. (Abg. Kogler: Genau!) Sie haben gar nichts getan, um darauf zu schauen, dass die Millionäre und die oberen Zehntausend ihre Steuern zahlen. (Bundesminister Schelling: Die glatte Unwahrheit!)

Das ist in Wirklichkeit der Skandal, dass Sie sich nicht darum kümmern, dass nicht die­jenigen, die hart arbeiten, die jeden Euro zweimal umdrehen müssen, sondern diejeni­gen, die wahnsinnig viel Geld haben, die Millionen haben, einen Beitrag leisten. Das ist wirklich verwerflich! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Ich habe jetzt eine zusätzliche Information, nämlich dass derselbe Stefan Pierer im Jahr 2013 eine Steuererklärung und eine Steuerprüfung hatte, bei der er ein ähnlich windiges Konstrukt wie Grasser abgegeben hat (Abg. Rädler: Das wissen Sie ganz ge­nau, gell!), dass er nämlich keine Steuer für sein Einkommen als Vorstandsvorsitzen­der von KTM in Österreich zahlen darf. Der Steuerprüfer hat gesagt: Sicher nicht!, und hat ihm über eine halbe Million Euro an Steuern, an Einkommensteuern, die er zu be­zahlen hat, vorgeschrieben.

Was ist dann passiert? – Es kam der Druck von oben und der Bescheid musste aufge­hoben werden. (Abg. Kogler: Hört! Hört!) Ich kann Ihnen sagen, wie viel Steuer Stefan Pierer im Jahr 2012 bezahlt hat. Im Jahr 2012: 2 779 € Einkommensteuer, im Jahr 2013: 2 642 €. Jede Österreicherin, jeder Österreicher, die/der mehr als 1 400 € netto verdient, zahlt mehr Einkommensteuer als der Vorstandsvorsitzende eines Milliardenunterneh­mens! (Ruf bei der FPÖ: Unerhört! – Abg. Kogler: Larmoyant!) Und was macht der Fi­nanzminister? – Er schaut weg! Das kann doch nicht sein! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie sorgen dafür, dass die ein Millioneneinkommen haben, diese bezahlen weniger Steuern als der Portier oder die Putzfrau der Firma. Sie aber überlegen sich neue Ge­schenke. Das ist das, was Sie machen. Was ist das anderes als der Vorschlag für nicht entnommene Gewinne? – Damit investiert werden kann: Jede Investition in einem Be­trieb ist zumindest zu 100 Prozent steuerlich absetzbar, wenn nicht zu 120 Prozent oder 110 Prozent, wenn es Sonderaktionen wie Forschungsprämie und dergleichen gibt (Zwi­schenruf des Abg. Schultes); mindestens zu 100 Prozent absetzbar.

Das Einzige, was nicht absetzbar ist, sind Finanzinvestitionen. Das, was Sie in Wirk­lichkeit machen, ist, dass Sie für Millionäre ein neues Steuerloch aufmachen, das 4 bis 6 Milliarden € kostet, damit Herr Pierer jedenfalls keine Steuern mehr in Österreich zah­len muss. Ich sage Ihnen: Wir brauchen einen Finanzminister, der nicht Millionäre schützt, sondern der dafür sorgt, dass diese auch ihren ordentlichen Beitrag leisten. Wir brau­chen einen Finanzminister, der dafür sorgt, dass Vorstandsvorsitzende von Unterneh­men nicht weniger Steuern zahlen als die Putzfrau oder der Portier, sondern ihren ge­rechten Beitrag leisten. (Beifall bei der SPÖ.)


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Wir brauchen in diesem Parlament keine Parteien, die sich von Millionären kaufen las­sen, sondern Parteien, die hier Politik für die 95 Prozent, die jeden Tag hart arbeiten, machen. Wir brauchen keinen Kanzler, der sich neue Geschenke für die Millionäre und für die oberen Zehntausend überlegt (Zwischenrufe bei der ÖVP), sondern einen Kanz­ler, der auf die Herausforderungen, die durch Digitalisierung und so weiter auf unsere Gesellschaft zukommen, die richtigen Antworten hat. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Rädler: Eine Silberstein-Rede! – Abg. Heinzl – in Richtung des Abg. Räd­ler –: Sehr witzig, Herr Kollege! – Rufe und Gegenrufe zwischen Abgeordneten von SPÖ und ÖVP.)

10.11


Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Tamandl. – Bitte.

 


10.12.05

Abgeordnete Gabriele Tamandl (ÖVP): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Kollege Strolz ist herausgekommen und hat gesagt, es war noch nichts Sachli­ches und er macht es jetzt sachlich. – Das habe ich vermisst, Kollege Strolz. (Abg. Strolz: Sachliche Leidenschaft!) Du bist ins Parlament gekommen und hast gesagt, du möchtest eine wertschätzende und sachliche Politik machen. – Das hast du verfehlt. (Abg. Strolz: Sachliche Leidenschaft! Max Weber!) Du bist jetzt vier Jahre da, das hast du verfehlt. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Kollegen Krainer: Es ist meines Erachtens gleich einmal zu klären, woher illegale Informationen von Steuerakten kommen, wenn es ein Steuergeheimnis gibt. (Abg. Kog­ler: Wieso illegal?) Ich glaube, das werden Herr Pierer oder seine Anwälte zu klären haben, woher diese Informationen kommen, denn legal aus dem Finanzministerium
kann es nicht sein. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Pirklhuber
und Strolz.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die NEOS sagen, sie hätten schon einige Male die Schuldenbremse beantragt. Im Jänner des Jahres 2012 ist der Beschluss ge­platzt. Da hatte man sich schon darauf geeinigt, dass die Schuldenbremse in die Ver­fassung kommt. Da war beispielsweise die FPÖ dabei. Kollege Fuchs hat heute ge­sagt, wir hätten uns dagegen ausgesprochen. – Da warst du noch gar nicht im Parla­ment, Kollege Fuchs! In letzter Minute ist nämlich die FPÖ bei diesem Beschluss komi­scherweise abgesprungen. Vielleicht kann uns das der nächste Redner erklären, wie das zustande gekommen ist.

Damals hat sich im Übrigen auch die SPÖ für eine Schuldenbremse in der Verfassung ausgesprochen. Ich weiß nicht, warum das heute so ein No-Go sein soll, dass man sich dazu ... (Abg. Krainer: Das ist nicht Thema! – Abg. Schieder: Wegen der Begut­achtung, das hat der August selber gesagt!) – Das ist immer ein Thema, Kollege Schie­der und Kollege Krainer! Das ist immer ein Thema. Warum hat es die deutsche Regie­rung geschafft, dass in Deutschland jedes Jahr Überschüsse von circa einer halben Milliarde Euro gemacht werden? (Abg. Schieder: Vielleicht haben sie einen Fairness-Finanzminister!) Genau aus dem Grund, weil sie diese Schuldenbremse in der Verfas­sung haben. (Beifall bei der ÖVP.) Wir werden dafür kämpfen, und gelingt es uns heute nicht, dann werden wir das in der nächsten Legislaturperiode machen.

Zur anderen Geschichte, zum Thema: keine Beschlüsse mehr, wenn ein Wahlbeschluss gefasst ist. Meine sehr geehrten Damen und Herren, jeder von uns, jede Partei, jede Fraktion tritt mit Maßnahmen und mit einem Arbeitsprogramm an, das sie in der nächs­ten Legislaturperiode umsetzen will. Das war immer so Usus. Jetzt plötzlich glaubt man, alles muss noch vor der Wahl umgesetzt sein. Man will das doch bitte in aller Ruhe de­battieren! Man will doch andere Partner dazu bringen, dass sie vielleicht auch noch zu-


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stimmen. Man will das doch breiter diskutieren. Es kann nicht sein, dass alle Maßnahmen, die irgendjemand aus einer Fraktion, irgendein Spitzenpolitiker sagt, gleich umgesetzt werden. (Abg. Pirklhuber: ... sechs Jahre!)

Und was das Bankenpaket betrifft, muss ich Ihnen sagen, das ist leider auch eine The­menverfehlung. Es steht im Antrag ganz genau drinnen: Wenn Gefahr in Verzug ist, kann man sehr wohl noch Beschlüsse fassen. Wir wissen alle, wie das war, damals hat es geheißen, keine systemrelevante Bank darf insolvent werden. Genau deshalb ha­ben wir einen einstimmigen Beschluss für dieses Bankenpaket gefasst. Das heißt, die Anträge, die heute vorliegen, haben Hand und Fuß. Da ist überhaupt nichts dabei, wo­rüber man sagen könnte, das kann man vor der Wahl nicht beschließen.

Im Übrigen, die NEOS haben selber gesagt, sie wollen enkelfitte Politik machen. (Abg. Scherak: Wir machen sie, im Gegensatz zu euch!) – Was macht ihr? Wo habt ihr denn Lösungen? Ihr habt überhaupt keine Lösungen!

Im Übrigen, Kollege Strolz, zum Pakt, dass man keine Beschlüsse mehr fasst, die Geld kosten: Warum kann man da nicht mitgehen? – Wir zeigen es vor. Wir machen eine andere Art von Politik. Wir sind Sebastian Kurz sehr dankbar, dass er eine andere Art von Politik macht. (Abg. Pirklhuber: Unser Basti! – Zwischenrufe bei den NEOS.)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, im Übrigen hat unser Bundesparteiob­mann Sebastian Kurz, unser Kanzlerkandidat, gesagt: Wir überstimmen unseren Koali­tionspartner nicht. Das heißt, die SPÖ kann es sich überlegen. Wir überstimmen sie nicht, obwohl es – das ist schon angesprochen worden – heute im Finanzausschuss ei­nen Antrag zur Abschaffung der kalten Progression gibt. Wir werden die SPÖ da schwe­ren Herzens nicht überstimmen, aber wir stehen zu unserem Wort (Zwischenruf des Abg. Kogler), und wir drehen uns nicht wie eine Fahne im Wind, wie das andere Frak­tionen tun. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Da die große Moral verkünden, aber den Mitterlehner meucheln!)

10.16


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Themessl. – Bitte.

 


10.16.38

Abgeordneter Bernhard Themessl (FPÖ): Frau Präsidentin! Herr Finanzminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Es ist interessant zu sehen, Herr Finanzmi­nister, dass Sie sich jetzt so kurz vor der Wahl hier hinstellen und sich Sorgen über Belastungen für das Budget vielleicht Ihres Nachfolgers oder für das laufende Budget oder wie auch immer machen. Ich glaube, es wäre vernünftiger, Sie würden sich Sor­gen über die Belastungen für die Bevölkerung und für die Betriebe, die Sie in den letz­ten Jahren in diesem Haus beschlossen haben, machen. (Beifall bei der FPÖ sowie des Abg. Scherak.)

Die Belastungen für das Budget sind insofern interessant, als Sie, seit ich in diesem Haus bin, und das ist das elfte Jahr, der fünfte ÖVP-Finanzminister sind. Die ÖVP hat nicht nur den fünften Parteiobmann, sondern auch den fünften Finanzminister. Alle Fi­nanzminister und eine Finanzministerin vor Ihnen – Molterer, Pröll, Fekter, Spindeleg­ger – und jetzt auch Sie haben das Gleiche gesagt: Wir geben mehr aus, als wir ein­nehmen. Wir haben kein Einnahmenproblem, wir haben ein Ausgabenproblem. Alle Fi­nanzminister haben gesagt, die Steuer- und Abgabenquote müsse unter 40 Prozent. Und immer, wenn ein neuer Finanzminister gekommen ist, war die Abgabenquote höher als beim Amtsvorgänger, und die Belastungen für die Bevölkerung sind größer geworden.

Herr Finanzminister, ich hätte mir von Ihnen gewünscht, dass Sie sich einmal Gedan­ken darüber machen, welche Belastungen Sie der Bevölkerung in den letzten zehn Jahren unter ÖVP-Finanzminister-Wirtschaft aufgebrummt haben: die Belastungen für


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die Gastronomie, die Erhöhung der Mehrwertsteuer, die Registrierkassenpflicht. – So viel übrigens zur Vereinfachung und zum Abbau der Bürokratie; da ist die Registrier­kasse ein Paradebeispiel dafür.

Sie blockieren die Novelle der Gewerbeordnung. Mit den Roten wäre in der Gewerbe­ordnung wesentlich mehr möglich gewesen. Wer blockiert? – Die ÖVP. Sie haben die Immobilienertragsteuer eingeführt, Sie haben die Körperschaftsteuer erhöht, Sie haben die Lohnnebenkosten erhöht, indem Sie die Auflösungsabgabe abgeschafft haben. Sie haben eine Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage veranlasst, Sie haben die Strei­chung der Energieabgabenrückvergütung veranlasst, Sie haben die Kürzung bei den Zuschüssen zu Bausparverträgen und Zukunftsvorsorge vorgenommen – und das auch rückwirkend, nämlich auch für bestehende Verträge, nicht nur für neue! (Beifall des Abg. Loacker.) Da haben Sie keinen Genierer gehabt, auch rückwirkend einzugreifen.

Geht es um Luxuspensionen, dann versteckt man sich dahinter und sagt, rückwirkend kann man nicht eingreifen. – Das ist Ihre Ehrlichkeit, die Sie an den Tag legen! (Beifall bei der FPÖ sowie der Abgeordneten Loacker und Scherak.)

Wäre Ihnen das Thema so wichtig, dass man zehn Tage vor der Wahl das Budget oder jenes des nachfolgenden Finanzministers nicht belastet, dann wäre das ein Paradebei­spiel dafür, die Bevölkerung zu fragen. Aber Sie sind zu feige, die direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild einzuführen, da Sie die Bevölkerung nicht für klug genug er­achten, darüber eine kluge Entscheidung zu treffen. Sie stellen sich her und stellen die Abgeordneten so hin, als ob sie quasi nicht selbst wüssten, was sie heute und nächste Woche zu beschließen hätten.

Herr Finanzminister, Sie sind jetzt der fünfte Finanzminister der ÖVP, und ich nehme an, dass nach der Wahl der sechste Finanzminister der ÖVP kommen wird, der genau das Gleiche predigen wird wie Ihre vier Vorgänger, und es wird sich an der ÖVP nichts ändern. Daran wird auch nichts ändern, dass sie jetzt die neue ÖVP heißt, das hat es nämlich schon einmal gegeben, und daran wird auch nichts ändern, dass die Farbe von Schwarz auf Türkis gewechselt hat.

Wenn die Österreicher wirklich wollen, dass sich nach dem 15. Oktober in diesem Land etwas bewegt, dass ihnen die Belastungen, die ihnen diese Finanzminister der letzten zehn Jahre aufgebrummt haben, wieder zurückgegeben werden, dass es ihnen besser geht, dass mehr Netto vom Brutto bleibt, dann bleibt ihnen nur eines übrig: Wählen Sie die Freiheitliche Partei am 15. Oktober, und ich garantiere Ihnen, dass dann in diesem Land in diesem Bereich einiges vorwärtsgehen wird! (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ist kein Parteitag!)

10.20


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Schwent­ner. – Bitte.

 


10.20.50

Abgeordnete Mag. Judith Schwentner (Grüne): Frau Präsidentin! Herr Minister! Ich freue mich, Herr Finanzminister, dass Sie heute diesen 1. Tagesordnungspunkt unter den Titel „Verantwortung“ stellen, weil ich mich schon frage, inwieweit die 14 Milliar­den €, die vor allem Ihre Partei in Zukunft angeblich einsparen will – mit einem, weiß ich nicht wie, Hokuspokus –, Menschen in Österreich in Zukunft betreffen werden. Da­rüber hätte ich gern Aufklärung.

Ich würde gern ein Thema besonders ansprechen, das mich sehr beschäftigt, das ist der Bereich der Pflege. Und ich frage auch Sie, Herr Finanzminister: Wie konnten Sie mittragen, dass wir den Pflegeregress abgeschafft haben – das war ganz wichtig, dem haben wir auch zugestimmt, mit einem entsprechenden Gegenfinanzierungsmodell; Sie


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von der ÖVP haben das offensichtlich gemacht, weil sich Herr Kurz als Vorsitzender der Partei gerne auf Plakaten mit zu pflegenden alten Menschen abbilden lässt –, wie konn­ten Sie das mittragen, ohne dass Sie ein Pflegekonzept, ein Gegenfinanzierungskon­zept haben (Abg. Kogler: So schaut’s aus!) und ohne vorweisen zu können, wie wir dieses große Problem, diese große Herausforderung bewältigen und auch wirklich ge­währleisten können, dass Menschen in Österreich im Alter in Zukunft gut und sicher ge­pflegt werden? (Beifall bei den Grünen.)

Sie sagen selbst, Sie stehen hier auch als Großvater, nicht nur als Finanzminister. – Ja, wir alle werden alt, wir alle wollen sicher und gut gepflegt werden, und es geht nicht darum, dass wir das nur auf die Plakate schreiben, sondern es geht darum, dass die­ses Problem seit Jahren – seit Jahren! – in diesem Haus leider komplett vernachlässigt worden ist. Wir sehen jetzt die Folgen in gewissen Bereichen, wir sehen es in der 24-Stunden-Betreuung, bei der immer mehr Skandale hervortreten, wie zum Beispiel, dass Frauen in die Pflege kommen, die mit gefälschten Zertifikaten arbeiten. Wir sehen es aber auch ganz schmerzhaft im stationären Bereich, wie es zuletzt skandalös in Kirch­stetten passiert ist, dass Pfleger zu pflegende Menschen auf sadistische Art und Weise misshandeln und quälen.

Das ist ein Bereich, bei dem vor allem auch die ÖVP seit Jahren wegschaut (Abg. Kog­ler: So ist es! Genau!), immer alles schönredet und sich nicht der Verantwortung stellt! (Abg. Kogler: Das hat schon bei Schüssel angefangen!) Apropos Verantwortung: Ich vermisse das. Das hat bei Schüssel begonnen und endet jetzt auch in Ihrer Regierungs­verantwortung – Verantwortung, ich sage nur das Wort.

Also: Reden wir über Standards in der Pflege, reden wir über das, was es braucht, da­mit Menschen sicher und gut betreut sind – Sie, wenn Sie alt werden, als Großvater, ich, wenn ich alt werde, und wir alle, die das brauchen, nämlich eine gute Betreuung!

Ich würde gern noch ein anderes Thema ansprechen, das zuletzt für große mediale Auf­merksamkeit gesorgt hat und das uns auch ein großes Anliegen ist, nämlich den Unter­halt. Auch da steht im Regierungsprogramm und war versprochen und zugesagt, dass ein Mindestunterhalt kommen soll, dass Diskussionen geführt werden sollen. Wir wol­len seit Jahren, da wir die Debatte auch begonnen haben, weil es uns ein riesiges An­liegen ist, dass die Kinder von Alleinerziehenden, dass Alleinerziehende, die zur größ­ten armutsgefährdeten Gruppe in Österreich gehören, gut abgesichert sind.

Von ÖVP-Seite ist keine Unterstützung gekommen. Schön, dass Sie jetzt da sind, Frau Familienministerin, weil gerade von Ihnen keine Unterstützung, was den Mindestunter­halt, was den Regelbedarf von Menschen betrifft, die alleinerziehend sind und ihre Kin­der betreuen, gekommen ist. Was bedeutet das? – Ich glaube, Sie wissen es oft nicht, weil das ein Thema ist, das Sie völlig ausklammern, weil Sie einen Familienbegriff ha­ben, der völlig veraltet ist, nämlich: Vater, Mutter, Kind. (Zwischenbemerkung von Bun­desministerin Karmasin.) – Ja, Sie! Das Thema Alleinerziehende haben Sie vernach­lässigt.

Es gibt so viele Menschen in Österreich, die ihre Kinder allein erziehen und nicht von der Politik unterstützt werden. Das bedeutet nämlich, dass Kinder sich den Anteil am sozialen Leben nicht leisten können, dass sie auf keine Partys gehen können, dass sie keinen Skikurs mitmachen können, dass ihre Mütter – meistens Mütter – nicht wissen, wie sie den Alltag für ihre Kinder finanzieren sollen. Da kommt jetzt ein Vorschlag von Ihnen daher, im letzten Moment, ein Vorschlag, der mehr als hanebüchen ist, der näm­lich nur MindestsicherungsbezieherInnen betreffen soll, und in dem Fall so gut wie nie­manden. Das heißt, Ihr Vorschlag geht völlig an der Realität vorbei und ist keine Un­terstützung für Menschen, die in einer gewissen Situation einen Mindestunterhalt ganz dringend nötig haben, um den Alltag zu bewältigen.


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Ich wünsche mir da noch eine dringende Debatte, damit wir etwas auf die Reihe brin­gen – bis zum nächsten Plenum. Einstweilen ist sicher der SPÖ-Vorschlag einer, den man gut mittragen kann, beziehungsweise eine Diskussionsgrundlage, aber insgesamt müssen wir eine Lösung im Sinne der vielen Alleinerziehenden in diesem Land finden. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.25


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Mag. Loa­cker. – Bitte.

 


10.26.02

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Mitglieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Verantwortung für Steuermittel mahnen Sie ein, Herr Minister, und wie so oft ist es eine Rede mit schönen Worten, und man wäre ge­neigt, diese Reden zu unterschreiben, aber in Richtung der katholischen ÖVP muss ich sagen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Judith Schwentner hat es mit dem modernen Familienbild probiert, aber ich glaube, mit der ÖVP muss man anders reden, also biblisch: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“

Nun, die Pensionsreform vom Jahr 2016, die Ihr großes Ziel war, Herr Minister, war ein veritabler Rohrkrepierer: höhere Ausgleichszulage, höhere Zuschläge, keine einzige Maß­nahme, die etwas zur Nachhaltigkeit beitragen würde, einen Pensionshunderter haben Sie den Leuten hineingeschmiert, den Bauern ein Vierteljahr die Sozialversicherungs­beiträge halbiert – lauter Maßnahmen, die das Loch im Budget vergrößern und die gar nicht zu den schönen Reden passen, die Sie in diesem Haus immer halten.

Und was sich seit dem Zusammenspiel des Ministers Schelling mit dem ÖVP-Obmann Kurz abspielt, das lässt jeden Pharisäer des alten Israel fad aussehen. (Abg. Kogler: Des alten Israel!) Da wird Wasser gepredigt und nochmals Wasser und nochmals Was­ser, aber da wird politisch Wein getrunken in einem Maß, dass mancher Bürgermeister neidisch wird.

Allein der Beschäftigungsbonus mit seinen 2 Milliarden € ist eine reine Industrieförde­rung für Ihre Großsponsoren von der ÖVP. Das schafft keinen Arbeitsplatz. Das ist ver­heiztes Steuergeld. Die Firma Magna hat gesagt, sie bekommt jetzt für 3 000 Leute ei­nen Beschäftigungsbonus und die 3 000 Leute hätte sie sowieso eingestellt. (Abg. Kog­ler: Das stimmt!)

778 Millionen € für die Aktion 20.000: Da werden ältere Menschen in Jobs ohne Arbeit gesetzt, mit Steuergeld – Wahlgeschenke, die in der Ära Kurz/Schelling beschlossen wor­den sind.

Die Abschaffung des Pflegeregresses: ohne ein Gesamtkonzept, einfach nur kurz vor der Wahl ein Geschenk hinauspulvern, und jetzt sitzen die Länder vor einem finanziel­len Scherbenhaufen. Und Sie haben eine neue Ungerechtigkeit geschaffen: Die Pflege im Heim kostet jetzt nichts mehr, aber wer seine Eltern, Schwiegereltern, Großeltern zu Hause pflegt, der bleibt natürlich auf vielen Kosten selbst sitzen und muss die aus der eigenen Tasche bezahlen, neben der persönlichen Belastung der Pflege neben dem Be­ruf. Das ist Ihnen egal, das Wahlgeschenk war jetzt wichtiger.

Und dann stellt sich der Finanzminister heraus und ruft zu verantwortungsvollem Um­gang mit Steuermitteln auf! Wasser predigen und Wein trinken! Es sollten, glaube ich, einige öfter in die Kirche gehen, nicht nur zu Weihnachten und zu Ostern.

Dann kommt die zusätzliche Pensionserhöhung, mit der Sie wieder, langfristig gese­hen, mehrere hundert Millionen hinauspulvern, bei der dann auch die, die 45 Jahre ge­arbeitet und wirklich hohe Beiträge gezahlt haben, nichts bekommen, und unter dem Titel „Die Kleinen bekommen etwas“ verteilen Sie Geschenke und schwenken in der


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Pensionslinie auf die Linie von Stöger ein. Eigentlich müsste Ihnen das Bauchkrämpfe verursachen und es Ihnen alles zusammenziehen, aber Sie sind da völlig schmerzbe­freit.

Allein die Wahlgeschenke, die bis jetzt beschlossen sind, kosten 1,5 Milliarden € im Jahr, und jetzt, da Sie quasi Ihre Geschenke verteilt haben, hätten Sie gern keine wei­teren mehr und stellen sich heraus und halten so eine Rede.

Da muss man sich einmal anschauen, was eigentlich all die ÖVP-Granden in den Län­dern machen. Diesen Förderscheck über 1 000 € (erwähnten Scheck in die Höhe hal­tend) haben alle oberösterreichischen Bauern bekommen, von Herrn Landeshauptmann Stelzer und vom Herrn Agrarlandesrat – 1 000 € Wahlgeschenk. Das kommt zufällig vor der Wahl, solche Dinge kommen immer zufällig vor der Wahl, das hätte man sonst ja nicht machen können! Da wird das Steuergeld mit der Windmaschine hinausgebla­sen; wie das geht, haben die ÖVPler heraußen – Wasser predigen und Wein trinken!

„An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“: Seit 55 Jahren schreibt diese Republik ein Defizit ... (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Ja, Herr Rädler, horchen Sie zu, und nach­her gehen Sie baden, dann können Sie sich bei Ihnen in der Therme abkühlen! – Seit 55 Jahren schreibt diese Republik ein Defizit. Und 42 von diesen 55 Jahren hat die ÖVP mitregiert. Ja, wer glaubt Ihnen denn die Schuldenbremse? Alle ÖVP-Finanzmi­nister haben auch immer Schulden fabriziert, es war ihnen einfach schnurzegal! (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt sollen die Leute glauben, es wird alles anders. Es war einfach 42 ÖVP-Regie­rungsjahre so, und jetzt, jetzt kommt Sebastian Kurz, und jetzt wird alles anders, jetzt, ganz ehrlich, wirklich. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Rädler.)

10.30


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


10.31.01

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Frau Präsidentin! Mitglieder der Bun­desregierung! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns einig, wenn wir sagen: Kinderarmut zu vermeiden ist kein Wahlgeschenk, sondern eine Not­wendigkeit. (Beifall bei der SPÖ.)

Und wenn Kinderarmut zu vermeiden, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die letz­ten Jahre in dieser Bundesregierung nicht gelungen ist, dann unter anderem auch des­halb, weil es mehrere Justizministerinnen und Justizminister gebraucht hat, damit wir überhaupt einmal dazu kommen, über eine neue Kinderkostenanalyse zu sprechen – die letzte stammt aus dem Jahr 1964, da war ich gerade einmal drei Jahre alt. Wenn wir nicht einmal diese Kinderkostenanalyse mit einem angepassten Warenkorb zustan­de bringen, um zu sehen, was ein Kind heute kostet, dann muss es uns als Parlamen­tarierinnen und Parlamentarier aber sehr wohl möglich sein, bis zum letzten Tag, bis zum letzten Tag vor einer Wahl zu versuchen, Kinderarmut zu vermeiden. Nur um ein Beispiel herauszugreifen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Abg. Schwentner.)

Es war erst vor wenigen Tagen, da herrschte in einer Fernsehdebatte Einstimmigkeit darüber, dass eine Unterhaltsgarantie in Österreich das Gebot der Stunde ist. (Die Red­nerin stellt eine Tafel mit einer Fotografie von Bundesminister Kurz, der ein Schild mit der Aufschrift „Ja“ in der Hand hält, auf das Rednerpult.) Wir haben 180 000 Ein-Eltern-Familien in Österreich, 90 Prozent davon sind Frauen mit ihren Kindern, und 40 Pro­zent davon, also fast die Hälfte, sind armutsgefährdet. (Präsident Kopf übernimmt den Vorsitz.)


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Und es geht noch weiter: Ihre Enkel, unsere Enkel sind vielleicht nicht armutsgefähr­det, weil sie uns als Großeltern haben, die wir ihnen gewisse Dinge auch ermöglichen können, aber an die 90 000 Frauen in Österreich können ihre Kinder nicht auf einen Schulskikurs schicken, auf eine Schullandwoche schicken (Zwischenruf des Abg. Neu­bauer), vielleicht nicht einmal auf einen Ausflug schicken. Nein: Schulbeginn stellt schon eine Herausforderung dar, dass man nicht einmal die richtigen Turnschuhe einkaufen kann (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch), weil unter anderem – und jetzt bin ich wie­der beim Punkt (Abg. Neubauer: Was haben Sie denn als Ministerin gemacht?) – Män­ner, Väter ihren Verpflichtungen nicht nachkommen können oder nicht nachkommen wol­len und diesen Kindern daher dieser Unterhalt fehlt. (Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.)

Kinderarmut zu vermeiden muss in unser aller Sinn sein, und wenn Sie, Herr Finanz­minister, von Verantwortung sprechen, dann muss Kinderarmut zu vermeiden auch in Ihrer Verantwortung verankert sein und darf nicht ein Schlagwort bleiben.

Wir haben einen Vorschlag eingebracht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der eine Unterhaltsgarantie an die Familienbeihilfe knüpft und nicht an die Mindestsiche­rung der Länder. Bei einer Koppelung an die Mindestsicherung würde fast niemand positiv betroffen sein. Wir wollen, dass Kindern von null bis 24 Jahren – solange auch Familienbeihilfe bezogen werden kann –, gestaffelt nach dem Alter, die Unterstützung, die sie zum Leben brauchen, für ihre Ausbildung benötigen, zukommt. Diese Unter­haltsgarantie bezieht sich natürlich auf einen Wohnsitz in Österreich und wird nicht, wie Horrorgeschichten schon wieder verbreitet werden, ins Ausland bezahlt, um das auch einmal klarzustellen.

Wir wollen eine Unterhaltsgarantie, die hilft, Kinderarmut, Jugendlichenarmut zu ver­meiden, und wir können es bis zum 15. Oktober noch schaffen. Wie gesagt, wir lassen uns nicht vorschreiben, wie lange wir hier zu arbeiten haben, sondern wir wollen im Sin­ne der österreichischen Bevölkerung bis zum letzten Tag arbeiten. Und vielleicht ge­lingt es doch noch, gemeinsam einen Antrag zu beschließen, der Kinderarmut vermei­det und eine Unterhaltsgarantie für Kinder in Österreich sicherstellt. (Beifall bei der SPÖ.)

10.34


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Haubner. – Bit­te. (Abg. Kickl – in Richtung der zu ihrem Sitzplatz zurückgekehrten Abg. Heinisch-Ho­sek –: Sie haben Ihr Taferl vergessen! – Abg. Heinisch-Hosek: Oje, jetzt habe ich das Taferl vergessen! Soll ich es holen? – Abg. Haubner entfernt die Tafel vom Redner­pult.)

 


10.35.07

Abgeordneter Peter Haubner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Frau Minister! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Steuerzahlerinnen und Steuerzahler! Ja, der Herr Minister trägt die Verantwortung, und weil er das tut, hat er er­rechnet und darauf hingewiesen, dass wir allein in der letzten Sitzung Anträge im Aus­maß von 1,2 Milliarden € eingebracht haben. Das soll heute so weitergehen, und des­halb sind wir von der ÖVP der Meinung, das wollen wir nicht, nämlich heute Dinge zu beschließen, die wir dann morgen und nach der Wahl bezahlen müssen. (Beifall bei der ÖVP.)

Es gibt nämlich einen Tag nach der Wahl, und da gibt es auch die Verantwortung für unsere Kinder und Enkelkinder, und der Finanzminister war ja klar und deutlich: Wir können uns die Folgekosten nicht leisten. (Abg. Kogler: Ja, von was?) Sie wollen jetzt mit Schnellschüssen politisches Kleingeld schlagen, und nach der Wahl kommen dann die neuen Steuern. Wir kennen das ja aus den Programmen. Maschinensteuer: Für den Standort und für die Betriebe ist das Gift; die gibt es nur im SPÖ-Programm und in kei­nem einzigen Land in Europa. Oder die Erbschaftssteuer: Jeder, der sich für seine En-


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kel etwas erspart hat, dem wollen Sie wieder in die Tasche greifen. (Abg. Kucharo­wits: Bitte! – Abg. Kogler: Das ist doch eine Lüge!) Wir kennen das schon: zuerst 1 Million €, dann reicht das nicht als Grenze ...

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Moment! Herr Abgeordneter Kogler, auch von Ihrer Bank aus ist der Vorwurf der „Lüge“ wirklich nicht angebracht. Ich muss Ihnen dafür einen Ord­nungsruf erteilen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Es ist aber eine!)

Herr Abgeordneter! Noch einmal (Abg. Pirklhuber: Unwahrheit! Unwahrheit hat er ge­sagt!): Ich warne Sie wirklich, in dieser Art fortzufahren. Sie kennen die Usancen die­ses Hauses, bitte halten Sie sich daran! (Abg. Kogler: Er sagt dauernd bewusst die Un­wahrheit!)

*****

 


Abgeordneter Peter Haubner (fortsetzend): Wir kennen das. Zuerst beginnen Sie bei einer Grenze von 1 Million €, dann reicht das nicht aus, dann wird die Grenze herunter­gesetzt, und dann betrifft es wieder jeden von uns. Wir wollen das nicht, wir wollen kei­ne neuen Steuern, wir von der ÖVP wollen die Steuern senken, meine Damen und Her­ren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Plessl: Auch für Millionäre!)

Und wenn ich so wie heute höre, dass Herr Klubobmann Schieder (Abg. Krainer: We­niger geht ja wirklich nicht!) sagt: Das kostet ja nichts!, dann weiß ich, wenn das die SPÖ sagt, dann zahlt es immer der Unternehmer. Meine Damen und Herren, auch das wollen wir nicht, denn das ist eine gefährliche Drohung! (Abg. Krainer: Was zahlt der Herr Pierer?) – Herr Kollege Krainer, ich glaube, was keine KÖSt auf nicht entnomme­ne Gewinne betrifft: Sie haben da irgendetwas falsch verstanden und auch falsch inter­pretiert. Wir wollen, dass die Unternehmer Eigenkapital aufbauen, dass sie Investitio­nen finanzieren, dass sie Arbeitsplätze schaffen. Sie können es nicht, das können nur die Unternehmer, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krainer: Al­les absetzbar! Alles absetzbar! Alles heute absetzbar!)

Deshalb warne ich davor, dass wir elf Tage vor der Nationalratswahl hier Schnell­schüsse beschließen, die uns und Generationen nach uns belasten, und die Rechnung wieder die Unternehmer in diesem Land zahlen. Deshalb sind beide Vorschläge des Herrn Ministers – dem ersten haben Sie ja schon zugestimmt, nämlich der Schulden­bremse in der Verfassung, diesen können Sie heute wieder beschließen; und keine bud­getrelevanten Beschlüsse vor der Neuwahl – voll zu begrüßen. Geld auszugeben ohne Strategie löst keine Probleme, daher: Nehmen Sie die Verantwortung für unser Land und für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler wahr! (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Krai­ner: Wie soll ich heute zustimmen, wenn es nicht zur Abstimmung steht? – Abg. Kog­ler: Ist für die Galerie!)

10.38


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Wortmeldung: Herr Abgeordneter Strasser. – Bitte.

 


10.38.56

Abgeordneter Dipl.-Ing. Georg Strasser (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe mir das kurz angeschaut: Ein Déjà-vu ist ein psychologisches Phänomen, eine qualitative Gedächtnisstörung, ein Ge­fühl, dass man etwas schon einmal erlebt, gesehen, aber nicht geträumt hat; und ich glaube, es waren viele Kolleginnen und Kollegen schon 2008 dabei. Was heute im Raum steht, das haben wir alle schon einmal erlebt, inklusive der Bevölkerung in Ös-


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terreich. Wir stehen vor einem Basar der Wünsche, wir sehen einen Reigen populisti­scher Begehrlichkeiten, und ich sage Ihnen ganz offen: Die ÖVP macht da nicht mit! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Für uns gilt das Prinzip der Sparsamkeit als Zeichen der Verantwortung gegenüber kom­menden Generationen. Nimmt man das Prinzip der Nachhaltigkeit wirklich ernst – und die Generationen in diesem Land fordern das auch ein –, sollte man sorgfältig handeln, und besonders die Jugend hat es sich verdient, dass wir hier sorgfältig handeln, damit wir Österreich wieder an die Spitze bringen. (Zwischenruf der Abg. Kitzmüller.)

Was waren die Konsequenzen aus 2008? Es waren Steuererhöhungen und eine Stei­gerung der Abgabenquote. Das wollen wir alles nicht, denn unser Ziel ist es nämlich, die Abgabenquote unter 40 Prozent zu senken. Wir wollen die Haushalte entlasten, und wir wollen die Kaufkraft in diesem Land sichern. Wir fordern, dass in den Monaten vor der Wahl keine unüberlegten Beschlüsse gefasst werden. (Abg. Krainer: Wovon reden Sie? Wer hat Ihnen diese Rede geschrieben? Das stimmt ja alles nicht!)

Aus bäuerlicher Sicht gibt es eine entscheidende Situation: die Hofübergabe. Diese Si­tuation der Hofübergabe ist auch geprägt von dem Prinzip der Sparsamkeit. (Abg. Krai­ner: Aber das, was Sie sagen, stimmt ja nicht!) In bäuerlichen Betrieben wird über Ge­nerationen hinweg gewirtschaftet und Eigentum über Generationen hinweg gepflegt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Krainer und Kitzmüller.) Und auch Bäuerinnen und Bauern – das möchte ich durchaus unserem Herrn Bundeskanzler ausrichten – zahlen in diesem Land, so wie alle Bevölkerungsgruppen, Abgaben und Steuern. Nur: Wenn die Einkommen gering sind – und, ich glaube, das ist auch ein Prinzip der SPÖ –, dann gibt es, Herr Bundeskanzler, bei uns nicht viel zu holen. Aus diesem Grund lehnen wir jegliche Ansätze von Substanzbesteuerungen ab, besonders die Erbschaftssteuer, weil sie das Prinzip der Hofübergabe konterkarieren würde. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Kogler: Wer hat denn einen Hof um 3 Millionen €?! – Abg. Wöginger: Verkehrswert! – Rufe und Gegenrufe zwischen den Abgeordneten Wöginger und Krainer.)

Ich möchte aus diesem Grund alle Kolleginnen und Kollegen aufrufen, dass sie unsere Anträge unterstützen. Beweisen wir den Menschen in diesem Land, dass auch die Wahl­kampfzeit eine Zeit der Vernunft sein kann beziehungsweise sein muss. Ich ersuche Sie darum, weil ich glaube, dass sich das die Menschen in diesem Land verdient ha­ben. Danke schön, alles Gute! (Beifall bei der ÖVP.)

10.42


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Pilz. – Bitte.

 


10.42.16

Abgeordneter Dr. Peter Pilz (ohne Klubzugehörigkeit)|: Werte Kolleginnen und Kolle­gen! Herr Präsident! Es ist bereits erwähnt worden, dass es am 24. September eine so­genannte Elefantenrunde bei PULS 4 gegeben hat. Da sich beide – PULS 4 und ATV – ans ORF-Gesetz halten, war es für mich möglich, als Spitzenkandidat mitzudiskutieren. Der ORF ist ja der Einzige, der sich nicht ans ORF-Gesetz hält, aber das ist jetzt nicht das Entscheidende.

Da ist etwas passiert, was in einem Wahlkampf sehr selten vorkommt. Ich habe die un­erträgliche Lage geschildert, in der sich 50 000 alleinerziehende Frauen und auch Män­ner und ihre etwa 70 000 Kinder befinden – aufgrund von riesigen Löchern im Unter­haltsrecht. Als Erster haben der amtierende Bundeskanzler und dann die Spitzenkandi­daten und -kandidatinnen aller anderen Fraktionen gesagt: Okay, wir machen mit, wir re­parieren das noch vor der Wahl! Jetzt kommt der Finanzminister und erklärt dem Parla­ment, dass wir dann, wenn er es nicht für richtig hält, keine budgetwirksamen Be­schlüsse fassen dürfen – uns, dem Parlament! Wir haben die Budgethoheit und der Fi­nanzminister erklärt uns: Das dürft Ihr und das dürft Ihr nicht! (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)


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Nein, Herr Finanzminister, wir sind das Parlament! Wir geben Ihnen Aufträge und nicht Sie uns! – So schaut es in einer parlamentarischen Demokratie aus! (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

Zweitens: Es geht beim Rausholen von 120 000 Menschen aus der Armutsfalle noch vor der Wahl um knapp 2 Promille des Bundesbudgets, der Bundesausgaben – 2 Pro­mille! Das kostet weniger Geld, als in der Privatstiftung des Finanzministers geparkt ist. Das ist billiger als das Vermögen, das dort in einer Nebenurkunde der Stiftung bis heu­te intransparent verschleiert wird. (Bundesminister Schelling: Verzichten Sie auf Ihre Immunität, und ich verklage Sie!) – Aber, Herr Finanzminister, ich will ja gar nicht Ihr Vermögen. Ich will nur knappe 2 Promille des Budgets, um 120 000 Menschen in Ös­terreich so schnell wie möglich aus der Armut zu helfen. (Bundesminister Schelling: Wie­so darf er ungestraft einfach so die Unwahrheit ...?!)

Die SPÖ hat dazu einen Initiativantrag erarbeitet, welchen ich im Grunde für durchaus zielführend halte. Es gibt ein paar Punkte, die unserer Meinung nach verbessert wer­den könnten, aber das ist einmal eine solide Basis. Jetzt geht die ÖVP plötzlich her und sagt: Das Wort unseres Spitzenkandidaten gilt nicht mehr! Da wird öffentlich hier im Plenum des Nationalrates von der ÖVP das Wort von Sebastian Kurz gebrochen. Ich bin gespannt, ob sich Sebastian Kurz das gefallen lässt. Ich bin gespannt, ob Se­bastian Kurz seinen eigenen Finanzminister und seine eigene Partei noch unter Kon­trolle hat. Was gilt hier, das Wort von Sebastian Kurz oder das Wort des Finanzminis­ters? (Abg. Kogler: Das ist wahr, eine berechtigte Frage!) – Das wird hier im Parla­ment beantwortet werden. (Zwischenbemerkung von Bundesminister Schelling.)

Aber wir brauchen die ÖVP nicht! Wir brauchen nur die Freiheitliche Partei. Wenn wir die Freiheitliche Partei dabeihaben, dann können wir aus dem Pakt, den auch H.-C. Strache mitbekräftigt und öffentlich mitunterstützt hat, ein Gesetz machen, das ganz we­nig kostet und ganz vielen hilft. Deswegen lade ich die Kolleginnen und Kollegen der Freiheitlichen Partei ein: Machen wir das gemeinsam – Zuweisungssitzung, Ausschuss, Plenum am 12. Oktober –, und wir werden damit gemeinsam 120 000 Menschen, 50 000 al­leinerziehende Frauen und Männer und ihre 70 000 Kinder, aus der Armut retten! Bes­seres kann man in einem Nationalratswahlkampf nicht tun.

Ich finde es so beschämend, dass die Österreichische Volkspartei nicht zum Wort ihres Spitzenkandidaten steht und wieder, statt etwas gemeinsam zu lösen, nur streitet – nur der alte Streit mit dem Regierungspartner geht weiter! Ihnen von der ÖVP ist es wich­tiger, der SPÖ zu schaden, als Österreich und den armen Menschen zu nützen. Das
ist die wirkliche Schande, um die es da geht! (Zwischenbemerkung von Bundesminis-
ter Schelling.)

Die ÖVP ist uns da abhandengekommen. Das ist keine soziale Partei, das ist keine Gerechtigkeitspartei, die pfeift auf Menschen, die wir gemeinsam aus der Armut retten wollen. Deswegen hoffe ich, dass es uns gemeinsam mit SPÖ, mit Freiheitlicher Partei, mit Grünen und mit NEOS gelingt, dass diese Initiative – trotz ÖVP, trotz Finanzminis­ter! – zu einem großen politischen Erfolg im Kampf gegen Kinderarmut wird. – Danke schön. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

10.47


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Rossmann.– Bitte.

 


10.47.34

Abgeordneter Mag. Bruno Rossmann (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Ho­hes Haus! Herr Finanzminister Schelling hat uns gesagt, wir sollen Verantwortung in die­sem Haus übernehmen. Ja, im Zusammenhang mit der Unterhaltsgarantie wollen das


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in der Tat viele Abgeordnete tun, nur einige Abgeordnete, namentlich von der ÖVP, wol­len damit nichts zu tun haben, offenbar insbesondere dann nicht, wenn es um die Ver­meidung von Armut, von Kinderarmut geht.

Herr Finanzminister! Sie haben im Zusammenhang mit dieser Maßnahme unter ande­rem von einem Wahlzuckerl gesprochen. Also zynischer geht es wirklich nicht mehr, als im Zusammenhang mit der Vermeidung von Kinderarmut von Wahlzuckerln zu spre­chen, nämlich im Zusammenhang von Menschen, die in Wirklichkeit nicht wissen, wo­von sie leben können.

Herr Finanzminister! Das Programm des Sebastian Kurz versteht offenbar unter neuer Gerechtigkeit genau dieses: Arme gegen Arme in der Gesellschaft auszuspielen, die Pensionisten mit einem niedrigen Einkommen gegen die Bezieher von Mindestsiche­rung! – Das ist wirklich eine erbärmliche Politik, die mit christlich-sozialen Wurzeln nichts, aber schon gar nichts mehr zu tun hat!

Herr Finanzminister, ich frage Sie: Wo übernehmen Sie die Verantwortung, wenn es da­rum geht, den sogenannten Abschleichern auf die Spur zu kommen? Im Rahmen der Verhandlungen zum Bankgeheimnis haben wir ein Kapitalabfluss-Meldegesetz beschlos­sen, darunter auch jene Kapitalzufluss-Meldepflicht, die dazu geführt hat, dass Ihnen bei Jahresanfang 19 000 Meldungen über Abschleicher zugegangen sind.

Herr Finanzminister, im Anschluss an das, was Jan Krainer gesagt hat, frage ich Sie: Was haben Sie bisher gegen diese Abschleicher unternommen? Stellen Sie sich bitte hier her und erzählen Sie dem Hohen Haus, was Sie diesbezüglich getan haben! Ich vermute: gar nichts!, und das ist typisch für Ihre Art von Politik. (Bundesminister Schel­ling: ... Sie Ihre Vermutungen ...!) Herr Finanzminister, ergreifen Sie das Wort, stel­len Sie sich hier her und erklären Sie uns, was Sie seit 1. Jänner gegen die 19 000 Mel­dungen im Rahmen des Kapitalabfluss-Meldegesetzes getan haben! Da geht es näm­lich nicht um die Ärmsten der Gesellschaft, Herr Finanzminister (Bundesminister Schel­ling: Ja!), da geht es um die Reichen und Superreichen, aber da sind Sie blind, da machen Sie die Augen zu. (Bundesminister Schelling: Das wissen ja Sie alles, ja!) Was haben denn Ihre Finanzbehörden bislang getan? Erklären Sie uns das! Mich wür­de das sehr interessieren. (Bundesminister Schelling: Machen Sie eine Anfrage, ich beantworte Sie Ihnen!)

Wenn Sie aber sagen, Sie übernehmen Verantwortung, und wenn Sie von Wahlzu­ckerln reden, dann wenden wir die Aufmerksamkeit doch auf das Wahlzuckerl, das wirklich ein Skandal in dieser Republik ist: das Wahlzuckerl der ÖVP! Das sieht vor, dass nichtentnommene Gewinne von Kapitalgesellschaften nicht mehr besteuert wer­den sollen; Personengesellschaften werden außen vor gelassen, die spielen ja keine Rolle.

Worum geht es da? – Da geht es darum, dass mit einem Schlag mindestens 4 Mil­liarden € an Körperschaftsteuer einfach so weg sind; ein Geschenk an die großen Ka­pitalgesellschaften, nicht an die kleinen Kapitalgesellschaften – nein, an die großen! Es könnten aber auch viel mehr als 4 Milliarden € sein, wenn nämlich auf der einen Seite die Ausschüttungen zurückgehen – was zu erwarten ist – und auf der anderen Seite dann natürlich auch Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer verloren gehen. Ich gehe jeden­falls davon aus, dass diese Maßnahme, wenn sie tatsächlich umgesetzt wird, zu einer Steuerlücke von 6 bis 7 Milliarden € führen kann, und das ist nahezu die Eliminierung der gesamten Einnahmen aus der Körperschaftsteuer.

Damit aber noch nicht genug: Mit dieser Maßnahme führen sie auch wieder sämtliche Privilegien für Privatstiftungen ein, aber dieses Mal nicht für 3 800 Privatstiftungen, nein, dieses Mal für alle, für alle Reichen und Superreichen der Gesellschaft in Öster­reich.


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Wenn Sie sagen, wir sollen Verantwortung übernehmen, dann möchte ich abschlie­ßend noch die Aufmerksamkeit auf eine Maßnahme lenken, die in den letzten Mona­ten, nämlich Anfang Juli, hier in diesem Hohen Haus beschlossen worden ist: die Ab­schaffung des Pflegeregresses. Ja, sie hat eine Lücke im Budget hinterlassen, das ist richtig, aber trotzdem stehen alle zu dieser Maßnahme. Und was haben Sie und Ihre Partei verweigert, Herr Finanzminister? – Eine Gegenfinanzierung durch eine Erbschafts­steuer, die in diesem Lande mehr als überfällig ist; 1 Prozent der Reichsten besitzen 41 Prozent des gesamten Vermögens. – Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten der Grü­nen. – Bundesminister Schelling: Aber Sie könnten der kommunistischen Partei bei­treten!)

10.53


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Rosenkranz. – Bitte.

 


10.53.14

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Meine sehr verehrte Familienministerin! Herr Finanzminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Sitznachbar Peter Pilz hat schon einen kleinen Gag gemacht, als er sich darüber beklagt hat, wie ungerecht er behandelt wird.

Ich finde, dass er von ATV, PULS 4 und der „Kronen Zeitung“ sehr privilegiert behan­delt worden ist. Wir sind in einer völlig vergleichbaren Situation, das werden die Zu­hörerinnen und Zuhörer ja auch wissen. (Zwischenruf des Abg. Steinbichler.) Er hat sich von seiner Partei getrennt, ich habe mich von meiner Partei getrennt, er hat 4 Ab­geordnete, ich habe 4 Abgeordnete. Wir haben sogar einen Landtagsklub in Salzburg. Sie (in Richtung des Abg. Pilz) werden eingeladen, da, dort und überall, Sie werden zu den Etablierten gerechnet – wir nicht! (Die Abgeordneten Auer und Lopatka: Ja, das stimmt!)

Ich frage mich nach dem Grund. – Es wird wohl der sein, dass Sie tatsächlich zu den Etablierten gehören und wir nicht. Wir wollen das auch nicht, und wir wissen, an wel­chen Punkten es liegt: Wer kein bedingungsloses Unterwerfungsangebot an die EU, ganz egal, wohin sie sich auch entwickelt, macht, der gehört halt nicht dazu, und wir werden das tragen müssen und hoffen darauf, dass es genügend Bürgerinnen und Bür­ger gibt, die hinter die Kulissen blicken können. Davon sind wir auch überzeugt. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

Nun aber zum Wahlkampf: Es heißt, es soll der schmutzigste sein – möglich! Auf jeden Fall ist es ein Wahlkampf, der mit Politik eigentlich nichts zu tun hat. Im Grunde geht es um Marketingkonzepte, die von Politsöldnern erarbeitet werden, die viel Geld kosten, manchmal die Grenzen des Zulässigen völlig überschreiten und eigentlich nur eines bezwecken, nämlich der politischen Klasse für die nächsten fünf Jahre Macht und Ein­fluss zu sichern. Um Politik im Sinne des wirklichen Begriffes geht es da gar nicht. Es geht weit an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Wenn Politik ein Ringen um die Zukunft des Landes, ein Interessenausgleich, die Debatte über das allgemeine Wohl sein soll, so hat dieser Wahlkampf tatsächlich nichts damit zu tun.

Das ist auch der Grund, warum man sich das antut – wie sich viele fragen –, warum es ein Alternativangebot geben muss. Deswegen haben wir uns aufgemacht und uns der Mühe unterzogen, die Freie Liste in die Welt zu rufen und zur Wahl zu stellen; in die­sem Sinne zur Politik und nicht zur Inszenierung in einem Politik-Paralleluniversum, denn es sind längst keine 95 Prozent Inszenierung mehr, sondern es sind 100 Prozent Inszenierung und hat mit dem alltäglichen Leben der Menschen eigentlich nichts zu tun.

Zwei Fragen noch, und zwar eine Frage an die soziale Heimatpartei: Sie haben in Ih­rem Wirtschaftsprogramm den sogenannten demografischen Anpassungsfaktor – (in Rich­tung FPÖ:) es wäre schon gut, wenn Sie zuhören würden, denn das würden die Wäh-


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ler schon verdienen, dass man sich hier äußert –, und was heißt das jetzt? – Es ist ein relativ technischer Begriff, aber er wirkt massiv auf das Leben der Menschen ein, wenn er umgesetzt wird, denn das heißt, so wie die Lebenserwartung steigt, so steigt das ge­setzliche Pensionsantrittsalter, und zwar automatisch. Das Gesetz ist schon da, es muss im Parlament nicht mehr diskutiert werden, Politiker können das Übliche tun, da kann man nichts machen, es ist im Gesetz schon so, es passiert einfach.

Es ist jetzt schon so, dass Menschen, die in körperlich belastenden Berufen arbeiten, dieses gesetzliche Pensionsantrittsalter natürlich nicht erreichen können. Einen Dach­decker wird man, selbst wenn er es wollte, mit 59 Jahren nicht auf dem Dach sehen, denn er wird einfach keinen Job mehr bekommen. Das heißt also nicht, dass die Men­schen länger in Beschäftigung sind – das sollten Sie wissen –, sondern das heißt, dass sie länger im Notstand sind, und wenn sie es dann doch nicht mehr ertragen und eine Pension beantragen, dann hat diese Pension höhere Abschläge.

Könnten Sie das bitte erklären: Bestehen Sie darauf? Wollen Sie das wirklich umset­zen? – Es würde eine enorme Verschärfung der Altersarmut herbeirufen. Ich denke, das soll man nicht wollen dürfen, und wir wollen das auch nicht!

Die zweite Frage richte ich an den Herrn Finanzminister: Sie haben Ernsthaftigkeit ein­gemahnt und die Politshow auch verurteilt – alles richtig –, aber es gibt eine Debatte, an der Sie bis jetzt überhaupt nicht teilgenommen haben, obwohl sie elementar für un­ser Land ist. Jean-Claude Juncker hat angekündigt, den Euro auch auf jene Länder aus­zudehnen, die das gar nicht wollen. Das hat ja Konsequenzen für die, die jetzt den Eu­ro haben, wenn ich nicht falsch liege, Herr Finanzminister.

Macron hat dann noch bekräftigt, dass es natürlich einen gemeinsamen Finanzminister geben muss – dem Sie dann unterstellt sind, oder erklären Sie, wie das dann sein wird –, und vor allem, dass es unvermeidbar, alternativlos ist.

