Stenographisches Protokoll

625. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 18. April 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier

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625. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 18. April 1997

Dauer der Sitzung

Freitag, 18. April 1997: 12.02 – 14.26 Uhr

15.01 – 16.41 Uhr

*****

Tagesordnung

Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG)

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Nachwahlen in den Bundesrat 4

Unterbrechung 34

Personalien

Entschuldigungen 4

Nationalrat

Gesetzesbeschluß 5

Bundesregierung

Vertretungsschreiben 4

Ausschüsse

Zuweisungen 5

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Euro-Propaganda (1278/J-BR/97)

Begründung: Dr. Susanne Riess-Passer 34

Beantwortung: Staatssekretär Dr. Wolfgang Ruttensdorfer 36

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 37

Gottfried Jaud 39


Bundesrat
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625. Sitzung / Seite 2

Karl Drochter 40

DDr. Franz Werner Königshofer 42

Irene Crepaz 47

Dr. Paul Tremmel 48

Mag. John Gudenus 51

Verhandlungen

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (503 und 657/NR sowie 5428/BR d. B.)

Berichterstatter: Ing. Walter Grasberger 6

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Michael Rockenschaub 6 und 32

Dr. Vincenz Liechtenstein 8

Albrecht Konečny 10 und 33

Dr. Reinhard Eugen Bösch 13

Mag. Gerhard Tusek 14

Dr. Paul Tremmel 16

Erhard Meier 18

Ludwig Bieringer 21

Dr. Peter Böhm 22

Mag. John Gudenus 24

Dr. Michael Ludwig 27

Bundesminister Dr. Werner Fasslabend 29

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 34

Eingebracht wurden

Berichte

22978-23543-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Euro-Propaganda (1278/J-BR/97)

der Bundesräte Alfred Gerstl und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Lehrplanstellen im Wirkungsbereich des Wissenschaftsministeriums (1279/J-BR/97)

der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend neuer Dienst-PKW für PTA-Personalausschußobmann (1280/J-BR/97)

der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend neuer Dienst-PKW für PTA-Personalausschußobmann (1281/J-BR/97)


Bundesrat
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625. Sitzung / Seite 3

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend Krankenanstalt Mehrerau – Benachteiligung privater Krankenanstalten im neuen System der Krankenanstaltenfinanzierung (1282/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Paul Tremmel, Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Inneres Hr. Mag. Schlögl betreffend Herstellung und Versand von Drucksorten im Zusammenhang mit der Durchführung von Wahlen, Volksbegehren und anderen Volksentscheiden (1283/J-BR/97)

der Bundesräte Peter Rieser und Kollegen an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten betreffend Rundfunk-Übertragungseinrichtungen in Straßentunneln (1284/J-BR/97)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch (1163/AB-BR/97 zu1258/J-BR/97)


Bundesrat
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625. Sitzung / Seite 4

Beginn der Sitzung: 12.02 Uhr

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich eröffne die 625. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 624. Sitzung des Bundesrates vom 10. April 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Karl Wöllert, Karl Pischl, Peter Rodek, Franz Richau und Dr. Peter Harring.

Einlauf

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ein Schreiben der Ersten Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages betreffend Nachwahlen in den Bundesrat.

Ich ersuche die Frau Schriftführerin höflich um Verlesung dieses Schreibens.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Die erste Präsidentin des Oberösterreichischen Landtages Angela Orthner

Nachwahlen zum Bundesrat

Sehr geehrte Damen und Herren!

1. Es wird mitgeteilt, daß das an 6. Stelle in den Bundesrat entsandte Ersatzmitglied Univ.-Prof. Dr. Irene Dyk auf ihre Ersatzmitgliedschaft im Bundesrat mit Wirkung vom 10. April 1997 (mit Ablauf des 9. April 1997) verzichtet hat. Der Oberösterreichische Landtag hat in seiner Sitzung am 10. April 1997 gemäß Artikel 35 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und gemäß Artikel 29 des O.ö. Landes-Verfassungsgesetzes 1991 Landtagsabgeordnete Anna Eisenrauch, geb. 24. Jänner 1947, 4600 Wels, Am Rosenhag 17, als neues Ersatzmitglied des Bundesrates, und zwar an 6. Stelle, gewählt.

2. Der Oberösterreichische Landtag hat am 10. April 1997 weiters eine Umreihung bei den von Oberösterreich an 1. und 7. Stelle gewählten Mitgliedern und Ersatzmitgliedern vorgenommen. Das bisher an 1. Stelle entsandte Mitglied Anton Hüttmayr sowie dessen Ersatzmann LAbg. Josef Fill wurde an die 7. Stelle und das bisher an 7. Stelle gereihte Mitglied des Bundesrates Dr. Günther Hummer sowie dessen Ersatzmann LAbg. Werner Zimmerberger wurden an 1. Stelle gereiht.

Kopien der diesbezüglichen Verzichtserklärungen sind in der Anlage angeschlossen.

Mit freundlichen Grüßen!

Angela Orthner"

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist weiters eine Anfragebeantwortung, die den Anfragestellern übermittelt wurde.

Die Anfragebeantwortung wurde vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind zwei Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Ministervertretungen, die den heutigen Tag betreffen.

Ich ersuche die Schriftführerin höflich um Verlesung dieser Schreiben.

Schriftführerin Helga Markowitsch: "Republik Österreich, Bundeskanzleramt


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625. Sitzung / Seite 5

Der Herr Bundespräsident hat am 15. April 1997, Zl. 300.100/51-BEV/97, folgende Entschließung gefaßt:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Johann Farnleitner am 17. April den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein, am 18. und 19. April die Bundesministerin für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten Elisabeth Gehrer und am 20. April 1997 den Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek mit der Vertretung."

Das zweite Schreiben lautet:

"Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie Dr. Martin Bartenstein innerhalb des Zeitraumes vom 8. bis 10. April 1997 den Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend und innerhalb des Zeitraumes vom 18. bis 20. April 1997 den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer mit der Vertretung.

Hievon beehre ich mich, mit dem Ersuchen um gefällige Kenntnisnahme Mitteilung zu machen.

Für den Bundeskanzler:

Ministerialrat Dr. Wiesmüller"

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Frau Bundesrätin Dr. Riess-Passer betreffend Euro-Propaganda an den Herrn Bundesminister für Finanzen vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Einlauf und Zuweisung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt sind ferner Berichte (22978 bis 23543-EU) über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e Bundes-Verfassungsgesetz. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit den Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsichtnahme aufliegen.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Eingelangt ist ein Beschluß des Nationalrates, der Gegenstand der heutigen Tagesordnung ist.

Ich habe diesen Beschluß dem Ausschuß für Verfassung und Föderalismus zur Vorberatung zugewiesen. Der genannte Ausschuß hat seine Vorberatung darüber abgeschlossen und einen schriftlichen Ausschußbericht erstattet.

Im Hinblick darauf sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, von der 24stündigen Aufliegefrist des Ausschußberichtes Abstand zu nehmen, habe ich diesen Beschluß auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.


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625. Sitzung / Seite 6

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist des gegenständlichen Ausschußberichtes einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit .

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Beschluß des Nationalrates vom 17. April 1997 betreffend ein Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG) (503 und 657/NR sowie 5428/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zu deren einzigem Tagesordnungspunkt, nämlich ein Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland (KSE-BVG).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Ing. Walter Grasberger übernommen. Ich ersuche ihn höflich um den Bericht.

Berichterstatter Ing. Walter Grasberger: Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Ich komme zur Verlesung des Berichtes des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus:

Angesichts der jüngsten internationalen Entwicklungen erweist sich der sachliche Anwendungsbereich des geltenden Bundesverfassungsgesetzes über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen als zu eng.

Der vorliegende Beschluß des Nationalrates sieht daher vor, unter anderem folgende Anliegen zu verwirklichen:

Entsendung von einzelnen Personen,

Entsendung auf Ersuchen eines Staates um Hilfeleistung in Katastrophenfällen oder im Rahmen von Such- und Rettungsdiensten,

Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik,

Teilnahme an den im Ausland stattfindenden Übungen und Ausbildungsvorhaben im Rahmen der NATO-"Partnerschaft für den Frieden",

Durchführung von Übungen und Ausbildungsvorhaben im Bereich der militärischen Landesverteidigung im Ausland,

prompte Entsendung zur Hilfeleistung in besonders dringlichen Situationen,

befristete Fortsetzung von zeitlich begrenzten Entsendungen ohne vorherige Einvernehmensherstellung mit dem Hauptausschuß des Nationalrates.

Der Ausschuß für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 18. April 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub. Ich erteile es ihm.

12.10

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Hohen Haus! Mit Albanien haben wir einen neuen Brandherd vor den Toren der


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Europäischen Union. Wieder einmal ist eine Lunte ans Pulverfaß Südosteuropa gelegt worden. Ein militärischer Einsatz von außen ist grundsätzlich berechtigt. Es ist aber mit der Federführung durch Italien keine besonders taktische Meisterleistung gelungen.

Meine Damen und Herren! Seit Jahren hat Österreich bei derartigen Fragen Probleme mit der Interpretation seiner Neutralität. Die heutige Gesetzesvorlage, die einen militärischen Einsatz in Albanien legistisch ermöglichen soll, spiegelt meines Erachtens wieder einmal eine bedenkliche Verfassungskultur wider. Ich bedauere, daß Professor Schambeck heute nicht auf der Rednerliste steht.

Wir haben es bei diesem Gesetzesbeschluß mit einer Anlaßgesetzgebung im Emmentaler-Prinzip zu tun: Auf ein Loch mehr oder weniger in der Bundesverfassung soll es nicht ankommen. – Es ist ein unwürdiges Schauspiel, das die Mehrheit in diesem Haus mit der Neutralität aufführt. Die Neutralität hätte wahrlich einen ehrenvollen Abschied verdient, denn sie hat uns Jahrzehnte gute Dienste geleistet. Die Sozialdemokraten gehen mit der Neutralität um wie mit dem "Konsum": lange Zeit Mauern aufbauen, Beruhigungspillen verteilen, aber ein böses Erwachen zum Schluß. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung immer mehr zunimmt.

Die heutige Vorlage sollte man lieber Neutralitäts-Beliebigkeitsgesetz nennen. Mir kommt es vor, als ob da ein goldenes Kalb aufgebaut wird – ein goldenes Kalb namens Neutralität, das durch den Klubobmann der ÖVP, Dr. Khol, im Nationalrat bereits vor zwei Jahren in das Museum wörtlich verabschiedet wurde. Dieses goldene Kalb befindet sich de facto bereits im Museum, es wird nur fallweise aus dem Museum herausgeholt, und zwar dann, wenn man es zum Tanz benötigt, dann, wenn beispielsweise gerade ein Parteitag der Sozialdemokraten stattfindet. Nach Abhalten derartiger Veranstaltungen und Proklamationen wird es wieder in das Museum zurückgestellt und kann dort von einschlägig Interessierten bewundert, beklatscht oder auch angehimmelt werden.

Wir haben es darüber hinaus wiederum mit einem schlechten Beispiel des sogenannten Koalitionsturbos zu tun – eines Koalitionsturbos, der ebenfalls vom Klubobmann Khol verkündet wurde. Die Mechanismen dieses Turbos sind immer dieselben, so auch diesmal: jahrelanges Verdrängen – Phase 1, monatelange Beratungen – Phase 2. Die Phase 3 ist diesmal ganz rasch gelaufen, denn jetzt gibt es sogar eine Sondersitzung des Bundesrates, weil man in der gegebenen Zeit nichts weitergebracht hat. Warum brauchen wir diese Sondersitzung? – Offensichtlich, um eine internationale Blamage zu vermeiden. Das nenne ich wirklich Regierungsarbeit mit "Weitblick", meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Freiheitlichen sind der Meinung, daß die richtige und einzige Lösung ein NATO-Beitritt ist. Die Verhandlung mit der NATO diesbezüglich sollte möglichst rasch und gezielt aufgenommen werden. Warum? – NATO und WEU sind doch in Wahrheit nicht voneinander trennbar. Wir Freiheitlichen sagen das seit Jahren. Aber es wird von seiten der Koalition bestritten. Das dürfte aber dennoch heute die wohl einhellige Überzeugung sein, auch wenn es so manche noch nicht wagen, es öffentlich zu äußern.

NATO-Beitritt – warum noch? – Stellen wir doch die Sicherheit Österreichs vor veraltete Ideologien. Die Nachbarstaaten im Osten Österreichs wollen in die NATO. Wir erhalten in der NATO ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis für die Sicherheit Österreichs und könnten endlich klare Rechtsgrundlagen schaffen und damit überfällige Hausaufgaben erledigen. Wie ich schon gesagt habe: Verabschieden wir offiziell die Neutralität in allen Ehren!

Die Diskussion um die Neutralität begann bereits im Jahre 1990. Damals haben die Freiheitlichen mit ihrem Obmann an der Spitze die Diskussion über die Neutralität eingemahnt und gesagt: Nun heißt es wohl Solidarität vor Neutralität! Vier Jahre lang, bis zum Jahre 1994, hat es gedauert, bis sich Bundespräsident Dr. Klestil diesem Gedankengut anschließen konnte. Im Jahre 1995 hat ÖVP-Klubobmann Khol umgeschwenkt. Im Jahre 1996 kam mit Dr. Cap der erste prominente Sozialdemokrat, der sich in die Reihe der Umdenker stellte. Und im Jahre 1997, ganz aktuell, hat es sogar ÖVP-Vizekanzler Dr. Schüssel geschafft. Bundeskanzler Klima


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weiß natürlich um die Richtigkeit dieser Argumentation, darf sie aber in der Öffentlichkeit bis auf weiteres nicht vertreten.

Schauen wir uns einmal an, was Anfang der neunziger Jahre, als wir Freiheitlichen in bezug auf die Neutralität das Umdenken eingemahnt haben, gesagt wurde!

Nationalratspräsident Fischer hat gemeint, daß sich Haider wieder einmal als unüberlegter Sprücheklopfer erwiesen habe, dem man die Interessen des Landes keinesfalls übertragen dürfe.

ÖVP-Klubobmann Khol hat noch im Jahre 1991 gemeint, Haiders Neutralitätsäußerung strotze vor Unwissenheit. – Diese Aussage könnte er heute gegen sich selbst richten.

Der damalige ÖVP-Obmann Riegler hat gemeint, die Äußerungen Haiders zur Neutralität seien Dilettantismus in Reinkultur. – Ich meine, Dilettantismus in legistischer Reinkultur erleben wir diese Woche im Parlament. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Dem kritischen Beobachter der politischen Szene sticht natürlich auch ins Auge, in welch unerhörter Weise vor der EU-Volksabstimmung zu diesem Thema gelogen wurde. So hat damals die zuständige Europa-Staatssekretärin Ederer in großen Worten verkündet, die Neutralität soll bleiben – das wird ja von der linken Seite dieses Hauses heute noch immer behauptet –, weiters keine WEU und kein Schengener Abkommen. Letzterer Punkt ist wohl endgültig zusammengebrochen. Aber das Ganze paßt ja in diese Verdrängungsmaschinerie und in diese, so möchte ich sagen, unehrliche Politik des Darüber-Schwindelns hinein.

Der Name dieser heutigen Vorlage, nämlich das Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland, weist schon darauf hin, daß gewisse gedankliche Turbulenzen innerhalb der Turbo-Koalition Platz gegriffen haben müssen, denn sonst wäre man auf einen etwas "griffigeren" Namen gekommen. Man hat das Ganze dann abgekürzt mit "KSE-BVG". Als ich diese Abkürzung "KSE-BVG" gelesen habe, ist mir nicht unbedingt der Text, der vor mir liegt, eingefallen, sondern daß es sich bei "KSE" um das Koalitionsschlamassel- und Eiertanzgesetz die Neutralität betreffend handelt, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Freiheitlichen können sich dieser Gesetzesvorlage nicht anschließen. Es gibt keine klare Auftragsstruktur. Es handelt sich um keinen NATO-Einsatz, geschweige denn, daß jemand tatsächlich über Budgetmittel nachgedacht hätte. Da wird improvisiert bis zum Gehtnichtmehr. Das ist ein Eiertanz um die Neutralität, der kein Ruhmesblatt für dieses Haus ist. Die Mitwirkung des Parlaments im allgemeinen ist mehr als schwammig definiert und paßt daher sehr gut zum Stil, den die Koalition seit Jahren in dieser Frage pflegt. Es bleibt uns daher nichts anderes übrig, als uns klar gegen diese Gesetzesvorlage auszusprechen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.19

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Albrecht Konečny. – Er ist nicht da.

Dann ersuche ich Herrn Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein, das Wort zu ergreifen.

12.20

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Ich darf auch einiges dazu bemerken: Nach meiner Auffassung gibt es drei wesentliche Bereiche von Einsätzen: Einsätze zur Friedenssicherung, zu humanitären Hilfe- und Katastropheneinsätzen, zu Such- und Rettungsdiensten, aber auch zu Übungen und Ausbildungsmaßnahmen für die genannten Bereiche sowie auch für den militärischen Bereich.

Nach den inhaltlichen Schwerpunkten des Entsendungsgesetzes haben wir in Zukunft folgende Möglichkeiten:

Erstens: Möglichkeit der Entsendung zu Maßnahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, eben der OSZE, sowie zur Durchführung von Beschlüssen der


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Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die für uns Europäer sicher die Zukunft und eine sehr wesentliche Frage ist – sie ist daher auch im Hinblick auf militärische Bündnisse sehr wesentlich.

Zweitens: Möglichkeit der Entsendung zu Einsätzen im Bereich der Katastrophenhilfe, der humanitären Hilfe sowie von Such- und Rettungsdiensten ohne vorangegangenes Ersuchen einer internationalen Organisation. Somit kann auch einem Hilfeleistungsersuchen von Einzelstaaten entsprochen werden. Unser Staat hat dadurch wirklich klare europäische Möglichkeiten.

Drittens: Regelung der Entsendung zu Übungen im Ausland sowie für Zwecke der Friedenssicherung, der Katastrophenhilfe, der humanitären Hilfe und von Such- und Rettungsdiensten – gemeint sind da insbesondere Übungen im Rahmen der "Partnerschaft für den Frieden" – sowie für Zwecke der militärischen Landesverteidigung, die wir gerade aufgrund unserer geographischen Lage wirklich haben müssen; uns muß ganz klar sein, was wir in diesem Bereich brauchen.

Ich persönlich möchte hier folgendes sagen: Ich war immer für den EU-Beitritt, und ich war auch immer der Meinung, daß es für Österreich durch seine geographische Lage wesentlich ist, der europäischen Sicherheitsgemeinschaft und damit auch der NATO anzugehören.

Viertens: Möglichkeit der Entsendung von Einzelpersonen.

Fünftens: Entsendung zu Auslandsübungen für Zwecke der Friedenssicherung, der Katastrophenhilfe, der humanitären Hilfe und von Such- und Rettungsdiensten nur aufgrund eines von der Bundesregierung zu beschließenden Übungs- und Ausbildungsplanes.

Sechstens: Die Entsendung von Personen, die den ordentlichen Grundwehrdienst leisten, ist nur durch die Bundesregierung möglich – also diese Einschränkung gibt es.

Siebentens: Möglichkeit einer besonders raschen Entsendung zu Einsätzen auf dem Gebiet der Katastrophenhilfe und der humanitären Hilfe durch ein eigenes Dringlichkeitsverfahren. – Dazu darf ich sagen: Wer schnell hilft, hilft im Regelfall doppelt!

Achtens: Möglichkeit der befristeten Festsetzung einer zeitlich begrenzten Entsendung ohne neuerliche Herstellung des Einvernehmens mit dem Hauptausschuß des Nationalrates.

Neuntens: Die Entsendung ist nur aufgrund freiwilliger Meldung zulässig. Ausnahme: Bei Berufssoldaten und Personen, die einen außerordentlichen Präsenzdienst leisten, ist eine Entsendung zu Übungen im Bereich der militärischen Landesverteidigung auch ohne freiwillige Meldung zulässig. Bei Personen, die den ordentlichen Präsenzdienst leisten – Grundwehrdiener und Gruppenübende –, ist aber auch da deren freiwillige Meldung erforderlich.

Europa sei in Frieden und Freiheit geeint – das haben wir angestrebt, das haben wir teilweise auch bereits erreicht. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik in Europa beziehungsweise im EU-Raum ist in unserem Interesse.

Das neue Entsendungsgesetz – schade, daß es nicht schon in den vergangenen Monaten beschlossen wurde – ist eine gute Basis für die sicherheitspolitische Lage in Europa, die sich in den letzten Jahren geändert hat. Wir Österreicher haben als Nachbarn des Balkan großes Interesse an Stabilität in dieser Region in unserem Europa. Dadurch können wir die Stabilität in Europa wesentlich besser sichern.

Wir Österreicher haben Erfahrungen mit dem, was im ehemaligen Jugoslawien geschah, und wissen, daß durch ein rechtzeitiges Einschreiten Übles verhindert und eine solche Krise gemeistert werden kann. – Das geht alle Europäer an.

Österreich hat heute den auch international hervorragenden Ruf, ausgleichend und versöhnend handeln zu können – das haben wir in den letzten Jahrzehnten bewiesen. Wir Österreicher haben daher gerade da eine große Verpflichtung, die wir jetzt wahrnehmen.


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In diesem Sinne begrüße ich dieses Gesetz, und meine Fraktion wird ihm zustimmen. – Danke sehr. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.25

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

12.26

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Ich entschuldige mich für meine Absenz beim ersten Versuch, mich aufzurufen: Ich war im Dienste der Opposition unterwegs, um eine vernünftige Terminisierung und eine würdige Beantwortung ihrer dringlichen Anfrage ein bißchen mitzuarrangieren. Ich entschuldige mich aber, ich schiebe nichts auf sie ab.

Meine Damen und Herren! Wir erleben eine Situation, in der Europa gefordert ist, in der Europa insbesondere deshalb gefordert ist, weil es sich angesichts der Katastrophe und Tragödie in Bosnien zu Recht Selbstvorwürfe gemacht hat, daß es zu keinem einheitlichen und rechtzeitigen Handeln gekommen ist.

Es wäre bequem, aber nicht sehr human, wenn Europa und auch Österreich einfach wegschauten, wenn irgendwo in Europa ein dramatischer Konflikt entsteht und Menschen einander – wie in Bosnien in brutalster Weise – umbringen. Wir dürfen nicht nach dem Motto handeln: Wenn sie sich umbringen wollen, können wir sie auch nicht daran hindern! – Diese Haltung des Sich-beiseite-Stellens ist, wie wir alle wissen, nicht nur unmoralisch, sie ist auch kurzsichtig.

Mag sein, daß man in Bosnien zu Recht nicht eingegriffen hat – nach diesem Standpunkt –, mag sein, daß man der Meinung sein kann, man sollte sich um Albanien nicht kümmern, aber mit den Folgen – und zwar auch mit jenem Teil der Folgen, die uns sehr unmittelbar betreffen: mit Flüchtlingen, möglicherweise mit dem Entstehen eines Zentrums der organisierten Kriminalität, mit vielen anderen Erscheinungen, die nicht nur die Menschen, die dort leben müssen, sondern auch uns betreffen – müssen wir dann fertig werden.

Es ist daher eine doppelte Verpflichtung, eine der politischen Verantwortung und der Humanität, aber zugleich auch eine – und das ist ganz legitim – des berechtigten Eigeninteresses, sich dort einzumischen. Weil uns eben alles treffen kann, betrifft uns auch alles in einer vernetzten Welt, und umso mehr in einem vernetzten Kontinent.

Ich weiß nicht, wie man aus diesem moralischen Impetus und aus dieser politischen Interessenvertretung unseres Landes die Argumentationskette ableiten kann, hier werde leichtfertig oder auch bewußt unserer Neutralität der Abschiedsgesang gesungen. Überlegen Sie doch einmal, wie wir unsere Neutralität in all den Jahren, in denen sie unbestritten war – ausgenommen die FPÖ –, gehandhabt haben: Nicht als ein Instrument, das völkerrechtlich das Abseits-Stehen und Wegschauen rechtfertigt, sondern als eine Plattform für ein blockunabhängiges internationales Handeln.

Waren es nicht die Jahrzehnte der Hochblüte der Neutralität, in denen die gute Tradition der UNO-Einsätze österreichischer Soldaten begründet wurde? War es nicht dieser Zeitraum, in dem Impulsgebungen – beispielsweise im Nahen Osten – von der österreichischen Außenpolitik ausgingen? – Wir tun heute – sicher unter anderen Rahmenbedingungen – nichts anderes, als wir damals gemacht haben. Wir tun es in einem vernetzten Kontinent gemeinsam mit anderen, in diesem Fall im Verband der OSZE.

Aber es ist überhaupt keine Frage – und wir normieren das ausdrücklich in diesem Gesetz –, daß bei jeder solchen Entsendung die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs – und dazu gehört selbstverständlich die Verpflichtung zur dauernden Neutralität – zu berücksichtigen sind.


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Wir können, wenn wir gesetzeskonform vorgehen, nur dann eine solche Entsendung vornehmen, wenn eben all die Verpflichtungen, die sich aus dem Status eines dauernd neutralen Staates ergeben, voll eingehalten werden. Alle anderen Behauptungen sind sowohl völkerrechtlich als auch verfassungsrechtlich unzulässig und lassen eher an der Qualifikation dessen zweifeln, der sich zu solchen Interpretationen zu Wort meldet.

Womit würden wir denn unsere Neutralität verletzen, wenn wir in einem Staat, der vom Zerfall bedroht ist, zugunsten der Aufrechterhaltung der Ordnung, der staatlichen Strukturen und daher zugunsten der Lebensmöglichkeiten der Menschen in diesem Land mit intervenieren? (Bundesrat DDr. Königshofer: Zur Aufarbeitung des sozialistischen Erbes in Albanien – das sollten Sie auch sagen!) – Herr Kollege! Ihre Zwischenrufe sind nicht das Witzigste an Ihnen.

Wissen Sie: Die Sozialdemokratie dieses Landes mit dem Stalinismus Albaniens in eine andere Verbindung zu bringen als jene, daß Menschen, die unsere Überzeugungen geteilt haben, dort ermordet, hingerichtet und eingekerkert wurden, ist eine Zumutung! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir haben es dort – darin gebe ich Ihnen völlig recht, wenn Sie die Polemik weglassen – mit dem Erbe eines in besonderer Weise menschenverachtenden Regimes zu tun – das ist etwas, das wir beide ausnahmsweise einmal vermutlich im Chor sprechen können –, aber wir haben es zugleich mit einem Land zu tun, in dem die Periode des Übergangs in einer besonders unglückseligen und fehlerhaften Weise in Angriff genommen wurde.

