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Bundeskanzleramt
Ballhausplatz 2
1014 Wien

 

BMF - I/4 (I/4)
Johannesgasse 5
1010 Wien

Sachbearbeiterin:
Mag. Ottilie Hebein
Telefon +43 1 51433 501165
Fax +43 1514335901165
e-Mail Ottilie.Hebein@bmf.gv.at
DVR: 0000078

GZ. BMF-110500/0009-I/4/2014

 

 

 

Betreff:

Zu GZ. BKA-601.999/0001-V/1/2014 vom 25. März 2014

Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird;

Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen

(Frist: 7. Mai 2014)

 

 

Das Bundesministerium für Finanzen beehrt sich, zu dem unter der Geschäftszahl
BKA-601.999/0001-V/1/2014 zur Begutachtung übermittelten Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz geändert wird, binnen offener Frist wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Einleitend wird festgehalten, dass die Bemühungen der Bundesregierung in ihrem Arbeitsprogramm für 2013-2018 staatliches Handeln transparenter und offener zu gestalten grundsätzlich begrüßt werden. Der vorliegende Gesetzesentwurf erscheint jedoch in mehrfacher Hinsicht präzisierungsbedürftig: 

 

 

Beispielsweise stellen sich folgende Abgrenzungsfragen:

Die gewählte Formulierung „Informationen von allgemeinem Interesse“ tendiert zur extensiven Interpretation: so könnten darunter beispielsweise der Name, die Dienststelle, die Telefonnummer, die e-Mailadresse sowie das Bild von Mitarbeitern subsumiert werden, was bei verdeckten Organisationseinheiten nicht zweckmäßig erscheint.

 

Unklar ist auch, ob eine an eine nachgeordnete Behörde gerichtete Weisung oder Erlässe, die Rechtsmeinungen des Bundesministeriums für Finanzen oder der bundesweiten Fachbereiche wiedergeben, zu veröffentlichen sind. Ebenso fraglich ist, ob eine Mitteilung der Rechtsansicht der Oberbehörde im Sinne der grundsätzlichen Weisungsgebundenheit der Verwaltung „von allgemeinem Interesse“ ist. Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen sollte klargestellt werden, dass nur Tatsacheninformationen (nicht etwa Rechtsauskünfte u.ä.) auskunftsgegenständlich sind.

 

Festgehalten wird ferner, dass Erlässe betreffend die Ablauforganisation (z.B. Festlegung des Zusammenarbeitsprozesses zwischen Betriebsprüfung und der Finanzbehörde) nicht das allgemeine Interesse berühren. Ebenso wird davon ausgegangen, dass in konkreten Verfahren zur Sachverhaltsermittlung erstellte Sachverständigengutachten sowohl aus Gründen des Datenschutzes als auch als der Vorbereitung einer Entscheidung dienend, nicht unter die Veröffentlichungspflicht fallen.

 

Unter „Tätigkeitsberichte“ können jedenfalls nicht Tätigkeitsberichte des (weisungsgebundenen) Staatskommissärs gemäß § 76 Abs. 8 BWG gegenüber der FMA gemeint sein.

 

Fraglich erscheint auch, ob bspw. bei behördeninternen Ausschreibungen jedermann Zugang zu dieser Information zu gewähren ist und welche Konsequenzen daraus resultieren (ausgegangen wird von einer erhöhten Begründungspflicht für die Ressorts). Zudem, ob die Vertraulichkeit von Gutachten (die nach dem Wortlaut des Art 22a Abs. 1 B-VG-Entwurf als Information von allgemeinem Interesse zu veröffentlichen wären) im Zusammenhang mit getroffenen Personalentscheidungen weiterhin bestehen bleibt oder die Bekanntgabe der Namen und einer Reihung der Bewerber künftig unter veröffentlichungspflichtige Informationen fällt. Da die einfachgesetzlichen Ausführungsbestimmungen (siehe Art 22a Abs. 4 B-VG-Entwurf) noch zu erlassen sind, herrscht diesbezüglich Unklarheit.

 

Weiters wäre zu regeln, dass öffentlich zugängliche Informationen nicht zusätzlich Gegenstand eines individuellen Auskunftsrechts sind.