Sagen Sie uns: Wie sehen Sie das? Was hat das für Konsequenzen für den Wert des Euro? Was hat das für Konsequenzen für das europäische Budget? Inwieweit ist Ihr Spielraum, den Sie vielleicht jetzt als Finanzminister noch haben, dann eingeschränkt? Gibt es dann noch eine Finanzpolitik in Wien oder wandert die ganz nach Brüssel?

Ich meine, meine sehr verehrten Damen und Herren, einerseits von der FPÖ, anderer­seits Herr Finanzminister, die Debatte über diese zwei Fragen wäre es wert, in den ver­bleibenden elf Tagen noch geführt zu werden. Vielleicht können Sie das gleich hier be­antworten. Auf alle Fälle wäre eine Debatte darüber ein guter Dienst an der Demokra­tie. (Beifall bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit. – Abg. Höbart: Ein enthusiasti­sches Klatschen war das jetzt!)

10.58


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Holzinger-Vogten­huber. – Bitte.

 


10.58.41

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Prä­sident! Ich möchte mich meinem Vorredner anschließen, der betont hat, wie wichtig es ist, die Kindesunterhaltssicherung genau heute an diesem Ort zu debattieren. Wir ste­hen einer Situation gegenüber, in der das Parlament – und da muss ich Abgeordneten Schieder recht geben – damit konfrontiert ist, dass wir von einem Regierungsmitglied zurechtgewiesen werden beziehungsweise in der Rede angehalten werden, uns hier herinnen daran zu halten, verantwortungsvoll zu agieren, keine überschwänglichen Be­schlüsse die Budgetrelevanz betreffend zu treffen, obwohl wir einer Situation gegen­überstehen, in der hier vonseiten des Finanzministers Spielräume für die Zukunft des nächsten Nationalrats, Spielräume für das nächste Budget ins Treffen geführt werden.


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Wie wäre es, wenn wir diese Spielräume, die es aktuell für keine Alleinerzieherin, die mit ihren Kindern an der Armutsgrenze steht, gibt, einmal schaffen würden, bevor wir hier herinnen darüber debattieren, dass eventuell Spielräume für den nächsten Natio­nalrat beschnitten werden würden. (Beifall des Abg. Pirklhuber und bei Abgeordneten ohne Klubzugehörigkeit.)

Kinder und Jugendliche von Alleinerzieherinnen sind in Österreich mehr als doppelt so oft von Armut betroffen wie andere Kinder. Alleinerzieherinnen in Österreich leben zu 42 Prozent in Armut und bilden jene Erwerbs- und Bevölkerungsgruppe, die am stärks­ten von Armut betroffen ist. (Abg. Pirklhuber: So schaut es aus!) Einer der Haupt­gründe dafür ist gerade die unzureichende oder fehlende Unterhaltszahlung für genau diese betroffene Gruppe.

54 Prozent der Kinder und Jugendlichen bekommen zu wenig Unterhalt aufgrund nicht evaluierter und angepasster Regelbedarfssätze, und 18 Prozent der Kinder und Jugend­lichen in Österreich bekommen überhaupt keine Alimente oder Unterhaltsvorschüsse. Genau deshalb ist es dringend notwendig, dass wir uns hier herinnen einigen und auch unsere Zusagen einhalten, die von allen Parteivorsitzenden in einer Fernsehsendung gemacht worden sind und auch entsprechend so benannt worden sind.

„Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.“ – Das steht in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die wir unterschrieben haben. (Abg. Pirklhuber: Richtig!)

Dazu bekennen wir uns – beziehungsweise sollten wir uns eigentlich dazu bekennen, aber wir stehen einer Diskussion gegenüber, bei der uns Finanzminister Schelling hier herinnen mahnt, wir sollen keine das Budget belastenden Beschlüsse treffen. (Abg. Pirklhuber: Ignoranz ist das!) Ermöglichen wir doch den Menschen in Österreich, über­haupt einmal über der Armutsgrenze leben zu können, anstatt Gesetze zu machen, die diesen unsäglichen Zustand noch weiter fortschreiben!

Und eines sei noch in diesem Zusammenhang gesagt: Es heißt, das wäre ein Wahlzu­ckerl, wir würden Beschlüsse in diese Richtung unter anderem nur deshalb jetzt treffen wollen, weil Wahlkampf ist. – Diese Reform des Unterhaltsgesetzes steht seit 2008 im Regierungsprogramm, seit Jahrzehnten hat die ÖVP das Justizressort inne, das genau diese Frage regeln könnte – aber es passiert nichts. Es ist super, dass es im Regierungs­programm steht, es ist super, dass es in den Parteiprogrammen steht – aber warum wird es nicht umgesetzt?

Wir stehen jetzt einer Situation gegenüber, bei der es den Anschein hat – das ist die Sicht der Bevölkerung, wenn ich das widerspiegeln darf –, dass sich alle Parteien einig wären, dass es hier eine Lösung braucht, was die Unterhaltssicherung betrifft. Warum passiert denn dann schon wieder nichts? Es gibt schon wieder nur Streit. Es wird von­seiten der ÖVP gesagt – nein, nein, vorgeschoben; ich hab mir das herausgesucht –, es würden wieder Hunderte Millionen Euro ins Ausland gehen. (Zwischenruf der Abg. Schimanek.) – Das ist die glatte Unwahrheit!

Bei der Unterhaltsgarantie und beim Unterhaltsvorschuss schaut es so aus, dass sie an den Wohnsitz des Elternteils gebunden sind und dass sie an den Wohnsitz im In­land gebunden sind. Das ist die Ausgangssituation! Es wird kein einziger Cent ins Aus­land überwiesen – und es werden schon gar keine Hunderte Millionen überwiesen, wie von der ÖVP gesagt wird. Hier wird politisches Kleingeld auf dem Rücken von Fami­lien, von Alleinerzieherinnen mit deren Kindern gemacht, die an der Armutsgrenze le­ben.

Die ÖVP spricht davon, dass wir das an die Mindestsicherung koppeln sollen. Die Min­destsicherung liegt unter der Armutsgrenze in Österreich, das heißt, mit dem ÖVP-Mo-


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dell wird Armut weiterhin fortgeschrieben. Der Unterhalt wird wieder abgezogen von der Mindestsicherung. Das ist eine unsägliche Situation!

Das ist keine neue Politik! Auch wenn sie türkis angemalt ist, das ist keine neue Politik. (Abg. Pirklhuber: Asozial ist das!) Es gibt keinerlei Bewegung in diese Richtung. Sich hier an ausländischen Kindern – weil es so tituliert wird – abzuputzen, ist meiner Mei­nung nach schäbig. Und zu blockieren, weil verarmte Kinder keine großzügigen Wahl­spenden abliefern können, ist mehr als durchschaubar. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie des Abg. Pilz.)

11.03


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Schenk. – Bitte.

 


11.04.01

Abgeordnete Martina Schenk (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Werte Mit­glieder der Bundesregierung! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Titel der Erklärung des Herrn Finanzministers, „Auch in Wahlkampfzeiten: Verantwortung für Steuermittel und Arbeitsplätze“ zu übernehmen – unter diesem Titel hat er heute seine Erklärung abgegeben –, ist ja gut und richtig, aber ich denke, ihr Inhalt hat sehr zu wün­schen übrig gelassen, wenn man sich diese Erklärung genau angehört hat. Ich möchte hier auf ein paar Punkte eingehen, die mir sehr wichtig erscheinen und die, wie ich glaube, auch die Zuseherinnen und Zuseher sehr interessieren werden.

Herr Finanzminister Schelling, Sie haben dem Parlament quasi vorgeschrieben, was es zu machen hat. – Das wurde auch schon von einigen Abgeordneten richtigerweise er­wähnt, und es wurde hier klar deponiert, dass das so nicht sein kann. Sie als Finanz­minister hätten die Aufgabe, Vorschläge zu machen, Lösungsansätze zu bringen, und nicht den Abgeordneten vorzuschreiben, was sie abzustimmen haben und wie sie ab­zustimmen haben.

Sie haben kein Wort darüber verloren, wie zum Beispiel Ihr neuer Obmann Kurz die 12 bis 14 Milliarden € an Steuerentlastungen, die er ja in den Raum stellt, gegenfinanzie­ren will. Diesbezüglich würden wir uns schon konkrete Antworten erwarten.

Weiters haben Sie auch kein Wort zum Beispiel zu den hohen Wahlkampfkosten der Parteien gesagt. Jede Partei kann ab dem Stichtag, der heuer der 25. Juli war, 7 Mil­lionen € ausgeben. 7 Millionen €, das ist sehr viel Geld; Experte Hubert Sickinger spricht von 40 Millionen € für den Wahlkampf. Wenn man sich ansieht, wie viele Obdachlose es in Österreich gibt, wie viele Menschen es gibt, die an der Armutsgrenze leben, dann muss man sagen: Diese Summe ist für diese Menschen unvorstellbar! Ich hätte mir von Ihnen auch Vorschläge erwartet, wie man da vielleicht zu einer Reduktion kommen und das auch gerechter aufteilen kann. Braucht denn jede Partei wirklich 7 Millionen €, da­mit in ganz Österreich Plakate aneinandergereiht herumstehen, während die Plakatfi­rmen schon nicht mehr wissen, wo sie die Plakate aufstellen sollen, weil schon fast kei­ne Flächen mehr zur Verfügung stehen? Also das, denke ich, ist ein Punkt, der ange­gangen werden müsste und der auch in Ihren Bereich fällt, sehr geehrter Herr Finanz­minister.

Man sieht ja, dass die kleinen Parteien mit weniger Geld auskommen. Wir haben nicht so viel Geld zur Verfügung: Die Freie Liste Österreich hat für diesen Wahlkampf rund 400 000 € zur Verfügung. Es ist schon wichtig und gut, dass wir Plakate haben, dass wir auch ein paar Werbemittel haben, aber alles, würde ich sagen, mit Maß und Ziel, denn schließlich geht es um Steuergeld, geht es um das Geld der Österreicherinnen und Österreicher, das sorgsam ausgegeben werden soll, wie es auch der Rechnungshof immer wieder eingemahnt hat. Dessen ehemaliger Präsident Moser kandidiert ja jetzt für die neue Volkspartei, also wäre das schon ein Ansatzpunkt, hier einmal in die Gän­ge zu kommen und auch wirklich etwas zu machen.


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Sie haben auch mit keinem Wort erwähnt, dass der ORF seinem gesetzlichen Auftrag nicht nachkommt und nicht alle Parteien in die Fernsehdiskussionen einlädt. Warum werden nur die Parlamentsparteien eingeladen? – Der ORF kommt da seinem öffent­lich-rechtlichen Auftrag nicht nach und lädt nicht alle Parteien ein, und das ist auch et­was, was von den Wählerinnen und Wählern nicht verstanden wird. (Abg. Belakowitsch: Das sind eh schon fünf! Das reicht doch!)

Ich war letzte Woche jeden Tag in Graz bei Standl-Aktionen unterwegs. Sie wissen nicht, wie viele Menschen gekommen sind und gefragt haben, warum wir – unsere Spit­zenkandidatin Barbara Rosenkranz und unser Parteigründer Dr. Karl Schnell – nicht zu den Fernsehdiskussionen eingeladen werden. – Hier gibt es keine Antwort, auch ich kann keine Antwort darauf geben, deshalb leite ich diese Frage weiter an das Plenum, an die Abgeordneten der SPÖ und der ÖVP, im ORF die Stimme zu erheben und das in der letzten Wahlkampfwoche vielleicht doch noch möglich zu machen, damit auch die kleineren Parteien eine Möglichkeit haben, ihre Vorstellungen, ihr Programm im ORF zu präsentieren, damit auch eine große Zahl an Österreicherinnen und Österreichern, Zuseherinnen und Zusehern über diese Inhalte informiert werden kann.

Meine Kollegin Barbara Rosenkranz, unsere Spitzenkandidatin, hat ja in ihrer Rede schon auf die Show-Politik der etablierten Parteien hingewiesen, deswegen ist es umso wich­tiger – das möchte ich hier abschließend noch einmal betonen –, dass es eine wirkliche Alternative zu den etablierten Parteien gibt. Wir sehen nämlich, was anderenfalls he­rauskommt, wir sehen, was gemacht wurde: Es passiert einfach nichts, es passiert viel zu wenig für die Österreicherinnen und Österreicher.

Diese Alternative zu den etablierten Systemparteien ist die Freie Liste Österreich, die FLÖ, mit Barbara Rosenkranz an der Spitze, mit Dr. Karl Schnell in Salzburg, der mit seinen Leuten im Landtag dort ausgezeichnete Arbeit macht und der auch – das möch­te ich noch ganz zum Schluss erwähnen – der Initiator war (Präsident Kopf gibt das Glockenzeichen), dass der Salzburger Landtag einstimmig beschlossen hat, das Gly­phosatverbot an die Bundesregierung weiterzuleiten. Wie ich jetzt den Medien entneh­men konnte, ist das nun endlich umgesetzt worden. Daran sehen Sie, wie wichtig und richtig es ist, die Freie Liste Österreich zu unterstützen. – Vielen Dank. (Beifall der Ab­geordneten Barbara Rosenkranz und Doppler.)

11.09


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Steinbichler. – Bit­te. (Abg. Neubauer – in Richtung des sich zum Rednerpult begebenden Abg. Stein­bichler –: Für welche Partei kandidierst du denn gerade? – Abg. Steinbichler: Bis ich dir das erklärt habe, ist die Redezeit vorbei!)

 


11.09.34

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Geschätzter Herr Minister! Frau Minister! Kolleginnen und Kollegen! ZuseherIn­nen auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der in drei Sektoren für Arbeiter, Angestellte und Beamte Balkendia­gramme zu sehen sind, deren jeweilige Entwicklung in Prozenten markiert ist.) Ich darf vielleicht eingangs einen Leserbrief aus der heutigen „Kronen Zeitung“ zitieren, weil an­geblich – ich war leider nicht im Saal – Kollege Pilz berechtigterweise über die Demo­kratie in diesem Staat diskutiert hat. Er nimmt sie allerdings selbst in Anspruch.

Ich bin recht froh darüber, wenn ich heute diesen Leserbrief gelesen habe, da er ja 32 Jahre in diesem Haus war. Ich möchte nicht die Bewertung von Professor Filzmaier verwenden. Ich darf aber heute diesen Leserbrief zur Elefantenrunde von Herrn Franz Umgeher, Weissenbach, zitieren:

„Elefantenrunde. Schlichtweg gesagt, eine Beleidigung der Elefanten. Diese sind hoch entwickelte Tiere (ein Elefant vergisst nie) mit einem Sozialverhalten den anderen ge-


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genüber, das seinesgleichen sucht. Was man von unseren Politikern nicht wirklich sa­gen kann, denn dann hätten sie schon lange das durchsetzen können, was sie heute großmundig für morgen versprechen. Ich würde diese Runde eher als Krokodilrunde verstehend sehen. Sie stecken bis über den Hals im Dreck und haben immer noch das Maul offen.“

Das ist hart formuliert, aber ich denke: Wie wir da bei den Diskussionen vom ORF, von den Zeitungen behandelt wurden! Wir sind keine wilden Abgeordneten, unser Spreng­meister sitzt heute in einer etablierten Partei, und wir wurden zu wilden gemacht. Aber das ist Demokratie. In Ordnung, wir halten das locker aus, die Bürgerinnen und Bürger bestätigen es. Ich bin täglich draußen, verteile meine Karten persönlich, lasse sie nicht verteilen, und wir bekommen entsprechendes Verständnis.

Herr Minister, du hast heute an uns für einen sorgsamen Umgang mit Steuergeld ap­pelliert. Ich zitiere die „Oberösterreichischen Nachrichten“ vom Freitag, 29. September, Titelseite: „Schulden des Staates steigen weiter rasant“. – Hier alles schönzureden oder Wirtschaftsforscher, die uns empfohlen haben, wir sollten heute einen Wandertag ma­chen! – Na, der hätte selber einen machen sollen, dann könnte er seine gekauften Pro­gnosen nämlich beim Wandern lesen. Das ist doch unverschämt, was hier jetzt mit den getürkten Meinungsumfragen, mit den getürkten Wirtschaftsdaten abgeht. Vor der Wahl wird alles schöngeredet und nach der Wahl ist alles dasselbe.

Seit 1980 – und ich zitiere die Statistik Austria – hat sich das BIP verfünffacht, im sel­ben Zeitraum haben sich die Staatsschulden, die öffentlichen Schulden, verzehnfacht. Das sind die Fakten, darüber müssen wir reden!

Wenn wir hier (auf die Tafel am Rednerpult weisend) diese Tafel anschauen, dann wis­sen wir auch, warum die regionale Wirtschaft, warum der regionale Raum zusammen­bricht, warum der ländliche Raum zusammenbricht. Herr Präsident Strasser, du warst ja lange genug dabei und hast die Abstimmung in diesem Haus erlebt. Wenn man den Bauern, wenn man den kleinen Gewerbetreibenden auf dem Land draußen, den Ar­beitnehmerinnen, den Arbeitnehmern, den Konsumenten kein Geld lässt, dann können sie nicht investieren. Na, dann verfallen wir halt zur Konzernwirtschaft, und dann spielt sich unsere Wirtschaft in China und in Indien ab, und überall drucken wir dann „Made in Austria“ drauf. Das ist nicht die Politik, die wir wollen! Wir wollen einen achtsamen Umgang mit den Menschen, mit den Tieren, mit der Umwelt.

Ich komme zu den Menschen zurück: Alle plakatieren Fairness, die neue Gerechtig­keit. Ich möchte nur wissen, was die alte Gerechtigkeit ist. Das wäre interessant! Ent­weder es ist gerecht oder es ist ungerecht – und das ist ungerecht.

Was bei den Pensionen passiert, ist (eine Tafel auf das Rednerpult stellend, die in Bal­kendiagrammen die durchschnittlichen Pensionen von Bauern, Arbeitern, Angestellten und Beamten darstellt): 2,2 Prozent Erhöhung für die kleinen Pensionsbezieher. Für so dumm hält man die Leute, das sind bei 800 € – und das ist eh schon ein Großer von den Kleinen – 17,60 €. 1,6 Prozent von 3 000 € hätte ich lieber, das ist ein Fünfziger. Wir sehen, wie unausgewogen das ist.

Wir sehen (wieder die ursprüngliche Tafel auf das Rednerpult stellend), wie unausge­wogen die Einkommen sind, wie sich unter diesen ÖVP-Finanzministern die Kaufkraft der Arbeiter abgeschwächt hat. Die haben um 17 Prozent verloren, die bei Angestellten ist gleich geblieben, die der Beamten ist um 26 Prozent gestiegen. Dann hat man gleich­zeitig den Familien 280 Millionen € nicht gegeben, die ihnen zustehen, den Müttern, die Kinder erziehen, diese vier Jahre Kindererziehungszeiten bei den Pensionen nicht an­gerechnet. Da hat der Familiensprecher, August Wöginger, gesagt: Das ist eine gute Idee, aber das Geld haben wir nicht!

Den ländlichen Raum habe ich zitiert. Der Bauernstand wurde mit Substituten – Palmöl kommt heute noch – ruiniert, mit künstlichen Fetten. Ich brauche nicht zu sagen, was


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diese Regierung nicht gemacht hat: Reformen, die jetzt wieder angekündigt werden. Der Blitz muss einschlagen in die Bürokratie, sagte Landeshauptmann Pühringer; Stich­worte: Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger, Entbürokratisierung. Ja, und dann fordern wir zu einem sorgsamen Umgang auf. Ich hätte mir eine sorgsame Arbeit erwartet, und die fehlt. Das ist das Ergebnis. Deshalb wollen wir Weißen eine enkelge­rechte, nachhaltige Politik über Generationen.

11.14


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

11.14.472. Punkt

Antrag der Abgeordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kol­legen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufent­haltsgesetz, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Ver­fahrensgesetz, das Grundversorgungsgesetz – Bund 2005 und das Grenzkon­trollgesetz geändert werden (Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) (2285/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen zum 2. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich dieses Antrages wurde dem Ausschuss für innere Angelegenheiten eine Frist bis 22. September 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Einen Wunsch auf mündliche Berichterstattung gibt es nicht.

Somit gehen wir in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Belakowitsch. – Bitte.

 


11.15.25

Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Sehr ge­ehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir diskutieren über die Novelle des Fremdenrechtsänderungsgesetzes, die gefühlte 350. Novelle in den letz­ten Jahren. Es wird permanent herumgedoktert, und das zeigt uns ja, meine Damen und Herren, dass in dieser Republik im Bereich der Fremdengesetze, im Bereich der Zu­wanderung eben nicht alles eitel Wonne ist, wie Sie uns das immer weismachen wol­len, sondern dass es natürlich ganz große Probleme gibt.

Jetzt haben wir wieder einmal eine Novelle. Diese ganze Novelle, würde ich sagen, ist ein reines Placebogesetz, denn sie geht ja nicht auf die wirklichen Probleme ein. Die wirklichen Probleme sind jene, die wir uns jeden Tag in der Zeitung durchlesen kön­nen, vor allem in den Rubriken Chronik oder Gericht: Vergewaltigung in Linz, ein Mord in Ottakring – all das ist in den letzten 24 oder 48 Stunden passiert. Das sind nur ganz, ganz wenige Ausschnitte, man kommt teilweise schon gar nicht mehr nach.

Genau das sind die Probleme, die Sie ja wieder einmal nicht angehen, denn diese wollen Sie gar nicht angehen, denn das wird ja alles schöngeredet: Es ist ja alles gut und wunderbar in diesem Land. – Und das ist es eben nicht!

Beamte, Rechtsanwälte sind ja schon teilweise ob der vielen permanenten Änderun­gen und Gesetzesnovellen überfordert. Dieses Gesetz ist ja auch in Wirklichkeit über­haupt nicht mehr lesbar, nicht einmal für die Fachleute, die sich damit wirklich jeden Tag auseinandersetzen. Das heißt, ehrlicher wäre es, endlich auch den Mut zu haben, hier ein ganz neues Gesetz auf die Beine zu stellen, das dann auch wirklich lesbar ist und auch auf die wirklichen groben Probleme im Bereich des Fremdengesetzes ein­geht.


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Erinnern wir uns: Was ist denn beispielsweise im Jahr 2015 passiert? – Seit damals haben wir eine Massenzuwanderung in die Republik erfahren, wie sie in dieser Zweiten Republik einmalig war und wahrscheinlich einmalig in der Geschichte Österreichs. Wir haben alle Gesetze außer Kraft gesetzt – also nicht wir, sondern Sie, meine Damen und Herren von der Regierung –, wir haben Hundertausende Personen durchgeschleust. Wir wissen überhaupt nicht, wie viele hier in der Illegalität in Österreich versickert sind. Wir wissen aber auch nicht bei jenen, die hier Anträge auf Asyl gestellt haben, wer sie denn überhaupt sind. Jetzt kommt nach und nach heraus: Offensichtlich haben Men­schen falsche Altersangaben gemacht, waren gar nicht alle aus Syrien, so, wie sie es gesagt haben. All das, wovor wir gewarnt haben, all diese Probleme kommen jetzt nach und nach ans Tageslicht.

Ein Ehrenmord in Wien – das läuft alles für Sie offensichtlich unter der Zusammenfas­sung: Passt eh alles, ist eh alles gut! Abschiebungen gibt es de facto nicht. Herr Bun­desminister, ich weiß, Sie werden uns dann wieder erzählen, wie großartig das funktio­niert hat. Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Sie tricksen mit dieser Abschiebesta­tistik, dass sich die Balken nur so biegen. Da werden die Leute genannt, die freiwillig zurück nach Ungarn ausreisen, zurück nach Rumänien. Das fällt bei Ihnen alles unter freiwillige Ausreise, sozusagen unter Abschiebung. Das sind EU-Bürger, die das Land aus welchen Gründen auch immer verlassen. Die geben Sie in Asylstatistiken, in Aus­reisestatistiken hinein, um den Menschen das Gefühl zu verleihen: Es funktioniert eh alles, wir schieben ja eh großartig ab. – Das tun Sie eben nicht, Herr Minister! (Beifall bei der FPÖ.)

Jeder, der einmal hier in unserem Land gelandet ist, weiß, dass er hierbleiben wird. Es wird nicht abgeschoben, er muss auch nicht mehr das Land verlassen, egal, ob er kri­minell wird, egal, ob er zu einem Mörder wird, ob er vergewaltigt, ob er sonstige Krimi­nalität wie Drogen- oder Kleinkriminalität vollführt. Alle bleiben sie hier! Alle bleiben sie hier! Es ist beschämend, wenn man sich anschaut, wenn es dann zu Verurteilungen kommt, was da teilweise herauskommt. Da kommt ein Mann, der einen zehnjährigen Buben im Schwimmbad vergewaltigt, mit wenigen Jahren Gefängnis davon. Das ist ei­ne Justiz und das ist eine Politik, die wir nicht mittragen wollen, weil sie die Menschen nicht wollen. (Beifall bei der FPÖ.)

Sie richtet sich gegen unsere eigene Bevölkerung. Da sind Sie mit dabei, Sie alle! Sie nehmen das so zur Kenntnis und nicken etwas ab und schicken uns hier in der Hoff­nung ein Placebo, dass die Menschen das Zuckerl schon schlucken werden; und nach der Wahl schauen wir dann halt weiter.

Selbst der scheidende VfGH-Präsident Holzinger hat vor zwei Tagen gesagt, er erin­nert an den „offen zutage getretenen Kontrollverlust des Staates“ im Zuge der Flücht­lings- und Migrationskrise 2015 – den „offen zutage getretenen Kontrollverlust des Staa­tes“.

Genau das ist es, meine Damen und Herren: Sie haben unsere Republik damals auf­gegeben, als Sie die Tore aufgemacht haben! Und Sie haben sie bis heute nicht ge­schlossen! (Beifall bei der FPÖ.) Und Sie haben auch gar kein Interesse daran (Prä­sident Kopf gibt das Glockenzeichen), denn wenn ich mir anschaue, was die ÖVP Wien vor wenigen Tagen im Wiener Gemeinderat beantragt hat, nämlich dass Asylwerber – ich spreche hier von Asylwerbern! – bei den Wiener Stadtgärten angestellt werden sol­len, dann weiß man, wohin die Reise geht. Mit uns wird es das nicht geben!

 


Präsident Karlheinz Kopf: Frau Abgeordnete, lassen Sie sich nicht von mir irritieren: Ich habe voreilig geläutet.

 


Abgeordnete Dr. Dagmar Belakowitsch (fortsetzend): Das passt schon, Herr Präsi­dent, ich habe mich nicht irritieren lassen, ich habe weitergesprochen.


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Also genau dahin geht die Reise, Herr Präsident! – Herr Präsident, Sie sind jetzt gar nicht gemeint, jetzt haben Sie mich doch irritiert. (Allgemeine Heiterkeit.) – Herr Minis­ter, genau dahin soll die Reise nämlich gehen, dass Sie die Asylwerber als billige Ar­beitskräfte in den Arbeitsmarkt einschleusen. Das ist Ihr Ziel, meine Damen und Herren von der ÖVP!

Aber zurückkommend auf das Gesetz: Ich würde Sie bitten, Herr Minister, im Sinne einer besseren Lesbarkeit des Fremdenrechts, zu dem Sie heute wieder eine Novelle beschließen: Machen Sie einmal den Versuch, dieses Fremdenrecht auf neue Beine zu stellen!

In diesem Sinne stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Dagmar Belakowitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend un­bedingt erforderliche Neukodifikation des Fremdenrechts

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Neukodifikation des Fremdenrechts um­gehend in Angriff zu nehmen und eine entsprechende Regierungsvorlage vorzulegen.“

*****

Das wäre auch im Sinne der zuständigen Beamten und Juristen. – Danke schön. (Bei­fall bei der FPÖ.)

11.21


Präsident Karlheinz Kopf: Nur zur Klarstellung: Es steht selbstverständlich jeder Red­nerin und jedem Redner frei, die nach der Geschäftsordnung maximale Redezeit von 20 Minuten auszuschöpfen, auch wenn eine freiwillige Redezeitbeschränkung einge­stellt ist, die dann hier zum Aufleuchten des Lämpchens führt.

Ihr Entschließungsantrag, Frau Kollegin, ist ordnungsgemäß eingebracht, unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Belakowitsch

und weiterer Abgeordneter

betreffend unbedingt erforderliche Neukodifikation des Fremdenrechts

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Antrag der Abge­ordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpolizei­gesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das Grundversorgungs­gesetz - Bund 2005 und das Grenzkontrollgesetz geändert werden (Fremdenrechtsän­derungsgesetz 2017 - FrÄG 2017) (2285/A), in der 197. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 4. Oktober 2017

Im Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 ist die fortgesetzte Harmonisierung der Mi­grationspolitik in der Europäischen Union betreffend die Einwanderung und den Aufent-


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halt von Drittstaatsangehörigen, die sich zu Erwerbszwecken im Bundesgebiet aufhal­ten als Ziel definiert. Mit der vorliegenden Regierungsvorlage samt gesamtändernden Abänderungsantrag sollen zudem auch jene Maßnahmen umgesetzt werden, die im „Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018 für Österreich (Jänner 2017)“ zur Eindämmung der Migration beschlossen wurden. Die Maßnahmen, welche insgesamt zu einer effizienteren Verfahrensführung, einer verstärkten Rückkehrberatung und -vor­be­reitung sowie zu einer Steigerung der Ausreisen unrechtmäßig aufhältiger Fremder führen sollen, umfassen zum einen Auflagen während des Asylverfahrens und zum an­deren Auflagen und Beschränkungen im Falle der Erlassung einer Rückkehrentschei­dung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung nach negativem Abschluss des Asylverfahrens. Diese Änderungen gehen leider zu wenig weit.

In den letzten Jahren wurde das Fremdenrecht (Asylgesetz, Fremdenpolizeigesetz, BFA-Verfahrensgesetz, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, etc.) jährlich und teil­weise sogar mehrmals in einem Jahr geändert. In den letzten 10 Jahren wurde das Bun­desgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005)14-mal geän­dert, das Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Do­kumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG) 17-mal und das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Ös­terreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) 19-mal geändert. Selbst das re­lativ junge Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Ab­schiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG) wurde in den letzten 5 Jahren 7-mal geändert. Die Les­barkeit und Anwendbarkeit hat durch die diversen Änderungen stark gelitten.

Es sollte endlich eine komplette Neuverhandlung und Neufassung des Fremdenrechts erfolgen. Die Neukodifikation des Fremdenrechts muss klare und konsequente Regeln beinhalten.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, eine Neukodifikation des Fremdenrechts um­gehend in Angriff zu nehmen und eine entsprechende Regierungsvorlage vorzulegen.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Amon zu Wort. – Bitte.

 


11.22.15

Abgeordneter Werner Amon, MBA (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bun­desministerin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Frau Kollegin Belakowitsch-Jenewein! (Abg. Belakowitsch: Nein, nur mehr Bela­kowitsch!) – Frau Kollegin Belakowitsch, ich habe zwei Anmerkungen zu Ihren Aus­führungen.

Erstens: Dieses Fremdenrechtsänderungsgesetz ist alles andere als ein Placebo. Ich werde dann noch auf einzelne Punkte eingehen. Das sind, denke ich, sehr massive Maß­nahmen, die wir auch für notwendig halten, um in dieser sensiblen Frage der gravieren-


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den Migrationsbewegung, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, auch entsprechend zu reagieren.

Zweitens – um zu Ihrem Entschließungsantrag zu kommen, in dem Sie verlangen, die Bundesregierung solle jetzt eine Neukodifikation des Asyl- und Fremdenrechts als Re­gierungsvorlage vorlegen –: Das ist ein interessanter Vorschlag, es ist auch nichts da­gegen zu sagen, dass man einmal eine Neukodifikation des Fremdenrechts vornimmt, aber an sich sind wir ja hier der Gesetzgeber. Sie hätten ja als Klub die Möglichkeit, ei­ne solche Neukodifikation als Antrag vorzulegen. (Abg. Hübner: Das ist aber ein biss­chen ungewöhnlich!) Also ich lade Sie herzlich ein, hier sozusagen Arbeit nicht weiter­zuschupfen, sondern doch die Arbeit selbst zu erledigen, wenn Sie sich das schon wün­schen, Frau Kollegin Belakowitsch. Gesetzgeber sind schon wir. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Aber Sie geben mir schon recht, die permanenten Novellen haben es unlesbar oder schwer lesbar gemacht! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich möchte aber schon darauf eingehen, dass Sie hier kritisieren, dass es immer wie­der Novellen gibt; das haben wir ja in anderen Bereichen auch, wenn Sie etwa das ASVG hernehmen. (Abg. Belakowitsch: Das macht es ja nicht besser!) Ja, warum ha­ben wir denn laufend Novellen? – Weil in manchen Bereichen, die sehr dynamisch sind, natürlich eine laufende Anpassung der legistischen Rahmenbedingungen erforderlich ist. Gerade die Änderungen auch im Asyl- und Fremdenrecht zeigen eines sehr, sehr deutlich: dass wir auf die Entwicklungen, die es gibt, reagieren, dass wir notwendige Maßnahmen setzen und diese eben in eine entsprechende Rechtsordnung gießen. (Abg. Belakowitsch: Das ist ja das Problem: das Reagieren hintennach!) Aus der Anzahl von Novellen können Sie weiß Gott noch keine negative Vorgangsweise ableiten, Frau Kol­legin Belakowitsch. (Abg. Belakowitsch: „Spätzünder“ nennt man das!)

Ich denke, Österreich hat sich in der Aufnahme von Flüchtlingen nichts vorzuwerfen, wir haben da eine große Tradition. Wir haben immer geholfen, wenn es notwendig war (Abg. Belakowitsch: „Wenn es notwendig war“, ganz richtig!), ganz gleich, ob in der Ungarnkrise, ob beim Prager Frühling, ob in der Jugoslawienkrise (Abg. Hübner: Das sind Europäer! – Abg. Belakowitsch: Das waren aber die Nachbarländer!) – und auch jetzt. Es ist aber richtig und es ist wahr, dass mit dieser Flüchtlingsbewegung auch eine Fülle von Migranten nach Österreich gekommen ist, die nicht Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sind. (Abg. Belakowitsch: Aber! Was machen wir jetzt mit denen?) – Es wundert mich, dass Sie das überrascht. (Abg. Hübner: Sie haben ja keine Ahnung!) Und wir setzen Maßnahmen (Abg. Belakowitsch: Welche genau?), da­mit diese Personen, die zu Unrecht hier sind, die auch negative Bescheide haben, auch dazu angehalten werden, das Land zu verlassen, Frau Kollegin Belakowitsch. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Belakowitsch: Sie tun es aber nicht! Sie tun es aber nicht!)

Sie reden – und wir tun es mit diesem Fremdenrecht. (Abg. Belakowitsch: Nein, das tun Sie eben nicht! Unfassbar! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Sie haben ja auch die Zahlen angezweifelt, ich sage es Ihnen: Wir haben im heurigen Jahr 10 614 negative Bescheide; dabei sind im heurigen Jahr bereits 8 829 Rückfüh­rungen vorgenommen worden. (Abg. Belakowitsch: Lauter Ungarn, Rumänen, Maze­donier!) Das zeigt ja, dass die Systematik funktioniert. (Abg. Belakowitsch: Funktio­niert ja nicht! Das ist ja eine Augenauswischerei!) Im letzten Jahr wurden auch über 10 000 Menschen zurückgeführt; insgesamt sind davon nur 2 290 Dublinfälle, Frau Be­lakowitsch. Also wenn Sie das schon infrage stellen, dann würde ich Sie bitten, schau­en Sie sich die Zahlen noch einmal an! (Abg. Belakowitsch: Hab’ ich!) Nur die Kritik alleine hilft nichts, man muss die Dinge auch tun – und wir tun es, Frau Kollegin! (Bei­fall bei der ÖVP.)

Das neue Fremdenrechtsänderungsgesetz sieht eine Fülle von Maßnahmen vor, etwa die Ausweitung der Schubhaft, wenn jemand einen negativen Bescheid hat, und zwar


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eine Ausweitung bis zu 18 Monaten, damit eben dieses Abtauchen in der Gesellschaft verhindert wird, oder ordentliche Verwaltungsstrafen, etwa wenn sich jemand nicht an der Identitätsfeststellung beteiligt, oder eine Streichung der Grundversorgung, wenn je­mand nicht entsprechend mittut.

Insgesamt steht darüber: Österreich darf nicht ein attraktives Zielland für Wirtschafts­flüchtlinge sein. Das kann nicht die Intention sein. (Abg. Hauser: Das sagen wir schon seit 2015! Das haben Sie aber nicht verstanden!) Österreich gewährt jenen Asyl, die Hil­fe brauchen, aber wir sind ganz sicherlich nicht jenes Land, das in diesem Bereich ein attraktiver Standort sein will.

Der letzte Punkt: Wir haben immer kritisiert, dass die Mindestsicherung auch an jene geht, die einen positiven Asylbescheid haben. Das geht zu weit, das versteht niemand im Land, wenn Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, den gleichen Betrag erhalten wie jemand, der einen Tag lang einen Asylbescheid hat. (Abg. Hauser: Aber ihr habt es ja beschlossen! Seid doch nicht so scheinheilig!) Das wird nicht verstanden, und ich kann Ihnen sagen, wir werden, wenn wir ein entsprechendes Mandat bekom­men, das auch bundeseinheitlich regeln und ändern. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Peter Wurm: Das sagen Sie schon seit Jahren! – Abg. Belakowitsch – in Richtung Bundes­minister Sobotka –: ...! Das ist ja unglaublich! Das wissen Sie ganz genau! Das sind Ihre Zahlen! Ihre Anfragebeantwortung! – Weitere Zwischenrufe bei der FPÖ.)

11.28


Präsident Karlheinz Kopf: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Mag. Korun. – Bitte.

 


11.28.01

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Da­men und Herren, die Sie uns hier auf der Galerie und vor den Bildschirmen zuschauen! Das x-te Asylverschärfungspaket haben wir heute wegen eines Verlautbarungsfehlers wieder zum Beschluss vorgelegt bekommen, der Inhalt mit den vielen Verschärfungen ist allerdings gleich geblieben.

Die Bundesregierung versucht bereits seit Jahren, das Asylrecht so zu verschärfen, dass schutzsuchende Menschen möglichst abgeschreckt werden und sie nicht nach Österreich kommen. (Abg. Rädler: Wirtschaftsflüchtlinge!) Dabei geht es aber darum, Fluchtursachen zu bekämpfen, statt geflüchtete Menschen zu bekämpfen. Erstens ist es aus menschenrechtlicher Sicht ein No-Go, Menschen zu bekämpfen, weil sie sich auf die Flucht begeben haben; aber auch, was Nachhaltigkeit von Politik betrifft ... (Un­ruhe im Sitzungssaal.) – Ich höre viele Zwischenrufe. Ich habe auch den Kolleginnen und Kollegen vor mir zugehört, es wäre nett, wenn man hier seine Rede einfach halten dürfte.

Fluchtursachen zu bekämpfen, statt flüchtende oder geflüchtete Menschen zu bekämp­fen, das wäre auch eine nachhaltige Politik, und da gibt es drei Hauptpunkte.

Der erste Punkt: Es muss ganz massiv der Waffenhandel bekämpft werden. Mit Waf­fen, die in Großbritannien, in Deutschland, in Schweden, in Spanien, aber leider auch in Österreich produziert werden und dann in Krisengebiete und Kriegsländer exportiert werden, wie beispielsweise nach Saudi-Arabien, werden Menschen dort bombardiert, werden Menschen verfolgt, und so werden regelrecht Flüchtlinge gemacht, sehr geehr­te Damen und Herren.

Ich darf daran erinnern, dass im letzten Jahr 30 000 Schusswaffen aus der EU nach Saudi-Arabien geliefert wurden. Das ist jenes Land, das seit zwei Jahren Krieg gegen das Nachbarland Jemen führt, wo Hunderttausende Menschen auf der Flucht sind.

Zweiter Punkt zum Thema Fluchtursachen bekämpfen: Klimakatastrophen verhindern! Wir wissen alle, dass wir die letzte Generation sind, die gegen Klimakatastrophen wirk-


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lich effektiv etwas unternehmen kann. Wenn es uns als Politikern und Politikerinnen ab heute nicht gelingt, effektive Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, dann kann es sein, dass in den nächsten Jahren Hunderttausende und Millionen Menschen zu Klimaflücht­lingen werden, weil beispielsweise Inseln im Pazifik überflutet werden, weil ganze Land­striche unter Wasser sein werden und dort die Lebensgrundlage weg sein wird. Sich dann darüber zu beschweren, dass sich schon wieder Millionen auf den Weg gemacht haben, wird zu spät sein. Deshalb sagen die Grünen: Klimaschutz ist auch Menschen­schutz. Und Klimaschutz ist eine ganz wesentliche Säule bei der Bekämpfung von Fluchtursachen. (Beifall bei den Grünen.)

Dritter und genauso wichtiger Punkt ist gerechter Handel. Wenn wir über Asyl und Schutz sprechen, sagen viele Kollegen und Kolleginnen, vor allem von ÖVP und FPÖ, ja, das seien Menschen, die sich nur wirtschaftlich verbessern wollen. Abgesehen da­von, dass das die Dramatik von Hungerkatastrophen unter den Teppich kehrt und so tut, als gäbe es diese Dramatik überhaupt nicht, löst es auch das Problem in keiner Weise.

Was das Problem angehen und lösen würde, ist gerechter Handel, ist die Notwendig­keit, dass wir als EU aufhören, mit massiv subventionierten Landwirtschaftsprodukten die afrikanischen Märkte zu überfluten. Alle, die sich dafür interessiert haben, wissen, dass aus der EU importierte, subventionierte Tomaten in Ghana viel billiger sind als die Tomaten von ghanaischen Kleinbauern und Kleinbäuerinnen vor Ort.

Das heißt, wenn wir als Europäische Union eine Politik machen, mit der wir Lebens­grundlagen woanders zerstören, wenn wir Menschen mit unserer Handels- und Wirt­schaftspolitik Lebensgrundlagen wegnehmen, dann brauchen wir uns über Migration lei­der nicht zu wundern.

Ich schlage also vor, dass wir, anstatt immer wieder neue Asylverschärfungspakete zu beschließen, gemeinsam an den Ursachen ansetzen, und zwar sowohl in der EU als auch in der Staatengemeinschaft insgesamt, dass wir Fluchtursachen bekämpfen und dass wir aufhören, vor allem unsere Bundesregierung aufhört, geflüchtete Menschen zu bekämpfen.

Ich möchte Ihnen abschließend kurz noch etwas vorlesen. Viele von Ihnen haben das wahrscheinlich gesehen, es war nämlich vor drei Tagen auf der Homepage des ORF, auf ORF ON zu lesen, es ist also erst drei Tage alt:

„Wegen Geldmangels müssen die Vereinten Nationen [...] Essensrationen von Flücht­lingen in Kenia um fast ein Drittel kürzen. Die rund 420 000 Menschen in den Flücht­lingslagern Dadaab und Kakuma“ werden „ab diesem Monat 30 Prozent weniger Essen bekommen, teilte das UNO-Ernährungsprogramm [...] gestern mit. [...]

,Rationen zu kürzen ist ein letztes Mittel, und wir hoffen, dass es nur eine kurzfristige Maßnahme ist‘, sagte die Kenia-Chefin der Organisation [...] Das“ World Food Pro­gramme „benötige 28,5 Millionen Dollar (etwa 24 Mio. Euro), um die Kosten für die nächsten sechs Monate zu decken.“

Wenn das unsere Politik ist, dass wir einen Außenminister haben, der ständig von Hilfe vor Ort spricht, und gleichzeitig unsere Unterstützung des Welternährungsprogramms nicht und nicht steigt und deshalb Menschen in Kenia Hunger droht, dann wird es lei­der weiterhin ganz massiv zu Fluchtbewegungen kommen. Es liegt aber an uns, mit ei­ner nachhaltigen Politik Flucht zu verhindern, indem wir Fluchtursachen bekämpfen. Bitte fangen wir endlich damit an! – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

11.34


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Pendl. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 54

11.35.04

Abgeordneter Otto Pendl (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank! Hohes Haus! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Galerie und vor den Bildschirmen! Ich hätte mich ja hier herstellen und lang und breit berichten können. Ich habe das nicht gemacht, weil ich weiß, hier sitzen lauter Profis, und alle wissen, dass wir das Gesetz aus formalen Gründen heute nochmals be­schließen müssen. Deshalb habe ich gedacht, ich kann mir das ersparen. Nachdem ich mir aber jetzt einige Redner angehört habe, muss ich sagen, anscheinend hat man ver­gessen, warum wir heute hier stehen und das noch einmal beschließen.

Ich weiß schon, dass Wahlen sind, aber gerade bei dem Thema haben wir ja immer die Diskussion so gelagert. Wir können jedes Mal hier eine Grundsatzdiskussion über die ganze Welt führen, aber wir werden das Problem von diesem Parlament aus und mit unseren gesetzgeberischen Möglichkeiten nicht für die gesamte Staatengemeinschaft lösen können.

Frau Kollegin Belakowitsch, es stimmen alle Zahlen nicht, die Sie nennen, und die ha­ben noch nie gestimmt. (Abg. Belakowitsch: Das ist ja die Beantwortung vom Innen­minister! Das waren die Zahlen vom Innenminister!) Mich stört jede einzelne strafbare Handlung, jede einzelne. Zu jedem Problemfall, den wir haben, gibt es irgendwo einen negativen rechtsgültigen Bescheid, und wir bringen ihn nicht außer Landes. Das habe ich immer selber kritisiert.

Aber immer ein Bild zu zeichnen, als wäre bei uns was weiß ich welche Unsicherheit, das ist sicher nicht richtig. Seien wir froh, dass wir nach wie vor eines der sichersten Länder der Welt sind! Seien wir froh, dass unsere Aufklärungsraten stimmen! Da kann man nur sagen: Danke, liebe Polizistinnen und Polizisten!, und ich sage das tatsäch­lich. (Abg. Belakowitsch: Alles ist gut im Land!) Schaut euch die Zahlen einmal an! Daher sollten wir so eine Debatte, wo wir wissen, dass wir das Gesetz aus formalen Gründen heute noch einmal zu beschließen haben, nicht in diese Richtung steuern. Das haben wir, glaube ich, nicht notwendig, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Ich möchte nur auf ein, zwei inhaltliche Punkte eingehen; Kollege Amon hat ja schon auf einige hingewiesen. Ich habe schon das letzte Mal, als wir es beschlossen haben, gefragt, weil gesagt worden ist, da fährt man immer drüber: Hat sich jemand ange­schaut, wie lange wir FrÄG 1 und FrÄG 2 mitsamt den Hearings diskutiert haben, bis wir sie dann letztendlich beschlossen haben? Also da kann man dann nur mehr sagen, wir diskutieren es ewig. Aber ich glaube, in der Sache haben wir alle Punkte, bis zu Wohnsitzbestimmungen und all diese Fragen – ich will das jetzt aus Zeitgründen nicht noch einmal alles strapazieren –, ausgiebig diskutiert. Sie tun ja so, als ob man hier jetzt mit einer Novelle wieder etwas ganz Neues beschließen würde. Und ich bleibe dabei: Jeder kennt den Grund, warum wir heute hier stehen und das noch einmal be­schließen.

Aber eines, Frau Kollegin Belakowitsch, sage ich Ihnen schon – ich glaube, Kollege Amon hat sogar darauf hingewiesen –: Es verändern sich die Rahmenbedingungen dra­matisch, auch in diesem Bereich. Ich glaube, ich habe in der letzten oder vorletzten De­batte schon gesagt: Schon bei den Novellen haben wir Debatten, wo die Meinungen sehr weit auseinandergehen. Na das schaue ich mir an! Ich hätte auch gerne ein neu­es Gesetz, aber auf die Debatte wäre ich neugierig, wenn wir sagen würden, wir schrei­ben ein neues Gesetz. Das möchte ich sehen, in welcher Zeit das überhaupt machbar und möglich ist.

Ich nehme den positiven Ansatz: Selbst wenn wir es machen, garantiere ich Ihnen, dass bei der Beschlussfassung aufgrund der langen Zeitspanne schon wieder Proble­me aufgetaucht sind, weswegen wir schon wieder eine Novelle machen müssen. (Abg. Belakowitsch: Und deshalb wurschteln wir immer so weiter?!) Das ist normal, denn


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wir können doch nicht anordnen, dass sich die Welt nicht weiterentwickeln darf! Ich glaube, wir können hier immer nur auf die Gegebenheiten Rücksicht nehmen und ent­sprechende Beschlüsse fassen.

Ich weiß, es gibt die Diskussionen: War das notwendig, war das nicht notwendig?, da­zu kann man einen unterschiedlichen Zugang haben. Jetzt hat sich eben das Haus da­zu entschlossen, dass wir das noch einmal beschließen. Kollegin Korun hat es schon gesagt, es war ein Verlautbarungsfehler dabei, es ist halt, wie es ist. Aber um eines würde ich schon bitten, eines sollten wir nicht vergessen, auch heute nicht, auch wenn Wahlen sind, so wichtig die ganzen Maßnahmen sind und so konsequent wir in diesen einzelnen Bereichen auch sein müssen: Wir reden immer über Menschen, und wir soll­ten diese Diskussion wirklich so führen, wie es sich eigentlich gehört. In den letzten Jah­ren war das nicht möglich, vielleicht wird es in der Zukunft möglich sein.

In der Sache selbst durchaus konsequent, das ist alles okay, aber trotzdem: Wir reden hier immer über Menschen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

11.40


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Scherak. – Bitte.

 


11.40.14

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesminis­ter! Herr Bundesminister! Ja, Herr Kollege Amon, die Frau Kollegin Belakowitsch und ich sind auf dem Gebiet des Asylrechts in der Regel nicht einer Meinung, aber wo sie natürlich hundertprozentig recht hat, ist erstens, dass diese Novelle, auch wenn wir sie zum zweiten Mal diskutieren, im Wesentlichen eine Symbolpolitik darstellt, weil sich die konkreten Probleme nicht ändern werden und Sie auch keine Lösungen dafür vorschla­gen, und zweitens, dass wir natürlich eine neue Kodifikation des gesamten Asylrechts brauchen, weil es so, wie es derzeit vorliegt, einfach nicht mehr anwendbar ist, was auch alle Experten sagen.

Wenn Sie dann sagen – das ist heute anscheinend ein lustiger Tag für die ÖVP –, die Frau Kollegin Belakowitsch soll sich hinsetzen und allein ein neues Asylrecht schrei­ben, dann muss ich Ihnen sagen: Ich spreche Ihnen Expertise zu, ich spreche auch mir Expertise zu, aber es ist, gelinde gesagt, ein bisschen schwierig, ein so komplexes Rechtsgebiet allein auszuarbeiten. Da braucht es eine umfassende Einbindung von Experten und natürlich auch eine solche der Regierung. Aber wie gesagt, das ist heute offensichtlich ein lustiger Tag für die ÖVP, den scheinen Sie nicht ganz ernst zu neh­men.

Es sind Dinge in diesem FrÄG enthalten, die nachvollziehbar sind und bei denen wir von den NEOS keine Probleme sehen. Wir haben beim letzten Mal getrennt abge­stimmt und werden das wiederum tun, wenn es um die Anordnung der Unterkunftnah­me, der Wohnsitzbeschränkung und der Wohnsitzauflage geht. (Zwischenruf des Abg. Amon.) Das sind zwar sinnvolle Maßnahmen, Herr Kollege Amon, aber es geht leider am Kern der Problematik vorbei.

Bei den wesentlichen Maßnahmen, die wir bräuchten, ist es wie immer die ÖVP, die blockiert. Was wir nämlich wirklich bräuchten, wäre eine Residenzpflicht für anerkannte Asylberechtigte, damit wir Integration möglich machen können, und zwar insbesondere dort, wo Integration möglich ist, nämlich dort, wo im ländlichen Raum die entsprechen­den Ressourcen vorhanden sind. Aber es sind Ihre Landeshauptleute, die jedes Mal sagen: Nein, das wollen wir nicht, denn wir wollen an der Integration nicht mitwirken! Das ist ein riesiger Fehler. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amon.)

Im vorliegenden Gesetz ist die automatische Einleitung eines Aberkennungsverfahrens bei Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft enthalten. Das ist natürlich abzu-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 56

lehnen und das ist rechtsstaatlich in einer Art und Weise bedenklich, dass Ihnen jeder Jurist erklären könnte, dass das nicht funktioniert. Dass Sie allerdings sowieso schon viele rechtsstaatliche Prinzipien über Bord geworfen haben, kann man heute in vielen österreichischen Tageszeitungen lesen.

Wenn im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die erstinstanzliche Asylentschei­dung von Maturanten nach einem dreimonatigen Crashkurs durchgeführt wird, dann wundere ich mich nicht, dass die Verfahren in Österreich so lange dauern und qualita­tiv auch dementsprechend sind, nämlich nicht in Ordnung sind. Was wir bräuchten, um Rechtsstaatlichkeit zu garantieren, ist eine bessere Ausstattung des BFA. Wir müssen schauen, dass wir Verfahren in 180 Tagen durchführen können, so wie es beispiels­weise die Schweiz macht. Dort werden entsprechende Ressourcen in die Hand ge­nommen, damit klar ist, dass diejenigen, die bleiben können, schnell integriert werden können, und diejenigen, die nicht bleiben können, so rasch wie möglich in ihre Her­kunftsländer zurückgebracht werden.

Dazu braucht es natürlich auch Rückführungsübereinkommen, und da sind der Innen­minister und der Außenminister seit einer Ewigkeit säumig. Wir hören zwar immer wie­der, dass wir die Menschen rasch rückführen müssen, passiert ist aber bis dato nichts. Und es gibt diesbezüglich auch keinen Druck auf der Ebene der Europäischen Union. Da könnten Sie endlich einmal Initiativen setzen.

Und natürlich brauchen wir – und da hat Frau Kollegin Belakowitsch wiederum recht, und demzufolge werden wir dem auch zustimmen –, um schnellere Asylverfahren zu garantieren, ein neues Asylrecht, weil bei dieser komplexen Materie in Wirklichkeit nie­mand mehr einen Durchblick haben kann. Da wäre ein weiteres Mal die ÖVP gefordert. Aber was Sie von der ÖVP mit dieser FrÄG-Änderung machen, ist reine Symbolpolitik. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Amon.) Ich weiß, das klingt immer gut, aber konkret geändert haben Sie an der Sache noch gar nichts. (Beifall bei den NEOS und bei Ab­geordneten der Grünen.)

11.43


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Lasar. – Bitte.

 


11.43.36

Abgeordneter David Lasar (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Am Beginn meiner Ausführungen einige Wor­te zu Herrn Amon: Ich weiß nicht, waren Sie nicht letztes Mal im Ausschuss, zu dem wir Experten geladen haben, die eindeutig klargelegt haben, dass diese Gesetzesnovellie­rung nichts anderes als ein Flickwerk ist?! Es kennt sich da keiner mehr aus. (Zwi­schenruf des Abg. Amon.)

Es wurden den Beratungen im Ausschuss Richter beigezogen, und einer dieser Rich­ter, nämlich Mag. Thomas Gruber, Richter am Bundesverwaltungsgericht, hat dort Fol­gendes gesagt – ich zitiere –: Hier soll ohne Grund und ohne objektive Notwendigkeit eine weitere Möglichkeit geschaffen werden, Personen unter dem Titel, dass humanitä­re Gründe vorlägen, die Einreise und das Asylverfahren zu ermöglichen. – Erstens.