Es ist nicht die Aufgabe dieser Debatte – wenn Sie mich nicht dazu ein bißchen verlockt hätten, hätte ich auch gar nicht diesen Versuch unternommen –, hier nun die einzelnen politischen Kräfte dieses Landes in irgendeiner Art, positiv oder negativ, zu bewerten und – obwohl ich mich da schon ein bißchen auskenne – Perspektiven, wie dort neue politische Strukturen entstehen sollten, anzudeuten.

In Wirklichkeit kann es nur um drei Dinge gehen: In diesem Land gibt es keine aus fairen und wirklich demokratischen Wahlen hervorgegangene Volksvertretung. Daher ist es Aufgabe dieser internationalen Intervention, sicherzustellen, daß solche Wahlen, die dem echten Willen des Volkes – welcher auch immer es ist – zum Ausdruck verhelfen, stattfinden. Es geht darum, jene zurückzudrängen, die ohne eine solch demokratische Legitimation örtlich oder national für sich Macht beanspruchen – ob sie es mit der Kalaschnikow in der Hand oder mit einer höchst dubiosen rechtlichen Legitimation tun, ist dabei bedeutungslos. Und es geht darum, Versorgungsstrukturen, Verwaltungsstrukturen, Polizeistrukturen wiederherzustellen, die in diesem Konflikt zusammengebrochen sind.

Mehr, aber auch nicht weniger kann als Aufgabe dieser politischen, natürlich auch ökonomischen und in einer Ebene auch militärischen Intervention nicht zugemutet werden.

Man kann sich nun, wenn man schon zur Kenntnis nehmen muß, daß dieser Einsatz weder ein Verlassen des Weges der Neutralität noch gewissermaßen – auch diesen Standpunkt hat es gegeben – eine unzulässige Einmischung in die Rechte eines Nachbarn ist, natürlich auch noch auf den Standpunkt stellen: Für jene, die daran teilnehmen, beinhaltet dies Gefahren. – Das ist sicher richtig. Das ist keine Vergnügungsfahrt – nicht für die Politiker, die dort unten sind und unten waren, nicht für die Vertreter der österreichischen Diplomatie, die dort im Dienste der OSZE tätig sein müssen, und nicht für all die anderen, die Vertreter von humanitären Organisationen, aber auch nicht für die Angehörigen des österreichischen Bundesheeres. Keine Frage! Also ich würde jetzt niemanden empfehlen, nach Albanien auf Urlaub zu fahren. Deshalb bauen wir auf der Freiwilligkeit dieses Einsatzes auf, deshalb sind es Menschen, die dorthin kommen, die auch um die Risken, die sie dort eingehen, wissen. – Das ist nicht fahrlässig, wie es Ihr Herr Westenthaler-Hojac gesagt hat, das ist verantwortungsbewußt.

Es kann doch nicht der österreichische Beitrag zur Wiederherstellung von Verhältnissen menschlicher Art in Albanien sein, daß jeder, der dorthin fährt, Journalist oder Politiker, bei einem österreichischen Hotelier absteigt. Das kann doch nicht der Kern unserer Intervention sein. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)


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Jawohl, hier haben Menschen zu handeln, diese Menschen gehen ein Risiko ein, sie sind bereit, dieses Risiko zu tragen, weil sie sich freiwillig hiefür entscheiden. Und wir haben denen, die sich dafür melden, unseren Respekt und unseren Dank abzustatten, denn ohne ihre freiwillige Meldung könnte es diesen Einsatz nicht geben.

Lassen Sie mich zu einer weiteren Frage kurz Stellung nehmen, weil das in der Ausschußdebatte heute vormittag eine gewisse Rolle gespielt hat. Es wäre irgendwie lachhaft, in Abrede stellen zu wollen, daß wir es heute hier mit einer Sitzung zu tun haben, die außer der Reihe, außerhalb unseres Zeitplanes einberufen wurde. Wir haben zu Beginn der Sitzung von der 24stündigen Aufliegefrist Abstand genommen, wir haben ungewöhnlicherweise am Vormittag die Ausschußberatungen und am Nachmittag die Plenarberatungen. – Jawohl, wir bekennen uns dazu, daß man dann, wenn das Parlament, in diesem Fall der Bundesrat, gefordert ist, seinen Beitrag zur raschen Ermöglichung eines solchen rasch notwendigen Einsatzes zu leisten, auch einmal vom auf eineinhalb Jahre vereinbarten Fahrplan abweichen kann.

Ich sage mit gewisser Schadenfreude dazu, daß der Grund für die Notwendigkeit dieser Novellierung darin liegt, daß damals, als das ursprüngliche Entsendegesetz beschlossen wurde, niemand – vor allem niemand von jenen, die das Gesetz formuliert haben – der OSZE, die es damals auch schon gegeben hat, die Kraft zugetraut hätte, einen solchen Einsatz zuwege zu bringen.

Gerade wir Sozialdemokraten, die wir im Zusammenhang mit der Diskussion über die europäische Sicherheit immer von einem umfassenden Sicherheitssystem gesprochen und verlangt haben, beim Entwerfen einer solchen Sicherheitsarchitektur auch die Möglichkeiten der OSZE mitzuberücksichtigen, fühlen uns im Falle Albaniens gewissermaßen nachträglich gerechtfertigt.

Es ist aber, obwohl die Sitzung rasch einberufen wurde, darauf zu verweisen, daß der Gesetzentwurf, der nun zum Gesetzesbeschluß des Nationalrates geworden ist, immerhin bereits mehr als vier Monate lang im Parlament lag. Technisch gesprochen hat natürlich jeder von uns, soferne er sich das angeschaut hat, die Möglichkeit gehabt, sich mit diesem Text auseinanderzusetzen, wofür vier Monate vermutlich ein durchaus angemessener Zeitraum sind, auch für jene, die man nicht mit dem wienerischen Wort "Schnellgneißer" belegen würde.

Ich nehme dies zum Anlaß, an etwas zu erinnern, was auf eine Initiative meiner Fraktion zurückgeht und worüber wir ein hohes Maß an Verständigung in unseren Gesprächen erzielt haben, nämlich daß ein solcher Gesetzentwurf – nicht nur, weil wir ihn heute so schnell beschließen – ein gutes Beispiel dafür wäre, wie sinnvoll eine Lösung sein könnte, die dem zuständigen Bundesratsausschuß oder auch dem Plenum die Möglichkeit einräumen würde, zu einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung, die noch im Nationalrat liegt, in einer frühen Phase eine Stellungnahme abzugeben und zu hoffen, daß der Nationalrat sie nicht ignoriert.

Ich gebe zu, daß es nicht befriedigend ist, wenn wir heute, 24 Stunden nach der Beschlußfassung im Nationalrat, diesen Beschluß nachvollziehen. Ich hätte es begrüßt, wenn wir außerhalb der persönlichen Möglichkeiten, die vor allem Mitglieder der Regierungsfraktionen natürlich haben, auch formell die Möglichkeit gehabt hätten, dem Nationalrat sehr frühzeitig unsere allenfalls abweichende Meinung mitzuteilen.

Jetzt sage ich es einmal von meinem Standpunkt aus: Ich persönlich hätte gegen den Gesetzentwurf auch vor vier Monaten keinen Einwand gehabt. Hätte ich mich im Ausschuß mit diesem Standpunkt durchgesetzt, dann hätten wir vor vier Monaten dem Nationalrat mitteilen können: Das ist ein sinnvoller, zukunftsweisender, großartiger Gesetzentwurf!, und wir bräuchten uns heute nicht mit dem Argument auseinanderzusetzen, daß wir so schnell zu einer Entscheidung kommen müssen.

Unabhängig davon – ich sage das am Schluß nochmals –, daß es ein guter Anlaß ist, an diese Frage zu erinnern, weise ich darauf hin, daß der Beschluß – und natürlich werden die Sozialdemokraten daran mitwirken –, keinen Einspruch zu erheben, daß die Beschlußfassung über dieses Gesetz keine Absage an die Neutralität ist, ganz im Gegenteil: Dieses Gesetz ist eine Fortsetzung des wahren Kerns unserer Neutralitätspolitik unter neuen Bedingungen und


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zugleich ein Ausdruck unserer humanitären Hilfsbereitschaft wie der Wahrnehmung unserer wohlverstandenen nationalen Eigeninteressen. In diesem Sinn stellt dieses Gesetz, wie wir hoffen, ein wichtiges Hilfsmittel der österreichischen Außen- und Sicherheitspolitik dar. (Beifall bei der SPÖ.)

12.44

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

12.44

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Bei Ereignissen, wie sie derzeit in Albanien geschehen, kann man wirklich nicht wegschauen, da hat mein Vorredner schon recht.

Wir Freiheitlichen sind auch grundsätzlich der Ansicht, daß sich Österreich seiner internationalen Verpflichtungen nicht entziehen sollte und daß Europa für seine eigenen Probleme auch selbst Lösungen anbieten muß. Wir Freiheitlichen wollen jedoch, daß dieses Vorgehen im Ausland auf eine redliche Weise geschieht und nicht so, wie wir das hier mit diesem Gesetz beschließen sollen.

Wenn ich die Erläuterungen zu diesem Gesetz lese und einen Bezug zum Vertrag über die Europäische Union und zum Artikel J 3, den wir hier schon des öfteren in der Frage der Sicherheitspolitik diskutiert haben, herstelle, wenn ich lese, daß der vorliegende Entwurf eines Bundesverfassungsgesetzes et cetera im wesentlichen von der Absicht getragen sei, auch für die Teilnahme an Maßnahmen der Friedenssicherung der OSZE sowie für die Durchführung von Beschlüssen der Europäischen Union im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie für die Teilnahme an der NATO-Partnerschaft für den Frieden die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, dann, meine Damen und Herren, kann ich nur feststellen, daß dieses Gesetz, das wir heute beschließen, mit einem NATO-Beitritt eigentlich nicht kompatibel wäre, denn ein NATO-Beitritt wäre im Vergleich zu diesen Voraussetzungen geradezu eine Kleinigkeit.

Meine Damen und Herren! Wir Freiheitlichen sind auch der Ansicht, daß die Regierung in den Fragen der Sicherheitspolitik endlich die Wahrheit sagen sollte. Mein Kollege Dr. Rockenschaub hat im wesentlichen schon darauf hingewiesen. Es geht nicht an, daß wir hier solche Gesetze beschließen und Truppen ins Ausland senden, während die Regierungssprecher hier heraustreten und allen Ernstes behaupten, das sei notwendig, um unsere Neutralität zu erhalten!

Wir können nicht weiter widerspruchslos hinnehmen, daß der Bundeskanzler in der "Presse" sagt: "Wir wollen keiner NATO beitreten, wie sie sich heute darstellt!", während im gleichen Atemzug die Regierungsparteien Gesetze wie das vorliegende beschließen wollen. Wir können auch nicht widerspruchslos hinnehmen, daß wir einen Außenminister und Vizekanzler haben, der zu allem Überfluß auch noch behauptet, daß die Neutralität mit einem Beitritt zur NATO kompatibel sei. Das alles sind Widersprüche, auf die eine Opposition in diesem Lande einfach antworten muß ! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Regierung bricht das Neutralitätsgesetz permanent. Sie bricht es seit dem Jahr 1955, weil sie es nie ehrlich gemeint hat, nie auch nur im entferntesten bereit war, die zu ihrer Verteidigung erforderlichen Mittel bereitzustellen. Die Vernachlässigung der Landesverteidigung und ihrer Bedürfnisse ist der Beweis dafür, und diese Vernachlässigung haben wir seit Bestehen des Bundesheeres zu beklagen.

Meine Damen und Herren der Sozialdemokratie! Die Neutralität ist mit dem Beitritt zur Europäischen Union aufgegeben worden. Über den Artikel J 5 können Sie in den Erläuterungen zu diesem Gesetz wieder etwas lesen. Auch die Teilnahme an internationalen Aktionen, wie wir sie heute beschließen sollen, führen weg von der Neutralität. Wir Freiheitlichen sind der Ansicht, daß man in einer offenen und ehrlichen Abstimmung die Bevölkerung dieses Landes über die


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Neutralität entscheiden lassen, aber nicht über Umwege eine schleichende Abschaffung betreiben sollte. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Was wir bei dieser Entsendung von Truppen in das Ausland außerdem kritisieren, ist die Kostenfrage, denn wir sind trotz aller Beteuerungen im Ministerrat der Ansicht, daß die Kosten, die für diesen Auslandseinsatz anfallen, früher oder später sicherlich wieder zu Lasten des Landesverteidigungsbudgets gehen werden.

Wenn man sich ansieht, wie die Landesverteidigung in dieser Republik nach wie vor vernachlässigt wird, wenn man sich anschaut, wie man regelrecht einen innenpolitischen Streit vom Zaun brechen "muß", wenn es zum Beispiel nur notwendig ist, einige Panzerfahrzeuge zu erneuern – von Abfangjägern möchte ich gar nicht reden –, dann muß man darauf hinweisen, daß auch die Kostenfrage im Hinblick auf solche internationalen Einsätze durchaus zu beachten ist.

Wir kritisieren auch, daß in diesem Gesetz vorgesehen ist, daß der Hauptausschuß des Nationalrates an einer Entscheidung über einen kurzfristigen Einsatz künftig nicht mehr mitwirken soll.

Wir Freiheitlichen fordern, daß für zukünftige, in den Kader des österreichischen Bundesheeres eintretende Berufssoldaten die Verpflichtung bestehen soll, an Auslandseinsätzen teilzunehmen, und wir wollen – das ist besonders in bezug auf die Aktion in Albanien zu betonen –, daß eine solche Aktion unter dem Kommando eines Gesamtbündnisses vom Charakter einer NATO steht und nicht dem einer OSZE. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Nur ein Gesamtbündnis, wie es die NATO ist, hätte die Möglichkeit, auf eine möglicherweise schwieriger werdende Lageentwicklung entsprechend zu reagieren. Auf eine etwaige Eskalation, in der es notwendig sein könnte, mehrere militärische Mittel einzusetzen, kann die OSZE nicht, die NATO aber sehr wohl reagieren.

Bei diesem Einsatz hat man den Verdacht, daß nur ein paar italienische Generäle dort ihre Federn in den Wind hängen wollen, aber daß es dabei nicht wirklich um eine realistische Lagebeurteilung und auch nicht um das Ausloten aller Schwierigkeiten geht, die auf unsere Leute dort zukommen können. Wissen Sie: Wenn unsere Bundesheersoldaten dort nur eine Art Höflichkeitseskorte für einen Altkanzler sein sollen, dann ist uns das etwas zu gefährlich! (Beifall des Bundesrates Eisl. )

Wir Freiheitlichen wollen deshalb eine ehrliche und offene Debatte über die Neutralität und über den Beitritt zur WEU und zur NATO führen. Wir wollen hier keine schleichenden Verfassungsänderungen, wie sie auch bei diesem Gesetz wieder beabsichtigt sind, und wir werden auch die widersprüchlichen Positionen in den Gesetzen und in den Aussagen der Bundesregierung nicht so einfach tolerieren. Wir Freiheitlichen wollen, daß die Bundesregierung gerade in diesem wichtigen Bereich der Sicherheitspolitik der Bevölkerung endlich einmal die Wahrheit sagt! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.51

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tusek. – Bitte.

12.51

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Österreich, im speziellen das österreichische Bundesheer, hat eine lange Tradition im freiwilligen Auslandseinsatz. Unter dem Kommando der UNO standen bis heute etwa 36 000 Mann im Einsatz. Begonnen haben diese Einsätze – manche erinnern sich vielleicht noch daran zurück – mit dem Einsatz einer Sanitätseinheit im Kongo von 1960 bis 1963. Dort lag der Schwerpunkt selbstverständlich in der humanitären Hilfe.


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Fortgesetzt wurden und werden diese Auslandseinsätze seit dem Jahr 1964 auf Zypern und seit Mai 1974 auf den Golanhöhen. Die eingesetzten Soldaten – es sind derzeit insgesamt 1 250 Mann – stehen im freiwilligen Auslandseinsatz, sind aktiv tätig, legen ein hervorragendes Zeugnis für Österreich ab und stellen eine hervorragende Visitenkarte für unser Land dar.

Auch im Bereich der humanitären Hilfe waren Kräfte des Bundesheeres, aber auch zivile Kräfte, bereits im Auslandseinsatz. Auch das sollte man nicht vergessen. Ich denke dabei etwa an den Einsatz im Zusammenhang mit der schweren Erdbebenkatastrophe in Armenien.

Alles in allem kann gesagt werden: Freiwillige Auslandseinsätze sind für Österreich und für das österreichische Bundesheer nichts Neues. Wir haben uns in Auslandseinsätzen absolut bewährt und haben dank unserer tüchtigen und gut ausgebildeten Soldaten immer ein hervorragendes Zeugnis erhalten.

Allerdings – auch das möchte ich hier klar auf den Tisch legen – haben sich in den letzten 30, 40 Jahren die Voraussetzungen für Auslandseinsätze entscheidend verändert. Das alte Bundesverfassungsgesetz über die Entsendung österreichischer Einheiten zur Hilfeleistung in das Ausland auf Ersuchen internationaler Organisationen, wie dieses noch gültige Gesetz heißt oder geheißen hat, stammt aus dem Jahr 1965. In den mehr als 30 Jahren, die seit damals vergangen sind, hat sich international und auch in Österreich Wesentliches verändert.

Die seinerzeitige KSZE hatte, wie der Name schon sagt, den Auftrag, für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu sorgen. Aus dieser KSZE wurde in späterer Folge die OSZE. Kollege Konečny sagte es schon: Man traute dieser OSZE an und für sich nichts zu, aber gerade die jüngste Entwicklung belehrt uns eines Besseren.

Weiters hat gerade durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die Veränderung der Rahmenbedingungen entsprechend gegriffen. Wir haben uns, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht, bereit erklärt, an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik teilzunehmen, ja aktiv teilzunehmen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Vorbehaltlos!) – Das steht im EU-Vertrag.

Wir sind auch bereit, an den Petersberg-Missionen der Westeuropäischen Union teilzunehmen – ich halte das für durchaus richtig und wichtig –, und wir sind seit 10. Februar 1995 Teilnehmer an der "Partnerschaft für den Frieden" der NATO.

Das sind Veränderungen, denen ein Gesetz aus dem Jahr 1965 absolut nicht mehr Genüge tun kann, daher ist ein neues Entsendegesetz notwendig. Ich betone auch – es wurde in der Debatte bereits angeschnitten, meine Damen und Herren von der freiheitlichen Fraktion –, daß die Regierungsvorlage rechtzeitig, nämlich am 27. November 1996, zugemittelt wurde. Jeder von uns hat diese Regierungsvorlage also vor mehr als vier Monaten erhalten. Es waren vier Monate Zeit, sich in diese klare und präzise Materie einzulesen, und es sind nicht mehr als 10 Paragraphen in diesem Gesetz, zusammen mit den Erläuternden Bemerkungen sind das nur einige Seiten. Es war also Zeit genug, daher kann man heute im Zusammenhang mit diesem Gesetz nicht von einer Anlaßgesetzgebung sprechen.

Ich gebe allerdings zu, es sind nicht einmal 24 Stunden nach der Beschlußfassung im Nationalrat vergangen. Die Zeit für den Bundesrat ist daher wirklich sehr kurz bemessen. Diese Vorgangsweise – das möchte ich hier schon deponieren – darf nicht zum Regelfall werden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Erlauben Sie mir auch zum konkreten Anlaß und zur Beschleunigung des Gesetzes ein paar Worte. Ich wehre mich gegen den Ausdruck "Anlaßgesetzgebung", allerdings gibt es für die Rahmenbedingungen einen entsprechenden Anlaß, nämlich den heute schon zitierten Albanieneinsatz des Bundesheeres.

Wie wir alle wissen, eskaliert seit Anfang dieses Jahres die Gewalt in Albanien. Die OSZE hat sich daher zu einem auf drei Monate befristeten multinationalen Militäreinsatz mit insgesamt 6 000 Soldaten aus acht Ländern entschlossen. Es spricht für das Vertrauen der OSZE in unser Land, daß gerade den österreichischen Soldaten eine entscheidende Rolle bei diesem Einsatz zugedacht ist, nämlich die Sicherung des Hauptquartiers, die Sicherung der Einrichtungen der


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OSZE und anderer internationaler Organisationen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Und damit die Sicherung des dortigen österreichischen Hotels, darin ist das Hauptquartier untergebracht!) – Das ist eine wesentliche Aufgabe, Kollege Tremmel! Vom militärischen Standpunkt aus ist die Sicherung einer Kommandozentrale eine der wesentlichsten Aufgaben. Das spricht sicherlich für unsere Soldaten und für das Vertrauen in das österreichische Bundesheer.

Es ist wichtig, daß unsere Soldaten von Anfang an diese verantwortungsvolle Position übernehmen können. Daher wird bereits Anfang nächster Woche das Kommando und ein Jägerzug nach Tirana in Marsch gesetzt werden. Der Rest der insgesamt 115 Mann wird Ende nächster Woche, Anfang übernächster Woche folgen.

Ich erinnere mich sehr genau – Kollege Bundesrat Konečny hat das auch erwähnt – an viele Diskussionen in diesem Haus, in denen der Vorwurf erhoben wurde, daß im ehemaligen Jugoslawien von den internationalen Organisationen viel zu spät Akzente gesetzt wurden, daß die Welt diesem Bürgerkrieg jahrelang untätig zugesehen hat.

Jetzt haben wir eine Chance, daß sich diese Situation, nämlich das Zuschauen, in Albanien nicht wiederholt. Daher meine Bitte und meine Aufforderung: Nutzen wir als Bundesrat diese Chance und erheben wir gegen diesen Gesetzesbeschluß des Nationalrates keinen Einspruch, damit man uns nicht den Vorwurf machen kann, wenn die Gewalt in Albanien weiter eskaliert, wir seien daran schuld! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

13.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

13.00

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Geschätzter Vorredner! Seien Sie unbesorgt: Ich glaube, Österreich wird man keinen Vorwurf machen, wenn in Albanien die Verhältnisse eskalieren. Das hat man in der Vergangenheit nicht gemacht und wird man auch jetzt nicht machen. (Ruf bei der ÖVP: Weil es verantwortliche Parteien gibt!) – Ja, die gibt es schon.

Grundsätzlich sind wir für Auslandseinsätze, und wir haben uns auch immer dafür eingesetzt, aber die Art und Weise, wie dieses Verfassungsgesetz, das sehr umfassend sein sollte, zustande gekommen ist, kritisieren wir und lehnen wir ab.

Die Wahlen in Albanien letztes Jahr boten zahlreichen selbstberufenen Außenpolitikern – so schrieb ein Kommentator in der "Kleinen Zeitung" – beider österreichischer Regierungsparteien gute Gelegenheit zur vielleicht letzten ideologischen Schlacht dieses Jahrhunderts. Exaußenminister Mock bezichtigte Vranitzky damals der Wahlkampfhilfe für die Nachfolgekommunisten des Diktators Enver Hodscha, und die SPÖ ließ keine Gelegenheit aus – hören und staunen Sie! –, die Menschenrechtsverletzungen von Sali Berishas Regime, dessen Demokraten die ÖVP unterstützte, anzuprangern.

Man könnte sagen: Nach einem Punktesieg der ÖVP in dieser Sache – Berisha gewann die Kommunalwahlen – geht der Krieg weiter. Kampffeld ist das Entsendegesetz, das durch das Parlament, durch den Nationalrat und den Bundesrat, gepeitscht wird. Das geht wahrscheinlich deswegen plötzlich so schnell, meine Damen und Herren, weil beide Parteien – es sei ihnen gegönnt – ein bisserl glücklich über diesen Einsatz sein dürfen. Die SPÖ sieht den paneuropäischen Debattierclub OSCE aufgewertet, und die ÖVP darf dafür eine Teilnahme an Aktionen und Übungen der NATO-Partnerschaft – im Vergleich zur OSCE, so schreibt auch dieser Kommentator, geradezu eine Hardcore-Partie – in das Gesetz hineinreklamieren.

Beide Hoffnungen, meine Damen und Herren, gehen eigentlich nicht auf. Die OSCE hat der Mission nur formell die Zustimmung gegeben, um damit ein bisserl etwas zu schaffen, und in der NATO zweifelt man ernsthaft an der Sinnhaftigkeit dieses Einsatzes.


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Kollege Bösch hat in militärisch knapper und präziser Form über die Kommandostruktur gesprochen, und auch meine Vorredner haben bereits ausgeführt, was passiert, wenn dieser Einsatz zum Eskalieren kommt, sich ausweitet. Wie wird dann der Nachschub geregelt? Wie werden österreichische Soldaten dann aus einer Notlage befreit? – Wahrscheinlich, so nehme ich an, werden sie mit NATO-Hubschraubern wieder herausgeflogen.

Meine Damen und Herren! Es ist auch die Frage – und diese konnte für mich im Ausschuß nicht schlüssig beantwortet werden –: Ist das jetzt wirklich ein gut vorbereitetes Gesetz, oder ist es ein Anlaßgesetz? – Die sehr ehrliche und bemühte Referentin des zuständigen Ministeriums hat gesagt: Das Gesetz haben wir gemacht, beziehungsweise es ist deswegen jetzt bei uns in Diskussion, weil der Albanien-Einsatz bevorsteht. So wurde das im Ausschuß gesagt. Es ist also ein Anlaßgesetz.

Ein Verfassungsgesetz, das durchaus große Strukturen der Landesverteidigung umfaßt, sollte doch länger diskutiert werden. Kollege Konečny hat mir im Ausschuß entgegengehalten: Wir müssen uns da ein bisserl messen, denn, wie er gesagt hat, man könne doch nicht jahrelang über solche Dinge diskutieren. Ich erwidere ihm: Die Koalition hat sich erst in der letzten Nationalratssitzung gegen Fristsetzungen gewehrt. Und eine SPÖ-Abgeordnete hat bezüglich der Gentechnik gesagt, man brauche in den Fragen der Gentechnik keinen Zeitdruck, sondern ausführliche Diskussionen. Es war dies die Frau Elisabeth Pittermann.