 

 

 

 

 

 

Ad)    Ausnahmeregelung Unionsrecht:

Geheimhaltungsvorschriften sowie Ausnahmen davon können auch auf Grund von Vorschriften der Europäischen Union vorgesehen sein, z.B. im Bereich des Finanzmarktaufsichtsrechtes oder im Zollbereich.

 

Zahlreiche unionsrechtliche Geheimhaltungspflichten der Finanzmarktaufsichtsbehörden und der von diesen beauftragten Wirtschaftsprüfer finden sich in diversen einschlägigen Richtlinien und Verordnungen. Deshalb wären in Art. 22a B-VG jedenfalls als Ausnahmeregelung vom Informationszugangsrecht auch „(Geheimhaltungs-)Vorschriften der Europäischen Union“ aufzunehmen. Eine effektive europäische Zusammenarbeit zwischen den Aufsichtsbehörden in der Europäischen Union wäre ohne ausdrückliche Anerkennung von Geheimhaltungspflichten nicht möglich (z.B. die Zusammenarbeit zwischen diversen Aufsichtskollegien bei grenzüberschreitender Tätigkeit großer Kreditinstitute).

 

Neben der Finanzmarktaufsichtsbehörde können auch für das Finanzmarktstabilitätsgremium nach § 13 ff Finanzmarktaufsichtsbehördengesetz auf Grund gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften im Rahmen der Mitwirkung in der Bankenunion (EZB, ESRB) bzw. der makroprudentiellen Aufsicht Vertraulichkeitsvorschriften gelten , was entsprechend zu berücksichtigen wäre.

 

Im Zollbereich sieht etwa die Geschäftsordnung des Ausschusses für den Zollkodex vor, dass die Beratungen des Ausschusses vertraulich sind und Dokumente im Rahmen des Ausschusses soweit vertraulich sind, als nicht aufgrund bestimmter unionsrechtlicher Rechtsvorschriften der Zugang dazu zu gewähren ist oder die Kommission diese Dokumente veröffentlicht.

 

Ad)    Ausnahmeregelung völkerrechtliche Verträge:

Durch eine Ausnahmeregelung von der Informationsverpflichtung aufgrund völkerrechtlicher Verträge sollte in eindeutiger Weise klar gestellt sein, dass von der Geheimhaltungspflicht auch jene Informationen erfasst sind, die auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen und vergleichbaren völkerrechtlichen Verträgen über die internationale Amtshilfe ausgetauscht werden und deren Offenlegung gegenüber Dritten durch völkerrechtliche Bestimmungen verwehrt ist.

 

Aus den oben dargelegten Erwägungen wird daher angeregt, in Art. 22a Abs. 2 des Entwurfes folgende Formulierung aufzunehmen:

        „…durch Bundes- oder Landesgesetz, völkerrechtlichen Vertrag oder                  Vorschriften der Europäischen Union…“.

 

Im Übrigen wird davon ausgegangen, dass Beratungen in internationalen und bilateralen Gremien (Europäische Kommission samt allen Ausschüssen, OSZE, UN, usw.) samt den dafür zirkulierten Dokumenten durch die Formulierung „zur Vorbereitung einer Entscheidung“ (= Beratung) umfasst sind.

 

 

Jedenfalls birgt die Einräumung eines Rechtes auf Information, losgelöst von einem allfälligen rechtlichen Interesse und ohne Vorsehung eines Kostenersatzes, die Gefahr einer schrankenlosen Inanspruchnahme. Im Bereich des Datenschutzrechtes wurde etwa lediglich das erste von mehreren innerhalb eines Jahres gestellten Auskunftsersuchen von der Entgeltspflicht ausgenommen und für alle weiteren ein pauschalierter Kostenersatz festgelegt, von dem bei tatsächlich erwachsenden höheren Kosten auch abgewichen werden darf. Die Einhebung einer Gebühr für Informationsbegehren bzw. eine Deckung der entstehenden Kosten sowie die Anwendbarkeit des § 35 AVG (Mutwillenstrafen) sollte daher in die weiteren Überlegungen zum gegenständlichen Gesetzesvorhaben mit einbezogen werden.