Zweitens – er hat noch viel mehr gesagt, aber ich werde nur zwei seiner Aussagen hier zitieren – hat er zu diesem Gesetz gesagt: Dieses wichtige Gesetz muss klare und deut­liche Aussagen liefern. Das heißt: Zurück an den Start zu kompletten Neuverhandlun­gen und damit zu einer Neufassung des Fremdenrechts. Und Sie, Herr Amon, wollen uns jetzt erklären, dass das eh alles in Ordnung sei. Sogar Ihr Bundesparteiobmann Kurz äußert sich schon in die Richtung, dass er selbst an diesem Gesetz zweifelt. Das sagt er ja schon im Fernsehen bei all seinen Interviews. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Amon.) Nehmen Sie doch auch einmal ernst, was Ihr Bundesparteiobmann sagt! Sie und Ihr Obmann sagen zu diesem Gesetz zwei verschiedene Dinge, nämlich: Wäh-


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 57

rend Ihr Parteiobmann sagt, so könne es nicht weitergehen, stellen Sie sich hier her und sagen, es sei alles in Ordnung. (Weiterer Zwischenruf des Abg. Amon.) Jetzt ha­ben Sie ein Flickwerk geschaffen, nämlich ein Flickwerk, bei dem sich kein Experte, kein Rechtsanwalt, niemand mehr auskennt, und Sie stellen sich hier her und sagen, es sei bei diesem Gesetz alles in Ordnung.

Also was wollen Sie: Wollen Sie, dass sich die Experten nicht mehr auskennen? Ist es Ihr Ziel, dass sich die Experten nicht mehr auskennen, damit man ermöglicht, dass durch die Hintertür Migrationsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge wieder in unser Land kom­men? Und Sie sagen dann: Na ja, wir müssen das Gesetz jetzt noch einmal novellie­ren!

Ich weiß nicht, die wievielte Novellierung das jetzt schon ist, die fünfte, sechste oder siebente, ich weiß es nicht. Dieses Gesetz ist zigmal novelliert worden, und es haben Ihre Experten, die Sie geladen haben – auch wir haben welche geladen, auch von den anderen Parteien wurden Experten geladen, und die waren auch dieser Meinung –, ein­deutig gesagt: Bitte macht ein neues Gesetz und nicht ein Flickwerk! – Genau das ist der Punkt, wo ich Ihnen heute wieder sage: Es muss ja nicht heute beschlossen wer­den; machen Sie ein gescheites Gesetz, mit dem alle leben können, es ist jetzt nicht wichtig! Es ist nicht wichtig, so ein Flickwerk zu beschließen. (Beifall bei der FPÖ.)

Und Sie, Herr Bundesminister Sobotka, verstehe ich auch nicht, denn Sie als Bundes­minister müssen doch Experten haben, die Sie darauf hinweisen und sagen: Ja, die Richter, die beim Hearing waren, haben recht! Ich frage Sie daher: Warum müssen Sie das Gesetz unbedingt jetzt beschließen? Außerdem haben Sie doch den ganzen Som­mer Zeit gehabt, wo Sie hätten sagen können: Okay, machen wir ein neues Gesetz! Das hätten wir heute genauso beschließen können. Aber nein, Sie haben gar nichts gemacht, lediglich zwei Sachen, die nicht gesetzeskonform waren, hat man geändert, und das haben Sie in zwei Stunden fertig gehabt, und damit war der Fall erledigt. Den ganzen Sommer haben Sie sonst nichts in dieser Sache gemacht.

Hätten Sie ein gescheites Gesetz gemacht, dann könnten wir das jetzt auch mitbe­schließen. Hätten Sie auch unsere Forderungen übernommen, dann wäre das möglich gewesen. Sie haben bis jetzt eh alles von uns übernommen, Sie haben ja eh schon al­les von uns kopiert, da hätten Sie ja die paar Sachen von uns auch noch hineinkopie­ren können, dann hätten wir vielleicht heute auch bei diesem Gesetz zustimmen kön­nen, aber nein, wider besseres Wissen machten Sie wieder nichts.

Ich bin überzeugt davon, dass wir in ein paar Monaten hier wieder über dieses Gesetz diskutieren werden, das ja in Wirklichkeit kein Gesetz ist, sondern ein reines Flickwerk. Aber dann – das kann ich Ihnen jetzt schon sagen – stehen wir mit Sicherheit nicht zur Verfügung, denn wir wollen ein Gesetz, das wirklich Verschärfungen enthält und nicht Tür und Tor durch die Hintertür öffnet. So kann es bei Gott nicht sein! Es kann nicht sein, dass so ein Gesetz oder so ein Flickwerk, muss man sagen, noch befürwortet wird. Das ist für mich – und auch für die Experten! – kein Gesetz. Ich kann daher hier nur sagen – aber das brauche ich gar nicht laut und deutlich hier zu sagen, denn Sie wissen es ohnehin –, dass wir so einem Flickwerk nicht zustimmen werden. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, wollten Sie nicht noch einen Entschlie­ßungsantrag einbringen? – Bitte.

 


Abgeordneter David Lasar (fortsetzend): Danke vielmals. – Abschließend möchte ich noch folgenden Entschließungsantrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten David Lasar, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Rückübernahme­abkommen forcieren – straffällige Asylwerber abschieben


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 58

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, weitere Rückübernahmeabkommen zu forcie­ren und straffällige Asylwerber konsequent abzuschieben.“

*****

Das war mir sehr wichtig, daher nochmals danke. (Beifall bei der FPÖ.)

11.48


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag ist ausrei­chend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Lasar und weiterer Abgeordneter betreffend Rückübernahmeab­kommen forcieren – straffällige Asylwerber abschieben

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 1, Antrag der Abge­ordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Fremdenpoli­zeigesetz 2005, das Asylgesetz 2005, das BFA-Verfahrensgesetz, das Grundversor­gungsgesetz – Bund 2005 und das Grenzkontrollgesetz geändert werden (Fremden­rechtsänderungsgesetz 2017 – FrÄG 2017) (2285/A), in der 197. Sitzung des National­rates, XXV. GP, am 4. Oktober 2017

Im Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 ist die fortgesetzte Harmonisierung der Mi­grationspolitik in der Europäischen Union betreffend die Einwanderung und den Auf­enthalt von Drittstaatsangehörigen, die sich zu Erwerbszwecken im Bundesgebiet auf­halten als Ziel definiert. Mit der vorliegenden Regierungsvorlage samt gesamtändern­den Abänderungsantrag sollen zudem auch jene Maßnahmen umgesetzt werden, die im „Arbeitsprogramm der Bundesregierung 2017/2018 für Österreich (Jänner 2017)“ zur Eindämmung der Migration beschlossen wurden. Die Maßnahmen, welche insge­samt zu einer effizienteren Verfahrensführung, einer verstärkten Rückkehrberatung und -vorbereitung sowie zu einer Steigerung der Ausreisen unrechtmäßig aufhältiger Fremder führen sollen, umfassen zum einen Auflagen während des Asylverfahrens und zum anderen Auflagen und Beschränkungen im Falle der Erlassung einer Rückkehr­entscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung nach negativem Ab­schluss des Asylverfahrens. Diese Änderungen gehen leider zu wenig weit.

Der Kurier online berichtete unter http://kurier.at/chronik/wien/haeupl-kein-pardon-fuer-kriminelle-asylwerber/185.953.104 am 10. März 2016 über ein Interview mit Bürger­meister Häupl:

„Häupl: Kein Pardon für kriminelle Asylwerber

Nach Gewaltexzess zwischen Tschetschenen und Afghanen ist des Bürgermeisters Geduld am Ende.

Die Wiener SPÖ wird sich ab heute, Donnerstag, mit den Folgen der Flüchtlingskrise für die Bundeshauptstadt beschäftigen. Wien muss aber nicht nur investieren. Zuletzt sorgten auch Drogendealer und Gewaltexzesse für heftige Diskussionen in der Stadt. Im KURIER-Interview spricht Bürgermeister Michael Häupl ein Machtwort. Er zeigt für kriminelle Asylwerber kein Verständnis und ist dafür, sie in ihre Heimatländer zurück­zuschicken.

(…)


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 59

Was macht man, wenn sich darunter Asylwerber befinden?

Wenn hier Asylwerber dabei gewesen sind, dann haben die aus meiner Sicht mit sol­chen Straftaten ihr Asylrecht verwirkt. Und dann sollen sie rausgeworfen werden.“

(…)

Der Tageszeitung „Die Presse“ vom 09.03.2016 konnte entnommen werden, dass je­der zweite Asylwerber angezeigt wurde:

„Langjährige Detaildaten der Statistik zeigen: Vor der großen Fluchtbewegung wurde jeder zweite Asylwerber angezeigt. Häufig haben Menschen aus Algerien, Georgien und Nigeria Polizeikontakt.

Für wie viel und für welche Art von Kriminalität sind Asylwerber verantwortlich? Eine den Zeitraum der Jahre 2003 bis 2014 - also vor der Fluchtbewegung aus Syrien (!) - umfassende Detailrecherche bringt für Österreich folgendes Ergebnis: Der Anteil ange­zeigter Delikte an der Gesamtkriminalität ist insgesamt gering - allerdings gibt es bei und innerhalb dieser sehr kleinen Bevölkerungsgruppe Auffälligkeiten. (…)

Diese Bevölkerungsgruppe wiederum errechnet sich fast exakt aus der Summe der Ausländer in Grundversorgung, von der man Menschen abzieht, die zwar Grundversor­gung erhalten, aber keine Asylwerber sind (z. B. subsidiär Schutzberechtigte). Aufzeich­nungen dazu gibt es seit 2004. Seit damals leben 12.352 (2011) bis 26.113 (2005) im Land. Flüchtlinge, die keine Grundversorgung ausbezahlt erhalten, weil sie über eige­nes Vermögen verfügen, fallen statistisch nicht ins Gewicht.

Algerier: 155 Anzeigen pro 100 Anträge

Ausgehend von dieser Basis lässt sich dann errechnen, dass pro Jahr fast jeder zweite Asylwerber strafrechtlich tatverdächtig wird. Im Zeitraum 2004 bis 2014 waren das 41 bis 62 Prozent aller Flüchtlinge. Der Spitzenwert für 2010 (74 Prozent) ist nicht aussa­gekräftig. In diesem Jahr hat das Bundeskriminalamt in der Datenbank einmalig 1672 Asyl­werber nachgetragen, deren Herkunftsland unbekannt war.

Die Zahl der Tatverdächtigen basiert auf der "Einzeltäterzählung". In dieser Auswer­tung werden Personen, die mehrere Delikte begangen haben, nur einmal gezählt. Zu (seltenen) Doppelzählungen kann es nur kommen, wenn die Taten in unterschiedlichen Bundesländern begangen wurden und die Behörden ihre Akten nicht miteinander ab­gleichen.

Zwischen den Nationen gibt es Unterschiede. Die Recherche wertet alle geklärten Straf­taten aus, die 2003 bis 2014 von Asylwerbern begangen wurden. So lässt sich ein aus­sagekräftiger Vergleichswert von Straftaten pro 100 Asylanträge für diesen Zeitraum er­rechnen. Die Liste (siehe Grafik) wird von Personen aus Algerien (155 Straftaten pro 100 Anträge) angeführt. Es folgen Georgier (151) und Nigerianer (129). (…)

Das Argument, dass Asylwerber allein deshalb häufiger straffällig würden, weil sie ge­gen das Fremdenpolizeigesetz verstoßen könnten, trifft nicht zu. Der Anteil derartiger Verstöße beträgt lediglich 1,2 Prozent.“

Somit sind Rückübernahmeabkommen speziell zur erfolgreichen Abschiebung drin­gend geboten.

Die Europäische Union hat mit Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Bosnien und Her­zegowina, Georgien, Hong Kong, Kap Verde, Macao, Mazedonien, Moldau, Monteneg­ro, Pakistan, Russische Föderation, Serbien, Sri Lanka, Türkei und der Ukraine EU-Rückübernahmeabkommen abgeschlossen. Anfang 2017 ein Kooperationsabkommen auch mit Afghanistan.

Österreich hat mit insgesamt 22 Staaten bilaterale Rückübernahmeabkommen abge­schlossen. Drei dieser Rückübernahmeabkommen bestehen mit den Drittstaaten Koso-


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vo, Nigeria, und Tunesien. Die restlichen Abkommen wurden mit den – mittlerweile – EU-Mitgliedstaaten Belgien, Bulgarien, Deutschland, Estland, Frankreich, Italien, Kroa­tien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlanden, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowe­nien, Tschechien, Ungarn und den assoziierten Staaten Liechtenstein und der Schweiz abgeschlossen.

Es fehlen aber viele Rückübernahmeabkommen mit wesentlichen Staaten wie zum Beispiel mit Marokko, Algerien, Irak, Iran, Somalia, etc. Bundesminister Kurz hat dies­bezüglich keine Erfolge vorzuweisen.

Daher stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, weitere Rückübernahmeabkommen zu forcie­ren und straffällige Asylwerber konsequent abzuschieben.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Ro­senkranz. – Bitte.

 


11.49.08

Abgeordnete Barbara Rosenkranz (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Herr In­nenminister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch einmal zu dem Thema, ob das, was wir hier vor allem im Wahlkampf diskutieren, tatsächlich der Lebensrealität der Menschen und den Zukunftsbedingungen des Landes entspricht. Ich meine, da man­gelt es sehr.

Es ist ein ganz wesentliches Kriterium eines Staates, darüber zu entscheiden, wer kommt und wer bleibt. Wir haben hier schon über die Frage Asyl und Einwanderung diskutiert, es könnte allerdings sein, dass genau dieses Recht, darüber zu entscheiden, wer kommt und wer bleibt, demnächst nicht mehr in Wien angesiedelt sein wird.

In seiner Rede zur Lage der Europäischen Union am 13. September dieses Jahres, vor Kurzem also, forderte der EU-Kommissionspräsident nicht nur die Sache mit dem Euro und dem Schengenraum, sondern eben auch die Einrichtung einer Asylbehörde, die ver­bindlich festlegt, nach welchen Kriterien Asyl erteilt wird und wie die Asylwerber zuge­teilt werden. Das heißt, die Kompetenz liegt dann in Brüssel.

Manchen mag das vielleicht sogar recht sein, weil dann der eine oder andere dieses perfide Spiel, das immer gespielt wird, weiterspielen kann, nach dem Motto: Da kann man nichts machen, das hat Brüssel entschieden, wir sind nicht schuld! – Wir aber mei­nen, dass Österreich auf eine eigenständige Einwanderungspolitik keinesfalls verzich­ten kann. Daher fordere ich Sie auf, Herr Innenminister, in Brüssel dagegen Protest ein­zulegen, damit die Kompetenz darüber, wer hier Asyl bekommt und wer hier bleibt, zu­mindest vorübergehend in Wien bleibt.

Daher stelle ich folgenden Antrag:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Öster­reich muss Einwanderung eigenständig kontrollieren. Kein Ausverkauf unserer Souve­ränität!


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Die Bundesregierung wird aufgefordert, auf EU-Ebene gegen die Pläne des EU-Kom­missionspräsidenten Jean-Claude Juncker und des französischen Präsidenten Emma­nuel Macron, die Einwanderungspolitik zu „vergemeinschaften“, aktiv einzutreten.

*****

Das wäre im Interesse einer ehrlichen Politik, denn wenn Sie das nicht machen und wenn Sie zulassen, dass die Kompetenz nach Brüssel geht, dann können Sie hier nichts von dem, was Sie versprechen, nämlich die Einwanderung zu stoppen, einhalten. (Bei­fall bei Abgeordneten der FPÖ.)

11.51


Präsident Karlheinz Kopf: Der von Frau Abgeordneter Rosenkranz soeben einge­brachte Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Barbara Rosenkranz und weiterer Abgeordneter Betreffend Öster­reich muss Einwanderung eigenständig kontrollieren. Kein Ausverkauf unserer Souve­ränität!

In seiner Rede zur Lage der Europäischen Union am 13. September 2017 forderte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine schnelle Ausweitung des Schengen-Raums. „Wir müssen Rumänien und Bulgarien unverzüglich in den Schengen-Raum lassen“, so Juncker. Zudem sprach sich der Kommissionspräsident klar für den EU-Beitritt der Balkan-Staaten Bosnien, Montenegro, Albanien, Serbien und Mazedonien aus. Weiters verlangte er wiederholt die Einführung von Asyl-Pflichtquoten innerhalb der Union.

In seiner Rede vom 26. September, sprach sich Frankreichs Präsident Emmanuel Ma­cron für die Einrichtung einer EU-Asylbehörde aus, die über entsprechende Anträge von Einwanderern entscheidet.

Diesen Forderungen von Juncker und Macron muss entschieden widersprochen wer­den. Solange nicht geklärt ist, ob Europa eine Politik der „Willkommenskultur“, oder ei­ne restriktive Einwanderungspolitik verfolgen will, kann nicht schon über das „Wie“ der Umsetzung entschiedenen werden. Sollten die Pläne von Juncker und Macron tatsäch­lich zur Entscheidung vorgelegt werden, muss Österreich klar ein Veto einlegen. Denn: Mit einer Automatisierung der Einwanderung durch Brüssel sind wir einer Politik aus­geliefert, die mit der Tradition und der Identität der europäischen Nationen längst ge­brochen hat. Eine eigenständige Einwanderungspolitik wäre endgültig Geschichte. Da­bei ist die Entscheidung darüber, wer in ein Land einreisen darf und wer nicht, eine ele­mentare Frage für einen funktionierenden Staat.

Auf diesem Hintergrund stellen die unterfertigten Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Die Bundesregierung wird aufgefordert auf EU-Ebene gegen die Pläne des EU-Kom­missionspräsidenten Jean-Claude Juncker und des französischen Präsidenten Emma­nuel Macrons, die Einwanderungspolitik zu „vergemeinschaften“, aktiv einzutreten.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Nächster Redner: Abgeordneter Steinbichler. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 62

11.51.56

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Geschätz-
te Kolleginnen und Kollegen! Zuseherinnen und Zuseher vor den Fernsehgeräten und auf der Galerie! Warum habe ich dieses Bild (eine Tafel, auf der ein voll beladenes Con­tainerschiff abgebildet ist, auf das Rednerpult stellend) mitgenommen? – Weil wir wis­sen, wie sich in der Asyl- und Fremdenrechtsdebatte die Meinung geändert hat. Näm­lich: Ursprünglich seien ja nur Akademiker – ausschließlich Akademiker! – gekommen. Und dann ist schön langsam die Welle übergeschwappt, und man musste die Wahrheit gestehen.

Das Hauptproblem aber ist, dass wir überhaupt nicht wissen, wie viele wir hier haben. Denken Sie an die Anfrage von Frau Kollegin Weigerstorfer betreffend e-cards; 600 000 e-cards sind weg, die nicht mehr gefunden werden. Eine Anfrage, eine Erhe­bung vom Bundesheer in Oberösterreich: 150 000 Aufgriffe Illegaler im Jahr 2016 in Ös­terreich. Warum wird hier nicht ordentlich registriert? – Wir wissen gar nicht, ob es Wirt­schaftsflüchtlinge oder Kriegsflüchtlinge sind. Ich glaube, das ist das ganz Entscheiden­de: Wir müssen einmal wissen, von welchen Zahlen wir reden. Wir reden immer von Quo­ten. Wie kann ich eine Quote festlegen, wenn ich den Bestand der tatsächlich Illegalen hier in diesem Land nicht kenne?

Frau Kollegin Korun – danke schön! – hat das Wertvollste in der Debatte gesagt: „Kli­maschutz ist auch Menschenschutz.“ Wir haben es bei dieser ganzen Palmöldiskus­sion in den letzten vier Jahren erlebt, dass es alle Parteien negiert haben. Ich habe gestern im Umweltausschuss zum ersten Mal etwas von einer Wende gehört. Das steht aber im direkten Zusammenhang, die Zerstörung der Regenwälder, dieses Leid der Tierwelt – heute ist Welttierschutztag. Ich bedanke mich bei allen Tierhaltern, be­sonders auch bei den Bäuerinnen und Bauern, für diese Arbeit an 365 Tagen im Jahr, das ist eine Höchstleistung.

Wir wissen: Wenn dann die Brandrodungen stattfinden, dieser Klimawandel, diese Dür­ren, diese Taifune, diese Überflutungen und letztlich diese Zerstörung der heimischen Landwirtschaft mit diesen Produkten – was ist die Folge? Volle Flüchtlingsboote, weil die Leute dort nicht mehr leben können, sie müssen den Kontinent verlassen, und wir haben nicht gehandelt. Deshalb haben wir Weißen heute bei der Korruptionsstaatsan­waltschaft Anzeige erstattet, damit diese Missstände behoben werden, ganz in unse­rem Sinne: achtsamer Umgang mit den Menschen, mit der Umwelt und mit den Tieren.

11.54


Präsident Karlheinz Kopf: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Der Berichterstatter wünscht kein Schlusswort.

11.54.38

Wir kommen zur Abstimmung.

Zunächst kommen wir zur Abstimmung über den im Antrag 2285/A der Abgeordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kollegen enthaltenen Gesetzentwurf betreffend Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017.

Hiezu liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung des Abgeordneten Dr. Scherak vor.

Daher kommen wir zunächst zur Abstimmung über die vom erwähnten Verlangen auf getrennte Abstimmung betroffenen Teile und dann über die restlichen, noch nicht ab­gestimmten Teile des Gesetzentwurfes.

Getrennte Abstimmung betreffend Artikel 2 Ziffern 82 bis 90, Artikel 3 Ziffer 4 sowie Artikel 5 Ziffer 2.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 63

Ich bitte jene Damen und Herren, die sich dafür aussprechen, um ein Zeichen. – Ich glaube schon, oder? (Die Abgeordneten von SPÖ und NEOS stehen mit zeitlicher Ver­zögerung auf. – Abg. Belakowitsch: Bitte fürs Protokoll: Sehr zögerlich!) – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über die restlichen, noch nicht abgestimmten Teile des Gesetzentwurfes samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativantra­ges 2285/A der Abgeordneten Otto Pendl, Werner Amon, MBA, Kolleginnen und Kolle­gen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die auch in dritter Lesung zustimmen wollen, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist wiederum mit Mehrheit angenommen. Der Gesetz­entwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Belakowitsch, Kol­leginnen und Kollegen betreffend unbedingt erforderliche Neukodifikation des Fremden­rechts.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Lasar, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Rückübernahmeabkommen forcieren – straffällige Asylwerber abschieben.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Barbara Rosenkranz, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Österreich muss Einwanderung eigenständig kon­trollieren. Kein Ausverkauf unserer Souveränität!

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

11.57.123. Punkt

Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Franz Leonhard Eßl, Mag. Gerald Loa­cker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bun­desgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird (2286/A)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Wir kommen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Hinsichtlich des vorliegenden Antrages wurde dem Gesundheitsausschuss eine Frist bis 25. September 2017 zur Berichterstattung gesetzt.

Ich erkenne wiederum keinen Wunsch auf Berichterstattung.

Somit gehen wir in die Debatte ein.

Erster Redner: Herr Abgeordneter Riemer. 5 Minuten Redezeit. – Bitte.

 


11.57.53

Abgeordneter Josef A. Riemer (FPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Frau Bundesmi­nister! Es ist ja ganz schön, wenn wir heute den Welttierschutztag feiern. Endlich ein­mal kommt der Tierschutz aus dem Nischendasein der großen Koalition, denn Rot und Schwarz haben in der letzten Zeit diesbezüglich nicht wirklich richtigen Biss gezeigt, um das Thema Tierschutz voranzutreiben. Was wir heute haben, damit der Tierschutz


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 64

überhaupt noch in dieser Legislaturperiode auf die Tagesordnung kommt, ist ja nichts anderes, als wieder eine Husch-Pfusch-Aktion zum Reparieren. Hier geht es vor allem um Bereiche der §§ 8a und 31 Abs. 1 und 4, die Vereine, Initiativen benachteiligen. Wir können aber die Position dieser vorliegenden Reparatur nicht teilen, weil das unserer Meinung nach nichts anderes als eine Symptombehandlung ist und mit den Ursachen eigentlich wenig zu tun hat.

Worum geht es denn wirklich? Man hat sehr, sehr viele private Tierunterstützer an den Rand gedrängt, und das schreit nicht nur nach Verbesserung. Ich hätte mir am heuti­gen Tag natürlich etwas ganz anderes gewünscht, nicht nur dieses Dilemma bei der Kat­zenkastration zu beseitigen, nicht nur zu reden, dass Tiere nicht nur Gebrauchs- und Nutztiere sind. Denken wir an die Hunde, welche hervorragenden Leistungen sie für den Menschen erbringen, ob das heute Therapiehunde sind, Diabeteshunde, Blindenführ­hunde, ob sie bei der Polizei, bei der Rettung eingesetzt werden! Das sind nur 10 Mil­lionen € Kosten, was das verursacht. Der Hund hat eine Wertschöpfung von 1,2 Mil­liarden €, die er dem Menschen bringt und an Arbeitsplätzen sichert.

Ich hätte mir am heutigen Tag oder in dieser Gesetzgebungsperiode auch gewünscht, dass wir zum Beispiel über Punkte wie das Verbot des betäubungslosen Schlachtens von Tieren reden, auch wenn dies religiös begründet wird.

Ich hätte mir vorgestellt, dass wir auch über das Verbot von Tierversuchen in der che­mischen, agrarischen und kosmetischen Industrie diskutieren. (Beifall bei der FPÖ.) Ich hätte mir vorgestellt, die Zustände in den diversen Schlachthäusern zu untersuchen. Ich hätte mir vorgestellt, dass wir eigentlich dahin kommen zu sagen: Tiere, das gehört in der Rechtsordnung neu definiert, denn sie sind Lebewesen und keine Sache; und dann kommen wir weg von diesem Begriff. (Beifall bei der FPÖ.)

Geschätzte Frau Bundesminister, zum Welttierschutztag: Es wäre viel zu tun, viel zu sagen – vielleicht für die nächste Periode. Ich würde sagen, dass man sich mit allen Verantwortungsträgern zusammensetzt und diskutiert. Was nicht sein kann, ist, Bau­ern, Tierschützer, Jäger – und wer auch immer dabei ist – auseinanderzudividieren. Wir müssen uns an einen Tisch setzen und vernünftige Punkte erarbeiten, mit denen auch alle können, denn das Ziel bei uns muss eine Weiterentwicklung des Tierschutzes hin zu einer Tierethik mit Augenmaß als notwendige zivilisatorische Errungenschaft sein.

Ich bringe diesbezüglich noch folgenden Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef A. Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der klei­nen Tierschutzvereine

Der Nationalrat wolle beschließen:

Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, entsprechende le­gistische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Tierschutzgesetz, insbesondere der Tierschutzgesetznovelle 2017, einzuleiten, damit seriöse Tierschutzvereine und Tier­schutzinitiativen weiterhin via Internet das Angebot und die Vermittlung von Tieren vor­nehmen können. Diesbezüglich sollen insbesondere die einschlägigen §§ 8a, 31 Abs. 1 und 4 sowie 44 Tierschutzgesetz einer Neufassung im Sinne einer praxistauglichen Umsetzung im Sinne des Tierwohls abgeändert beziehungsweise gänzlich neu formuliert werden.

*****

Schön wäre mehr Herz statt Theorie und mehr Praxis als Paragrafendschungel!


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 65

Frau Bundesminister, ich darf Ihnen im Namen vieler Tierschutzfreunde, Tierschutzver­einigungen ein Konzept – oder einen Beweis – dafür übergeben, er ist unterstützt von 24 819 Tierschützern und auch von Udo Guggenbichler, Liane Moitzi ... (Der Redner ver­lässt das Rednerpult und übergibt Bundesministerin Rendi-Wagner ein Schriftstück. – Allgemeine Heiterkeit. – Beifall bei der FPÖ.)

 


Präsident Karlheinz Kopf: Herr Abgeordneter, kommen Sie noch einmal an das Red­nerpult zurück? (Abg. Riemer: Natürlich!) – Ich frage nur, damit ich Ihre Rede nicht vor­zeitig für beendet erkläre. (Allgemeine Heiterkeit.)

 


Abgeordneter Josef A. Riemer (fortsetzend): Das war es schon: 24 819!

Es lebe mehr Verständnis für den Tierschutz: Welttierschutztag 2017. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

12.03


Präsident Karlheinz Kopf: Der soeben eingebrachte Entschließungsantrag der Abge­ordneten Riemer, Kolleginnen und Kollegen ist ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

des Abgeordneten Josef A. Riemer

und weiterer Abgeordneter

betreffend Schutz der kleinen Tierschutzvereine

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt:

3) Antrag der Abgeordneten Dietmar Keck, Franz Leonhard Eßl, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz - TSchG) geändert wird (2286/A)in der 197. Sit­zung des Nationalrats am 04.10. 2017

Die Tierschutzgesetznovelle 2017 hat bei vielen kleinen Tierschutzvereinen und Tier­schutzinitiativen zu massiver Rechtsunsicherheit im Zusammenhang mit der Weiterver­mittlung von schutzbedürftigen Tieren geführt. Die einschlägigen Regulierungen in den §§ 8a, 31 Abs 1 und 4 Tierschutzgesetz entsprechen nicht einem tatsächlichen Tier­schutz, sondern führen im Gegenteil zur Verhinderung des Tierschutzes. Tierschutzver­eine und Tierschutzinitiativen waren ab dem 1. Juli 2017 unmittelbar mit massivem Be­hördenvorgehen inklusive der Erlassung von Strafbescheiden konfrontiert, wie etwa in der Bundeshauptstadt Wien.

Obwohl Internet-Plattformen, wie „willhaben“ in Zusammenarbeit mit Tierschützern, aber auch der österreichischen Tierärztekammer praxistaugliche Bedingungen und Auflagen im Sinne des Tierwohls formuliert haben, um ein tierschutzkonformes Anbieten und ei­ne entsprechende Vermittlung via Internet sicherzustellen, untersagt dies die aktuelle Gesetzeslage durch die Tierschutzgesetznovelle 2017.

Sichere, transparente und rechtsstaatlich umfassende Regelungen im Sinne des Tier­schutzes und der beteiligten seriösen Tierschutzvereine, die sich in der Praxis bewährt haben, werden somit ausgehebelt und mit Verbot und Strafe belegt. Dies hat in den letzten Wochen und Monaten dazu geführt, dass Tiere vermehrt ausgesetzt wurden und so schweres Leid bis hin zum Tode erfahren haben.

Für die überwiegende Zahl der kleinen Tierschutzvereine und Tierschutzinitiativen kommt auch die gemäß § 44 normierte Übergangsfrist nicht zum Tragen, sondern sie sind aus der Vermittlung ausgeschlossen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 66

https://www.wiener-tierschutzverein.org/medien/pdfs/WTV%20-%20MA%2058%20Strafverf%C3%BCgungen%20gegen%20Tierschutzvereine.pdf

https://www.bmgf.gv.at/home/Gesundheit/Tiergesundheit/Tierschutz/Rechtliches_zum_Internethandel_mit_Tieren

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen wird aufgefordert, entsprechende le­gistische Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Tierschutzgesetz, insbesondere der Tierschutzgesetznovelle 2017 einzuleiten, damit seriöse Tierschutzvereinen und Tier­schutzinitiativen weiterhin via Internet das Angebot und die Vermittlung von Tieren vor­nehmen können. Diesbezüglich sollen insbesondere die einschlägigen §§ §§ 8a, 31 Abs 1 und 4 sowie 44 Tierschutzgesetz einer Neufassung im Sinne einer praxistaugli­che Umsetzung im Sinne des Tierwohls abgeändert bzw. gänzlich neu formuliert wer­den.“

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Eßl zu Wort. – Bitte.

 


12.03.29

Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Mei­ne geschätzten Damen und Herren! Wir haben vor wenigen Monaten das Tierschutz­gesetz novelliert. Unter anderem haben wir auch Maßnahmen gegen den illegalen Wel­penhandel gesetzt. Aufgrund eines Vorschlags des Gesundheitsministeriums haben wir auch ein Verkaufsverbot von Tieren auf öffentlich zugänglichen Plätzen formuliert. Bei diesem Verbot wurde festgehalten, dass es auch für Aktivitäten im Internet gilt.

Nun ist die Frage durchaus zulässig, warum wir eine Änderung dieses Gesetzes durch­führen. Wenn man bemerkt, dass ein Gesetz nicht ganz rund ist, dann soll man es ver­bessern. Uns fällt keine Zacke aus der Krone, kein Stein aus der Krone, wenn wir uns das auch eingestehen – und das tun wir heute. Ich trete eigentlich seit jeher dafür ein, dass Gesetze erstens für jeden verständlich und zweitens in der Praxis auch umsetz­bar sein sollen.

Wir haben gesehen, dass wir mit diesem Punkt betreffend Internetverkauf keine prakti­kable Regelung getroffen haben. Das betrifft Menschen, die aus verschiedenen Grün­den einen anderen Platz für ihre Katze, ihren Hund, ihr Tier suchen müssen. Das be­trifft auch Pferdebesitzer, die selbst keine Landwirtschaft bewirtschaften und in Wirk­lichkeit nur die Möglichkeit haben, eben über das Internet einen anderen Besitzer zu suchen. Ich persönlich hätte auch noch einige andere kleinere Wünsche gehabt, die hätten umgesetzt werden können, wofür wir aber derzeit keine Mehrheit finden.

Mir geht es jedenfalls darum, dass es den Tieren gut geht. Mir geht es aber auch da­rum, dass es den Tierhaltern gut geht. Das ist kein Widerspruch. Im Sinne einer ge­samtheitlichen Betrachtung ist das kein Widerspruch, sondern eine Ergänzung, eine wichtige Voraussetzung für das Tierwohl, für einen wirksamen Tierschutz.

Wichtig ist, dass der Tierhalter überzeugt ist, dass das Tierwohl einen hohen Stellen­wert hat, dass das Tierwohl wichtig ist. Tierwohlmaßnahmen greifen dann am besten, wenn diese von Herzen kommen und aus Überzeugung gemacht werden. Deshalb soll­ten wir auch in Zukunft noch mehr auf Motivation und Information setzen.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 67

Wesentlicher Faktor ist aber auch, dass die fachliche Kompetenz entsprechend vor­handen ist. Tierhalter müssen über das Wesen und über die Bedürfnisse der Tiere Be­scheid wissen. Ich darf an dieser Stelle die hohe Tierhaltekompetenz unserer Bäue­rinnen und Bauern hervorstreichen. (Beifall bei der ÖVP.) Ich bedanke mich jedenfalls bei den vielen Hundertausenden Menschen, die Tiere halten, dass sie verantwortungs­voll mit dem Ziel handeln, dass es den Tieren gut geht.

Wir verändern heute einen Punkt des Tierschutzgesetzes. In Summe haben wir ein gu­tes, ein modernes Tierschutzgesetz, das den Schwerpunkt auf eine gesamtheitliche Be­trachtung legt. Und wenn es auch den Anschein hat, dass nach dem 15. Oktober kein Stein mehr auf dem anderen bleibt – erste Silbersteine bröckeln ja bereits ab –, so hof­fe ich doch, dass dieses Tierschutzgesetz einen dauerhaften Bestand hat. (Zwischen­rufe des Abg. Steinbichler.)

Die ÖVP jedenfalls bekennt sich dazu. Die ÖVP will, dass es den Tieren gut geht, und die ÖVP will, dass es den Menschen in diesem Land gut geht. Und in diesem Sinne bitte ich darum, dass wir dieser Änderung auch zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

12.07


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Mag. Brunner zu Wort. – Bitte.

 


12.07.53

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Herr Präsident! Sehr geehrte Minis­terinnen! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Zuerst bringe ich formal den folgenden Abänderungsantrag zum gegenständlichen Tier­schutzgesetz ein:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen

betreffend den Antrag 2286/A der Abgeordneten Dietmar Keck, Jakob Auer, Franz Leon­hard Eßl, Mag. Gerald Loacker betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird

Der Nationalrat wolle beschließen:

„1. In § 8a. Absatz (2) lautet der erste Satz:

‚Das öffentliche Feilhalten, Feil- oder Anbieten zum Kauf oder zur Abgabe (Inverkehr­bringen) von Tieren ist nur im Rahmen einer gemäß § 31 Abs. 1 genehmigten Haltung oder nach Meldung der Aufnahme, Weitergabe oder Vermittlung von Tieren gem. § 31a oder durch Züchter, die gemäß § 31 Abs. 4 diese Tätigkeit gemeldet haben, sofern sie nicht auf Grund einer Verordnung von dieser Verpflichtung ausgenommen sind, gestat­tet.‘

2. In § 31a lautet die Überschrift: ‚Aufnahme, Weitergabe oder Vermittlung von Tieren‘

3. In § 31a lautet der erste Satz:

‚Wer Tiere wiederholt aufnimmt, weitergibt, oder selbst oder für andere vermittelt, ohne eine gemäß § 29 oder gemäß § 31 bewilligte Einrichtung zu sein, muss dies vor Auf­nahme der Tätigkeit der Behörde melden.‘“

*****

Worum geht es? – Heute ist Welttierschutztag. Das ist ein Tag, an dem uns, glaube ich, die Verantwortung, die wir für unsere Mitlebewesen haben, bewusst werden sollte. Ich


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 68

finde, der Respekt beginnt schon bei den Begrifflichkeiten, denn Tiere sind Lebewesen und keine Dinge. In Österreich geht es darum – das sollten wir auch heute zum Anlass nehmen –, Verbesserungen für den Tierschutz zu erreichen. (Beifall bei den Grünen so­wie des Abg. Zinggl.)

Immer noch sind Tiertransporte mit bis zu zehn Stunden möglich. Noch immer ist die Kastration bei Ferkeln ohne Schmerzausschaltung möglich. Auch das Schreddern von Küken ist möglich. – Bei all diesen Dingen braucht es Verbesserungen.

Wir im Nationalrat drücken unsere Verantwortung für Tiere über das Tierschutzgesetz aus. Und nun geht es ganz konkret um den Handel, um das Vermitteln von Tieren. Wir haben schon gehört, dass die Novelle vor ungefähr einem halben Jahr beschlossen wor­den ist. Die Idee dahinter war, den illegalen Handel mit Tieren einzudämmen.

Diese Idee und diese Motivation teilen wir, nur war die Umsetzung ein absoluter Pfusch, nämlich für Private, die Tiere weitergeben mussten, und auch für Tierschutzinitiativen und Vereine, die Tiere nicht mehr vermitteln konnten. Das hat dazu geführt, dass Tiere auf Autobahnstationen oder – im besten Fall – in überfüllten Tierheimen gelandet sind.

Stellvertretend für all diese Tiere, die keinen Platz haben (ein Foto eines jungen Hun­des mit der Bildunterschrift Waldo auf das Rednerpult stellend), stehen heute einige Tie­re hier. (Die Abgeordneten der Grünen heben zeitgleich Fotos von Hunden und Katzen mit unterschiedlichen Namen in den Bildunterschriften in die Höhe.)

Wir machen darauf aufmerksam, dass all diese Tiere ein Zuhause suchen, eine Familie suchen. Sie werden aber keine Familie finden, wenn wir die Tierschutzinitiativen nicht ihre Arbeit machen lassen. Was Sie tun, ist, dass Sie die Tierschutzinitiativen ins Kri­minal führen, anstatt sie arbeiten zu lassen, sodass sie Tiere, die kein Zuhause haben, weitervermitteln können.

Wir alle haben über den Sommer Tausende E-Mails über diesen unhaltbaren Zustände bekommen. Sie haben das Problem nun zumindest erkannt. Der Vorschlag, den SPÖ, ÖVP und NEOS heute einbringen, setzt aber den Pfusch leider nur fort, denn es ist kei­ne Lösung. Tierschutzinitiativen werden weiter ausgenommen werden, sie werden wei­ter in ihrer Arbeit behindert. Und auch Private können nur sehr eingeschränkt Tiere wei­tervermitteln. Wenn mir eine Katze zuläuft, ist es laut Ihrem Vorschlag am besten, wenn ich die Tür zumache und gar nicht hinschaue, denn weitervermitteln darf ich sie nicht.

Wir Grünen haben dieses Problem sehr ernst genommen. Wir haben uns während des Sommers mit Tierschutzinitiativen – nämlich mit denen, die wirklich tagtäglich die Ar­beit machen – an einen runden Tisch gesetzt und an einer Lösung gearbeitet. Und ge­nau diese Lösung habe ich heute in Form dieses Abänderungsantrages eingebracht, nämlich dass Tierschutzinitiativen ihre Arbeit machen können und Tiere auch wirklich vermitteln.

Das heißt, wenn Katzen viele Junge bekommen, wenn es einen Todesfall gibt, bei dem man ein Tier weitervermitteln muss, wenn einem Tiere zulaufen, wenn man eine Aller­gie hat und ein Tier leider weitergeben muss – welche Gründe es auch immer gibt –, dann kann man sich nach unserem Vorschlag an eine Tierschutzinitiative, an einen Tierschutzverein wenden, die diese Arbeit professionell machen und für die Tiere einen garantiert guten Platz suchen. Wir brauchen die Tierschutzinitiativen, um Tierschutz in der Praxis machen zu können.

Ich appelliere an Sie alle: Heute ist Welttierschutztag. Denken wir wenigstens heute an die Tiere, fassen wir wenigstens heute am Welttierschutztag einen Beschluss für die Tie­re und lassen wir diejenigen arbeiten, die sich tagtäglich um das Wohl der Tiere küm­mern und für all diese netten Tiere vom Wasti bis zur Carla (auf die noch immer in die


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 69

Höhe gehaltenen Tierfotos verweisend) einen Platz und ein gutes Zuhause suchen! – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

12.13


Präsident Karlheinz Kopf: Der eingebrachte Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Gesamtändernder Abänderungsantrag

der Abgeordneten Christiane Brunner, Freundinnen und Freunde

betreffend den Antrag 2286/A der Abgeordneten Dietmar Keck, Jakob Auer, Franz Leon­hard Eßl, Mag. Gerald Loacker betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesge­setz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) geändert wird

Antrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzge­setz – TSchG) geändert wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz – TSchG) BGBl. I
Nr. 118/2004, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 61/2017, wird wie folgt geändert.

1. In § 8a. Absatz (2) lautet der erste Satz:

„Das öffentliche Feilhalten, Feil- oder Anbieten zum Kauf oder zur Abgabe (Inverkehr­bringen) von Tieren ist nur im Rahmen einer gemäß § 31 Abs. 1 genehmigten Haltung oder nach Meldung der Aufnahme, Weitergabe oder Vermittlung von Tieren gem. § 31 a oder durch Züchter, die gemäß § 31 Abs. 4 diese Tätigkeit gemeldet haben, sofern sie nicht auf Grund einer Verordnung von dieser Verpflichtung ausgenommen sind, gestat­tet.“

2. In § 31a lautet die Überschrift: „Aufnahme, Weitergabe oder Vermittlung von Tieren“

3. In §3 1a lautet der erste Satz:

„Wer Tiere wiederholt aufnimmt, weitergibt, oder selbst oder für andere vermittelt, ohne eine gemäß § 29 oder gemäß § 31 bewilligte Einrichtung zu sein, muss dies vor Auf­nahme der Tätigkeit der Behörde melden.“

Begründung

Vereine oder Initiativen, die selbst über keine Haltung gemäß § 31 Abs. 1 verfügen, dürfen Tiere nicht öffentlich vermitteln. Vereine, die über keine Betriebsstätte nach § 31 Abs 2 TSchG verfügen, dürfen keine Tiere vermitteln. Diese Änderungen durch die jüngste Novellierung des Tierschutzgesetzes, haben Auswirkungen auf die Arbeit zahlreicher Tierschutzvereine und Tierschutzinitiativen. Vor allem bei der saisonalen Voll- und Über­belegung von Tierheimen wie zu Ferienzeiten und rund um Neujahr wurde bisher oft auf private Pflegestellen und Vereine zurückgegriffen. Diese dürfen jedoch nicht mehr im Internet inserieren.


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Damit sichergestellt ist, dass nach § 31a gemeldete Einrichtungen, Vereine, Initiativen oder Personen künftig wieder Tiere online vermitteln können, ist das Tierschutzgesetz, wie vorgeschlagen, zu ändern.

Durch die missglückte Formulierung des §31a gab es in der Auslegung Unsicherheiten über die Frage, ob auch die bloße Vermittlung von Tieren ohne „Aufnahme“ oder „Wei­tergabe“ von dieser Bestimmung erfasst ist, oder ob diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen. Im Sinne der Rechtssicherheit erfolgt daher eine sprachliche Klar­stellung, dass auch die bloße Vermittlung der Behörde zu melden ist. Durch die Ände­rung in §8a soll sie künftig auch online erfolgen dürfen.

*****

 


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Keck zu Wort. – Bitte.

 


12.13.18

Abgeordneter Dietmar Keck (SPÖ): Herr Präsident! Meine Damen Bundesministerin­nen! Kollegin Brunner, was du hier gesagt hast, ist von Unwahrheiten wirklich durch­pflügt – sensationell. (Abg. Kogler: Was?)

Nummer eins, liebe Kollegin Brunner (Zwischenruf der Abg. Brunner): Du hast gesagt, die Umsetzung ist ein Pfusch, wir bringen Vereine ins Kriminal, weil sie keine Tiere mehr vermitteln dürfen. – Das ist die Unwahrheit. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Brun­ner.) Die Unwahrheit aus dem einfachen Grund (Abg. Kogler: Nein, das ist Gesetz!), weil es eine Übergangsfrist bis 13. Juli 2018 für die Vereine gibt, während der sie nach wie vor normal vermitteln dürfen. In dieser Zeit wird eine Verordnung gemacht, in der die Bedingungen festgelegt werden, wie diese Vermittlung per Internethandel ausschaut. (Abg. Auer: Gesetze lesen!)

Genau dasselbe macht Frau Madeleine Petrovic. Sie hat gestern eine Aussage ge­macht – ich zitiere aus dem „Kurier“ –: „‘So kann es nicht weitergehen‘, beantwortet die Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins (WTV) Madeleine Petrovic die Frage nach der Situation seit Inkrafttreten des neuen Tierschutzgesetzes. Die Tierheime platzen laut der Grünen-Politikerin aus allen Nähten. Denn“ – und nun kommt es – „kleine, private Tierschutzvereine dürfen ihre Schützlinge nun nicht mehr öffentlich via Internet oder Printmedien vermitteln.“ (Abg. Auer: Unwahr!)

Das stimmt nicht! Es ist die Unwahrheit, denn wir haben eine Übergangsfrist. Das ge­hört jetzt endlich klargemacht! (Abg. Pirklhuber: Es gibt einen Abänderungsantrag!) Das, was Frau Petrovic da macht, ist Sozialmobbing, sage ich, Sozialmegamobbing. (Zwi­schenrufe bei den Grünen.)

Ich sage Ihnen nämlich etwas, meine Damen und Herren, wissen Sie, was passiert ist, seit Frau Petrovic das erste Mal herausgegangen ist (weitere Zwischenrufe bei den Grü­nen): Ich bin als Mörder bezichtigt worden, von Institutionen, ich habe E-Mails bekom­men. Ich bin bedroht worden, weil ich verhindern würde, dass Tiere in Österreich leben dürfen. Wir haben diese Mails. (Abg. Kogler: Was ich für E-Mails kriege!)

Dann wird behauptet, wir setzen uns mit keinen Tierschutzorganisationen zusammen. Wenn Frau Petrovic glaubt, sie ist die einzige Tierschutzorganisation als WTV, dann muss ich sagen, dass sie ein prinzessinnenhaftes Auftreten hat. (Neuerliche Zwischen­rufe bei den Grünen.)

Wir reden mit vielen anderen Vereinen und Institutionen, wir reden mit Landestierschutz­verbänden, wir reden mit Tierheimen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Ich habe drei Ordner komplett voll mit wirklichen Mitteilungen, in denen uns die Menschen sagen, was los ist. Und nun sage ich Ihnen, was los ist.


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Wir wollen selbstverständlich bezüglich dieser Vereine – weil Kollege Riemer seriöse Vereine genannt hat –, dass seriöse Vereine vermitteln dürfen, aber wir wollen keine solchen Vereine, bei denen Folgendes passiert ist – ich zitiere –: Übergabe der Hunde Raststation Ansfelden am 15. September 2017 ohne Schutzvertrag. Noch einmal 340 € bar übergeben, vorher 220 € auf ein Konto einbezahlt. Die Hunde sind von Spanien nach Freiburg und dann über Salzburg nach Österreich gekommen, von da wurden sie mir auf der Raststation Ansfelden übergeben. – Eine Betroffene hat uns dieses E-Mail geschickt. – Auf meine Nachfrage, ob ich keinen Schutzvertrag unterschreiben muss, kam ein glattes Nein, das passe so. Ich bekam die EU-Pässe für die beiden, ausge­stellt in Spanien. – Zitatende.

Ihr wurde gesagt, die Hunde seien sehr verträglich, mit allen Tieren und mit allen Men­schen. Was passiert ist, ist, dass sich die Hunde nicht mit anderen Tieren und nicht mit Menschen vertragen. Es sind Listenhunde, für die sie Prüfungen machen muss. Die Hun­de sind krank gewesen und sie musste nach drei Tagen mit ihnen zum Tierarzt gehen. Das hat massivste Tierarztkosten verursacht. Dann hat sie mit dieser Person, die ihr die Hunde vermittelt hat – ein Verein –, wieder Kontakt aufgenommen. Ihr wurde dann mitgeteilt, sie sei eine Privatperson, die Hunde werden nicht zurückgenommen. Sie kön­ne tun, was sie wolle, das sei nicht mehr Sache des Vereins. – Das ist eine Frechheit sondergleichen!

Der zweite Fall betrifft ein Tierheim – ich zitiere –: Mehrere Personen wollten sofort ei­ne mittelgroße Hündin loswerden, ebenfalls aus dem Auslandstierschutz. Den Namen der Organisation gaben sie nicht preis. Da das Tierheim nicht über die notwendigen Ka­pazitäten verfügte, wurden die Leute an die Vermittlerin verwiesen. Kurze Zeit später wurde das arme Tier an einer stark befahrenen Straße geborgen. Es war brutal ausge­setzt worden. Da eine Tierpflegerin geistesgegenwärtig das Autokennzeichen notiert hat­te, konnten die Übeltäter ausgeforscht werden. Sie gaben an, die Hündin über einen Verein, der einen Auslandstierschutz betreibt – ich sage bewusst den Namen nicht, ich habe ihn da, wir werden diesbezüglich eine Klage vorbereiten –, erworben zu haben, den Hund aus dem Ausland nach Österreich vermittelt bekommen zu haben. – Zitat­ende.

Ich sage Ihnen, was uns die Landestierschutzvereine sagen: Auslandstierschutz ist wich­tig, keine Frage, vor allem, wenn Institutionen direkt vor Ort unterstützt werden. Doch es muss hinterfragt werden dürfen, wie viele Tiere jährlich aus dem Ausland nach Ös­terreich importiert werden. Unser Tierschutzsystem ist bereits jetzt am Kippen. Es darf nicht sein, dass letztendlich unsere heimischen Tierheime unter den Praktiken unse­riöser Vereine zu leiden haben, sowohl finanziell als auch was die Vermittlung betrifft. Gesetzliche Regelungen und Kontrollen sind dringend notwendig. – Das sagen die Lan­destierschutzvereine.

So. Nun komme ich zum nächsten Fall, den ich habe, es geht wieder um einen Hund, der vermittelt worden ist: Er ist brav, er ist super, mit allen verträglich. (Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.) – Hör zu, Kollege Pirklhuber! – Die Realität ist, dieser Hund ist das nicht. Sie wollten den Hund zurückgeben. Als Antwort haben sie bekommen: Wir neh­men den Hund nicht mehr zurück, daher entbinden wir Sie nun von der Pflicht, uns den Hund zurückzugeben. Machen Sie, was Sie wollen! – Diese Frau sagt ganz klar, dass das nicht sein darf.

Und genau gegen solche Vereine wollen wir vorgehen, genau deswegen ist dieses Ge­setz gemacht worden, und nicht für die seriösen Vereine. Da werden in einer Verord­nung Maßnahmen festgelegt (Abg. Brunner: Aber sie treffen alle!), sodass das funktio­niert. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Pirklhuber.)

Noch ein Punkt, weil immer wieder Hunde aus den Tötungsstationen genannt werden: Meine Damen und Herren, ich habe ganz offiziell die Ministerien in Ungarn, der Slowa-


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kei, in Rumänien, Bulgarien, Kroatien, Spanien und Serbien angeschrieben und Ant­worten erhalten. Ich lese sie jetzt noch vor, auch wenn ich die Zeit überziehe.

Die Antwort aus Ungarn lautet: Als Antwort auf Ihr Schreiben über die Behandlung von streunenden Tieren informiere ich Sie freundlich, dass die Erfassung von streunenden Tieren eine obligatorische Aufgabe der Gemeinden in Ungarn ist. Streunende Tiere ge­hen 15 Tage nach ihrer Erfassung in den Besitz des Staates über. Dank der in den letz­ten Jahren ergriffenen Maßnahmen wie zum Beispiel der Einführung des obligatori­schen Mikrochips für Hunde ist die Anzahl der streunenden Hunde und auch die Rate der gefangenen Hunde von Jahr zu Jahr im Abnehmen. Die überwiegende Mehrheit der besitzlosen Tiere wird wieder an ihre Besitzer zurückgegeben, der Rest bleibt in städti­schen Tierheimen und Obdachen für diese. – Zitatende.

Dieselbe Antwort bekam ich aus der Slowakei: Es sei festgestellt, es gibt keine Tö­tungsstationen.

Da wird Missbrauch betrieben. (Abg. Pirklhuber: Das ist eine Frage von Kontrolle, das wollen wir ja!) Ich sage noch einmal, dass wir mit Tierschutzverbänden reden, gleich im Anschluss sogar mit einem Dachverband, der weit über 100 Vereine vertritt.

Wir sind wirklich daran, Maßnahmen zu setzen, sodass wir die unseriösen Vereine he­rausfiltern können und es den seriösen Vereinen ermöglicht wird, dass sie es machen können – aber nur unter bestimmten Auflagen und Bedingungen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Abg. Steinbichler. – Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.)

12.19


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Doppler zu Wort. – Bitte.

 


12.19.51

Abgeordneter Rupert Doppler (ohne Klubzugehörigkeit): Herr Präsident! Frauen Mi­nister! Sehr geehrte Damen und Herren! „Neues Tierschutzgesetz: ‚Einfach zum Wei­nen‘“ – so schrieben einige Medien.

Dieses Gesetz, das jetzt repariert werden soll, hätte, Herr Kollege Keck, sehr wohl das Aus für viele private, gut geführte Tierpflegeeinrichtungen bedeutet. (Abg. Walser: Rich­tig!) Auf dem Papier scheinen die neuen Regelungen tatsächlich zum Schutz der Tiere zu sein: Der teils illegale Welpenhandel soll oder wird – wie bereits angesprochen – ein­gedämmt und die Vierbeiner sollen rund um die Uhr durch geschultes Personal beauf­sichtigt werden. In der Praxis schaut die Welt anders aus. Diese Gesetzesänderung hätte massive negative Auswirkungen auf private und kleine Tierhelferorganisationen. Regelungen im Sinne des Tierschutzes und seriöser Tierschutzvereine, die sich in der Praxis sehr wohl bewährt haben, würden oder werden abgeschafft, ausgehebelt und Tätigkeiten mit Strafen belegt. Die daraus resultierenden Folgen: Tiere wurden ver­mehrt ausgesetzt und kamen zum Teil auch zu Tode. Und das, Herr Kollege, wollen wir alle nicht.