Das gleiche hat man gesagt, als Kollege Scheibner richtigerweise endlich einmal außenstaatliche Voraussetzungen und auch innerstaatliche Voraussetzungen für den NATO-Beitritt urgiert hat. Ich verweise hier auf eine Äußerung eines Parlamentariers der ersten Stunde, der jetzt seinen 85. Geburtstag begeht, der das Neutralitätsgesetz verabschiedet hat, der dafür eingetreten ist, daß dieses Neutralitätsgesetz zum Leben erweckt wurde, nämlich Hermann Withalm. Er hält heute fest, daß dieses Neutralitätsgesetz überholt ist.

Er rät den Regierungsparteien, dieses Neutralitätsgesetz in Ehre und Würde zu verabschieden, um einer realistischen Sicherheitspolitik Platz zu machen.

Meine Damen und Herren! Sie präsentieren uns hier so etwas! Mit salbungsvollen Worten wird die Neutralität beschworen, die längst x-mal gebrochen wurde. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Bitte, da geht es jetzt nicht um die Opposition, da geht es um die Glaubwürdigkeit der Politik vor dem Bürger! Was soll sich denn der arme Mensch denken, der da hinuntergeschickt wird? – Zwar freiwillig. Warum geht er hinunter in den meisten Fällen? (Bundesrat Meier: Freiwillig! Er wird nicht geschickt! Er geht freiwillig!) Ich habe es ja gesagt. Danke, Herr Kollege Meier, daß Sie meinen Satz wiederholen. Er geht freiwillig hinunter, weil er entsprechend besoldet wird. Das ist ja auch der Hintergrund. (Bundesrat Meier: Trotzdem geht er freiwillig!) Aber wir haben dafür zu sorgen, daß das Rundherum, das Umfeld entsprechend stimmt, daß das innenpolitische Umfeld stimmt. Und das, Herr Kollege Meier, stimmt nicht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das sagen Sie!)

Erinnern Sie sich an die Aussage Ihres Herrn Kostelka, der von einem "Bundesheer light" gesprochen hat? – Schauen Sie sich an, wie es etwa mit der Budgetierung des Bundesheeres steht. Die Quote ist seit dem Jahr 1988 von 1,06 Prozent auf 0,83 Prozent gefallen. (Bundesrat Prähauser: Für Albanien reicht es!) Der Durchschnitt der EU-Länder liegt bei 1,5 Prozent. Alle Anrainerstaaten – alle, auch Slowenien! – geben mehr für ihre Landesverteidigung und für ihre äußere Sicherheit aus als Österreich. (Bundesrat Prähauser: Herr Kollege Tremmel! Wo wollen Sie das Geld abzwicken? – Sagen Sie das auch! Ausgaben müssen hereingebracht werden!) Herr Kollege, Sie sind an der Regierung, Sie haben die Prioritäten zu setzen. (Bundesrat Prähauser: Darum sind sie so!) Fragen Sie nicht uns, sondern denken Sie einmal selbst nach! Wir geben Ihnen genug Denkanstöße. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen nur, daß jene Dinge, die heute in Österreich und im Bereich der österreichischen Staatsbürgerschaft Wertigkeit haben, nämlich die äußere Sicherheit, von euch äußerst schlampig behandelt werden. Das ist einer der Gründe, warum wir die Entsendung in dieser Form hier kritisieren.


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Der weitere Grund betrifft die Frage der Neutralität. Meine Damen und Herren! Sie sollten doch endlich die Wahrheit auf den Tisch legen. Das ist ein weiterer Grund. Prominente Leute sagen es. Haben Sie doch den Mut, zu erklären: Im allgemeinen Sicherheitsbereich der EU ist diese Neutralität nicht möglich.

Ich glaube, die Bevölkerung würde das honorieren. Aber Sie schwindeln sich darüber hinweg in Form eines "Machers", der manchmal halt nicht "machen" kann. So, meine Damen und Herren, geht es nicht! Dieses Gesetz ist ein Anlaßgesetz, das zwar vier Monate hier herumgelegen ist, aber letztlich nicht begutachtet wurde. Man muß es deswegen als "Husch-Pfusch-Gesetz" bezeichnen – nicht zuletzt auch deswegen, weil Menschenleben, nämlich die Leben unserer Soldaten, durch eine nicht entsprechende materielle Vorbereitung gefährdet sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Aus diesem Grund lehnen wir diese Vorlage ab. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

13.10

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich weiß, daß das Thema "Entsendung" ein sensibles Thema ist. Wenn so etwas vorkommt, gibt es Konflikte. Konflikte bereiten leider auch Schwierigkeiten und sind oft sehr schwer zu lösen. Ich selbst bin sehr zurückhaltend gegenüber jeglicher Euphorie und Hurrakundgebung über solche Einsätze. Niemand, Herr Dr. Tremmel, ist glücklich über Einsätze, auch wenn sie stattfinden müssen und Gutes erwirken können. Das gilt nicht nur für Albanien, sondern auch für alle anderen zukünftigen Einsätze.

Es geht um die Frage: Wie weit führt diese Regelung? Wer entscheidet und beschließt jeweils, wann und aus welchem Anlaß es zu Einsätzen und zur Mitwirkung kommen kann?

Ich möchte auch dem Herrn Verteidigungsminister sagen, er solle die Daten noch nicht fixieren, bevor nicht Nationalrat und Bundesrat dieses Gesetz beschlossen haben, weil es wirklich keine Automatik geben kann. Ich weiß auch, daß die Österreicher und Österreicherinnen durchaus nicht überall Begeisterung über solche Maßnahmen und Einsätze aufbringen.

Zu meinen FPÖ-Vorrednern möchte ich sagen: Sie bereiten auch hier wieder einen Zickzackkurs vor, wie wir ihn auch sonst überall feststellen können. (Ruf bei den Freiheitlichen: Wieso?) Wenn der oberösterreichische freiheitliche Politiker Achatz meint, daß diese Soldaten zur Sicherung der Grenze im Mühlviertel besser eingesetzt wären, dann muß ich das als einen verspäteten Aprilscherz bezeichnen. Glauben Sie nicht, daß wir nicht auch alle die Sicherung all unserer Grenzen wollen, natürlich auch der Mühlviertler Grenze im vor einer Landtagswahl stehenden Oberösterreich? – Aber das kann man doch bitte nicht mit diesem Albanien-Einsatz vergleichen.

Herr Dr. Rockenschaub! Bitte hören Sie auf – Sie können es natürlich weiterhin tun – mit diesen Buchstabierwitzen, die Sie immer bringen. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Die Wahrheit tut Ihnen weh!) Es wurden auch schon Dinge von Ihren Parteikollegen buchstabiert, die man wirklich nicht befürworten kann.

Zu Herrn Dr. Königshofer möchte ich sagen: Es glaubt Ihnen doch niemand, daß die Einparteienherrschaft stalinistischer Prägung, wie sie isoliert nur in Verbindung mit China zum Schluß in Albanien bestanden hat, mit unserer Sozialdemokratischen Partei oder mit Parteien in Westeuropa nur irgendwelche Ähnlichkeiten haben kann. Das glaubt Ihnen doch niemand! (Bundesrat Dr. Tremmel: Aber die Nachfolger haben eine starke Unterstützung von Vranitzky gehabt! – Bundesrat Dr. Rockenschaub: Das hat er auch nicht behauptet!)


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Sie fordern auf der einen Seite eine direkte Mitgliedschaft bei der NATO und bei der WEU, und manchmal verbindet man beides sehr eng: Als ob es dort nicht zu Einsätzen käme! Andererseits aber sind Sie gegen diesen Einsatz der Hilfeleistung in Albanien, der wahrscheinlich verglichen mit dem Kuwait-Einsatz oder anderen viel menschlicher ist, bei dem man also Menschen helfen kann.

Glaubt wirklich jemand, daß diese Einsätze – wie etwa in der Bosnien- oder Kuwait-Krise – völlig ungefährlich sind, sowohl in ihrer Gesamtabwicklung als auch für die einzelnen Teilnehmer und leider wahrscheinlich bald auch Teilnehmerinnen? – Aber Sie sagen das und warnen davor, daß, was wir alle nicht hoffen, dort ein Österreicher verletzt werden könnte, wonach man sagen wird: Schaut’s, hätten wir sie nicht hingeschickt, dann wäre das nicht passiert. – Bei all diesen Einsätzen besteht leider diese Gefahr. Auch die Einsätze in Zypern und auf den Golanhöhen waren nicht ganz ungefährlich für die Teilnehmer. Wer sich aber dafür freiwillig zur Verfügung stellt – und ich muß dieses Wort "freiwillig" wirklich betonen –, muß dieses Risiko, weil er es ja vorher kennt, auch auf sich nehmen. Es geht einfach nicht anders.

Ich habe gestern im Radio Steiermark ein Interview mit einem Teilnehmer, der sich gemeldet hat, gehört. Er wurde gefragt: Warum tun Sie das? – Und er hat darauf geantwortet: Ich bin unverheiratet, ich habe keine Kinder. Mit meinen Eltern habe ich gesprochen, sie haben Bedenken, sind aber grundsätzlich nicht dagegen. Ich will dort unten Erfahrungen sammeln, ich will die Menschen und die Situation in diesem Land kennenlernen. Ich möchte mir bei diesem Einsatz auch etwas Geld ersparen. Und ich hoffe, daß es zu keinen Ereignissen kommt, bei denen ich verletzt werde oder gar in Lebensgefahr gerate. Diese Risken gehe ich durch meine freiwillige Meldung zu diesem Einsatz ein.

Glaubt jemand, daß diese Gefahren und Risken als NATO-Mitglied geringer wären? (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Aber das ist doch keine Frage, Herr Kollege!) – Dort bestünde sogar noch mehr Verpflichtung mitzuwirken. Ich sehe die Mitwirkung als Hilfsaktion und Unterstützung im friedlichen Sinne und als doppelt freiwillig, sowohl was Österreich betrifft, das sich freiwillig dafür entscheiden kann, als auch was den einzelnen Teilnehmer betrifft. (Bundesrat Dr. Tremmel: Es geht nicht um den Einsatz, sondern um die Vorbereitung des Einsatzes!)

Erlauben Sie mir folgenden Vergleich, der die Betonung der Hilfeleistung in inhaltlicher Weise darstellen soll: Es geht also um die Sicherheit, um die Hilfe bei Katastrophen, technisch, medizinisch und so weiter, und auch um die Demokratie. Als Vergleich ziehe ich jene Institutionen heran, die es innerstaatlich gibt und die uns helfen, diese Probleme zu bewältigen: Polizei und Gendarmerie. Sie regeln den Verkehr. Dazu brauchen sie normalerweise keine Waffen, außer sie müssen einen Verbrecher aufhalten. Sie brauchen also Waffen zur Verteidigung. Für die Demokratie brauchen wir diese Stärke. Die Polizei schlichtet Streitereien, sie verhindert Gewalt, und sie führt letzten Endes Delinquenten vor Gericht. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Wir haben Organisationen, die man wegen ihrer Freiwilligkeit diesbezüglich vergleichen kann: Ich meine damit die Freiwilligen Feuerwehren auf dem Lande oder die Bergrettung. Was tun sie? – Sie tragen zur Brandverhütung bei, indem sie aufklären, wie man die Entstehung eines Brandes verhindert. Sie bekämpfen den Brand am Objekt und für die Nachbarn und halten nachher eine Brandwache, damit dieser Brand nicht nochmals ausbricht. Da kann es in der Gemeinde nicht vorher einen Gemeinderatsbeschluß – womöglich mit Zweidrittelmehrheit – geben, ob die Feuerwehr ausrücken soll oder nicht. Genau das ist ja auch in diesem Gesetz gemeint, daß bei Katastrophen zu Hilfe geeilt werden soll, nämlich daß es möglichst rasch gehen kann.

Ich möchte dann noch als Beispiel die medizinische Hilfe hernehmen, etwa auch die Geburtenhilfe. Wir helfen dort einem Staat bei den Schritten der Geburt der Demokratie. Sie wissen genau, wie lange es nach dem Ersten Weltkrieg in Mitteleuropa, also auch bei uns, gedauert hat, bis wir mit dieser Demokratie umgehen konnten. Dies gilt erst recht für einen Staat, der abgeschnitten von der Außenwelt von einem autoritären System beherrscht wurde.


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Es ist mit diesem Gesetz gewollt, daß wir in dieser Weise, wie das die beispielhaft aufgezählten Einsatzorganisationen bei uns tun, in einem Land wie Albanien oder sonstwo helfen können. Es ist ein Gesetz, das Solidarität in Kooperation mit anderen an die Spitze stellt. Wir bekennen uns doch zu gemeinsamen Einsätzen im Rahmen der UNO und jetzt auch im Bereich anderer Organisationen der Europäischen Union und der OSZE, die bisher nicht aufgeführt wurde.

Im § 1 sind diese Ziele eindeutig definiert als Friedenssicherung, Förderung der Demokratie, Schutz der Menschenrechte, Katastrophenhilfe, humanitäre Hilfe und Such- und Rettungsdienste unter Beachtung des Völkerrechts und der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs nach der UN-Charta oder der Schlußakte von Helsinki, was die OSZE betrifft, oder der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU nach dem Titel 5 und dem Petersberg-Übereinkommen. Nichts anderes wird in diesem Bundesverfassungsgesetz geregelt. Daher braucht das Neutralitätsgesetz in diesem Zusammenhang nicht geändert zu werden.

Ich gebe Ihnen aber darin recht: Fragen wir wirklich, wenn es darauf ankommt und wenn es notwendig ist, die Bevölkerung, die dazu ihre Stellungnahme abgeben soll!

Dieses Gesetz hat auch mit einem Beitritt oder einer Annäherung zu NATO oder WEU nichts zu tun. Wer glaubt, dies damit zu erreichen und sozusagen durchs Hintertürl oder mit Salamitaktik dort beitreten zu können, der irrt. Ich selbst würde mich auch dagegen verwehren.

Nun zum Albanieneinsatz: Es geht darum, Hilfe zu leisten, Hilfsgüter zu sichern, an die richtigen Stellen zu leiten, Konflikte zu vermeiden, alleine schon durch Anwesenheit Greueltaten, Überfälle, ungesetzliche Handlungen, selbsternannte Machtausübung zu verhindern, ohne politisch Partei zu ergreifen – und das ist für einen Außenstehenden wirklich sehr schwer in solchen Krisensituationen. Es geht also nicht um politisches Einmischen.

Im ehemaligen Jugoslawien hat man den Westeuropäern doch immer vorgeworfen, daß sie zu lange gezögert haben. Man hätte mit rascheren Einsätzen dieser Art vielleicht manches verhindern können.

Jetzt versucht man, Albanien mit diesem Gesetz Hilfeleistung zu geben. Es geht, wie gesagt, um den Übergang vom autoritären, auch monarchistischen System – da hat sich auch ein Monarch gemeldet, der dort an die Regierung kommen möchte – zu einer demokratischen Republik.

Weil ich vorhin von der Ausbreitung von Bränden gesprochen habe: Der Balkan ist in einer schwierigen Situation – denken wir an das ehemalige Jugoslawien und Bosnien-Herzegowina, an den Bereich des Kosovo und an das länderüberschreitende Gebiet Mazedoniens. Sollte man jetzt nicht solidarisch versuchen, einem Land und den dort lebenden Menschen zu helfen?

Zum Schluß noch einige Worte zum italienischen Kommando dieses Albanien-Einsatzes: Meine Damen und Herren! Auch in der NATO könnten italienische Offiziere das Kommando innehaben. Ich höre daraus eher wieder ein Schüren gegen Italien. Es scheint dies doch eine rechtslastige Angelegenheit zu sein, die im Süden Österreichs oder in Südtirol populistisch zu nützen sein könnte. Man sieht, daß man sich dialektisch immer nach jeder Seite absichern kann: Nimmt man nicht teil, würde mangelnde Hilfsbereitschaft aufgezeigt. Nimmt man teil, und es würde etwas passieren, was Gott verhüten möge, würde die Teilnahme kritisiert werden.

Ich hoffe, daß die Albanien-Frage eine positive Entwicklung nehmen kann. Leicht wird es nicht werden. Schnell wird es nicht gehen. In drei Monaten viel erreicht zu haben, wird eine Illusion sein. Es geht um den Aufbau einer Demokratie, den Aufbau der Wirtschaft, der Errichtung eines sozialen Systems und so weiter. Das wird lange dauern. Es wäre schön, wenn diese Krise in einem halben Jahr völlig bereinigt wäre. Aber bereiten wir uns darauf vor, daß die Kritiker in wenigen Monaten kritisieren werden, daß noch nicht alles erledigt ist.

Ich wünsche dem österreichischen Kontingent alles Gute, ich wünsche mir, daß die Soldaten keine Schäden, welcher Art auch immer, erleiden mögen, und ich wünsche dieser Aktion, der möglicherweise weitere folgen werden, in diesem Sinne viel Erfolg. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.24


Bundesrat
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625. Sitzung / Seite 21

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Ludwig Bieringer. Ich erteile es ihm.

13.24

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich vorerst ein paar Anmerkungen zu den Vorrednern mache.

Herr Kollege Konečny hat gemeint, ein Bosnien dürfe sich nicht wiederholen. Ich gebe ihm da 100prozentig recht. Erinnern wir uns bitte zurück, als 1991/92 die Bosnien-Krise ausgebrochen ist: Da war es der damalige österreichische Außenminister Dr. Alois Mock, der von Land zu Land gereist ist und flehentlich gebeten hat, man möge eine Friedenstruppe nach Bosnien schicken, um dort Unglück zu vermeiden. Hätte man der Voraussicht des Alois Mock geglaubt, wäre in Bosnien viel weniger Leid gewesen.

Wenn Herr Kollege Bösch heute hier gesagt hat, der NATO-Beitritt werde nicht aufzuhalten sein, der NATO-Beitritt müsse angestrebt werden, dann kann ich nur sagen: Die Worte hör’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! Dann wird es wieder so sein wie beim EU-Beitritt: Wenn es soweit ist, daß der NATO-Beitritt zu vollziehen ist, wird von den Freiheitlichen die Parole ausgegeben werden: Vorwärts Kameraden! Wir müssen zurück! (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Dann wird das alles, was bisher in diesem Zusammenhang gesagt wurde, nicht mehr gelten. (Bundesrat Dr. Tremmel: Du bist ein schöner Vorausdenker!) Ich freue mich, daß du nickst und mir damit Zustimmung signalisierst, lieber Paul Tremmel! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Die Kritik des Kollegen Tremmel, es sei zu schnell vorgegangen beziehungsweise ein Husch-Pfusch-Gesetz vorgelegt worden, kann ich nur teilweise gelten lassen. 100prozentig teile ich die Kritik hinsichtlich der Verkürzung der Auflagefrist und hinsichtlich dessen, daß nur 24 Stunden seit dem Beschluß des Nationalrates vergangen sind. Wenn du aber den Bericht des Verfassungsausschusses gelesen hast, dann müßtest du draufkommen, daß sich der Verfassungsausschuß des Nationalrates erstmals am 4. Dezember 1996 mit dieser Gesetzesmaterie befaßt hat. Der Unterausschuß hat am 15. Jänner und am 28. Februar getagt und hat am 10. April seinen nunmehr endgültigen Bericht vorgelegt. Es wird da wahrscheinlich irgendwo einen Bremser gegeben haben, der dies verzögert hat, sodaß wir es heute in einer Sondersitzung beschließen müssen.

Ich gebe niemandem die Schuld, denn es konnte am 4. Dezember des vergangenen Jahres niemand wissen, daß jetzt Not am Manne ist und in Albanien ein Einsatz durchzuführen ist. Es muß aber die Parole gelten: Wer rasch hilft, hilft doppelt. – Daher ist es notwendig, daß wir heute dieses sogenannte Entsendungsgesetz beschließen.

Meine Damen und Herren! Meine Vorredner sind bereits darauf eingegangen, welche Positionen hiebei zu beziehen sind, welche Einheiten und einzelne Personen in das Ausland entsendet werden können. Ich will darauf nicht mehr näher eingehen, sondern lediglich ein paar Anmerkungen machen.

Seit 1960, also seit der damaligen sogenannten Kongo-Krise, entsendet Österreich im Rahmen der UNO Soldaten in das Ausland. Auch dazu eine Anmerkung: Wenn Hilfeleistung notwendig ist, ist es meiner Meinung nach egal, ob diese Hilfe von der NATO, von der EU, von der UNO oder von der KSZE, der nunmehrigen OSZE, angefordert wird. Das, meine Damen und Herren, muß sekundär sein. Wichtig ist, daß österreichische Soldaten, daß österreichische Sicherheitsorgane im Ausland helfen können. Immerhin haben – das hat Kollege Tusek auch bereits gesagt – 36 000 österreichische Soldaten im Rahmen des UNO-Einsatzes hervorragende Arbeit geleistet. Sie sind in allen Ländern anerkannt worden. Alle anderen Militärs, die dort waren, haben einmütig festgestellt, daß der Ausbildungsstandard der österreichischen Soldaten ein hervorragender ist. Sie haben festgestellt, daß die österreichischen Soldaten zumindest zu jenen gehören, die die beste Ausbildung haben.


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625. Sitzung / Seite 22

Es ist daher auch unsere Pflicht und Schuldigkeit, diesen unseren Soldaten, die freiwillig irgendwo auf der Welt in einem Krisengebiet die Fahne Österreichs vertreten haben, unseren aufrichtigen und herzlichen Dank zu sagen. Ich glaube, es ist auch unsere Verpflichtung, den kommenden Entsendungssoldaten für die künftige Aufgabe alles Gute zu wünschen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich meine, mit diesem Entsendungsgesetz wurden die Grundlagen dafür geschaffen, daß österreichische Soldaten und österreichische Sicherheitsorgane im Ausland im Dienste des Friedens und für Aufräumungsarbeiten bei Katastrophen verwendet werden können. Seien wir froh darüber, wenn es immer genügend Freiwillige gibt, um diese Kontingente zu bestücken.

In diesem Sinne darf ich namens der ÖVP-Fraktion erklären, daß wir dem Antrag des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, gerne unsere Zustimmung geben werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.31

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

13.31

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Dem gestern im Nationalrat beschlossenen Bundesverfassungsgesetz über Kooperation und Solidarität bei der Entsendung von Einheiten und Einzelpersonen in das Ausland kann man in dieser Form nicht zustimmen. Dabei geht es uns gar nicht um den konkret geplanten Einsatz österreichischer Einheiten in Albanien. Dessen politische Bewertung und die Prüfung seiner Sinnhaftigkeit im Detail versage ich mir bewußt; das mögen dazu fachlich Berufenere tun – sie haben es heute auch schon getan. Ich weise es aber als eine Unterstellung zurück, daß das zugleich bedeutet, daß meine Fraktion für Wegschauen und Abseitsstehen angesichts der Zustände in Albanien eintritt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Daß aber dieser Einsatzfall – ich wiederhole es bewußt – zu einer Anlaßgesetzgebung, um nicht zu sagen: Husch-Pfusch-Gesetzgebung auf der staatsrechtlich höchsten Ebene, unserer Verfassung, geführt hat, ist sachlich nicht zu verantworten; und dies aus mehrfachen Gründen: zum ersten und ganz grundlegend wegen der zentralen Forderung nach demokratiepolitischer "Firmenwahrheit" und "Firmenklarheit". Man kann entweder staatspolitisch und sicherheitspolitisch am völkerrechtlichen Status der dauernden Neutralität festhalten – verfassungsrechtlich sind wir derzeit nach wie vor dazu verpflichtet –, oder man kann sich aus wohlerwogenen Gründen für den Beitritt zu einem Militärbündnis im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union entscheiden.

Was man aber gewiß nicht kann, ist – wie es hier wieder geschehen soll –, den doppelbödigen dritten Weg zu beschreiten – ein schlechter österreichischer Weg –, nämlich sich für eine internationale sicherheitspolitische und auch militärische Kooperation und Solidarität, wie sie nach Art und Ausmaß einzig und allein im Rahmen eines Verteidigungsbündnisses vertretbar wäre, die verfassungsgesetzlichen Grundlagen zu verschaffen, aber andererseits weiterhin den Eindruck zu erwecken, daß an der Neutralität uneingeschränkt festgehalten wird.

Bezeichnenderweise wird diese ja auch gar nicht angesprochen und auch kein auf sie verweisender Vorbehalt in das vorliegende Bundesverfassungsgesetz aufgenommen – das wohlweislich, weil ja sonst die sachliche Unverträglichkeit zwischen der mittlerweile längst bekundeten Bereitschaft Österreichs zur internationalen sicherheitspolitischen wie militärischen Kooperation und einem echten Neutralitätsstatus im klassischen Sinne, etwa der Schweiz, allzu offenkundig würde. Das, meine Damen und Herren, ist unehrliche Gesetzgebung, ist Etikettenschwindel, ist eine gezielte Taktik, die nur noch sogenannte Neutralität stück- und scheibchenweise abzubauen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn das unser Ziel ist, so sagen wir es doch dem Volk ganz ehrlich! Noch besser: Sagen wir ihm, daß sich Österreich abseits diplomatischer Floskeln und juristischer Interpretationskunst


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stücke von der Neutralität längst verabschiedet hat. Die Regierung und die sie tragende politische Mehrheit tut sich damit freilich begreiflicherweise schwer, hat sie doch im Zuge der EU-Beitrittskampagne der Bevölkerung hoch und heilig versichert, daß Österreich als neutrales Land in die EU gehen und als solches aufgenommen wird. (Zwischenruf des Bundesrates Rauchenberger. ) – Moment, kommt schon! Anders wäre wohl auch die Volksabstimmung kaum zugunsten des Beitritts ausgefallen.

So stimmt es zwar, daß wir als neutraler Staat der Europäischen Union beigetreten sind – offiziell sind wir ja bis heute neutral –, aber es ist inzwischen ganz evident, daß wir diesen Status früher oder später – und zwar eher früher als später – auch ganz offiziell und formell aufgeben werden. (Bundesrat Rauchenberger: Aber nur, wenn es nach euch geht!) Und nach Ihnen!

Nach meiner Rechtsüberzeugung – und darum geht es mir hier und heute – ist nicht erst dieses, aber jedenfalls dieses Verfassungsgesetz mit dem auf gleicher Stufe stehenden Neutralitätsgesetz völlig unvereinbar. Als lex specialis und lex posterior – also als das speziellere und spätere Verfassungsgesetz – geht jenes, also das vorliegende Bundesverfassungsgesetz, diesem, das heißt, dem Neutralitätsgesetz als der lex generalis und lex prior – also dem allgemeineren und früheren Gesetz – zweifellos vor. Bekennen Sie sich daher auch ehrlich zu diesem weiteren Abbruch der letzten Reste der Verfassungsruine Neutralität, wenn Sie heute mehrheitlich keinen Einspruch beschließen sollten!

Aus der Sicht meiner Fraktion erscheint jedoch überdies der erneute Abbau parlamentarischer Rechte nicht minder untragbar. Gemäß § 2 Abs. 5 dieses KSE-BVG, wie es abgekürzt so unschön heißt, soll es der Exekutive obliegen, eine Entsendung gemäß § 1 Z 1 lit. b zu beschließen, sofern die besondere Dringlichkeit der Lage eine unverzügliche Entsendung erfordert. Wer bestimmt nun diese besondere Dringlichkeit, und wann ist sie je sachlich objektiv begründet? – Es müßte daher generell dabei verbleiben, daß zu Entsendungen die Bundesregierung nur im Einvernehmen mit dem Hauptausschuß des Nationalrates berufen ist – er ist ja in aller Regel sehr rasch einberufbar. Mangels einer solchen ausnahmslos gültigen Grundregel reicht nach unserer Überzeugung die parlamentarische Kontrolle für die vorgesehenen, sehr weitreichenden Auslandseinsätze österreichischer militärischer Einheiten und Einzelpersonen nicht aus.

Diese sich zuletzt häufenden schleichenden Kompetenzverlagerungen von der Legislative zur Exekutive und damit verbunden vielfach auch zum Bund hin – durch Ausschluß der föderalistisch gebotenen Kontrolle durch den Bundesrat, durch unser Haus – lehnen wir entschieden ab!

Äußerst problematisch ist meines Erachtens vor allem auch die Zielbestimmung des § 1 Z 1 lit. a. Stört schon die eher gut gemeinte, aber ideologisch klingende Formulierung von der "solidarischen Teilnahme", die ja jedes rechtlich faßbaren Sinnes entbehrt, so wird dann auch noch der primäre Einsatzfall äußerst vage umschrieben. Die Teilnahme gilt nämlich Maßnahmen der Friedenssicherung einschließlich der Förderung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Menschenrechte. – Wer wollte das nicht? – Das ist jedoch viel zu unbestimmt, denn es determiniert ja nicht nur die Entscheidungen der österreichischen Staatsorgane nicht ausreichend, sondern es liefert Österreich moralisch-politisch, wenn schon nicht rechtlich, den Einschätzungen und Beurteilungen internationaler Organisationen aus.

Übrigens werden aufgrund derart weitreichender Ermächtigungen auch Maßnahmen gedeckt, die sich durchaus auch als Einmischung in innere Angelegenheiten fremder Staaten darstellen ließen. Das sehe ich dann nicht so, wenn es um schwerwiegende Verletzungen der Menschenrechte geht – da wäre das natürlich anders zu beurteilen –, aber in dieser unbestimmten Allgemeinheit kann das nicht gelten.

Dabei beruhigt mich auch durchaus nicht, daß solche Maßnahmen im Rahmen einer internationalen Organisation – welcher eigentlich? – oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa erfolgen sollen. Welche echte Kompetenz und Legitimation hat denn die


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OSZE überhaupt für aktiv friedenssichernde Maßnahmen? – Sie hat ja auch jetzt nicht einen formell verbindlichen offiziellen Auftrag erteilt!

Noch unklarer ist mir dies bei der Durchführung von Beschlüssen der EU im Rahmen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Welche Organisation und welche bestehende Sicherheitsstruktur ist denn damit angesprochen? Gibt es derzeit schon eine institutionell verankerte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU, und gehören wir dieser etwa bereits an?

Ebensowenig räumt meine Bedenken die salvatorische Klausel aus, daß bei unserer Teilnahme an solidarischen internationalen Aktionen auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, die Grundsätze der Satzung der Vereinten Nationen sowie der Schlußakte von Helsinki und auf die bereits zitierte Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU Bedacht zu nehmen ist. Wird mit der Wendung von den "völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs" etwa doch verschämt auf unseren angeblich noch aufrechterhaltenen Status der dauernden Neutralität Bezug genommen? – Vermutlich ist eher an unsere Teilnahme an der NATO-Partnerschaft für den Frieden gedacht, also an eine Vorstufe der vollen NATO-Mitgliedschaft. Mit anderen Worten: Um die Grundsatzentscheidung, ob wir einem Bündnis beitreten oder die Bündnisfreiheit beibehalten wollen, können und sollen wir uns nicht drücken!

Jede konkrete Entsendung und um so mehr jede abstrakte verfassungsrechtliche Grundlage und Ermächtigung zu einer solchen kann demokratiepolitisch korrekt nur aus der Perspektive der wie auch immer getroffenen Grundsatzentscheidung beurteilt werden.

Da der Nationalrat zu einer solchen nicht bereit und nicht willens oder nicht fähig war, versagen wir ihm für seine punktuelle, anlaßbezogene und sachlich unzulängliche Regelung unsere Zustimmung. Wir sehen nämlich unsere Aufgabe nicht darin, zwar gegenüber dem Ausland beziehungsweise bestimmten internationalen Organisationen vorauseilenden Gehorsam zu leisten, aber die eigene Bevölkerung über unsere neue Sicherheitspolitik völlig im unklaren zu lassen.

Erst nach der von mir vermißten und eingemahnten Grundsatzentscheidung wäre es auch vertretbar, die in der Bundesverfassung normierten Aufgaben des österreichischen Bundesheeres entsprechend zu erweitern. Zuvor muß auch ein Auslandseinsatz als Aufgabe, die weder der Verteidigung der österreichischen Neutralität dient, noch einer gegenwärtigen Bündnisverpflichtung entspricht, dezidiert abgelehnt werden.

Aus jeder Zuweisung neuer Aufgaben an das österreichische Bundesheer müßte zudem sowohl die Schaffung einer angemessenen Infrastruktur folgen – sie fehlt im vorliegenden Zusammenhang ja zur Gänze –, als auch für eine finanzielle Bedeckung gesorgt werden. Das gegenwärtige Heeresbudget gewährleistet indessen weder in rechtlicher noch in fiskalischer Hinsicht die Kostentragung für die Teilnahme an den im vorliegenden Bundesverfassungsgesetz vorgesehenen internationalen Maßnahmen.

Alles in allem müssen wir einer derart unredlichen Vorlage unsere Zustimmung versagen, weil wir sie so nicht verantworten können. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.42

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. – Bitte.

13.42

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! So wie der heutige Erstredner bedaure auch ich, daß der Präsident des Bundesrates, Herr Professor Schambeck, zu dieser verfassungsmäßig wichtigen Frage nicht das Wort ergreift. Ich bin überzeugt, auch er fände manch kritische Einwendungen zu der Vorgangsweise dieser Gesetzeskombination.

Ich danke auch dem Klubobmann der Sozialdemokraten, Herrn Kollegen Konečny, daß auch seiner Meinung nach, wie er hier ausführte, das Vorgehen, die Art und Weise, wie der Bundesrat mit diesem Gesetz konfrontiert wurde, kritisch zu betrachten ist, um so mehr, als doch, wie er


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meint, die Opposition Nachteile gegenüber den Regierungsparteien habe, was den Informationsfluß anlangt. Für diese seine Bemerkung bin ich ihm sehr dankbar.

Wir behandeln heute also dieses Entsendegesetz. Man könnte es auch als die Wiederkehr der albanischen Frage bezeichnen. Es ist, wie schon mehrfach gesagt worden ist, eine Anlaßgesetzgebung, manche bezeichnen es als eine Art Kanonenboot-Politik, und diejenigen, die den Einsatz in Albanien verniedlichen wollen, wie Kollege Meier, nennen es eine Art Feuerwehr-Aktion. Nicht anders konnte ich seine Aussage verstehen, die Freiwilligkeit sei jener eines Einsatzes bei der Freiwilligen Feuerwehr gleichzusetzen. (Bundesrat Meier: Da haben Sie mich nicht verstanden! Wie immer nicht verstanden!)

Ich glaube, ich habe Sie nicht gänzlich mißverstanden, der Grundkonnex ist gegeben. Sie haben die Freiwillige Feuerwehr ins Spiel gebracht, und die Freiwillige Feuerwehr ... (Bundesrat Konečny: Das ist ein gefährlicher Job, falls Sie sich das schon einmal überlegt haben!) Gut, vielleicht habe ich es mißverstanden. Tatsächlich ist es keine Feuerwehraktion, und der Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr erfolgt im Inland und nicht im Ausland. Darin liegt einmal ein wesentlicher Unterschied.

Es ist vielleicht von Interesse, zu beobachten, daß dieser Albanien-Einsatz von den militärisch befaßten Dienststellen als gefährlich eingeschätzt wird, und das drückt sich auch ein bißchen in der Besoldung aus. Warum ist er gefährlich?

Albanien ist ja nicht nur der Staat Albanien. Die Republik Albanien ist aufgeteilt auf mehrere Staaten und hat eine lange, wechselhafte Geschichte. Im Frieden von Stefano und im Berliner Kongreß 1878 erfolgte diese Aufteilung, daß eben Albaner sowohl im Kosovo, in Montenegro, in Mazedonien und eben auch in Albanien angesiedelt sind.

Am 17. Dezember 1912 wurde in der Londoner Botschafterkonferenz die Unabhängigkeit Albaniens beschlossen, wenngleich unter der Oberhoheit des Sultans. 1912, 1913 folgten zwei Balkankriege, und dabei verlor die Türkei ihre verbliebenen europäischen Gebiete im Balkan. 1914, nach einer Übergangszeit, wird ein Prinz zu Wied als Regent eingesetzt, und er übernimmt dann das unabhängige Albanien.

Es ist ja möglich, daß der ehemalige österreichische Bundeskanzler Vranitzky die Nachfolge des Prinzen zu Wied antritt und dort Frieden und Einigung schafft. Nun, zu wünschen wäre ihm diese ehrenwerte Aufgabe. Wenn es ihm nicht gelingt ... (Bundesrat Konečny: Das sicher nicht, weil der Prinz von Wied aus Durrës nie hinausgekommen ist! Sie kennen die albanische Geschichte nicht, wie so vieles!)

Wenn es ihm nicht gelingt, dann ist es eben Pech, aber ich wünsche ihm durchaus gutes Gelingen.

In Albanien haben ja mehrere Gründe zu einem Mißerfolg geführt. Einer der Gründe war, daß man offensichtlich versucht hat, Marktwirtschaft auf Strukturen "aufzupressen", die noch nie marktwirtschaftlich funktioniert haben. So hat man nichts anderes erreicht als einen Haifisch-Kapitalismus, der grenzenlose Armut für viele – wir wissen von diesem unseligen Pyramidenspiel – und Bereicherung für einige wenige gebracht hat. Das alles hat mit dazu geführt, daß wir heute hier sitzen und debattieren, damit es dort wieder zu einer Beruhigung kommt.

Den Einsatz leitet ein italienischer Admiral: Er gilt als sehr fähig, als bestens ausgebildet. Für was aber ist er ausgebildet worden? – Dafür, die Versorgung eines Landes, welches 50 Jahre im späten Mittelalter gewesen ist, aufzubauen? Oder ist er eher ausgebildet worden im kombinierten Einsatz der Waffen, Luftwaffe, Marine und Heer, um das über mehrere Staaten und Sprachgrenzen hinweg zu organisieren? Die fachlichen Qualifikationen hat er meiner Meinung nach, aber ist er auch qualifiziert, diesen Einsatz zu leiten? – Das wird die Zukunft zeigen.

Wir Österreicher haben zu Albanien natürlich eine sehr große hysterische ... (Heiterkeit. – Bundesrat Konečny: Das ist Ihr Problem!) – Ich wollte natürlich sagen: historische. Es trifft aber vielleicht die Sache nicht so schlecht, Herr Kollege Konečny! So, wie wir dieses Gesetz durch


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pauken, könnte man sagen, es ist eine hysterische Aktion. Wenn wir es wirklich im vollen Bewußtsein der uns auferlegten Verantwortung beraten könnten, dann könnten wir sagen, wir werden einer historischen Aufgabe gerecht.

Ein Direktor der Österreichisch-Albanischen Gesellschaft formulierte es vor geraumer Zeit so: Hand in Hand mit Italiens Kaufleuten und Industriellen können wir ein neues Land der Kultur erschließen, dem Wohlstand entgegenführen. Schauen wir die Dinge an, so wie sie sind, ohne rosaroten Optimismus, aber mit gesundem Vertrauen in die eigene Kraft, ohne leichtfertiges Hineinspringen, aber auch ohne gar zu ängstiges Zaudern. Packen wir die uns gestellte neue Aufgabe praktisch an. Es gibt Arbeit in Albanien in Hülle und Fülle, Arbeit, die auch lohnend ist, die gewinnbringend sein wird, die unserer Industrie große und sichere Absatzgebiete öffnen kann, wenn wir nur wollen. – Datum: 18. 3. 1914 im Haus der Industrie.

Meine Damen und Herren! Damit will ich nur aufzeigen, daß wir Österreicher diesen albanischen Bereich nie oberflächlich gesehen haben. Für die Unabhängigkeit Albaniens wurde uns auch von den Albanern stets sehr gedankt. Lord Byron, der 1818 Albanien bereiste, singt denn auch in "Harrold’s Pilgerfahrt": Ihr Zorn ist tödlich, ihre Freundschaft echt, wenn sie für Ehr und Treu geh’n in den Tod.

Und da will ich etwas anklingen lassen: daß dieser albanische Einsatz nicht ungefährlich ist aufgrund der Eigenschaften des albanischen Volkes, welches ein sehr beherztes, ein mutiges Volk ist, ein treues Volk ist, Eigenschaften, die aber, wenn es sich, zu Recht oder nicht, verletzt fühlt, umschlagen können in grenzenlosen Haß gegenüber jenen, die jetzt dort unten arbeiten sollen.

Erinnern wir uns doch, mit welchen Anstrengungen, mit wieviel Mühen die Österreicher, ja die Weltgemeinschaft überhaupt, am Balkan tätig waren. 1991 erobert die jugoslawische Volksarmee Kroatien. Vukovar liegt unter Artilleriefeuer. Ein Außenminister namens Michelis – ich glaube, er schaut jetzt die Welt durch Schwedische Gardinen an – wollte nichts davon gemerkt haben.

Zweitens: Das generelle Waffenembargo nimmt Kroatien und Bosnien-Herzegowina das Recht auf effektive Selbstverteidigung. Hier wurde ich damals, vor sechseinhalb Jahren, als ich die Möglichkeit der Selbstverteidigung gefordert habe, wie sie den Völkern dort genommen worden ist, von ÖVP-Seite als Kriegshetzer kritisiert. Heute wissen wir, wie falsch es war, diesen Leuten nicht die Waffen zu geben.

Ich erwähne diese bosnisch-herzegowinischen Auseinandersetzung, überhaupt diese jugoslawische Auseinandersetzung nur, weil heute schon mehrfach hier angesprochen worden ist, wie stark der Einfluß dieser Auseinandersetzungen auch auf die albanische Frage ist.

Drittens: Der stellvertretende bosnische Regierungschef Durajcic wird von serbischen Milizen in einem UNPROFOR-Fahrzeug erschossen. Man sieht, so leicht ist das Leben dort unten nicht, wenn die Leute losgelassen sind. Nicht einmal UNPROFOR war in der Lage, einen Regierungschef zu schützen. Er wurde aus dem gepanzerten Fahrzeug herausgezogen – Sie können sich vielleicht noch an die dramatischen Fernsehbilder erinnern –, und er wurde vor den Fernsehkameras, vor den UNO-Soldaten erschossen.

Das ist der "Feuerwehr"-Einsatz, den unsere Soldaten in Albanien leisten sollen!

Viertens: Die UNPROFOR ist untätig in Srebrenica, als serbische Eroberer Muslime massenweise erschießen.

Fünftens: Westliche Mächte belohnen den serbischen Aggressor mit der Hälfte von Bosnien-Herzegowina.

Hans Benedikter, ein Südtiroler, der das schreibt in "Die bitteren Früchte von Dayton", betont, daß diese Politik so ist, als hätte Hitler einen Teil der von ihm eroberten Gebiete behalten dürfen.


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Sechstens: Der Europarat, der die Slowakei, Rumänien, Albanien – Albanien! – und sogar Rußland aufgenommen hat, sperrt sich lange gegen Kroatien. Russische und französische Abgeordnete wollten Belgrader Aggressoren in den Europarat einschmuggeln.

Siebtens: Westliche Zeitungen berichten über die Feiern zum 1. Jahrestag der Befreiung Srebrenicas. – Das heißt, die zivilisierte Welt gestattet, daß in Bosnien die Täter ihren Genozid feiern dürfen.

Achtens: Absurd ist der Vertrag von Dayton, der auf die Illusion der Fähigkeit der Völker zum Miteinander aufbaut, wo sie doch bestenfalls zu einem Nebeneinander in der Lage sind.

Neuntens: Die Westmächte mißachten den Willen der Kroaten, im Rahmen der bosniakisch-kroatischen Föderation ihre kulturelle Identität zu wahren.

Zehntens: Die im Westen verbreitete Vorstellung lautete, Mostar wäre von den Kroaten zerschossen worden, obwohl es doch kroatische Verbände waren, welche Mostar vom serbischen Artilleriefeuer befreiten.

Diese Aufzählung der historischen Ereignisse halte ich deshalb für wichtig, weil wir bei Berichterstattungen aus Ländern, in denen es Krisen gibt, immer wieder einer Information unterliegen, die nicht der Objektivität entspricht und die eine gewisse Absicht hat: uns einseitig zu beeinflussen, und zwar in einer Art beeinflussen zu wollen, die mit den Gegebenheiten vor Ort nicht übereinstimmt. Das wird einem bewußt, wenn man mit den Leuten vertraut ist und man das dann geschichtlich betrachtet.

Ich warne davor, daß wir das albanische Experiment ebenso angehen. Es gibt kein Ersuchen des Sicherheitsrates. Die OSZE ist keine internationale Organisation. Österreich hat sich selbst und aus freien Stücken dazu ernannt, in einem Gebiet mit sieben oder acht anderen Staaten für Beruhigung zu sorgen. Übrigens: Die Türkei ist als der Staat mit dem drittstärksten Truppenkontingent dabei, die Türkei, die in Albanien andere Interessen hat als wir Resteuropäer. Das muß man auch wissen.

Die Türkei vertritt, auch wenn sie eine laizistische Staatsform hat, einen eher militanten Islam, und 80 Prozent der Albaner sind islamisch geprägt. Ich möchte dieser Glaubensrichtung allen Respekt entgegenbringen, aber auch das ist eine Art Herausforderung, um es so schön zu sagen, für den Einsatz und kann Schwierigkeiten bringen.

Die Resolution 1101 des Sicherheitsrates spricht auch gar nicht davon, daß wir nach Albanien müssen . Es verurteilt, es begrüßt, es gestattet, es entscheidet, ermuntert, fordert. Nie aber wird von der UNO gesagt: Ihr müßt dort hingehen. Das ist einzig und allein unsere Entscheidung.

Auch wenn der UNO-Sicherheitsrat selbst eine Aufforderung in dieser Richtung ausgesprochen hätte: Ich stelle den UNO-Sicherheitsrat in Frage, denn er ist durch nichts demokratisch legitimiert, außer daß er materielle Interessen der zum Veto berechtigten Sicherheitsratsmitglieder widerspiegelt.

Meine Damen und Herren! Es ist der Einsatz in Albanien durch dieses Gesetz, durch Sie gesichert. Sie tragen die Verantwortung dafür, daß junge Österreicher möglicherweise in einem Metallsarg zurückkommen. Nehmen Sie zur Kenntnis, daß dieses Gesetz überhudelt zustande gekommen ist. Denken Sie auch an die Möglichkeit, die Sie gehabt hätten, nämlich dieses Gesetz nicht abzuschließen und ein Entsendegesetz seriös und langfristig zu diskutieren. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.56

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesrat Dr. Michael Ludwig. Ich erteile es ihm.

13.56

Bundesrat Dr. Michael Ludwig (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich wollte eigentlich von einer Wortmeldung


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625. Sitzung / Seite 28

Abstand nehmen, aber Ihr Beitrag, Herr Mag. Gudenus, beflügelt mich, doch ein wenig auch zu Ihren Ausführungen zu sagen.

Im Unterschied zu Ihnen habe ich ein sehr hohes und sehr großes Vertrauen zum österreichischen Bundesheer. Wir haben in der Debatte ja bereits gehört, daß bei 34 Auslandseinsätzen, die das österreichische Bundesheer seit 1960 absolviert hat, hevorragende Arbeit geleistet wurde. Das österreichische Bundesheer war bis jetzt immer in der Lage, das entsprechende Material zur Verfügung zu stellen, auch logistische Probleme zu lösen und vor allem sehr gut ausgebildete Soldaten bereitzustellen, die mit dazu beigetragen haben, daß das Ansehen Österreichs in der Welt ein so gutes ist und in vielen Konfliktherden mit dazu beigetragen hat, Probleme zu lösen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Und all das, obwohl Österreich nicht Mitglied der NATO ist. All das konnten wir mit Unterstützung des österreichischen Bundesheeres leisten, obwohl Österreich nicht Mitglied eines Militärbündnisses ist. Ich sehe also keine besondere Ausnahmeerscheinung beim jetzt anstehenden Einsatz in Albanien in der Weise, daß das österreichische Bundesheer das jetzt nicht leisten könnte.

Die politische Lage in Europa hat sich in den letzten Jahren tatsächlich sehr geändert, und natürlich müssen gerade wir im Herzen Europas auch ein starkes Interesse daran haben, daß Konfliktherde in Europa auch gemeinsam im Staatenverbund gelöst werden. Es ist nicht auszuschließen, daß es Konfliktherde auch an den Grenzen Österreichs gibt, und dann wären wir dankbar, würden andere europäische Staaten helfen.

Den Unterschied, den ich zwischen einer solchen Sicherheitssolidarität sehe, die wir als Österreicher jetzt zu leisten bereit sind, und einem Militärbündnis ist, daß wir derzeit keine Beistandsverpflichtung haben. Es ist eine freiwillige Entscheidung, eine Entscheidung, die wir als souveräner Staat treffen, und ich glaube, es ist eine wesentlich günstigere Situation, die Interessen der österreichischen Bevölkerung zu vertreten, als wenn wir in einem Militärbündnis in der jetzigen Situation so agieren. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Mag. Gudenus! Ich komme nun zu dem Punkt, bezüglich dessen es auch ein Mißverständnis mit Kollegen Meier gegeben hat. Ohne ihn zu interpretieren: Der Vergleich mit der Feuerwehr resultiert, wie ich meine, eher aus dem erhöhten Sicherheitsrisiko, das solche Berufe mit sich bringen. Sie sind selbst Soldat und wissen sicher, daß die Menschen, die bereit sind, sich in einen solchen Dienst zu stellen, auch wissen, daß sie einen Beruf ausüben, der unter Umständen auch bestimmte Berufsrisken mit sich bringen kann. Auch Feuerwehrmänner wissen, daß sie, wenn sie ihren Dienst versehen und im Brandfall gerufen werden, natürlich auch ein gewisses Risiko zu tragen haben. – So habe ich, ohne dich interpretieren zu wollen, das auch verstanden.

Was aber in diesem Fall für uns Sozialdemokraten besonders wichtig ist, ist, daß der Beitrag ein freiwilliger ist, daß nur Freiwillige dieses Risiko auf sich nehmen müssen. Das ist in diesem konkreten Fall, beim Einsatz in Albanien, auch gewährleistet.

Ich wundere mich aber in einem anderen Punkt schon ein wenig, daß die Bundesräte der FPÖ manche Dinge so gelassen aussprechen, die trotz aller verständlichen Polemiken der Opposition doch etwas kühn sind. So behaupten sie etwa, die Bundesregierung breche laufend die Neutralität und somit ein Bundesverfassungsgesetz, ohne daß sie dafür ein Beispiel nennen.

Ich hätte mich sehr gewundert, wenn Sie es als Opposition verabsäumt hätten, in der Vergangenheit auf diese Umstände hinzuweisen, und daher wundert es mich, daß Sie in diesem Zusammenhang solche Dinge gelassen aussprechen. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich frage mich auch, wo Sie beim Einsatz ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Wie war das denn beim Golfkrieg mit der Durchreise der Transporte? Wie ist das mit der Neutralität zu vereinbaren?) – Wie Sie wissen, war das eine Zusammenarbeit, die aufgrund eines UNO-Sicherheitsratsbeschlusses durchgeführt und auch von der Bevölkerung so mitgetragen wurde. (Beifall bei der SPÖ.)


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Eines muß man auch sagen: Die Neutralität ist – wie vieles andere in unserer Bundesgesetzgebung auch – nicht statisch. Wir verstehen auch, daß sich die Situation ändert und natürlich auch die Interpretation der Neutralität. Dessen sind wir uns bewußt. Deshalb frage ich Sie auch, Frau Kollegin: Wo sehen Sie denn den Bruch der Neutralität bei einem Einsatz in Albanien? – Gegenüber bewaffneten Banditen, die verhindern, daß Frauen, Kinder, Alte und Gebrechliche Versorgungsmaterial bekommen? Sollen wir uns da neutral verhalten? Da sagen wir Sozialdemokraten nein, da werden wir uns nicht neutral verhalten! (Beifall bei der SPÖ.)

Deshalb glaube ich, ist dieser Einsatz ein sehr wichtiger Einsatz, auch um die Möglichkeiten Österreichs für eine Sicherheitskooperation, für eine Sicherheitssolidarität und für eine Zusammenarbeit in Europa zu steigern. Deshalb wünsche ich den Freiwilligen, die bereit sind, diese sehr schwierige Aufgabe auf sich zu nehmen, einen Einsatz in Albanien durchzuführen, viel Erfolg, alles Gute und sehe auch im Entsendegesetz einen wichtigen Schritt der Außen- und Sicherheitspolitik in Österreich. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.02

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Fasslabend. Ich erteile es ihm.

14.02

Bundesminister für Landesverteidigung Dr. Werner Fasslabend: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zuerst einmal möchte ich mich bei Ihnen bedanken, daß Sie heute im Rahmen einer Sondersitzung dieses Entsendegesetz diskutieren und darüber auch Beschluß fassen.

Ich möchte gleich zu Beginn sagen, daß es keineswegs ein Anlaßgesetz ist, sondern daß die Überlegungen und ganz konkrete Vorschläge dazu bereits weit mehr als ein Jahr zurückliegen, daß im Herbst des vorigen Jahres zwischen den Regierungsparteien bereits Einigung über alle wesentlichen Bestimmungen erzielt wurde und daß es aufgrund einer gründlichen parlamentarischen Behandlung bis jetzt nicht beschlossen wurde.

Die Tatsache, daß dieses Gesetz nunmehr beschlossen werden soll, ist zweifellos etwas, das in Zukunft ganz wesentlich dazu beitragen wird, daß wir auf die neue sicherheitspolitische Situation in Europa, aber auch global gezielter, rascher, effizienter und umfassender zu reagieren imstande sind. Das ist auch erforderlich, weil gerade das gezielte, das rasche und effiziente und auch das umfassende Reagieren auf eine bestimmte sicherheitspolitische Situation weit mehr als früher den Erfordernissen der geostrategischen Situation entspricht.

Während in der Zeit des kalten Krieges eine Polarisation stattgefunden hat, in der es im extremen Ausmaß notwendig war, mit einer ungeheuren Vorsicht zu agieren, um nicht einen weltweiten Konflikt auszulösen, ist heute das wichtigste sicherheitspolitische Erfordernis, auf weite Destabilisierungen zu reagieren beziehungsweise ihnen vorzubeugen und damit das Entstehen von Kriegen, kriegsähnlichen Situationen und Krisen überhaupt unmöglich zu machen.

Gerade Österreich ist wahrscheinlich besser als viele andere Staaten in der Lage, das aus eigener Anschauung auch beurteilen zu können.

Denken wir an die Situation vor wenigen Jahren zurück: Wir waren eines der wenigen Länder, in dem die Krise, die sich in Ex-Jugoslawien angebahnt hat, zumindest von einigen namhaften Persönlichkeiten rechtzeitig erkannt wurde. In den übrigen Teilen Europas hat man damals die Brisanz der Situation nicht erkannt, und als dann der Krieg unmittelbar an unserer Südgrenze ausgebrochen ist, hat man in vielen westeuropäischen, aber auch in anderen Hauptstädten noch darüber philosophiert, daß das nur eine innere Polizeimaßnahme sei, um den Zerfall des Staates abzublocken, und daß dem weiter nichts zuzurechnen sei.

Erst als wenige Monate beziehungsweise Wochen nach dem begonnenen Krieg in Slowenien auch ein konsequent geplanter Krieg in Kroatien begonnen hat, ist manchen bewußt geworden, daß es mehr als nur eine innere Angelegenheit ist. Da war immer noch ein halbes Jahr Zeit bis zum Ausbruch des Krieges in Bosnien-Herzegowina. Selbst namhafte Politiker dieses Landes


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haben damals noch nicht daran geglaubt, daß ihrem Land etwas ähnliches passieren könnte, wie das vorher in Slowenien und in Kroatien der Fall war.

Tatsache ist, daß im Juni 1991 der Krieg in Slowenien ausgebrochen ist und erst Anfang April 1992 der Krieg in Bosnien-Herzegowina begonnen hat. Und fast die gesamte Weltbevölkerung hat nicht verstanden, daß die Staatengemeinschaft nicht fähig, nicht in der Lage war, rechtzeitig darauf zu reagieren, und nicht in der Lage war, einen begrenzten Konflikt nach dem Ende des kalten Krieges, am Ende des 20. Jahrhunderts mitten in Europa zu beenden, sondern daß dieser Krieg dann mehr als vier Jahre gedauert und zweifellos mit einer unermeßlichen Katastrophe geendet hat, und zwar nicht nur in der Form, daß es Hunderttausende Tote, Vergewaltigte, Millionen Vertriebene und ein zerstörtes Land gegeben hat. Wenn man nur bedenkt, was an Kultur zerstört wurde – über 1 500 Kirchen, Moscheen et cetera –, was als Sinnbild sozusagen der gegnerischen Kultur – ohne kriegsnotwendige Überlegungen – ganz bewußt zerstört wurde.

Das, was wir daraus nicht nur lernen sollen, sondern wodurch wir aufgrund der Verantwortung für Menschenleben, für humanitäre Ziele, für die Würde und für die Zukunft einfach verpflichtet sind, zu handeln, ist zweifellos die Tatsache, daß sich derartiges nicht ohne weiteres wieder ereignen darf. Das ist auch die Grundüberlegung für diesen Einsatz in Albanien, weil mit einer rechtzeitigen Präsenz von Truppen in einem Staat, in dem anarchische Zustände herrschen, zumindest ein Minimum an Stabilität erzeugt werden kann, damit dieser Staat und auch sein gesamtes Umfeld nicht zu einem weiteren Krisenherd – nicht nur für den Balkan, sondern für ganz Europa – wird.

Man muß sich die Zustände, die derzeit in Albanien herrschen, vor Augen führen. Es gibt fast keine Polizeistation, die unversehrt geblieben ist; sie wurden ganz bewußt ausgeraubt und sind zurzeit de facto nicht in der Lage, örtlich Sicherheit zu geben. Es gibt fast keine Kasernen, mit einer oder zwei Ausnahmen, die nicht ausgeraubt wurden und damit auch in keiner Form der Regierung als Sicherheitselement zur Verfügung stehen, sodaß insgesamt – unabhängig von den politischen Verhältnissen – eine Situation besteht, in der kein Instrumentarium vorhanden ist, das bei der kleinsten Kleinigkeit imstande wäre, der staatlichen Autorität oder irgendeiner Autorität den Durchgriff zu ermöglichen und Kontrolle auszuüben.

Das ist das Faktum. Gleichzeitig – es wurde auch bereits angesprochen – befindet sich dieser Staat in einer Umgebung, die ebenfalls, zumindest teilweise, höchst instabil ist. Mazedonien zum Beispiel hat einen albanischen Bevölkerungsanteil von zirka einem Drittel, Kosovo sogar einen albanischen Bevölkerungsanteil von über 90 Prozent.

Das heißt, die Ausgangssituation ist zweifelsohne sehr brisant, und die Begründung, warum auch Österreich daran teilnimmt, entspringt einerseits der Überlegung, daß es einfach eine Notwendigkeit ist, in derartigen Situationen, wenn es um Menschenleben geht, solidarisch zu handeln, andererseits aber auch einem ursprünglichen österreichischen Sicherheitsinteresse.

Blenden wir ganz kurz zurück: Welche Auswirkungen hatte die Jugoslawienkrise für uns? – Die Auswirkungen der Jugoslawienkrise waren, daß unsere Sicherheitskräfte, Soldaten, aber auch Gendarmen, Polizisten, Zollwache et cetera monatelang gebunden waren und einen sehr hohen Kostenaufwand verursacht haben.

Zweitens: Innerhalb kürzester Zeit wurden wir von Zehntausenden, sogar Hunderttausenden Flüchtlingen überschwemmt, wovon sich erhebliche Teile noch immer bei uns im Lande befinden.

Drittens: Es ist während dieser Zeit zum Höhepunkt der Kriminalitätsrate in Österreich gekommen.

Viertens: Im gesamten Gebiet des Balkans gibt es eine Wirtschaftsentwicklung, die in keiner Weise mit jenen in anderen Gebieten der Welt zu vergleichen ist. Anderswo hat es eine positive Entwicklung gegeben, und dort hätte es Chancen gegeben, dort sind aber alle wirtschaftlichen Kontakte, die vorhanden waren, in einem extremen Maß zurückgegangen, sodaß man sagen


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kann, daß auf fast allen Ebenen – nicht nur auf dem Gebiet der Sicherheit, sondern ebenso auf dem Gebiet der Menschenrechte und der Wirtschaft – wesentliche Nachteile entstanden sind. Daher liegt es auch in unserem vitalen Interesse, daß dieses Land, daß die gesamte Region am Balkan stabil bleibt.

Das war auch der Grund, warum wir uns mit einem kleinen, aber mit einem klaren Auftrag ausgestatteten Kontingent daran beteiligten, um an diesem Stabilisierungsprozeß mitzuwirken. Wir alle hoffen, daß es auch gutgeht. Natürlich ist auch ein Risiko dabei, wie das bei jedem militärischen Einsatz der Fall ist.

Ich erinnere mich noch genau an die Debatte, die wir auch in den parlamentarischen Gremien vor etwas über einem Jahr geführt haben, als es darum gegangen ist, Truppen nach Bosnien zu entsenden. Selbstverständlich gibt es bei jedem derartigen Einsatz auch ein Risiko, aber genauso selbstverständlich bereiten wir uns mit größtmöglicher Sorgfalt darauf vor und versuchen, den Einsatz auch so durchzuführen, daß nicht nur unsere Leute, sondern auch die Menschen im Lande nicht durch irgendwelche Umstände im Rahmen des Einsatzes zu Schaden kommen. Darin sehen wir die Verpflichtung, und dafür bitten wir auch um entsprechende Unterstützung.

Zurück noch einmal zum Entsendegesetz im allgemeinen. Es wurde verschiedenes angesprochen und kritisiert, und ich möchte noch einmal auf die Frage der Bestimmung eingehen, der Dringlichkeitsnorm sozusagen, des Dringlichkeitsverfahrens etwa in Katastrophenfällen. Das ist keine Angelegenheit, die man beiseite wischen sollte, ich habe dies auch im Nationalrat bereits zum Ausdruck gebracht.

Tatsache ist, daß, wenn es derartige Katastrophenfälle gibt, innerhalb weniger Stunden zu handeln ist. Die Abmarschbereitschaft unserer Truppen, aber auch international für Katastrophenfälle beträgt 12 Stunden – 12 Stunden von der Anforderung her bis zum Abmarsch unserer Truppen. Daß diese Zeit natürlich vor allem zu einer bestmöglichen Vorbereitung dienen soll, um bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, um diesen Einsatz auch mit einem möglichst großen Ausmaß an Sicherheit, aber auch an Effizienz durchführen zu können, liegt wohl auf der Hand. Und daß das nicht nur an Sitzungstagen und oft nicht zu "normalen" Tageszeiten passiert, sondern daß das auch mitten in der Nacht auftreten kann und das immer so sein wird, das möchte ich nur hinzufügen.

Daß gerade Österreich dabei auch eine eminent wichtige Funktion hat, möchte ich auch zum Ausdruck bringen, und zwar deshalb, weil wir auf dem Gebiet der Katastrophenhilfe europaweit, ja weltweit im Hinblick auf unser Leistungsvermögen zu den führenden Nationen zählen, und zwar sowohl was unseren Ausbildungsstandard als auch was unseren Ausrüstungsstandard in bestimmten Spezialgebieten betrifft. Daher kann die österreichische Leistung in bestimmten Teilen auch durch niemanden ersetzt werden.

Es hat sich bereits in der Vergangenheit, etwa beim Einsatz in Armenien gezeigt, daß Österreich dort ungewollt von vornherein die führende Rolle bei der Organisation des Einsatzes übernommen hat und die österreichische Planung dann die Grundlage für den Einsatz aller anderen Nationen geworden ist. Ähnliches kann sich morgen bereits wiederholen. Das war die Grundlage und ist auch die Ursache dafür, daß es eine Ausnahmenorm für Dringlichkeitsfälle gibt.

Ganz kurz noch einmal zur geostrategischen Situation eine Überlegung, die ich Ihnen noch gerne mitgeben möchte. Die sicherheitspolitischen Zielsetzungen Europas haben sich grundlegend verändert, darüber kann es keinen Zweifel geben. Ebenso wie die Situation ein paar Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg eine ganz andere war, als sie es Anfang der fünfziger Jahre beziehungsweise Anfang der vierziger Jahre für Europa war, so hat sich auch heute im Zuge der Zeit einiges verändert. Und die Tatsache, daß es gestern über die Medien die Ankündigung gegeben hat, wonach sich der russische Präsident Jelzin bereit erklärt hat, einen Vertrag mit der NATO zu unterzeichnen, und gleichzeitig auch festgestellt wurde, daß es auf der anderen Seite in wenigen Wochen zu einem Erweiterungsprozeß kommen wird, zeigt in eindrucksvoller Weise, wie rasch dieser Prozeß vor sich geht und wie sehr sich die Umstände geändert haben.


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Auch diesbezüglich haben wir bereits in vielerlei Hinsicht reagiert. Die Aufnahme Österreichs in die Europäische Union wäre wahrscheinlich ohne Ende des kalten Krieges nicht in dieser Raschheit erfolgt. Unsere Teilnahme in der NATO-"Partnerschaft für den Frieden" wäre ohne Ende des kalten Krieges nicht möglich gewesen.

Alle Organisationen – ob EU, WEU oder NATO – haben auf diesen Prozeß mit einem ersten Schritt reagiert und sind jetzt dabei, den zweiten Schritt zu setzen. Wenn die EU in einem ersten Schritt die neutralen Staaten aufgenommen hat, so geht es bereits jetzt um den Beginn der Verhandlungen mit Mitgliedern des ehemaligen COMECON, das heißt, die alte Trennlinie wird überwunden. Sie muß überwunden werden, um diesen Graben endgültig zu beseitigen und die Möglichkeit einer Vereinigung dieses Kontinents und damit einer dauerhaften und stabilen Friedensordnung zu schaffen.

Das gleiche passiert auf dem Gebiet der NATO, bei der es jetzt zu einer Veränderung kommen wird, und zwar nicht nur durch die Vollintegration mehrerer Staaten, sondern auch durch die unmittelbare Teilnahme Rußlands am NATO-Diskussionsprozeß beziehungsweise auch an den gesamten Planungsprozessen und an den Durchführungsprozessen. Bereits heute sind wir so weit, daß eine amerikanisch-russische Division auf dem Gebiet von Ex-Jugoslawien im Einsatz ist und vieles andere mehr.

Wozu wir verpflichtet sind, ist zweifelsohne, daß wir jetzt überlegen: Was ist unser möglicher Beitrag, um den Prozeß des Neubildens einer europäischen Friedensordnung zum Zweck unserer eigenen Sicherheit einerseits mitzutragen, mitzugestalten und zu fördern und andererseits nicht zu behindern, zu stören, vielleicht sogar durch das eigene Verhalten zu verhindern? – Nichts ist ausgeschlossen.

Ich glaube, daß für viele die Antwort nicht so einfach ist. Aber es ist unser aller Pflicht, wirklich ernsthaft darüber nachzudenken. So wie sich nach dem Zweiten Weltkrieg ehemalige Gegner zusammengesetzt und versucht haben, mit einer völlig neuartigen Konzeption den Erfordernissen dieser Zeit gerecht zu werden und neue Lösungen zu finden, so ist das jetzt unsere Pflicht – in unserem eigenen Sicherheitsinteresse und auch im Interesse der zukünftigen Generationen.

Es geht dabei nicht nur um die selbstsüchtige Frage, ob es für uns von Nutzen ist oder nicht, sondern es geht zweifellos auch darum, zu überlegen, ob unser Verhalten einen notwendigen Prozeß stört oder fördert.

Das wollte ich zum Schluß diesem Gremium, das sich auf höchster Ebene mit dieser rasanten Entwicklung in Europa beschäftigt, zum Überlegen mitgeben. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.20

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Herr Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub. Ich erteile es ihm.

14.20

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich kann den Worten des Herrn Bundesministers nur zustimmen, Sie haben uns zum Teil aus dem Herzen gesprochen. Ich habe mich deswegen zu Wort gemeldet, weil hier anscheinend ein Mißverständnis vorliegt. Die freiheitliche Kritik an dieser Gesetzesvorlage – ob absichtlich oder unabsichtlich – wurde nämlich in eine falsche Richtung interpretiert. Wir haben nie gesagt und auch nie gemeint, daß wir grundsätzlich dagegen seien, daß österreichische Soldaten in Europa im Einsatz sind. Das ist nicht der Fall. (Bundesrat Meier: Sie sind für beides! Einmal so und einmal so! Sie sind für beides!) – Das ist nicht der Fall, lieber Kollege Meier!

Womit wir Probleme haben, das ist die Unehrlichkeit im Umgang mit der Neutralität. Und da gibt es viele, die das genauso sehen. (Bundesrat Rauchenberger: Wir haben auch Probleme mit eurer Unehrlichkeit!) Dieser Umgang ist eben nicht redlich, und das ist das, was wir kritisieren.


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Und diese Vorlage ist für uns ein weiteres Beispiel dafür gewesen, wo wir für mehr Klarheit, für mehr Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung plädiert hätten.

Ich weigere mich einfach, daß sich die Mehrheit in diesem Haus – ich meine Mehrheit nicht im Sinne der Koalitionsmehrheit –, die Mehrheit im Bundesrat und die Mehrheit im Nationalrat jahrelang mit innerparteilichen Befindlichkeiten der Sozialdemokratie auseinandersetzen und lähmen lassen soll, denn so ist es nämlich in Wahrheit.

Würde man nämlich eine etwas liberalere demokratische Grundeinstellung haben und einmal in den beiden Kammern dieses Hauses eine freie Abstimmung zulassen (Bundesrat Konečny: Tun Sie nur wieder ein bißchen knien!), was NATO-Beitritt und ehrliche Aussagen zur Neutralität betrifft, dann wäre – das weiß ich, daß Sie das irritiert und ärgert (Bundesrat Konečny: Amüsiert!) – die Sozialdemokratie in der Minderheit. Und dieses leidige Thema dieses unehrlichen Umgangs mit der Neutralität wäre sehr rasch vom Tisch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie! Wir alle sind ja Volksvertreter, in demokratischen Wahlen gewählt, unserem Gewissen verpflichtet. Leider bekommen diese Volksvertreter im Bundes- und Nationalrat nicht die Chance, in einer wirklich freien Abstimmung, ohne Koalitionszwang, über diese ernsten Dinge abzustimmen. (Bundesrat Meier: Wer sagt das?) Und das ist der Grund unserer Kritik. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Ludwig. )

Weil ich mich schon zu Wort gemeldet habe, möchte ich noch eines sagen, Herr Kollege Ludwig: Angesichts dessen, daß plötzlich aus Ihren Reihen Schalmeientöne und Loblieder auf Soldaten und Bundesheer gesungen werden, wird einem direkt warm ums Herz. (Heiterkeit bei den Freiheitlichen.) Da ist man bald geneigt, das alles noch einmal zu überlegen und womöglich doch zuzustimmen, denn auch Ihr Fraktionsvorsitzender hat in diese Richtung argumentiert.

Ich würde Sie nur bitten, diese gedanklichen Inhalte auch Ihren Jugendorganisationen und gewissen Gruppierungen, die auf dem Parteitag recht laut waren, zur Verfügung zu stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Dann wäre es nämlich plötzlich viel leichter möglich, zumindest im Bundesrat Einstimmigkeit, Einhelligkeit über alle Fraktionen hinweg zum Thema Landesverteidigung herzustellen. Solange man sich aber, Kollege Meier – und jetzt komme ich auf scherzhafte Abkürzungen zurück –, im Koalitionsschlamassel befindet und Eiertanzgesetze beschließt und die freien Mehrheiten zu solch zentralen Fragen nicht zuläßt, so lange wird unsere Kritik anhalten.

Und es ist ein Koalitionsschlamassel und Eiertanzgesetz. Würde man nämlich die Mehrheit frei abstimmen lassen, dann wären die Entscheidungen klar, und wir könnten zukunftsorientiert arbeiten und müßten uns nicht mit verkrusteten, alten Ideologien bauchschmerzartig bewegen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.24


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Weiters zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

14.24

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bedauere, daß ich offensichtlich in den niedrigeren Jahrgängen der Volksschule nicht in ausreichendem Maße aufgepaßt habe. Wir haben soeben gehört, daß die Freiheitliche Partei Einsätze dieser Art befürwortet. Ich gebe zu, daß ich ganz offensichtlich einem semantischen Irrtum aufgesessen bin. Ich habe angenommen, daß die Worte "fahrlässig", "unverantwortlich" und "gefährlich", mit denen Ihr Generalsekretär Hodic-Westenthaler diesen Einsatz bezeichnet hat, eine Ablehnung zum Ausdruck bringen.

Jetzt nehme ich zur Kenntnis, daß Sie eine fahrlässige, unverantwortliche und gefährliche Vorgangsweise befürworten. – Für diese Klarstellung bin ich Ihnen sehr dankbar. (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Tremmel: Einmal ist es das Fußballspiel, und einmal ist es die Semantik! – Bundesrat Konečny: Sie lernen nicht aus! Weder Fußball spielen noch Semantik können Sie!)

14.25

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist damit geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht gegeben.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Hoher Bundesrat! Die Tagesordnung ist erschöpft. Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr zur Verhandlung der dringlichen Anfrage.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Die Sitzung wird um 14.26 Uhr unterbrochen und um 15.01 Uhr wiederaufgenommen. )

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme die unterbrochene Sitzung wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Susanne Riess-Passer und Kollegen an den Bundesminister für Finanzen betreffend Euro-Propaganda (1278/J-BR/97)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir kommen nun zur dringlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Euro-Propaganda an den Herrn Bundesminister für Finanzen, der durch Herrn Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttensdorfer vertreten wird.

Da diese Anfrage inzwischen allen Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer als erster Anfragestellerin zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte.

15.02

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Am 27. Jänner dieses Jahres hat der damalige Bundeskanzler Vranitzky in einer Anfragebeantwortung auf eine Anfrage der Freiheitlichen Partei im Zusammenhang mit der Euro-Kampagne geantwortet: "Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist noch keine Entscheidung gefallen, wer mit der Durchführung dieser Kampagne betraut werden wird. Es wird selbstverständlich rechtzeitig eine Ausschreibung geben."

Diese Ausschreibung hat bis zum heutigen Tage nicht stattgefunden. Dafür wurde wenige Wochen später Herr Dr. Gustav Raab zum Leiter der Euro-Kampagne der Bundesregierung bestellt und die Sache der Bestellung – wie man den Medien entnehmen kann – zur Chefsache zwischen Klima und Schüssel gemacht.

Bei seinem Amtsantritt wurde sowohl von Ihnen, Herr Staatssekretär, als auch von Herrn Dr. Raab eine objektive Informationskampagne, also keine Hurra-Information, und so weiter angekündigt. Wenige Tage später hat die österreichische Öffentlichkeit erfahren, was die österreichische Bundesregierung, der Finanzminister, Sie, Herr Staatssekretär, und Herr Dr. Raab unter "Objektivität" verstehen: Es ist eine Liste von 14 Experten aufgetaucht, die einen Vertrag


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mit der Europäischen Kommission abgeschlossen haben, der in seiner Gestaltung eigentlich einmalig ist. Es gibt darin unter anderem eine Klausel, in der festgelegt wird, daß die sogenannten Experten in eigenem Namen auftreten, allerdings in diesem eigenen Namen nur und ausschließlich die Ansichten der Kommission zu vertreten haben. Und es ist besonders paradox, daß in derselben Klausel steht: "Dies in Übereinstimmung mit den normal ethischen Regeln der Information".

Diese Vereinbarung haben 14 Experten unterschrieben, von der Creditanstalt/Bank Austria, von der Bundeswirtschaftskammer, von der Arbeiterkammer, vom Wirtschaftsforschungsinstitut, vom Institut für Höhere Studien und sogar aus dem Wirtschaftsministerium. Da muß man sich die Frage stellen: Was haben dieser Vertrag und diese Klausel mit wissenschaftlicher Redlichkeit zu tun? Was haben sie mit Objektivität und mit Wissenschaft generell zu tun?

Der bemerkenswerteste Unterzeichner dieses Vertrages ist der von mir schon genannte Herr Dr. Raab, der in seiner Rechtfertigung, warum er diesen Vertrag unterschrieben hat, auch mehrmals die Unwahrheit gesagt hat. Er hat zum einen gesagt, er habe diesen Vertrag sofort gekündigt, als er seine Stelle als Projektleiter der Euro-Information übernommen habe, angeblich mit Brief vom 29. März dieses Jahres. Es ist interessant, daß dieser Brief bis zum heutigen Tage bei der Kommission in Brüssel nicht eingetroffen ist. (Bundesrat Konečny: Das ist ja nicht wahr! Haben Sie gestern nicht ferngesehen?) Man kann schon sagen, daß die österreichische Post vielleicht nicht immer ... (Bundesrat Konečny: Haben Sie gestern nicht ferngesehen?) Ich habe gesehen, was bei der Kommission eingetroffen ist: Nicht der Brief, sondern das Fax, das er erst vor zwei Tagen geschickt hat, in welchem er auf diesen angeblichen Brief hingewiesen hat. Der Brief selbst ist bis zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht aufgetaucht! Selbst unter der Annahme, daß die österreichische Post in der Beförderung der Briefe und Pakete vielleicht nicht immer die schnellste ist, will ich aber doch nicht unterstellen, daß ein Brief von Wien nach Brüssel sage und schreibe drei Wochen unterwegs ist. (Bundesrat Rauchenberger: Ich habe vor drei Wochen eine Karte aus Rom geschrieben, und sie ist noch immer nicht da!) Herr Kollege! Da war die Pferdepost von Thurn und Taxis noch schneller! In dieser Zeitspanne kann man den Brief ja zu Fuß nach Brüssel tragen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es ist aber auch die Behauptung von Herrn Dr. Raab unrichtig, daß er den Vertrag gekündigt habe, sobald er Projektmanager der Bundesregierung geworden ist: Denn in einer Liste der Kommission, datiert vom 12. März dieses Jahres, ist unter den Teilnehmern und Unterzeichnern dieses Vertrages Herr Dr. Gustav Raab, Berufsbezeichnung: "Projektmanager ,EURO’ der Bundesregierung", angeführt. – Er hat diesen Vertrag also nicht in seiner früheren Funktion geschlossen, sondern in seiner Funktion als "Projektmanager ,EURO’ der Bundesregierung"! Trotz und in Kenntnis dieser Tatsache haben Sie, Herr Staatssekretär, und auch Herr Finanzminister Edlinger noch vor zwei Tagen Herrn Raab Ihr volles Vertrauen ausgesprochen. Da muß ich Sie fragen, warum Sie das zugelassen haben, anstatt in dieser Sache sofort einzuschreiten. Und man muß sich auch die Frage stellen, wie das jetzt weitergeht, wenn Sie, Herr Staatssekretär, heute gesagt haben, die sogenannte Informationskampagne werde in dieser Form unverändert weitergehen! Das kann ich eigentlich nur als gefährliche Drohung auffassen!

Wenn Sie sagen: Wir werden uns bei der Auswahl eines Nachfolgers Zeit lassen, dann möchte ich Sie sehr höflich fragen: Wer ist denn eigentlich "wir"? Und warum sind Sie nicht bereit, die Ankündigung des früheren Bundeskanzlers Vranitzky nach einer öffentlichen Ausschreibung für diese Funktion umzusetzen? Immerhin geht es hiebei um 40 Millionen Schilling Steuergelder! Da muß man sich schon fragen, warum eine solche Funktion sozusagen freihändig und nach Gutdünken der Koalition vergeben wird.

Es stellt sich aber auch die grundsätzliche Frage: Wenn die österreichische Bundesregierung und die EU nicht einmal den Experten trauen, was ist denn dann das Projekt Euro insgesamt wert? Wenn der Euro, wie Sie behaupten, wirklich ein solcher Segen für unser Land wäre, dann müßten Sie sich doch wirklich keine teuren Befürworter dafür kaufen!

Aber all das haben wir in demselben Muster schon einmal erlebt: Erinnern Sie sich zurück an das Jahr 1994: Im Vorfeld der Abstimmung über den EU-Beitritt hat es auch eine sogenannte


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EU-Beitrittskampagne gegeben, eine Propagandamaschinerie ohne Beispiel in dieser Republik. Im Rahmen dieser EU-Beitrittskampagne wurde auch alles versprochen, was gut und teuer ist, bis hin zum berühmten Tausender der Frau Ederer. Damals wurde auch versprochen: Ein Ja zum Beitritt bedeutet auch ein Ja zum österreichischen Schilling. – Diese Behauptung hat sich, wie so viele andere, selbstverständlich als Unwahrheit herausgestellt! Und um diese Unwahrheit vergessen zu machen, braucht man jetzt 40 Millionen Schilling aus Steuermitteln – und das in Zeiten des Belastungspakets!

Herr Staatssekretär! Ich möchte Sie namens der freiheitlichen Fraktion auffordern: Stoppen Sie diese Propagandakampagne! Stoppen Sie die Verschwendung von Steuergeldern! Stoppen Sie die Gehirnwäsche! Tun Sie das, was in einem demokratischen Rechtsstaat eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte: Lassen Sie diejenigen über die Frage der Teilnahme Österreichs an einer Währungsunion entscheiden, die die eigentlich Betroffenen sind, die auch das volle Risiko und die Konsequenzen zu tragen haben werden, nämlich die österreichische Bevölkerung, und ermöglichen Sie eine Volksabstimmung über diese Frage! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.11

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung hat sich Herr Staatssekretär Dr. Ruttensdorfer zu Wort gemeldet. – Bitte.

15.11

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Wolfgang Ruttenstorfer: Hohes Haus! Die Wirtschafts- und Währungsunion ist die logische Vertiefung und Vervollständigung des europäischen Binnenmarktes. Damit werden eine Zone der Stabilität und die Grundlage für Wirtschaftswachstum, Wohlstand und Sicherheit in Europa und somit auch in Österreich geschaffen und auf diese Weise weiter verbessert.

Es liegt auf der Hand, daß bei einem Projekt, das mit so weitreichenden Konsequenzen verbunden ist, begleitende Vorbereitungs- und Informationsmaßnahmen erforderlich sind. Um einen erfolgreichen Einstieg in die Wirtschafts- und Währungsunion sicherzustellen und ihre Vorteile von Anfang an nützen zu können, hat die Bundesregierung daher eine Euro-Initiative – nicht eine Kampagne, sondern eine Initiative – beschlossen. Ziel dieser Informationsinitiative ist es, über die Aufgaben und Schwerpunkte des Euro-Projektes zu informieren und damit den Informationsstand der Bevölkerung zu verbessern, um sie auf die Einführung der gemeinsamen Währung vorzubereiten.

Ich darf nun zur Beantwortung Ihrer einzelnen Fragen kommen und beginne mit der Beantwortung der Fragen 1 und 2: Wie bereits erwähnt, handelt es sich um eine Euro-Informationsinitiative der Bundesregierung, deren Ziel es ist, den allgemeinen Informationsstand der Bevölkerung zu verbessern sowie die Einführung des Euro in Österreich vorzubereiten. Dabei soll insbesondere auf die Fragen und die Sorgen der Bevölkerung eingegangen werden.

Zu Ihren Fragen 3 bis 6 erlaube ich mir folgende Beantwortung: Die Euro-Initiative der Bundesregierung ist grundsätzlich bis zum Abschluß der Umstellung auf den Euro, also Mitte 2002, vorgesehen. In den Jahren 1997 und 1998 beträgt das Budget voraussichtlich jeweils 40 Millionen Schilling. Die konkrete Aufgliederung dieser Summe kann erst auf Grundlage des zurzeit in Arbeit befindlichen Kommunikationskonzeptes erfolgen. – Zu Ihrer weiteren Frage: Die Europäische Union unterstützt grundsätzlich die Informationsarbeit zum Euro in den Mitgliedstaaten. Im österreichischen Fall könnte von der EU ein Betrag von bis zu 10 Millionen Schilling für das heurige Jahr zur Verfügung gestellt werden. Die Höhe ist von den geplanten Informationsmaßnahmen und den zur Verfügung gestellten innerstaatlichen Mitteln abhängig. Ein Übereinkommen mit der EU ist derzeit noch in Ausarbeitung, sodaß auch für 1996 – darauf bezieht sich auch eine Ihrer Fragen – noch keine Mittel angefordert werden konnten.

Zu den Fragen 7 und 8: Der Herr Bundesminister für Finanzen und ich haben am Dienstag, dem 15. April, über die Medien erstmals von den Verträgen zwischen österreichischen Wirtschaftsfachleuten und der Kommission erfahren. Zu diesem Zeitpunkt wurden wir auch davon infor


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miert, daß ein derartiger Vertrag zwischen dem seinerzeitigen Leiter dieses Projekt-Teams, Herrn Dr. Raab, und der Kommission bestehen soll.

Zu den Fragen 9 und 10: Wir können die Tatsache nicht nachvollziehen, daß Herr Dr. Raab auf der Expertenliste der Kommission vom 12. 3. 1997, die Sie eben gezeigt haben, mit der Berufsbezeichnung "Projektmanager ,EURO’ der Bundesregierung" geführt wird. Herr Dr. Raab war nämlich erst ab dem 1. April 1997 überhaupt mit der Leitung des Projektteams betraut. Zu dem von Ihnen genannten Zeitpunkt ist die Entscheidung noch nicht einmal gefallen! Wir wurden von Herr Dr. Raab informiert, daß er am 29. 3. 1997 seinen Vertrag mit der Kommission aufgelöst hat.

Zur Frage 11: Als langjähriger Generalsekretär des Sparkassenverbandes erfüllte Herr Dr. Raab die Kriterien der fachlichen Kompetenz in bezug auf den Euro und verfügte darüber hinaus über langjährige Marketing- und Koordinationserfahrung.

Zu den Fragen 12 und 13: Aufgrund der gegebenen Rechtslage war und ist – das ist die Antwort auf die Frage 13 – eine Ausschreibung nicht erforderlich.

Zur Frage 14: Für das Projekt der Euro-Initiative der österreichischen Bundesregierung sind fünf bis zehn Mitarbeiter vorgesehen.

Zur Frage 15: Wir teilen die Ansicht, daß Beschäftigung und soziale Fragen im EU-Vertrag besser verankert werden müssen. Die Bundesregierung hat bereits unter dem früheren Bundeskanzler Dr. Vranitzky mit einer Initiative in diese Richtung begonnen, welche fortgesetzt werden wird. Die kritische Auseinandersetzung des ÖGB und der Arbeiterkammer ist unseres Erachtens ein wichtiger Impuls für die Bundesregierung, gemeinsam mit den Arbeitnehmervertretungen Wünsche und Sorgen der Bevölkerung im Zusammenhang mit der Währungsunion verstärkt aufzuarbeiten.

Zur Frage 16: Im Hinblick auf die sich im Zeitplan befindliche Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion sowohl auf innerstaatlicher Ebene wie auch auf Ebene der Europäischen Union besteht unseres Erachtens kein Anlaß, eine Verschiebung zu diskutieren. Eine solche Diskussion wäre kontraproduktiv und würde lediglich zu einer Destabilisierung der Wirtschaft und zur Verunsicherung der Bevölkerung führen.

Zur Frage 17: Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, daß die von mir genannten budgetären Mittel zu einem solch wichtigen Thema gut investiert sind. Die Bundesregierung bekennt sich zu der Verpflichtung einer objektiven Information der Bevölkerung über dieses so wichtige Thema. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Staatssekretär! Danke für die Beantwortung.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub. – Bitte.

15.18

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Herr Staatssekretär hat bei seiner Beantwortung der ersten beiden Fragen gesagt, daß das Ziel der Bundesregierung Information sei und nicht propagandistische Beeinflussung mit vorgefaßten Positionen. – Wenn dies zutrifft, ist die Bestellung eines klaren Befürworters der Europäischen Währungsunion gemäß Konzept der Kommission nicht unbedingt zielkonform. Als solche Person war Dr. Raab bekannt, das heißt, das sachliche Ziel hat nicht mit der Person, die als dafür verantwortlich eingesetzt wurde, übereingestimmt. Oder es gibt Schattenziele, die öffentlich nicht geäußert werden.


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Über die Fragen 3 bis 5 ist der Herr Staatssekretär sehr flott bis großzügig hinweggegangen.

Interessant war dann die Beantwortung der Frage 6: Wie steht es mit diesen 10 Millionen EU-Mitteln? – Diesbezüglich gab er die Auskunft, daß diese 10 Millionen EU-Mittel grundsätzlich verfügbar seien, es aber noch keine Vereinbarung mit der EU gebe, was diese Gelder betrifft.

Ich verstehe das so, daß diese 10 Millionen eben unter bestimmten Bedingungen verfügbar sind. – Wir haben einen Vorgeschmack davon erhalten, wie diese Bedingungen aussehen werden: Es sind Bedingungen in Richtung Gehirnwäsche, Denkverbot, Selbstverleugnung. Und wenn wir diese Bedingungen erfüllen, dann bekommen wir 10 Millionen Zuschuß aus Brüssel. (Bundesrat Meier: Wie können Sie das wissen?) Das ist meine Interpretation. Wenn 10 Millionen für eine Informationskampagne vereinbart sind, die stattfinden muß (Bundesrat Meier: Selbstverständlich muß diese stattfinden!), dann frage ich mich, wo liegt das Problem? (Bundesrat Konečny: Eben! Wo liegt das Problem?) Was muß jetzt noch vereinbart werden? (Bundesrat Konečny: Nicht Aufpassen ist politische Qualität!) Das Problem dürfte darin liegen, daß man sich über die Gehirnwäschebedingungen mit der EU noch nicht geeinigt hat, und daher sind eben diese 10 Millionen noch nicht fix!

Auf Frage 7 wurde geantwortet, daß die Bundesregierung erst am 15. 4. Kenntnis erlangt habe, daß es derartige Euro-EU-Lobbyisten gebe. Dazu muß ich sagen: Da hat zum ersten Mal die jahrzehntelang bestehende Achse überhaupt nicht mehr funktioniert, nämlich die Achse zwischen Sozialpartnerschaft, Wirtschaftsforschungsinstituten, höchsten Parteifunktionären, Gewerkschaften und Bundesregierung. Dann wäre das Bild, das diese Koalition bietet, aber betrüblich, wenn in einer so wichtigen Angelegenheit, nämlich bei der Informationsvorbereitung zum Euro, der eine nicht wüßte, was der andere tut. Aber die Auskunft ist nun einmal so. Ich könnte daraus schließen, daß es sich um eine fahrlässige Personalaufnahme gehandelt hat: Es wird jemand als Leiter eines solchen Projekts eingesetzt, ohne daß man sich darum kümmert, welche Nebenbeschäftigungen dieser Mann hat, für wen er sonst noch arbeitet. In der freien Wirtschaft ist das zumindest nicht üblich, in der Politik aber leider schon! (Bundesrat Konečny: Es gab Informationen! Haben Sie überhaupt zugehört?)

Eine Qualifikation dürfte Herr Dr. Raab diesfalls aber haben, nämlich hellseherische Qualitäten. Denn wenn es unerklärlich ist, wie Dr. Raab mit der Bezeichnung "Projektmanager der Bundesregierung" auf diese Euro-Lobbyisten-Liste kommt, und niemand sich das erklären kann, weil Herr Dr. Raab zu diesem Zeitpunkt angeblich noch gar nicht wissen konnte und noch gar nicht beschlossen war, daß er diese Funktion erhält, dann – entschuldigen Sie den Zynismus! – kann es sich nur um hellseherische Qualitäten handeln! (Bundesrat Rauchenberger: Oder Sie haben die falsche Liste!) So lautete die Auskunft: Es ist der Bundesregierung unerklärlich, warum die Berufsbezeichnung "Projektmanager ,EURO’ der Bundesregierung" bereits am 12. März auf dieser Unterlage aufscheint. Diese Auskunft hat der Herr Staatssekretär vor fünf Minuten gegeben: Das ist der Bundesregierung unerklärlich. Ich behaupte daher: Nur ein Hellseher konnte das wissen. Denn wenn noch überhaupt keine Gespräche mit Dr. Raab geführt worden und noch keine Entscheidungen gefallen sind, dann muß es sich um andere, eventuell überirdische Einflüsse gehandelt haben. Denn es war bestimmt kein Zufall, daß irgendein Sekretär in Brüssel diese Berufsbezeichnung auf diese Liste getippt hat!

Meine Damen und Herren! Bedauerlich ist, daß eine Ausschreibung entgegen der Ankündigung des Altkanzlers Vranitzky jetzt plötzlich doch nicht vorgesehen ist. Ich verstehe schon: Da könnte Objektivität ins Spiel kommen. Das ist zu gefährlich. Man will das nicht aus der Hand geben! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zu Frage 15: Meine Damen und Herren! Es rächen sich jetzt eben verschiedene Verhaltensweisen aus dem Jahr 1994, wenn jetzt etwa beklagt wird, daß die Sozialunion fehlt, daß niemand an den Arbeitsmarkt gedacht hat, daß im Vorfeld der Volksabstimmung Überlegungen betreffend die Entwicklung der Arbeitsplatzsituation und die gewaltigen Umstrukturierungen untergegangen sind, daß der Maastricht-Vertrag im Gegensatz zu anderen Ländern wie Großbritannien oder Dänemark ohne Wenn und Aber zu 100 Prozent übernommen wurde. Dieser Katzenjammer, der jetzt von Gewerkschaftsseite kommt, ist zwar zu begrüßen, weil er vielleicht


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gerade noch rechtzeitig kommt, aber mein Beileid dazu kann ich dem Gewerkschaftsbund nicht aussprechen, denn ich muß wirklich sagen: Ihr seid selbst schuld! Hätte man vor einigen Jahren etwas kritischer über die ganze Sache nachgedacht, dann hätte man sich jetzt möglicherweise großen Ärger und Probleme ersparen können.

Zum letzten Teil Ihrer Beantwortung, Herr Staatssekretär: Sie haben am Schluß gemeint: Eine Diskussion über den Zeitpunkt der Einführung der Währungsunion, sprich: eine Diskussion über eine Verschiebung, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland jetzt an der Tagesordnung ist, ist nicht vorgesehen. – Wenn aber diese Diskussion im Grunde nicht vorgesehen ist, dann stellt sich die Frage: Wozu das Ganze? Das ist nicht mehr recht einsichtig!

Insgesamt meine ich, daß fünf Flops die Debatte über die Währungsunion kennzeichnen.

Flop Nummer eins: Der Schilling wurde in der Beitrittspropaganda 1994 falsch verteidigt. Man hat die Bevölkerung über die Zukunft des Schillings im unklaren gelassen und ging sogar soweit, glatte Unwahrheiten zu verbreiten.

Flop Nummer zwei: Man geht mit gedankenpolizeilichen Überlegungen an die Information heran.

Flop Nummer drei: Die Regierung bestellt einen Euro-Lobbyisten zum Leiter.

Flop Nummer vier: Die Arbeitnehmervertreter im ÖGB erkennen – wie ich schon gesagt habe – erst mit drei- bis vierjähriger Verspätung, wie die Dinge liegen.

Flop Nummer fünf: In Zeiten, in denen allgemein und auch von Regierungsseite die direkte Demokratie – davon zeugen die jüngsten zwei Volksbegehren – hochgehalten wird und alle der Meinung sind, daß das toll ist und daß ein Volksbegehren eine gute Sache ist, soll ausgerechnet zu einem derartig schwerwiegenden Thema und zu einem wirtschaftlichen Schicksalsthema wie der Einführung der Einheitswährung dem Volk die direkte Mitbestimmung verwehrt bleiben. – Nebenbei bemerkt: Als wir das vor einigen Jahren unter dem Titel "Dritte Republik" gefordert haben, wurde das als entsetzlich und grauslich bezeichnet. Wir sehen jedoch mit Freude, daß wir auch hier weiterkommen.

Meine Damen und Herren! Zu welchem Thema wollen Sie dann eigentlich eine Volksabstimmung durchführen, wenn nicht zu einem dermaßen bedeutenden Thema? Bei dieser Forderung werden wir bleiben, wenn die Regierung in der Sache "Euro" so weitermacht. Letzteres ist allerdings für die Opposition möglicherweise von Vorteil, weil sich wiederum Wähler von Ihnen abwenden werden. Aber Sie tun der ganzen Sache wirklich nichts Gutes! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.27

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

15.27

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Zur Bestellung von Raab möchte ich mich nicht äußern. Vielleicht wäre auch in diesem Fall die Bestellung einer Frau die Lösung gewesen!

Frau Präsidentin! Erlauben Sie mir, das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung zu zitieren: "Die Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion ist ein entscheidender Integrationsschritt der EU. Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte wird freiwillig von den nationalen Währungen auf eine einheitliche Währung, nämlich den Euro, übergegangen. Erst damit kann der Binnenmarkt ähnlich effizient wie in den USA funktionieren. Insgesamt könnte mittelfristig das Bruttoinlandsprodukt um bis zu 2 ¼ Prozent gesteigert werden. Dieses Resultat setzt sich zusammen aus positiven Effekten durch den Wegfall von Transaktionskosten, Währungsumtausch, einer Senkung der Preise für Finanzdienstleistungen wegen der Intensivierung des Wettbewerbs auf dem Euro-Markt, aus positiven Effekten durch die Stabilisierung der Wechsel


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kurse und einem steigenden dynamischen Wachstumsimpuls durch Steigerung der Produktivität." – Ende des Zitats.

Angesichts dieser Fakten ist es mir unverständlich, daß sich der Gewerkschaftsbund und die Arbeiterkammer aus der positiven Werbekampagne für die Einführung des Euro zurückgezogen haben. Ich kann mir nicht vorstellen, daß den Verantwortlichen dieser Institutionen die Folgen ihres Tuns in vollem Umfang bewußt waren. (Bundesrat Dr. Tremmel: Kollege Drochter! Was sagen Sie dazu?) Der übereilte Austritt aus der Werbekampagne für den Euro könnte das Ende der österreichischen Sozialpartnerschaft bedeuten. (Zwischenruf des Bundesrates Konečny. ) Haben die Sozialpartner bisher immer gemeinsam die österreichischen Interessen im Sinne einer kontinuierlichen Wirtschaftsentwicklung getragen, so orte ich im Ausscheiden aus der gemeinsamen Linie einen populistischen Akt, der die Sozialpartner zu spalten droht.

Außerdem wird durch das Ausscheiden der Arbeitnehmervertreter aus der Euro-Kampagne der Eindruck entstehen, daß die Arbeitnehmer gegen und die Wirtschaft für die Einführung des Euro eintreten. Ich bin davon überzeugt, daß damit unserer internationalen Reputation und der wirtschaftlichen Entwicklung ein schlechter Dienst erwiesen wurde.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der jüngsten Vorgänge um die Euro-Kampagne kommt meine Bitte an den Koalitionspartner: Machen Sie hier nicht halbe-halbe! Wenn Sie für die Einführung des Euro sind, dann seien Sie ganz dafür. Wenn Sie aber nicht dafür sind, dann sagen Sie dies auch. Die Versuchung, mit der Euro-Einführung populistischen Wählerfang zu betreiben, ist für alle Parteien sicher sehr groß. Für die Regierungsparteien muß aber die Zukunftsentwicklung des Landes Vorrang haben. Letztlich wird auch der Wähler weiterhin jene Parteien mit einer Mehrheit ausstatten, die sich auch gegen den Wind stellen und verantwortungsvoll entscheiden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

15.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Drochter. – Bitte.

15.32

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Geschätzte Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich darf Ihnen versichern, daß der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Bundesarbeitskammer unabhängig von politischen Parteien, aber in Kooperationsbereitschaft mit der Regierung sehr gerne zur Zusammenarbeit bereit sind, wenn sie auch die Interessen der Arbeitnehmervertretung berücksichtigt sehen. Sie werden, genauso wie es im Jahr 1994 der Fall gewesen ist, als es galt, sich für den Beitritt zur Europäischen Union einzusetzen, in Zukunft darauf achten, daß die Bedingungen, auf die ich noch eingehen werde, erfüllt werden.

Zu den Ausführungen von Kollegen Jaud möchte ich sagen, daß wir uns nicht aus der Verantwortung zurückziehen. Aber, Kollege Jaud, du als Arbeitgeber wirst wahrscheinlich auch zur Kenntnis nehmen – das ist auch ein Prinzip der Sozialpartnerschaft –, daß eben Arbeiterkammern und Gewerkschaften andere Interessen vertreten als die Industriellenvereinigung oder die Wirtschaftskammer. Bisher war es immer möglich, einen sinnvollen Konsens zu finden, und zwar im gemeinsamen Interesse zum Wohle Österreichs, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber. Aber derzeit sind wir von diesem Konsens sehr weit entfernt.

Kollege Rockenschaub und Kollegin Riess haben sich mit der Person Dr. Raabs auseinandergesetzt. Er ist zurückgetreten. Ich glaube, wir können dieses Kapitel abhaken.

Frau Dr. Riess hat auch die Kampagne im Jahre 1994 erwähnt. Diese Kampagne war sehr gut und dürfte auch Ihren Parteivorsitzenden Haider überzeugt haben, sonst hätte er nicht in einem Interview im "Standard" im Jahre 1995 sagen können: Der Schilling kann durch den Euro ersetzt werden. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Dann lesen Sie weiter!) Liebe Kollegin! Ich lese weiter. Seien Sie nicht unruhig! Ich weiß schon, wenn man gefangen wird, beginnt man nervös zu werden. (Bundesrat Eisl: Selbst gefangen!)


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Ich lese weiter; ich folge Ihrem Vorschlag. Haider meinte weiter, er habe mit der Zielsetzung einer Wirtschafts- und Währungsunion in der Europäischen Union, wie sie im Maastrichter Vertrag festgeschrieben ist, kein Problem.

Ich darf Ihnen sagen, daß die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer mit diesem Vertrag in der Art und Weise, wie er in Maastricht festgeschrieben wurde, sehr wohl ein Problem haben, weil darin die Beschäftigung nicht die gleiche Anerkennung findet, wie das beim Kapital der Fall ist.

Er meint weiter: Wenn die Voraussetzungen zur Harmonisierung der Volkswirtschaften geschaffen würden, könnte auch der Schilling durch die europäische Einheitswährung ersetzt werden. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist der entscheidende Punkt! Das stimmt auch!) Das ist eine Veränderung der Position der Freiheitlichen Partei, ausgedrückt durch ihren Parteivorsitzenden Haider. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: 100prozentig!)

Da die Bundesarbeitskammer und der ÖGB hier als Institutionen explizit angesprochen worden sind, darf ich sagen, daß wir uns entschlossen haben, uns vorerst an dieser offiziellen Kampagne für den Euro nicht zu beteiligen, und das aus bestimmten Gründen. Dieser Umstand hat in der heutigen Diskussion überhaupt noch keinen Platz gefunden. Sie haben sich überwiegend mit Herrn Raab auseinandergesetzt, und meine Aufgabe ist es, ... (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Ich habe die dringliche Anfrage nicht an den ÖGB gestellt!)

Liebe Kollegin! Sie haben im Punkt 15 die Arbeiterkammer und den Österreichischen Gewerkschaftsbund erwähnt und den Bundesminister für Finanzen gefragt, wie er die Tatsache bewertet, daß sich die Arbeiterkammer und der Österreichische Gewerkschaftsbund nunmehr von der Werbekampagne der Bundesregierung distanzieren. Ich werde es Ihnen sagen, und ich glaube, es ist meine Verpflichtung, die Anliegen und Forderungen von über 3 Millionen Arbeitnehmern an Europa hier kurz darzulegen.

Unser zentrales Anliegen ist es, daß die Beschäftigungspolitik den gleichen Stellenwert wie die Wirtschafts- und Währungsunion bekommt. Wir haben aber den Eindruck, daß die Einführung des Euro von der Politik vorrangig behandelt wird und der Beschäftigungsfrage in Europa bisher nicht jene Bedeutung beigemessen wurde, wie es notwendig gewesen wäre und auch in Zukunft notwendig sein wird. Wir wollen diese Botschaft den verantwortlichen Institutionen in Europa und auch unserer Regierung unmißverständlich nahebringen. (Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Bravo!)

Wir erwarten daher, daß nicht nur für die Eurowährung Propaganda gemacht wird. (Bundesrat Waldhäusl: Propaganda? Herr Staatssekretär, ist das einer von euch?) Wir erwarten und verlangen, daß auch in Beschäftigungsfragen ein konkretes Zeichen auf europäischer Ebene gesetzt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Für uns ist der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit oberstes Ziel. Das habe ich bisher weder vom Vertreter der Wirtschaftskammer, vom Kollegen Jaud, noch von einem Redner der Freiheitlichen gehört. Es geht uns ausschließlich um die Sicherung bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Wir erwarten daher, daß aus Beschäftigungsgründen raschest Infrastrukturmaßnahmen im Bereich des Verkehrs, der Umwelt und der Energie, aber auch im Bereich der Telekommunikation vorrangig in Angriff genommen werden.

Wir glauben auch, daß wir in Österreich einiges tun können. Wir sollten unseren Wirtschaftsstandort so ausstatten, daß es zu einer noch größeren Qualitätsverbesserung kommt. Ich glaube, daß wir auch die Möglichkeit hätten, unser Exportförderungspotential besser auszuschöpfen.

Für uns kann der Weg in die Wirtschafts- und Währungsunion nur über eine aktive Beschäftigungspolitik führen. Ein zentrales Anliegen neben der Beschäftigungspolitik muß ein offensiver Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sein. Wir legen auch großen Wert auf die Sicherung des Lebensstandards der Bevölkerung und auf die Absicherung des sozialen Schutzes, und ich meine, daß diese Komponenten vereinbar sind.


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Uns ist aber auch bewußt, daß der Wegfall der Wechselkursschwankungen zu einem längerfristigen Gewinn für die wirtschaftliche Stabilität unseres Landes, aber auch zu einer größeren Stabilität in Europa führen wird. Die Vollbeschäftigung ist aber ein unabdingbarer Schwerpunkt und soll in die Maastrichter Verträge aufgenommen werden, und zwar noch bis zum Ende der Regierungskonferenz, die Mitte dieses Jahres enden wird. Der Stabilitätspakt muß über die Festschreibung der Konvergenzkriterien hinausgehen und auf Wirtschaftswachstum, Investitionssteigerung sowie auf Beschäftigungserhöhung zielen.

Eine künftige Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf europäischer Ebene mit Beteiligung der Sozialpartner, Kollege Jaud, in die sich auch die Europäische Zentralbank – und das ist ein wesentlicher Faktor – einzufügen hat, liegt, so meinen wir, im gesamteuropäischen Interesse.

Es kommt nicht von ungefähr, daß der Europäische Gewerkschaftsbund am 28. Mai dieses Jahres zu einem europäischen Aktionstag im Hinblick auf die von mir schon erwähnte Regierungskonferenz aufgerufen hat. Das Ziel des Europäischen Gewerkschaftsbundes ist, eine Revision der Maastricht-Verträge zu erreichen, sodaß die Beschäftigungsaspekte im Stabilitätspakt Berücksichtigung finden.

Die Verpflichtung zur Schaffung von Arbeitsplätzen soll der Haushaltsdisziplin zur Seite gestellt werden. Der ÖGB, seine Gewerkschaften, aber auch die Branchengewerkschaften unterstützen diese europäische Politik der europäischen Gewerkschaften.

Ich erlaube mir noch, heute darauf hinzuweisen, daß wir uns auch innerösterreichisch zeitgerecht einem Problem widmen müssen. Es wird nämlich Gruppen von Beschäftigten geben, die von der negativen Auswirkung der Währungsumstellung betroffen sein werden. Ich brauche nicht näher darauf einzugehen. Diese werden vor allem im Bereich der Banken zu finden sein. Es gilt heute schon, sich darüber Gedanken zu machen, welche sozial flankierenden Maßnahmen für diese Kolleginnen und Kollegen zu setzen sein werden.

Ferner – und jetzt spreche ich mich auch für die Konsumenten aus – zu einem Punkt, der auch noch nie von meinen Vorrednern erwähnt wurde: Rundungen bei Umrechnungen von Schilling auf Euro dürfen nicht zu einer Übervorteilung der Konsumenten führen. Weiters fordern wir eine Preisüberwachung für die Zeit vor und nach der Währungsumstellung. Außerdem sollen über einen ausreichend langen Zeitraum die Preise doppelt ausgezeichnet werden. Im Falle von Preisexzessen muß es unbedingt Sanktionen geben.

Es muß auch betont werden, daß die Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion für Österreich nur dann sinnvoll ist, wenn auch die wichtigsten Handelspartner daran teilnehmen. Ich habe versucht, in der Diskussion um Herrn Dr. Raab auch wichtige Anliegen der Konsumenten und vor allem der Arbeitnehmer einzubringen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.46

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Königshofer. – Bitte.

15.46

Bundesrat DDr. Franz Werner Königshofer (Freiheitliche, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Zuerst möchte ich auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Drochter eingehen. Ich finde es etwas merkwürdig, daß er, beziehungsweise die Gewerkschaft, erst jetzt draufkommt, wie wichtig es wäre, Beschäftigungskriterien auch in der EU zu formulieren. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege! Sie gehören zwar nicht dem Hauptausschuß des Nationalrates an, aber Sie werden doch informiert sein, was sich dort auf arbeitsrechtlicher Seite tut. Ich darf Ihnen sagen, daß die Freiheitlichen bereits am 13. November des vergangenen Jahres einen diesbezüglichen Antrag eingebracht haben. (Bundesrat Freiberger: So spät erst!) Ich darf ihn kurz zitieren:

Der Hauptausschuß wolle beschließen:


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Der zuständige Regierungsvertreter wird aufgefordert, sich in den zuständigen Organen der Europäischen Union dafür einzusetzen, daß die in Artikel 109/J EG-Vertrag angeführten Konvergenzkriterien, welche die Gemeinschaft bei der Beschlußfassung über den Eintritt in die dritte Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion leiten sollen, in bezug auf die Arbeitslosenquote dahin gehend ergänzt werden, daß eine Höchstgrenze der Arbeitslosigkeit als zusätzliches Kriterium eingeführt werde.

Doch was haben Sie beziehungsweise Ihre Vertreter damals im Hauptausschuß gemacht? – Sie haben diesen Antrag der Freiheitlichen selbstverständlich niedergestimmt. Auch Gewerkschaftsbundpräsident Verzetnitsch war dabei. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das stimmt nicht; dann erklären Sie mir jetzt, ob der zuständige Regierungsvertreter tatsächlich dieser Aufforderung nachkommen wird.

Der zuständige Regierungsvertreter wäre meiner Meinung nach Frau Hostasch. Dann fragen wir das nächste Mal Frau Hostasch, ob sie nach diesem Beschluß in dieser Richtung tätig wird. (Bundesrat Drochter: Fragen Sie! Sie wird Ihnen sicher eine ehrliche Antwort geben! – Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Die alten Römer haben einmal gesagt: Pecunia non olet, Geld stinkt nicht. So denken wahrscheinlich heute noch in Österreich sehr viele Herrschaften, wenn es darum geht, Aufgaben, die auch entsprechend dotiert sind, zu übernehmen.

Um aber nicht allein auf die Sache mit den 250 Persönlichkeiten, die gegen Bezahlung EU-Propaganda machen sollten, einzugehen, möchte ich eine sachliche Analyse der Grundthematik durchführen, und zwar in bezug auf die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, konkret in bezug auf die dritte Stufe, die Einführung des Euro.

Es sind vier Szenarien denkbar und möglich:

Erstens: die Einführung einer Hartwährungsunion, einer kleinen Währungsunion, mit Staaten wie Deutschland, Frankreich, Österreich und Holland. Ein Bundesbanker hat es vor kurzem in Sat 1 so ausgedrückt: Das wird ein Klub von Deutschland und seinen Nachbarn. Jeder, der später dazukommt, wird sich an die Spielregeln halten müssen.

Das zweite Szenario wäre eine große Währungsunion mit den meisten Staaten der EU, also elf bis zwölf Staaten.

Das dritte Szenario wäre die Verschiebung der Währungsunion.

Und das vierte Szenario wäre die gänzliche Absage.

Diese Szenarien können Sie auch in einer Schrift der ehemals führenden österreichischen Bank CA nachlesen, die sich mit diesem Thema befaßt hat.

Ich möchte nun auf den ersten Punkt eingehen: Was bringt eine Hartwährungsunion Österreich?

Wir würden damit eine Hartwährung gegen eine andere Hartwährung austauschen, nämlich den Schilling gegen den Euro. Wenn allerdings unser südlicher Nachbar Italien nicht dabei sein wird, dann werden wir im Handelsbereich dieselben Probleme haben, wie sie heute bereits bestehen.

Viel schlimmer aber ist, daß sich im Falle einer Hartwährungsunion Europa auseinanderentwickeln würde. Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten würde entstehen. Das wäre wie in einem Flottenverband: Wenn sich die schnelleren Schiffe abkoppeln und vorausfahren, kann man nicht erwarten, daß bei den langsameren irgendwann der Turbo-Antrieb zündet – wie das auch in der Regierung nicht der Fall ist – und sie den vorderen Verband einholen können. Wenn Italien, Spanien und Portugal nicht dabei sind, werden sie wieder ihre Abwertungsmechanismen einsetzen, in der Folge werden ihre Währungen schwächer, und die Inflation wird entsprechend steigen, das heißt, es kommt zu Zinssatzsteigerungen, die Staatsschulden werden teurer und


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damit auch größer. Das wirkt genau in die den Konvergenzkriterien entgegengesetzte Richtung. Somit werden diese Länder nie mehr in die Lage kommen, diese Kriterien zu erfüllen.

Die große Währungsunion stellt für uns aber ein wesentlich gefährlicheres Problem dar. Wenn die südeuropäischen Staaten wie Italien, Spanien und Portugal – Griechenland wird wahrscheinlich nicht in Frage kommen – ebenfalls teilnehmen, ist zu befürchten, daß durch die Einbeziehung dieser volkswirtschaftlich schwachen Länder eine Weichwährung – mit schlimmeren Folgen vor allem für diese schwachen Volkswirtschaften – entsteht.

Italien etwa war bis jetzt immer in der Lage, die Währung zurückzunehmen, wenn es die mangelnde Konkurrenzfähigkeit erforderlich machte, und konnte so seine Produkte wieder verkaufen. Diese Vorgangsweise wird in der Währungsunion nicht mehr möglich sein. Nun stellen Sie sich vor, durch die Inflation steigen die Preise, natürlich auch im Automobilbereich: Ein Fiat würde gleich viel kosten oder sogar teurer sein als ein Audi oder VW, ein Lancia teurer als ein Mercedes. Ich frage mich, wie die Italiener dann ihre Produkte verkaufen wollen. Das gleiche gilt für Spanien und Portugal. Dann müßten entweder hohe Transferzahlungen von Norden nach Süden fließen, oder die europäische Währung müßte abgewertet werden. Eine solche Abwertung träfe natürlich auch uns, da wir dadurch gegenüber dem Weltmarkt, den USA und Japan, alle Nachteile einer weichen Währung verspüren würden.

Das dritte Szenario, eine Verschiebung, wird bedeuten, daß die Währungsunion langfristig überhaupt nicht zustande kommen wird. Das würde einer Absage gleichkommen. Die Euphoriker in Europa, vor allem die Franzosen, die sich damit in die harte D-Mark einkaufen wollen, aber auch Österreich – besonders die führenden Stellen in der Bundesregierung, aber auch viele Sozialpartnerkreise – drängen nach wie vor in die Währungsunion.

Es gibt dabei aber – und damit komme ich auf die Bemerkung des Kollegen Drochter zurück, daß auch Jörg Haider für eine Währungsunion mit diesen Kriterien sei – ein gravierendes Problem. Kollege Drochter! Dieses Problem besteht darin, daß kein Staat in Europa, außer Luxemburg, diese Kriterien einhalten kann. Lassen wir den Luxemburgern die Freude, und geben wir ihnen den Euro. Dann hat Luxemburg wenigstens eine eigene Währung und muß sich nicht mehr auf den belgischen Franc verlassen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Kein Land außer Luxemburg erfüllt derzeit alle Kriterien – ich habe die entsprechende Statistik hier. Unter diesen Umständen können wir zu einer Währungsunion nicht ja sagen. (Zwischenruf des Bundesrates Drochter. ) Auch andere Experten in ganz Europa warnen davor, unter solchen Bedingungen in eine Währungsunion zu gehen. Kurz: Die Kriterien – 3 Prozent Neuverschuldung, 60 Prozent Gesamtverschuldung, 1,5 Prozent Inflation über den wertstabilsten Ländern und ein langfristiges Zinsenkriterium – werden von den meisten nicht erreicht.

Ich erinnere Sie an die Diskussion vor der EU-Abstimmung. In diesem Haus, in diesem Saal habe ich damals in einer Rede die Befürchtung geäußert, daß diese Kriterien einmal aufgeweicht werden könnten. Darauf sind viele Zwischenrufe gekommen, man kann sie im Protokoll nachlesen. "Woher haben Sie die Szenarien, Herr Kollege?" hat Kollege Bösch aus Vorarlberg – der Vorgänger unseres jetzigen Kollegen Bösch, nach den Landtagswahlen hat sich eine Änderung ergeben – herausgerufen. Woher ich diese Szenarien hatte? – Meine Damen und Herren! Diese waren damals schon nachzulesen! Nun werden sie Wirklichkeit. Es gibt heute bereits die Forderung, die Kriterien aufzuweichen. Wichtig wäre nur eine tendenzielle Annäherung, und der Zeitplan sei wichtiger als die Kriterien.

Ganz klar äußert sich allerdings der deutsche Finanzminister Waigel, der beides für wichtig hält: die Kriterien und den Zeitplan. Ich vermute nur, daß Waigel im nächsten Jahr zugeben muß, daß Deutschland diese Kriterien nicht erfüllt. Es gibt einige wenige Kühne, die sagen, dann müsse der Euro auch ohne Deutschland eingeführt werden. (Bundesrat Meier: Das sagt niemand!) Es gibt sogar in der österreichischen Regierung einige Kühne, die das behaupten. Ich habe gehört, auch unser Herr Finanzminister wäre dieser Auffassung, ohne zu bedenken, daß wir selbst diese Kriterien noch viel weniger erreichen werden.


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Meine Damen und Herren! Wenn die Währungsunion startet, ohne daß die Teilnehmer die Kriterien einhalten müssen, also mit Weichwährungsländern, dann wird das Vertrauen in diese Währung von vornherein ein geringes sein, sowohl bei den Bürgern als auch – was noch viel gefährlicher ist – bei den internationalen Börsen und Geldhändlern. Eine Spekulationswelle wird gegen diese neue Währung anrollen, und wir werden von vornherein mit dem Problem einer Abwertung konfrontiert sein.

Ich bringe Ihnen ein Beispiel dafür, nämlich das mit dem Autobus. Wenn wir uns zusammentun, um einen Oldtimer für eine Urlaubsfahrt fahrtauglich zu machen, dann müssen wir verschiedene technische Kriterien erfüllen. Es wird dann sicher ein Vergnügen und eine lustige Fahrt. Wenn nun aber der Mechaniker sagt, er könne die Bremsen nicht entsprechend herstellen, auch das Getriebe und die Lenkung nicht, dann wird jeder sagen, daß wir nicht mit diesem Autobus über den Großglockner fahren können. Genauso ist es mit den Kriterien für die Währungsunion. Wenn sie nicht erfüllt werden, wird es zu einem finanzpolitischen Crash kommen! Das sollte man, bitte, den Österreichern nicht antun. (Bundesrat Meier: Nur der Vergleich mit dem Oldtimer stimmt nicht!) Ich kann das auch auf andere Dinge übertragen. Man kann sich auf Kriterien, ob sie nun technischer oder monetärer Natur sind, festlegen, die sollen gegeben sein. (Bundesrat Meier: Europa ist kein Oldtimer und kein Wrack! – Bundesrat Dr. Tremmel: Wir sind feine Leute, wir sprechen von einem Oldtimer, Sie sprechen von einem Wrack!)

Meine Damen und Herren! Wenn das größte monetäre Experiment der Weltgeschichte schiefläuft, dann werden wir alle wieder dort beginnen müssen, wo unsere Eltern und Großeltern am Ende der vierziger Jahre angefangen haben. Eine stabile Währung ist die Grundlage einer funktionierenden Wirtschaft. Österreich und Deutschland haben das nach zwei Weltkriegen gelernt und die Konsequenzen gezogen. Am 20. Dezember 1924 wurde in diesem Haus das sogenannte Schillingrechnungsgesetz beschlossen. Damit wurde die alte Währung, die "Krone", durch die neue, den "Schilling", abgelöst und im Verhältnis 10 000 zu 1 umgetauscht. Für 10 000 Kronen bekamen die Österreicher damals einen harten Schilling. (Bundesrat Drochter: Die Folgen kennen wir leider!) Wir können noch lange diskutieren, Herr Kollege Drochter! Ich weise nur auf die Geschichte hin. Erst danach ist es in den zwanziger Jahren mit der Wirtschaft Österreichs bergauf gegangen. Danach ist wieder eine Wirtschaftskrise gekommen, da haben Sie schon recht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war es ähnlich. Erst durch eine Währungsreform wurde die Grundlage für einen Aufschwung geschaffen. Dieser Aufschwung, diese Prosperität hat bis heute angehalten. Bis heute haben wir eine stabile Währung mit einer D-Mark-Bindung, die von allen, von der Wirtschaft und von den Sozialpartnern, befürwortet wird. Unser Schilling hat einen entsprechenden Wert und eine entsprechende Geltung, er bietet Inländern wie Ausländern, die ihr Geld veranlagen wollen, entsprechende Sicherheit.

Meine Damen und Herren! Soll das alles für einen instabilen Euro aufs Spiel gesetzt werden? Dann muß man aber – und jetzt kommt die Frage an die Regierung, Herr Staatssekretär, darauf hätte ich gerne eine Antwort – den Leuten sagen, daß man bewußt eine schwache Währung einführt. Herr Staatssekretär! Ich frage nun: Besteht von seiten der Bundesregierung die Absicht, eine schwache Europawährung zu übernehmen, um sich über eine inflationäre Dynamik der Staatsschulden zu entledigen? Sagen Sie in dieser Sache der Bevölkerung, vor allem den Sparern und Anlegern – denn diese wären bei einer solchen Entwicklung die Hauptleidtragenden –, die Wahrheit!

Neben den langfristigen und schwerwiegenden Folgen einer solchen Politik gibt es aber auch kurzfristig sehr schnell wirkende und sehr nachteilige Folgen. Kommen wir auf die Kosten zu sprechen. Auch Kollege Drochter hat die Kosten schon angesprochen.

Allein die Umstellung vom Schilling auf den Euro wird in Österreich rund 10 Milliarden Schilling kosten, in Banken, bei Versicherungen, im Handel, im ganzen Automatenbereich und im Gewerbe.


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Ich frage Sie, wer das bezahlen wird. Natürlich der Konsument! Die Banken, die Versicherungen und der Handel werden das natürlich dem Konsumenten verrechnen. Sie sind heute gar nicht mehr in der Lage, solche Kosten bei den derzeitigen Gewinnmargen zu schlucken. (Bundesrat Drochter: Die Dividenden der Banken und Versicherungen sind auf dem Weg nach oben!) So hoch sind sie nicht mehr. Seit die Bank Austria die CA übernommen hat, sind die Dividendenzahlungen zurückgegangen, die CA-Dividende ist geringer geworden.

Das nächste Problem sind die Arbeitsplätze. Allein im Bankenbereich sind 25 000 Arbeitsplätze gefährdet. Unter den Bankmitarbeitern kursieren schon Witze darüber – allerdings unter nicht sehr lustigen Vorzeichen –: Auf die Frage, was der Kunde bei einer Umstellung auf den Euro verliert, lautet die Antwort, daß er, wenn er sonst nichts verliert, zumindest seinen Berater in der Bank verliert, weil dieser wegrationalisiert wird. (Bundesrat Meier: Dann gibt es einen anderen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch kurz auf Argumente eingehen, die im Zuge dieser Werbekampagne sicherlich aufs Tapet gebracht werden.

Erstens: die großartigen "Einsparungen" für die Wirtschaft! Vor allem die Kämmerer, Beamten und Bürokraten sprechen davon, daß sich die Wirtschaft sehr viel im Geldwechsel- und im Kurssicherungsbereich erspart. Das ist nur bedingt richtig. Beim Geldwechsel gibt es geringfügige Einsparungen, die direkte Ertragsverluste für die Banken bedeuten. Im Kurssicherungsbereich wird sich fast gar nichts ändern. Denn wenn ein österreichisches Unternehmen heute in ein währungsschwaches Land liefert, wird es selbstverständlich in einer harten Währung, in Schilling, D-Mark oder Dollar, fakturieren. Wenn es in Schilling fakturiert, wird es keine Geldwechselkosten haben und auch keine Kurssicherung brauchen. Außerhalb Europas wird es bleiben wie bisher. Oder haben Sie gehört, daß die USA und Japan der Europäischen Währungsunion beitreten wollen? (Bundesrat Drochter: Es wird auch heute nur in Dollar fakturiert!) – Nach der Währungsunion wird auch in Dollar fakturiert. Also, wo liegt demnach der Vorteil? (Bundesrat Meier: Es geht auch um die Arbeitsplätze!) – Sie müssen die Öllieferungen, die Sie bekommen, in Dollar bezahlen. Dabei gibt es keinen Vorteil für die Wirtschaft.

Zweitens: Es wird immer das Argument gebracht, ein großer Währungsblock sei viel stabiler und sicherer. Wir bräuchten einen großen Währungsblock, damit sich dieser gegenüber dem Dollar- und Yen-Bereich durchsetzen kann.

Ich bringe Ihnen dazu ein Beispiel: Der größte Währungsblock, den es je in der Geschichte gegeben hat, ist zusammengebrochen! Ein Währungsblock zwischen Königsberg und Wladiwostok, fakturiert auf Rubel-Basis, ist aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwäche zusammengebrochen. Sie lachen, aber es ist ein Faktum! (Bundesrat Meier: Da ist ja viel zusammengebrochen, aber nicht wegen der Währung, sondern aus anderen Gründen!) Ja, warum denn? – Weil nicht ein großer Block notwendig ist, sondern wirtschaftliche Stärke. (Bundesrat Konečny: Sie meinen, wenn der Kommunismus eine gute Währungspolitik betrieben hätte, wäre er ganz gut gewesen?) Sie erkennen das Beispiel. Danke! Sie haben es verstanden. (Bundesrat Drochter: Die deutsche Reichsmark ist zusammengebrochen!)

Sie haben verstanden, daß es nicht auf die Größe des Währungsblocks ankommt. Es können auch kleine Währungen, wie zum Beispiel jene von Singapur, Taiwan oder Korea, sehr wohl erfolgreich auf dem Weltmarkt bestehen.

Das dritte Argument: Die großen Wirtschaftsräume in Asien und in den USA haben alle eine einheitliche Währung. – Nun sind die USA zwar ein großer Raum, aber sie werden nie bereit sein, innerhalb der nordamerikanischen Freihandelszone mit Kanada oder Mexiko eine Währungsunion einzugehen. Würde Clinton das fordern, wären seine Demokraten politisch erledigt. Trotzdem startet man in Österreich eine Werbekampagne, in der all diese Argumente wieder auf den Tisch kommen werden. (Bundesrat Konečny: Wir sollen statt dessen den Rubel bewerben oder wie?)

Es ist nur die Frage, wie es die Herrschaften mit der Moral einer solchen Kampagne halten, wenn von der EU bezahlte Propagandaredner dabei eingesetzt werden! 250 Persönlichkeiten


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standen auf einer Liste, davon haben 170 unterschrieben, gegen Bares für den Euro zu agitieren.

Meine Damen und Herren! Wenn jemand bereit ist, sich selbst zu verkaufen, dann soll er es tun, aber er soll wenigstens Abstand davon nehmen, mit seinen Argumenten sein Land zu verkaufen. Die Österreicher wissen aufgrund dieser Vorfälle, was sie davon zu halten haben, wenn ihnen die Bundesregierung eine neuerliche Informationskampagne präsentiert. Sie haben selbst gehört, daß Kollege Jaud von einer Werbekampagne für den Euro gesprochen hat. Sie haben auch von einer Propagandawelle gesprochen, bei der Sie allerdings nicht mitmachen wollen. Dazu gratuliere ich Ihnen.

Denn die Österreicher denken: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht! – was ohnehin in Österreich niemand mehr vermutet. Auch der ÖGB und die AK distanzieren sich von dieser Kampagne. Offensichtlich haben Sie aus dem EU-Schlamassel von 1994 gelernt. In Österreich scheint es wenige Leute zu geben, die diese Wahrheiten auch aussprechen wollen. Da muß man schon nach England schauen. Dort gibt es sehr wohl kritische Geister, etwa Sir Goldsmith, der vor Jahren schon ein Buch darüber geschrieben hat. (Bundesrat Meier: Den gibt es, den müssen Sie zitieren, das paßt genau!) Ja, er wird auch ins englische Parlament einziehen. In seinem Buch "The Trap" stehen einige interessante Dinge drinnen.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß Ihre 20 Minuten Redezeit erschöpft sind.

Ich bitte Sie um einen Schlußsatz.

Bundesrat Dr. Franz Werner Königshofer (fortsetzend) : Es gibt zum Beispiel einen Mann namens Bernard Conolly, er war früher Direktor für Währungspolitik in der EU und mußte gehen, weil er gesagt hat, der Euro werde die Stabilität Europas gefährden. Herr Frederic Forsyth, der den Roman "Der Schakal" geschrieben hat, hat in einem Brief an Bundeskanzler Kohl wortwörtlich geschrieben (Heiterkeit bei der SPÖ) – Sie lachen darüber, es hat aber auch seine Wirkung (Bundesrat Konečny: Karl May war auch dagegen!) – , daß die Deutschen Ihre Deutschmark behalten sollen, der Trottel Santer solle sein Büro mit dem Brüsseler Geld tapezieren. – Dem ist an sich nichts mehr hinzuzufügen. Auch wir Österreicher sollten unseren Schilling und damit auch unsere währungspolitische und wirtschaftliche Souveränität erhalten. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.07

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Crepaz. – Bitte.

16.07

Bundesrätin Irene Crepaz (SPÖ, Tirol): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute leider nicht die Konvergenzkriterien oder die Kosten der Umstellung vom Schilling auf den Euro, sondern die durchaus entbehrliche dringliche Anfrage der F zur Euro-Propaganda. Diese dringliche Anfrage der F-Partei ist wieder einmal, so finde ich – und nicht nur ich, sondern auch meine Fraktion –, nicht sehr dringlich. (Bundesrat Waldhäusl: Wann sonst ist es dringlich?)

Es mag vielleicht aktuell sein. Aber den aktuellen Anlaß hat man meiner Meinung nach herbeigeführt, dadurch erreicht man wieder, daß es einer Diskussion wert erscheint.

Für dringlich halte ich eine objektive Information zur Einführung des Euro, und zwar so, daß es jeder versteht, ohne falsche Hoffnungen zu erwecken (Bundesrat Dr. Bösch: Sagen Sie das Herrn Drochter!) , ohne Beschönigungen, aber auch ohne Kampagne, die den Schilling nostalgisch verherrlicht und ihn als einzige harte und wahre Währung in Europa hinstellt. Je nach Blickwinkel ist man sicher versucht, entweder nur die positiven oder nur die negativen Seiten zu sehen oder sichtbar zu machen.


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Ich bin ein sehr kritischer Geist und glaube, daß es in dieser Phase sehr schwer sein wird, diese Regierungskampagne glaubhaft durchzuführen. Denn es ist wieder binnen kurzer Zeit gelungen, die Regierungskampagne als äußerst unglaubwürdig darzustellen. Mir persönlich tut das sehr leid, denn ich finde, man sollte wirklich objektiv alle Vor- und Nachteile der Umstellung vom Schilling zum Euro darlegen. Meiner Ansicht nach sollten eigentlich auch die Institutionen, die Kammern, die Sozialpartner, die Wirtschaft und die Banken einen Hauptteil der Kampagne führen, denn diese betrifft es ebenfalls. Die Bundesregierung sollte koordinierend eingreifen und die Bürger objektiv informieren.

Es ist nun in Kürze gelungen, die Regierungskampagne schon im Vorfeld als unglaubwürdig darzustellen. Ich bedaure das sehr. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. )

Ich war in den letzten Tagen im Ausland und habe leider erst gestern die Informationen über die Causa Gustav Raab aus der Presse erhalten. Die Optik ist jetzt schon so schief, daß es in Kürze gelungen ist, diese Regierungskampagne in Frage zu stellen.

Ich fürchte, daß jetzt nicht über die Währungsunion, über notwendige Maßnahmen zur Beschäftigungspolitik, über notwendige Umsetzungen der Chancengleichheit, über notwendige Maßnahmen gemeinsamer europäischer Infrastrukturinitiativen oder über Bildungschancen diskutiert wird.

Die WWU ist, wie ich finde, die Verwirklichung des gemeinsamen europäischen Marktes, und das ist nur der logische und konsequente Schritt des Beitrittes Österreichs zur EU.

Mit dem Euro werden feste Wechselkurse zwischen den Teilnehmerstaaten geschaffen. Der Übergang zum Euro ist, so finde ich, ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen Weg der Hartwährungspolitik, denn zurzeit wird die Geldpolitik der Hartwährungsländer de facto von der Deutschen Bundesbank vorgegeben. Eine gemeinsame Währung sichert jedem das gleiche Stimmrecht und würde, so glaube ich, auch Österreich mehr Mitsprache sichern.

Sicher stellt der Übergang von Schilling und Groschen zum Euro und Cent einen historischen Schritt dar, aber, wie wir gehört haben, so historisch ist der Schritt auch nicht, denn den Schilling gibt es auch nicht ewig. Beim Abschied vom Schilling wird es sicher vielen Leute wehmütig ums Herz sein, aber auch die anderen europäischen Länder verzichten sicher nicht leicht auf ihre heimische Währung. Es ist in allen Ländern wichtig, die Umstellung der jeweiligen Währung zum Euro den Bürgern transparent und verständlich zu machen. Ich ersuche auch die Bundesregierung, Mittel und Gelder zur objektiven, transparenten und ehrlichen Information bereitzustellen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Ing. Penz. )

16.12

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

16.12

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kollegin Crepaz! Ich kenne das schon, daß es heißt: entbehrliche Anfrage. Das haben Sie seinerzeit beim EU-Beitritt gesagt, als wir diesbezüglich dringliche Anfragen gestellt haben, als uns etwa von Außenminister Schüssel plus 80 000 Arbeitsplätze prognostiziert wurden, von Vranitzky – er war ein bißchen bescheidener – 40 000 Arbeitsplätze – letztlich hatten wir im Jänner dieses Jahres – leider Gottes sind unsere Unkenrufe eingetreten – eine Rekordarbeitslosigkeit in der Höhe von 300 000. Auch damals haben Sie das als entbehrlich bezeichnet.

Oder etwa beim Föderalismus – ich setze gleich ein bißchen fort –: Wir haben eine dringliche Anfrage an Herrn Bundeskanzler Vranitzky gestellt, und er hat hoch und heilig geschworen, bei den EU-Begleitgesetzen werde das Föderalismuspaket, beschlossen im Paktum von Perchtoldsdorf, im Parlament dem Nationalrat und dem Bundesrat vorliegen – es liegt bis jetzt nicht vor. Auch das haben Sie als entbehrlich bezeichnet.


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Meine Damen und Herren! Möglicherweise formulieren wir unsere dringlichen Anfragen manchmal etwas zu bissig, aber bitte nehmen Sie doch zur Kenntnis, daß sie einen sehr starken Kern haben, der wahrheitsgemäß in die Zukunft blickt. Erkennen Sie doch ein bißchen die Zeichen der Zeit, wie Waigel gesagt hat – Kollege Königshofer hat es ausgeführt –, oder wie es die Engländer gesagt haben. Müssen wir immer die Musterknaben sein, die als erste ins Wasser springen und dann gerade noch mit der Nasenspitze herausschauen? – Ich glaube, wir sollten es nicht sein. Wir haben durchaus auch das Anrecht, in Richtung Brüssel zu sagen: Meine Damen und Herren dort! Überlegen Sie sich und geben auch Sie einmal Kriterien vor, wie wir den Euro stabilitätssichernd einführen können.

In seinem der Wifo-Studie beigelegten Brief behauptet der Herr Bundesminister für Finanzen Edlinger, daß eine Teilnahme Österreichs an der WWU zum frühestmöglichen Zeitpunkt eindeutig wirtschaftliche Vorteile bringt. Wenn man die Kernaussage ein bißchen herauskristallisiert, dann stellt man fest, es entsteht ein völlig anderer Blickwinkel. Da heißt es zum Beispiel: Nur eine sorgfältig vorbereitete Währungsunion – ich werde dann noch auf die Sorgfalt zu sprechen kommen – mit durchdachten wirtschaftlichen Verantwortungen, Abläufen und Strategie kann gesichert werden.

Große "Unabwägbarkeiten" gibt es: Der Teilnehmerkreis ist seit zwei Jahren, meine Damen und Herren, noch immer nicht klar – Kollege Königshofer hat sehr klar über den großen und den kleinen Bereich der WWU gesprochen. Die große WWU könnte im Extremfall schwere Folgen für die Europäischen Integration haben. Warum? – Über das Zinsrisiko, über die Risikoprämie wurde bereits gesprochen. Eine große WWU könnte allerdings mit höheren wirtschaftlichen Risken behaftet sein. Durch die Fixierung der Wechselkurse ab 1999, meine Damen und Herren, und den Übergang zum Euro würden die Hartwährungsländer, gemessen am Wirtschaftswachstum und an der Beschäftigung, gewinnen und die Weichwährungsländer verlieren. Dies wäre allerdings wieder mit einer Gefährdung der inneren und der äußeren Preisstabilität – Außenwert des Euro –, also der Stabilität in der WWU, verbunden. Der Wechselkursbereich vom Dollar und zum Yen – das wurde von Kollegen Königshofer bereits gesagt – ist überhaupt nicht andiskutiert worden.

Herr Kollege Drochter! Jetzt komme ich zu einem für Sie sehr wichtigen Bereich. Ich habe durchaus mit Achtung Ihren Ausführungen zugehört. Sie haben aber keine eindeutige Antwort gegeben, ob Sie für die Einführung des Euro sind. (Bundesrat Drochter: Sie haben nicht aufgepaßt!)

Die Lohnflexibilität zählt zu einem der wichtigsten Kriterien für den Erfolg der Währungsunion. Jene Länder werden von der Kostenseite her am wettbewerbsfähigsten sein, welche die geringste Steigerung der Lohnstückkosten aufweisen. Niedrige Lohnstückkosten – Sie wissen das als Gewerkschaftsvertreter – können auf drei Hauptwegen erzielt werden: geringe Erhöhung der Stundenlöhne, Senkung von Lohnnebenkosten und Erhöhung der Produktivität.

Herr Kollege! Sie fordern zu Recht eine Arbeitsplatzvermehrung, eine Arbeitsplatzsicherung, aber genau dann, wenn das einer der Kernpunkte ist, wird Ihre Vorstellung gefährdet. (Bundesrat Drochter: Den höchsten Lebensstandard der Arbeitnehmer in Europa haben ...!)

Herr Kollege! Wir haben auch einen der höchsten Lebensstandards, aber trotzdem hatten wir 300 000 Arbeitslose im Jänner, und das – das müssen Sie als Gewerkschaftsvertreter wissen – ist eine der größten sozialen Ungerechtigkeiten, die es überhaupt gibt! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Drochter. )

Was entspricht jeder Realität? 300 000 Arbeitslose entsprechen jeder Realität?! – Ich habe Sie immer als Arbeitnehmervertreter geachtet. Offensichtlich spielen Sie das auf die Seite! 300 000 Arbeitslose sind Ihnen offensichtlich egal! (Bundesrat Drochter: Dort wollen Sie wahrscheinlich politisch hin!)

Nein, da wollen wir nicht politisch hin. Wir wollen, so wie Sie auch – ich unterstelle Ihnen nichts Schlechtes –, die Arbeitsplätze sichern und die Arbeitsplätze vermehren. (Bundesrat Drochter:


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... da können Sie noch so eine Kassandra sein!) – Nein, ich bin keine Kassandra. Leider Gottes, ich habe es bewiesen, daß ich keine Kassandra bin. Leider Gottes, sage ich.

Aufgrund der im Vergleich viel geringeren Arbeitsmarktflexibilität ist eine große WWU, die alle 15 EU-Mitgliedstaaten umfaßt, aufgrund des vorher Angeführten natürlich kein optimaler Währungsraum.

Bei der kleinen WWU – Kollege Königshofer hat sie bereits behandelt – würde sich am Status quo nichts ändern. Na ja, bei uns würde sich schon ein bißchen etwas ändern.

Das Europa der zwei Geschwindigkeiten wurde dargelegt. Die Kluft innerhalb der EU würde sicherlich größer werden. Das wollen wir eigentlich auch nicht, und deswegen ist es nur logisch, meine Damen und Herren, daß wir überlegen: Sollten wir nicht Klügeren, als wir es vielleicht sind, glauben, von denen Zeichen gesetzt werden, die andeuten, daß wir uns eine Verschiebung überlegen und die innerstaatlichen Voraussetzungen und die Voraussetzungen auch in der WWU schaffen sollen. Achten wir darauf, Kollege Drochter, daß Ihre Vorstellungen bei der Einführung des Euro miteingebaut werden.

Ich muß Ihnen sagen, so blauäugig und so unschuldig, wie die Bundesregierung heute hier im Falle Raab tut, kann sie doch nicht sein. Herr Staatssekretär! Im November 1995 hat der EU-Finanzkommissär de Silguy bereits gesagt, der vorliegende Finanzaufwand für die Einführung des Euro sei zwischen den Gemeinschaftsorganen, den Mitgliedschaften und den Gebietskörperschaften zu tragen. Österreich hat das natürlich gewußt. Österreich muß sich somit auch ab Beginn nächsten Jahres oder übernächsten Jahres zweifellos an sehr hohen Kosten einer Werbekampagne – so heißt es hier – für eine europäische Einheitswährung beteiligen, ob es nun – das ist das Interessante – an dieser Währungsunion teilnimmt oder nicht. Das hat der Finanzkommissär gesagt.

Kollege Königshofer hat es schon ausgeführt. Hier wurde wieder einmal ein Musterbeispiel dafür geliefert – ich gebe nicht allein der österreichischen Bundesregierung die Schuld –, wie Bürokraten eine Todsünde begehen, indem Experten unter der Hand verpflichtet werden, etwas Bestimmtes zu sagen. Eine ganz bestimmte Vorgabe bekommen sie, laut der das echte Gebot eines politischen Tätig-Seins, nämlich die Meinungsfreiheit und die Fachfreiheit, eingeschränkt wird. Das ist erschütternd, das ist ein echter Knebelungsvertrag.

Einige dieser Experten, meine Damen und Herren, haben diesen Knebelungsvertrag erkannt, denn sie haben ihn abgelehnt, und andere haben ihn eben angenommen. Und jetzt richte ich mich noch einmal an Sie, Herr Staatssekretär: Sie haben gesagt, Sie hätten am 15. April dieses Jahres erstmals von diesem Vertrag gehört. Ich sage Ihnen, seit Oktober 1995 ist so etwas bekannt. Sie haben gesagt, Sie bräuchten keine Ausschreibung und keine Prüfung, aber wenn schon ein Experte bestellt wird, dann möchte ich zumindest sein fachliches Umfeld beleuchten. Ich glaube, Herr Dr. Raab ist nicht so verlogen oder ist überhaupt nicht verlogen, er hätte Ihnen ganz bestimmt gesagt, daß er einen solchen Vertrag unterzeichnet hat. Das haben Sie eigentlich nicht beantwortet, das hätten Sie ihn fragen können. Das hätte zwar den Fehler nicht geringer gemacht, aber es hätte den Fehler verständlich gemacht. Und manchmal, wenn man einen Fehler begeht, könnte dieser Fehler zumindest verständlich gemacht werden. Das möchte ich Ihnen sagen.

Von meiner Vorrednerin wurden die Konvergenzkriterien angesprochen: Dieser Finanzkommissär hat unter anderem auch in einem Interview im Jänner 1997 gesagt: Der Euro werde stabil sein, es sei aber schwierig, den Wert des Euros vorherzusagen. – Geldwert läßt sich nicht diktieren, das machen die Märkte. Was heißt das, meine Damen und Herren? – Es gibt Schwankungsraten, und es wurden mittels eines Modells vier Schwankungsraten von bis zu 10 Prozent errechnet. Wenn man diesen Umtauschmechanismus mit ins Kalkül zieht, meine Damen und Herren, bei einem Sparguthaben in Österreich in der Höhe von 1,5 Billionen Schilling – 10 Prozent, ich nehme nicht an, daß das unterbewertet, sondern eher ins Negative geht –, dann erntet man bis zu 150 Milliarden Schilling. Das Sparpaket 2 oder das Belastungs


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paket 2 wäre damit geboren. Ich hoffe, ich bin keine Kassandra, aber genau deswegen sind diese Prüfungskriterien, wie auch Sie gesagt haben, Herr Kollege Drochter, sehr wichtig.

Daß das nicht ganz von der Hand zu weisen ist, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen vielleicht anhand eines Beispiels darstellen: Vorher, als es noch Ecu geheißen hat, war die Verrechnungsrate ungefähr 12 S. Jetzt wird derzeit der Euro, der Nachfolger des Ecu, mit 13,7 S bewertet. Es hat also eine Änderung der Umrechnungsrate stattgefunden. (Bundesrat Dr. Linzer: Da war er schon öfter!) – Na ja, da war er schon oft.

Herr Kollege! Möglicherweise tun Sie sich leichter als eine Inhaberin eines kleinen Sparbuchs in der Höhe von 50 000 S, der auf einmal 10 Prozent abgezwackt werden. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Linzer. )

Dann schauen wir es uns genau an und prüfen auch die Voraussetzungen ganz genau! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir marschieren naiv und als Musterschüler hier in diese EU hinein. Sie kennen es wahrscheinlich alle, aber ich muß Ihnen die Pro-Kopf-Belastung des Nettozahlers nennen: Deutschland – in Ecu gerechnet – 140, Niederlande 105, Österreich 90, Schweden 85, Großbritannien 65, Frankreich 10, Finnland 10, Italien 5.

Daran ersehen Sie, meine Damen und Herren, daß wir natürlich auch eine Verantwortung verlangen können, auch von der EU-Kommission, weil wir Erhebliches beitragen – 30 , 32 Milliarden im Jahr. Und deshalb sollten die innerstaatlichen Voraussetzungen und die europäischen Voraussetzungen genau geregelt sein.

Kann mir jemand sagen, meine Damen und Herren, wer jetzt tatsächlich an dieser Währungs- und Wirtschaftsunion, an der Einführung des Euro von den EU-Staaten her teilnimmt? – Ich glaube, es kann niemand von Ihnen sagen.

Meine Damen und Herren! Herr Staatssekretär! Sie sagen in einem Interview, es brauche niemand Angst zu haben. Wir haben zwar nicht Angst um uns, aber wir haben Angst um andere. Und auf diese Ängste der anderen muß man eingehen.

Ich muß Ihnen noch ein letztes vorhalten, da Sie die öffentliche Verschuldung hernehmen und ganz exakt Zahlen nennen, die aus dem Budget herausgenommen sind. Sie kennen die Konvergenzkriterien – Kollegin Crepaz hat sie angeschnitten. Das Bruttoinlandsprodukt beträgt im Jahr 1997 2 480,5 Milliarden, und die Verschuldung in Prozent am Bruttoinlandsprodukt gemessen beträgt 73,8. Das sagt Ihnen noch nicht sehr viel, aber es wird Ihnen dann etwas sagen, meine Damen und Herren, wenn Sie wissen, daß das auf 60 Prozent gesenkt werden muß. Wenn Sie sich die derzeitige Budget- und Verschuldensquote anschauen, meine Damen und Herren, dann stellen Sie fest, wir haben nur Steigerungsraten. Dann frage ich mich, wie wir das in zwei Jahren schaffen werden. Ja, ich weiß es schon, es wird teilweise ausgelagert, Schulden werden verdeckt, aber durchs Verdecken, meine Damen und Herren, verschwinden diese Schulden nicht.

Das ist die Frage, und auch das wäre in einer objektiven Kampagne darzulegen. Wie baut man diese Schulden ab? – Man muß das finanzrechtlich nicht so kompliziert machen. Die Leute müssen es verstehen. Und damit die Leute das verstehen und damit auch wir verstehen, Herr Staatssekretär, warum dieser Euro jetzt so schnell eingeführt werden soll, haben wir diese dringliche Anfrage eingebracht. Bitte antworten Sie uns und der Bevölkerung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.29

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

16.29

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich, daß es die Möglichkeit gibt, anhand dieser Anfrage


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beantwortung, die im Grunde genommen nicht sehr zielführend war, Herr Staatssekretär, einige Bemerkungen über den Euro zu treffen. Wenn die Europäische Union ein Bundesstaat wäre, meine Damen und Herren, dann würde es sich ziemlich klar darstellen, daß wir eine Einheitswährung haben könnten wie auch andere Bundesstaaten, wie die Republik Österreich auch einer ist, eine haben.

Es stellt sich die Europäische Union als Staatenbund von unabhängigen Nationalstaaten dar, und dieser will 1999 eine Einheitswährung, den Euro, einführen. Und das halte ich, gelinde gesagt, für etwas gewagt, denn durch das Fehlen einer politischen Union, einer einheitlichen europäischen Regierung, der ich keineswegs das Wort rede, meine Damen und Herren, ist man daher auch nicht in der Lage, die Stabilität des Euro zu gewährleisten.

Es gibt ein historisches Beispiel, und dieses Beispiel ist gescheitert. Das Versagen einer solchen Währungsunion war die "Lateinische Münzunion". Dahinter war keine politische Union, sondern das waren selbständige Staaten, die die Lateinische Münzunion geschaffen haben – sie sind gescheitert.

Etwas, was vielleicht den einen oder anderen überraschen wird – es würde mich freuen, wenn der Herr Staatssekretär sein Wissen durch zustimmendes Nicken bekanntgeben könnte; wenn nicht, dann ist es für mich überraschend –: Mit der Einführung des Euro ist das Verschwinden des französischen Franc automatisch verbunden. – So weit, so klar, meine Damen und Herren! Aber: An den französischen Franc ist die CFA-Zone, Communité Financière Africaine, gebunden. Ich gehe davon aus, daß das bekannt ist, aber die Auswirkungen sind möglicherweise nicht bekannt: Der französische Staat hat die Deckung der Verluste dieser CFA-Zone getragen. Die Geldmenge betrug 1993 1,34 des französischen Geldmengenaggregates.

Die CFA-Zone umfaßt zwölf ehemalige französische Kolonien in Afrika – ich zähle sie jetzt nicht auf –, die Komoren und Äquatorialguinea. Sie wurde im Jahr 1960 gegründet. Aber wie kommen wir Österreicher dazu, mit dem Inkrafttreten der Europäischen Währungsunion für die Defizite der afrikanischen Emissionsbanken mitzuhaften, Herr Staatssekretät? – Ich bitte Sie, sich auch das einmal zu überlegen, denn es geht nicht an, daß die Europäische Währungsunion gleich die französisch sprechenden schwarzafrikanischen Staaten umfaßt. Das ist bis jetzt verschwiegen worden, aber ich sehe nicht ein, warum wir diesen Ballast mittragen sollen. Die Europäische Währungsunion darf nicht zu einer Seminarfrage verkommen.

Ein deutscher Professor – es ist Professor Baring – zitiert Erwartungen von 30 bis 35 Prozent Kaufkraftminderung. – Das ist kein Muß, das kann eintreten. Und wir als österreichische Politiker haben die Aufgabe, die österreichische Bevölkerung vor solchen Gefahren zu warnen, nicht nur zu warnen, sondern diese Gefahr vielleicht sogar zu verhindern, Herr Staatssekretär.

Ist man sich klar darüber, was die Kumulierung von Inflation und Einkommenseinbuße durch Beschäftigungsschwund einerseits und Zerstörung von Altersversorgung andererseits bedeutet?

Wir müssen um die Frage ringen, ob der Euro zum Anschlag auf den inneren Frieden Europas verwendet werden könnte. Kollege Drochter, der Sie sehr für die Anliegen der Arbeitnehmer eintreten, vielleicht genauso stark wie ich – ich will aber keineswegs vor ihm die Ziellinie passieren (ironische Heiterkeit bei der SPÖ) , ich lasse dem Herrn Kollegen Drochter schon die Ehre des blauen Bandes oder, wie man sagt, des roten Bandes, dort hereinzukommen –: Wir müssen als Vertreter der arbeitenden Bevölkerung Österreichs diese Anliegen wahrlich ernst nehmen! (Bundesrat Rauchenberger: Sie sind aber schon sehr überheblich! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Herr Kollege Konečny! Wir arbeiten alle: vom Hilfsarbeiter bis zum Universitätsprofessor.

Herr Staatssekretär! Die Disparitäten werden nach Einführung des Euro nicht mehr durch Änderungen des Wechselkurses, sondern nur noch durch Anpassung des Lohnniveaus oder wenigstens Umgestaltung des Abgabensystems geändert werden können – auch das ist wieder zum Nachteil der arbeitenden Bevölkerung.


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Oder, wie jemand anderer sagt: durch Ausgleichszahlungen. Die Ausgleichszahlungen haben Österreich und die Bundesrepublik Deutschland schon ganz schön im Rucksack, und diese Ausgleichszahlungen gereichen der österreichischen Bevölkerung zum Nachteil, weil wir sie ja nicht bekommen.

Oder: durch Wanderung von Arbeitskräften. – Freilich, in den Vereinigten Staaten wechselt man alle fünf Jahre den Wohnsitz und den Arbeitsplatz. Das soll uns aber nicht als Vorbild dienen.

Oder – das ist auch sehr arg –: durch massive Lohnsenkungen in Ländern mit schlechteren Wettbewerbsbedingungen. Daß da Österreich darunterfällt, ist selbstverständlich. Wir sind ein Hochlohnland. In nicht wettbewerbsfähigen Branchen werden deutliche Lohnsenkungen in den betreffenden Ländern die Folge sein. In Österreich wird man damit rechnen müssen, daß Löhne gesenkt werden.

Ich glaube, diese drei Punkte in Und/oder-Kombination werden den Österreicher sehr stark treffen.

Wie schreibt Graf Lambsdorff in der "Frankfurter Allgemeinen" (Bundesrat Dr. Schambeck: Den habe ich gestern getroffen!)  – Herr Professor, ich kann Ihnen das dann in Kopie geben –: Der Flächentarifvertrag muß reformiert werden – das sagt Graf Lambsdorff, immerhin ein international anerkannter Wissenschafter und Politiker –, durch die Einführung der Europäischen Währungsunion nimmt der Änderungsbedarf für strukturelle Reformen der Arbeitsmarktverfassung zu. Durch den Euro wird der Anpassungsdruck auf die nationalen Arbeitsmärkte und damit die Bedeutung der nationalen Lohn- und Tarifpolitik zunehmen. Es wird keine Wechselkurse mehr geben, sodaß überzogene Tariflöhne nicht mehr durch Abwertung korrigiert werden können. Löhne, Preise und Zinsen werden gleichsam die Rolle des Wechselkurses übernehmen. Es ist an der Zeit, das für den deutschen Arbeitsmarkt konstitutive System kollektiv ausgehandelter Tarifverträge gesetzlich zu reformieren.

Meine Damen und Herren! Wenn das eintrifft, dann haben, glaube ich, die österreichischen Arbeitnehmer nichts mehr zu lachen.

Es gibt natürlich die andere Möglichkeit, und sie lautet: Der Euro wird so "stark" wie die italienische Lira. – Daß das dem Wunsch der Österreicher entspricht, wage ich zu bezweifeln.

Wir stehen also in der Zwickmühle zwischen Terminzwang und Stabilitätsversprechen. Ich weiß nicht, wofür ich mich entscheiden soll. Ich meine, das Stabilitätsversprechen wäre höher zu werten, der Terminzwang ist doch keineswegs aus den Maastricht-Verhandlungen und anderen Verhandlungen zwingend ableitbar.

Was die Österreicher hingegen jetzt schon merken, sind die ausgesprochen niedrigen Zinsen für Geldeinlagen. Wissen Sie, warum die Zinssätze so niedrig sind? – Unter anderem deshalb, weil sich die europäischen Banken abgesprochen haben, sonst müßten nämlich überall die Staatsschulden mit hohen Zinsen noch höher werden. Man hält also die Staatsschulden dadurch künstlich niedrig, daß man den Österreichern künstlich ein niedrigeres Zinsniveau für Bankeinlagen gibt.

Man kann es vielleicht auch anders auslegen, aber ein Zusammenhang zwischen der Staatsverschuldung und den niedrigen Zinsen, um die Staatsverschuldung nicht höher werden zu lassen, ist sicher vorhanden.

Zum Schluß noch einige statistische Daten, weil der europäische Mittelstand bis jetzt noch kaum Vorteile aus dem EU-Beitritt erkennen konnte: 61 Prozent erkennen keinen Rückgang der Kosten; 30 Prozent meinen, daß der bürokratische Aufwand erhöht wurde; 50 Prozent haben noch immer Schwierigkeiten beim Vertrieb ihrer Produkte im Ausland; die überwiegende Mehrheit erkennt keinen Vorteil bei Ausweitung der Geschäftstätigkeit; 64 Prozent der "Mittelständer" erkennen keine Verringerung des bürokratischen Aufwandes; 59 Prozent der Unternehmen meinen, daß der Papierkrieg nicht geringer geworden ist.


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All diese Daten gehen davon aus, daß all das besser geworden wäre, aber die Unternehmer in Mitteleuropa haben davon nichts gemerkt. Auch dieses nachteilige Nichtbemerken wirkt sich auf den Arbeitnehmer aus.

Im Grunde genommen wäre es Zeit, für die Arbeitnehmer, für die österreichische Wirtschaft den Trauerflor zu pflanzen und ja davor zu warnen, daß der Euro kommt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt sieben Anfragen eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Dienstag, der 6. Mai, 9 Uhr in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Sitzung beginnt mit einer Fragestunde. Zum Aufruf gelangen Anfragen an den Herrn Bundesminister für Finanzen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Montag, 5. Mai, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen .

Schluß der Sitzung: 16.41 Uhr