 

 

 

 

 

 

Zur Abschätzung der finanziellen Auswirkungen:

Inwieweit die von der Veröffentlichungspflicht gemäß Art. 22a Abs. 1 B-VG-Entwurf umfassten Informationen bereits derzeit veröffentlicht werden, kann nicht abgeschätzt werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass mit der vorliegenden Neuregelung sehr wohl ein erheblicher finanzieller Mehraufwand verbunden ist, zumal der Veröffentlichungspflicht jedes Organ – insbesondere der Bundesverwaltung – unterliegen soll. Auch die Pflege veröffentlichter Daten bedeutet einen gewissen Aufwand. Die vorgesehene bescheidmäßige Absprache über nicht erteilte Auskünfte samt Rechtsmittel zum Verwaltungsgericht erhöht den Verwaltungsaufwand noch erheblich.

Für den Bereich der Finanzverwaltung ist mit Auslegungsschwierigkeiten aufgrund unbestimmter Gesetzesbegriffe sowie vermehrter Auskunftsverlangen der Bürgerinnen und Bürger zu rechnen, sodass hier jedenfalls von einem höheren Personaleinsatz und daraus resultierenden Mehrkosten auszugehen ist.

 

Die Abschätzung der finanziellen Auswirkungen entspricht somit nicht den Anforderungen der WFA-Finanzielle-Auswirkungen-Verordnung (BGBl. II Nr. 490/2012). Obwohl finanzielle Auswirkungen zu erwarten sind, wurde keine Darstellung vorgenommen. Gemäß § 17 Abs. 4 BHG 2013 sind finanzielle Auswirkungen immer wesentlich und eine Darstellung auf die öffentlichen Haushalte ist vorzunehmen. Das Bundesministerium für Finanzen hält fest, dass zusätzliche Mittel jedenfalls nicht zur Verfügung stehen.

 

Weiters wird davon ausgegangen, dass die entsprechenden Informationen nicht auf einer zentralen Stelle des jeweiligen Organs konzentriert werden müssen (z.B. auf der Homepage des BMF). Beispielsweise müssen Statistiken, die für das Bundesministerium für Finanzen von der Statistik Austria erhoben und veröffentlicht werden, nicht verpflichtend noch zusätzlich auf der Homepage des Bundesministeriums für Finanzen veröffentlicht werden, um Doppelgleisigkeiten und zusätzliche Kosten zu vermeiden.

 

Inwieweit die Änderung der Bestimmung zur Amtsverschwiegenheit gemäß Art. 22a Abs. 2 des Entwurfs zu einem zusätzlichen Aufwand führt, kann nicht abgeschätzt werden. Nähere Ausführungen hierzu erscheinen angebracht. Unklar ist auch, wie der Zugang zu den Informationen zu gestalten ist. Das Bundesministerium für Finanzen hält fest, dass zusätzliche Mittel jedenfalls auch hierfür nicht zur Verfügung stehen.

 

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes wird zusammenfassend ersucht, die wirkungsorientierte Folgenabschätzung entsprechend der vorliegenden Stellungnahme anzupassen und rechtzeitig vor Einbringung in den Ministerrat erneut an das Bundesministerium für Finanzen zu übermitteln.

 

Zur Abschätzung der Auswirkungen auf Verwaltungskosten für Bürgerinnen und Bürger sowie für Unternehmen:

Aus Sicht des Bundesministeriums für Finanzen verändert der gegenständliche Entwurf bestehende Informationsverpflichtungen für Bürgerinnen und Bürger. Die mit den Anpassungen einhergehende Änderung der Verwaltungslasten liegt lt. der vorliegenden Aussage unter der Wesentlichkeitsgrenze der WFA. Quantitative Aussagen über die Parameter, auf denen diese Einschätzung beruht, fehlen jedoch. 

 

Der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramtes wird daher ersucht, die Darstellung der Verwaltungskosten um eine Angabe zu den quantitativen Annahmen zu ergänzen und die WFA erneut an das Bundesministerium für Finanzen zu übermitteln.

 

Das Bundesministerium für Finanzen ersucht um entsprechende Berücksichtigung der vorliegenden Stellungnahme. Dem Präsidium des Nationalrates wurde diese Stellungnahme in elektronischer Form zugeleitet.

 

 

07.05.2014
Für den Bundesminister:
Mag. Heidrun Zanetta
(elektronisch gefertigt)