Tierschutz, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist uns allen wichtig. Das steht außer Frage. Ich glaube, dieses Tierleid, Herr Kollege und Herr Präsident Eßl, gehört beseitigt. Deshalb fordere ich auch dich als Präsidenten auf: Schaffen wir endlich die­ses Schächten ab, Herr Kollege, denn das ist Tierleid pur! Du hast es ja gerade an­gesprochen: Die ÖVP will, dass es den Tieren gut geht, aber beim Schächten, liebe Da­men und Herren, geht es den Tieren absolut nicht gut. – Herzlichen Dank. (Beifall der Abg. Barbara Rosenkranz.)

12.21


Präsident Karlheinz Kopf: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Mag. Loacker. – Bitte.

 



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12.21.52

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Herr Präsident! Geschätzte Damen Bun­desministerinnen! Ich möchte mich beim Kollegen Keck für die Initiative bedanken, hier einen weiteren Verbesserungsschritt zu tun. Die Weitergabe und Vermittlung von Tie­ren durch private Tierschutzvereine ist bei der letzten Novelle ein bisschen unter die Räder geraten. Das ändert aber nichts an der Ursprungsidee, an der wir weiter dran­bleiben müssen, den illegalen Tierhandel via Internet zu unterbinden.

Man muss, glaube ich, anerkennen, dass Tierschutz ein ständiger Prozess, ein Aufein­anderfolgen von Verbesserungsschritten ist. Man tut dem Tierschutz keinen Gefallen, wenn man sich hier einem weiteren Schritt komplett verschließt. Daher begrüße ich, dass wir hier wieder ein Stück weiterkommen.

Ich würde mir wünschen, dass wir bei anderen Gesetzen auch solche kontinuierlichen Verbesserungen erreichen. Wenn heute das Bank-Austria-Gesetz vermutlich aufgeho­ben wird, dann ist das ein Punkt, den man vielleicht in ähnlicher Weise laufend verbes­sern hätte sollen. – Danke. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der SPÖ.)

12.22


Präsident Karlheinz Kopf: Nun hat sich Frau Bundesministerin Dr. Rendi-Wagner zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


12.23.07

Bundesministerin für Gesundheit und Frauen Dr. Pamela Rendi-Wagner, MSc: Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich persönlich sehr, dass wir genau am Welttierschutztag das Thema Tierschutz auf der Ta­gesordnung des Nationalrates haben.

Sie wissen, wie schon erwähnt wurde, dass im April dieses Jahres das Tierschutzge­setz mit dem Ziel, den Internethandel von Tieren genauer und endlich klar zu regeln, novelliert wurde. Im Vordergrund dabei stand und steht immer das Wohl der Tiere. Das darf man nicht vergessen. Wir erinnern uns, dass es in der Vergangenheit viel zu oft vor­kam, dass vor allem Hundewelpen aus anderen Ländern unter schlechten Haltungsbe­dingungen und Behandlungsbedingungen importiert wurden. Dieses Problem hat sich durch die Möglichkeit des Internethandels in den letzten Jahren wesentlich verschlim­mert, wesentlich verschärft. Das Gesetz in der jetzigen, novellierten Fassung gibt uns endlich die Handhabe, um dieser schlimmen Praktiken besser Herr werden zu können.

In den letzten Wochen und Monaten haben zahlreiche Gespräche stattgefunden. Diese haben gezeigt – das wurde hier in den Redebeiträgen schon angerissen –, dass es ei­nen Nachbesserungsbedarf im novellierten Tierschutzgesetz gibt. Daher bin ich sehr froh darüber, dass wir heute diesen verbesserten Gesetzesvorschlag vor allem fokus­siert auf die Weitergabe von Tieren durch Privatpersonen unter bestimmten Vorausset­zungen hier diskutieren und darüber abstimmen werden.

Warum? – Weil es natürlich in jedem Leben einer Familie vorkommen kann, dass bei Privatpersonen Ereignisse, Akutereignisse, wie eine plötzliche Erkrankung, ein plötzli­cher Todesfall des Tierhalters oder der Tierhalterin oder aber auch das Auftreten von Er­krankungen wie Tierhaarallergien, eintreten. Diese machen es notwendig, innerhalb von kurzer Zeit ein neues Zuhause für die Tiere zu finden. Da bietet das Internet natürlich eine Möglichkeit, das schnell und gut zu bewerkstelligen. Deswegen ist es uns wichtig, das Gesetz dahin gehend nachzuschärfen.

Meiner Ansicht nach ist uns ein sehr guter nächster Schritt hin zu mehr Tierschutz ge­lungen, aber unter der Einhaltung guter und einhaltbarer Vorgaben und Auflagen.

Ich möchte die Gelegenheit auch dazu nutzen, um zu dem heute schon sehr heftig dis­kutierten Thema der Onlinevermittlung durch Vereine, Tierschutzvereine, kleine Tier-


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schutzvereine kurz Position zu beziehen. Es ist wichtig, hier darauf hinzuweisen, dass es beim Tierschutz auch darum geht, dass wir die Hürden – und genau das wurde dis­kutiert – für alle Tierschützerinnen und Tierschützer so klein wie möglich, so gering wie möglich halten. Sie müssen aber genauso hoch wie nötig gehalten werden, um illegale Machenschaften oder Tierleid gleichermaßen zu verhindern.

Ich weise auch darauf hin, dass gerade kleine Tierschutzvereine, Helferinnen und Hel­fer in diesem Bereich einen wesentlichen und wichtigen Beitrag für den Tierschutz in Österreich leisten. Daher hat mein Ressort – und das kann ich Ihnen heute hier noch­mals bestätigen, es wurde auch schon erwähnt – nach der Novelle des Tierschutzge­setzes auch eine entsprechende Verordnung erarbeitet, nämlich die Tierschutz-Son­derverordnung, die jetzt ganz gezielt für die kleinen Tierschutzvereine wesentliche Er­leichterungen bringen soll. (Abg. Brunner: Aber die widerspricht ja dem Gesetz!) Die­ser Vorschlag liegt derzeit bei der ÖVP und wird dort diskutiert. Ich habe jetzt vor, mit dieser Verordnung in den nächsten Tagen in den Begutachtungsprozess zu gehen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

12.26

12.26.53

 


Präsident Karlheinz Kopf: Danke schön, Frau Bundesministerin.

Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung über den im Antrag 2286/A der Abgeordneten Dietmar Keck, Franz Leonhard Eßl, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen enthalte­nen Gesetzentwurf betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Schutz der Tiere geändert wird.

Hiezu liegt ein gesamtändernder Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen vor.

Ich werde daher zunächst über den erwähnten gesamtändernden Abänderungsantrag und dann über den Gesetzentwurf in der Fassung des Initiativantrages 2286/A abstim­men lassen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den gesamtändernden Abänderungsantrag der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dem zustimmen wollen, um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.

Somit komme ich zur Abstimmung über den Gesetzentwurf samt Titel und Eingang in der Fassung des Initiativantrages 2286/A der Abgeordneten Dietmar Keck, Franz Leon­hard Eßl, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die dafür sind, um ein Zeichen. – Das ist die Mehrheit und somit angenommen.

Wir kommen sogleich zur dritten Lesung.

Wer stimmt auch in dritter Lesung diesem Gesetzentwurf zu? – Das ist wiederum die Mehrheit. Der Gesetzentwurf ist somit auch in dritter Lesung angenommen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordne­ten Riemer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schutz der kleinen Tierschutzvereine.

Wer stimmt dem zu? – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

Die Tagesordnung ist somit erschöpft.

Bis zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages um 13 Uhr unterbreche ich die Sitzung.


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Die Sitzung ist bis 13 Uhr unterbrochen.

*****

(Die Sitzung wird um 12.29 Uhr unterbrochen und um 13.01 Uhr wieder aufgenom­men.)

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer (den Vorsitz übernehmend): Meine sehr geehrten Da­men und Herren, ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Bevor wir zur dringlichen Behandlung des Selbständigen Antrages 2321/A(E) kommen, darf ich mitteilen, dass aufgrund der kurzfristigen Anberaumung dieser Sondersitzung die durchgehende Gebärdensprachdolmetschung heute leider nur bis circa 15.30 Uhr sichergestellt ist. Ich darf mich dafür entschuldigen. Unsere Dolmetscherin muss zwi­schendurch Pausen machen; diese Tätigkeit verlangt auch Pausen.

13.01.59Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Bil­dungsblockade durchbrechen mit OECD Länderprüfung (2321/A)(E)

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gelangen zur dringlichen Behandlung des Selb­ständigen Antrages 2321/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

Begründung

Gingen wir nur nach dem Bildungsabschluss von Menschen, müssten wir annehmen, dass Kinder von Frau Doktor Gruber und Herrn Ingenieur Huber klüger geboren wer­den als Kinder von Verkäufern, Straßenarbeitern, Pflegerinnen oder Friseurinnen ohne akademischen Titel. Denn ein Kind, dessen Eltern nach Hauptschule und Polytech­nikum in den Arbeitsprozess gingen oder gehen mussten, schafft mit sehr hoher Wahr­scheinlichkeit keine Matura und schon gar kein Studium. Wir wissen jedoch, dass eine geglückte Bildungskarriere wesentlich damit zu tun hat, wie gut die Förderungen sind, die Kinder auf ihrem Lebensweg erhalten: Das beginnt im familiären Umfeld, bei der Möglichkeit auf eine gute Betreuung, wenn die Eltern berufstätig sind und setzt sich fort, wie gut Eltern ihre Kinder während der Schulzeit unterstützen können. Entschei­dend ist zudem die Erwartungshaltung an Kinder, die auch das Vertrauen prägt, das Kinder in sich selbst haben. Kindern von AkademikerInnen wird viel eher zugetraut, auch selbst ein Studium zu schaffen, währenddessen es fast selbstverständlich ist, dass Kinder eines Hilfsarbeiters den Weg von der Volksschule in eine NMS nehmen und danach, wenn die Rahmenbedingungen gegeben sind, eine Lehre absolvieren. Der Bildungsaufstieg gleicht einem Glückspiel: Je nachdem, wo ein Kind hineingeboren wird, ist seine Bildungs- und damit vielfach auch Berufskarriere weitgehend vorbestimmt.

Nach dem ersten Schultag, den Kinder oft mit Vorfreude und Ungeduld erwarten, müs­sen sie schnell erfahren, dass wenig zählt, worin sie gut sind, wo sie ihre Stärken ha­ben, sondern dass wichtig ist, was sie nicht können. Der Freude am Entdecken von Neuem und am Dazulernen, die alle Kinder mitbringen, weicht oft Langeweile, Angst,


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Enttäuschung oder Lustlosigkeit. Eltern und Lehrende, die Raum und Zeit bereitstellen wollen, damit sich Kinder unterschiedlich entwickeln können, sind schnell mit dem Druck konfrontiert, dass das Damoklesschwert der weitreichenden Entscheidung droht, näm­lich, ob ein Kind ein Gymnasium besuchen kann oder in eine NMS geschickt wird.

Aber Eltern wollen das Beste für ihre Kinder und wünschen für sie die besten Rah­menbedingungen für ein geglücktes Leben. Das trifft besonders auf Bildung und Aus­bildung zu. Die meisten Eltern bemühen sich daher um frühe Förderung, einen geeig­neten Kindergartenplatz und eine gute Schule. Wer selbst gut gebildet ist, über ein ausreichendes Einkommen verfügt und das österreichische Bildungssystem kennt, da­zu noch in einer größeren Stadt oder deren Umgebung wohnt, wird weitestgehend fin­den, wonach gesucht wird. Zusätzlich werden Großeltern, Au-pairs, Babysitter, Horte, Feriencamps und Nachhilfeinstitute in Anspruch genommen, um die Betreuung und den Bildungserfolg sicherzustellen. Für viele Eltern gleicht der Bildungsweg der Kinder aber einem Hürdenlauf. Die viel beschworene Wahlfreiheit ist großteils ein Konstrukt, das der Realität, mit der Eltern und Kinder im Alltag konfrontiert sind, nicht entspricht.

So übersteigt die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen das Angebot bei weitem. Eltern müssen sich frühzeitig, oft schon während der Schwangerschaft, um einen Platz in einer Krippe umschauen. Wer sein Kind mehr als nur das verpflichtende letzte Jahr in den Kindergarten geben möchte, muss mitunter hohe Kosten in Kauf nehmen und bekommt den Platz vielleicht nur, wenn beide Eltern berufstätig sind. Und dann müs­sen Eltern oft schmerzhafte Kompromisse eingehen, denn die Qualität der Kindergär­ten ist nicht garantiert. Phasenweise werden bis zu 21 Kinder von einer Pädagogin (die überwiegende Mehrheit sind Frauen) betreut, es fehlen Freiflächen, Gärten, Bewe­gungsräume und vor allem zusätzliches Personal, das speziell ausgebildet ist, z.B. im Bereich der sprachlichen Frühförderung. Die Vereinbarkeit von Familie und Berufstätig­keit wird nicht erleichtert, wenn Kindergärten wie in Tirol an bis zu 44 Werktagen im Jahr geschlossen haben oder wochentags schon um 14:00 schließen. Immerhin ein Vorgeschmack auf die Schule.

Denn auch in der Schule ist der Vormittagsunterricht noch immer die Regel und einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung gibt es nicht. Viele Eltern fühlen sich über­fordert, wenn sie ihren Kindern bei den Hausaufgaben helfen wollen. Klassenwiederho­lungen gibt es nicht mehr, aber auch keine Anpassung an das Lerntempo der Kinder. Wer Nachhilfe braucht, muss sich meist selber darum kümmern und häufig auch dafür zahlen, denn der Unterricht verlangt, dass die Kinder mithalten. Fördermaßnahmen gibt es in den Volksschulen nämlich viel zu wenig. Eine Lehrkraft steht die meiste Zeit allein in der Klasse. Zusätzliche Lehrkräfte für Teamteaching, ausgebildete Fremdsprach­assistenInnen, Deutsch als Zweitsprache-Lehrkräfte, SozialarbeiterInnen, Schulpsy­cholgInnen, SonderpädagogInnen u.a. gibt es immer noch viel zu wenig. Spätestens in der vierten Volksschulklasse setzt der Notendruck ein, denn die Familien stehen vor der wohl wichtigsten Entscheidung und größten Hürde auf dem Bildungsweg, nämlich der Frage Gymnasium oder Neue Mittelschule. Wobei sich glücklich schätzt, wer sich diese Frage stellen kann, gibt es doch in manchen Gebieten gar keine AHS-Langfor­men und damit auch keine durchgängigen Bildungswege bis zur Matura.

SchülerInnen mit Behinderungen haben es im selektiven Schulsystem doppelt schwer. Sie haben zwar eine angebliche Wahlfreiheit, das bedeutet aber auch, dass sie keinen Rechtsanspruch haben, weder auf den Besuch eines Kindergartens vor Schuleintritt, noch auf einen Platz in der nächstgelegenen Volksschule oder Neuen Mittelschule. Für sie bleibt oft nur eine Sonderschule, die zwar alles an Betreuung und Pflege bietet, was nötig ist, aber keine soziale Inklusion und keinen gleichberechtigten Zugang zu Bil­dung.

Kein Wunder also, dass sich viele Eltern große Sorgen machen, ob und wie ihre Kinder den Bildungsweg bewältigen. Bereits jetzt suchen jene, die es sich leisten können, den


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Weg über private Bildungseinrichtungen oder nehmen hohe Ausgaben für Nachhilfe in Kauf. Diese Privatisierung der Bildung und der Umstand, dass Schulerfolg stark vom Elternhaus abhängig ist, führt dazu, dass viele Kinder und Jugendliche in Österreich ihre Potentiale nicht ausschöpfen und Österreich sich in internationalen Bildungsran­kings im Mittelfeld wiederfindet. Nachzulesen ist das in einer mittlerweile großen Zahl wissenschaftlicher Untersuchungen, die diese Erfahrungen aus dem schulischen Alltag bestätigen.

Die OECD hat mit ihrer diesjährigen Publikation „Bildung auf einen Blick 2017“ wieder einmal deutlich gemacht, wie schlecht es um Chancengerechtigkeit im österreichischen Bildungssystem bestellt ist. Die Bildungserfolge hängen noch immer stark vom Eltern­haus ab, dem Bildungswesen gelingt es nur unzureichend, SchülerInnen aus bildungs­fernen, armutsgefährdeten oder anderweitig benachteiligten Familien so zu fördern, dass sie sich entsprechend ihren Möglichkeiten entwickeln.

Der Nationale Bildungsbericht 2015 kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: „Die familiäre und soziale Herkunft von Kindern ist ein wesentlicher Kontextfaktor der Schule. In Ös­terreich besteht ein starker Zusammenhang zwischen Herkunft und Schulerfolg. Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, niedrigem sozioökonomischem Status oder Bil­dungsniveau haben häufig eine schlechtere Ausgangslage, um in der Schule erfolg­reich zu sein. Ihre Familien sind oft weniger mit dem schulischen System und dessen Inhalten vertraut und weniger in der Lage Schulwegsentscheidungen zu unterstützen. Insbesondere sind Schwächen in der Unterrichtssprache ein Risiko für den Schuler­folg.“ (https://www.bifie.at/wp-content/uploads/2017/05/NBB_2015_Band1_Indikator_A.pdf)

Die Fehlentwicklung beginnt im Kindergarten. Zwar hat der verpflichtende Kindergar­tenbesuch im letzten Jahr vor der Schulpflicht dazu geführt, dass zumindest bei den 5- bis 6-Jährigen nahezu alle Kinder eine vorschulische Bildungseinrichtung besuchen, dennoch bekommen immer noch jene Kinder, die besondere Aufmerksamkeit und zu­sätzliche Förderung benötigen, nicht die ausreichende Bildung vor Schuleintritt. So sind Kinder mit Behinderungen von der Kindergartenpflicht ausgenommen, und haben daher gar keinen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Mehrere Studien wei­sen darauf hin, dass ein Kindergartenjahr vor Schuleintritt nicht ausreicht, um die Kin­der ausreichend auf die Schule vorzubereiten. Dennoch konnte sich die Regierung, trotz gegenteiliger Versprechen im Regierungsprogramm 2013, bisher nicht auf eine Verlängerung der Kindergartenpflicht auf zwei Jahre verständigen. Sehr zum Nachteil von Kindern, die in sozial benachteiligten Familien heranwachsen. Denn Kindergarten­plätze werden nach Bedarf vergeben. Wenn beide Eltern berufstätig sind haben die Kinder daher mehr Chancen auf einen Kindergartenplatz, als wenn ein oder gar beide Elternteile keiner Erwerbsarbeit nachgehen. Der Anteil der Kinder in Kindertageshei­men mit berufstätiger Mutter ist nach vorherigen Rückgängen in den letzten Jahren wie­der im Steigen begriffen – in Krippen und Kleinkindbetreuungseinrichtungen beträgt er aktuell 72,7 Prozent (2006: 70,7%), in Horten 76,5 Prozent (2006: 78,7%) und in Kin­dergärten (inkl. altersgemischter Betreuungseinrichtungen) 63,4 Prozent (2006: 57,8%).

Dazu kommt, dass die Qualität der Kinderbetreuungseinrichtungen stark schwankt, an­gefangen bei den Öffnungszeiten und Schließtagen. Kindergärten kommen im Durch­schnitt auf 27,8 geschlossene Tage, Horte auf 26,3. Im Bundesländervergleich verzeich­net das Burgenland die meisten geschlossenen Betriebstage pro Jahr (37,5), Wien die wenigsten (4,4). Bei den Kindergärten sperrt mehr als ein Fünftel vor 14.00 Uhr zu, während nur jeder dritte bis mindestens 17.00 Uhr geöffnet hat.

Obwohl im Regierungsprogramm 2013 die Einführung eines nationalen Qualitätsrah­mens für Kindergärten beschlossen wurde, gab es bislang nicht einmal ernsthafte Ver­handlungen darüber. Gruppengrößen, Betreuungsschlüssel und Ausstattung der Kin­derkrippen, Kindergärten und Horte bleiben daher weiter stark unterschiedlich je nach Bundesland.


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Gleiches gilt für die Ausbildung der KindergartenpädagogInnen. Die erfolgt weiterhin nur auf der Sekundarstufe 2 (Berufsbildende höhere Schule) und nicht wie in allen an­deren europäischen Ländern auf tertiärer Ebene. Dies hat auch Auswirkungen auf die Bezahlung der ElementarpädagogInnen, die weit unter dem akademischen Niveau liegt.

Gute Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch sind eine wesentliche Voraussetzung für schulischen Erfolg. Zehntausende Kinder und Jugendliche haben allerdings Defizite und damit Nachteile im Bildungssystem. Die angebotenen Fördermaßnahmen in den Kindergärten und Schulen erfolgen oft konzeptlos und durch nicht genügend ausgebil­detes Personal. Zudem können SchülerInnen maximal zwei Jahre Deutschförderunter­richt erhalten, was zu wenig ist. Sprachförderung muss während der gesamten Schul­zeit angeboten werden.

Kinder werden in Österreich mit sechs Jahren schulpflichtig, bringen aber unterschied­lichste Vorkenntnisse in die Schule mit. Abhängig von der Bildung der Eltern, der so­zialen Situation der Familie, der Dauer des vorangegangenen Kindergartenbesuchs und der individuellen Entwicklung des Kindes liegen die Entwicklungsstände bis zu zwei Lernjahre auseinander. Während einige SchülerInnen kaum mit Schreibutensilien, Kleb­stoff und Schere umgehen können, beherrschen andere schon die Grundrechnungsar­ten oder können fließend lesen und schreiben.

Die Kinder brauchen also in dieser Phase Zeit, um die Grundkompetenzen zu entwi­ckeln. Aus diesem Grund ist die Grundstufe 1 (1. und 2. Schulstufe) im Lehrplan flexi­bel gestaltet. Es gibt aber keine Flexibilität bei der Dauer, die für die Grundstufe 1 be­nötigt wird. Stattdessen wurde das Sitzenbleiben nahezu abgeschafft. LehrerInnen ste­hen vor dem Problem, dass es kaum möglich ist, Kindern die nötige Zeit zu geben, si­cher Schreiben, Lesen und Rechnen zu lernen. Dies wäre aber Voraussetzung, damit der Einstieg in die Grundstufe 2 (3. und 4. Schulstufe) gelingt, in der das Tempo in der Vermittlung von Wissen deutlich ansteigt und die Kinder stärker darauf angewiesen sind, Inhalte selbst zu erarbeiten.

Besonders betroffen sind Kinder, bei denen mehrere Risikofaktoren aufeinandertreffen, so die AutorInnen des Nationalen Bildungsberichtes 2015: „Ein Drittel der Volksschul­kinder gehört zu mindestens einer der drei sozialen Gruppen mit erhöhtem Risiko, Bildungspotenziale nicht zu realisieren: nichtdeutsche Alltagssprache, bildungsferner Haushalt und/oder niedriger Berufsstatus der Eltern. Kinder, die mehreren potenziell benachteiligten Gruppen gleichzeitig angehören, sind stärker von den Folgen der Bil­dungsungleichheit bedroht. 7 % der Schüler/innen weisen zwei oder mehr Herkunfts­risiken auf, 2 % gehören allen drei Risikogruppen an. Mehrfachzugehörigkeit zu Risi­kogruppen ist im dünn besiedelten ländlichen Raum wesentlich seltener als im dicht besiedelten Umfeld, wo 12 % der Kinder mehrere Bildungsrisiken tragen.“

Umso schwerer wiegt das Fehlen von Unterstützungspersonal und Sprachlehrkräften. Diese müssten in der Volksschule massiv eingesetzt werden, um wirklich jedes Kind fördern zu können. Die Bildungsreform für mehr Autonomie gibt den Schulen zwar den rechtlichen Handlungsspielraum, um individuelle Förderung, Teamteaching und Klein­gruppenunterricht zu realisieren, hat aber nicht die nötigen zusätzlichen Ressourcen dafür bereitgestellt. Vor allem im urbanen Bereich fehlen die Mittel. Die Mittelzuteilung an die Pflichtschulen bemisst sich an der Zahl der Köpfe pro Bundesland, statt am tat­sächlichen Bedarf, der zusätzlich auf den Bildungsstand der Eltern, die Organisations­höhe der Schulen, die Gruppengröße, den Anteil an Kindern mit Defiziten in der Unter­richtssprache oder mit Behinderungen bezogen werden müsste.

Defizite, die bereits vor Schuleintritt entstanden sind, können so nicht ausreichend be­hoben werden. Kinder, die an ganztägig geführten Schulen die Möglichkeit haben, die Hausaufgaben unter Aufsicht von Lehrkräften zu erledigen, bekommen in der Schule die nötige Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Aufgaben. Lehrkräfte sehen sofort,


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wenn etwas nicht ausreichend verstanden wurde und können helfen. Auch bei der Ta­gesbetreuung an Schulen gilt, was schon für das zweite und weitere Kindergartenjahre gilt: Kinder berufstätiger Eltern haben höhere Chancen, einen Platz in einer Tagesbe­treuung zu bekommen, als solche, die keine Arbeit haben. Besonders Kinder, deren El­tern im Asylverfahren sind, und die besondere Unterstützung durch die Schule bräuch­ten, haben in der Praxis keinen Zugang zu Tagesbetreuung an Schulen. Das vertieft die Kluft weiter.

Wir hoch der Bedarf an Unterstützungsleistungen bei Volksschulkindern ist, zeigt die jährlich von der Arbeiterkammer erhobene Studie zur Nachhilfe: „Ein Viertel aller Schul­kinder benötigt fast täglich eine Lernaufsicht seitens der Eltern. Bei insgesamt rund vier von zehn Schülerinnen und Schülern ist dies zumindest zwei bis drei Mal in der Woche nötig.“ Abgesehen von der zeitlichen Belastung, dem häufig auftretenden Stress und Konflikten über die Hausaufgaben und dem Umstand, dass viele Eltern selbst von Auf­gabenstellungen überfordert sind, kommen auch noch hohe Kosten für externe Nach­hilfe ins Spiel. Der Gesamtbedarf an Nachhilfe beläuft sich auf 23 Prozent der Schüle­rinnen und Schüler. Nur 18 Prozent erhalten tatsächlich Nachhilfe, für die anderen ist es schlicht nicht leistbar. Betroffene Eltern zahlen durchschnittlich 710 Euro im Jahr, was für viele Familien eine starke Belastung darstellt. Die Arbeiterkammer hält fest: „Die aktuelle Studie zeigt auch, dass vor allem Schulkinder von Eltern benachteiligt sind, die selbst nur einen Pflichtschulabschluss haben. Bei diesen Familien ist der Nachhilfebe­darf besonders hoch. Dies trifft bereits für die Volksschule zu, in besonderem Maße aber auch für Schüler/innen, die eine Neue Mittelschule oder eine AHS-Unterstufe besuchen.“

Tatsache ist, dass ein Staat, der nicht oder zu wenig in Bildung investiert oder, so wie Österreich, ein veraltetes Bildungssystem krampfhaft aufrecht erhält, über kurz oder lang auch als Wirtschaftsstandort Probleme bekommt. Die Dank PISA, TIMSS, PIRLS und den Bildungsstandrads oder anderen Leistungserhebungen vorliegenden Daten wei­sen deutlich darauf hin.

Tatsache ist ebenfalls, dass in Österreich Bildung vererbt wird und eine Selektion weit­gehend vom Kontostand und der Bildung der Eltern abhängig ist. Um es überspitzt aus­zudrücken: Die Reichen kommen öfter ins Gymnasium und auf die Uni.

„Für Österreich können 25 % der Leistungsunterschiede im Lesen zwischen 15-/16-Jährigen durch deren Herkunft erklärt werden. Es zeigt sich damit für Österreich ein starker Zusammenhang, der im internationalen Vergleich im oberen Mittelfeld der Länder liegt.“ (https://www.bifie.at/wp-content/uploads/2017/05/NBB_2015_Band1_Indikator_D.pdf) Diese Analyse des Nationalen Berichts 2015 zeigt deutlich, dass es noch großen Auf­holbedarf in Sachen Chancengerechtigkeit im Bildungswesen gibt.

Angesichts all dieser Hürden ist es nicht verwunderlich, dass die OECD für Österreich eine starke Vererbung von Bildung und einen Mangel an Chancengerechtigkeit attes­tiert. In der OECD-Studie „Bildung auf einen Blick 2017“ heißt es: „In Austria, upward educational mobility is low. About 10% of 30-44 year-olds whose parents did not attain tertiary education have attained a tertiary qualification themselves (tertiary-type A or an advanced research programme degree). In contrast, across OECD countries and econ­omies, upward mobility is much higher: on average 20% of 30-44 year-olds whose par­ents did not attain tertiary education completed this level.” (http://www.oecd-ilibrary.org/
docserver/download/9617041ec039.pdf?expires=1506941124&id=id&accname=guest&checksum=F4BFF7558E938422CA88DDF5F678C8EC)

Im Vorjahr war die Analyse nicht besser. Die Tageszeitung „Die Presse“ fasst die Er­gebnisse des OECD-Berichts „Bildung auf einen Blick 2016“ wie folgt zusammen: „Tat­sächlich schaffen es nur wenige Erwachsene, deren Eltern höchstens einen Pflicht­schulabschluss haben, in Österreich bis zur Universität oder Fachhochschule. Das ge-


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lingt laut OECD zwölf Prozent derjenigen mit inländischen Eltern. Der OECD-Durch­schnitt liegt mit 23 Prozent fast doppelt so hoch.

Für jene, deren Eltern im Ausland geboren wurden, ist ein solcher Aufstieg besonders schwierig: Nur sechs Prozent der Erwachsenen mit Migrationshintergrund, die aus ei­ner Familie mit geringer Bildung kommen, erreichen einen tertiären Abschluss. Im OECD-Schnitt schaffen das 22 Prozent dieser Gruppe. „Immigranten haben es schwer, hohe Bildungsabschlüsse zu erzielen“, heißt es daher auch in dem aktuellen Österreich-Be­richt. Auch weiter unten ist der Unterschied groß: 50 Prozent der Erwachsenen mit wenig gebildeten ausländischen Eltern bleiben selbst beim Pflichtschulabschluss ste­hen. Bei denen mit österreichischen Eltern schaffen laut OECD nur 16 Prozent keinen besseren Abschluss. Beim Sprung von geringer Bildung zu Hochschulabschluss „ist Österreich wirklich schlecht“, sagt auch der liberale Bildungsexperte Feller. „Für Kinder aus bildungsfernen Haushalten muss viel mehr getan werden – und zwar sowohl für jene aus Migrantenfamilien als auch für jene ohne Migrationshintergrund.“ (http://diepres­se.com/home/bildung/schule/5088653/Bildungsaufstieg_Doch-nicht-auf-dem-letzten-Platz)

Aber nicht nur die Herkunft entscheidet über Chancen und den Zugang zu höherer Bil­dung, auch der Wohnort hat maßgeblichen Einfluss darauf, welche Bildungswege ein­geschlagen werden (können). So stehen in Wien für 53 Prozent der Schülerinnen und Schüler zwischen 10- und 14-Jahren Plätze an AHS-Unterstufen zu Verfügung. In Vor­arlberg liegt die Quote bei 24 Prozent. Die Konkurrenz um die wenigen Plätze an AHS ist entsprechend hoch. Bei Notengleichstand entscheiden andere Faktoren wie die Ent­fernung zum Wohnort oder der Umstand, dass bereits ältere Geschwister die Schule besuchen. Kein Wunder also, dass in Vorarlberg der Ruf nach einer Gemeinsamen Schule besonders laut ist. Aber auch in anderen Gebieten, wo keine durchgehende Bildung bis zur Matura möglich ist, fordern Eltern Zugang zu höherer Bildung für ihre Kinder, wie z.B. im Bezirk Hermagor.

Trotz aller nationalen und internationalen Belege, dass das österreichische Bildungs­system nicht in der Lage ist, die Potentiale der Kinder und Jugendlichen voll auszu­schöpfen, sondern dass es immer noch nur durchschnittliche Ergebnisse liefert, wäh­rend die pro Kopf-Ausgaben im Spitzenfeld liegen, gibt es keinen politischen Konsens, die Probleme an der Wurzel zu packen und das Bildungssystem grundlegend und evi­denzbasiert zu reformieren.

Bildungswissenschafter Prof. Dr. Karlheinz Gruber hält daher nicht umsonst im Stan­dard fest: „Dass das ‚Erfolgsmodell Gymnasium‘ als ‚unerwünschte Nebenwirkung‘ eine alarmierende Zahl von Schulabgängern mit unzureichenden Lese- und Rechenfer­tigkeiten produziert, ist weithin bekannt und wird alle drei Jahre durch OECD-Pisa-Re­sultate bestätigt. Dass das Schulsystem trotz Fokussierung auf Selektion am oberen (‚gymnasialen‘) Ende der schulischen Leistungsskala international relativ wenige Spit­zenleistungen hervorbringt, ist weniger bekannt, aber nicht weniger beunruhigend.“ Und weiter: „Angesichts der Lernunfähigkeit und Wirklichkeitsverweigerung der ÖVP und des Verlusts des bildungspolitischen Klassenbewusstseins der SPÖ, die das Kunststück fer­tigbringt, die Gesamtschule, seit hundert Jahren Kernstück sozialdemokratischer Bil­dungspolitik, weder im Plan A noch im Wahlprogramm zu erwähnen, hat eine Gesamt­schulreform in Österreich bis auf weiteres ,a snowball’s chance in hell‘.“ (derstan­dard.at/2000064302141/Bildungspolitische-Watschn-fuer-die-Regierung)

Obwohl also die Datenlage hinsichtlich der Leistungen der SchülerInnen und der Chan­cengerechtigkeit in Österreich mittlerweile durch nationale und internationale Erhebung sehr gut ist, kann sich die Politik nicht auf eine gemeinsame Strategie einigen. Die Er­gebnisse und Empfehlungen werden unterschiedlich interpretiert und das führt zum Re­formstillstand, während auf Grund der Einsparungsbedürfnisse im Budget auch noch Kürzungen bei der Bildungsfinanzierung vorgenommen werden.


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Um aus diesem bildungspolitischen Patt herauszukommen und eine Grundlage für die notwendigen Reformen zu schaffen, soll eine externe Prüfung der Rechtsgrundlagen, der Verwaltung, der Organisation und der Finanzierung des österreichischen Bildungs­systems durch die OECD erfolgen. Ziel einer solchen Länderprüfung wäre es, klare Empfehlungen und Handlungsanleitungen für eine Verbesserung des Bildungswesens in Österreich zu erhalten.

Eine solche Länderprüfung zum Thema „Bildung und Migration“ hat die OECD bereits 2009 durchgeführt und darin eine Reihe strategischer Handlungsempfehlungen für Ös­terreich abgegeben, die mehr Chancengerechtigkeit und vor allem ein höheres Bildungs­niveau und eine stärkere Deutschkompetenz von SchülerInnen mit Migrationshinter­grund zum Ziel haben. Von diesen Empfehlungen wurde seit 2009 keine voll umge­setzt. Einige wenige Empfehlungen, vor allem im Bereich der Ausbildung neuer Lehr­kräfte konnten aber bereits gesetzlich verankert werden. Nicht umgesetzt bzw. vor al­lem von der ÖVP aber auch der FPÖ abgelehnt werden Maßnahmen zum integrativen und langfristigen Deutschförderunterricht. Beide Parteien setzen in ihren bildungspoliti­schen Zielen stärker auf Separation, statt auf Integration.

Um einen nationalen Schulterschluss in Fragen der Bildungsreform zu ermöglichen bedarf es daher eines gemeinsamen Bekenntnisses, Empfehlungen der OECD umzu­setzen. Diese Empfehlungen sollen sich nicht nur auf die Frage von Migration und Bil­dung, sondern allgemein auf die Chancengerechtigkeit im österreichischen Bildungs­system beziehen. Damit wollen wir erreichen, dass es einen nationalen Konsens hin­sichtlich der zu setzenden Maßnahmen und der zu beschließenden Reformen gibt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, ehestmöglich bei der OECD eine Länderprü­fung des österreichischen Bildungswesens zu beantragen mit dem Ziel, faktenbasierte Empfehlungen für die Verbesserung der Chancengerechtigkeit und Hebung des allge­meinen Bildungsniveaus in Österreich zu erhalten und diese in der Folge politisch um­zusetzen. Besonderer Fokus ist dabei auf die Sekundarstufe 1 und die Polytechnische Schule zu legen sowie auf die Schnittstellen davor und danach.“

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung gemäß § 74a iVm § 93 Abs. 2 GOG verlangt.

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich erteile Herrn Abgeordnetem Dr. Walser als Antrag­steller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf seine Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Ab­geordneter.

 


13.02.26

Abgeordneter Dr. Harald Walser (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Her­ren! Wir als Parlament haben heute eine Riesenchance. Begonnen hat der heutige Vor­mittag damit, dass uns der Finanzminister erklärt hat, wir sollen keine Gesetze mehr beschließen, wir sollen uns selbst kastrieren, um beim Tierschutzgesetz weiterzuma­chen, und wir haben jetzt am Nachmittag die Möglichkeit, zu zeigen, dass wir ein selbst­bewusstes Parlament sind. Wir bieten jetzt die Möglichkeit, etwas zu beschließen, was uns bei einem ganz zentralen Punkt, bei einem ganz zentralen politischen Thema aus der Ideologiefalle herausführen würde.


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Es geht darum, dass in der Tat österreichische Bildungsgesetze, österreichische Schul­gesetze seit mindestens hundert Jahren vor allem von Rot und Schwarz sehr, sehr stark blockiert werden – in gegenseitiger Blockade –, weshalb diese Gesetze immer wie­der erst zustande kommen, wenn es davor eine intensive und sehr ideologiebeladene Debatte gibt, die meist wenig faktenbasiert ist. Deshalb schlagen wir heute vor – und da hoffe ich auf Zustimmung –, dass wir unser Bildungssystem, dass wir unser Schul­system evaluieren lassen, und zwar von einer Einrichtung, die dazu in der Lage ist, von einer Einrichtung, die das schon mehrfach gemacht hat, und das ist die OECD.

Die OECD wird verschiedentlich angefragt. Dort sitzen jene Menschen, die beispiels­weise den PISA-Test sowie andere internationale Testungen machen, dort sitzen Fach­leute, internationale Fachleute, und Staaten, die glauben, ihr Bildungssystem müsse un­tersucht und evaluiert werden, wenden sich dorthin. Zuletzt haben das die Schweden gemacht. Das (den entsprechenden Bericht in die Höhe haltend), was Sie hier sehen, ist der Evaluationsbericht der OECD über die Situation in Schweden. Dieser ist beauf­tragt und erstellt worden, weil die Schweden größere Probleme hatten. In Schweden hat es lange Zeit ein sehr, sehr gutes Bildungssystem gegeben, dann kamen sehr, sehr viele neoliberale Reformen, es gab Privatisierung, und das Resultat war schluss­endlich ernüchternd: Die Schweden sind weit zurückgefallen. Das hat in Schweden im­merhin dazu geführt, dass parteiübergreifend gesagt worden ist: Ja, wir müssen etwas tun, wir bitten die OECD, unser System zu untersuchen! Und genau das ist geschehen.

Das wäre unser Vorschlag. Ich glaube, das müssen wir machen, und wir sollten uns dabei auch an bestimmte Prinzipien halten. Das erste Prinzip ist: Wir müssen dort an­setzen, wo die Debatte am heftigsten geführt wird, nämlich bei der Schule der 10- bis 14-Jährigen, wir müssen uns mit den Übergängen von der Volksschule in die Schule der 10- bis 14-Jährigen und danach auseinandersetzen. Diese Kernbereiche hätten wir gerne untersucht, diese Fakten brauchen wir. Es gibt zwar schon sehr, sehr gute Un­tersuchungen, es gibt den Nationalen Bildungsbericht, es gibt andere Studien, die wir zurate ziehen können, aber dadurch hätten wir einen Blick von außen. (Beifall bei den Grünen.)

Abgesehen von Fakten, meine Damen und Herren, braucht es auch Empathie. Der Herr Finanzminister hat heute Morgen sein Dasein als Großvater ins Treffen geführt, um das Parlament zur Selbstentmündigung aufzufordern. Ich würde meinen – auch ich bin Großvater –, wir sollten das hernehmen, um an unsere Enkel zu denken, um an un­sere Kinder zu denken, um an nachfolgende Generationen zu denken und ihnen ein Bil­dungssystem zu offerieren, das menschlich ist; ein Bildungssystem, in dem alle Kinder eine Chance haben, ein Bildungssystem, das keine Leistungsroboter heranzieht, son­dern Kinder, die selbstbewusst sind und selbständig denken können. (Beifall bei den Grü­nen.)

Wir dürfen nicht zulassen, dass Kinder in diesem System am Druck zerbrechen; das ist nicht selten der Fall. Wir dürfen nicht zulassen, dass Eltern verzweifeln, dass Großel­tern verzweifeln, wenn es beispielsweise um einen Platz im Gymnasium für ihre Kinder geht. Wir wollen eine Schule für alle Kinder haben. Das ist eine Schule, die keine Angst erzeugt, gleichzeitig aber bitte auch eine leistungsfähige Schule, eine Schule, in der neugierige Kinder lernen, und zwar mit Engagement lernen, denn wir alle wissen aus der Hirnforschung: Kinder, die Angst haben, sind blockiert, die können nicht lernen. Angst ist der pädagogisch schlechteste Ratgeber, den es gibt. Darüber hinaus müssen wir Kindern auch Zeit geben. Lassen wir den Kindern in der Volksschule Zeit, lassen wir sie Fehler machen, lassen wir sie miteinander lernen und lassen wir sie zu Ergeb­nissen kommen, die sie weiterbringen! Das tun wir nicht, indem wir Kinder im Alter von neuneinhalb Jahren aussortieren. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen aber auch Lehrerinnen und Lehrer, die engagiert in die Schule gehen und auch Freude daran haben, wenn sie unterrichten – Lehrerinnen und Lehrer, die das


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Klassenzimmer nicht als Bergwerk, sondern als Inspiration empfinden. Dafür braucht es Hilfe, dafür braucht es Unterstützung, und zwar personell, aber auch materiell. Also, weg mit den eindeutigen Fehlentwicklungen! Wenn pro Jahr 100 Millionen € allein für private Nachhilfe ausgegeben werden, dann ist das kein Gütesiegel für unser Bildungs­system.

Was uns Grüne schon sehr erstaunt hat und wo wir heute gegensteuern wollen, ist, dass diese Bildungsdebatte in diesem Wahlkampf untergeht, dass kaum eine Partei die­ses Thema aufgreift. Deshalb haben wir diese Sondersitzung beantragt, um uns noch vor den Wahlen vernünftig unterhalten und auch Konzepte präsentieren zu können. Vor­hin hat mir ein Kollege gesagt: Wahlkampfgetöse. – Ja, meine Damen und Herren, es ist Wahlkampf, und im Wahlkampf muss man sagen, was man will! Wir Grüne sagen es: Wir wollen eine Schulreform! Das ist ein zentraler Punkt. (Beifall bei den Grünen. – Bravoruf des Abg. Steinhauser.)

Ich habe mir die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien angesehen. Das, was ich jetzt mache, ist eine Auseinandersetzung mit Ihren Wahlprogrammen, meine Da­men und Herren, und ich bitte Sie, inhaltlich auf diese Diskussion auch wirklich ein­zusteigen, damit dann auch klar wird, wo welche Partei steht.

Als Erste die FPÖ: Ich meine, die FPÖ und die ÖVP haben ja eines gemeinsam: Ihr ideologischer, ihr programmatischer Paarlauf erfolgt nicht nur im Wirtschaftsbereich, sondern diesen Paarlauf sehen wir auch im Bildungsbereich. Die Ziele, die Ideen sind nahezu identisch. Deutsch vor Schuleintritt, so heißt eine der zentralen Forderungen.

Es ist schon interessant, wenn man sich die FPÖ-Wahlpropaganda und die FPÖ-Aus­sendungen anschaut. Herr Kollege Mölzer, wenn Sie schreiben, „es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass 25 Prozent der Schüler nicht sinnerfassend lesen können und somit nicht in der Lage sind, die digitalen Anwendungen sinngemäß zu verwen­den“, dann muss man schon fragen: Was ist denn das? Digitale Anwendungen sinnge­mäß verwenden? Anwendungen verwenden? (Abg. Mölzer: Das ist nicht so schwer!) – Ich habe lange nachgedacht, ich bin nicht darauf gekommen, was damit gemeint sein kann. Herr Mölzer, Sie haben das mit: besser Spätzünder als Rohrkrepierer – in Rich­tung SPÖ gemünzt – überschrieben, ich würde meinen, mit solchen Aussagen sollten Sie vorsichtig sein! Wenn ich nur daran denke, was in dieser Aussendung (eine Kopie in die Höhe haltend) alles drinsteht, haufenweise Sätze, die kein Ende finden, und so weiter. – Deutsch vor Schuleintritt würde ich empfehlen, falls Sie das selbst geschrie­ben haben, was ich nicht glaube, aber beginnen Sie bei Ihren Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern!

Es gibt aber Ärgeres, was wieder von Ihrer Seite (in Richtung FPÖ die Kopie eines ih­rer Postings in die Höhe haltend) kommt:

„Skandal

SPÖ-Skandal in der Bildungspolitik

Islam-Unterricht für Kärntner Kinder“.

Sie behaupten allen Ernstes, Kärntner Kinder – für Sie sind das offensichtlich automa­tisch katholische Kinder – würden zum Islamunterricht gezwungen. Mit solch einer het­zerischen Propaganda gehen Sie derzeit unter die Leute!

Wenn man Sie dann darüber aufklärt, dass das natürlich Unsinn ist, dass Sie entweder wieder einmal etwas falsch verstanden haben oder dass Sie vielleicht bewusst solche Fehlinterpretationen machen und dass es das gar nicht gibt, dass natürlich kein katholi­sches Kind zum Islamunterricht gezwungen wird, dann folgt Ihr zweites Posting (die Kehr­seite der Kopie zeigend):

„Unser Protest hatte Erfolg

[...]


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Nun doch kein Islam-Unterricht für unsere Kinder“. (Heiterkeit bei Abgeordneten der Grü­nen.)

Nehmen Sie sich selbst noch ernst, angesichts solch einer Wahlwerbung? – Das ist Het­ze pur, und das hat in Österreich nichts zu suchen, meine Damen und Herren! (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das Mauthausen-Komitee hat vor Kurzem (Zwischenruf der Abg. Steger) 60 Fälle mit rechtsextremen Inhalten seitens der FPÖ dokumentiert. Inzwischen, es sind wenige Wo­chen vergangen, ist eine neue Broschüre herausgekommen – neun weitere Einzelfälle seitens der FPÖ! Bei Ihnen geht das im Wochenrhythmus, und ich weiß nicht, wohin das noch führen soll (Abg. Mölzer: In die Piaristengasse!), denn ich glaube ... – Ich weiß, wohin das führt. Das führt nach den nächsten Wahlen höchstwahrscheinlich zu einer schwarz-blauen Koalition, und das ist etwas, wovor uns eigentlich grausen müsste und wovor vielen ÖsterreicherInnen graust. (Abg. Hauser: Das ist Hetze! Sie hetzen im Par­lament!)

FPÖ in Oberösterreich: Pausensprache Deutsch. – Jeder, der einmal in der Schule ge­wesen ist, weiß, dass das gar nicht möglich ist.

Besonders fies von Ihrer Seite ist: Sie sagen, immer mehr Migranten, Asylwerbende, bereits anerkannte Flüchtlinge werden als Schülerlotsen eingesetzt. Was macht die FPÖ? – Sie versucht, das als verfassungswidrig zu unterbinden. Ich habe in Bludenz mit einem Polizisten gesprochen, und der sagt, das funktioniere super. Das sei das beste Beispiel für Integration, die verlässlichsten Schülerlotsen, die er habe, kämen aus dem Asylwerberheim. Und was macht die FPÖ? – Die FPÖ will sie draußen haben. – Dank an Rudi Anschober in Oberösterreich, er hat das dem Verfassungsdienst vorgelegt, und es ist – dank der Grünen – verhindert worden! (Beifall bei den Grünen.)

In Wirklichkeit haben Sie keine Ahnung von Bildungspolitik, und sie ist Ihnen auch völ­lig egal. Ihnen geht es um etwas ganz anderes. (Abg. Neubauer: Ihnen offenbar auch, sonst hätten Sie einmal zu dem Bildungsbonus ...!)

Jetzt kommen wir zur ÖVP, die – leider, muss ich sagen – nicht viel besser ist. Ich habe mir ihr Programm angesehen. Im Kern fordert die ÖVP in dem Programm: „Erhalt des bestehenden, differenzierten Schulsystem“.

Ich meine, dass Sie den Genitiv abgeschafft haben, ist das eine – es ist Ihnen gelun­gen, Ihre zentrale bildungspolitische Forderung mit einem schweren Grammatikfehler in Ihrem Programm zu verkünden –, das ist das Mindeste, was ich kritisieren würde, viel, viel ärger, meine Damen und Herren, ist das, was Sie machen wollen, ist das, was Sie mit der FPÖ gemeinsam vorhaben. Davor haben viele Lehrerinnen und Lehrer zu Recht Angst. (Abg. Neubauer: Jetzt weiß ich, warum sich der Pilz von euch getrennt hat!)

Wir erinnern uns noch, was zuletzt unter Schwarz-Blau passiert ist. Es war eine Lands­frau von mir, leider, es war Elisabeth Gehrer, die damals Unterrichtsministerin war und deren zentrale Maßnahme eine Kürzung war: zwei Stunden querbeet von der Volks­schule bis zur Matura. – Und dann wundert man sich Jahre später, wenn die Bildungs­ergebnisse schlechter werden, wenn wir in der Schule kürzen, Unterricht verhindern, einsparen (Zwischenruf des Abg. Hauser) und Jahre später die Ergebnisse schlechter werden?! So, meine Damen und Herren, werden wir im Bildungssystem nicht weiter­kommen. (Beifall bei den Grünen.)

Was haben Sie noch in Ihrem Programm? – Natürlich im Paarlauf mit der FPÖ: Deutsch vor Schuleintritt, keine Frage. Eine Volksschuldirektorin hat mir erklärt, wie das funk­tioniert: In Bregenz bekam eine Brennpunktschule, migrantischer Schwerpunkt, im Sep­tember zwei tschetschenische Kinder. Diese Kinder konnten gefördert werden, sie wa-


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ren in der Klasse, bei schwierigen Fächern, Deutsch, Mathe und so weiter, blieben sie nicht in der Klasse, bekamen aber Sprachnachhilfe, und sie kamen wieder in die Klas­se bei Zeichnen, Turnen, bei kreativen Fächern. (Abg. Hauser: Was macht sie denn mit den anderen Kindern?) Das Ergebnis: Zu Weihnachten waren diese tschetscheni­schen Kinder in der Lage, dem Unterricht zu folgen.

Integration ist die Herausforderung und nicht Segregation! Eingliederung und nicht Aus­gliederung, das ist das, was wir machen müssen. (Beifall bei den Grünen sowie der Abg. Königsberger-Ludwig.)

Interessant ist natürlich auch, wenn ich mir anschaue, was Sie für die Volksschule for­dern: Kulturkompetenzen. Eine Forderung in diesem Zusammenhang ist der Umgang mit Geld. Ich würde meinen, als Kulturkompetenz bei den Volksschülern ist das viel­leicht ein bisschen früh angesetzt, Sie sollten vielleicht besser Ihren Finanzminister da­nach fragen. (Abg. Kogler: Das wäre was für die Landeshauptleute!)

Aber auch zur SPÖ ein paar Worte: Denken wir an Otto Glöckel, Fred Sinowatz da­mals, aber auch an Johanna Dohnal, eine engagierte Frau, für sie war immer klar: Eine zentrale Forderung ist eine gemeinsame Schule, damit es in unserem Schulsystem ge­rechter zugeht. Und was machen Sie? – Nicht einmal das Wort kommt vor! Es gibt ei­nen Plan A des Herrn Bundeskanzlers. Durchstöbern Sie einmal diesen Plan A und versuchen Sie, den Ausdruck gemeinsame Schule zu finden! Sie haben die zentrale Forderung der Sozialdemokratie aufgegeben. Wir haben im Rahmen der Bildungsver­handlungen dafür gekämpft, um überhaupt nur eine Modellregion zu ermöglichen. Ich würde mir von der SPÖ wirklich etwas mehr Engagement wünschen, damit wir auch im bildungspolitischen Bereich weiterkommen. (Beifall bei den Grünen.)

Weiters höre ich von der SPÖ: 5 000 zusätzliche Lehrer und Lehrerinnen. Wir haben das im Zusammenhang mit der Bildungsreform gefordert, und damals hat es geheißen: Genug Geld im Bildungssystem, das brauchen wir alles nicht! Jetzt, meine Damen und Herren, ist es ein bisschen spät, und es geht natürlich schon darum, dass dieses Geld nicht mit der Gießkanne verteilt wird, sondern dorthin kommt, wo es dann wirklich not­wendig ist.

Ich darf auch noch ein bisschen auf unsere grünen Vorschläge eingehen. Die NEOS, muss ich sagen, sind immer dafür gewesen, haben aber in der Vergangenheit dage­gengestimmt. Sobald es konkret geworden ist, Matthias (in Richtung Abg. Strolz), habt ihr immer gekniffen, war überhaupt nichts. Das war bei der Bildungsreform so. Die ein­zige Partei, die in Vorarlberg nicht dazu beigetragen hat, dass es einen einstimmigen Beschluss für die gemeinsame Schule gibt, wart ihr, die NEOS.

Da haben 50 Prozent dagegengestimmt. Der Schaden war geschätzt, es sind nur zwei Abgeordnete drin, aber bitte, das ist kein Ausweis für einen Umgang. Immer dann, wenn es konkret wird, dann verleiht ihr euch selbst Flügel, dann seid ihr weg vom Fenster. Da hätte ich mir auch einen Kampf um das Bildungssystem erwartet und kein Wegtre­ten, wenn es in diesem Bereich hart wird. (Abg. Strolz: Ihr seid immer Steigbügelhalter für die Interessen der Landeshauptleute!) – Nein, nein! Ihr seid Steigbügelhalter für diejenigen, die das System bewahren wollen. (Abg. Strolz: Für die Landesfürsten!) Ihr habt euch dort verweigert, wo wir harte Verhandlungen geführt haben. (Abg. Strolz: Ihr seid das grüne Feigenblatt!)

Das, was wir brauchen, ist ein Einsatz für den Kindergarten – der Kindergarten als ers­te Bildungseinrichtung –, und zwar nicht in Sonntagsreden, sondern konkret, wenn es um das Budget und so weiter geht. Das, was wir brauchen, ist ein Chancenindex, mit dem Kinder gefördert werden können, die entsprechend förderungswürdig sind, und Lehrerinnen und Lehrer in der Schule nicht allein gelassen werden, sondern man sagt, ja, wir helfen euch, ja, ihr habt schwierige Voraussetzungen, wir müssen euch helfen.


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Meine Damen und Herren! Das, was heute ansteht, ist eine Nagelprobe, eine Nagel­probe für die SPÖ, für die NEOS, aber auch für jene Abgeordneten, die jetzt als Wilde bezeichnet werden und fast vollzählig fehlen. Es ist eine Nagelprobe für jene, die eine Bildungsreform wollen. Vielleicht entschließen sich sogar ÖVP- und FPÖ-Abgeordnete, das zu unterstützen, denn das ist keine ideologische Forderung, dass wir eine OECD-Studie für Österreich wollen, dass wir wollen, dass das sachgerecht gemacht wird.

Wir Grüne sagen: Wir werden uns an die Ergebnisse halten, wir werden das tun, was uns die OECD vorgibt, weil wir Vertrauen haben, dass das wirkliche Fachleute sind und dass die Ergebnisse vorzeigbar sind. Aber wir sind auch Realisten: In der jetzigen Si­tuation – wir wissen, Schwarz-Blau ist ausgemacht – wird das für das österreichische Bildungssystem ein sehr, sehr harter Schlag werden. In den nächsten Jahren geht es an das Verteidigen dessen, was im österreichischen Bildungssystem noch verteidigens­wert ist, und es ist nicht wenig, sage ich, was die Lehrerinnen und Lehrer leisten. (Abg. Hauser: Das meiste habt ihr eh schon hingemacht!) Wir haben bewiesen, dass wir auch aus der Opposition heraus in der Lage sind (Abg. Strolz: Steigbügelhalter zu spie­len!) – nein! –, dass wir aus der Opposition heraus in der Lage sind, weiterzukommen. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.)

Ich glaube, wir werden an der Seite der Betroffenen weiterkämpfen müssen, wir wer­den das Kaputtsparen des österreichischen Bildungssystems verhindern, und ich ersu­che Sie, heute eine Entscheidung zu treffen, die vorzeigbar ist. Unterstützen Sie unse­ren Antrag, dann werden wir mit dem österreichischen Bildungssystem einen Schritt wei­terkommen! (Beifall bei den Grünen.)

13.22


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer Stellungnahme hat sich Frau Bundesministerin Dr. Hammerschmid zu Wort gemeldet. – Bitte, Frau Bundesministerin.

 


13.23.05

Bundesministerin für Bildung Mag. Dr. Sonja Hammerschmid: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder des Hohen Hauses! Lieber Harald Walser, in vielem, glaube ich, sind wir uns sehr einig: Auch die SPÖ will eine angstfreie, leistungsstarke Schule, eine Schule, in die Kinder gerne gehen, in der Kinder einen Ermöglichungsraum haben, sich auszuprobieren, kreativ zu sein, voneinander zu lernen, miteinander zu ler­nen, und das im besten Falle fächerübergreifend, interdisziplinär, und auch Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die sie dringend brauchen, wenn sie ein selbstbestimmtes Leben führen wollen. – Soweit einmal die Diagnose. Ich glaube, das ist relativ einfach.

Dass uns die OECD ein guter Partner ist, das bestätige ich auch gerne. Wir haben eine Vielzahl an Analysen von der OECD in Händen, die uns schon Wegweiser sein kön­nen, wenn wir sie denn ernst nehmen. Ich darf ein paar erwähnen:

Education at a Glance – vor ein paar Wochen erst erschienen –, mit einem ganz klaren Schwerpunkt auf Bildungsvererbung, beleuchtet einmal mehr die Problematik, dass der Bildungsstand nicht von den Talenten der Kinder abhängt oder viel zu wenig von den Talenten der Kinder abhängt, sondern vom Elternhaus und von der Einkommensschicht, in die sie hineingeboren werden.

Ein anderes Beispiel: Einsatz von Schulressourcen aus dem Jahr 2016, auch eine Stu­die der OECD. Die Empfehlungen daraus sind eine Vereinfachung der Schulverwal­tung, mehr Autonomie für die Schulen, die Verteilung der Ressourcen nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern nach dem Chancenindex, den wir im Übrigen – und daran darf ich erinnern – Ende Juni mit dem Schulautonomiepaket beschlossen haben.

Weitere Projekte, die wir in den letzten Jahren gemeinsam mit der OECD umgesetzt haben: eine Studie zu Evaluierungsmethoden im Schulsystem, zur Verbesserung der Unterrichtsqualität, eine Analyse zur Chancengerechtigkeit im Bildungswesen, die Stu-


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dienserie Starting Strong zur Elementarpädagogik, das Country Profile Österreich des Education Policy Outlook, das erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde, die Talis-Studie zur Situation der Lehrenden in Österreich, die PISA-Studie, die PIAAC-Studie.

Ich glaube, Analysen gibt es, und seitens der OECD im Speziellen, wahrlich genug, konkrete Empfehlungen gibt es auch. (Abg. Walser: Umsetzen!) Diese Empfehlungen genügen jedenfalls den internationalen bildungswissenschaftlichen Ansprüchen, die sind auf dem modernsten Stand der Bildungswissenschaft. Ich glaube, dazu gibt es eine ge­meinsame Sicht.

Das, was wir tun müssen, ist, gemeinsam zu handeln, umzusetzen, und das geht mir in Österreich in der Tat noch zu wenig weit. Wir brauchen ein gemeinsames, wir brau­chen ein parteiübergreifendes Handeln, damit wir die Schule der Zukunft viel, viel schneller hinbekommen, als das in den letzten 16 Monaten der Fall war.

Aber einiges ist schon gelungen, und ich möchte noch einmal ganz gezielt auch daran erinnern, was in den letzten 16 Monaten gelungen ist. Ein Positivbeispiel war die Schul­autonomie: Das Gesetz dazu, ein gemeinsamer Schulterschluss, der Ende Juni hier im Parlament gelungen ist, konnte verabschiedet werden. Dabei sind wir explizit auf die Analysen der OECD eingegangen, die damals ein viel zu starres System, wenig Lea­dership, wenig klare Verantwortlichkeiten und viel Bürokratie in den Schulen festge­stellt hat.

Wir haben dieses Gesetz beschlossen. Was genau haben wir beschlossen? – Ich darf es noch einmal in Erinnerung rufen: Wir haben hier gemeinsam beschlossen – auch mit Unterstützung der Grünen –, dass die Pädagoginnen und Pädagogen den Unter­richt in Zukunft so gestalten sollen, wie ihn die Talente und die Potenziale der Kinder brauchen, ganz individualisiert, und ihn auf die Situation im Klassenzimmer zuschnei­den können. Wir haben dazu eine Vielzahl an Gesetzesmaterien und Verordnungen gelockert, weil das Schulsystem extrem festgezurrt war und freies Handeln, freies Ge­stalten den Pädagoginnen und Pädagogen wahrlich schwer gemacht wurde. Das ha­ben wir schon umgesetzt.

Wir haben die Schulleiterinnen und Schulleiter ermächtigt, dass sie sich ihre Lehrer aussuchen können, damit sie ein Teambuilding hinbekommen, das ihre Schwerpunkte abbildet, damit sie Schule gut gestalten können und ein klares pädagogisches Konzept entwickeln können. Wir haben dazu auch die Dauer des Unterrichts, der Unterrichts­stunden, all die Rahmenbedingungen entsprechend geöffnet. Wir haben Clustermög­lichkeiten geschaffen, mit denen in Wirklichkeit erstmals vom Kindergarten bis zur Ma­tura gemeinsam im Verbund ein Bildungskonzept entwickelt werden kann, eine klare Bildungsstrategie für die Kinder vom Kindergarten bis zur Matura entwickelt werden kann.

Und wir haben es auch geschafft, die Ressourcenverteilung festzuhalten, nämlich ent­lang eines Chancenindexes. Ich darf einmal mehr daran erinnern: Wir haben ganz klar vereinbart, wir haben gesagt, es geht um die Anzahl der Kinder, es geht um die Schwer­punktsetzungen, es geht um sonderpädagogischen Förderbedarf, es geht um Deutsch als Zweitsprache, es geht darum, welchen Bildungshintergrund die Eltern unserer Schü­lerinnen und Schüler haben, und es geht um regionale Besonderheiten. – Also Schluss mit der Gießkanne! Das ist der Chancenindex, wie wir ihn brauchen, wir müssen ihn ausgestalten und wir müssen ihn leben. Gesetzlich ist er verankert und verabschiedet worden.

Auch die Schulverwaltung ist Teil dieses Pakets gewesen. Erstmals wissen wir, wie viele Pädagoginnen und Pädagogen wann wo in der Klasse stehen und welches Fach unter­richten. Transparenz und Effizienz gehen damit einher, und das war ganz, ganz wichtig, um da entsprechend in die Steuerung zu kommen. Was mit der Transparenz, mit den klar hinterlegten Kriterien, Profilen für Leitungsfunktionen, Auswahlkommissionen und


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so weiter und so fort einhergeht, wurde alles in diesen neuen Bildungsdirektionen fest­gehalten. Das heißt, wir haben da einen großen Schritt nach vorne gemacht.

Wenn ich allein entscheiden hätte können, wäre ich viel weiter gegangen, das ist auch keine Frage; aber wir leben zum Glück in einer Demokratie und sollen sie auch nützen, wir haben Koalitionen und es braucht Kompromisse. Diese Bildungsdirektion ist der ab­solut richtige Schritt in die richtige Richtung gewesen und ein großer, weil wir damit Transparenz und Effizienz hineinbekommen.

Noch eine Studie? – Ich weiß nicht. Ich glaube, die Fakten liegen auf dem Tisch, wir müs­sen sie nur beherzt und gemeinsam umsetzen, das ist das Gebot der Stunde.

Ich darf ein zweites Beispiel bringen, die ganztägige Schule. Auch das war eine Emp­fehlung der OECD, denn die OECD-Mitgliedstaaten oder viele der OECD-Mitgliedstaa­ten haben gar keinen Begriff für das, was wir in Österreich noch viel zu oft haben, nämlich für die Halbtagsschule. Die kennen das gar nicht. Eine halbtägige Schule gibt es eigentlich nur mehr in Deutschland und Österreich (Abg. Mölzer: Die ärmsten Län­der der Welt!), dann ist es schon relativ aus. Die meisten und vor allem leistungsfähi­gen Bildungssysteme Europas und auch der OECD-Mitgliedstaaten haben längst ganz­tägige Schulen.

Eine Dreiviertelmilliarde zu reservieren, um die ganztägige Schule (Abg. Mölzer: Die keiner will!) entsprechend ausbauen zu können, ist ein wichtiger Schritt, vor allem ein Schritt, der die Chancen unserer Kinder in den Mittelpunkt stellt. Denn was passiert da? – Wir haben endlich Zeit – und das ist heute auch schon Thema gewesen –, in den ganztägigen Schulen mit den Kindern zu arbeiten, sie zu fördern, Talente besonders zu fördern, aber auch jene, die sich mit manchen Dingen schwerer tun, besonders zu un­terstützen. Wir haben auch Zeit, dahin gehend gut zu gestalten, dass wir Musikvereine, Sportvereine einbinden können und wahrlich ein kreatives, innovatives Angebot für un­sere Kinder schaffen können. Dieses Gesetz ist seit 1. September in Kraft und wird jetzt ausgerollt, und es ist eine Ausbauoffensive, sowohl was Infrastrukturen anlangt, als auch was Pädagoginnen und Pädagogen und auch pädagogische Konzepte anlangt.

Ich habe in den letzten Wochen und Monaten mit sehr, sehr vielen Eltern gesprochen, viele Eltern getroffen, die sagen, Frau Hammerschmid, dieses ganztägige Schulange­bot interessiert uns sehr, aber wir können es uns nicht leisten, dieses Angebot in An­spruch zu nehmen. Es sind je nach Bundesland unterschiedliche Beiträge für Betreu­ungsmaßnahmen und vor allem auch für das Mittagessen zu bezahlen, das geht in Hunderte von Euro, das ist für eine junge Familie schwer zu stemmen. Und deshalb fordern wir von der SPÖ ganz klar, dass die ganztägige Schule – das Mittagessen ge­nauso wie die Betreuungsabschnitte und -angebote, die wir an den ganztägigen Schu­len haben – kostenfrei für die Eltern sein muss. (Beifall bei der SPÖ.)

Andernfalls schaffen wir es wieder nicht, jene Kinder an die Schulen zu bringen, die es ganz besonders brauchen, die keine Eltern haben, die ihnen beim Lernen helfen kön­nen oder ihnen Nachhilfe zahlen. Kinder aus bildungsferneren Schichten sind uns da wirklich ein besonderes Anliegen, und darum diese Forderung, um da treffsicher zu blei­ben, denn sonst bleibt ganztägige Schule das, was sie heute schon allzu oft ist, näm­lich ein Elitenprogramm, das in Privatschulen stattfindet, und das soll es nicht sein. (Bei­fall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch einen Fakt aus den OECD-Diagnosen herausgreifen, nämlich einmal mehr PISA. Sie wissen, was jetzt kommt. Wir kennen die Ergebnisse: Ein Viertel der Schülerinnen und Schüler kann nicht ausreichend lesen, schreiben, rechnen. (Abg. Neu­bauer: Das habt ihr mitverursacht! – Abg. Schimanek: Warum nicht? – Zwischenruf des Abg. Peter Wurm.) Das ist inakzeptabel für Österreich, für ein Land wie unseres, und da müssen wir sofort und gleich handeln. Das haben wir auch getan. Wir haben in


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den letzten Monaten gemeinsam mit der Schulaufsicht, gemeinsam mit den Pädagogi­schen Hochschulen ein Konzept für jene Schulen entwickelt, die im fairen Vergleich un­ter ihren Erwartungswerten bleiben. Das ist ein Maßnahmenprogramm, das ganz ge­nau auf die Schule zugeschnitten wird und das schon in der Ausrollung ist. (Abg. Wal­ser: Ohne Gesamtschule wird das nicht möglich sein!) Wir haben uns vorgenommen, die 500 Schulen, die am stärksten betroffen sind, herzunehmen und sie über mehrere Jahre intensiv zu begleiten.

Was wir aber auch brauchen, und das haben wir aus all diesen Analysen, Zahlen, Da­ten und Fakten gesehen, sind mehr Pädagoginnen und Pädagogen; insbesondere dort, wo die Herausforderungen ganz, ganz zentral sind und man Defizite auch noch sehr schnell reparieren kann, in unseren Volksschulen. Viele, viele Volksschulpädagoginnen und -pädagogen haben mir erzählt, sie haben echte Probleme am Anfang, in der ers­ten Klasse Volksschule, weil die Kinder aus dem Kindergarten – und das ist auch ein ganz wichtiges und zentrales Thema – mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen kom­men und ihnen Deutsch als Unterrichtssprache oft weitgehend fehlt. Da müssen wir nachlegen, sehr schnell nachlegen, damit wir die Defizite in der Sprache, in der Unter­richtssprache schnell reparieren können, damit es einfach für jedes Kind gut weiterge­hen kann und jedes Kind eine gute Bildungskarriere einschlagen kann.

Diese 5 000 Pädagoginnen und Pädagogen, die wir fordern, sollen vor allem in der ers­ten und zweiten Klasse Volksschule stehen, um diese Defizite, die aus dem Kindergar­ten oft wie ein Rucksack mitgenommen werden, auszugleichen; aber nicht nur in der Volksschule, sondern auch in dem von dir adressierten Übergang von der Volksschule in die Sekundarstufe I, denn das ist auch ein Problemfeld, das ist überhaupt keine Fra­ge, und da wollen wir gerne hinschauen. Die Maßnahmen sind möglich, wir müssen sie gemeinsam umsetzen.

Wir haben sogar einen Plan vorgelegt, wie wir diese 5 000 Pädagoginnen und Pädago­gen über die nächsten Jahre rekrutieren. Wir wollen diese 5 000 Pädagoginnen und Pä­dagogen entlang dieses Chancenindexes – da ist er wieder – vergeben. Die Gießkanne ist passé, sie ist nicht treffsicher, geht gar nicht, wir müssen diesen Chancenindex an­wenden.

Noch eine Diagnose aus der OECD, aus der TALIS-Studie: Da geht es um Unterstüt­zungspersonal für unsere SchulleiterInnen und für die Lehrerinnen und Lehrer, die oft­mals vom Blumengießen über Hauswarttätigkeiten bis zu Sekretariatstätigkeiten alles tun müssen. Wir wollen sie entlasten, damit sie wieder das tun können, was sie gut können und was sie leisten sollen, nämlich unterrichten und mit unseren Kindern und jungen Menschen arbeiten.

Wie tun wir das? – Ich erinnere an die „Aktion 20.000“. Wir haben vereinbart, dass wir 3 000 dieser Menschen, die 50 plus und jobsuchend sind, an unsere Schulen bringen wollen, in die Sekretariate, als Hauswarte, für das Facility-Management, für Tätigkei­ten, mit denen sie die Schulen wahrlich gut unterstützen können. Glauben Sie mir, ich habe wirklich tolle Lebensläufe bekommen, seit wir diese Maßnahme für die Schulen entsprechend publik gemacht haben, Lebensläufe von Menschen, die Bilanzbuchhalter waren, die Assistenten von Geschäftsführungen waren und so weiter und die durch ver­schiedenste Umstände ihren Job verloren haben. Ich glaube, es wäre wirklich gut, wenn wir sie in unsere Schulen bringen könnten. Diese 3 000 Personen wollen wir zeit­nah an unseren Schulen verankern. Das ist eine ganz, ganz substanzielle und wesent­liche Entlastung für unsere Schulen.

Zum Thema Modellregionen, da es angeschnitten wurde: Es stimmt, die Grünen haben das in den letzten Runden der Verhandlungen zum Autonomiepaket wieder ins Spiel gebracht. Ich sage ausdrücklich: wieder, denn wir von der SPÖ haben von Beginn an versucht, mit dem Autonomiepaket auch das Thema gemeinsame Schule so weit zu


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verankern, dass wir starten können. Das war nicht trivial. Mit dieser Forderung bin ich, ganz offen gestanden, an den Ländern gescheitert. Ich habe mich sehr gefreut, dass sie am Ende der Verhandlungen wieder gekommen ist und wir es so geschafft haben, die Modellregionen der gemeinsamen Schule, die der SPÖ, der Sozialdemokratie im­mer ein Herzensanliegen waren, wieder aufzunehmen und die ersten Schritte in diese Richtung auch gemeinsam zu gehen.

Meine Zusammenfassung: Wir haben eine Unzahl von Studien, wir haben eine Unzahl an Daten, Fakten und Zahlen. Wir müssen die Empfehlungen ernst nehmen, die aus diesen Studien kommen. Es braucht nicht eine zusätzliche Studie, sondern es braucht ein gemeinsames, überparteiliches Handeln im Sinne unserer Kinder, im Sinne unserer jungen Menschen, denn sie gestalten unsere Zukunft und sie müssen wir befähigen, dass sie diesen Herausforderungen, die auf uns warten, gut und gerüstet entgegentre­ten können. Das ist das Wichtigste. (Beifall bei der SPÖ.)

Handeln wir, handeln wir gemeinsam in diesem Parlament! Nehmen wir die Verantwor­tung an, hier parteiübergreifend und fern von Parteiideologien Schule gemeinsam zu gestalten! Das braucht es. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.38


Präsident Ing. Norbert Hofer: Wir gehen nun in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, dass gemäß der Geschäftsordnung kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf, wobei jedem Klub eine Gesamtredezeit von insgesamt 25 Minuten zukommt.

Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Mag. Steinhauser. – Bitte, Herr Klubobmann. (Abg. Jarolim: Wobei wir uns vor allem vor der Engstirnigkeit schützen müssen! Das ist, glau­be ich, ein großes Problem in diesem Land!)

 


13.39.09

Abgeordneter Mag. Albert Steinhauser (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Ja, wir haben im Juni gemeinsam die Bildungsre­form beschlossen, das ist unbestritten. Wir alle wissen, dass das harte Verhandlungen waren, die am Ende durchaus zu einem herzeigbaren Ergebnis geführt haben, und wir bekennen uns auch zu diesen Ergebnissen.

Aber was wir nicht glauben – und das klingt bei Ihnen durch und das klingt bei der ge­samten Nicht-Debatte im Wahlkampf durch –, das ist, dass jetzt unter die bildungspoli­tische Debatte ein Schlussstrich gezogen werden kann. Das ist der falsche Schluss. (Beifall bei den Grünen.) Die Reform bedeutet nicht das Ende der Debatte, sondern die Reform bedeutet, dass wir jetzt über die Maßnahmen diskutieren müssen, damit die Re­form im Klassenzimmer ankommt!

Frau Bundesministerin, wovor wir warnen, ist eine Reform, die große Versprechen ab­gibt, aber dann die Schulen, die LehrerInnen, die Kinder und Eltern alleinlässt, weil die Ressourcenausstattung nicht passt. Wenn wir diese Reform erfolgreich bestreiten wol­len, dann brauchen wir jetzt 5 000 LehrerInnen. Ich erinnere an die Verhandlungen: Unser Team wollte, dass wir uns im Rahmen dieser Verhandlungen darauf einigen, dass wir diese 5 000 LehrerInnenstellen schaffen, und das auch fix verhandeln. Das war damals nicht möglich. Wir haben nichts von einem Wahlkampfversprechen der Sozialdemokra­ten. Hätten wir das doch am Verhandlungstisch finalisiert!

Wir werden in den nächsten zehn Jahren vermutlich 10 000 neue LehrerInnen brau­chen – aufgrund von Pensionierungen und weil es mehr Kinder in den Schulklassen gibt. Eine Reform, die auf diese Zahlen nicht reagiert, wird am Ende nicht gelingen, und die Probleme, die wir bewältigen müssen, sind evident.


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Ich beginne bei den Lehrerinnen und Lehrern. Wenn wir über Probleme im Schulsys­tem reden, dann haben Lehrerinnen und Lehrer oft das Gefühl, man wirft ihnen das vor. – Nein, Lehrerinnen und Lehrer arbeiten unter schwierigen Bedingungen und leis­ten hervorragende Arbeit. Morgen ist meines Wissens der Weltlehrertag, und ich möch­te das als Anlass nehmen, mich auch bei den Lehrerinnen und Lehrern zu bedanken, die tagtäglich im Klassenzimmer arbeiten und unter nicht ganz einfachen Bedingungen das Beste für unsere Kinder erreichen wollen. Dafür ein Dankeschön! (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Wir müssen über die Probleme reden, denn wir wollen den Lehrerinnen und Lehrern unter die Arme greifen und wir wollen den Kindern unter die Arme greifen, damit wir nicht leere Reformdebatten führen, wo am Ende nichts im Klassenzimmer ankommt.

Das erste Problem beim Bildungssystem: Unser gesamtes Bildungssystem, Frau Bun­desministerin, ist defizitorientiert. Eltern und Kinder hören ständig, was Kinder nicht können. Es wird nicht über Talente geredet, es wird nicht über Stärken geredet. (Abg. Steinbichler: Das stimmt ja nicht!) Das wäre ungefähr so, wie wenn unser Ski-Natio­nalkader die Slalomläufer Abfahrt fahren schickt, weil sie beim Abfahrtfahren nicht gut genug sind, statt dass man darüber redet, dass sie im Slalomfahren Weltklasse sind. So würden wir keine einzige Olympiamedaille erlangen, wenn wir unseren Ski-National­kader nach den Prinzipien trainierten, wie die Schule funktioniert. (Beifall bei den Grünen.)

Das Ergebnis dieser Auffassung von Schule ist Frust bei den Eltern und Unlust am Ler­nen bei den Kindern – und das kann es nicht sein.

Zweites Problem: Unser Bildungssystem ist viel zu stark darauf ausgerichtet, Bildungs­karrieren zu beenden und nicht zu fördern. Das beginnt in der Volksschule. Die ge­samte Volksschule ist auf die Frage ausgerichtet: Kommst du ins Gymnasium oder kommst du nicht ins Gymnasium? Da ist auch der spannendste Punkt: Die OECD ist relativ klar in ihren Aussagen, dass diese frühe Trennung falsch ist. Diese Erkenntnis wird nur nicht umgesetzt. Das ist genau der Punkt: In der Volksschule werden bereits die ersten Bildungskarrieren willkürlich beendet – unzumutbar!

Ähnlich ist es auch im Gymnasium, wenn man sich das anschaut, mit der Einführung der Zentralmatura. Das betrifft nicht alle Schulen – es gibt viele Lehrer, die verantwor­tungsbewusst damit umgehen –, aber was passiert in manchen Schulen? – In der fünf­ten und sechsten Klasse scheiden pro Jahrgang fünf bis sechs Kinder aus, und am En­de stellen sich diese Schulen hin und freuen sich, dass sie bei der Matura eine Topquote beim Durchkommen haben. Die Wahrheit ist, sie haben vorher selektioniert, sie haben Bildungskarrieren nicht entwickelt, sondern sie haben sie beendet. Das ist der falsche Zugang.

Problem Nummer drei: Druck im Bildungssystem. Reden Sie mit Eltern und auch mit Schülerinnen und Schülern – Sie tun das vermutlich, Frau Bundesministerin, ich will Ih­nen nicht unterstellen, dass Sie das nicht tun, verstehen Sie mich nicht falsch; Sie wis­sen es daher –: Druck ist die Konstante im Bildungssystem. Er beginnt im Kindergarten und geht bis zur Matura, immer herrscht Druck. Der erste Druck ergibt sich aus der Fra­ge: Finde ich den passenden Kindergartenplatz für mein Kind, nämlich sowohl von den pädagogischen Betreuungsvoraussetzungen als auch von den örtlichen Voraussetzun­gen als auch von den Öffnungszeiten her? – Das ist der erste Druck. Dann kommt die Volksschule: Finde ich die passende Volksschule mit der passenden Nachmittagsbe­treuung? Der Wunsch der meisten wäre eine Ganztagsvolksschule – selbst in Wien ei­ne große Herausforderung.

Nächster Punkt: In der Volksschule – ich habe es schon angeschnitten – der Druck, ins Gymnasium zu kommen. Uns schildern Eltern, dass ihre Kinder Medikamente nehmen, weil sie mit dem Leistungsdruck, der herrscht, damit sie ins Gymnasium kommen, nicht


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mehr zurechtkommen. Warum tun wir den Kleinen das an?, frage ich. Ein Bildungssys­tem, das den Kleinsten das antut, ist kein gutes Bildungssystem! (Beifall bei den Grü­nen. – Abg. Kogler: Bravo, Albert!)

Wenn wir dann hören, dass in der Volksschule für die Nachhilfe für SchülerInnen be­reits 750 € pro Jahr ausgegeben werden, damit diese Kinder vielleicht doch noch die schmale Tür ins Gymnasium nehmen, damit nicht bereits mit zehn Jahren ihr Bildungs­weg verbaut ist, dann ist ja offensichtlich, dass etwas falsch läuft. Kinder, die in der Volksschule Nachhilfe nehmen, um ins Gymnasium zu kommen!

Damit wäre ich beim Problem Nummer vier – und das haben Sie ja zugestanden –: Die Geldtasche entscheidet in Österreich nach wie vor über den Bildungsweg. Dass Bil­dung vererbt wird, das ist ohnedies hochproblematisch und wird gar nicht mehr bestrit­ten, aber Österreich ist auch ein Nachhilfeland. Ich möchte jetzt nicht von Schutzgeld reden, denn es hat ja nichts mit den Lehrern zu tun und es schützt auch niemanden wirklich, aber die Wahrheit bei der Nachhilfe ist: Wer zahlen kann, der macht seinen Weg ins Bildungssystem, und wer nicht zahlen kann, der bleibt auf der Strecke. Es kann aber nicht sein, dass ein Bildungssystem so aufgebaut ist, dass jene, die sich Nachhilfe leisten können, irgendwie durchkommen und jene, die es sich nicht leisten können, aus­sortiert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Problem Nummer fünf – das Licht leuchtet; ich könnte noch lange reden, denn die Pro­bleme sind nicht klein –: der Fächerkanon, ein antiquierter Fächerkanon aus Zeiten Ma­ria Theresias. Was ist mit Politischer Bildung? Was ist mit Ethikunterricht? Was ist mit Medienkompetenz? Die Welt verändert sich in 20 Jahren rasant, und wir haben einen Fächerkanon, der über 100 Jahre alt ist. Das ist ja, wenn man sich das überlegt, ein Irr­sinn!

Problem Nummer sechs: Lese- und Schreibkompetenz. Integration ist eine Herausfor­derung, und völlig unverständlich ist für mich, dass es einen OECD-Bericht gibt, der zum Thema Bildung und Migration 2009 erstellt wurde, mit 85 Vorschlägen, und davon ist praktisch nichts umgesetzt worden. Wir haben eine Politik, die sich – und wir erle­ben das hier herinnen oft – an den Problemen delektiert, aber an den Lösungen ist sie nicht interessiert, selbst wenn sie auf dem Tisch liegen.

Daher unser Angebot mit dieser Sondersitzung: Alle verlassen den bildungspolitischen Schützengraben und sagen: Schauen wir uns das gesamte Schulsystem mit all seinen Problemen an – aber nicht wir, sondern die OECD! Verpflichten wir uns hier, bevor Koa­litionsverhandlungen geführt werden, dass die OECD diesen Länderbericht über das gesamte Schulsystem erstellt, Empfehlungen abgibt und dass wir dann, wenn die Emp­fehlungen vorliegen, nicht in die Schützengräben zurückkehren und wieder aus diesen Schützengräben heraus Bildungspolitik machen, sondern dass wir dann diese Empfeh­lungen von dritter Stelle umsetzen!

Wir drehen an Schrauben und Rädern, aber was wir brauchen, ist eine Vogelperspek­tive über das Bildungssystem mit seinen Herausforderungen. Darum geht es uns! Und daher geht es nicht um eine weitere Studie, sondern es geht um das Durchbrechen der Reformblockade, indem die OECD diese Gesamtschau für uns verfasst. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

13.47


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt nun Frau Abgeordnete Mag. Gross­mann. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


13.47.32

Abgeordnete Mag. Elisabeth Grossmann (SPÖ): Herr Präsident! Werte Regierungs­mitglieder! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ja, das österreichische Bildungs­system ist eines der meistgeprüften überhaupt. Es gibt eine Fülle von Studien, interna-


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tionalen und nationalen, die einen umfassenden Befund legen, wo es in Österreich ha­pert, wo die Stolpersteine auf dem Weg zu einer optimalen Entfaltung der Persönlich­keit, zu einer optimalen Entfaltung der Begabungen und Talente in einer inklusiven Schu­le liegen. Aus den OECD-Studien – die Ministerin hat sie zitiert –, der Fülle von natio­nalen Studien, die es daneben ebenfalls gibt, aus unseren Bildungsstandards und vie­len, vielen Daten, die uns vorliegen, aus dieser Menge von Daten lassen sich klare Emp­fehlungen ableiten. Es ist ja fast so exakt, dass man schon von einer Art Bedienungs­anleitung für die Politik sprechen könnte. Was fehlt, ist „nur“ – unter Anführungszei­chen – die parlamentarische Mehrheit, das auch zu tun. Und es gibt nichts Gutes, au­ßer man tut es!

Das muss man auch offen aussprechen können, dass es einfach am politischen Willen Einzelner in diesem Hause fehlt, das Notwendige, das, was auf der Hand liegt, was uns auch alle Studien sagen und empfehlen, auch umzusetzen! Da nützt es nichts, sich hinter weiteren Studien zu verstecken, die erstens einen Haufen Geld kosten, das man sicher woanders einsetzen könnte (Zwischenruf des Abg. Mölzer), und die zweitens aber auch keine neuen Erkenntnisse erwarten lassen, sondern eher eine Bestätigung dessen, was wir schon jetzt wissen, Herr Kollege – Sie kommen dann ohnedies noch zu Wort –: dass nämlich zum Beispiel die Elementarpädagogik aufgewertet gehört. Kindergärten sind die ersten Bildungseinrichtungen, die auch als solche anerkannt gehören, indem man sie etwa in das Bildungssystem, in das Bildungsressort des Bundes eingliedert und indem man vor allem österreichweit die bestmöglichen Rahmenbedingungen für diese wertvol­le pädagogische Aufgabe schafft. Und natürlich muss das zweite verpflichtende, kosten­lose Kindergartenjahr endlich Realität werden, und zwar für alle Kinder (Beifall bei der SPÖ) – nicht nur für jene, die den Stempel „Sprachdefizit“ aufgedrückt bekommen, wie das zum Beispiel der ÖVP vorschwebt, sondern alle Kinder brauchen diese Bildungs­chance.

Natürlich braucht es auch einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ab dem ersten Lebensjahr – wiederum für alle – und einen ganztägigen Schulplatz, damit eben die Kin­der am Nachmittag nicht sich selbst mit der Playstation oder dem Fernseher überlas­sen sind, sondern bestmöglich gefördert werden. Für die Schaffung eines flächendecken­den Angebots in diesem Bereich wurden durch eine Umwidmung der Bankenabgabe Mittel bereitgestellt. Und jetzt ist dafür zu sorgen, dass diese Mittel auch nach dem 15. Ok­tober bei den Kindern ankommen, dort, wo sie dringendst gebraucht werden.

Auch die gemeinsame Schule ist natürlich nach wie vor auf unserer Agenda (Abg. Wal­ser: ...! Plan A! Kein Wort!), aber in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner ha­ben wir eben nicht das Trennende vorangestellt, sondern das gemeinsam Erreichbare. So ist es uns gelungen, ein umfassendes Bildungsreformpaket zu schnüren. Wir sind so weit gegangen, wie eben der Koalitionspartner mitgehen konnte und natürlich auch die Grünen mitgehen konnten – dafür allen ein herzliches Danke. Aber bleiben wir nicht auf halbem Wege stehen, sondern gehen wir weiter zu einer chancengerechten inklu­siven Schule! – Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

13.51


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Abgeordneter El Hab­bassi. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.52.01

Abgeordneter Asdin El Habbassi, BA (ÖVP): Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann bild’ ich einen Arbeitskreis. (Abg. Steinhauser: Das hat der Sebas­tian Kurz auch gemacht beim Programm!) – So oder so ähnlich könnte man im Endef­fekt das zusammenfassen, was die Grünen hier fordern. Man könnte auch sagen: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, dann beauftrage ich die OECD mit einer weiteren, x-ten


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teuren und für Lehrerinnen und Lehrer wahnsinnig aufwendigen Studie, anstatt endlich Lösungen anzubieten. (Abg. Brosz: Anstatt die Studien selbst zu fälschen, nicht?) – Nein. Hören Sie mir vielleicht zu, liebe Kollegen! (Abg. Brosz: Mit Studien haben Sie ja eher nicht so viel am Hut!)

Ich weiß, es ist Wahlkampf. Ich weiß, Sie haben jetzt die Aufmerksamkeit, die Sie brau­chen, denn es ist natürlich schwierig, neben den ganzen Silberstein-Geschichten, die da jetzt im Wahlkampf Thema sind, da irgendwie durchzukommen, aber jetzt haben wir diese Sondersitzung, und sehen wir es positiv – ich möchte jetzt nicht polemisieren (Abg. Brosz: Dann hören Sie damit auf! – Abg. Brunner: Das haben Sie schon gemacht!) –: Wir haben jetzt die Gelegenheit, sachlich über Bildung zu diskutieren, und das ist gut, und darum danken wir Ihnen dafür, dass Sie dieses Thema aufs Tapet gebracht haben. (Bei­fall bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Schwentner: Dann fangen Sie an ...!)

Jetzt möchte ich kurz zu dem Punkt kommen, um den es geht: Sie schlagen vor, eine weitere Studie zu beauftragen, die OECD soll Vorschläge machen. Da frage ich Sie: Haben Sie schon einmal die Lehrerinnen und Lehrer gefragt, was sie davon halten, wenn wir jetzt noch weitere Studien machen, sie noch einmal zusätzlich mit Dingen zu­müllen? Wissen Sie, Herr Walser – Sie schreiben es ja selbst auf Ihrem Blog –, wir ha­ben den Nationalen Bildungsbericht, wir haben PISA, wir haben PIRLS, wir haben TIMSS, wir haben die Bildungsstandards, wir haben bis zu 60 OECD-Studien, die in den letzten Jahren verfasst wurden. Wir wissen, worum es geht! (Abg. Walser: Warum halten Sie sich dann nicht daran, wenn Sie es wissen – all das, was Sie jetzt gesagt haben, alles, was Sie jetzt zitiert haben?)

Und wenn Sie sich im Wahlkampf ein bisschen mit den Menschen beschäftigen wür­den, ein bisschen zuhören würden, Herr Walser, dann wüssten Sie, worum es geht.

Wir von der ÖVP sind da schon ein bisschen weiter. Wir haben ein Programm, Herr Walser, in dem drinnen steht, wofür die ÖVP, die neue Volkspartei mit Sebastian Kurz steht. (Abg. Brosz: Und mit Wolfgang Sobotka!) Wir haben den Leuten zugehört. Wir wissen, dass sich die Schüler wünschen, dass sie die besten Lehrer haben. (Abg. Wal­ser: Bildungspolitik à la 19. Jahrhundert!) Wir wissen, dass die Schüler nicht mehr nur an ihren Defiziten gemessen werden wollen, sondern zukunftsorientierte Inhalte im Schul­unterricht haben wollen. Wir wissen, dass die Lehrerinnen und Lehrer tagtäglich damit kämpfen, dass viele Kinder gar nicht mehr ordentlich Deutsch können, dass sie diszi­plinär nicht mehr zu bändigen sind und nicht mehr aufpassen. Wir wissen, dass so­ziale, psychische, alle möglichen Probleme (Abg. Deimek: Spätzünder!) mittlerweile an die Schule abgeschoben werden und es den PädagogInnen erschweren, ihre Arbeit zu machen.

Wir wissen, dass sich die Eltern die beste Kinderbetreuung für ihre Kinder wünschen, dass sie mehr Ganztagsangebote haben wollen, dass sie einen guten Kindergarten ha­ben wollen. Wir wissen, dass sich die Jugendlichen und Schüler politische Bildung wün­schen. Wir wissen, dass sich die Eltern wünschen, dass Kinder, die nicht in den kon­fessionellen Religionsunterricht gehen, in den Ethikunterricht gehen können. Wir wis­sen, dass sich eine Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher wünscht, dass es weiterhin ein Gymnasium gibt.

Wir wissen all diese Dinge, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Einzige, was wir tun müssen, ist, über die Frage zu sprechen: Wie können wir tatsächlich etwas ändern, da­mit in der Schule, nämlich bei den Schülerinnen und Schülern, etwas ankommt und es nicht wieder nur darum geht, wie eine Schule heißt, und um irgendwelche Strukturre­formen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine Organisationsreform ge­macht, und wir sind alle zu dem Schluss gekommen, das, was wir jetzt brauchen, ist,


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dass wir uns darum kümmern: Was passiert im Klassenzimmer? Wie geht es den einzelnen Pädagoginnen und Pädagogen? Wie geht es den Schülern? Und was wollen die Eltern? – Daher haben wir von der Volkspartei ein Programm, und darin gibt es ei­nen klaren Fokus:

Wir wollen Deutsch-Förderung ab dem Kindergarten. Wir wollen, dass Kinder, die nicht ordentlich Deutsch können, zusätzlich in einer Deutsch-Klasse sind, bevor sie in den Regelunterricht kommen (Abg. Walser: Wahnsinn!), dass ihre Sprachkompetenz or­dentlich ausgebildet wird (Abg. Walser: Pädagogische Steinzeit!), weil wir wissen, dass die Sprache der Schlüssel ist. Das heißt nicht, dass wir Leute von anderen absondern wollen (Abg. Walser: Nein! Eigene Klassen, das ist keine Absonderung!), sondern wir wollen, dass sie Förderung zusätzlich bekommen und nachher gemeinsam mit allen anderen Schülern am Unterricht teilnehmen können. (Abg. Hauser: Warum haben Sie unsere ... dann immer abgelehnt?)

Wir wollen einen Fokus auf Grundkompetenzen, weil wir wissen, dass wir Kinder und Jugendliche brauchen, die, wenn sie mit der Schule fertig sind, lesen, schreiben und rechnen können. Deswegen wollen wir eine Bildungspflicht und keine Schulpflicht, da­mit genau das gewährleistet ist. Und wir wollen, dass sich der Inhalt, der in der Schule gelehrt wird, das, was die Kinder mitnehmen, auf die Zukunft ausrichtet, dass Unterrichts­inhalte beispielsweise Programmieren oder eben, wie ich gesagt habe, den Ethikunter­richt oder Staatskunde, um eine politische Bildung zu vermitteln, umfassen.

Wir wollen, dass es mehr Transparenz und dass es Talenteförderung gibt, damit man sich eben mehr auf die Talente und weniger auf die Defizite fokussiert. (Abg. Moser: Wozu waren Sie dann in der Regierung?) Und wir wollen Vielfalt, Wahlfreiheit und indi­viduelle Förderung in unseren Schulen. Und deswegen sind wir für ein differenziertes Schulsystem. Sie können das alles im Wahlprogramm der ÖVP nachlesen (Abg. Wal­ser: Ich habe es mir angeschaut, ja!), und wenn wir eine entscheidende Mehrheit be­kommen, dann können wir das auch umsetzen, Herr Kollege Walser.

Aber was wir nicht brauchen, ist eines: Wissen Sie, was die OECD ist? Ich glaube, ich brauche es Ihnen nicht zu erklären. Sie sind zwar manchmal sehr oberlehrerhaft, aber Sie werden sicher wissen, dass das eine Organisation für wirtschaftliche Zusammenar­beit ist. Ich bin daher schon etwas verwundert und frage mich, warum die Grünen – die sonst immer der Meinung sind, es geht bei Bildung um mehr als nur darum, dass wir die Kinder für den Arbeitsmarkt ausbilden – eine Organisation beauftragen wollen, die ganz explizit – ich habe es mir extra herausgesucht – den Sinn ihrer Bildungsstudien darin sieht, festzustellen, wie der ökonomische Nutzen für den Einzelnen und die Ge­sellschaft ist. (Abg. Walser: ... die OECD, die international Länder berät, bildungspoli­tisch! Sagen Sie jetzt, die OECD hat die Kompetenz nicht?)

Das ist Ihr Zugang: Anstatt als Politiker selbst Maßnahmen vorzuschlagen, anstatt selbst Leute von Ihren Positionen zu überzeugen, wollen Sie das auslagern an Wissenschaf­ter – die mit Sicherheit ihren Job gut machen, die aber nicht dazu da sind, um die Poli­tik in diesem Land zu gestalten. – Das aber wollen wir, und deswegen stehen wir zur Wahl, und deswegen bitte ich Sie auch, uns bei dieser Wahl zu unterstützen.

Da dies meine letzte Rede hier ist und ich in Zukunft nicht mehr im Nationalrat sein werde, möchte ich diese Gelegenheit nützen, mich bei all jenen zu bedanken, die uns immer im Hintergrund unterstützt haben, ob das meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren, ob das die Mitarbeiter im Klub oder jene in der Parlamentsdirektion waren. Ich glaube, ihnen gehört einmal ein ordentliches Danke gesagt, genauso wie wir vorhin auch den Lehrern gedankt haben, die eine tolle Arbeit machen. Vielen, vielen Dank da­für! – Sie dürfen auch klatschen. (Beifall bei der ÖVP sowie der Abgeordneten Pendl und Strolz.)


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Ich möchte diese Rede so beenden, wie ich meine erste Rede begonnen habe, näm­lich mit einem Wunsch. Ich bin ja ein unverbesserlicher Optimist. Auch wenn der Wahl­kampf jetzt ein völlig anderes Bild vermittelt, wäre es, glaube ich, eine tolle Chance, in der nächsten Legislaturperiode zu zeigen, dass man, sobald der Wahlkampf zu Ende ist – hoffentlich ist er bald vorüber –, in diesem Haus wieder mehr auf die Menschen hört, was ihre Sorgen und ihre Ängste und Anliegen sind, und dass man hier gemein­sam parteiübergreifend, so wie wir das Gott sei Dank bei den Jugendsprecherinnen und Jugendsprechern in der Vergangenheit sehr gut gemeistert haben, zusammenar­beitet, sachlich an Lösungen und Angeboten für die Zukunft arbeitet und nicht die Haupt­aufgabe darin sieht, andere anzuschwärzen, schlechtzumachen oder sonst etwas. Ich glaube, das schadet dem Parlament.

Ich würde mir wünschen, dass das Parlament ein stärkeres, ein selbstbewussteres wird, und wünsche Ihnen alles, alles Gute und freue mich auf ein Wiedersehen. (Beifall bei der ÖVP, bei Abgeordneten von FPÖ und NEOS sowie des Abg. Mayer.)

13.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, auch wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihre persönliche Zukunft.

Zu Wort gelangt nun Herr Abgeordneter Mölzer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


13.59.47

Abgeordneter Wendelin Mölzer (FPÖ): Herr Präsident! Frau Minister! Herr Minister! Hohes Haus! Herr Kollege Walser, ich schließe mich dem Kollegen El Habbassi an: Dan­ke, dass Sie das Thema Bildung, das so wichtige Thema Bildung aufs Tapet gebracht haben. Das ist es immer wert diskutiert zu werden, da bin ich völlig Ihrer Meinung. Ich wundere mich nur, dass Sie Ihre wertvolle Redezeit gleich fast zur Hälfte darauf ver­wenden, sich mit der FPÖ zu beschäftigen – das nur so am Rande.

Herr Kollege Walser, Sie haben heute zu Recht den Antrag des ÖVP-Finanzministers auf eine Quasiselbstbeschränkung des Nationalrates kritisiert. Diese Kritik teilen wir. Ich glaube, dass das nicht gut wäre. Sie haben aber mit diesem vorliegenden Antrag ja nichts anderes vor, denn Sie wollen nämlich im Grunde genommen, dass die OECD ei­ne Studie für uns in unserem Auftrag macht und dass wir uns dann eins zu eins an die­se Studie halten beziehungsweise uns von außen sagen lassen, wie wir Bildungspolitik gestalten sollen. Das lehnen wir ab, da können wir definitiv – einmal abseits der Inhal­te – nicht mitgehen. (Beifall bei der FPÖ.)

Überhaupt muss ich sagen, so, wie Sie heute hier Ihren Auftritt zelebriert haben, wird mir schnell klar, warum die Grünen in den Umfragen nicht so rasend gut liegen. Sie sind beckmesserisch – das ist immer in einer Tour das Gleiche –, Sie sind moralinsau­er, Sie wollen uns oberlehrerhaft erklären, was wir zu sagen, zu denken, zu tun haben. Und das überträgt sich auch auf das Bildungswesen – natürlich oft im Einklang mit den Sozialisten –, in dem sie im Grunde genommen fast nur mit Zwang arbeiten wollen und wo es nur darum geht, die Menschen möglichst früh, im besten Fall ab dem ersten Le­bensjahr, in ein einheitliches Bildungssystem zu pressen. (Ruf bei den Grünen: Sie wol­len lieber ein Zwei-Klassen-System!) Das ist sicher nicht unser Weg. (Abg. Mayer: Irr­weg!)

Werte Kollegen von den Grünen! Was ich in diesem Zusammenhang auch noch inter­essant finde, ist, muss ich sagen, dass Sie bemängeln, dass es mangelnde Bildungsre­formen gegeben hat. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Da haben Sie natürlich recht. Nur, Sie waren es ja selbst, die gerade vor drei Monaten hier im Hohen Haus der Re­gierung von Schwarz und Rot diese letzte unselige Bildungsreform ermöglicht haben. (Abg. Steinhauser: Sonst geht gar nichts weiter! Wir sind ja auf Veränderung ...!) Und


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da wundere ich mich schon, wenn man dann zwei, drei Monate später vergessen hat, dass man im Großen und Ganzen bei vielen Dingen selber dabei war. (Beifall bei der FPÖ.)

Kommen wir zu den Problemen, die wir ohne Frage in unserem Bildungswesen haben. Es ist nämlich tatsächlich so, dass wir in unserem Bildungssystem eine zunehmende Chancenungerechtigkeit haben. Das ist aber, glaube ich, in erster Linie der verfehlten Bildungspolitik der Sozialisten zuzurechnen.

Wenn man nämlich bedenkt, dass zum Beispiel in Wien – seit 70 Jahren SPÖ-regiert – jedes fünfte Kind in eine Privatschule geht, dass in Österreich, wo seit mittlerweile zehn oder elf Jahren eine rote Bildungsministerin am Werken ist, jedes zehnte Kind eine Pri­vatschule besucht – was eine Zunahme um 15 Prozent seit 2006 bedeutet –, muss ich sagen, dass da irgendetwas absolut falsch läuft. Diese Einschätzung wird Herr Kollege Walser sicher teilen. In Wien sind Sie aber selbst mit in der Regierung. Da muss man klar sagen: Das darf und soll so nicht weitergehen. Wir sind meilenweit entfernt von ei­nem sozial gerechten Zugang zu unserem Bildungswesen. Wir haben da eine Entwick­lung, die eher in eine andere Richtung geht, was definitiv abzulehnen ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Für uns ist, glaube ich, klar: Wir brauchen ein Bildungswesen, das frei von Zwängen ist – das gilt ja nicht nur für das Bildungswesen, aber da im Speziellen –, in dem man die Wahl hat, frei zu wählen, welchen Bildungsweg man einschlagen will. Da kann man nicht mit Zwängen arbeiten wie etwa der verschränkten Ganztagsschule, von der wir wissen, dass zum Beispiel in Kärnten der Zuspruch eher mangelhaft ist. Das, was an Maßnahmen beschlossen worden ist, geht sozusagen an dem tatsächlichen Wunsch der Menschen vorbei.

Ich glaube, ganz wesentlich ist einfach eine flexible Ganztagsschule, so wie wir sie uns vorstellen, aber nicht mit verschränktem Unterricht, wo man dann im System drinnen hängt und nicht rauskommt, was die Leute nicht wollen.

Was überhaupt und generell in der Debatte bis heute ausgeklammert wird – das tun die Kollegen von den Grünen genauso wie die von der SPÖ –, das ist die Zuwande­rungs- und Integrationsproblematik in unserem Bildungswesen. Da muss man ganz klar sagen, dass das, leider Gottes, ein exogenes Problem ist, dem wir uns stellen müssen, nämlich das Problem mit der Beherrschung der deutschen Sprache, der Unterrichts­sprache. (Abg. Pirklhuber: Ich habe die Plakate gesehen! Die Plakateschreiber der FPÖ sollten einen Grundkurs machen!)

Herr Kollege Walser, Sie haben vorhin das Beispiel gebracht, dass zwei Tschetsche­nenkinder in eine Schulklasse kommen und das Ganze dann funktioniert. Ja, das ist wahrscheinlich so, das haben wir in der Vergangenheit auch erlebt. (Zwischenruf des Abg. Walser.) Nur bin ich der Überzeugung, dass es eben nicht so ist, dass es nur zwei Kinder sind, sondern wir haben ja mit 14 oder 15 von 20 Kindern ein Vielfaches des Problems. Dann wird es natürlich problematisch, und dann müssen wir natürlich Maßnahmen ergreifen. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Walser.) Und da ist unsere zentrale Maßnahme – das wissen Sie; die ÖVP unterstützt das ebenfalls, auch wenn sie bis dato noch nicht bereit war, dem zuzustimmen –, dass wir sagen, wir brauchen diese Deutschpflicht, um am Regelunterricht teilzunehmen. (Beifall bei der FPÖ.)

Daher darf ich einmal mehr einen entsprechenden Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Wendelin Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Deutsch-Klassen für Schüler ohne ausreichende Kenntnis der Unterrichtssprache


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Bildung werden auf­gefordert, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, sodass Schüler mit mangelnder Kennt­nis der Unterrichtssprache in eigenen Klassen solange unterrichtet werden, bis sie über ausreichende Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch verfügen.“

*****

Liebe Kollegen von der ÖVP, das ist heute wieder einmal ein Lackmustest, Sie sind herzlich eingeladen, dem zuzustimmen – aber natürlich auch die restlichen Kollegen im Saale! (Beifall bei der FPÖ.)

Für uns Freiheitliche ist es – ich glaube, das ist bekannt, es sei aber an dieser Stelle noch einmal betont – ganz wesentlich, den Dreh- und Angelpunkt, nämlich die Lehrer­ausbildung, entsprechend zu verbessern. Es sollten in Österreich nur die Besten Leh­rer werden, und das wird nicht funktionieren, wenn man nur irgendwelche Pseudoauf­nahmetests macht. Das wird nur dann funktionieren, wenn man tatsächlich schaut, dass nur die Besten in dieses System kommen, und dabei gleichzeitig natürlich auch der Quereinstieg in den Lehrerberuf forciert wird. Da ist jetzt zwar ein kleiner Schritt in der Vergangenheit passiert, aber das ist sicher noch zu wenig.

Wir schließen uns natürlich auch dem an, dass man die Elementarpädagogik entspre­chend aufwerten muss – das ist überhaupt keine Frage –, weil das selbstverständlich gesamtheitlich zu sehen ist, aber, wie gesagt, ohne Zwang.

Was sicher auch ganz wesentlich ist, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist na­türlich, dass man die Politik, die Parteipolitik aus den Schulen, aus dem Personellen herausbekommen muss, ebenso die Indoktrinierung. Es gibt zig Beispiele von Lehrern beziehungsweise auch von Schulmaterialien, Schulbüchern und dergleichen, die ten­denziös sind, die einseitig sind. Ich habe gerade wieder von meiner Kollegin Carmen Gartelgruber gehört, dass sie von einer Schuldiskussion wieder ausgeladen worden ist, weil sie sich kritisch gegenüber der Schule beziehungsweise kritisch über ein Problem in der Schule geäußert hat, was nicht reingepasst hat. Das sind so Sachen, die in un­serem Bildungswesen einfach nichts verloren haben. Wir müssen auf jeden Fall daran arbeiten, dass wir das herausbekommen.

Ja, keine Frage, wir müssen gemeinsam daran arbeiten. Wir müssen schauen, dass wir die Ideologie möglichst hintanstellen. Wenn ich dann aber manchmal so bei der SPÖ und auch bei den Grünen hineinhöre, frage ich mich schon, ob die Ideologie da nicht eine zu große Rolle spielt. Überhaupt beschleicht mich manchmal das Gefühl, dass da seltsame Standesdünkel aufkommen, wenn nur von linear-akademischer Ausbildung und dergleichen die Rede ist und überhaupt nicht mehr daran gedacht wird, was mit der Facharbeiterausbildung, mit der Lehre ist, die wir ja weiter forcieren sollten. Ich glau­be, das wäre ganz wichtig.

Abschließend noch: Ich glaube, unsere Gesellschaft muss generell auch ein bisschen die Einstellung zur Bildung überdenken. Es ist nicht nur eine Bringschuld des Staates, sondern es ist natürlich auch eine Holschuld der Menschen selbst. – Danke für die Auf­merksamkeit. (Beifall bei der FPÖ.)

14.07


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:


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Entschließungsantrag

des Abgeordneten Wendelin Mölzer und weiterer Abgeordneter

betreffend Deutsch-Klassen für Schüler ohne ausreichende Kenntnis der Unterrichts­sprache

eingebracht in der 197. Sitzung des Nationalrates, XXV. GP, am 4. Oktober 2017 im Zuge der Behandlung des dringlichen Antrags betreffend „Bildungsblockade durchbre­chen mit OECD Länderprüfung“.

Etwa eine Million Österreicher im Alter von 16 bis 65 Jahren können nur völlig unzurei­chend lesen und schreiben. Die 2008 durchgeführte Sprachstandsbeobachtung – neuere Erhebungen liegen nicht vor – zeigt, dass 90 Prozent der 4½- bis 5½-jährigen deutsch­sprachigen Kinder, die einen Kindergarten besuchten, ein altersgemäßes Sprachni­veau besaßen, während 58 Prozent der 4½- bis 5½-jährigen Kinder, deren Erstsprache nicht Deutsch war, zusätzliche Fördermaßnahmen benötigten. Eine nichtdeutsche Mut­tersprache hatten laut Statistik Austria im Schuljahr 2015/16 österreichweit 24 Prozent der Schüler – 1,6 Prozent mehr als 2014/15. In Wien liegt der Anteil bereits über 50 Pro­zent. In den Neuen Mittelschulen in Wien geht man von bis zu 70 Prozent aus. In Kin­dergärten haben 31 Prozent eine andere Muttersprache als Deutsch. Deshalb ist eine zentrale Forderung der FPÖ seit langem: Deutsch vor Regelschuleintritt. Bei der Schul­einschreibung wird der Sprachstand erhoben. Ist dieser ungenügend, so werden be­troffene Schüler so lange in einer „Deutschklasse“ gefördert, bis sie die Unterrichts­sprache ausreichend beherrschen. Erst dann erfolgt die Aufnahme in eine „reguläre“ Schulklasse.

Zuletzt wurde im Zuge der Verhandlungen des „Bildungsreformpakets“ diese Forde­rung seitens der FPÖ als wesentliches Zustimmungskriterium genannt. Noch am 7. Ju­ni meinte ÖVP-Obmann Sebastian Kurz in der ZIB2, dass er sich vorstellen könne, die FPÖ-Forderung nach „Deutsch-Klassen“ umzusetzen, und er keinesfalls bereit sei, die Forderung der Grünen nach mehr Gesamtschulen zu erfüllen.

Tatsächlich wurde ab diesem Zeitpunkt nur mehr mit den Grünen verhandelt und die Tür Richtung Gesamtschule aufgemacht. Von „Deutsch vor Regelschuleintritt“ war sei­tens der ÖVP keine Rede mehr und ist im von SPÖ, ÖVP und Grünen beschlossenen Bildungsreformgesetz 2017 auch nicht enthalten.

Nun fordert die Kurz-ÖVP in ihrem aktuellen Wahlprogramm als Kriterium für die Schul­reife "das ausreichende Beherrschen der deutschen Sprache". Schüler mit mangeln­den Deutschkenntnissen in speziellen Deutschförderklassen unterrichtet werden, unab­hängig vom Alter.

Damit übernimmt – leider sehr spät – die ÖVP die langjährige Forderung der FPÖ.

Daher stellen die unterzeichnenden Abgeordneten folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung und insbesondere die Bundesministerin für Bildung werden auf­gefordert, die notwendigen Maßnahmen zu setzen, sodass Schüler mit mangelnder Kennt­nis der Unterrichtssprache in eigenen Klassen solange unterrichtet werden, bis sie über ausreichende Kenntnisse der Unterrichtssprache Deutsch verfügen.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Klubobmann Mag. Dr. Strolz zu Wort. – Bitte.

 



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14.07.21

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Frau Ministerin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Liebe Grüne, lieber Harald Walser, danke, dass Sie das Thema Bildung aufgreifen! Das ist, das war und das wird für uns NEOS immer höchste Priorität haben, weil wir davon überzeugt sind, dass Bildung ein Allzweckschlüssel ist. Bildung ist der Schlüssel zur Entfaltung des Menschen. Bildung ist die Selbstermächtigung des Menschen. Bildung ist der Schlüs­sel zu einem guten Erwerbsleben. Gute Bildungspolitik ist die beste Arbeitsmarktpolitik, die beste Integrationspolitik, die beste Sozialpolitik für Chancengerechtigkeit. Gute Bil­dungspolitik ist sogar – das wissen wir auch aus Studien – die beste Gesundheitspoli­tik.

Ich bin der Meinung, dass die nächste Bundesregierung die Bildung ganz vorne hin­stellen muss, egal, wie sie zusammengesetzt ist: Das muss die höchste Priorität sein, und zwar Bildung vom Anfang bis zum Ende eines Menschenlebens. Ich glaube, die Idee, zu sagen, dass Bildung etwas für die ersten 15 Jahre oder, wenn es hoch her­geht, für 18 oder 22 Jahre ist, diese Idee ist unendlich fantasielos.

Deswegen haben wir als NEOS auch vorgeschlagen, dass wir im nächsten Jahr, hof­fentlich gemeinsam, eine LELA 5000 umsetzen sollten. Das ist ein Chancenkonto für jeden erwachsenen Menschen in Österreich, bei dem wir sagen, dass der Staat völlig seine Denkart in Bezug auf die Menschen und das Potenzial ihrer Entfaltung ändert. Der Staat sagt dann nämlich nicht: Deine Qualifizierung, deine Bildung nach der Schu­le interessiert mich nicht mehr, ich komme erst wieder mit dem Arbeitsmarktservice zu dir, wenn du arbeitslos bist. Voraussetzung für mein Gespräch mit dir in Sachen Bil­dung ist Arbeitslosigkeit. – Ich halte das für grundfalsch.

Ich glaube, Bildung ist ein lebenslanger Prozess in jeder Lebensphase. LELA 5000 heißt deshalb so, weil wir sagen, dass lebenslanges Lernen auch Freude bereiten soll und dass das Tempo und die Richtung die einzelnen Personen vorgeben. Wenn wir LELA 5000 einführen, heißt das, dass Sie immer ein Sparbuch dabeihaben. Dieses ge­hört Ihnen, es ist ein Chancenkonto für Sie persönlich als österreichische Bürgerin und österreichischer Bürger. Wenn Sie auf dieses Konto schauen, werden Sie sehen, dass ein Anfangsinvestment des Staates drauf ist. Es geht nicht um Förderung, es ist ein Investment! Ich habe diesbezüglich auch schon mit einigen Mitarbeitern diskutiert, weil sie in Unterlagen geschrieben haben, dass der Staat da fördert. Nein, nicht Förderung, sondern Investment: Das ist mir von der Haltung her ganz wichtig. Da ist ein Grundin­vestment drauf.

Und was passiert nun mit diesem Chancenkonto? – Wenn Sie sagen, dass Sie in Ihre Arbeitskraft, in Ihre persönliche Bildung investieren und dafür selbst Geld aufwenden, dann sagt der Staat: Großartig, wir koinvestieren! – Das heißt, er überweist noch zusätzlich etwas auf Ihr Bildungskonto. Wenn eine Arbeitgeberin, ein Arbeitgeber sagt, dass sie oder er in die Bildung dieses Mitarbeiters, dieser Mitarbeiterin investiert, dann sagt der Staat: Großartig, wir koinvestieren!

Das, wie wir auf Bildung schauen, ist ein völliger Paradigmenwechsel. Das schafft im Übrigen noch 10 000 Arbeitsplätze auf der Angebotsseite von Bildung. Das ist die Art von Bildungsrevolution, die wir in dieses Land hineintragen wollen.

Und wenn Harald Walser da eine OECD-Studie hilft, so soll es sein – wenn es nichts hilft, schadet es auch nicht. Machen wir sie. Ein bisschen fantasielos wart ihr natürlich schon bei der Auswahl dieses Themas. Ich kann mir vorstellen, wie das vonstattenge­gangen ist. Da sind drei Grüne zusammengesessen und haben gesagt: Ui, wir haben noch ein Kontingent für eine Sondersitzung, was tun wir? (Zwischenruf des Abg. Wal­ser.) Die NEOS sind doch so klasse bei der Bildung, wir könnten versuchen, da ein wenig hineinzugraben. Was könnten wir denn für ein Thema nehmen? (Zwischenrufe


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bei den Grünen.) Ui, da fällt uns nichts ein, geben wir doch eine Studie in Auftrag! (Abg. Steinhauser: So war es definitiv nicht, ich war dabei!) – So war es. Das ist ex­trem fantasielos, aber es ist okay. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.) Wir werden das unterstützen, wir sind da großzügig mit Ihrer Fantasielosigkeit, wenn es nichts schadet – wobei ich allerdings auch nicht sicher bin, ob es etwas hilft. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Brunner: Das war aber jetzt fantasielos! – Abg. Steinhauser: Die NEOS haben dabei keine Rolle gespielt, so viel kann ich versichern!)

Warum habe ich da so meine Zweifel? – Wir sehen zum Beispiel, dass die letzte OECD-Länderprüfung zum Thema Migration/Bildung 2009 sehr umfassend war. An Bildungs­papieren, an Bildungsstudien fehlt es uns ja nicht – die füllen ganze Bibliotheken –, son­dern es fehlt an der Umsetzung. Auch diese Vorschläge der OECD bezüglich Migration und Bildung wurden in keinster Weise umgesetzt, das ist fast ein kompletter, hundert­prozentiger Fail. Auch der Integrationsminister hat da großartig ausgelassen, tragisch aus­gelassen. Ein Sebastian Kurz, den ich als Staatssekretär damals immer noch gelobt habe, weil er es wirklich geschafft hat, eine neue Sprache für ein Thema zu finden, ist mittlerweile eine große Enttäuschung, weil er sich einfach seit Jahren nicht mehr um das Thema Integration kümmert, denn es bringt ihm keine Stimmen. Er kümmert sich grundsätzlich nur um Dinge, die ihm Stimmen bringen, und dabei ist er völlig beliebig. (Abg. Steinhauser: Das stimmt!) Hauptsache, es bringt Stimmen!

Und wo keine Stimmen kommen, da geht er auch nicht hin. Ich war gestern beim „Stan­dard“ online im Chat, ich war gestern beim KRONEHIT-Radio. Alle sagen, dass alle kommen, nur Sebastian Kurz nicht, weil er einfach dort nicht hingeht (Zwischenrufe bei der ÖVP), wo es ein bisschen unberechenbarer wird, wo es ein bisschen spontaner wird. Da geht der aalglatte junge Mann nicht hin, denn da könnte es ja unberechenbar werden, da könnten die Textbausteine, die vorgefertigten, nicht reichen. (Zwischenruf des Abg. Gahr.)

Das ist zu wenig Leadership für einen Kanzler. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das wün­sche ich mir anders. (Beifall bei den NEOS.)

Er ist auch gestern Abend nicht zur Diskussion mit mir gekommen. Wir hatten eine spannende Diskussion auf Puls 4, die für ihn sehr durchwachsen war. (Zwischenrufe bei ÖVP und Grünen.) Manche sagen, das war bisher das beste Duell auf Puls 4. Na­türlich haben dann seine Berater entschieden, dass sie da lieber nicht mehr hingehen, dass sie kneifen und ihn lieber ins Ausland schicken. (Abg. Gahr: Das ist eine Unter­stellung!) – Strache hat schon recht: Der teuerste Flüchtling Österreichs heißt Kurz. So ist es! Der teuerste Flüchtling Österreichs heißt Kurz! (Beifall bei NEOS und FPÖ. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Und der prominenteste Gefangene der Republik heißt demnächst Josef Moser. Das habe ich gestern auch erfahren. Josef Moser hat nämlich großartige Vorschläge auf den Tisch gelegt, zum Beispiel auch für das Thema Bildung. (Der Redner hält mehrere Seiten des Rechnungshofberichtes „Effizientere Verwaltung – Mehr Geld für die Schu­le“ in die Höhe.) Allein für die Bildungsverwaltungsreform gibt es großartige Vorschläge vom Rechnungshof. Sie können sichergehen, dass Josef Moser mittlerweile jeden ein­zelnen dieser Vorschläge vergessen oder verdrängt hat, denn er ist vom Schwurbel­virus der ÖVP infiziert. Er wird bei all diesen Dingen von der ÖVP gehindert werden, vor allem vom ÖAAB, dem „Österreichweit allseits anerkannten Betoniererbund“. (Bei­fall bei den NEOS.)

Sie werden selbstverständlich auch in Zukunft die Reformen hier behindern, das ist be­kannt. Im vorauseilenden Gehorsam hat gestern Herr Moser all den Mut, den er über die Jahre hatte, beim Hineingehen in das ORF-Studio in der Garderobe aufgehängt. Er hat ihn – ich habe beim Hinausgehen nachgesehen – dort hängen lassen. Er hat ihn


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gar nicht mehr mitgenommen, weil er ihn nicht mehr braucht. Er wird ihn nicht mehr zur Anwendung bringen.

Es ist so, dass Sie selbst die guten Geister, die Sie in Ihren Reihen haben – die haben Sie, auch in der ÖVP sitzen gute Geister. (Abg. El Habbassi: Na geh!) – Ja, El Hab­bassi, ich bedaure es, dass du beim nächsten Mal nicht mehr dabei bist. Diese guten Geister werden aber strukturell ausgebremst, das ist das Problem. Sie werden struk­turell ausgebremst (neuerliche Zwischenrufe bei der ÖVP), weil Sie Bildungspolitik im­mer als Klientelpolitik begreifen – immer als Klientelpolitik!

Und dann finden Sie auch noch dreiste Steigbügelhalter für Ihre Ansätze, zuletzt die Grünen im Juni, als Sie festgelegt haben, dass sich die Landeshauptleute auch in Zu­kunft zu den Chefs der neuen Landesbildungsbehörden machen können – und diese Chance werden diese nutzen. (Anhaltende Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Es geht nicht um die Eltern, es geht nicht um die Kinder, nicht um die Jugendlichen, es geht einzig und allein – jeder Einzelne hier herinnen weiß das, unter vier Augen gibt es auch jeder zu – um Machtpolitik. Das ist das Beklemmende, dass Sie wider besseres Wissen und Gewissen handeln. Und Sie, Harald Walser, haben den Steigbügelhalter gemacht! (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf des Abg. Walser.)

Es geht darum, dass mit Hilfe der Grünen festgelegt und zementiert ist (Abg. Stein­hauser: Sie waren einmal ein ernst zu nehmender Bildungspolitiker, nun sind Sie ein Kasperl!), dass sich in Zukunft die Landeshauptleute wieder um die Schule kümmern werden. Und wenn sich die Landeshauptleute um die Schule kümmern, dann heißt das, dass sie sich um 6 000 Direktorenbesetzungen und um die parteipolitische Kontrolle der Zuteilung von 125 000 Lehrerposten kümmern. Auf die Kinder wird gepfiffen, die sind ma­ximal sekundär. (Abg. Rädler: Verbale Drehorgel!)

So, und dann kommt der grüne Klubobmann hier heraus und sagt, dass wir aus den ideologischen Schützengräben herauskommen sollen. – Gerne! (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.) Wir haben zu Beginn der Periode die überparteiliche Plattform „Talente blühen“ für Bildungsfragen gegründet, und ich habe damals den Grünen angeboten, dass wir es gemeinsam machen – wir sind nie in die ideologischen Schützengräben hi­nabgestiegen! –, die Grünen haben das aber abgelehnt, weil sie da eben ideologisch ge­fangen sind. (Zwischenrufe bei den Grünen.)

Einmal mehr auch in diesem Antrag, in dem sie sagen: eine OECD-Studie bitte mit Fokus auf die Sekundarstufe 1. Und das ist Ihre ewige Obsession, Harald Walser! Das größte Problem ist nicht die Sekundarstufe 1. Ich bin mir sicher, wenn wir zu zweit, du und ich, Harald Walser (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen), in einen Kindergar­ten gehen (Heiterkeit bei Abgeordneten von NEOS, SPÖ und FPÖ), dann werden wir in drei Tagen – mein Abschlusssatz – feststellen können, wer in zehn Jahren vermut­lich bei jenen 23 Prozent Kindern sein wird, die nicht sinnerfassend lesen können. Na dann müssen wir aber besser auf den Kindergarten und auf die Volksschule schauen. (Zwischenruf des Abg. Walser.)

Schluss mit Ideologie, her mit Lösungen! (Beifall bei den NEOS.)

14.17


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächste gelangt Frau Abgeordnete Maurer zu Wort. – Bitte.

 


14.17.53

Abgeordnete Sigrid Maurer (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Da­men und Herren! Werte Zuseherinnen! Die Theorien darüber, lieber Matthias, wie es zu dieser Sitzung kam – sorry to say –: Wir sind nicht so fokussiert auf die NEOS und da-


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rauf, was die NEOS vielleicht tun könnten und so weiter. (Abg. Strolz: Es werden si­cher E-Mails auftauchen!) Das entspricht nicht unserer Wahrnehmung.

Wie bereits gesagt, wir haben diese Sondersitzung deshalb einberufen, weil dieses The­ma unterbelichtet war, wie du ja auch erwähnt hast. Ich finde es schon ein bisschen lustig, wenn du dich da herausstellst, wieder auf uns schimpfst und sagst: Die Bildungs­reform, der ihr zugestimmt habt und so weiter, das geht alles nicht! (Abg. Strolz: Ich er­mutige, ich schimpfe nicht!)

Ich möchte schon noch einmal herausstreichen, was der Unterschied zwischen der Posi­tion der NEOS und unserer Position war, warum wir dieser Bildungsreform zugestimmt haben. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Ihr habt nämlich einen Abänderungsantrag einge­bracht, und der einzige Unterschied, die einzige Begründung, mit der die NEOS nicht zugestimmt haben, war folgender Satz – ich zitiere –: „Der zuständige Bundesminister bestellt den Bildungsdirektor im Einvernehmen mit dem Landeshauptmann auf dessen Vorschlag.“

Das war euer Text. Eure Forderung, euer Vorschlag war, dass – du nennst ja die Lan­deshauptleute immer die Fürsten der Finsternis (Abg. Strolz: Ja!) – die Fürsten der Finsternis dem Bundesminister vorschlagen, wer Bildungsdirekter werden soll (Abg. Strolz: Und nicht einmal dazu waren sie bereit!), und dann ist alles besser. – Sorry, Matthias, aber das ist ein Kasperltheater, das ist lächerlich! (Beifall bei den Grünen.) Es ist ein lächerlicher Grund, wegen dieses Unterschieds der Bildungsreform nicht zu­zustimmen. Und es ist, muss ich leider sagen, taktisches Geplänkel – wie auch jetzt der Versuch, uns hier anzuschütten. (Zwischenruf des Abg. Strolz.)

Ich bin jetzt ständig bei Schuldiskussionen, wo ich gemeinsam mit den NEOS sitze – erst gestern mit Niki Scherak –, und ich stelle fest, wir haben in der Bildungspolitik in ganz vielen Bereichen gemeinsame Positionen (Zwischenruf bei den NEOS); aber jetzt gehst du wieder da her und sagst: die grünen Steigbügelhalter und so weiter – als gä­be es da andere Positionen. Das kann ich ehrlicherweise nicht ernst nehmen. Ihr seid hier eingezogen – und das war sehr, sehr positiv für dieses Parlament – mit dem Vor­satz, positiv zu arbeiten. Bei dem, was ihr hier heute macht – sorry –, kann ich davon nichts erkennen. (Zwischenruf des Abg. Steinhauser.)

Ich möchte noch einmal kurz darauf eingehen, worum es bei unserem Dringlichen An­trag geht. Ja, es gibt ganz, ganz viele Vergleichsstudien. Was wir aber fordern, ist eine Länderprüfung, die folgende Punkte prüft: die Rechtsgrundlagen, die Verwaltung, die Organisation und die Finanzierung. Aus diesen Dingen lassen sich sehr wohl gute Emp­fehlungen ableiten, und die können wir auch befolgen; wir sollten sie auch befolgen. – So eine große Zusammenschau gibt es bis heute nicht. Machen wir diesen Schritt, orien­tieren wir uns an den BildungsexpertInnen der OECD! Wenn wir es hier offensichtlich gemeinsam nicht zusammenbringen, brauchen wir vielleicht diesen externen Input.

Ich möchte mich auch noch an Kollegen Asdin El Habbassi wenden, der so süffisant gesagt hat, die OECD sei eine Wirtschaftsorganisation, und gefragt hat, warum sich die Grünen da jetzt plötzlich an der OECD orientieren. – Ja, die Wirtschaft hat erkannt, dass es eine unglaubliche Verschwendung von Talenten ist, wenn wir unser Bildungs­system nicht dahin gehend ändern, dass Bildung nicht mehr vererbt wird. Nicht um­sonst ist die Industriellenvereinigung seit Jahren auch eine treibende Kraft in diesen Fragen und offensichtlich progressiver, als es die ÖVP je sein wird, was man erkennt, wenn man ihr Wahlprogramm jetzt wieder durchliest. (Abg. El Habbassi: Mich hat ja nicht gestört, dass ...!)

Ich möchte aber noch auf einen anderen Punkt eingehen, der im Zusammenhang mit der Frage steht, wie Bildung und Unterricht an unseren Schulen organisiert sind und welche Chancen und Möglichkeiten Schülerinnen und Schüler haben. Wir wissen, dass


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wir ein Problem bei den Lesekompetenzen haben. Jetzt ist die Situation so, dass es ei­ne neue Richtlinie des Familienministeriums betreffend Unterrichtsmittel eigener Wahl gibt, die im Vergleich zur Vergangenheit Einschränkungen vorsieht. Während bisher auch Bücher und Zeitschriften für die Schulbibliothek angekauft werden konnten, soll das in Zukunft nicht mehr möglich sein. – Warum, das ist mir schleierhaft.

Wir wissen, dass wir zusätzliche Literatur für vorwissenschaftliches Arbeiten brauchen. Wir wollen fördern, dass Schülerinnen und Schüler selbständig lesen, selbständig re­cherchieren. Es ist absolut nicht einzusehen, warum ausgerechnet die Schulbibliothe­ken, die mit Sicherheit den niederschwelligsten Zugang zu Literatur bieten – weil sie in der Schule sind, man direkt hineingehen kann und es bei der Schulbibliothek keine so­zialen Hürden gibt –, eingeschränkt werden sollen.

Aus diesem Grund bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterrichts­mittel eigener Wahl

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Familie und Jugend wird aufgefordert, die Richtlinien für ‚Un­terrichtsmittel eigener Wahl‘ dahingehend zu ändern, dass Schulbibliotheken der An­kauf von Literatur wieder wie zuvor möglich wird.“

*****

Ich hoffe da auf breite Zustimmung. Ich denke, das ist ein Anliegen, das von allen An­wesenden im Raum grundsätzlich geteilt werden müsste, wenn ich mich daran orien­tiere, was wir denn auf schöne Plakate schreiben, nämlich dass wir die beste Bildung für alle wollen. Diesem Slogan müssen dann aber auch Maßnahmen folgen. Die Bil­dungsreform war ein erster wichtiger Schritt, aber wir müssen weitermachen, daher die OECD-Prüfung, daher auch keine Einschränkung für Schulbibliotheken.

Wir haben noch zwei Wochen. Hier können wir an einem Beispiel zeigen, dass wir in der Schulpolitik gemeinsam etwas zusammenbringen. – Danke. (Beifall bei den Grü­nen.)

14.23


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Harald Walser, Freundinnen und Freunde

betreffend Unterrichtsmittel eigener Wahl

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag betreffend Bildungsblo­ckade durchbrechen mit OECD Länderprüfung

Begründung

Das Bundesministerium für Familien und Jugend hat zur Schulbuchaktion für das Schuljahr 2017/18 neue Richtlinien hinsichtlich der „Unterrichtsmittel eigener Wahl“


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(UEW) herausgegeben. Diese „UEW“ ergänzen das Angebot an Schulbüchern und Un­terrichtsmitteln, die über die Schulbuchaktion aus dem FLAF (Familienlastenausgleichs­fonds) finanziert werden. Die Durchführungsbestimmungen zur Schulbuchaktion für das Schuljahr 2016/17 (Durchführungsbestimmungen zur Schulbuchaktion 2016/17 des BMFJ https://www.bmfj.gv.at/dam/jcr:dba6998a-b143-4e48-910f-b37033ba6008/
Schulbuchaktion_pdf_DRL_2016-17_-_Nr._2_-_barrierefrei.pdf) vom BMFJ sehen für die UEW explizit vor, dass „diese Unterrichtsmittel aufgrund ihrer in der Regel geringe­ren Anzahl für den Verbleib an der Schule vorgesehen“ sind.

Die neue Richtlinie für das Schuljahr 2017/18 legt fest, dass für Schulbibliotheken nun­mehr keine Bücher, Zeitschriften und Zeitungen aus dem Posten der „UEW“ ange­schafft werden dürfen, die keinen Bezug zum Lehrplan aufweisen. Nachdem Schulbi­bliotheken aber keine eigenen Budgets aus anderen Quellen haben, ist die Möglichkeit, die freien Mittel aus der Schulbuchaktion zu nutzen, für die Aktualisierung und Erwei­terung des Bestands von Schulbibliotheken unerlässlich.

Angesichts der dramatischen Ergebnisse im Bereich der Lesekompetenz bei PISA und den Messungen der Bildungsstandards ist es unverständlich, weshalb ausgerechnet die Schulbibliotheken, deren Bestände für viele Kinder und Jugendliche eine einfache Möglichkeit sind, ans Lesen herangeführt zu werden und an Lesestoff zu kommen, aus­gehungert werden sollen. Damit würde Österreich einen völlig gegenteiligen Weg von anderen Ländern gehen, die Schulbibliotheken oft als zentrale Informations- und Ar­beitsräume ausgebaut haben. Vor dem Hintergrund, dass Jugendliche in Gymnasien sinnvollerweise auch systematisch lernen sollen, wissenschaftlich zu arbeiten und eine Vorwissenschaftliche Arbeit als Teil der Zentralmatura zu verfassen ist, scheint es ab­surd, wenn die notwendige Sekundärliteratur nicht zur Verfügung gestellt werden kann. Eine gut ausgestattete Schulbibliothek ist besonders an jenen Orten notwendig, wo der Zugang zu größeren Stadt- und Universitätsbibliotheken nicht gegeben ist.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesministerin für Familie und Jugend wird aufgefordert, die Richtlinien für „Un­terrichtsmittel eigener Wahl“ dahingehend zu ändern, dass Schulbibliotheken der An­kauf von Literatur wieder wie zuvor möglich wird.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Klubobmann Mag. Dr. Strolz zu Wort gemeldet. Sie kennen die Bestimmungen der Ge­schäftsordnung dazu. – Bitte, Herr Klubobmann.

 


14.23.52

Abgeordneter Mag. Dr. Matthias Strolz (NEOS): Herr Präsident! Meine Vorrednerin hat behauptet, dass wir beim Beschluss des Bildungspakets im Juni damals mitgegan­gen wären, wenn Abs. 6 in Art. 113 geändert worden wäre.

Das ist nicht korrekt. Was wirklich stimmt, ist, dass wir diesen Punkt – Absatz 6 – ge­fordert haben, aber in unseren Anträgen diesbezüglich auch gefordert haben, Abs. 8 in Art. 113, nämlich dass der Landeshauptmann Präsident der Bildungsdirektion werden kann, zu streichen. Ebenso haben wir gefordert, dass man Absatz 10 streicht, gemäß dem Gesetzeskundmachungen von der Zustimmung der Länder abhängig sind. Das


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heißt, Sie haben das Bild nicht vollständig referiert, und das ist hiermit korrigiert. (Bei­fall bei den NEOS. – Abg. Maurer: Das ändert aber nichts daran, dass der Landes­hauptmann nach wie vor den Bildungsdirektor bestellt! – Abg. Rädler: Das war keine Berichtigung!)

14.24


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Mag. Kuntzl. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.

 


14.24.56

Abgeordnete Mag. Andrea Kuntzl (SPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe mir natürlich auch meine Gedanken darüber gemacht, warum die grüne Fraktion die­sen Vorschlag heute, vor den Wahlen, einbringt, bin aber zu einer anderen Schlussfol­gerung gekommen als Kollege Strolz. Ich habe nämlich ein gewisses Verständnis da­für, dass eine politische Kraft, der es um einen Fortschritt im Bildungssystem geht, sich mit großer Sorge überlegt, was in den nächsten Jahren passieren wird, wenn eine schwarz-blaue Mehrheit droht. (Abg. Deimek: Die SPÖ ... Pyrrhussieg ...!)

Wir erinnern uns noch gut daran, was in den Jahren der blau-schwarzen Mehrheit im Bildungssystem nicht weitergegangen ist, dass das die Jahre des großen Stillstands waren, in denen Schulstunden abgebaut wurden, Lehrerstunden abgebaut wurden, die Chancen von Kindern abgebaut wurden. (Abg. Neubauer: Ach was! – Abg. Rädler: Seitdem hat sich ja viel geändert!) Und nicht zuletzt wurden die ÖVP und die Freiheitli­chen damals abgewählt, weil sie genau in der Bildungspolitik, die den Leuten in unse­rem Land zu Recht besonders wichtig ist, nichts weitergebracht haben. (Abg. Neubau­er: Die SPÖ sollte sich um ihren eigenen Kram kümmern, da gäbe es genug zu tun!)

Ich verstehe die Motivation der grünen Fraktion, teile aber nicht deren Schlussfolge­rung, weil ich der festen Überzeugung bin, dass – die Frau Bundesministerin hat es auf­gezählt – bereits viele Studien, Analysen, Schlussfolgerungen, Ratschläge vorliegen. (Abg. Peter Wurm... 30 Prozent Analphabeten, das ist eine Schande! Eine Schande ist das! 30 Prozent Analphabeten dank der roten Bildungspolitik! – Abg. Neubauer: Wer in der Regierung sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!) Wenn man faktenbasiert Politik machen möchte, was leider häufig nicht der Fall ist, so fehlen, davon bin ich überzeugt, nicht die Studien, sondern es fehlt – wie jetzt auch die vielen Zwischenrufe beweisen – der politische Wille. (Abg. Neubauer: Eine Million Menschen unter der Armutsgren­ze! – Abg. Peter Wurm: Da wäre ein bisschen Selbstkritik angebracht!) Daher, fürchte ich, werden wir mit dem Vorschlag der grünen Fraktion diese Blockade, diesen fehlen­den politischen Willen, nicht durchbrechen können.

Es wird also nur nutzen – es stehen Wahlen bevor –, dass diejenigen, die wollen, dass die Chancen für die Kinder in dem Land verbessert werden, bei den Wahlen diejenigen politischen Kräfte stützen, wählen und stärken, die im Bildungssystem konstruktiv et­was für unsere Kinder weiterentwickeln wollen. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren, worum geht es denn, wenn wir das Bildungssystem weiterentwickeln wollen? – Wir wollen, dass die Schule weiterhin Schritt für Schritt nach dem Grundgedanken, dass die Kinder im Mittelpunkt stehen, verbessert wird. Wir wollen weitere Schritte gehen, sodass – Fernziel, es ist noch nicht so weit, es ist noch nicht bei allen Kindern so weit – die Kinder gerne in die Schule gehen. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) Wir wollen eine Schule, die dazu beiträgt, die Talente der Kinder zu fördern, und zwar aller Kinder. (Abg. Rädler: Warum haben Sie das dann nicht getan?) Wir wollen kein Kind auf der Strecke bleiben lassen. (Abg. Hauser: Das ist doch nor­mal!) – Das ist nicht normal, dazu brauchen wir noch viele Schritte. Das sollte normal sein, Herr Kollege, da bin ich auf Ihrer Seite. Wir wissen aber, nicht zuletzt auch aus den Befunden der OECD, die auf dem Tisch liegen, dass gerade in Österreich die Ver-


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erbung von Bildungschancen ein ganz, ganz wichtiges Thema ist, das wir in den nächs­ten Jahren mit weiteren Schritten angehen müssen.

Wir haben das jetzt vor wenigen Wochen mit dem Autonomiepaket begonnen, indem wir entsprechenden Freiraum, der wichtig ist, schaffen. Wir wollen die Ganztagsschule. Die entsprechenden finanziellen Mittel, um die Ganztagsschule zu fördern, sind auch schon auf den Weg gebracht worden. Die Ganztagsschule ist ganz wichtig, um die Kin­der entsprechend zu unterstützen. Auch Modellregionen wurden auf den Weg gebracht.

Wir müssen in den nächsten Jahren beim Kindergarten, schon vor der Schule anset­zen. Wir wollen unbedingt noch schaffen, dass den Kindern nicht nur ein Jahr, sondern ein zweites Jahr gratis zur Verfügung steht. Das ist eine wichtige Förderung in dieser frühkindlichen Phase. Dieses Jahr soll allen Kindern, nicht nur den Kindern, bei denen Sprachdefizite festgestellt werden – die übrigens nicht immer nur Migrationshintergrund haben –, zur Verfügung stehen. Das ist wichtig für die Kinder. Alle Kinder sollen geför­dert werden.

Wir wollen mehr Lehrer, und diese Lehrer wollen wir auch durch die Nutzung der Ak­tion 20 000 unterstützen und sie ein bisschen von administrativen Tätigkeiten entlas­ten, damit sie sich mehr den Kindern widmen können. Es wäre viel mehr zu sagen, die Zeit ist kurz; ganz wichtig ist es aber, die politischen Kräfte zu stärken, die in den nächs­ten Jahren den Kindern stärker Chancen vermitteln wollen. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Peter Wurm: ... die jetzt alles versemmelt haben!)

14.29


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Töchter­le. – Bitte schön, Herr Abgeordneter. (Abg. Weninger: Ich habe mir gedacht, Kollege Rädler ist jetzt dran, weil der redet ...!)

 


14.29.53

Abgeordneter Dr. Karlheinz Töchterle (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Mitglieder der Regierung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zwei kurze Repliken, bevor ich in meine Argumentation eintrete.

Frau Kuntzl, in der schwarz-blauen Koalition ist immerhin in Sachen Bildung zum Bei­spiel das UG 2002 beschlossen worden, das die Universitäten einen gewaltigen Schritt vorwärts gebracht hat und das international ein Vorbild für Universitätsreformen in an­deren Ländern war. Also so schlecht war es da um die Bildung auch nicht bestellt. (Bei­fall bei der ÖVP.)

Die zweite Replik geht an Kollegen Walser, der sich ja zum Korrektor von Texten an­derer Parteien aufschwingt. Da möchte ich einfach fragen, was er meint – ich könnte ein paar Fälle aus seinem Text zitieren, aber ich will es nur für einen wissen –, wenn auf Seite 5 im drittletzten Absatz von einem Bildungsstandrad die Rede ist. Ist das ein neues Fitnessgerät, oder was ist das? Also ich kenne das Wort schlicht nicht. (Abg. Rädler: Das ist ein Wortbewegungsmittel!)

Jetzt aber zu ernsteren Dingen: Herr Kollege Steinhauser, Sie haben beklagt, dass un­ser Fächerkanon 100 Jahre alt sei. Er ist nicht 100 Jahre alt, sondern in seinen Grund­zügen zweieinhalbtausend Jahre alt, weil er nämlich wie jeder Fächerkanon, wie jede Schule natürlich ein Ergebnis der Interferenz zwischen Schule und Gesellschaft ist. Die stärkste Interferenz in unserer Bildung hat zuerst die platonische Philosophie und dann deren christliche Rezeption gezeitigt. Durch diese starken geistigen Bewegungen hat es in unserem ganzen Bildungssystem eine sehr eindeutige Hierarchie gegeben, die es bis heute gibt, nämlich eine Aufwertung geistiger Tätigkeiten und eine Abwertung kör­perlicher Tätigkeiten. Für Platon und die Christen ist Geist gut und Körper schlecht – ich verkürze natürlich –, und deshalb sind geistige Arbeiten edel und körperliche schlecht.


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Das prägt bis heute unsere Schule und führt dazu, dass in unserer Schule ein intel­lektueller Überhang da ist und viele andere Talente und Fähigkeiten, die die Kinder mit­bringen und die die Gesellschaft auch nachfragt, nicht oder kaum beachtet werden. Das sind künstlerische Fähigkeiten, kreative, mimetische Fähigkeiten – wie zum Bei­spiel die schauspielerischen Talente, die in unserer Gesellschaft sehr geschätzt sind –, es sind aber auch handwerkliche, es sind soziale, es sind sportliche Talente. All das spielt dort wenig Rolle, deswegen fragt die Schule nur ein kleines Segment ab und för­dert und beachtet die Talente in diesem kleinen Segment.

Letztlich ist dieser Dualismus auch der Grund dafür beziehungsweise mit ein Grund dafür, dass die OECD nach wie vor Bildung so bewertet, dass der Höhepunkt und der Gipfel dieser Bildung das Absolvieren einer Universität ist, also sozusagen eine geis­tige Bildung und nicht etwa eine gelungene Berufsausbildung. Diese Ungleichbewer­tung zweier Bildungsverläufe schlägt sich auch ganz stark in diesem Dringlichen An­trag nieder, in dem wieder darüber geklagt wird, dass es so schrecklich ist, wenn man sozusagen die Universität nicht erreicht. (Abg. Moser: Das ist einerseits Ausbildung, andererseits Bildung!) Das ist eine massive Abwertung und eine Beleidigung von Hun­derttausenden Menschen in Österreich, die nicht durch die Universität gegangen sind, die aber genauso ein gelingendes, sehr erfolgreiches, berufliches Leben führen. (Bei­fall bei der ÖVP. – Abg. Walser: Das ist eine Beleidigung für alle intelligenten Men­schen, was hier erzählt wird!)

Ich komme aus einer Gegend, in der es viel Industrie gibt, in der es ganz viele Men­schen gibt, die keine akademische Ausbildung haben, die unglaublich erfolgreich sind, die klug sind, die auch ökonomisch viel besser gestellt sind, als das zunehmende Pre­kariat an Universitäten. Ich verwehre mich dagegen, dass man all diese Menschen so­zusagen als Halbgescheiterte hinstellt, weil das gelingende Leben nur eines ist, das zur Matura und dann zur Universität führt. Das ist eine ganz falsche Bewertung, das ist auch sachlich falsch. (Beifall bei der ÖVP.)

Es ist ja nicht so, dass einem, wenn man nicht ins Gymnasium kommt, alle weiteren „Bildungskarrieren“ – unter Anführungszeichen – abgeschnitten werden. Im Gegenteil: Weniger als 30 Prozent unserer Maturanten kommen aus der Langform der AHS. Das heißt, es gibt eine Fülle von Möglichkeiten dann noch zur Matura und damit zu einem Studium zu kommen – aber es muss nicht sein. Es gibt daneben Berufsverläufe, die genauso wichtig und wertvoll sind. Die OECD selber ist diesbezüglich lernfähig, sie ist also keineswegs tauglich als sozusagen alleingültige Instanz in solchen Fragen. Sie hat inzwischen aufgrund der letzten Krise gesehen, dass die Jugendarbeitslosigkeit ge­rade in Österreich, Deutschland und der Schweiz, wo es am ehesten diese Berufs­bildungsschiene neben der Universität gibt, weitaus niedriger ist als in Ländern mit ho­her Akademisierung, und zwar auch in Ländern, die sonst wirtschaftlich sehr erfolg­reich sind, wie etwa Schweden oder Finnland.

Es findet also auch in der OECD ein Umdenken statt. Wir müssen uns endlich darauf besinnen, dass wir viele Bildungsverläufe haben, die genauso wertvoll sind, wie jene über Matura und Universität. Wir müssen aufhören, uns so einseitig bewertend zu ver­halten. Wir müssen allen Kindern die Chancen geben, die sich bieten, die ihren Fähig­keiten entsprechen. Solche Chancen sind eben sehr häufig nicht in diesem engen In­tellektuellenpfad vorhanden, sondern zum Beispiel in anderen kreativen, handwerkli­chen oder sonstigen Bereichen. Diese Vielfalt des Bildungssystems, zu der wir stehen und in der auch das Gymnasium einen Platz haben muss, weil es eine etablierte, be­währte und nachgefragte, hochgeschätzte Schulform ist, gilt es zu erhalten, auszubau­en und auch wertzuschätzen und nicht diese Einseitigkeit, die aus diesem Dringlichen Antrag hervorgeht; dann sind wir gut aufgestellt, um weiterhin ein Land zu sein, in dem man auf alle möglichen Weisen zu einem gelingenden Leben kommen kann.


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Auch für mich ist es die letzte Rede hier. Die Lampe leuchtet leider schon rot, deswe­gen möchte ich nur zwei kurze Sätze zum Abschied sagen. Einerseits möchte ich ei­nen Dank aussprechen an die vielen, die mich in meiner Arbeit hier unterstützt haben, an viele Kollegen auch aus anderen Fraktionen, mit denen ich sehr gedeihlichen Aus­tausch pflegen durfte – das ist das Positive.

Ich ende mit einer Sorge: Ich habe den Parlamentarismus in diesen vier Jahren, in de­nen ich jetzt hier war, als sehr unbefriedigend empfunden. Wir tun sehr viele Dinge, die völlig inhaltsleer sind, mit denen wir nur Rituale vollziehen, wobei wir nur da sind, um Dinge abzustimmen, die längst entschieden sind. Ich sehe eine deutliche Schwäche des Parlaments zugunsten der Exekutive. Deswegen verstehe ich die Appelle unseres Fi­nanzministers heute auch sehr gut und kann sie sehr gut teilen.

Wenn wir ein wirklich starkes und verantwortungsvolles Parlament wären, dann bräuchte es solche Appelle nicht. Das sind wir nicht. Ich mache mir um unseren Parlamentaris­mus Sorgen. Ich appelliere an die jungen und künftigen Parlamentarier, hier Reformen anzustreben. Die können beim Kleinen beginnen, zum Beispiel damit, dass ein Präsi­dent irgendwann auch einmal sagt: Bitte, zur Sache reden! – Das ist etwas, was bei uns nie passiert. Sie müssen bei Großem enden, indem dem Parlament mehr Macht und mehr Einfluss zukommt. Das wird zugegebenermaßen ein sehr schwieriges Unter­fangen sein, denn wer Macht will, muss sie einem anderen nehmen, und niemand lässt sich die gern nehmen. – Vielen Dank und alles Gute! (Beifall bei der ÖVP, bei Abge­ordneten der NEOS sowie des Abg. Mayer.)

14.37


Präsident Ing. Norbert Hofer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter, vielen Dank für Ihre Arbeit im Hohen Haus. Ich wünsche Ihnen für Ihre persönliche Zukunft das Beste. – Al­les Gute!

Zu Wort gemeldet ist nun Herr Mag. Hauser. – Bitte schön.

 


14.37.59

Abgeordneter Mag. Gerald Hauser (FPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Unterrichtsministerin! Hohes Haus! Ich habe es als unglaublich mutig empfunden, dass sich Kollegin Kuntzl hierhergestellt und kritisiert hat, was eine mögliche zukünftige Re­gierung alles schlecht machen wird, obwohl die SPÖ in dieser Legislaturperiode den Bildungsminister beziehungsweise die Unterrichtsministerin in einer Koalition mit der ÖVP gestellt hat und wir in Wirklichkeit vor einem bildungspolitischen Desaster stehen; das ist das Unglaubliche. (Beifall bei der FPÖ.)

Zur Information für die Zuseher, die wir noch nicht vom Bildschirm vertrieben haben: Der Bund investiert derzeit 8,6 Milliarden € ins Bildungssystem, dazu investieren die Länder und die Gemeinden weiteres Geld ins Bildungssystem – in Summe sind das 15 Milliarden € pro Jahr. Das ist eine unglaubliche Summe. Wenn man sich aber an­schaut, was da unterm Strich herauskommt, ist das wirklich sehr, sehr bedauerlich. Ein Drittel unserer Schüler kann nicht lesen, schreiben, rechnen – ein Drittel! Die Pisa-Er­gebnisse sind desaströs. Im Bereich Naturwissenschaften erreichen wir von 38 OECD-Staaten den 20. Platz, beim Lesen den 25. von 38 Ländern; und in Mathematik sind wir mit Platz 15 gerade im Mittelfeld. Das Ergebnis ist ein Desaster. Das haben Sie – nicht als Person, Sie sind erst zu kurz da –, das hat die SPÖ als Fraktion in Koalition mit der ÖVP aufgrund vieler falscher Entscheidungen zu verantworten. (Beifall bei der FPÖ.)

Wir brauchen keine weitere OECD-Studie. Wir haben viele Studien, und wir haben vor allem auch einen Rechnungshof, der vieles aufzeigt. Was ist in den letzten Jahren alles aufgezeigt worden? Was ist falsch gelaufen? Sie haben, also die SPÖ mit der ÖVP, versucht, Schulformen abzuschaffen, die gut funktionieren. Die gymnasiale Unterstufe haben Sie, geschätzte Damen und Herren von der ÖVP, in Misskredit gebracht. Ihr


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wart dabei, die gymnasiale Unterstufe und damit das differenzierte Schulsystem infrage zu stellen, obwohl der Rechnungshof festgestellt hat, dass die Kosten pro Schüler und Jahr in der AHS-Unterstufe etwa 4 700 € betragen.

Zum Vergleich: In der Hauptschule betragen diese Kosten pro Schüler und Jahr 6 700 € und in der vielgelobten, leider fehlgeschlagenen Neuen Mittelschule 7 200 €. Das heißt, das Modell, das Sie jetzt mit Vehemenz durchgetragen haben, auch mit Unterstützung der ÖVP und selbstverständlich auch der Grünen, ist nicht nur das teuerste, sondern auch das ineffizienteste Schulsystem überhaupt. Das haben Sie zu verantworten. (Bei­fall bei der FPÖ.)

Hätte nicht die Freiheitliche Partei Widerstand geleistet, hätten Sie auch noch die Son­derschulen abgeschafft, eine unglaublich wichtige Bildungseinrichtung. Auch da hat die ÖVP massiv geschwächelt. Es ist im Wesentlichen nur der Freiheitlichen Partei zu ver­danken, dass es die Sonderschulen auch weiterhin geben wird. (Beifall bei der FPÖ.)

Es ist weiters beängstigend, dass die Nachhilfekosten, obwohl 15 Milliarden € in das System Schule hineinfließen, jährlich explodieren. Das heißt, die Eltern müssen zusätz­lich Geld in die Hand nehmen, damit sie ihre Kinder durch die Schule durchbringen. Das ist ein Desaster!

Das Nächste, und das zeigt das Scheitern Ihres Systems auf: Diese Woche hat der Philosoph Liessmann in einem Interview, das er der „Kleinen Zeitung“ gegeben hat (ei­ne Ausgabe der von ihm genannten Zeitung in die Höhe haltend), Folgendes festge­stellt: „Wenn politisch Verantwortliche die Gesamtschule propagieren, ihre eigenen Kin­der jedoch in die katholische Privatschule schicken, weiß man, was los ist.“ – Das soll­te Ihnen zu denken geben! (Beifall bei der FPÖ.) Das ist ein anerkannter österreichi­scher Philosoph, nicht aus unserem Eck stammend. (Zwischenruf des Abg. Mayer.) Er sagt Ihnen das, was wir Ihnen schon mehrmals gesagt haben. Sie predigen Wasser und trinken Wein! Das ist das Unglaubliche, das Sie sich da leisten! (Beifall bei der FPÖ.)

Über die mangelnden Deutschkenntnisse vieler Schüler bei deren Einschulung hat schon mein Vorredner, Kollege Wendelin Mölzer, gesprochen. Sie haben sich beharrlich ge­weigert, es anzuerkennen, dass ein Unterricht ohne Deutschkenntnisse nicht möglich ist. Da braucht man kein Wissenschaftler zu sein. Wie soll einem Kind, das nicht Deutsch kann, Fachwissen beigebracht werden? – Das kann nicht funktionieren. Sie haben je­den diesbezüglichen Antrag der Freiheitlichen Partei abgelehnt, mit dem wir gefordert haben, dass vor Schuleintritt Deutschkenntnisse vorhanden sein müssen. Das wurde von der ÖVP und auch von der SPÖ abgelehnt. Das hat das Desaster an den Schulen weiter verschärft. (Beifall bei der FPÖ.)

Weiters: Obwohl so viel Geld in die Schulen hineinfließt, obwohl so viele Stunden zu­sätzlichen Unterrichts bezahlt werden müssen, ist es zu einer totalen Überforderung der Schüler und infolge auch der Eltern gekommen. Wieso? – Es wird so viel verlangt, es wird immer mehr unterrichtet. Der bereits angesprochene Philosoph Liessmann hat in diesem Interview auch festgestellt, dass unsere Schüler viel lernen, aber wenig wis­sen. – So ist die Sache auf den Punkt zu bringen. Sie werden von Informationen über­flutet.

Es wäre doch – und darauf habe ich vielfach, in vielen Reden hingewiesen – höchst an der Zeit, dass Sie hergehen und die Lehrpläne entrümpeln, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Weniger ist mehr! (Zwischenruf der Abg. Heinisch-Hosek.) Damit wird der Stress der Schüler geringer, die Schüler müssten dann weniger lang im Unterricht sitzen und könnten auch in der Schule lernen. In der Schule muss gelernt werden, nicht zu Hause und nicht mithilfe von Stunden zusätzlichen Unterrichts, die bezahlt werden müssen.


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Unterm Strich halten wir fest, dass es unglaublich viele Reformen für die Schule und damit für unsere Kinder benötigt, damit die Schule das wird, was heute übereinstim­mend jeder gefordert hat: eine menschliche Schule, eine Schule mit Herz. – Ich danke. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Neubauer: Großartige Rede!)

14.45


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Gamon. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


14.45.19

Abgeordnete Claudia Angela Gamon, MSc (WU) (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es sehr schön, dass es in dieser Son­dersitzung auch um das Thema Fakten im Bildungsbereich geht. Ich glaube, das ist einer der Bereiche in der Politik, bei denen sehr viele Menschen zu Hause vor dem Fern­sehgeräten sitzen und das Gerät wahrscheinlich an jedem Abend am liebsten an­schreien würden, weil sie sich denken: Wenn alle Experten sich einig sind, wenn alle sagen, das und das muss gemacht werden, warum tut ihr es nicht einfach? Was hin­dert euch daran? Warum wollt ihr die wichtigen Reformen nicht weiterführen? Die Hal­tung der FPÖ in diesem Bereich kann man wirklich bloß als postfaktisch bezeichnen, denn dass man sich konsequent gegen alle Expertenmeinungen stellt (Abg. Walter Ro­senkranz: Nicht alle, weil es eben nicht alle sind! Legen Sie Ihre Scheuklappen ab!), ist natürlich ein Wert der FPÖ.

Ein paar Fakten zum Thema Elementarpädagogik sollten hier jetzt auch noch gesagt werden, denn wir wissen, dass das jener Bereich des Lebens ist, nämlich der Beginn, in dem schon für die kleinen Kinder der Lebenslauf vorgeschrieben wird. Wenn man keine Chancen im Bereich der Elementarpädagogik hat, wenn man die Chancen nicht schon im Kindergarten mitbekommt, wird man sie das ganze Leben vielleicht nicht mehr einholen können. Das ist Zukunftsraub, das ist Chancenraub, da werden ganze Le­bensläufe vorbestimmt. Da gibt man den Kindern kaum mehr die Möglichkeit, das selbst in die Hand zu nehmen und zu ändern.

Da gibt es schon Fakten, die wir kennen. Wir wissen, dass wir im OECD-Vergleich ei­nen relativ geringen Anteil unseres BIPs für den Kindergarten ausgeben, ganz im Ge­gensatz zu Ländern, die das sehr gut geregelt haben, wie Schweden zum Beispiel. Wir wissen auch: Je länger ein Kindergarten oder eine elementarpädagogische Einrichtung besucht wird, desto geringer ist das Risiko, dass ein Schüler Risikoschüler in Mathe­matik wird, sogar unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund. Wir wissen auch, dass sich Investitionen in diesem Bereich ganz besonders rentieren und wir da einfach nachlässig sind, was zum Beispiel die Gruppengröße betrifft und die Anzahl der Schließ­tage in den Einrichtungen. Wer hat da in den letzten paar Jahren meistens blockiert? – Das war auffallend oft die ÖVP, weil diese Thematik ja doch auch in einem ÖVP-Minis­terium angesiedelt war, sodass sich da relativ wenig getan hat.

Es gibt eine ganz traurige Geschichte der leeren Bekenntnisse in dieser Gesetzgebungs­periode, was dieses Thema betrifft, vor allem was einen einheitlichen Bildungsrahmen­plan, Qualitätsrahmen für Kindergärten betrifft. Ich kann Ihnen das gerne vorzeigen. Die traurige Geschichte beginnt schon vor der letzten Wahl, nämlich im Juli 2011, mit der Strategie zum lebensbegleitenden Lernen, damals unterschrieben von Claudia Schmied, Karlheinz Töchterle, Rudolf Hundstorfer und Reinhold Mitterlehner. Da gab es relativ konkrete Ziele, zehn Aktionslinien – so weit, so gut.

Als erstes Ziel, sehr prominent, eine Benchmark: „Verabschiedung eines Bundesrah­mengesetzes für Kindergärten zur Sicherstellung qualitativer Mindeststandards bei der frühen Förderung bis 2014“. Nun haben wir dieses Jahr schon weit überschritten, wo­bei man sich damals sogar relativ großzügig drei Jahre Zeit gegeben hat, das zu er-


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reichen; es hat aber offensichtlich nicht gereicht. Es scheint sehr komplex zu sein, dass es einheitliche Qualitätsstandards für Kindergärten in ganz Österreich geben sollte. Je­denfalls haben wir diese einheitlichen Qualitätsstandards noch immer nicht, das ist Ih­nen sicher schon aufgefallen.

Wieder zwei Jahre später wird im „Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregie­rung 2013–2018“ folgendes Ziel definiert: „Qualitätsvolle Kinderbetreuung und elemen­tare Bildung“, nämlich mit der konkreten Forderung: „Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016“. – Es wird Ihnen wieder auffallen: Das ist schon vorbei. Sie werden nicht überrascht sein, das gibt es noch immer nicht. Zwischenzeitlich gab es im November 2015 dann einen Vortrag an den Ministerrat, in dem die bekanntlich „fast geile“ Bildungsreform vorgestellt worden ist, erarbeitet von einer Kommission, die aus Ministern bestanden hat, wobei natürlich von Länderseite Landeshauptmann eins, Lan­deshauptmann zwei, Landeshauptmann drei, Landeshauptmann vier daran beteiligt wa­ren, die dabei natürlich immer nur das Interesse der Kinder in den Vordergrund gestellt haben. Ich meine, da müssen wir jetzt nicht unterstellen, dass das vielleicht nicht im­mer vorderste Priorität hatte.

Jedenfalls ist da nichts herausgekommen, nichts ist passiert. Auch da wurde nämlich ein Schwerpunkt auf Elementarpädagogik gelegt. Da hat man ganz viele sehr sinnvolle Forderungen dabei gehabt, unter anderem eben auch die „Entwicklung eines verbindli­chen bundesweit einheitlichen Qualitätsrahmens in Abstimmung mit den Ländern bis Ende 2016“. – Ja, es wird Ihnen schon wieder aufgefallen sein: Das Jahr 2016 ist schon vorbei, und das ist noch immer nicht da.

2017 – und ich weiß, das fadisiert Sie jetzt vielleicht, aber es ist doch interessant, sich einmal anzuschauen, was hier immer erzählt wird und was nicht gemacht worden ist – lesen wir im Arbeitsprogramm, das sich die Regierung gegeben hat, schon wieder: „Die Elementarpädagogik soll weiter gestärkt [...] werden“, und es soll unter anderem „ein bundesweit einheitlicher Bildungsrahmenplan mit pädagogischen Qualitätskriterien [...] umgesetzt werden.“ – Das ist noch immer nicht passiert.

Über die Jahre hat es immer Lippenbekenntnisse gegeben. Man hat sich das festge­schrieben, weil sich alle einig sind: Es ist so wichtig! Es ist so wichtig, wir können doch nicht einfach auf die Chancen unserer Kinder verzichten! Wenn es aber so wichtig ist, dann muss einem doch die Tragik bewusst sein, was ein Jahr mehr, in dem man nichts gemacht hat, bedeutet: Das ist wieder ein Jahr, in dem Kinder eingeschult werden, die schon vollkommen chancenlos starten, die nie eine Chance hatten, wirklich Erfolg im Leben zu haben, aus ihren Ambitionen etwas zu machen, ihre Ziele im Leben zu errei­chen. – Das ist einfach nur tragisch.

Was liest man jetzt in den Wahlprogrammen von Sebastian Kurz? – Unsere Maßnah­men: „Einheitliche Qualitätsstandards für Elementarpädagogik bundesweit“. – Man weiß eigentlich gar nicht mehr, ob man lachen oder heulen soll. Was soll das? Was soll das wirklich? Im Plan A der SPÖ steht: „ein klarer bundesweiter Qualitätsrahmen, der vor­gibt, welche Aufgaben Kindergärten zur Förderung der Kinder zu erfüllen haben, ist über­fällig“. – Ich stimme zu, es ist längst überfällig, und es ist entsetzlich, dass wir immer noch hier herinnen sitzen und in dieser Legislaturperiode nichts passiert ist.

Ich gebe Ihnen aber heute eine Möglichkeit dazu – wir sind ja so nett, NEOS, die Ser­vicepartei –, und bringe folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Claudia Angela Gamon, MSc (WU), Kolleginnen und Kollegen be­treffend Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens für elementare Bildungsein­richtungen


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Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass das Ziel ‚Quali­tätsvolle Kinderbetreuung und elementare Bildung aus ihrem eigenen Arbeitspro­gramm – trotz teilweise bereits abgelaufener Fristen – umgesetzt wird. Dazu soll die Frist für die Maßnahme ‚Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016‘ auf das Jahr 2018 verlängert werden.“

*****

Sie haben die einzigartige Chance, noch vor dieser Wahl etwas einzuhalten, das Sie immer wieder versprechen. Da geht es um die Kleinsten in unserem Land, darum, dass sie wirklich die Chance haben, aus ihrem Leben etwas zu machen.

Ich werde jetzt im Wahlkampf relativ oft vor allem von jungen Menschen gefragt: Was kann ich denn tun? Ich finde das Thema so wahnsinnig wichtig, was kann ich tun? – Ich kann euch allen, die zuschauen, eine tolle Organisation empfehlen, Sindbad, die Mentoringprogramme organisiert, in deren Rahmen Leute im Alter von 20 bis 30, wie ich zum Beispiel, einen Mentee bekommen und diesen im Leben begleiten können.

Da geht es darum, zu schauen: Hey, was wäre interessant für dich?, darum, ein biss­chen am Selbstbewusstsein zu arbeiten und zu zeigen: Du bist ein Wahnsinn, du hast wahnsinnig viele Talente, du bist ein einzigartiger Mensch, und ich möchte mit dir ge­meinsam daran arbeiten, dass du deine Ambitionen wirklich mit Leben erfüllen kannst! Bis nächste Woche kann man sich da noch bewerben. Ich kann wirklich nur jedem emp­fehlen, das zu machen.

An meine Mentee: Liebe Angelina, ich find dich ganz großartig, und ich weiß, dass du etwas Tolles aus deinem Leben machen wirst! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Strolz: Bravo!)

14.53


Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht daher mit in Verhandlung.

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Claudia Gamon, Kollegin und Kollegen

betreffend Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens für elementare Bildungs­einrichtungen

eingebracht im Zuge der Debatte über den Dringlichen Antrag der Abgeordneten Dr. Ha­rald Walser, Kolleginnen und Kollegen

Im Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung 2013-2018 finden sich eini­ge wichtige und richtige Maßnahmen, die auch durch NEOS unterstützt und eingefor­dert werden. Aus dem Bereich Bildung betrifft das beispielsweise die Forderung nach einem einheitlichen Bundesrahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen. Dieses Ziel ist auch im aktuellen Arbeitsprogramm der Regierung 2017/18 ausgeschildert und findet sich ebenfalls in den Programmen der SPÖ und ÖVP.

Das Ziel: ‚Qualitätsvolle Kinderbetreuung und elementare Bildung’ wurde von der Bun­desregierung in ihrem Arbeitsprogramm 2013-2018 mit vier Schwerpunkten hinterlegt. Einer davon lautet: ‚Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016’. NEOS unterstützt dieses Anliegen, das auch insgesamt auf sehr breiten Konsens stößt. Linie


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statt Kompetenzwirrwarr muss das Motto sein! Dafür brauchen wir klare und öster­reichweit einheitliche Qualitätsstandards, die vom Bund zentral vorzugeben sind. Diese Standards müssen sich an den Bedürfnissen der verschiedenen Altersgruppen und nicht an finanziellen Erwägungen orientieren. (https://partei.neos.eu/klub/elementarpae­dagogik.pdf, S 10.)

Darüber wird nun seit Jahren gesprochen, eine Lösung ist aber auch nach dem Jahr 2016 weiterhin nicht in Sicht. Angebot und Qualität der Kinderbetreuung sind im­mer noch von Wohnsitz und Landesgrenzen abhängig. Die Regierung ist hier also säu­mig. Da zu diesem Ziel bereits ein gemeinsames Bekenntnis der Bundesregierung be­steht, soll für die Umsetzung dieses wichtigen Anliegens also lediglich die dahingehen­de Frist bis Ende 2018 ausgedehnt werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dafür Sorge zu tragen, dass das Ziel ‚Quali­tätsvolle Kinderbetreuung und elementare Bildung aus ihrem eigenen Arbeitspro­gramm – trotz teilweise bereits abgelaufener Fristen – umgesetzt wird. Dazu soll die Frist für die Maßnahme ‚Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrahmens bis 2016 auf das Jahr 2018 verlängert werden.“

*****

 


Präsident Ing. Norbert Hofer: Als Nächster gelangt Herr Abgeordneter Schmid zu Wort. – Bitte.

 


14.53.19

Abgeordneter Julian Schmid, BA (Grüne): Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebes Hohe Haus! Ja, wir haben die Bildungsreform be­schlossen, jetzt am Ende der Legislaturperiode ist sie endlich gekommen. Ich muss aber sagen, was ich nicht ganz verstehe – da sind wir, glaube ich, auf unterschiedli­chen Planeten, Frau Ministerin –, ist, dass Sie sich da herausstellen und sagen, dass al­les in der Bildungspolitik der letzten Jahre gut gelaufen ist, dass mit der Reform jetzt al­le Probleme gelöst sind und dass alles gut läuft. Das ist nicht richtig, auch wenn wir diese Reform gern unterstützt haben.

Ich bin jetzt oft bei Schuldiskussionen dabei, so wie viele hier herinnen, aber ich bin ganz besonders viel auf Schuldiskussionen quer durch ganz Österreich unterwegs und stelle mich den Fragen und den Anliegen der Schülerinnen und Schüler sowie in vielen Berufsschulen jenen von Lehrlingen. Die haben eine komplett andere Sicht auf das, was in den letzten Jahren auf Initiative der Bundesregierung passiert ist. Ich will das anhand von drei konkreten Beispielen festmachen: Beispiel Zentralmatura, Beispiel Poli­tische Bildung und Beispiel Lehre.

Bei der Zentralmatura ist so, dass die konkrete Umsetzung in den Schulen vor Ort oft eine Katastrophe war. Viele Schülerinnen und Schüler haben dadurch wirklich die Lust am Lernen verloren, vielen Schulen hat das wirklich große Probleme gemacht, und ich finde, Frau Ministerin, in dieser Frage wäre mehr Selbstkritik angebracht.

Wir Grüne haben in den letzten Jahren dazu laufend Vorschläge gemacht. Mein Kolle­ge Walser und ich wollten mehr Vorbereitungsstunden für die Zentralmatura, wir woll­ten die Anrechenbarkeit der Noten in der 8. Klasse, wir wollten Förderung im Problem-


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fach Mathematik. Das alles haben wir beantragt. Es ist aber von der Bundesregierung immer ignoriert worden, es ist über die Schülerinnen und Schüler einfach drübergefah­ren worden. Wir Grüne sind der Meinung, dass man Bildungspolitik nicht mit Drüber­fahren machen kann.

Der zweite Punkt ist die Politische Bildung. Das wird hier heraußen auch immer hoch­gelobt, auch bei den ganzen Schuldiskussionen sind irgendwie alle Parteien dafür. Ganz viele Schülerinnen und Schüler in Österreich wollen mehr Politische Bildung in der Schule. Was ist in den letzten Jahren passiert? – Wir Grüne haben die ganze Zeit Anträge mit der Forderung, dass Politische Bildung endlich wieder als Unterrichtsfach in der Schule eingeführt wird, gestellt, aber jeder einzelne Antrag von uns ist immer ver­tagt oder abgelehnt worden.

Als das Wahlalter auf 16 gesenkt wurde, ist uns versprochen worden, dass damit auch das Unterrichtsfach Politische Bildung in den Schulen eingeführt wird; das ist bis heute nicht passiert. Wir wollen wirklich in allen Schulen das Unterrichtsfach Politische Bil­dung, wir wollen das fördern. Wir wollen, dass es mündige Bürgerinnen und Bürger gibt, die nicht den Politikerinnen und Politikern alles glauben müssen, was sie im Wahlkampf sagen und dann nicht einhalten. (Beifall bei den Grünen.)

Eine Frage der politischen Bildung wäre zum Beispiel folgende: Es wird viel über Inte­grationspolitik diskutiert, viel wird über die Probleme diskutiert. Wer war eigentlich in den letzten sechs Jahren der zuständige Minister? – Das war Sebastian Kurz. Wir ha­ben als Grüne immer daran gearbeitet. Wir wollten die Ausbildungspflicht für junge Asyl­werberinnen und Asylwerber, wir wollten Deutschkurse für junge Asylwerberinnen und Asylwerber. Nichts davon ist passiert. Ohne die ganzen Zehntausenden Freiwilligen, die im Moment mithelfen, würde in dieser Frage viel weniger laufen, und das wäre dann wirklich eine Katastrophe.

Der vierte Punkt ist die Lehre. Ich habe im Sommer jetzt einige Schnupperlehren absol­viert. Fünfeinhalb Wochen war ich in unterschiedlichen Betrieben unterwegs, von der Werkstatt über Interspar bis hin zum Hotel und der Baustelle. Ich habe dort mit Lehr­lingen zusammengearbeitet und mir angeschaut, wie vor Ort die Praxis ausschaut. Et­was hat sich durchgezogen wie ein roter Faden: Viele Lehrlinge finden, dass hier im Par­lament und auch von großen Teilen der Öffentlichkeit die Lehre oft als etwas Zweitran­giges behandelt wird. – Ich finde, es braucht mehr Respekt für die Lehre.

Heute gibt es auch einen Antrag und die Möglichkeit für uns, Lehrlingen gegenüber un­seren Respekt auszudrücken. Er kommt von der SPÖ, wir Grüne unterstützen das. Im Antrag geht es darum, dass die Lehrlinge von den Internatskosten befreit werden sol­len.

Ich habe gerade gestern mit Moritz aus Salzburg geredet, der eine Lehre zum Gärtner macht, eine geringe Lehrlingsentschädigung hat und dazu noch zwei Monate im Jahr immer die Internatskosten tragen muss. Der Antrag bietet jetzt die Möglichkeit, Lehrlin­gen gegenüber Respekt auszudrücken. Sie verdienen sehr wenig und müssen die In­ternatskosten bezahlen.

Ich sage das ganz konkret in Richtung der FPÖ, die oft im Wahlkampf groß sagt, sie sei für die Lehrlinge da. Das wäre etwas ganz Konkretes, wobei wir heute den Respekt gegenüber den Lehrlingen in Österreich ausdrücken könnten. Ich bitte darum, dass Sie diesem Antrag zustimmen. Das wäre etwas ganz Konkretes für junge Menschen. (Bei­fall bei den Grünen. – Abg. Walter Rosenkranz: Also wenn wir so direkt aufgefordert werden, dann, glaube ich, tun wir’s lieber nicht!)

Wir Grüne wollen die Bildungswende, wir wollen in der Lehre Lehrlingscoachings und Erasmus+ für Lehrlinge ausweiten; wir wollen Mindestlehrlingsentschädigungen, die sich wirklich auszahlen. Das alles sind Programmpunkte von uns, die muss man nur


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umsetzen. Für uns ist es einfach wichtig, dass jeder Jugendliche in Österreich die Chan­ce auf eine Ausbildung, auf eine faire Ausbildung, auf echte Perspektiven hat und dass jeder Jugendliche wirklich alle Möglichkeiten, alle Chancen und alle Rechte hat, egal, welcher sozialen Herkunft er ist. Dafür setzen wir Grüne uns ein. Auch dafür wird am 15. Oktober jede Stimme notwendig sein. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

14.59


Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Kucharowits. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.

 


14.59.38

Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Liebe Kolleginnen und Kol­legen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Kollege Schmid, lieber Julian, Lehrlinge wer­den in der SPÖ ungemein wertgeschätzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb zum einen heute unser Antrag zur Abschaffung der Internatskosten. Ich bin wirklich gespannt, wer hier definitiv mitgeht, weil man dann im Konkreten sieht, wer sich für Gerechtigkeit für Lehrlinge einsetzt. (Beifall der Abg. Moser.)

Das Zweite ist: Auch die 700 €, die als Lehrlingsentschädigung ganz wesentlich wären, um die Wertschätzung gegenüber Lehrlingen zum Ausdruck zu bringen, sind eine For­derung, die von uns kommt und dringend Unterstützung von anderen benötigen würde.

Ganz kurz ein Wort zu dir, Julian. Wir haben gemeinschaftlich einen Antrag zur politi­schen Bildung eingebracht – ich möchte das an dieser Stelle schon erwähnen –, es wa­ren nicht ausschließlich die Grünen. Wir fordern das schon lange, zum Beispiel auch da­mals in Kombination mit der Geschichte Wählen ab 16. Ich möchte das einfach festhal­ten, weil du es vorhin nicht ausgeführt hast.

Den gemeinsamen Entschließungsantrag haben wir gemeinsam gestaltet und auch ge­meinsam beschlossen. Es gibt das Fach Politische Bildung nicht als Einzelfach, das ist völlig richtig, aber es gibt ein Modul; es gibt Schwerpunkte, die man setzen kann, und – ganz klar – wir wollen es auch ausbauen. Wir bleiben da dran und werden nicht lo­ckerlassen, aber wie bei so vielem in der Bildungspolitik bedarf es der Überzeugungs­arbeit von allen.

Wir brauchen auch nicht mehr Studien. Wir haben Studien auf dem Tisch liegen, mit denen wir – im Übrigen nicht erst seit heute – arbeiten, zu denen bereits Gesetze be­schlossen wurden, nämlich das Innovationsstiftung-Bildung-Gesetz, das ganz zentral ist, um zum Beispiel verschränkte ganztägige Schulen auf die Beine zu stellen.

Das tun wir nicht, weil wir es uns einbilden. Vielmehr belegen Studien, dass es für Kin­der und Jugendliche einfach wichtig ist, Bildung umfassend zu erfahren, Musik und Sport kennenzulernen, Freizeitmöglichkeiten zu haben und Hausaufgaben in der Schule zu erledigen, um auch den Stress zu Hause herauszunehmen und den Druck seitens der Eltern nicht mehr zu haben; aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, um ein gemein­sames warmes Mittagessen zu haben, denn – ganz offen gesprochen – wir können es uns vermutlich nicht vorstellen, aber es gibt Kinder und Jugendliche, die keine warme Mahlzeit am Tag haben.

Auch das wollen wir mit den verschränkten ganztägigen Schulen leisten. Es soll, so wie die Frau Ministerin gesagt hat, kostenfrei sein, denn das ist das wichtigste Element. (Ruf bei der FPÖ: Das ist gut! Mit echter Küche, bitte, mit gekochtem Essen!) In diesem Sinn braucht es freilich noch mehr.

Zum Schulautonomiepaket: Was ist mit dem Schulautonomiepaket gelungen? – Das ist die Modellregion einer gemeinsamen Schule. Ich halte das aus sozialdemokratischer


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Sicht für ganz zentral und hoffe, dass diese Modellregion in Bälde auf den Weg kommt. Warum? – Weil ich davon überzeugt bin, dass jene, die immer blockieren – und ich schaue ganz bewusst in die Richtung der FPÖ und der ÖVP –, auch einmal abbröckeln werden, wenn sie sehen, wie gut die gemeinsame Schule für die Kinder und Jugendli­chen im Hinblick – es ist heute schon oftmals gefallen – auf den Druck, der herausge­nommen wird, funktioniert. Man braucht sich mit neun, zehn Jahren nicht mehr zu ent­scheiden, ob man vermeintlich zu den Besseren oder vermeintlich zu den Schlechteren kommt. Das ist so etwas von überholt, und wir müssen endlich aufhören damit! Ich hoffe, dass die gemeinsame Schule – und das ist mit dem Schulautonomiepaket ge­lungen – wirklich flächendeckend Schule macht. Wir bleiben da dran, definitiv, und kämp­fen da auch weiter. (Zwischenrufe der Abgeordneten Amon und Pirklhuber sowie bei Abgeordneten der FPÖ.)

Vielleicht noch zur Pädagogik von Lehrerinnen und Lehrern: Ich halte es für ganz zen­tral – ich wollte selbst einmal Lehrerin werden –, freier und zielgerichtet auf die Schüle­rinnen und Schüler der jeweiligen Klassen gestalten zu können. Dies ist ebenfalls im Schulautonomiepaket drinnen.

Es muss doch, bitte, ein Miteinander und auch eine Feedback-Kultur geben, in der nicht die LehrerInnen auf die SchülerInnen herunterblicken, sondern ein Miteinander mög­lich ist, was durch eine Feedback-Kultur etabliert werden soll, sodass ein Miteinander, ein Lebensraum Schule entsteht. Das ist eine Vision, aber sie soll einfach endlich mit Leben gefüllt werden. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Vielleicht noch ganz kurz – mir läuft die Zeit davon: Ich halte den Chancenindex, der ebenfalls im Paket enthalten ist, für ganz zentral, um nicht mit der Gießkanne drüber­zufahren. In Summe – und ich sage das noch einmal in aller Vehemenz – muss das Ziel eine gemeinsame Schule für alle Kinder sein, und wenn ich alle Kinder sage, dann spreche ich auch von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache, mit Behinderung und vielem, vielem mehr. Bildung ist ein Kinderrecht, Bildung ist ein Menschenrecht, und wir sind KämpferInnen dafür, dass die beste Bildung für alle möglich ist, für alle Kinder und Jugendlichen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

15.04


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet hat sich Herr Abgeordneter Dr. Rosenkranz. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.04.31

Abgeordneter Dr. Walter Rosenkranz (FPÖ): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Frau Bun­desminister! Frau Staatssekretärin! Ich habe heute in der Ankündigung im Radio ge­hört, dass Herr Kollege Walser gemeint hat, er möchte – und darum geht es eigentlich bei diesem heutigen Dringlichen Antrag – die OECD einschalten, damit Österreich ein­mal überprüft wird. Das Ganze soll deswegen geschehen, um mit der Expertise dieser Institution die Debatte um die Bildung zu entideologisieren.

Eines ist hoffentlich allen klar: Wenn man in einem Staat davon spricht, das Schema links und rechts sei überholt, dann regieren dort schon die Linken. Diese Entideologi­sierung, die Sie durch die OECD haben wollen, ist doch nichts anderes als das, was wir schon in den letzten Jahren und Jahrzehnten erlebt haben, nämlich dass dort eine bildungspolitische Planwirtschaft einkehren soll, mit der wir nicht können. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Walser.)

Gerade das, was als Quotenwahn bezeichnet werden kann, ist doch das, was von der OECD speziell kommt. Jetzt haben wir gerade gehört: Die Lehre muss man aufwer­ten! – Natürlich sind es die Ansätze, lieber Kollege Schmid! Es ist nicht nur das Inter­nat, es geht auch um die Kosten für die Zugfahrt. Es geht um vieles anderes, aber da­zu komme ich später noch.


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Wer hat denn die ganze Zeit auf uns eingeredet, dass die Lehrlinge nichts sind, dass man ohne Matura kein glückliches Leben führen kann? – Das waren Sie alle von der lin­ken Seite dieses Hauses, die den Facharbeiter abgestempelt haben. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf des Abg. Walser.) – Jetzt schütteln Sie den Kopf. Nein, fahren Sie doch ab mit solchen Sachen, das glaubt Ihnen doch kein Mensch mehr!

Der Quotenwahn, das ist doch das, was bei Ihnen an allen Ecken und Enden raustrieft. (Anhaltende Zwischenrufe des Abg. Walser.) – Kollege Walser, Sie können sich viel­leicht noch ein zweites Mal zu Wort melden, doch ich weiß nicht, was die Geschäfts­ordnung und die kommende Wahl für Sie überhaupt noch hergeben werden.

Eines sage ich Ihnen auch – und es ist schon zitiert worden: dieses Wasser-Predigen und Wein-Trinken. Ja, für unsere Kinder die beste Bildung! Wie hat es denn Herr Bun­deskanzler Kern, die Nummer eins der Bundesliste der SPÖ, gelöst? – Katholische Pri­vatschule! Wie hat es denn die Nummer zwei der Bundesliste, Frau Ministerin Rendi-Wagner gelöst? – Theresianum! So stelle ich mir die Neue Mittelschule in Wien vor! (Oh-Rufe bei FPÖ und ÖVP. – Zwischenrufe bei Grünen und SPÖ.) Das ist dieses Was­ser-Predigen und Wein-Trinken. Nein, da spielen wir nicht mit!

Wir wissen eines leider Gottes ganz genau: dass sehr viele Eltern wissen – und da ge­hören offensichtlich auch die roten Spitzen dazu –, dass ein gutes Bildungssystem für ihre Kinder nur in einer Privatschule möglich sein wird, aber umgekehrt lassen Sie durch Ihr Ministerium alle hineinlaufen, sodass sie an dieser Bildung nicht teilhaben können. Das ist verwerflich. Wir stehen zu Privatschulen, und es sollen alle hingehen, die wol­len und die es sich leisten können. – Nur keine Neiddebatte! Wir wollen ein öffentliches Schulwesen in diesem Land haben, das seinen Namen auch verdient, wo alle Kinder ihre Chancen haben und nicht nur deswegen, weil sie Ministerkinder sind. (Beifall bei der FPÖ.)

Wenn man jetzt sieht, wie die vereinigte Linke bei den diversen Projekten hier durch­kommt, kann man sagen: Na gut, mit denen wird es aus unserer Sicht nicht gehen! Geht es aber mit der ÖVP besser? – Da haben wir doch jetzt den Shootingstar der Blau­pause. Was hat er gesagt? – Deutsch vor Regelunterricht.

Warum haben Sie als ÖVP – als schwarz-türkis gestreift, getupft, wie auch immer das ausschaut – genau bei diesen Anträgen, wie auch in anderen Bereichen, in denen es um Sicherheitsfragen, um Integrationsfragen geht – ob neu, alt, mittel oder zukünftig oder vergangen – nicht mitgestimmt, obwohl es Ihr großer Vorsitzender vollmundig verkün­det?

Ich sage Ihnen und vor allem den Österreicherinnen und Österreichern: Am 16. Okto­ber wird ein großes Erwachen eintreten, wenn Sebastian Kurz vor der Frage stehen wird, was er überhaupt darf; wenn nicht nur Frau Merkel, Herr Macron und Herr Jun­cker sagen, was in Österreich möglich sein darf, sondern auch die Landeshauptleute, die Kammern und die Bünde in den eigenen Reihen sagen werden: Lieber Basti, so geht es nicht, schau dir jetzt eine kleine gedemütigte SPÖ als Juniorpartner an, und wir machen munter so weiter! – Mit uns sicher nicht! Uns Freiheitlichen geht es um die Zu­kunft der Republik Österreich, und da spielen die Kinder, alle Kinder, eine ganz bedeu­tende Rolle. (Zwischenruf des Abg. Walser.)

Dazu ein Beispiel zur Frage der Lehrlingspolitik: Ein oberösterreichischer Unternehmer hat mir gesagt, er sei Baumeister und habe drei unbegleitete Minderjährige bei sich in einem Wohngebäude aufgenommen und ihnen gesagt: Ihr könnt bei mir die Lehre an­fangen. Darauf haben sie gefragt: Na, wie viel bekommen wir als Lehrlinge? Seine Ant­wort war: 550 €. Da haben sie gesagt: Wir sind ja nicht deppert, bei der Mindestsiche­rung kriegen wir 870 €, das brauchen wir gar nicht! (Zwischenrufe bei den Grünen.)


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Daran allein sehen Sie schon, wie falsch es sein wird. Da muss man diesen Menschen auch sagen, wie man es in Österreich durch Anständigkeit, Leistung, Anstrengung und Disziplin tatsächlich zu etwas bringen kann. Die Schule muss dafür unterstützend wir­ken. (Anhaltende Zwischenrufe bei SPÖ und Grünen.) Die Schule ist ein Bildungsins­titut und kein Sozialinstitut, so wie Sie es wollen, wo die Kinder nur verdummt und ver­dodelt werden. (Beifall bei der FPÖ.)

15.09


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Mag. Jar­mer. – Bitte, Frau Abgeordnete.

 


15.10.18

Abgeordnete Mag. Helene Jarmer (Grüne) (in Übersetzung durch eine Gebärden­sprachdolmetscherin): Sehr geehrte Frau Nationalratspräsidentin! Sehr geehrte Frau Mi­nisterin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Zum Thema Bildung: Ich wünsche mir eine Bildung für alle. Bildung, inklusive Bildung für behinderte Kinder, chronisch kranke Kinder, für Kinder, die durch Legasthenie eine Förderung brauchen, für alle Kinder.

Jedes Kind hat die beste Möglichkeit der Förderung verdient. In Wirklichkeit ist es aber so, dass viele behinderte Kinder maximal die Pflichtschule abschließen können. Die be­hinderten Kinder, die auch die Matura absolvieren können, sind nur so weit gekommen, weil sie von der Familie unterstützt wurden.

Ich bin ein Beispiel für diese Situation. Ohne meine Familie hätte ich es nie geschafft, die Matura zu machen. Meine Eltern waren beide gehörlos, aber zum Glück bin ich mit der Gebärdensprache zweisprachig aufgewachsen. Mein Vater hat ein Studium abge­schlossen. Das war wirklich ein Glück für mich, da ich wusste, wenn meine Eltern das schaffen konnten, kann ich es auch schaffen. Mein Vater ist immer in die Gehörlosen­schule gegangen und hat sich angeschaut, was die gehörlosen Kinder lernen. Dort war jeden Tag einfach das Gleiche zu wiederholen, und er wusste: Diese Schule will ich nicht für meine Tochter, und hat gesagt: Okay, Helene, du gehst in die Schwerhörigen­schule, obwohl ich völlig gehörlos war.

Ich bin dann durch das Lippenablesen relativ weit gekommen. Ich konnte keine Hör­übungen mitmachen – da hat man ein Blatt Papier vor den Mund halten müssen, und ich hätte abhören sollen, was die Leute sagen. Von den Lippen ablesen war nicht mög­lich, und so kam es, dass ich wieder zur Gehörlosenschule zurück sollte, weil ich ja ge­hörlos war. Mein Vater hat verhandelt, und es war dann möglich, dass ich in der Schwer­hörigenschule bleibe, unter der Bedingung, dass ich in den Zeugnissen nur Einser und Zweier habe. Mit einem Dreier hätte ich in die Gehörlosenschule zurück müssen.

Dies war möglich, weil meine Eltern wirklich bereit waren, viel Zeit zu investieren. Sie haben mir ohne Ende geholfen. Ich hatte keine Zeit zum Spielen, da wir am Nachmit­tag gemeinsam geübt haben, wofür ich ihnen im Nachhinein wirklich dankbar bin, denn ich bin die Einzige der Klasse, die Matura gemacht und auch studiert hat.

Es gibt drei konkrete Probleme, die ich ansprechen möchte. Es gibt die Regelschule auf der einen Seite und die sogenannte Sonderschule auf der anderen. Viele Eltern wissen nicht, dass in der Regelschule der normale Lehrplan unterrichtet wird und man dort ei­ne gute Förderung bekommt. In den sogenannten Sonderschulen aber wird nach dem Sonderschullehrplan unterrichtet, der – egal, ob für blinde Kinder, körperbehinderte Kin­der, gehörlose Kinder – Förderungen vorsieht, die sie teilweise völlig unterfordern.

Das zweite Problem besteht im Hinblick darauf, dass alle sagen: Wir treten für die Wahlfreiheit ein! In Österreich gibt es Wahlfreiheit für die Schule, und dennoch gibt es keine echte Wahlfreiheit. Meine Eltern hatten keine Wahlfreiheit in Bezug darauf, in welche Schule ich gehen konnte. Auch jetzt hat sich die Situation für behinderte Kinder


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nicht wirklich verbessert. Wenn zum Beispiel ein Kind, das eine leichte Entwicklungs­verzögerung hat, auf dem Land in die Schule gehen will, heißt es: Wir haben keine Res­sourcen, wir können das nicht machen, sie müssen ihr Kind dort und dort in die Schule schicken!

Ein anderes Beispiel: Ein Kind hat es gut geschafft, in der Schule mitzukommen, aber es gab keine Betreuung am Nachmittag. Über lange Zeit hinweg war das jedoch nicht zu überbrücken, und das Kind musste in eine Sonderschule, in der auch eine Nachmit­tagsbetreuung stattfand. Deswegen: Wahlfreiheit gibt es nicht wirklich!

Es ist natürlich auch ein budgetäres Thema. Unser Parallelsystem kostet irrsinnig viel Geld, das heißt, beide Schulsysteme zu finanzieren ist nicht machbar. Es geht einfach nicht, dass wir dranbleiben und so weiterarbeiten, denn wir verbraten viel Geld mit die­sem doppelgleisigen Parallelsystem.

Es könnte anders laufen. Vielen ist das nicht bewusst, aber in der Zeit, in der ich jetzt im Parlament bin, hat sich leider im Unterrichtssystem der Kinder nicht viel verändert. Es gibt auch keine Studien über behinderte Kinder. Man bräuchte viel genauere Studien, die aufzeigen, was die Kinder in den unterschiedlichen Gruppierungen fördert, was man ihnen anbieten kann.

Ich finde, jedes Kind hat das Recht auf die optimale Förderung, sie darf nicht von der Familie abhängig sein. Jedes Kind sollte den bestmöglichen Lehrplan erhalten und die Fördermaßnahmen, die es dazu braucht. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.15


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mayer. – Bitte, Herr Abgeordneter.

 


15.15.44

Abgeordneter Elmar Mayer (SPÖ): Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Frau Staatssekre­tärin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, für zehn Tage vor einer richtungsweisenden Wahl ist es doch eine anständige Diskussion zum Thema Bildungs­politik geworden, die in Summe, wenn man es herunterbrechen würde und jeder guten Willens wäre, mehr Gemeinsamkeiten aufweist, als man nach außen hin gerne zugibt.

Ich freue mich und denke, jeder formuliert es anders. Harald Walser und ich haben uns schon darüber gestritten, wer als Erster gesagt hat: Unser Motto soll sein: Kein Kind soll auf der Strecke bleiben! Kollege Strolz sagt: Den Kindern Flügel verleihen, wir müs­sen sie abheben lassen.

Mich hat gefreut, dass ich vom neuen Bildungssprecher der Freiheitlichen Folgendes ge­lesen habe, ich darf zitieren: „Die FPÖ ist und war immer dafür, dass in Österreich je­der Schüler, egal aus welchen sozialen Verhältnissen er stammt, dieselben Möglichkei­ten und Chancen bei der Schulausbildung haben muss.“ – Das unterstreicht wohl je­der, das unterstreichen wir auch.

Nur: Was mir fehlt – und das bitte ich euch, dann zu tun; und es scheint so zu kom­men, dass die FPÖ in die Regierungsverantwortung kommt –, ist, schon vorab zu über­legen, wie wir das dann neu machen wollen.

Denn Sie kritisieren zu Recht einige Bereiche in unserem Schulsystem, die wir ab­schaffen sollten – berechtigterweise! –, aber Sie sagen nie, in keinem Ansatz, wie Sie es anders machen würden, sondern nur, dass man das, was wir jetzt haben, stärker ein­zementieren soll. Genau das ist der falsche Weg! Denn: Schule entwickelt sich, Schule bildet sich, wir müssen neue Wege gehen, und diese ist man, Gott sei Dank, in ersten Schritten jetzt in den letzten Jahren gegangen. (Abg. Walter Rosenkranz: Aber wenn es ein Irrweg ist, muss man einmal umkehren auch können! Der Irrweg kann nie das Ziel sein! – Ruf bei der FPÖ: Eine permanente Verschlimmbesserung!)


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Liebe Kollegen, noch ganz kurz zum Antrag vom Kollegen Walser. Es wurde vom Vor­redner schon gesagt, ich möchte auf zwei, drei andere Schwerpunkte hinweisen. Ich meine, wir haben ausreichend Studien, die wichtig und wertvoll sind und auch in Zu­kunft weitergeführt werden sollen. Ich meine, die Bildungswissenschaft ist ausreichend eingebunden.

Es geht darum, diese Ergebnisse auch einmal zu lesen – auch das möchte ich vielen sagen. Wir produzieren viele Studien, verlangen sie, wenn ich jedoch mit einzelnen Leu­ten darüber reden möchte, stelle ich fest, sie haben sie gar nicht gelesen, gar nicht an­geschaut. Bitte, lesen Sie die Dinge, die Sie selber verlangen und zitieren, auch im De­tail durch, dann tun wir uns sehr viel leichter, wenn wir bildungspolitisch miteinander dis­kutieren wollen!

Der zweite Bereich: Ich habe einen Schwerpunkt, bei dem es mich immer sehr schmerzt, wenn ich ihn anspreche. Ich sage das auch als langjähriger Lehrer, Schulleiter, Vater dreier Kinder und – um die Opa-Runde abzuschließen – in der Zwischenzeit auch als Opa, der Enkel mitbetreut, wenn er ein bisschen Zeit hat. Es geht dabei um einen Punkt, bei dem man tatsächlich sieht, dass das, was in den Studien der OECD, international und anderer hervorgebracht wird und bei dem wir die Hebel ansetzen müssen – worauf ich auch als Schulleiter sehr stark hingewiesen habe, es aber dennoch schmerzt, es fest­zustellen –, stimmt, nämlich dass Kinder, wenn sie die Schule verlassen, nicht ausrei­chend lesen, schreiben und rechnen können. Das ist sicherlich ein Grundproblem, und da brauchen wir gar nicht sehr viele neue Wege zu gehen oder zu beschließen, das muss am Schulstandort entschieden und verbessert werden.

Es kann nicht sein, dass jemand, wenn er die vierte Klasse Volksschule verlässt, bes­ser lesen kann als zwei Jahre später in der Mittelschule – auch das zeigen Untersu­chungen –, weil es nicht mehr gefördert und nicht mehr entsprechend gemacht wird.

Es müssen diese Grundkompetenzen bis zum Abschluss der Schule, bis zu einem Bil­dungsabschluss in der Mittleren Reife, die kommen soll, entsprechend gefördert und ge­fordert werden. Das fehlt, da müsste man den Hebel ansetzen.

Ich möchte, weil es ziemlich sicher meine letzte Rede zum Bereich Bildungspolitik ist, die mir auch von Berufs wegen sehr am Herzen gelegen ist, vier Bereiche herausstrei­chen, von denen ich glaube, dass sie für die Zukunft entscheidend und wichtig sind und wo niemand – egal, wie die kommende Regierung zusammengesetzt sein wird – daran vorbeikommt. Das ist die Frühpädagogik, die Frühkinderziehung. Ich habe viele Beispiele im Laufe der Jahre gebracht. Den Rucksack, den unsere Kleinsten mit in die Schule bringen, kann das Schulsystem, wie es jetzt aufgebaut ist, nicht abbauen. Den schleppen sie mit, bis sie dann beim AMS landen. Daher ist die Früherziehung, die Kin­dergartenbetreuung wichtig. Der erste Bildungsweg ist der Kindergarten, und nur dort können wir die entscheidenden Chancen bieten. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeord­neten der ÖVP.)

Das Zweite ist und bleibt – und das sage ich aus tiefster Überzeugung –: Genau das, was katholische Privatschulen haben, eine ganztägige Betreuung, ein gesundes Mittag­essen, Abwechslung, Sport, Freizeit, Kultur, das wollen wir allen Kindern bieten, genau das wollen wir auch für das öffentliche Schulsystem haben. Wir brauchen eine ganztä­gige Betreuung, die den Namen verdient, mit Qualität und entsprechend ausgebildeten Pädagogen. (Beifall bei der SPÖ.)

Da bin ich beim nächsten Bereich, das ist die frühe Selektion. Kollegin Karl hat das richtig auf den Punkt gebracht: Wir würden eigentlich nicht eine gemeinsame Schule, sondern ein Gymnasium für alle brauchen; die beste Schule der 10- bis 14-Jährigen, nicht aufgeteilt in fünf teure Bereiche, Sonderschule, AHS, Hauptschule, Mittelschule und die ganzen Bereiche, sondern wir brauchen hier eine innere Differenzierung mit bes-


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ter Förderung, damit niemand mit neun Jahren aussortiert werden kann, aussortiert wer­den muss von den LehrerInnen, wie es jetzt ist. Kollegin Karl hat gesagt: Gymnasium für alle. Sie war dann leider nicht mehr Ministerin.

Weiters: Ich bedauere es, dass sich Kollege Töchterle ebenfalls heute verabschiedet hat, der mit der Vater dessen war, dass wir eine neue PädagogInnenbildung haben. Kol­legen Strolz habe ich in der Fernsehdiskussion reden gehört, als wenn er das nicht mit­beschlossen und mitberaten hätte. Wir haben jetzt eine neue PädagogInnenbildung, die genau dort den Hebel ansetzt, damit nicht mehr jeder, der glaubt, er wisse nicht, was er studieren soll, dann auf Lehrer macht. Es kann nicht mehr jeder Lehrer werden, son­dern man prüft ganz gezielt die Qualität. Gute Pädagogen sind die entscheidenden Play­er im Schulsystem. (Abg. Moser: Aber nicht zu wenig Praxis! Berufsbegleitend!) Da ha­ben wir auch in der Vergangenheit entsprechend die Weichen gestellt.

Daher glaube ich schon: Es stimmt, was gesagt wurde, Schule ist nichts Fixes, es ist auch mit dieser Reform nicht abgeschlossen, es bleibt in Bewegung. Ich kann nur hof­fen und dafür plädieren und kämpfen, dass jene, die das entscheidend miteingeleitet hat, nämlich unsere Bildungsministerin, die Möglichkeit hat, auch nach dem 15. Oktober die­ses Amt weiter zu führen und die Reform weiterzubringen. Daher muss man am 15. Ok­tober SPÖ wählen. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Strolz: Jetzt hättest du mich schon fast überzeugt!)

15.22


Präsidentin Doris Bures: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Holzinger-Vogtenhuber. – Bitte.

 


15.23.06

Abgeordnete Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Der Dringliche Antrag, der heute vorliegt, ist ja grundsätzlich zu begrüßen, um im Bildungsbereich existierende Blockaden zwischen den Koalitionspartnern auflö­sen zu können. Die Frage ist, ob es dadurch möglich ist, ob es durch OECD-Vorschlä­ge überhaupt möglich werden würde, diese zu öffnen, aufzubrechen. Die Debatte zeigt aber auch, wo wir bei uns in Österreich mit der Bildungsdebatte bereits stehen. Wir se­hen uns einer Situation gegenüber, in der die Menschen draußen abschalten, wenn wir von Bildungsreform reden, weil einfach nichts geschieht, weil in den großen Fragen nichts weitergeht, in den großen entscheidenden Stellungnahmen und Fragen, die zu lö­sen wären.

Es sind auf beiden Seiten ideologische Scheuklappendiskussionen, es geht nicht da­rum, dass man soziale Gerechtigkeit im Bildungsbereich herstellt, dass man sich die Fra­ge stellt, was die Kinder betrifft, was die Schüler und Schülerinnen am Ende des Tages betrifft. Es geht in der Debatte nicht darum, die gleichen Chancen und Startmöglichkei­ten für Kinder herzustellen, sondern man will einfach verfestigte und eingefahrene Sys­teme weiterhin erhalten. (Abg. Walter Rosenkranz: Genau, das Theresianum!)

Da spreche ich ganz dezidiert die ÖVP an: Im Bildungsbereich nichts verändern zu wol­len, heißt aber auch, keine Fortschritte in diesem Bereich erreichen zu können. Ich glaube – die OECD-Studie oder dieser Auftrag ist löblich, das ist in Ordnung, wenn wir das machen –, wir müssen die Bildungsexperten und -expertinnen, die wir in Österreich haben – das sind die Schülerinnen und Schüler, das sind die Eltern und das sind die PädagogInnen –, einmal anhören und dem zustimmen beziehungsweise das umsetzen, was hier gewünscht und gefordert wird. Das sind die Menschen, die Jugendlichen, die das jeden Tag trifft, die damit konfrontiert sind.

Ich war vorige Woche bei einer Diskussion und hatte die Gelegenheit, mit SchülerInnen in Wels bei einer Podiumsdiskussion zu diskutieren, wobei es unter anderem natürlich um die Themen Digitalisierung, Arbeitswelt, Integration gegangen ist. Aber Bildung war


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in der Debatte und bei den Fragestellungen ganz, ganz weit vorne. Es ist wichtig, dass man auf diese Jugendlichen hört, denn die erleben tagtäglich, was Sache ist und was geändert werden muss, an welchen Schrauben man drehen muss und was sich ändern muss, damit Bildung wieder Spaß macht, damit am Schluss ein effizientes und effekti­ves Bildungssystem herauskommt.

Sie beschäftigen sich ja nicht zum Spaß damit, es gibt Landesschülervertretungen, es gibt Bundesschülervertretungen, es gibt die Schülerparlamente. Die erarbeiten Program­me, die erarbeiten wichtige Förderungspunkte, und die gehören auch entsprechend um­gesetzt.

Es gibt unzählige Vorschläge aus der Praxis, was unser Schulsystem betrifft, die den täglichen Unterricht sofort weiterbringen könnten. Junge Leute wollen keinen Frontal­unterricht mehr, sie wollen kein stures Auswendiglernen. Vielmehr fordern junge Men­schen, dass sie Schlüsselkompetenzen der heutigen Berufs- und Arbeitswelt erlernen. Da geht es um Teamarbeit, es geht um Konfliktlösung, Managen, Organisieren, Team­führung, Medienkompetenz und viele weitere Bereiche, die umfassend gelernt werden müssen und die genau in diesem Bereich wichtig sind. (Abg. Walter Rosenkranz: Geht es auch um Wissen?) Es geht um ein Anforderungsportfolio, von dem es wichtig ist, dass man es in der heutigen Welt in jedem Beruf, in jeder Berufssparte draufhat.

Das wissen junge Leute und das fordern sie auch, und dafür muss im Unterricht und im Schulsystem selbst Platz geschaffen werden. Das fängt bei dem Herrn an, der die Fein­kosttheke leitet, der sein Team zu managen hat, und geht bis hin zur Salesmanagerin. Es geht darum, Schlüsselkompetenzen, besonders die, die heute in der Berufswelt ge­fordert sind, den Schülern auf ihren Weg mitzugeben.

Ich möchte es aber auch ein bisschen konkreter machen. Die Möglichkeit der Digitali­sierung war eine zentrale Frage bei dieser Schülerdiskussion. Es geht darum, dass ins­besondere in höheren Schulstufen die Digitalisierung in vollem Umfang auch ermög­licht werden muss. Es kann nicht sein, dass zum Beispiel Schüler in Oberstufen darum kämpfen müssen, dass sie ihre Mitschriften auf einem Laptop schreiben dürfen. Da kön­nen wir hier herinnen schon über Digitalisierung reden und darüber, wie wichtig das Gan­ze ist, wenn der konkrete Unterricht und die konkrete Pädagogik, die dahinter steckt, das nicht ermöglichen und die Lehrpersonen das nicht zulassen, dann gibt es da kei­nen Fortschritt.

Es geht aber auch weiter, und da möchte ich auch noch erwähnen, was von Elternseite oft kommt. Die Digitalisierung ist wichtig, aber sie soll nicht zu früh beginnen. Es ist ganz zentral, wann digitale Medien und Tablets und Co eingesetzt werden, weil es im Volksschulalter zentral ist, dass Kinder und Jugendliche einmal diese Grundkompe­tenzen, die grundlegenden Kulturtechniken erlernen: Rechnen, Lesen, Schreiben, dass das gefestigt ist. Wenn man da schon mit Tablets und Co die Kinder eigentlich über­fährt, führt das genau zu dem Problem, das dann herauskommt, dass es nämlich diese Grundfertigkeiten eben nicht gibt beziehungsweise diese zu wenig gefestigt sind.

Eine ganz zentrale Forderung hat auch immer den individualisierten Unterricht betrof­fen. Es muss vieles in der Schule gelernt werden, was später im Leben einfach nicht mehr gebraucht wird. Das war eine zentrale Fragestellung, bei der es auch wichtig ist, dass es unbedingt eine Lösung gibt. Denn das führt auch dazu, dass nötige Unter­richtsfächer dann keinen Platz haben. Wo soll man zum Beispiel wichtige Unterrichts­fächer, die nötig wären, hineinpacken, wenn der Unterrichtskanon schon so voll ist?

Es ist unter anderem auch darum gegangen, wie wir unsere jungen Menschen zu kriti­schen BürgerInnen ausbilden und heranbilden können. Es geht darum, wie wir bei den jungen Menschen die Fähigkeit des kritischen Denkens fördern können, die eigene Mei­nung zu hinterfragen und zu hinterfragen, was tagtäglich in den Medien steht. In einer


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Zeit, in der in Sekunden weltweit Informationen verbreitet werden, ist es wichtig, dass wir die jungen Menschen, die Kinder und Jugendlichen dazu ausbilden und heranzie­hen, dass sie wissen, wie mit Fake News et cetera umgegangen wird, damit jeder ein­zelne Schüler, jede einzelne Schülerin genau dieser Filter ist, um das zu ermöglichen.

Da spreche ich ganz konkret das Unterrichtsfach Politische Bildung und Recht an. Wenn wir hergehen und die Lehrpläne entstauben und die Schüler von dem freimachen, was sie nicht lernen sollen, weil sie es im weiteren Leben nicht brauchen (Abg. Belako­witsch: Wollen!), dann ist es uns möglich, dass wir genau solche Unterrichtsfächer wie das Pflichtfach Politische Bildung und kritisches Denken ermöglichen und einführen kön­nen. (Abg. Walter Rosenkranz: Warum muss man wissen, dass sich die Erde um die Sonne dreht?)

Ich möchte aber auch größer denken. Stellen wir einfach einmal das ganze Bildungs­system auf den Prüfstand, wie es heute auch schon andiskutiert worden ist. Hinterfra­gen wir einfach einmal, dass heute schon 15-Jährige die Entscheidung treffen müssen, ob sie in eine HTL gehen, ob sie in eine HAK gehen, in welche Richtung sich ihr wei­terer Lebensweg entwickeln wird. Da ist es oft so, dass es Familientradition ist, dass man in eine HAK oder in eine HTL geht, und dass es nicht das Kind selbst ist, das sich mit 15 Jahren entscheidet, in welche Richtung es weitergehen wird. Ich kenne unzähli­ge Beispiele und bin auch selbst eines davon, wo unter anderem eine HTL oder HAK absolviert worden ist und danach etwas völlig Sachfremdes studiert worden ist, weil ich mit 15 Jahren noch nicht gewusst habe, was ich machen will. (Abg. Walter Rosen­kranz: Und, war das schlecht? Waren die sinnlos, die fünf Jahre vorher?)

Deshalb ist es wichtig, dass wir ein Bildungssystem erbauen, erdenken und gemein­sam entwickeln, in dem es um eine gemeinsame Ausbildung geht – eine gemeinsame Ausbildung aller Kinder und Jugendlichen bis zu einer allgemeinbildenden mittleren Reife mit 16, 17 Jahren, wo ein Abschluss da ist, wo ein kritischer Bürger herangebildet wor­den ist. (Abg. Walter Rosenkranz: Mit 15 Jahren habe ich mein Studium auch noch nicht angefangen!) Es ist wichtig, dass man hier eine ganz breite Ausbildung ermög­licht und auf die Beine stellt.

Und es soll möglich sein, dann an diese breit gefächerte und hochqualitative gemein­same Ausbildung ohne Trennung der Schülerinnen und Schülern, an diese gemeinsa­me Grundlagenausbildung eine individualisierte, fokussierte, fachspezifische Ausbil­dung anzuschließen. Das fängt bei der Lehre an, das sind dann eine fachspezifische HTL, HAK oder natürlich zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen bis hin zum Studium.

Wichtig ist, dass wir die Einschätzungen, die Expertisen, die bei den Schülern, bei den Eltern und bei den Pädagogen vorhanden sind, auch wahrnehmen und in unsere Poli­tik miteinbeziehen. Da brauchen wir keine großmächtigen Studien, da müssen wir nur die ideologischen Debatten endlich beenden und fragen: Was ist Sache? Was sind die Fakten? Was liegt auf dem Tisch? Das müssen wir dann auch mit der Erfahrung der Betroffenen umsetzen. – Danke sehr. (Beifall bei Abgeordneten von SPÖ und Grünen sowie des Abg. Pilz.)

15.31


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Schmid. – Bitte.

 


15.31.42

Abgeordneter Gerhard Schmid (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Regierungsbank! Zum Thema Bildung: Eine gute und fundierte Bildung ist die Basis und Grundlage für einen erfolgreichen Lebensweg und hätte eigentlich niemals derart leichtfertig zum Spielball linker Politik werden dür­fen. Österreichs Bildungswesen war jahrzehntelang international anerkannt und quali-


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tativ hochwertig. In den vergangenen Jahren kam es auch dank einer Zusammenlegung und Vereinheitlichung mehrerer Schultypen zu einem drastischen Bildungsabbau.

Bildung ist ein Grundrecht, geschützt durch die gesetzliche Schulpflicht. Dieses Recht beziehungsweise diese Verpflichtung ist seitens des Gesetzgebers den jeweiligen Kom­petenzen und Bedürfnissen unserer Kinder und Jugendlichen anzupassen und nicht auf Kosten derer zu vereinheitlichen.

Die überbordende Zuwanderung und die mangelnde Integration von bereits Genera­tionen zugewanderter Fremder aus anderen Kultur- und Sprachkreisen, geschweige denn Bildungsniveaus führten und führen zu einer Situation, welche sowohl für Lehrer, Schüler als auch für die Wirtschaft unzumutbar ist.

Die Forderung der Grünen, wonach Homosexualität den Kindern in Lehrbüchern nä­her- und nahegebracht werden soll, ist Sittenbild für selbstzerstörende Bildungspolitik. Solch einen Unsinn wird auch eine OECD-Länderprüfung nicht empfehlen. Mit uns, der Freien Liste Österreich, wird es derartige Auswüchse sicherlich nicht geben.

Was soll hier denn eigentlich geprüft werden? Die wahren Probleme und Defizite liegen doch schon längst auf dem Tisch, werden allerdings von den eine Willkommenskultur fördernden Grünen überspielt, verharmlost und ignoriert. Sie beschäftigen sich lieber mit der Förderung fremder Kulturen oder eben ihren homosexuellen Genderschulbü­chern. Dieser Antrag ist zugunsten einer fundierten Bildungspolitik abzulehnen. – Dan­ke. (Beifall der Abgeordneten Barbara Rosenkranz und Schenk.)

15.34


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Steinbich­ler. – Bitte.

 


15.34.26

Abgeordneter Leopold Steinbichler (ohne Klubzugehörigkeit): Frau Präsidentin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! (Abg. Heinzl: Zah aun, Leo!) Sehr geehrte Zuse­herinnen und Zuseher auf der Galerie und vor den Fernsehgeräten! (Der Redner stellt eine Tafel auf das Rednerpult, auf der Orang-Utans vor einem gerodeten Wald zu se­hen sind.)

Ich darf noch kurz auf den Vormittag zurückkommen, weil ich beim Tierschutzgesetz leider keine Redezeit hatte, und noch einmal den Welttierschutztag erwähnen. Wir ha­ben zwar über alle gehandelten Tierarten gesprochen, aber nicht über Futtertiere, nicht darüber, was wir mit unserer Lebensweise aufführen, was die Konzerne zerstören. Ich glaube, heute ist dieser denkwürdige Tag, an dem auch wir hier darauf verweisen kön­nen. Ich lasse diese Tafel bewusst noch stehen, weil das mit Bildung zu tun hat, Kolle­ginnen und Kollegen. (Ruf bei der FPÖ: Für die Grundschule!)

Ich komme nun aber zum Thema Schule zurück und darf neben den zahlreichen Ana­lysen und Studien, die bereits gemacht wurden und wieder in Auftrag gegeben werden sollen, fragen: Wer spricht über die Praxis? – Ich darf mich hier einmal in aller Klarheit und in aller Deutlichkeit bei allen Lehrerinnen und Lehrern und bei allen Eltern und Erziehenden für diese super Leistung, die erbracht wird, bedanken. Ich habe nicht nur den Überblick aus den zahlreichen Gesprächen mit Eltern, sondern habe selbst von 14 Enkeln zehn aktiv in den verschiedensten Schultypen.

Kolleginnen und Kollegen, wenn hier einfach pauschal ein System schlechtgemacht wird und wenn dann davon gesprochen wird, welch unendlicher Druck herrscht und wie fürch­terlich es in der Schule ist, muss ich schon die Frage stellen: Ja was sollen denn dann für Leute herauskommen, die später im Leben, im Beruf ihren Mann und ihre Frau stel­len sollen? Das ist ja unerhört! Was wollen wir hier für ein Fundament für die Zukunft legen? – Das ist erschütternd, ja, erschütternd!


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Ich habe mir die gesamte Diskussion angehört und habe mir heute früh gedacht, zum Welttierschutztag, ich bin vielleicht der Einzige, der heute schon Tiere betreut, gepflegt und gefüttert hat. Heute in der Früh bin ich mit dem Auto auf der Himmelreichkreuzung im Stau gestanden, weil unzählige Arbeiterinnen und Arbeiter pflichtbewusst zur Arbeit gefahren sind. Um halb 7 Uhr bin ich bei der Einfahrt zur A 1 in Linz im Stau gestan­den, weil dort so viele Arbeiterinnen und Arbeiter zur Arbeit fahren, um das tägliche Brot zu verdienen und das Steuergeld für diesen Staat und für dieses Bildungsbudget. Da, glaube ich, müssen wir manche Diskussionen, die wir heute gehört haben, ins rechte Licht rücken.

Das ist einfach weit, weit weg von der Praxis. Hier wird herumlamentiert, hier wird wahl­gekämpft. Ich komme dann noch zu einer politischen Bewertung. Kollege Julian Schmid hat mir eigentlich ein Stichwort gegeben, worüber ich gar nicht sprechen wollte.

Ich muss in aller Deutlichkeit sagen: Wenn wir heute hier in dieser Breite die Bildung ansprechen und diskutieren, sollten wir einen Vergleich mit der Praxis ziehen. 22 Jahre lang bin ich im Bezirksschulrat gesessen und 24 Jahre lang war ich Kindergarten-, Sport- und Schulreferent. Ich weiß aus zahlreichen praktischen Fällen, weiß aus zahl­reichen Diskussionen, Elternabenden, Elternforen, was wirklich diskutiert wird und wie sich die Lehrer bemühen, wie sich die Lehrervertreter bemühen, wie sich die Klassen­vertreter bemühen. Ich glaube, auf dieser Basis sollten wir, wenn wir der Sache etwas Gutes tun wollen, auch diskutieren.

Es wäre interessant, was unsere Vorgängergenerationen, die, scheinbar völlig ungebil­det, eine großartige Leistung erbracht haben, dieses Land in diese hervorragende Si­tuation gebracht haben, sagen würden, wenn sie diese Diskussion hören würden.

Kollege Schmid hat zur Bildung von Lehrlingen, zur dualen Lehrlingsausbildung ge­sprochen. Ja, wenn wir den Lehrberuf aufwerten wollen, wenn wir den Lehrberuf wert­schätzen wollen, dann müssen wir ihn auch so diskutieren, aber nicht sagen: Was? Du gehst in eine Lehre? Du studierst gar nicht? (Abg. Steinhauser: Wer sagt denn das? Das sagt ja niemand!) Ja, wir haben da noch eine Redewendung, mit der wir das von Haus aus schon in zwei Richtungen spalten.

Es gibt großartige Beispiele. Ich bin mit vielen Firmenchefs in Verbindung und weiß, welch großartige Arbeit hier geleistet wird, von den Lehrlingen in den Lehrberufen, aber auch von den Firmenchefs – ich glaube, das sollten wir nicht vergessen –, die bereit sind, wieder neue Fachkräfte auszubilden, und es wird dann eventuell das duale Sys­tem durch ein zusätzliches Studium, Abendstudium noch ergänzt.

Ich wollte aber natürlich auch noch, weil heute Demokratie angesprochen wurde, be­sonders vom Kollegen Pilz, eine kleine politische Bewertung machen. Wir sind eigent­lich am Überlegen – und unsere Anwälte prüfen das –, die Wahl anzufechten. Wie wird das Volk, wie werden die Bürger informiert, wenn man ständig die Großparteien be­wirbt, wenn man ständig mit Steuergeld inseriert, wenn man sich seitenweise Redak­tionsbeiträge kauft? (Der Redner hält eine kleinformatige Zeitung in die Höhe.) Das ist zufälligerweise das Landwirtschaftsministerium. Das hat unbedingt jetzt in der „Heute“-Zeitung inserieren müssen. Doppelseitig, den größten Schmarren, den ich jemals gele­sen habe, den Masterplan Landwirtschaft. Es steht auch kein Wort über Bauern drin­nen, denn die sind in der ÖVP schon abgeschrieben, die gibt es gar nicht mehr. Da liest man früher etwas über Urlaub am Bauernhof, die haben alle nur mehr den Urlaub im Kopf. Aber doppelseitige Einschaltungen, Kolleginnen und Kollegen – so kauft man sich Beiträge, und so informiert man die Wähler. Und wo bleibt die Demokratie?

Herr Kollege Pilz, du hast zwar immer an dich gedacht, aber ganz vergessen, dass es da noch vier, fünf Gruppierungen gibt, die dasselbe demokratische Recht in Anspruch nehmen würden, das Volk zu informieren. Auch wir würden gerne sagen, mit welchen


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Ideen und mit welchen Plänen wir in der Zukunft mitarbeiten werden. Und deshalb hat mich Kollege Schmid motiviert, auch den Kandidaten der sogenannten Elefantenrunde ein kurzes Zeugnis und eine Bewertung – denn ich glaube, auch die politischen Partei­en soll man bewerten – auszustellen.

Ich komme zuerst zur SPÖ und möchte, wie heute schon einmal, den Kaufkraftverlust der Arbeitnehmer ansprechen. (Ruf: Die Taferln sind schon so dreckig ...!) Als Arbeit­nehmerpartei müsstet ihr das am heftigsten aufzeigen. Die Arbeitnehmerinnen und Ar­beitnehmer – von den 1,7 Millionen Armutsgefährdeten sind 10 Prozent in Vollbeschäf­tigung, 17 Prozent in Teilzeitbeschäftigung – können sich das Leben nicht mehr leisten, und bei den Pensionisten ist es auch so. Wir sehen, das sind fleißige Bürgerinnen und Bürger, die 40, 45 Jahre lang fleißig gearbeitet haben, Gewerbetreibende, Bauern, Ar­beitnehmer, Angestellte, die eingezahlt haben ...

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Steinbichler, wir sind bei der dringlichen Behandlung des Themas Bildung. Ich wollte Sie nur darauf aufmerksam machen und würde Sie ersuchen, wieder zum Thema zurückzukommen. (Abg. Steinhauser: Das ist die Abschlussrede!)

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (fortsetzend): Und deshalb zurück zur politischen Bildung, denn es ist ja offenbar Politik in diesem Hause – jetzt nehme ich wieder das erste Bild –, dass man bei den Pommes frites und Schnitzeln über die Bräunungsfarbe diskutiert und nicht darüber, in welch gefährlicher Suppe die schwimmen, nämlich im Palmöl mit Glyphosat.

Zurück zur Bildung – das ist auch Bildung, Frau Präsidentin –, dann wird von sozialer Gerechtigkeit geredet, das Land zuplakatiert mit „neuer Gerechtigkeit“, mit „Fairness“, und dann werden die fleißigen Bürgerinnen und Bürger, die PensionistInnen so behan­delt.

Zur ÖVP darf ich sagen – Frau Präsidentin, das wäre interessant –: Sollten wir nicht ei­ne Fahndung nach dem Spitzenkandidaten aufgeben? Ich möchte ihn wieder einmal nicht nur auf Plakaten sehen! Bei keiner einzigen Sitzung hier in diesem Hause ist er anwesend. Das sollen die Wählerinnen und Wähler bewerten, nämlich wie wichtig ihm dieses Haus ist, wenn er das Bundeskanzleramt anstrebt. Und ich denke, es ist ange­bracht, hier zu sagen: Nach drei Monaten Türkis kommt schön langsam die echte Far­be zum Vorschein – ich habe gestern zum ersten Mal wieder ÖVP-Farbe auf den Pla­katen gesehen. (Abg. Steinacker: Zur Sache!) Ich würde sagen, das ist der Rubbel­kanzler. Bis nach dem Wahltag wird er wieder richtig schwarz, aber Vorsicht, beim Rub­beln gibt es, Frau Abgeordnete, irrsinnig viele Nieten. Aufpassen!

Leider ist Heinz-Christian Strache nicht mehr im Saal, vorhin war er kurz hier. Ich bin überzeugt, sein Vorgänger Jörg Haider hätte ihm die Kiste mit Kreide bereits versteckt. Man spürt so richtig den Zug zur Macht, er will sich im Wahlkampf unbedingt anschmieg­sam verhalten. Man spürt es bei jeder Diskussion, an der wir nicht teilnehmen dürfen. (Abg. Walter Rosenkranz: Kann man jetzt sagen, wir haben ein Beispiel schlechter Bildung bekommen?!) Deshalb, Frau Präsident, bitte ich, aus demokratischen Gründen noch ganz kurz ...

 


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter Steinbichler, ich habe Sie ersucht, zur Sa­che zu reden. Ich habe mich sehr darum bemüht, den Zusammenhang zu erkennen. Es ist nicht nur kaum, sondern gar nicht gelungen. (Abg. Walter Rosenkranz: Die Re­de selbst zielt aber auf ein gewisses Bildungsproblem!) Ich würde Sie jetzt bitten, zum Thema der Dringlichen zu reden. Sie haben, wenn ich das richtig sehe, noch 1 Minute Restredezeit. Thema ist Bildungspolitik.

 


Abgeordneter Leopold Steinbichler (fortsetzend): Wir reden da von lebenslangem Ler­nen, und das ist Erwachsenenbildung (Abg. Walter Rosenkranz: Drum soll man auch


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bei dir die Hoffnung nicht aufgeben!), und deshalb sei es mir auch noch gestattet, weil, Herr Kollege Rosenkranz, sehr viele Kolleginnen und Kollegen gefragt haben, was denn der Herr Filzmaier über den Kollegen Pilz gesagt hat. – Er hat gesagt, er wundert sich, dass das nicht mehr strapaziert wird, dass der seit 31 Jahren als eine Art parlamentari­scher, „pragmatisierter Dauervisionär“ hier in diesem Haus ist.

Ich darf in aller Klarheit sagen: Bei der Bildung denke ich wirklich in allen Genera­tionen, Frau Präsident, das ist das Wichtigste; wir haben hier das wirklich gute Zusam­menleben aller Generationen anzustreben, vom Enkerl über die Eltern bis zu den Groß­eltern, und wenn uns das nicht gelingt, dann haben wir in Zukunft große Probleme, wenn wir glauben, wir können alles delegieren, wenn wir glauben, wir können alles di­versen Ausbildungsstätten zuordnen.

An dieser Stelle möchte ich damit abschließen, weil es die wichtigste Ausbildungsstätte ist neben sämtlichen Zusatzausbildungen (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen): Die erste Bildungsstätte ist das Elternhaus, die Eltern, begleitend neben den Lehrern, neben den diversen Ausbildungsebenen. Ich bin überzeugt davon, dann haben wir in Zu­kunft ganz, ganz gute soziale Verhältnisse, das ist das Allerwichtigste. Deshalb am 15. Oktober ...

15.45


Präsidentin Doris Bures: Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist ausgeschöpft. (Abg. Stein­bichler – das Rednerpult verlassend –: ... am 15. Oktober aktiv Die Weißen wählen!)

15.45.33

Dazu ist niemand mehr zu Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen nunmehr zur Abstimmung über den Selbständigen Antrag 2321/A(E) der Abgeordneten Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend: Bildungsblockade durchbrechen mit OECD Länderprüfung.

Ich bitte jene Damen und Herren, die diesem Antrag ihre Zustimmung geben, um ein entsprechendes Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Mölzer, Kolleginnen und Kollegen betreffend Deutsch-Klassen für Schüler ohne ausrei­chende Kenntnis der Unterrichtssprache.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Entschließungsantrag sind, um ein Zei­chen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Walser, Kolleginnen und Kollegen betreffend Unterrichtsmittel eigener Wahl.

Wer diesem Entschließungsantrag zustimmt, den bitte ich um ein Zeichen. – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Abgeordneten Ga­mon, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schaffung eines bundesweiten Qualitätsrah­mens für elementare Bildungseinrichtungen.

Wer ist für diesen Entschließungsantrag? – Das ist einstimmig angenommen. (E 217.)

15.47.04Kurze Debatte über einen Fristsetzungsantrag

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nun zur kurzen Debatte, und zwar betrifft diese den Antrag des Herrn Abgeordneten Mag. Steinhauser, dem Umweltausschuss zur Be­richterstattung über den Antrag 2217/A der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Klimaschutzgesetz geändert wird, eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.


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Nach Schluss dieser Debatte wird die Abstimmung über den gegenständlichen Frist­setzungsantrag erfolgen.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zur Begründung ist eine Redezeit von 10 Minuten vorgesehen.

Erste Rednerin ist Frau Abgeordnete Mag. Brunner. – Bitte.

 


15.47.48

Abgeordnete Mag. Christiane Brunner (Grüne): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Da­men und Herren auf der Regierungsbank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuse­herinnen und Zuseher! Uns Grünen war es heute wichtig, auf die zentralen Zukunfts­themen zu setzen, die unserer Meinung nach im Wahlkampf völlig zu kurz kommen, nämlich Themen, die ja über eine Legislaturperiode weit hinausgehen. Das eine ist die Bildung, das andere ist (Abg. Lopatka: Klimaschutz!) der Klimaschutz. – Ja, da sollten Sie vielleicht aufpassen, denn in Ihren Programmen ist das nicht so gut verankert, be­ziehungsweise auch in der letzten Periode nicht.

Die Klimakrise ist ganz eindeutig die größte Herausforderung unseres Jahrhunderts. Ich habe vor Kurzem gelesen, wenn 2030 die Arbeitsplätze in der Automobilbranche in China sein werden, dann werden wir uns fragen, warum das bei uns im Wahlkampf jetzt nicht stärker thematisiert wurde. Wir spüren die Auswirkungen der Klimakatastro­phe global – Wirbelstürme, Überflutungen –; wir spüren sie aber auch in Österreich, und gerade in diesem Sommer: Trockenheit im Osten, Extremwetterereignisse, Hitzetote, die Landwirtschaft ist massiv betroffen, hat extreme Ernteausfälle. All das ist nicht zu leug­nen, und jeder, der verantwortungsvoll damit umgehen will, muss jetzt handeln.

Meine Kollegin Alev Korun hat heute schon Barack Obama zitiert, und ich finde, das ist einfach sehr treffend: Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel spürt, und die letzte, die noch etwas dagegen tun kann, und davon leitet sich einfach eine große Verantwortung ab, die unsere Generation hat! Ich sehe nicht, dass sie wahrgenommen wird, und das ist unser Versuch heute hier, dass wir in dieser Legislaturperiode noch ei­nen Schritt setzen, diese Verantwortung wahrzunehmen. (Beifall bei den Grünen.)

Man hört ja, das Spannende beim Klimathema ist jetzt: Allein in den letzten Minuten ha­be ich zwei ganz kontroverse Meldungen gesehen, auf der einen Seite: Australien droht der Klimakollaps; auf der anderen: New York wird bis 2050 fossilfrei, also dekarboni­siert. Da sieht man, wie viel Bedrohliches in dieser Entwicklung liegt, aber auch, wie viele Chancen. Also man kann das sehr wohl miteinander verbinden.

Es wird auch etwas getan, es wurde etwas getan: Die Staatengemeinschaft hat ge­handelt und beschlossen, wofür Generationen von UmweltaktivistInnen gekämpft ha­ben: Das Zeitalter der fossilen Energie ist zu Ende. Mit dem Beschluss des Klimaver­trags von Paris vor fast zwei Jahren wurde das Zeitalter der erneuerbaren Energie ein­geleitet und damit auch die größte Transformation der Menschheitsgeschichte, dessen müssen wir uns bewusst sein. Davor stehen wir in den nächsten Jahren. Bis zum Jahr 2050 werden wir unser Gesellschaftssystem, unser Wirtschaftssystem, unsere Le­bensweise völlig umgestellt haben, frei von fossilen Energieträgern sein und uns mit er­neuerbaren Energien versorgen.

Das sehen wir auch schon, denn die Energiewende ist international der dynamischste Markt, den wir überhaupt haben, und ich wundere mich, warum das Klimathema von Wirtschaftsparteien – sogenannten Wirtschaftsparteien – so abgetan wird. Es ist der dy­namischste Markt, und jeder, der wirtschaftlich denkt, muss in Klimaschutz investieren. (Beifall bei den Grünen.)

Was bedeutet das alles für Österreich? – Wir Grüne wollen, dass Österreich im Spit­zenfeld dieser Entwicklungen liegt. Das ist erstens unsere moralische, unsere histori-


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sche, auch unsere vertragliche Verpflichtung; zweitens hat gerade Österreich auch ei­ne Riesenchance, und ich bin überzeugt davon, dass kein anderes Land auf dieser Erde so viel Potenzial hat wie Österreich. Wir haben alles, was man braucht, um diese Energiewende zu schaffen.

Fakt ist: Die nächsten fünf Jahre werden entscheiden. Von den Entscheidungen, die wir heute treffen, die wir in den nächsten fünf Jahren treffen, wird abhängen, ob Öster­reich im Spitzenfeld dieser Entwicklungen liegen wird oder nicht. Global wird entschie­den, ob die Klimakrise zu einer Klimakatastrophe wird oder nicht. Und auch dazu muss Österreich seinen Beitrag leisten.

Wenn wir uns die Handlungen der letzten vier Jahre anschauen, dann müssen wir fest­stellen: Die Bundesregierung hat keine einzige Maßnahme gesetzt, um diesen Klima­vertrag von Paris umzusetzen. Einen Schritt haben wir gemacht, das war das Öko­stromgesetz, das wir Grüne mit SPÖ und ÖVP verhandelt haben. Das Ökostromgesetz hat nicht nur zu mehr erneuerbarer Energie in Österreich geführt, es hat 1,5 Milliarden € an Investitionen in der österreichischen Wirtschaft ausgelöst und 5 000 Arbeitsplätze geschaffen – und das mit einer sogenannten kleinen Ökostrom-Novelle. Das Wort klein heißt für mich schon mal: Da muss noch viel mehr kommen. Und es zeigt auch, wie viel Potenzial da eigentlich drinnen ist.

Trotzdem hat die Bundesregierung aktiv keinen Beitrag zum Klimaschutz geleistet, und sie hat jede einzelne Maßnahme, die wir setzen wollten, die wir vorgeschlagen haben, blockiert. 42 Anträge der Grünen für den Klimaschutz, 69 Maßnahmen: alles wegge­wischt, alles vertagt, nie hier ins Plenum gekommen. Und jetzt wissen wir: Die FPÖ, die den Klimawandel leugnet, ist die fossile Partei Österreichs. (Ruf bei der FPÖ: Geh bitte!) Aber ÖVP und SPÖ, was Sie machen, ist fossile Politik. (Abg. Lugar: Das ist ja Fake News!)

Das ist jenseitig! Das ist jenseitig! (Zwischenrufe der Abgeordneten Walter Rauch und Neubauer.) Wenn Sie Wirtschaftspolitik machen wollen, nehmen Sie sich ein Beispiel an der Rockefeller-Stiftung; die zieht ihre Gelder aus fossilen Energien ab – nicht des­halb, weil sie ihr ökologisches Gewissen entdeckt hat, sondern weil sie weiß, dass In­vestitionen in fossile Energie verlorene Investitionen sind. Und wenn man wirtschaftlich denkt und kompetent ist, dann setzt man auf erneuerbare Energieträger. (Beifall bei den Grünen.)

Und an die SPÖ gerichtet: Das Gleiche gilt für Sozialpolitik! Man kann Sozialpolitik nicht ohne Klimakompetenz machen. Die Ärmsten der Armen sind am meisten von den Folgen der Klimakrise betroffen. Auch in Österreich leben die Menschen, die am we­nigsten Geld zur Verfügung haben, in den am schlechtesten gedämmten Häusern. Wer wird sich in Zukunft eine Klimaanlage leisten können, wenn es immer heißer wird und wir hier in Wien mit Temperaturen rechnen müssen, die wir heute in Athen haben?! Man kann verantwortungsvolle Sozialpolitik nicht ohne Klimakompetenz machen. (Beifall bei den Grünen.) Und ich vermisse das völlig.

Für unseren Antrag, über den wir heute abstimmen wollen, erwarte ich eigentlich von Ihnen Zustimmung. Wir haben immerhin mit Mehrheit – mit großer Mehrheit – in die­sem Haus den Klimavertrag von Paris ratifiziert. Das war super; aber eine Ratifikation alleine heißt halt für den Klimaschutz noch nichts, da müssen schon auch Handlungen folgen. Und das war auch eine ganz klare Message, die von Paris ausgegangen ist: Für die Umsetzung sind die nationalen Parlamente und die nationalen Regierungen ver­antwortlich. Ich mahne diese Verantwortung bei Ihnen allen jetzt ein. Sie, Sie und Sie haben mit uns Grünen gemeinsam diesen Klimavertrag ratifiziert – dann seien Sie auch ehrlich genug und setzen Sie ihn um!

Wenn Sie heute unserem Fristsetzungsantrag zustimmen, haben wir im Plenum im Oktober noch die Möglichkeit, die Weichen in die richtige Richtung zu stellen. Ich finde


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es ja super: Wenn man mit österreichischen Unternehmen redet, so merkt man, die sind viel weiter, die gehen ja eh in diese Richtung! Was man hört, ist immer wieder: Wir brauchen Rahmenbedingungen, wir wollen Planungssicherheit haben! – Das verstehe ich. Es ist eine große Veränderung, vor der wir stehen. Da brauchen Menschen und Un­ternehmen Sicherheit, um sich orientieren zu können, damit in die richtige Richtung ge­forscht wird, damit in die richtige Richtung investiert wird, damit auch Bürgerinnen und Bürger wissen: Ist es jetzt gescheiter, dass ich mir ein Dieselauto kaufe, oder sollte ich mir vielleicht doch lieber ein Elektroauto anschauen?

Es ist unsere Aufgabe, diese Sicherheit zu geben. Mit unserem Klimaschutzgesetz schlagen wir einen Rahmen vor, der ganz klar die Ziele des Klimavertrags von Paris in das österreichische Gesetz übernimmt. Das kann ja eigentlich kein Problem sein. Ich verstehe nicht, wo das Problem ist, wenn Sie sagen, Sie haben den Klimavertrag ratifi­ziert: Was ist dann das Problem, dass wir es auch in unser Gesetz hineinschreiben? Es hilft allen Betroffenen – und das sind alle Menschen in Österreich –, weil wir ihnen Orientierung geben können.

Österreich trägt besonders große Verantwortung, denn in einem Jahr wird Österreich die Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union übernehmen. Während unserer Rats­präsidentschaft wird die wichtigste Klimakonferenz der nächsten Jahre stattfinden, und es werden entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft der Energiewende in Eu­ropa erfolgen.

Also: Davon, wie wir heute entscheiden, wie wir in den nächsten Jahren entscheiden, ist nicht nur Österreich betroffen, sondern die Zukunft der Energiepolitik in der Euro­päischen Union und auch die Umsetzung des Klimavertrags insgesamt. Alles andere, als das verantwortungsvoll zu machen und mit gutem Beispiel voranzugehen, wäre für ein Land wie Österreich eine Riesenschande.

Ich persönlich und wir Grüne werden in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren dafür kämpfen, dass Österreich diese Verantwortung wahrnimmt. Dafür müssen wir aber auch jetzt unsere Hausaufgaben machen, und das kann nur bedeuten, dass wir dieses Klimaschutzgesetz so beschließen. (Beifall bei den Grünen.)

Wir brauchen eine Vielzahl von Maßnahmen, angefangen bei der Ökologisierung des Steuersystems bis dahin, dass wir den Menschen in Österreich helfen, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen, den Ölkessel zu tauschen: all das wird dann die Folge die­ses Klimaschutzgesetzes sein! Wir müssen jetzt die Weichen dafür stellen.

Nutzen Sie diese letzte Chance, die wir noch haben! Aber eines ist klar: Österreich braucht ganz dringend ein starkes, eigenständiges, engagiertes Klima-, Energie- und Um­weltministerium. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

15.58


Präsidentin Doris Bures: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Feich­tinger. – Bitte.

 


15.58.59

Abgeordneter Mag. Dr. Klaus Uwe Feichtinger (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsiden­tin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Hohen Haus! Es ist ja mehr oder weniger ein schöner Zustand, wenn bei einer Debatte über den Klimaschutz so viele Kolleginnen und Kollegen im Forum, im Plenum hier anwesend sind. Das ist nicht immer der Fall. Was aber auffällt, ist die Abwesenheit des zuständigen Ministers. (Abg. Steinhauser: Richtig! – Abg. Schimanek: Der ist im Wahlkampf!)

Klimaschutz ist uns ein wichtiges, ein zentrales Anliegen der Gegenwart, um diesen Pla­neten auch für die Zukunft noch lebenswert zu erhalten. Frau Kollegin Brunner hat schon angeführt, dass das Abkommen von Paris und die rasche Ratifikation hier in Österreich wichtige Schritte für diese Erreichung der neu definierten Klimaziele waren.


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Wir werden uns auch gewaltig anstrengen müssen, um diesen Zielpfad in Zukunft er­reichen und einhalten zu können. Aber grundsätzlich dazu eines: Eine einzige, isolierte gesetzliche Festlegung spart uns noch kein einziges Gramm CO2 ein, vor allem, wenn sich die Frage nach der Sanktionierbarkeit dieser Normen stellt. (Abg. Pirklhuber: Das ist jetzt noch nicht das Thema!) Im Kontext der Zwischenziele müsste vor einer ent­sprechenden Festlegung zunächst die Effort-Sharing-Entscheidung auf europäischer Ebe­ne abgewartet und dann im Klimaschutzgesetz entsprechend verankert werden. (Abg. Brunner: Nein! – Abg. Pirklhuber: Das ist nicht notwendig!)

Dazu Folgendes: Der weitere Weg Österreichs (Abg. Brunner: Schweden kann es ...!) muss zunächst in einer integrierten Klima- und Energiestrategie festgelegt werden. Das war auch der Konsens, den wir mit dem Regierungspartner hatten. Es ist daher mehr als bedauerlich, dass durch die einseitige Aufkündigung der Koalition durch die ÖVP diese Strategie bis dato nicht vorliegt, wiewohl sie uns bis Mitte dieses Jahres von Bundesminister Rupprechter versprochen worden ist.

Gestern haben wir, die SPÖ-Fraktion, aber auch die Grünen, im Umweltausschuss den Herrn Bundesminister gefragt, in welcher Schublade diese Klima- und Energiestrategie wohl derzeit liegt. Die Antwort darauf war: Es gibt mehrere Ministerien, die für diese Klima- und Energiestrategie zuständig sind. (Zwischenruf der Abg. Brunner.) Das Pro­blem dabei ist nur: Der Minister, der dafür verantwortlich ist, diese Strategie zusammen­zuführen, ist Bundesminister Rupprechter! Und die Antwort, welche Schublade nun­mehr in seinem Ministerium darauf wartet, geöffnet zu werden, ist er uns gestern leider schuldig geblieben. (Abg. Fekter: Habt ihr nicht aufgepasst? Er hat eh erklärt, was er tun wird! – Abg. Brunner: Aber wir müssen ja nicht auf den Minister warten! Wir kön­nen selber etwas beschließen!)

Er hat erklärt, dass in den letzten Jahren nicht – so wie die Grünen gestern gemeint haben – nichts geschehen wäre, sondern einzelne Maßnahmen im Hinblick auf die ther­mische Sanierung, im Hinblick auf die Forcierung von E-Mobilität ohnehin umgesetzt worden sind. Das ist aber keine integrierte Strategie, die sich über viele Felder der Poli­tik hinzieht, Frau Kollegin Fekter. Und das ist leider für das, was wir in den nächsten Jahren umsetzen müssen, zu wenig. Insofern gebe ich der Kollegin Brunner recht.

Was ist also zu tun? Was ist der Plan? – Unser Ziel ist eine effiziente, eine innovative Energiepolitik. Die Energiekosten wirken sich ja als Standortfaktor auch auf die Wirt­schaft aus. Die Energie muss für die Haushalte leistbar sein, das Energiesystem muss zukunftssicher sein.

Bis 2030 brauchen wir eine Treibhausgasreduktion um 36 Prozent und eine Senkung des Energieverbrauchs um 24 Prozent. Maßnahmen hierzu: eine kosteneffiziente Öko­stromförderung, die den Fokus auf die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quel­len legt, ein Investitionsvolumen von 40 Milliarden €, 45 000 neue Jobs; ein Energieef­fizienzpaket, in der Wohnbauförderung effiziente Bauweise stärker verankern, thermi­sche Sanierung wieder vermehrt fördern, Förderung des Umstiegs bei Heizungs- und Warmwassersystemen mit jeweils 100 Millionen € pro Jahr, eine Forcierung der Elektro­mobilität. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Das sind lauter Maßnahmen, die wir gemeinsam in der nächsten Gesetzgebungspe­riode schnell und umgehend beschließen wollen! Eine Vielzahl von Maßnahmen wird notwendig sein, wir stehen dazu zur Verfügung. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Brunner: Warum nicht heute?)

16.04


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Höfinger. – Bitte.

 


16.04.29

Abgeordneter Johann Höfinger (ÖVP): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Da­men und Herren! Hohes Haus! Zunächst ein paar Feststellungen: Wir erleben in dieser


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Diskussion, wenn es darum geht, den Klimaschutz voranzutreiben, immer wieder auf der einen Seite eine künstliche Aufgeregtheit, auf der zweiten Seite aber auch eine Gelas­senheit, die ebenfalls nicht angebracht ist.

Herr Kollege Feichtinger, Sie haben erwähnt, der Herr Bundesminister wäre jetzt nicht hier. In der Geschäftsordnung ist es durchaus nicht vorgesehen, dass bei der Debatte über einen Fristsetzungsantrag ein Bundesminister anwesend ist. Das ist in der Ge­schäftsordnung so verankert – bitte, das auch zur Kenntnis zu nehmen! (Abg. Brosz: Es ist nicht verankert, dass er nicht da sein kann! Was ist das für ein Holler? Er kann jederzeit kommen und gehen!)

Entgegen allen Beteuerungen, es wäre im Umweltschutz nichts geschehen, können wir klipp und klar festhalten, dass in den letzten Jahren bei uns für den Umweltschutz sehr viel passiert ist, dass wir da gut unterwegs sind. Die Zahlen zeigen uns das: Wir konn­ten die Emissionen verringern (Abg. Brunner: Das stimmt doch nicht!), obwohl die Wirt­schaftsleistung gestiegen ist. Die Wirtschaftsleistung ist enorm gestiegen. Ich denke, das sind zwei korrelierende Faktoren, die gerade in der heutigen Diskussion, wie es denn weitergehen soll, enorm wichtig sind.

Wenn wir antreten und sagen: Ja, wir haben uns dem Pariser Abkommen verpflichtet!, dann heißt das auch, dass wir die Weiterentwicklung, dass wir die Weichen, wie sie jetzt gestellt werden müssen, Hand in Hand mit der Wirtschaft stellen müssen, Hand in Hand mit den Menschen stellen müssen, denn diese Weiterentwicklung passiert nicht, indem wir den Menschen Vorschriften machen, indem wir der produzierenden Industrie Vorschriften machen (Abg. Brunner: Aber die Ziele muss man setzen!), dem produzie­renden Gewerbe, den kleinen und mittleren Unternehmen, sondern wir müssen gemein­sam Ziele definieren und auch schauen (Abg. Pirklhuber: Genau das tun wir mit dem Antrag!), wie wir diese Ziele gemeinsam umsetzen können, denn das ist auch eine Stand­ortfrage.

Wenn ich so oft erlebe, dass vor allem die Grünen, aber auch viele andere immer beim Verhindern an erster Stelle stehen (Abg. Brunner: Sie verhindern die Klimapolitik ...! – weitere Zwischenrufe bei den Grünen) und sagen: Je mehr ich in Österreich verhinde­re, dass produziert wird, desto weniger Emissionen habe ich!, dann muss ich sagen: Das ist eindeutig der falsche Weg! Denn: Wir haben eine große Verantwortung, was die Arbeitsplätze in diesem Land betrifft. Wir haben große Chancen (Abg. Brunner: Aber nicht, wenn Sie ständig nur davon reden und nie etwas tun!), und zwar haben wir innovative Unternehmen, die gerade auf diesem Sektor unheimlich gut unterwegs sind, und Hand in Hand mit diesen Unternehmen werden wir auch diesen Weg weitergehen.

Frau Kollegin Brunner, Sie haben den Mix angesprochen, den es bei uns an Energie­möglichkeiten gibt. Ja, den forcieren wir, den bauen wir aus. Aber denken wir nur an die Wasserkraft! Denken wir daran, wo ihr in der Vergangenheit gestanden seid, um Was­serkraft zu verhindern. Denkt an Graz, denkt an die Steiermark, das jüngste Beispiel! (Abg. Brunner: Wissen Sie, worum es bei dem Antrag geht? – Weitere Zwischenrufe bei den Grünen.)

Viele, viele andere Möglichkeiten gibt es. Wir müssen bei all diesen Sektoren, egal, ob es Wasser ist, ob es Wind ist, ob es Sonne ist, also erneuerbare Energien, in jenen Be­reichen nachziehen und aufbauen, wo sie in unseren Regionen am besten hinpassen. Das alles wird zusammengefasst in der Klima- und Energiestrategie, die gemeinsam mit allen Sektoren erarbeitet wird. Wir stehen nicht blind und blauäugig hier, um Men­schen etwas vorzuschreiben, sondern wir wollen gemeinsam, Hand in Hand mit den klei­nen und mittleren Unternehmen, mit den Menschen, die Verantwortung tragen für ihr Ei­genheim, mit den Menschen, die Verantwortung tragen in der Industrie und damit auch für die Arbeitsplätze in diesem Land, einhergehen. (Abg. Brunner: Was machen Sie da?)


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Das ist unser Auftrag. Die Arbeit ist über viele Ministerien gemeinsam begonnen wor­den. Das muss koordiniert werden, das stimmt. Die Arbeit wird laufend weitergehen und wird auch durch diese eine Wahl nicht unterbrochen werden. Auch nach dem 15. Okto­ber wird es eine Erarbeitung dieser Zieldefinitionen geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Ziel ist uns sehr wichtig, aber eines sollte uns klar sein: Vielen ist noch gar nicht bewusst, was mit dem Beschluss von Pa­ris in Wirklichkeit passiert ist. (Abg. Brunner: Ja, zum Beispiel in der ÖVP!) Da geht es nicht nur darum, dass wir eine Zieldefinition in der Senkung der Treibhausgasemissio­nen haben, sondern das bedeutet den kompletten Ausstieg aus den fossilen Energie­trägern, wie zum Beispiel Erdgas, Erdöl, Kohle und so weiter! (Abg. Pirklhuber: Das sagen wir die ganze Zeit!)

Das bedeutet aber eine Veränderung im Leben der Menschen. Das bedeutet eine Ver­änderung in der Produktion, wie sie viele noch nicht erfasst haben. Und: Die Schnell­schüsse, die jetzt von Ihrer Seite gemacht werden, sind nicht zielführend, sondern die­se gewaltige Veränderung in allen unseren Lebensbereichen kann nur Hand in Hand gehen. Dafür stehen wir, und das wird auch in Zukunft so sein. – Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Brunner: Haben Sie den Antrag verstanden?)

16.08


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Rauch. – Bitte.

 


16.09.05

Abgeordneter Walter Rauch (FPÖ): Frau Präsident! Hohes Haus! Frau Kollegin Brun­ner, ganz ehrlich: Sie sprechen von Dingen wie Wasserkraft, über Umwelt- und Klima­probleme. Dann schauen wir nach Graz: Was haben Sie da gemacht? – Ihre eigene Frak­tion stimmt gegen diese erneuerbaren Energien, gegen Wasserkraft. (Zwischenrufe bei den Grünen.) Also: Wein trinken und Wasser predigen, das geht nicht konform. Das ist nicht das, was Sie da im Endeffekt verkörpern sollten. (Beifall bei der FPÖ.)

Bleiben Sie ganz einfach bei der Wahrheit! Bleiben Sie bei der Wahrheit: Was machen Sie auf der einen Seite? – Und hier im Haus verkörpern Sie, praktizieren Sie und reden Sie etwas anderes. Das ist nicht fair, und das ist auch nicht in Ordnung gegenüber den Wählern und gegenüber den Bürgern in diesem Land.

Aber kommen wir zurück auf gestern! Der gestrige Umweltausschuss hat ja vieles ver­körpert: zwölf Anträge insgesamt, alle vertagt, bis auf einen gemeinsamen betreffend Palmöl. Dieses Thema werden wir vielleicht nächste Woche noch im Plenum haben.

Wofür stehen wir? – Wir haben Anträge eingebracht in Form von: Ausstieg aus dem Euratom-Vertrag. Alles auf dem Tisch! Im Umland von Österreich passieren Dinge in der Atomkraft, bei Atomkraftwerken, die ihresgleichen suchen. Österreich ist atomkraft­frei, und gleichzeitig wird da nichts unternommen. Nur Lippenbekenntnisse kommen sei­tens des Umweltministers, aber keine einzige Maßnahme, die wir bräuchten, um aus diesem Euratom-Vertrag aussteigen zu können.

Zweiter Antrag von uns: Schutz des Wassers in Österreich. Bitte, was hindert uns da­ran, dass wir diesen Antrag umsetzen, dass wir das in die Verfassung bringen, dass wir dort auch entsprechend mobilisieren, dass das als hoheitliches Gut in unserem Eigen­tum bleibt?

Nächster Punkt: gegen die Kohleverstromung. No na net, wer möchte das nicht? Jeder schaut jetzt ganz stur auf seinem Platz in die Zeitung oder ins Handy. Im Endeffekt sind das alles Umweltmaßnahmen, umweltpolitische Maßnahmen, die wir hier in Öster­reich national umsetzen können. Warum nicht?

Ein weiterer Punkt: der Emissionszertifikatehandel. Was ist da in den letzten Jahren passiert? – Die Wirtschaft wird belastet, sie muss zahlen. Je mehr sie ausstößt, desto


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mehr muss sie bezahlen. Okay, jetzt nehmen wir aber den Umkehrschluss: Was pas­siert mit diesem Geld? Welche umweltpolitische Maßnahme wird mit diesem Emis­sionszertifikatehandel umgesetzt? – Keine, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Da muss man ansetzen. Wir praktizieren Placebos, aber im Endeffekt, direkt bei der Umwelt, gibt es keinen einzigen Euro, der dafür bei diesem Zertifikatehandel ankommt. Das ist nicht in Ordnung. (Beifall bei der FPÖ.) Das ist nicht nur nicht in Ordnung, son­dern das gehört abgestellt, und deswegen haben wir auch diesem Pariser Abkommen nicht zugestimmt. Deswegen haben wir diesem Abkommen nicht zugestimmt, weil ge­nau diese CO2-neutrale Geschichte mit den Atomkraftwerken dadurch implementiert wird. (Abg. Brunner: Das stimmt doch nicht!) Genau das implementiert das, dass die­ser ... (Abg. Brunner: Haben Sie den Klimavertrag gelesen?)

Selbstverständlich, Frau Kollegin Brunner! Sie reden von zweierlei Dingen: auf der ei­nen Seite sagen Sie ja zur Wasserkraft, auf der anderen Seite stimmen Sie dagegen. (Abg. Brunner: Nein, das war ...!) Das ist das Entscheidende bei Ihnen, und dafür sind wir nicht zu haben. Wir schauen, dass wir definitiv in diesem Bereich nationale Lösun­gen finden müssen. Das ist, glaube ich, für uns das Wichtigste in dem Bereich. (Beifall bei der FPÖ.)

Ein weiterer Punkt, weil die E-Mobilität angesprochen wurde: Wissen Sie eigentlich, dass man, wenn man eine Tesla-Batterie erzeugt, mit dem gleichen CO2-Ausstoß acht Jahre lang mit einem Dieselfahrzeug fahren kann? (Abg. Pirklhuber: Natürlich!) Ist das in Ordnung?

Wir brauchen alternative Antriebsformen, in Form von Wasserstoff und auch anderen Alternativen. Da müssen wir auch Maßnahmen in Form der Mobilität setzen, dass wir umwelttechnisch Vorreiter werden können. Wir haben hier die Chance mit Green Jobs, wir haben hier auch die Chance mit ... (Abg. Brunner: Aber nicht von ungefähr!) – Selbst­verständlich. – Wir haben hier die Chance, in dem Bereich mit erneuerbaren Energien wirklich Arbeitsplätze zu schaffen. – In diesem Sinne: Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

16.13


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Pirklhu­ber. – Bitte.

 


16.13.54

Abgeordneter Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Pirklhuber (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Da­men und Herren! Man konnte aus den letzten Reden sehr gut heraushören, was die Zukunftspolitik in Österreich sein wird, wenn (nach rechts deutend) diese Reichshälfte hier die Regierung in diesem Land übernehmen wird, wenn Schwarz-Blau regiert: ein völlig inkonsistentes und nebuloses Konzept, das Sie hier vorführen. Kollege Rauch, Sie haben sich da völlig verdribbelt, und der Kollege Höfinger hat offensichtlich zu einem ganz anderen Antrag gesprochen.

Sie reden dauernd von Zielen, Kollege Höfinger, auch der Kollege Feichtinger. Und dann, wenn es darum geht, die Ziele festzulegen? – Das ist unser Antrag! Nämlich die Ziele für die Treibhausgasemissionen bis 2050 festzulegen, das ist Inhalt des Antrags. Und nichts mehr, es geht nicht um einzelne Umsetzungsmaßnahmen. Es geht um den Zielpfad, das möchten wir einmal klarstellen.

Warum ist das notwendig? – Meine Damen und Herren, Sie brauchen nur einmal auf die Homepage der Münchener Rückversicherung zu schauen. Das ist der weltweit größ­te Versicherer für Klimakatastrophen, Naturkatastrophen et cetera. Die haben eine ge­naue Analyse, und dass es weltweit ein Problem ist, sehen wir tagtäglich in der Presse. Wer hier also glaubt, noch irgendwelche Verunsicherungen herbeiführen zu können, dass


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es nicht zwingend die Politikaufgabe des 21. Jahrhunderts sei, hier eine offensive, eine gute, eine zukunftsweisende Politik zu machen, der hat in den letzten Jahren ganz ein­fach geschlafen.

Punkt eins: Klimavertrag von Paris. Punkt zwei: die Vereinten Nationen mit den Nach­haltigkeitszielen, auch vor Kurzem beschlossen. Da geht es um die Transformation un­serer Welt, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Meine Damen und Herren, auch dort eine der zentralen Forderungen: Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen. Das ist international vertraglich vereinbart. – So, das ist Faktum.

Wenn man jetzt in die Maßnahmen geht, dann haben wir auch eine ganze Liste von Vorschlägen, das ist aber nicht Teil dieses Antrags. Es ist jedoch klar, einige Punkte sind gekommen: ökologische Steuerreform, Stärkung des öffentlichen Verkehrs, ther­mische Sanierung endlich wieder ausbauen, auch in der Landwirtschaft Humusaufbau, biologischen Landbau ausbauen. Es gibt also ein ganzes Bündel von Umsetzungen, die man schon längstens hätte angehen können.

Minister Tatenlos, der Jäger aus Tirol und Herz-Jesu-Kämpfer, Herr Rupprechter: Was hat er gemacht, bitte? – Nichts hat er gemacht! Lippenbekenntnisse sind es, sonst gar nichts, und das ist einfach schauerlich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Wenn es darum geht, dass dieses Parlament aktiv wird, KollegInnen von SPÖ, ÖVP und FPÖ, auch al­le anderen Abgeordneten, die hier jetzt Ansagen machen: Bitte entscheiden wir hier den Zukunftspfad! Den können wir mit einer Fristsetzung entscheiden, dann haben wir das Thema nächste Woche im Plenum und können auch noch einmal verhandeln. Sie kön­nen ja dort einen Abänderungsantrag einbringen.

Unser Zielpfad ist ein linearer Zielpfad bis 2050 und entspricht unserer vertraglichen Vereinbarung von Paris. Meine Damen und Herren, was ist daran schlecht, wenn wir die Ziele feststellen? – Über den Weg, Kollege Sieber, Kollege Höfinger, können wir na­türlich, werden wir diskutieren und wird in der nächsten Legislaturperiode diskutiert wer­den müssen. Aber dass dieses Ziel angegangen und erreicht werden muss, darüber sollten wir eigentlich nicht streiten. Darüber sollte Klarheit in diesem Haus herrschen, eindeutige Klarheit! (Beifall bei den Grünen.)

Alles andere ist lächerlich. Meine Damen und Herren, es ist komisch, wenn man auf internationale Foren geht, dort Verträge unterzeichnet und dann zu Hause nicht bereit ist, die Schritte umzusetzen und den Zielpfad einmal festzulegen. Genau darum geht es. Denken heißt Überschreiten, meine Damen und Herren! Ein alt gewordener deut­scher Philosoph, Ernst Bloch, hat es immer wieder, bei all seinen Aktivitäten, in den Mund genommen, in die Foren eingebracht, in die Diskussion eingeworfen: Wir können nicht stehen bleiben in einer Welt, die vor so vielen Herausforderungen steht.

Der Klimawandel ist zweifellos eine der wesentlichen Quellen vieler, vieler Probleme, sozialer Verwerfungen, wirtschaftlicher Probleme, einer Umweltsituation, die dramatisch ist, global gesehen dramatisch. Wir haben viele Lösungskonzepte in Österreich. Wenn wir die Ratspräsidentschaft 2018 modern, erfolgreich und zukunftsorientiert angehen wol­len, sollten wir heute hier dieser Fristsetzung, werte Kolleginnen und Kollegen, alle zu­stimmen!

Denn das ist der Zielpfad, über den es keine Diskussion mehr geben kann, der Ziel­pfad, den wir international unterzeichnet haben. Wir fordern eigentlich nur die Politik, die zuständigen Ministerien auf, indem wir das ins Gesetz schreiben, dann auch die Maß­nahmen festzulegen, die Maßnahmen, damit dieser Zielpfad erreicht wird. Das wird ei­ne lange Diskussion werden, aber dieser Zielpfad sollte außer Streit stehen. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen.)

16.19


Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Bernhard. – Bitte.

 



Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 137

16.19.16

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Frau Präsidentin! Geschätzte Zuseherin­nen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es geht in diesem Antrag auf Fristsetzung um eine Vorgabe zur Reduktion von Treibhausgasen. CO2 ist das Stich­wort für mich.

Ich muss ehrlich sagen, dass die bisherigen Redebeiträge von manchen meiner Kolle­gen Umweltsprecher tatsächlich eine Beleidigung für die denkenden Menschen sind und auch der parlamentarischen Redlichkeit irgendwie nicht zuträglich sind. Denn eines muss man schon ganz klar sagen: Man muss zwar mit den Grünen in der Zielsetzung nicht übereinstimmen, aber wir haben uns in Paris dazu committet, bis 2050 aus den fossi­len Energieträgern auszusteigen. Jetzt legen sie einen Antrag vor.

Man muss auch sagen, die ÖVP hat alles verhindert, seit 2013, seit ich im Umweltaus­schuss bin (Beifall bei NEOS und Grünen), gab es keine einzige Reform, nichts, in kei­nem Bereich, auch nicht im Bereich des Klimawandels. Und der SPÖ kann man ankrei­den – da Kollege Feichtinger jetzt den großen Reformer gegeben hat –: Sie haben seit 2013 zugeschaut, Sie waren der Kopilot bei der Reformunwilligkeit im Umweltausschuss.

Wenn ich mich jetzt aber auf das Thema CO2-Emissionen konzentriere, möchte ich auch ein inhaltliches Feedback geben und ein paar Themen aufgreifen. Der erste Punkt ist, wir sprechen von ungefähr 80 Millionen Tonnen Emissionen, die wir tatsächlich pro Jahr ausstoßen. Diese verteilen sich folgendermaßen: 28 Millionen Tonnen sind im europäi­schen Handelssystem durch den Zertifikatehandel abgebildet und 48,2 Millionen sind es nicht. Das ist einmal die Grundlage, das heißt, wir reden in Österreich im Wesentli­chen von den 48,2 Millionen. Und da haben wir wiederum einen Anteil von 32 Prozent im Verkehr, vor allem im Individualverkehr. Und jetzt ist die Frage: Was können wir tun?

Es gibt ganz viele verschiedene Einzelmaßnahmen, aber ein Stichwort ist heute noch nicht gefallen, nämlich, dass unser Steuersystem in der Frage des Klimawandels nicht steuert. (Abg. Brunner: Das ist heute schon mehrmals gefallen!) Es ist so, dass wir ein Steuersystem haben, wo es, abgesehen von der Mineralölsteuer, keinen Unterschied macht, wie sehr man Ressourcen verschwendet. Und wir haben ein zweites Thema, das damit einhergeht, nämlich, dass wir fossile Energieträger im Wert von 17 Milliarden € importieren. Das ist eine Wertschöpfung, die wir ins Ausland abgeben. So weit, noch gut, wenn man an die globale Wirtschaft denkt, wenn man aber daran denkt, dass das hauptsächlich autoritäre Regime sind, unterstützen wir damit politische Prozesse, die wir NEOS nicht gut finden. Das kann man so sehr klar sagen.

Jetzt aber zur Frage, was wir tun können: Jammern allein ist nicht die richtige Idee, wenn man hier steht. Das Erste ist, tatsächlich diese ökologische Steuerreform anzu­gehen, und zwar in einem sehr klaren Schritt, nämlich, dass wir all jene Umweltsteuern einmal abschaffen, die heute keinen Lenkungseffekt haben, und gleichzeitig eine CO2-Steuer einführen.

Welche Steuern und Abgaben wären davon betroffen? Das wären zum einen die NoVA, zum anderen die Mineralölsteuer, die motorbezogene Versicherungssteuer, die Kfz-Steuer und die Erdgasabgabe.

Das macht alles in allem 8 Milliarden € aus – 8 Milliarden €, die dann tatsächlich einen Lenkungseffekt haben, wenn wir das als CO2-Steuer einführen; in einer ersten Phase. Da reden wir noch nicht davon, dass wir einen großen Umbau in der Nutzung der Ge­sellschaft haben, aber wir reden einmal davon, dass wir das, was wir den Menschen abnehmen, dort abnehmen, wo es auch einen Wirkungseffekt hat.

Jetzt kommt das zweite große Ziel, denn, wenn wir bis 2050 in unserer Gesellschaft einen Wandel wollen, dann muss es weitergehen. Und es gibt eine zweite große Un­gerechtigkeit, nämlich, dass wir im Bereich der Besteuerung von Arbeit bedeutend über


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dem europäischen Niveau liegen, und im Bereich der Ressourcenbesteuerung deutlich darunter.

Was wäre also hier ganz konkret zu tun? – Dass wir auf der einen Seite nach der Um­setzung der ersten Phase in einer zweiten Phase die CO2-Steuer erhöhen und im glei­chen Ausmaß die Lohnsteuern reduzieren. (Abg. Brunner: Wir kennen das Konzept schon!) Das bedeutet, dass jedem Menschen ganz grundsätzlich mehr Geld im Geld­börsel bleibt, aber dass dann, wenn man sich entscheidet – aus welchem Grund auch immer –, Ressourcen überdurchschnittlich zu verwenden, sich dieses Einkommen auch wieder reduziert. Man hat es also selbst in der Hand und braucht nicht Vater Staat da­zu, der von allen Seiten nimmt.

Die Kritik, die dann oft kommt, lautet, das sei träumerisch und nicht umsetzbar. Es ist seit Langem bewiesen, dass es funktioniert, ich möchte hier das Beispiel Schweden an­führen (eine Tafel, auf der ein Kurvendiagramm dargestellt ist, in die Höhe haltend), liebe Kollegen. Man sieht am oberen Teil bei der blauen oder roten Linie das Wirtschafts­wachstum (Abg. Pirklhuber: Schweden ist ein Nachzügler bei der Ökosteuer!) in Schwe­den, wo es 68 Prozent Wachstum gegeben hat, und in Österreich 58 Prozent, gerech­net ab dem Jahr 1990, und gleichzeitig sind die Emissionen in Österreich um 6 Prozent gestiegen und in Schweden um 25 Prozent gefallen.

Wir können als dieses Parlament ganz klare Schritte setzen. Wir dürfen nur nicht mehr so klein denken, wir müssen große Konzepte denken und wir müssen den Mut haben, diese großen Konzepte umzusetzen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.)

Mein Abschlusssatz, Frau Präsidentin: Es liegt in unserer Hand, dass wir in der nächs­ten Legislaturperiode tatsächlich große Konzepte in diesem Land umsetzen, und zwar solche, die den Menschen auch wirklich dienen. – Danke. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Moser.)

16.24

16.24.50

 


Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Mag. Stein­hauser, Kolleginnen und Kollegen, dem Umweltausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2271/A der Abgeordneten Mag. Brunner, Kolleginnen und Kollegen betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Klimaschutzgesetz geändert wird, eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für den Fristsetzungsantrag sind, um ein Zei­chen. – Das ist die Minderheit und somit abgelehnt.

16.25.19Abstimmung über Fristsetzungsanträge

 


Präsidentin Doris Bures: Wir kommen nunmehr zu den Abstimmungen über die 16 Fristsetzungsanträge, die zu Sitzungsbeginn bereits verteilt wurden.

Ich werde über jeden Fristsetzungsantrag einzeln, in der Reihenfolge der Beantragung unter Nennung des Ausschusses sowie der Nummer des jeweiligen Antrages abstim­men lassen.

Wir kommen zu den fünf Fristsetzungsanträgen der Abgeordneten Mag. Steinhauser, Kolleginnen und Kollegen.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über Beilage E, dem Verfassungsausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2272/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu set­zen.


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Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Beilage F, dem Verfassungsausschuss zur Bericht­erstattung über den Antrag 2276/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Beilage G, dem Verfassungsausschuss zur Bericht­erstattung über den Antrag 2277/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Beilage H, dem Rechnungshofausschuss zur Be­richterstattung über den Antrag 2275/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer ist hierfür? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über Beilage I, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 1366/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir gelangen nun zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Spindelberger, Kolleginnen und Kollegen, Beilage J, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Be­richterstattung über den Antrag 2305/A eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Königsberger-Lud­wig, Kolleginnen und Kollegen, Beilage K, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 2309/A eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist die Mehrheit. Angenommen.

Wir kommen zu zwei weiteren Fristsetzungsanträgen, nämlich der Abgeordneten Mu­chitsch, Kolleginnen und Kollegen.

Wir beginnen mit der Abstimmung über Beilage L, dem Ausschuss für Arbeit und So­ziales zur Berichterstattung über den Antrag 2308/A eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist einstimmig angenommen.

Wir gelangen zur Abstimmung über Beilage M, dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Berichterstattung über den Antrag 2304/A eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu set­zen.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Jetzt kommen wir zu fünf weiteren Fristsetzungsanträge der Abgeordneten Mag. Be­cher, Kolleginnen und Kollegen.

Wir beginnen mit Beilage N, dem Bautenausschuss zur Berichterstattung über den An­trag 2313/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Beilage O, dem Bautenausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 2314/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich für diese Fristsetzung aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Beilage P, dem Bautenausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 2315/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer ist hierfür? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 140

Wir gelangen zur Abstimmung über Beilage Q, dem Bautenausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 2316/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich dafür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Wir gelangen zur Abstimmung über Beilage R, dem Bautenausschuss zur Berichter­stattung über den Antrag 2318/A eine Frist bis 10. Oktober 2017 zu setzen.

Wer ist hierfür? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

Jetzt gelangen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Lueger, Kolle­ginnen und Kollegen, Beilage S, dem Ausschuss für Konsumentenschutz zur Berichter­stattung über den Antrag 2284/A eine Frist bis 5. Oktober 2017 zu setzen.

Ich bitte jene Damen und Herren, die für diese Fristsetzung sind, um ein Zeichen der Zustimmung. – Das ist mit Mehrheit angenommen.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Hakel, Kol­leginnen und Kollegen, Beilage T, dem Kulturausschuss zur Berichterstattung über den Antrag 2310/A eine Frist bis 11. Oktober 2017 zu setzen.

Wer spricht sich hierfür aus? – Das ist die Minderheit. Abgelehnt.

16.30.39Verlesung eines Teiles des Amtlichen Protokolls

 


Präsidentin Doris Bures: Es liegt mir das schriftliche Verlagen von 20 Abgeordneten vor, die vorgesehene Fassung des Amtlichen Protokolls dieser Sitzung des Nationalra­tes hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 2 und 3 zu verlesen, damit diese Teile mit Schluss der Sitzung als genehmigt gelten.

Ich verlese nunmehr die entsprechenden Teile des Amtlichen Protokolls:

„TOP 2:

Es liegt ein Verlangen auf getrennte Abstimmung vor.

Der im Antrag 2285/A enthaltene Gesetzentwurf wird in zweiter Lesung in getrennter Abstimmung und in dritter Lesung angenommen.

TOP 3:

Die Abgeordneten Brunner, Kolleginnen und Kollegen bringen den Abänderungsantrag ein.

Der Abänderungsantrag wird abgelehnt.

Der im Antrag 2286/A enthaltene Gesetzentwurf wird in zweiter und dritter Lesung an­genommen.“

*****

Erheben sich Einwendungen gegen die Fassung oder den Inhalt dieser verlesenen Tei­le des Amtlichen Protokolls? – Das ist nicht der Fall.

Diese Teile des Amtlichen Protokolls gelten daher gemäß § 51 Abs. 6 der Geschäfts­ordnung mit Schluss dieser Sitzung als genehmigt.

16.32.19Einlauf

 


Präsidentin Doris Bures: Ich gebe bekannt, dass in der heutigen Sitzung die Selb­ständigen Anträge 2321/A(E) bis 2331/A(E) eingebracht worden sind.

*****


Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll197. Sitzung, 4. Oktober 2017 / Seite 141

Die nächste Sitzung des Nationalrates, die geschäftsordnungsmäßige Mitteilungen und Zuweisungen betreffen wird, berufe ich für 16.33 Uhr – das ist gleich im Anschluss an diese Sitzung – ein.

Diese Sitzung ist geschlossen.

16.32.45Schluss der Sitzung: 16.32 Uhr

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien