Stenographisches Protokoll

628. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Donnerstag, 26. Juni 1997

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Stenographisches Protokoll

628. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 26. Juni 1997

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 26. Juni 1997: 9.02 – 22.44 Uhr

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Tagesordnung

1. Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Schambeck, Weiss, Haselbach, Konečny, Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates

2. Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG)

3. Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG)

4. Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG)

5. Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens

6. Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden

7. Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden

8. Bundesgesetz, mit dem ein Bahn-Betriebsverfassungsgesetz erlassen und das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird

9. Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit

10. Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden

11. Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1995

12. Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 2

13. Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen

14. Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997)

15. Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung

16. Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird; Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz geändert wird

17. Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird

18. Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Hydrographiegesetz geändert werden (Wasserrechtsgesetz-Novelle 1997 – WRG-Nov. 1997)

19. Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden

20. Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird

21. Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden

22. Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972

23. Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen

24. Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1997

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Inhalt

Bundesrat

Schlußansprache des Präsidenten Dr. Herbert Schambeck 30

Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich Dipl.-Ing. Dr. Erwin Pröll 35

Unterbrechungen der Sitzung 11 und 98

Wahl der beiden Vizepräsidenten für das 2. Halbjahr 1997

Verlangen auf Durchführung einer Debatte gemäß § 57 Abs. 2 GO-BR 184

Debatte:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 184

Zurückweisung des Wahlvorschlages der freiheitlichen Fraktion 185


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 3

Wahl der beiden Vizepräsidenten 185

Wahl von zwei Schriftführern für das 2. Halbjahr 1997 185

Wahl von drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1997 186

Personalien

Krankmeldung 11

Entschuldigung 11

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse 30

Ausschüsse

Zuweisungen 29

Fragestunde

Justiz 11

Karl Pischl (767/M-BR/97)

Erhard Meier (761/M-BR/97)

Dr. Paul Tremmel (773/M-BR/97)

Franz Richau (768/M-BR/97)

Karl Drochter (762/M-BR/97)

Dr. Günther Hummer (769/M-BR/97)

Ferdinand Gstöttner (763/M-BR/97)

Dr. Peter Böhm (774/M-BR/97)

Dr. Milan Linzer (770/M-BR/97)

Hedda Kainz (764/M-BR/97)

Dr. Kurt Kaufmann (771/M-BR/97)

Johann Payer (765/M-BR/97)

Dr. Susanne Riess-Passer (775/M-BR/97)

Anton Hüttmayr (772/M-BR/97)

Josef Rauchenberger (766/M-BR/97)

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend notwendige Klarstellungen zur angekündigten Pensionsreform (1295/J-BR/97)

Begründung: Dr. Reinhard Eugen Bösch 98


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628. Sitzung / Seite 4

Beantwortung: Bundesministerin Eleonora Hostasch 99

Redner:

Dr. Paul Tremmel 103

Engelbert Schaufler 105

Albrecht Konečny 108

Helga Moser 110

Mag. John Gudenus 111

Bundesministerin Eleonora Hostasch 115

Dr. Peter Harring 116

(1) Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Schambeck, Weiss, Haselbach, Konečny, Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (98/A-BR/97 und 5485/BR d. B.)

Berichterstatter: Josef Rauchenberger 38

(Antrag, der dem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen)

Redner:

Anna Elisabeth Haselbach 39

Dr. Susanne Riess-Passer 42

Jürgen Weiss 43

Albrecht Konečny 46

Dr. Paul Tremmel 47

Ing. Johann Penz 49

Ludwig Bieringer 51

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, der dem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen 53

Gemeinsame Beratung über

(2) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) (685 und 755/NR sowie 5456 und 5464/BR d. B.)

(3) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) (686 und 755/NR sowie 5456 und 5465/BR d. B.)

(4) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG) (756/NR sowie 5457 und 5466/BR d. B.)

(5) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens (693 und 757/NR sowie 5458 und 5467/BR d. B.)

(6) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (689 und 717/NR sowie 5468/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Michael Ludwig 54


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628. Sitzung / Seite 5

[Antrag, zu (2) 1. der im 2. Hauptstück 3. Abschnitt § 18 Abs. 5 des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmung gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) keinen Einspruch zu erheben, zu (3), (4) und (5) keinen Einspruch zu erheben]

und Wolfgang Hager 55

[Antrag, zu (6) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Dr. Reinhard Eugen Bösch 55

Mag. Harald Himmer 56

Bundesminister Mag. Karl Schlögl 58

Horst Freiberger 59

Dr. Paul Tremmel 60

Dr. Vincenz Liechtenstein 62

Herbert Platzer 64

Dr. Peter Böhm 66

Mag. John Gudenus 69

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (2) 1. der im 2. Hauptstück 3. Abschnitt § 18 Abs. 5 des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmung gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die Zustimmung zu erteilen, 2. gegen den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 71

Annahme der Anträge der Berichterstatter, zu (3), (4), (5) und (6) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 72

(7) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (697 und 723/NR sowie 5459 und 5469/BR d. B.)


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628. Sitzung / Seite 6

Berichterstatter: Wolfgang Hager 73

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)


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628. Sitzung / Seite 7

Redner:

Monika Mühlwerth 73

Johann Payer 74

Engelbert Weilharter 76

Engelbert Schaufler 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 79

(8) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bahn-Betriebsverfassungsgesetz erlassen und das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (458/A und 724/NR sowie 5460 und 5470/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 80

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Engelbert Weilharter 80

Ing. Peter Polleruhs 80

Karl Drochter 81

Erich Farthofer 82

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 83

(9) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit (611 und 725/NR sowie 5471/BR d. B.)

Berichterstatter: Wolfgang Hager 83

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben 84

(10) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (575, 644 und 761/NR sowie 5462 und 5472/BR d. B.)

Berichterstatter: Dr. Peter Harring 84

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 84

Josef Rauchenberger 87

Dr. Kurt Kaufmann 92

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 95 und 127

Dr. Michael Rockenschaub 118

Johann Payer 119

Ing. Johann Penz 120

Dr. Peter Böhm 121

Gottfried Jaud 124

Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof 126

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 130

(11) Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1995 (III-163/BR und 5473/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 130

(Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen)

Redner:

Helena Ramsbacher 130

Josef Rauchenberger 132

Dr. Kurt Kaufmann 135

Engelbert Weilharter 138

Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner 139

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 141

Gemeinsame Beratung über

(12) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit (560 und 762/NR sowie 5474/BR d. B.)

(13) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend eine Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (615 und 763/NR sowie 5475/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. John Gudenus 142

[Antrag, zu (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben]

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (12) und (13) keinen Einspruch zu erheben 142

Gemeinsame Beratung über

(14) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997) (699 und 764/NR sowie 5463 und 5476/BR d. B.)

(15) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (459/A, 460/A und 752/NR sowie 5477/BR d. B.)

Berichterstatter: Mag. Karl Wilfing 143

[Antrag, zu (14) keinen Einspruch zu erheben]

und Engelbert Schaufler 143

[Antrag, zu (15) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Monika Mühlwerth 144

Karl Drochter 145

Mag. Gerhard Tusek 148

Helga Moser 149

Erhard Meier 151

Annahme der Anträge der Berichterstatter, zu (14) und (15) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 152

Gemeinsame Beratung über

(16) Beschluß des Nationalrates vom 14. Mai 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 8

Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird; Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz geändert wird (580 und 671/NR sowie 5451/BR d. B.)

(17) Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird (700 und 726/NR sowie 5478/BR d. B.)

Berichterstatter: Engelbert Schaufler 153

[Antrag, zu (16) keinen Einspruch zu erheben]

und Berichterstatterin: Aloisia Fischer 153

[Antrag, zu (17) keinen Einspruch zu erheben]

Redner:

Andreas Eisl 153 und 166

Johann Kraml 155

Peter Rodek 157

Gottfried Waldhäusl 159

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 165 und 167

Antrag der Bundesräte Andreas Eisl, Gottfried Waldhäusl und Kollegen, gegen den Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben 155

Ablehnung 168

Verzeichnis der namentlichen Abstimmung 168

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (16) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 169

Antrag der Bundesräte Andreas Eisl, Gottfried Waldhäusl und Kollegen, gegen den Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben 155

Ablehnung 169

Verzeichnis der namentlichen Abstimmung 169

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, zu (17) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 170

(18) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Hydrographiegesetz geändert werden (Wasserrechtsgesetz-Novelle 1997 – WRG-Nov. 1997) (321 und 727/NR sowie 5479/BR d. B.)

Berichterstatter: Peter Rieser 170

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Andreas Eisl 171

Josef Pfeifer 172

Leopold Steinbichler 173


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 9

Dr. Paul Tremmel 174

Bundesminister Mag. Wilhelm Molterer 175

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 176

(19) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (680 und 747/NR sowie 5461 und 5480/BR d. B.)


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 10

Berichterstatter: Erhard Meier 177

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Redner:

Dr. Peter Harring 177

Mag. Karl Wilfing 179

Wolfgang Hager 179

Bundesminister Rudolf Edlinger 180

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 181

(20) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird (670 und 750/NR sowie 5481/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 181

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 181

(21) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 über Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (666 und 751/NR sowie 5482/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 182

(Antrag, keinen Einspruch zu erheben)

Annahme des Antrages des Berichterstatters, keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 182

Gemeinsame Beratung über

(22) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 über Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972 (584 und 748/NR sowie 5483/BR d. B.)

(23) Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen (649 und 749/NR sowie 5484/BR d. B.)

Berichterstatter: Erhard Meier 182

[Antrag, zu (22) und (23) keinen Einspruch zu erheben]

einstimmige Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (22) keinen Einspruch zu erheben 182

Annahme des Antrages des Berichterstatters, zu (23) keinen Einspruch zu erheben, mit den Stimmen der Bundesräte der ÖVP und der SPÖ, gegen die Stimmen der Bundesräte der Freiheitlichen 182

Eingebracht wurden

Berichte

26280-27173-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e B-VG

Anfragen

der vom Vorarlberger Landtag entsandten Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch an den Bundesminister für Finanzen betreffend Erweiterungsbau beim Finanzamt Bregenz (1294/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch, Dr. Paul Tremmel an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend notwendige Klarstellungen zur angekündigten Pensionsreform (1295/J-BR/97)

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Bundeskanzler betreffend Atom-Test-Stop-Organisation CTBTO (1296/J-BR/97)

der Bundesräte Erhard Meier und Genossen an den Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten betreffend Atom-Test-Stop-Organisation CTBTO (1297/J-BR/97)

der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Kollegen an den Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr betreffend Rolle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (1298/J-BR/97)

Anfragebeantwortungen

des Bundesministers für Inneres auf die Frage der Bundesräte Dr. Paul Tremmel und Kollegen (1183/AB-BR/97 zu 1288/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Jürgen Weiss und Kollegen (1184/AB-BR/97 zu 1277/J-BR/97)

des Bundesministers für Finanzen auf die Frage der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen (1185/AB-BR/97 zu 1281/J-BR/97)

der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales auf die Frage der Bundesräte Dr. Reinhard Eugen Bösch und Dr. Paul Tremmel (1186/AB-BR/97 zu 1282/J-BR/97)

des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr auf die Frage der Bundesräte Anton Hüttmayr und Kollegen (1187/AB-BR/97 zu 1280/J-BR/97)


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628. Sitzung / Seite 11

Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich eröffne die 628. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 627. Sitzung des Bundesrates vom 5. Juni 1997 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet hat sich das Mitglied des Bundesrates DDr. Franz Werner Königshofer.

Entschuldigt hat sich Frau Bundesrätin Johanna Schicker.

Fragestunde

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde – der Herr Bundesminister ist allerdings noch nicht hier. Ich unterbreche daher die Sitzung bis zum Eintreffen des Herrn Bundesministers.

(Die Sitzung wird um 9.03 Uhr unterbrochen und um 9.04 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich nehme, da der Herr Bundesminister für Justiz eingetroffen ist, die Sitzung des Bundesrates mit der vorliegenden Tagesordnung wieder auf.

Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, mache ich vor allem im Hinblick auf die seit der letzten Fragestunde in den Bundesrat neu eingetretenen Mitglieder darauf aufmerksam, daß jede Zusatzfrage in unmittelbarem Zusammenhang mit der Hauptfrage beziehungsweise der gegebenen Antwort stehen muß. Die Zusatzfrage darf nur eine konkrete Frage enthalten und darf nicht in mehrere Unterfragen geteilt werden.

Um die Beantwortung aller zum Aufruf vorgesehenen Anfragen zu ermöglichen, erstrecke ich die Fragestunde, sofern mit 60 Minuten das Auslangen nicht gefunden wird, im Einvernehmen mit der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten erforderlichenfalls auf bis zu 120 Minuten.

Ich beginne jetzt – um 9.05 Uhr – mit dem Aufruf der Fragen.

Bundesministerium für Justiz

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zur 1. Anfrage, 767/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Karl Pischl (ÖVP, Tirol), um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich habe folgende Frage eingereicht:

767/M-BR/97

Wodurch wird im Bereich der neuen Ermittlungsmethoden ein ausreichender Rechtsschutz sichergestellt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Präsident! Herr Anfragesteller! Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage wie folgt: Zweifelsohne sind mit den neuen Ermittlungsmaßnahmen – mit den optischen und akustischen Überwachungen und mit dem Datenabgleich – zwangsläufig auch Eingriffe in Grund- und Persönlichkeitsrechte, eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte sowie die Gefahr der zweckentfremdeten Verwendung von Informationen verbunden. Es hat sich daher schon die seinerzeitige Regierungsvorlage betreffend ein


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 12

Bundesgesetz über besondere Ermittlungsmaßnahmen zum Ziel gesetzt, durch die Fokussierung des Anwendungsbereiches dieser Ermittlungsmethoden auf die Bekämpfung schwerster und organisierter Kriminalitätsformen diese Gefahren im Sinne des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgebotes möglichst eng zu begrenzen.

Im fortgesetzten Bestreben, einen sorgfältigen Ausgleich zwischen der Steigerung kriminalpolizeilicher Effizienz und der bestmöglichen Wahrung der Grundrechte des einzelnen herbeizuführen, wurden in den danach geführten Beratungen weitere Verbesserungen des Gesetzentwurfes im Bereich des Schutzes der Grundrechte erzielt; es stellen gerade diese Themata in der unmittelbar anschließend stattfindenden Sitzung des Unterausschusses den Hauptgegenstand der Diskussion dar.

Nach meiner Überzeugung wird vor allem durch die vorgesehenen umfangreichen Begleit- und Kontrollmaßnahmen, wie etwa die Einrichtung eines unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten, aber auch durch sehr detaillierte Berichtspflichten sichergestellt, daß die besonderen Ermittlungsmaßnahmen auch in dem erwähnten engen Anwendungsbereich nur in einer rechtsstaatlich vertretbaren Weise eingesetzt werden. Ergänzt werden diese zusätzlichen Maßnahmen durch Veröffentlichungsverbote, die zum Teil strafrechtlich bewährt, zum Teil nach den Regeln des Entschädigungsbetrages des Mediengesetzes sanktioniert sind.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Bundesminister! Wenn man die mediale Berichterstattung betrachtet, muß man sagen, es handelt sich dabei um eine sehr heikle Materie, die eine sehr sensible Vorgangsweise verlangt. Sie selbst haben jetzt in der Beantwortung der Frage von Begleit- und Kontrollmaßnahmen gesprochen. Ich möchte daher folgende Zusatzfrage stellen:

Sollen auch im Bereich der Justiz sowie im Bundesministerium für Inneres Sicherheitsüberprüfungen bei den mit den Ergebnissen einer Überwachung befaßten Bediensteten in Aussicht genommen werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es sind die Zuständigkeiten im Innenressort etwas anders gelagert und in Zukunft auf einen sehr engen, überschaubaren Personenkreis konzentriert. Im Bereich der Justiz ergeben sich die Zuständigkeiten in diesem Zusammenhang zum Teil aus verfassungsrechtlichen Grundsätzen, die auch in der Zukunft nicht durchbrochen werden können; aber es wird Vorsorge getroffen, daß vor allem jene heiklen Aktenteile, die sich mit der Antragstellung, Bewilligung und Berichterstattung im Zusammenhang mit den neuen Ermittlungsmethoden befassen, zunächst nicht zum Hauptakt kommen, sondern, wenn es – unjuristisch – Quasiverschlußakten sind, in einen gesonderten Akt, in den nur eine sehr eingeschränkte Einsicht möglich ist und dessen Verwaltung auch nur einem überschaubaren Personenkreis möglich ist, sodaß die Frage, ob ein Mißbrauch mit diesen Informationen und von wem er stattgefunden hat, sehr leicht zu beantworten wäre, wodurch auch eine präventive Wirkung gegeben sein soll.

Also: Grundsätzlich wird die Vorgangsweise so sein, daß eine etwaige amtsmißbräuchliche Verwendung solcher Daten leicht feststellbar ist.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Pischl: Herr Bundesminister! In diesem Zusammenhang richte ich folgende Frage an Sie: Wie soll mit den Berufsgeheimnissen umgegangen werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Vorweg möchte ich klarstellen, daß Berufsgeheimnisträger, vor allem Verteidiger, Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder, Psychia


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ter, Psychotherapeuten, Bewährungshelfer und Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen für Psychosozialberatung, -betreuung, nicht allein deshalb überwacht werden dürfen, weil anzunehmen ist, daß sich ein einschlägig Verdächtiger mit ihnen in Verbindung setzen wird.

Darüber hinaus wurde mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1993 ausdrücklich festgeschrieben, daß das den Berufsgeheimnisträgern zustehende Zeugnisentschlagungsrecht bei sonstiger Nichtigkeit nicht umgangen werden darf.

Soweit daher im Rahmen einer zulässigen Überwachung Gespräche mit einem Verteidiger oder mit einem anderen Berufsgeheimnisträger aufgezeichnet werden, besteht ein durch Nichtigkeitssanktion abgesichertes absolutes Verbot der Verwertung dieser Aufzeichnungen als Beweis. Diese Aufzeichnungen sind im übrigen zu vernichten.

Die Bedenken, die vorgebracht werden, können sich daher nur darauf beziehen, daß ein selbst der Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation dringend verdächtiger Berufsgeheimnisträger überwacht werden können soll. Auch in einem solchen Fall ist aber sichergestellt, daß mit dem Anlaßfall nicht im Zusammenhang stehende Informationsgespräche des verdächtigen Berufsgeheimnisträgers mit Dritten, also die sogenannten Zufallsfunde, einem totalen Beweisverwertungsverbot unterliegen und allfällige Aufzeichnungen zu vernichten sind.

Es ist aber ein offenes Geheimnis, daß über eine noch weitergehende Einengung dieses Bereiches in der heute stattfindenden Unterausschußsitzung debattiert werden wird und einige Varianten zur Diskussion stehen – sie reichen von einem Totalverbot, der Durchführbarkeit nur im Falle der Ermächtigung durch den Rechtsschutzbeauftragten bis hin zu einem partiellen Verbot, das sich auf bestimmte Räumlichkeiten bezieht.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage, 761/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich ersuche den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark), um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Erhard Meier: Sehr geehrter Herr Minister! Meine Frage an Sie lautet:

761/M-BR/97

Wie beabsichtigen Sie die Kontrolle von Justizorganen mit dem Ziel, eine kürzere Dauer der Verfahren herzustellen – bei voller Wahrung der Unabhängigkeit der Rechtsprechung –, noch effizienter zu gestalten?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Bundesrat! Wir haben uns seit Jahren mit Maßnahmen zur Beschleunigung des Verfahrens befaßt – sie reichten von legislativen über organisatorische bis zu begleitenden Maßnahmen – und haben sicher auch gewisse Erfolge erzielt. Eine gewisse Einschränkung dieser Bemühungen ist aus personellen und finanziellen Gegebenheiten entstanden, die ein Vorgehen in dem von uns gewünschten Sinn, vor allem was die personelle Ausstattung und die technische Unterstützung anlangt, nicht im erforderlichen Tempo ermöglicht haben.

Ich möchte aber vorausschicken, daß grundsätzlich der Großteil aller bei den österreichischen Gerichten anfallenden Verfahren in durchaus angemessener und vertretbarer Zeit erledigt wird; das zeigt auch der internationale Vergleich, der Vergleich mit mit Österreich vergleichbaren europäischen Ländern. Ich darf nur einige wenige Zahlen hier bringen:

Bei den Bezirksgerichten sind im Jahr 1996 rund 774 000 Zivilrechtssachen angefallen. Am Ende des Jahres waren rund 105 000 Verfahren anhängig; das sind, gemessen am Neuanfall des Jahres 1996, 13,7 Prozent. Von den anhängig gebliebenen Verfahren waren 9 000 – das sind zirka 1,2 Prozent des Neuanfalls – länger als ein Jahr, 2 775 – das sind, gemessen am Neuanfall, 0,4 Prozent – länger als zwei Jahre und 1 081 – gemessen am Neuanfall: 0,1 Prozent – länger als drei Jahre anhängig.


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Etwas anders gelagert sind die doch schwierigeren und langwierigeren Verfahren bei den Gerichtshöfen erster Instanz. Dort sind 1996 rund 39 000 Zivilrechtssachen angefallen. Am Jahresende waren 20 609 – das sind, gemessen am Neuanfall, 52,8 Prozent – anhängig. Von diesen anhängig gebliebenen Rechtssachen sind 7 723 länger als ein Jahr – das sind, wieder gemessen am Neuanfall, 19,8 Prozent –, 3 658 Rechtssachen länger als zwei Jahre – das sind 9,4 Prozent – und 1 961 Rechtssachen länger als drei Jahre – das sind, gemessen am Neuanfall, 5 Prozent – anhängig gewesen.

Hinsichtlich der Gründe für die längeren Verfahrensdauern, aber auch der Zeiträume zwischen dem Schluß der mündlichen Verhandlung und der Ausfertigung wurden seinerzeit umfangreiche Untersuchungen angestellt, und es wurde entsprechend dem Ergebnis vor allem bei den Hauptgründen für die Verzögerung, die nur zum Teil auf seiten der Justiz liegen, zum Teil durchaus auch in der Inanspruchnahme der Möglichkeiten der Prozeßordnung durch die Parteien und ihre Vertreter, eingegriffen. Als verfahrensverzögernd wurde vor allem die Situation der Sachverständigen angesehen, aber auch – der zweithäufigste Grund – die Rechtshilfeersuchen, und da insbesondere die lange Dauer von Rechtshilfeersuchen im Ausland.

Was die Sachverständigen anlangt: Die Justizverwaltung war in der Folge bemüht, zusätzliche Sachverständige zu gewinnen, was nur mit finanziellen Anreizen möglich ist. Das ist durch eine Novellierung des Gebührenanspruchsgesetzes nur teilweise geschehen, hat in diesen Bereichen aber doch etwas gebracht. Aber man sieht in der heutigen Situation, daß der Schaffung finanzieller Anreize für die Gutachtertätigkeit bei Gericht – noch nicht hat sie im medizinischen Bereich stattgefunden; es kommt dadurch dort sehr häufig zu Verzögerungen – Grenzen gesetzt sind, sonst würden die Verfahrenskosten noch mehr steigen, was heute sowohl für die zahlungspflichtigen Parteien als auch für den Staat in jenen Fällen, in denen er die Verfahrenskosten zu tragen hat, mit großen Schwierigkeiten verbunden wäre.

Was die Rechtshilfeersuchen im Ausland anlangt, muß ich sagen: Es ist das ein ständiges Thema in den Gesprächen auch im Rahmen der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres in der Europäischen Union. Darüber hinaus haben wir uns in einer Reihe bilateraler, aber auch multilateraler Übereinkommen bemüht, die Zusammenarbeit zwischen den Justizbehörden vor allem im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs zu vereinfachen, was zu einer Beschleunigung der Erledigung von Rechtshilfeersuchen beitragen wird.

Eine justizinterne Maßnahme war die Schaffung des Sprengelrichters, der seit Mitte des Vorjahres zum Einsatz gebracht werden kann, um personelle Verknappungen aufgrund externer oder interner Gründe ausgleichen zu können. Weiters haben wir technische Vorkehrungen in der Registerführung getroffen, sodaß regelmäßig Rückstandsausweisungen über länger anhängige Verfahren erstellt werden können, damit dann gezielt eingegriffen werden kann. Dieses gezielte Eingreifen soll auch durch die neu eingeführte innere Revision, die regelmäßig stattfindet, und durch eine Neuordnung der Dienstaufsicht ermöglicht werden.

Ganz besonders wichtig für die Frage einer angemessenen Verfahrensdauer ist der optimale Einsatz der personellen Kräfte in der Justiz. Und in diesem Zusammenhang haben wir es in einer wirklich grundlegenden, für ganz Europa, auch für jeden anderen Bereich, vorbildhaften und vorreiterhaften Aktion, die wir gemeinsam mit einem Schweizer Managementberatungsunternehmen durchgeführt haben, erreicht, daß wir in der sogenannten Personalanforderungsrechnung ein Steuerungsinstrument ermittelt haben, wodurch wir die durchschnittliche geistige Arbeit, die mit Verfahren verbunden ist, nunmehr kennen und eine gleichmäßige Verteilung der personellen Ressourcen ermöglichen können. Auch bei besonderen Anfallssituationen wissen wir nun, welche zusätzlichen personellen Ressourcen dort benötigt werden, beziehungsweise sehen wir, wenn der Anfall rückgängig ist, welche Überstände abgezogen und anders verteilt werden können.

Das ist eine Methodik, eine Maßnahme, die nur durch die verständnisvolle Mitarbeit der von diesen Maßnahmen betroffenen Richter und Rechtspfleger möglich war. Aber dankenswerter Weise haben auch sie erkannt, wie wichtig es ist, auch von sich aus etwas zu tun und sich eine gewisse Überwachung und Überprüfung gefallen zu lassen. – Aber nicht überall ist das möglich.


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Sie kennen meinen Schmerz: Es gibt Gerichtseinheiten, hinsichtlich derer wir alle wissen, daß es dort personelle Überstände gibt, aber es ist nicht möglich, diese abzubauen. Es handelt sich – eine Frage in diese Richtung wird ja heute noch an mich gerichtet werden – um die kleinen Bezirksgerichte, bei denen in einem Bereich gewisse Komfortabilitäten gegeben sind, die in anderen Bereichen, in den Ballungszentren abgehen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Erhard Meier: Nein, danke. Der Herr Minister hat die Zusatzfragen, die ich stellen wollte, schon ausführlich beantwortet.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen daher zum Aufruf der 3. Anfrage, 773/M, des Herrn Bundesrates Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark). Ich ersuche den Herrn Bundesrat um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

773/M-BR/97

Welche steirischen Bezirksgerichte sollen nach dem derzeitigen Stand der Verhandlungen mit der Landesregierung in den nächsten Jahren geschlossen werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Meine Damen und Herren! Mein Standpunkt ist derselbe, den ich innehatte, und wird es auch bleiben, wenn es zur angestrebten Änderung der Verfassungsrechtslage kommt.

Die Kriterien, die ich anlegen möchte, sind auf der einen Seite, daß der Geschäftsanfall, der richterlich zu erledigen ist, mindestens einen Richter auslasten soll, oder auf der anderen Seite, daß, wenn dieser Anfall etwas darüber liegt, doch eine Zusammenlegung ins Auge gefaßt werden soll, wenn das benachbarte aufnehmende Bezirksgericht sehr nahe und für die Bevölkerung leicht erreichbar ist.

Nach diesen Kriterien wäre beabsichtigt, in der Steiermark neun Bezirksgerichte aus der Sicht des Anfalls und eines aus der Sicht der nahen Lage zusammenzulegen; es wären die Bezirksgerichte – in alphabetischer Reihenfolge – Birkfeld, Eisenerz, Gröbming, Irdning, Mariazell, Mureck, Neumarkt, Oberwölz und Wildon. Rottenmann käme zum nahe gelegenen Liezen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Ich darf Sie noch einmal fragen, Herr Minister, und meine Frage präzisieren: Gibt es Verhandlungsergebnisse zwischen der steiermärkischen Landesregierung und Ihnen, nämlich unter Beachtung des Bundesverfassungsgesetzes, mit dem das Übergangsgesetz 1920 geändert wurde, wodurch bei dieser Materie ein Zustimmungsrecht der Landesregierung gegeben sein muß, die diesen Ihren Erläuterungen und Auflösungsvorschlägen entsprechen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Bereits im Jahre 1992 hat die Justiz mit dem damaligen Landeshauptmann und Mitgliedern der steiermärkischen Landesregierung – ich war selbst, ich glaube, das war das erstemal in der Geschichte, in der Sitzung der Landesregierung als Gast anwesend – die Gespräche aufgenommen.

In Abstimmung mit den Ergebnissen dieser Gespräche fanden im Jahr 1993 Informationsgespräche mit den zuständigen Kommunalpolitikern statt. Die in diesen Gesprächen vorgebrachten Argumente wurden vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung gesammelt und an das Justizministerium übermittelt. Das Bundesministerium für Justiz hat zu diesen Anregungen und


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Einwänden im Frühjahr 1995 in Form einer Synopse gegenüber dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung Stellung genommen.

Nach dem Wechsel an der Spitze der Regierung der Steiermark habe ich mit Frau Landeshauptmann Klasnic zu diesem Thema ein erstes Gespräch geführt. Konkretere Gespräche hat es bisher nicht gegeben, weil wir meinten, daß die von uns angestrebte Änderung des von Ihnen zitierten Übergangsgesetzes abgewartet werden sollte. Das hat sich schrittweise immer wieder hinausgezögert und steht auch diesmal nicht auf der Tagesordnung – jedenfalls nicht vor dem Sommer.

Meine Überlegung ist es, im Herbst – so oder so – die Gespräche wiederaufzunehmen und in ein konkreteres Stadium treten zu lassen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Paul Tremmel: Es hat also nicht die Zustimmung der steiermärkischen Landesregierung, welche nach der Bundesverfassung vorgesehen ist, gegeben. Herr Bundesminister! Ist Ihnen das Ergebnis der Landeshauptmännerkonferenz vom 10. Mai, fundiert und gefestigt im Beschluß vom 11. und 12. September in Neuhofen, bekannt, wo folgendes gesagt wurde: Zur Auflösung der Bezirksgerichte erfolgt so lange nicht die Zustimmung, so lange nicht maßgebliche Bereiche der Bundesstaatsreform durchgeführt werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Dieser Beschluß ist mir bekannt, ich meine allerdings, daß es mir unbenommen sein muß, jedenfalls ab Herbst – ob diese Voraussetzungen vorliegen oder nicht – die Gespräche wiederaufzunehmen, denn es geht ja nicht nur um die Frage ob ja oder nein, sondern auch um Detailfragen, darum, sich Argumenten nicht zu verschließen, Zeitpläne festzulegen, Entlastungsmöglichkeiten, Begleitmaßnahmen zu besprechen. All das sind Dinge, die man schon vorbereiten kann, damit dann, wenn es zur Zustimmung käme oder die Zustimmung nicht mehr erforderlich wäre, sofort gehandelt werden kann, sofort vorbereitende Maßnahmen eingeleitet werden können.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen zum Aufruf der 4. Anfrage, 768/M, des Herrn Bundesrates Franz Richau (ÖVP, Kärnten) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich darf den Herrn Bundesrat bitten, seine Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Franz Richau: Herr Präsident! Herr Minister! Die Briefbombenserie hat in den letzten Jahren die österreichische Bevölkerung erschüttert und, wie ich meine, unberechtigterweise auf die Erhebungstätigkeit der Justiz und der Exekutive ein schlechtes Licht geworfen. Meine Frage lautet:

768/M-BR/97

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit von Sicherheitsexekutive und Justiz, insbesondere bei der Verfolgung der Briefbombenanschläge?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Gemahnt zur Kürze, Herr Präsident, werde ich versuchen, mich kurz zu halten. Ich beurteile die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Sicherheitsexekutive österreichweit insgesamt, vor allem angesichts des gewaltigen Arbeitsumfanges, als außerordentlich gut, was nichts damit zu tun hat, daß es vereinzelt, aber das ist ganz natürlich aufgrund der unterschiedlichen Aufgabenstellung der Akteure – Sicherheitsexekutive, Staatsanwaltschaft, Gericht –, zu unterschiedlichen Einschätzungen kommt, was aber, wie ich meine, der guten Zusammenarbeit durchaus keinen Abbruch tut. Und das möchte ich auch für den von Ihnen im konkreten angesprochenen Fall der Briefbombenanschlägeaufklärung bestätigen. Was hier öffentlich geäußert wird, ist zum Großteil aufgebauscht. Daß es phasenweise geringfügige unterschiedliche Einschätzungen gibt, ist kein Geheimnis, aber das ist nur natür


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lich. Jede der einschreitenden Behörden hat ihre Aufgabe und aufgrund dieser Aufgabenstellung Präferenzen in die eine oder in die andere Richtung.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau: Herr Minister! Welche Maßnahmen können Sie sich zur Verbesserung der Kooperation zwischen Justiz und Sicherheitsexekutive vorstellen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Diese Frage unterstellt, daß es größere Defizite in der Güte der Zusammenarbeit gibt. Ich möchte eingangs noch einmal betonen: Diese gibt es sicher nicht. Wenn man sich anschaut, in wie vielen Fällen die Sicherheitsbehörde ohnehin von sich aus ermittelt und praktisch das fertige Ergebnis den Justizbehörden vorlegt, in wie vielen Fällen eine friktionsfreie Zusammenarbeit auch in heikelsten Punkten, insbesondere auch was die Antragstellung oder das Anregen von Grundrechtseingriffen anlangt, stattfindet, dann, glaube ich, kann man damit am besten dokumentieren, daß diese Zusammenarbeit ausgezeichnet ist.

Wenn es zu Irritationen infolge Meinungsunterschieden über die Sinnhaftigkeit oder Nichtsinnhaftigkeit von verweigerten Anregungen der Sicherheitsbehörde kommt, so kann man das nur durch intensive Kontaktgespräche zwischen den einzelnen am Strafverfahren beteiligten Berufsgruppen klären, um im anderen Verständnis für die andere Rolle zu erwirken und eben auch transparent zu machen, warum in den wenigen Fällen, in denen den Anregungen der Sicherheitsbehörde nicht gefolgt wird, das aufgrund der rechtlichen Gegebenheiten nicht geschehen kann, an die sich vor allem das Gericht bei Grundrechtseingriffen halten muß.

Aber in aller Regel ist doch in der Öffentlichkeit der Vorwurf gegeben, daß die Gerichte und die Justizbehörden willfährig den Anregungen der Sicherheitsbehörden nachkommen und das rechtsstaatliche Kontrollinstrumentarium zuwenig anwenden. Das ist auch nicht richtig, aber das ist eigentlich die hauptsächliche öffentliche Diskussionssituation.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Franz Richau: Herr Minister! Ich gebe Ihnen recht, weil ich selbst als Exekutivorgan Betroffener bin von einer guten Zusammenarbeit mit der Exekutive. Ich glaube aber, daß Aussagen einzelner hoher Justizbeamter – sprich Karawanken-Autobahn-Skandal in Kärnten, sprich Briefbombenserie in Wien – dieser Zusammenarbeit abträglich sind. Daher meine Zusatzfrage: Glauben Sie, daß gerade diese unqualifizierten Aussagen hoher Funktionäre zum Vertrauen in die Justiz beziehungsweise zum Vertrauen in die Arbeit der Justiz beitragen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es ist richtig, daß das Verständlichmachen und die Transparenz der Justizarbeit nicht immer optimal in der Öffentlichkeit erfolgen und daß gelegentlich die Wortwahl von Sprechern einer Überprüfung und Änderung zugeführt werden soll. Die Justiz hat auch bereits Maßnahmen gesetzt, die eine bessere Öffentlichkeitsarbeit, Medienarbeit sicherstellen sollen. Das von Ihnen angesprochene Problem ist zwar nicht ganz unser Problem, aber vielleicht insofern doch, als nicht durch solche Äußerungen die gute Zusammenarbeit belastet werden soll.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen zum Aufruf der 5. Anfrage, 762/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz durch Herrn Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien). Ich ersuche den Herrn Bundesrat um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Karl Drochter: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:


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Nach welchen Grundsätzen beziehungsweise Richtlinien werden ständige Gerichtssachverständige bestellt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Bundesrat! Die Grundsätze für die allgemeine Beeidigung von Sachverständigen für ihre Tätigkeit vor den Gerichten und ihre Eintragung in die gerichtlichen Sachverständigenlisten sind in dem Bundesgesetz über den allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen und Dolmetsch aus dem Jahre 1975 geregelt. Danach gibt es eine Reihe von gesetzlichen Voraussetzungen für die Eintragung in die Sachverständigenlisten, die sich vor allem mit dem Nachweis der Sachkunde für diese Tätigkeit befassen und auch einen gewissen Bedarf berücksichtigen.

Die Listen werden vom zuständigen Gerichtshofpräsidenten geführt, über schriftlichen Antrag, über den der Gerichtshofpräsident entscheidet nach Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen, nach Einholung von Gutachten, insbesondere einer einschlägigen Sachverständigenvereinigung, in der Regel des Hauptverbands der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs, und allgemeinen Ermittlungen, die der Gerichtshofpräsident anzustellen hat, insbesondere auch Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretungen, denen der Bewerber angehört, und der Kammer, auf die sich das entsprechende Sachgebiet erstreckt.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter: Herr Bundesminister! Wie groß ist der Frauenanteil bei den ständig tätigen Gerichtssachverständigen, wie hoch ist der Anteil der weiblichen Gerichtssachverständigen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ich gestehe, daß ich das nach diesem Kriterium noch nicht geprüft habe, aber sicherlich ist meinem Gefühl nach der Männeranteil größer als der Frauenanteil, was aber keine Diskriminierung von seiten der Justiz ist. Es ist eine Frage, wer sich für das Geschäft interessiert. Wer die Voraussetzung erfüllt, wird in der Regel eingetragen, weil wir ja in Wirklichkeit bestrebt sind, möglichst viele Sachverständige einzutragen. Das kam vorhin schon bei der Verfahrensdauer zur Sprache, weil nur ein entsprechend großes Angebot von Sachverständigen sicherstellt, daß der Richter von den ihm mit der letzten Novelle eingeräumten Möglichkeiten, zeitlichen Druck auf den Sachverständigen auszuüben, Gebrauch machen kann. Wenn er auf ein, zwei, drei vorhandene angewiesen ist, die alle bis oben mit Arbeit eingedeckt sind, nützt es ihm nichts, wenn er eine Frist setzt, weil er, wenn die Frist nicht eingehalten wird, erst recht nicht weiß, was er jetzt tun soll, weil es keinen anderen Sachverständigen gibt oder keinen, der nicht befangen ist oder der nicht erst wieder von vorne anfangen müßte, nachdem der andere schon zwei Jahre – denken Sie an Umweltverfahren et cetera – gearbeitet hat.

Also wir wären interessiert, daß sich wer immer und natürlich auch vermehrt Damen in Sachverständigenlisten eintragen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Karl Drochter: Sie haben selbst angeführt, daß Sie glauben – es ist dies auch sehr wahrscheinlich –, daß der Frauenanteil geringer ist. Könnten Sie sich Maßnahmen seitens Ihres Ministeriums vorstellen, um den Anteil der weiblichen Gerichtssachverständigen zu erhöhen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Das Publikmachen, daß wir keine Vorurteile haben, wenn sich Damen melden, ist eigentlich das einzige Mittel, denn im wesentlichen


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muß es natürlich auf die Qualifikation, auf den Qualifikationsnachweis ankommen. Ist dieser gegeben, gibt es kein Hindernis für die Eintragung. Die Initiative geht ja von den Eintragungswerbern aus, und wenn die Initiative ergriffen wird, wird es nicht Sache der Justiz sein, hier irgendwelche Riegel vorzuschieben.


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Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wir gelangen zum Aufruf der 6. Anfrage, 769/M, des Herrn Bundesrates Dr. Günther Hummer (ÖVP, Oberösterreich) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich ersuche den Anfragesteller um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Günther Hummer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

769/M-BR/97

Wann werden Sie dem Parlament einen Entwurf über den außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene vorlegen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Bundesrat! Die Arbeiten meines Ministeriums an einem solchen Gesetzentwurf, der abgesehen vom außergerichtlichen Tatausgleich auch andere Formen der Diversion, also zum Beispiel eine sogenannte Geldbuße oder Auflagen wie gemeinnützige Leistungen und dergleichen, vorsehen wird, stehen unmittelbar vor dem Abschluß. Der Ministerialentwurf wird von mir noch vor dem Sommer zur Begutachtung versendet werden. Ich nehme an, daß die Erstellung einer Regierungsvorlage voraussichtlich im Laufe des ersten Halbjahres 1998 erwartet werden kann. Schwerpunkte unserer Tätigkeit im legislativen Bereich des Strafrechtes sind derzeit das Fertigmachen und dann das Implementieren der Ermittlungsmethoden. Der nächste Schritt ist die Vorbereitung eines Versendungsentwurfes zum strafprozessualen Vorverfahren, was wir bis Jahresende im wesentlichen abschließen wollen, und dann zu Beginn des nächsten Jahres Regierungsvorlage Diversion.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Günther Hummer: Auf welche Erfahrungen im Rahmen von Pilotprojekten können Sie bei diesem Entwurf aufbauen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Wir können auf sehr gute und breite Erfahrungen aufbauen, nicht nur auf die Erfahrungen, die wir mit dem Tatausgleich im Jugendbereich schon auf gesetzlicher Grundlage haben, sondern auch auf die Erfahrungen mit dem Modellprojekt im Erwachsenenbereich. Wir haben heute schon zu mehr als 50 Prozent der Bereiche in Österreich durch die Bewährungshilfe im außergerichtlichen Tatausgleich Erwachsene betreut. Es hat sich gezeigt, daß die Voraussetzungen, was zu erwarten war, hier etwas anders gelagert sind, daß auch die Möglichkeit, zu einvernehmlichen Lösungen zu kommen, nicht ganz so groß ist wie bei den Jugendlichen, aber daß der außergerichtliche Tatausgleich außerordentlich gut angenommen wird, vor allem, weil darin das Opfer in einem Maße eingebunden ist, was in jedem anderen Verfahren bisher nicht der Fall war, weil es eine gewisse ideelle Genugtuung dadurch erfährt und weil vor allem auch, wenn nur irgend möglich, seine materiellen Ansprüche rascher und unproblematischer erledigt werden und sie nicht auf ein förmliches Strafverfahren oder auf die Exekutivhereinbringung der ihnen, sei es im Strafverfahren, sei es im Zivilverfahren, zugesprochenen Ansprüche verwiesen sind und weil unter dem Damoklesschwert, das Verfahren nicht einzustellen, sondern gerichtlich durchzuführen, der Täter, der Pflichtige eher schnell und unkompliziert erfüllt als bei der klassischen Art der Konfliktbewältigung.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Dr. Günther Hummer: Danke.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen damit zum Aufruf der 7. Anfrage, 763/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz durch den Herrn Bundesrat Ferdinand Gstöttner (SPÖ, Oberösterreich). Ich darf den Herrn Anfragesteller höflich bitten, die Anfrage zu verlesen.

Bundesrat Ferdinand Gstöttner: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

763/M-BR/97

Was gedenken Sie gegen die Ungerechtigkeit zu unternehmen, daß rechtskräftig als unschuldig erkannte Personen hohe Rechtsanwaltskosten zu bestreiten haben?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es ist richtig, daß ein Beschuldigter die aufgelaufenen Verteidigerkosten grundsätzlich selbst tragen muß, sofern ihm keine Verfahrenshilfe zukommt. Ein Beschuldigter, der außerstande ist, die Kosten seiner Verteidigung ohne Beeinträchtigung des in der Familie notwendigen Unterhalts selbst zu tragen, kann aber die Beigebung eines Verfahrenhilfeverteidigers beantragen, und davon wird ja auch vielfach Gebrauch gemacht. Seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1983 erhält der Beschuldigte, der keine Verfahrenshilfe genießt, im Offiziosostrafverfahren im Falle eines Freispruchs oder der Einstellung des Verfahrens nach Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 393a StPO einen Pauschalbeitrag des Bundes zu seinen Verteidigungskosten.

In der Folge wurde vor allem von seiten der Rechtsanwaltschaft wiederholt beklagt, daß die nach § 393a StPO zuerkannten Beiträge in einem Mißverhältnis zu den tatsächlich aufgelaufenen Verteidigerkosten stünden. Wir haben daher zuletzt 1993 eine Verdreifachung der für diese Leistungen seit 1983 vorgesehenen Höchstbeträge vorgenommen und erstmals auch einen Verteidigerkostenbeitrag im bezirksgerichtlichen Verfahren eingeführt. Damit wurde der Grundgedanke, daß der Freigesprochene, soweit es eben die Möglichkeiten erlauben, auch hinsichtlich der Verteidigungskosten schadlos gestellt werden soll, in einem verstärkten Maße umgesetzt. Richtig ist aber, daß dieser "Beitrag" der öffentlichen Hand, wie schon das Wort sagt, die tatsächlich aufgelaufenen Verteidigungskosten nicht vollständig abdeckt, sodaß den Beschuldigten trotz des Freispruchs eine aus der Verfahrensführung resultierende, mitunter recht erhebliche finanzielle Belastung trifft. Ich glaube nicht, daß in der gegebenen budgetären Situation eine wesentliche Entlastung dieses Zustandes in nächster Zeit herbeigeführt werden kann.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht?

Bundesrat Ferdinand Gstöttner: Nein, danke.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen damit zum Aufruf der 8. Anfrage, 774/M, des Herrn Bundesrates Professor Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich ersuche den Herrn Kollegen um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Peter Böhm: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

774/M-BR/97

Wie beurteilen Sie die Aussichten, daß der in Ihrem Ressort längst erstellte Entwurf eines Umwelthaftungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode dem Parlament als Regierungsvorlage präsentiert werden kann?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Bundesrat! Der im Jahr 1993 fertiggestellte Entwurf meines Ressorts für ein Umwelthaftungsgesetz konnte der Bundesregierung letztlich auch im Hinblick auf die Aussichtslosigkeit der dortigen Beschlußfassung nicht vorgelegt


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werden, dies vor allem deshalb, weil es im Hinblick auf die damals gerade angelaufenen Regelungsbestrebungen der Europäischen Union auf diesem Gebiet für zweckmäßig erachtet wurde, das Ergebnis dieser gemeinschaftlichen Überlegungen abzuwarten. Die genannten Arbeiten auf der Ebene der Europäischen Union sind noch nicht abgeschlossen. Daher sind die Aussichten, daß der Entwurf eines Umwelthaftungsgesetzes noch in dieser Legislaturperiode dem Parlament als Regierungsvorlage vorgelegt werden kann, sicherlich skeptisch zu beurteilen. Der Entwurf bildet aber eine substantielle Grundlage für andere Reformarbeiten im Bereiche des Gefährdungshaftungsrechtes, und daher war es uns auch möglich, sehr rasch im Rahmen der Aktivitäten betreffend Gentechnik die Überlegungen für ein eigenes Gentechnikhaftungsrecht aufzugreifen. Unsere Vorarbeiten bieten durchaus auch Grundlage für eine Überarbeitung des Atomhaftungsrechtes.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm: Meine Zusatzfrage bezieht sich auf die Gentechnik. Sehen Sie, Herr Bundesminister, nicht eine gewisse Gefahr darin, daß durch die geplante vorgezogene Spezialregelung der Haftung in einem Teilbereich der Gentechnik die umfassende Gesamtregelung nicht noch weiter verzögert wird?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Sicher war das Kalkül des Bundesgesetzgebers, beim Gentechnikgesetz keine isolierte Haftungsbestimmung – ich meine, es war keine Lücke, wie in den Zeitungen behauptet wird – vorzunehmen, das, daß die Gefahr einer Abkoppelung entsteht. Trotzdem glaube ich, daß es in der jetzigen Situation im Hinblick auf die schleppende Entwicklung im Rahmen der Europäischen Union, was das Umwelthaftungsrecht anlangt – dort stehen sich die beiden Pole, die Sie ja kennen, gegenüber –, angebracht erscheint, den auch von der öffentlichen Meinung stark getragenen Bereich Gentechnikhaftung sozusagen als Sprungbrett für eine Neuregelung in diesem Bereich zu benützen, um dann vielleicht doch, europäische Einigung hin oder her, in einem weiteren Schritt anknüpfend an die Gentechnikhaftung auch zu Fortschritten in der Umwelthaftung zu kommen.

Grundsätzlich muß man schon sagen, daß Umwelthaftungsfragen in der Regel sehr tief in die Wettbewerbssituation eingreifen und daß unterschiedliche Regime in den einzelnen Ländern, vor allem Nachbarländern, zu Wettbewerbsvorteilen und damit auch Standortvorteilen führen können, die gerade in der heutigen Zeit von der Wirtschaftspolitik nur sehr schwer in Kauf genommen würden. Ich meine, wir müssen daher weiter versuchen, ein internationales Instrument zu erhalten, um einen gewissen Gleichklang herbeizuführen. Wir hatten die Hoffnung, daß die Europaratskonvention, die Lugano-Konvention, das Instrument ist. Sie kam unter maßgeblicher Beteiligung der österreichischen Unterhändler zustande. Es hat sich allerdings gezeigt, daß das Ergebnis in nur sehr geringem Umfang angenommen wurde, obwohl die Konvention zunächst einmal auf große Zustimmung im Europarat gestoßen ist, und daß nur sehr wenige Länder eine Unterzeichnung vorgenommen haben. Ich glaube, eine Ratifizierung kann man momentan vergessen. Ich meine, unsere Bemühungen müssen weiter auf der internationalen Ebene liegen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Peter Böhm: Herr Bundesminister! Beabsichtigen Sie eine Neuordnung der Atomhaftpflicht in eine solche Richtung, die unsere Position glaubwürdig erscheinen läßt, daß wir die allzu betreiberfreundlichen Grundsätze der internationalen Haftungskonventionen von Paris und Brüssel beziehungsweise von Wien klar ablehnen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Auch mit dem Problem der Atomhaftpflicht haben wir uns in den letzten Jahren immer wieder befaßt. Im nationalen Bereich habe ich einmal dem Ministerrat einen umfangreichen Bericht erstattet, um eine Regierungslinie zu versuchen. Wir haben uns aber auch mit der internationalen Entwicklung befaßt.


Bundesrat
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Als einen ersten Schritt zur Reform des Atomhaftpflichtrechtes nehme ich in Aussicht, im Rahmen der anstehenden Wertgrenzennovelle die seit dem Jahre 1976 nicht mehr veränderten Haftungsgrenzen des geltenden Atomhaftpflichtgesetzes anzuheben. Darüber hinaus werden wir unter Bedachtnahme auf die internationale Entwicklung, insbesondere im Rahmen der IAEO, die vor kurzem Grundsatzbeschlüsse gefaßt hat, eine umfassendere Neuordnung dieses Rechtsbereiches in Angriff nehmen. Gedacht ist dabei insbesondere auch an eine Beseitigung der Haftungshöchstgrenzen. Für den Bereich der Haftung für den Umgang mit Radionukleiden wird ebenfalls eine Verbesserung zugunsten der potentiell Geschädigten angestrebt. Nach Maßgabe der vorhandenen personellen Kapazitäten möchte ich bis Ende dieses Jahres in diesem Bereich zu einem Diskussionsentwurf kommen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zum Aufruf der 9. Anfrage, 770/M, des Herrn Bundesrates Dr. Milan Linzer (ÖVP, Burgenland) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich ersuche Herrn Bundesrat Dr. Linzer höflich um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Dr. Milan Linzer: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Meine Frage lautet:

770/M-BR/97

Welche Maßnahmen setzen Sie zur Umsetzung des Suchtmittelgesetzes?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Das am 1. Jänner nächsten Jahres in Kraft tretende Suchtmittelgesetz übernimmt mit Modifikationen das bereits durch das Suchtgiftgesetz eingeführte und erprobte Instrumentarium, also vor allem den Bereich des Konzeptes "Therapie statt Strafe", und überträgt die Grundgedanken der bestehenden Rechtslage auch auf die nunmehr neu erfaßten psychotropen Substanzen. Die wichtigsten Vorbereitungsarbeiten zur Umsetzung der Neuregelung haben im Bereich des früher zuständigen Gesundheitsressorts zu geschehen, wo insbesondere Durchführungsverordnungen in allen drei vom Suchtmittelgesetz erfaßten Bereichen – Suchtgifte, psychotrope Substanzen, Vorläuferstoffe – zu erlassen sein werden.

Die Arbeiten zur Schaffung dieser Verordnung sind derzeit bereits voll im Gange. Auch unser Ministerium ist daran aktiv beteiligt. Auch die Bundesländer sind maßgeblich eingebunden, um in der Folge die neuen rechtlichen Grundlagen konsensual und – sie sind ja die zuständigen Behörden – praxisorientiert umsetzen zu können. Mit der Erlassung der Verordnungen ist nach meinem Wissensstand rechtzeitig vor dem Jahreswechsel zu rechnen, sodaß diese dann gemeinsam mit dem Suchtmittelgesetz in Kraft treten können.

Von uns wird ein umfangreicher Einführungserlaß vorbereitet, der das neue Gesetz, aber auch die in Ausführung dazu ergehenden Verordnungen vorstellen soll und insbesondere jenen Richtern und Staatsanwälten die natürlich die Richter nicht bindenden Verhaltensweisen und Hinweise geben soll. Auch diese Arbeiten werden wir im Spätherbst abschließen, sodaß noch Zeit für Schulungen der Richter, Staatsanwälte, Exekutivbeamten, Drogenmitarbeiter und so weiter in Seminaren und Einführungsveranstaltungen sein wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Milan Linzer: Herr Minister! In welcher Höhe sollen im Vergleich zur Judikatur die sogenannten Grenzmengen festgelegt werden?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Da möchte ich dem Sachverständigenrat, der ein Gutachten erstatten soll, das dann Grundlage für die verordnungsmäßige Festsetzung sein soll, nicht vorgreifen. Hier wird sicher bis zum Herbst eine Klärung gegeben sein. Sie


Bundesrat
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wissen, daß das keine autonome Vollzugsfestsetzung durch Gesundheits- und Justizministerium sein wird, sondern daß da auch eine Einbindung des Parlaments erfolgen wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Danke.

Hoher Bundesrat! Wir kommen zum Aufruf der 10. Anfrage, 764/M, an den Herrn Bundesminister für Justiz durch Frau Bundesrätin Hedda Kainz (SPÖ, Oberösterreich). Ich darf die Frau Bundesrätin um die Verlesung ihrer Anfrage ersuchen.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte Sie fragen:

764/M-BR/97

Welche Auswirkungen erwarten Sie von der geplanten Einführung von weiteren Maßnahmen der Diversion, insbesondere unter Berücksichtigung der bisher gemachten Erfahrungen mit dem Außergerichtlichen Tatausgleich für Erwachsene?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Bundesrätin! Von der geplanten Einführung weiterer Möglichkeiten der Diversion im Strafrecht erwarte ich mir vor allem die verstärkte Einbeziehung der durch Straftaten verletzten Personen, also der Opfer, in das Strafverfahren und überdies die Betonung des Aspektes der ideellen und materiellen Wiedergutmachung beim strafrechtlichen Rechtsgüterschutz.

Darüber hinaus erwarte ich mir eine Vereinfachung der Verfahren bei der Bearbeitung im unteren Kriminalitätsbereich und damit eine Entlastung gewisser Teile der Justiz, deren Ressourcen infolgedessen vermehrt gegen schwerere Formen der Kriminalität – insbesondere gegen organisierte Kriminalität – eingesetzt werden können. Bei Massendelikten im Bagatellbereich – wie etwa bei Ladendiebstahl oder Verkehrsunfällen mit leichten Verletzungsfolgen –, die heute in bezug auf ihren sozialen Störwert einen vielleicht unverhältnismäßigen Aufwand der Strafverfolgungsbehörden hervorrufen, soll versucht werden, sich durch ein primär von den Staatsanwaltschaften wahrzunehmendes Bußgeldsystem ein gerichtliches Tätigwerden zu ersparen.

Weiters erwarte ich mir die Vermeidung unnötiger Stigmatisierung und Entsozialisierung bisher unbescholtener Straftäter, ohne daß auf Normbestätigung und präventive Erfordernisse verzichtet würde.

Ich erwarte mir auch, daß die Strafverfolgungsbehörden auf den individuellen Fall abgestimmte Maßnahmen ergreifen, mit denen erfolgreicher eingewirkt werden kann, wie etwa Auflagen über Verkehrserziehungskurse, Antiaggressionstrainings, gemeinnützige Leistungen et cetera.

Ich möchte auch sagen, daß ich mir von den erweiterten diversionellen Möglichkeiten jedenfalls keinen negativen Einfluß auf die Kriminalitätsentwicklung erwarte. Im Gegenteil, wissenschaftliche Untersuchungen belegen in weiten Bereichen eine Austauschbarkeit der Sanktionen bei gleichbleibender Kriminalitätsentwicklung. Höhere Strafen führen, wie Sie wissen, nicht unbedingt zu einer Rückfallminderung, mildere aber auch nicht zu einer vermehrten Delinquenz.

Ich glaube, daß ein zielgerichtetes Ansetzen derart, wie es in der Diversion vorgesehen ist, sogar eine verbesserte Situation hinsichtlich der Rückfallstätigkeit und -geneigtheit mit sich bringen wird.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Hedda Kainz: Herr Bundesminister! Können Sie schon abschätzen, welche Auswirkungen im finanziellen Bereich sich gegenüber dem konventionellen Strafvollzug daraus ergeben werden?


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 24

Präsident Dr. DDr. h. c. Schambeck:
Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Um es kurz zu sagen: Das kann nicht kostenlos geschehen. Sicherlich wird es im gerichtlichen Bereich Einsparungen geben, hingegen werden für den staatsanwaltschaftlichen Bereich und für die Konfliktvermittler – insbesondere die Bewährungshilfe – zusätzliche Kosten entstehen. Insgesamt sollte aber vor allem durch das vorgesehene Bußgeldsystem ein Ausgleich für die in diesem Bereich erwachsenden Mehrkosten erreicht werden.


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 25

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Wir kommen zum Aufruf der 11. Anfrage, 771/M, des Herrn Bundesrates Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich darf Herrn Bundesrat Dr. Kaufmann höflich um die Verlesung seiner Anfrage ersuchen.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich möchte Sie fragen:

771/M-BR/97

Was sind die Schwerpunkte der geplanten Urheberrechts-Novelle?


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 26

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck:
Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Der Schwerpunkt ist die Umsetzung der EG-Richtlinie 96/9 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken.

Diese Richtlinie enthält zunächst einige Bestimmungen über den urheberrechtlichen Schutz von Datenbanken als Sammelwerk, die eine Anpassung des Urheberrechtsgesetzes erfordern. Dies ist Gegenstand einer zur Begutachtung versendeten Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997.

Der Schwerpunkt der genannten Richtlinie liegt aber auf der Einführung eines neuen Sonderrechtsschutzes für Datenbanken. Seiner Natur nach ist dieses Recht – jedenfalls im Verständnis der österreichischen Rechtsordnung – als ein dem Urheberrecht verwandtes Schutzrecht zu qualifizieren. Dies ergibt sich bereits aus der inhaltlichen Gestaltung des Rechts. Es handelt sich nämlich um zeitlich beschränkte, ausschließliche Verwertungsrechte. Die Schutzgewährung erfolgt formlos. Die Verwandtschaft zeigt sich auch an der Art des Schutzgegenstandes, zumal Datenbanken unter bestimmten Voraussetzungen auch urheberrechtlich geschützt werden.

Unter dem Aspekt der rechtspolitischen Rechtfertigung des Sonderrechtsschutzes ist der Hersteller einer Datenbank am ehesten mit dem Hersteller von Schallträgern zu vergleichen, der nach § 76 Urheberrechtsgesetz Schutz genießt. Da wie dort geht es um den Schutz einer in erster Linie wirtschaftlich organisierten Leistung, deren Früchte demjenigen, der die Leistung mit erheblichen Aufwand erbracht hat, vorbehalten werden sollen.

Zur Umsetzung dieses Sonderrechtsschutzes haben wir ein eigenes Gesetz – und nicht eine Novelle zum Urheberrechtsgesetz – über das Datenbankrecht vorgeschlagen und gleichzeitig mit der Urheberrechtsgesetz-Novelle 1997 zur Begutachtung versendet.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Herr Bundesminister! Im vergangenen Jahr wurde § 16b im Urheberrechtsgesetz eingeführt, der zu einer nicht unbeträchtlichen Verschlechterung für die Museen in puncto Ausstellungsrecht geführt hat. In § 16b ist vorgesehen, daß für Werkstücke von bildenden Künstlern, die zu Erwerbszwecken ausgestellt werden, ein Entgelt zu bezahlen ist. Das bedeutet, daß ungefähr 14 Prozent der Eintrittspreise von Museen an die AKM gezahlt werden müssen. Darüber gibt es jedoch Auffassungsunterschiede.

Herr Bundesminister! Meine Frage an Sie lautet daher: Ist geplant, diesen § 16b oder überhaupt das Ausstellungsrecht zu ändern?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Derzeit ist das nicht geplant. Ich bin der Meinung, daß die Politik, die in diesem Fall betrieben wird, nicht den Wünschen und Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht, und ich meine weiters, daß man die Freiheit von der Ausstellungsabgabe einmal prozessual durchfechten müßte. Derzeit sieht es auch danach aus, daß man mangels gütlicher Einigung den Rechtsweg beschreiten wird.

Sollte wider mein Erwarten und wider das Erwarten aller, die dazu bisher Rechtsgutachten abgegeben haben, vor allem die Ausnahme der öffentlichen Aussteller durch die Rechtsprechung in Frage gestellt werden, dann wird man sich etwas einfallen lassen müssen. Aber ich glaube, daß dies eher in Richtung einer Klarstellung in diesem Bereich gehen müßte und nicht in Richtung einer totalen Revision dessen, was das Parlament voriges Jahr beschlossen hat.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann: Gibt es darüber bereits anhängige Verfahren?

Präsident Dr. DDr. h. c. Schambeck: Bitte, Herr Minister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Ob schon Verfahren anhängig gemacht wurden oder ob man sich noch im Stadium von intensiveren Vorgesprächen befindet, weiß ich jetzt nicht. Aber das kann man kurzfristig feststellen, da alle Akteure bekannte Personen sind. Man kann das erheben.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir kommen nunmehr zum Aufruf der 12. Anfrage, 765/M, des Herrn Bundesrates Johann Payer (SPÖ, Burgenland) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich bitte den Herrn Anfragesteller höflich um die Verlesung der Anfrage.

Bundesrat Johann Payer: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

765/M-BR/97

Wie beurteilen Sie die grundrechtliche Absicherung der neuen Ermittlungsmethoden zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität nach gegenwärtigem Verhandlungsstand?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Bundesrat! Ich darf an die eingangs erwähnten Details anschließen. Nach meinem Dafürhalten ist dem Bemühen, bei aller Effizienzsteigerung im Verfolgungsbereich die Eingriffe im Bereich der Grundrechte so gering wie möglich zu halten und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zum Durchbruch zu verhelfen, in außerordentlich beachtlicher Weise Rechnung getragen worden.

Unsere Regierungsvorlage hat in internationalen Fachkreisen höchste Anerkennung gefunden. Mit den gegenüber der Regierungsvorlage zusätzlich eingeführten Absicherungsmomenten – um sie nochmals schlagwortartig aufzuzählen: Rechtsschutzbeauftragter, Berichtspflichten, Eingriffsschwellen, Ausweitung der Mißbrauchsvorbeugemaßnahmen – wird sich die Einschätzung unserer Rechtslage auch im internationalen Vergleich weiter verbessern.

Sie wissen, daß das Justizressort nie ein Vorkämpfer oder Fahnenträger dieser Methoden war. Aber wir haben uns von Anfang an der Forderung nicht verschließen können, daß es für neue Formen schwerer Kriminalität – insbesondere international organisierter Kriminalität – anderer, modernerer Formen der Ermittlungsmethoden bedarf und man nicht von vornherein zu allem nein sagen kann. Unser Schwergewicht lag darauf, die Grundrechtssphäre möglichst zu erhalten und unbedingt notwendige Grundrechtseingriffe an streng geregelte Voraussetzungen und an ein streng kontrolliertes Verfahren zu binden sowie Mißbräuche der Ergebnisse möglichst hintanzuhalten.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Wir kommen zum Aufruf der 13. Anfrage, 775/M, der Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich darf die Frau Anfragestellerin höflich bitten, die Anfrage zu verlesen.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer: Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

775/M-BR/97

Wie weit sind die Vorbereitungen für die umfassende Verbesserung der Rechtsstellung von Verbrechensopfern bisher gediehen, die Sie schon 1994 angekündigt haben?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Bundesrätin! Ich bekenne mich zu dem Grundsatz, daß es Aufgabe einer modernen Strafrechtspflege ist, nicht nur die Rechtsbrecher zu verfolgen und zu bestrafen, sondern auch möglichst wirksame Hilfe für die Opfer von Straftaten zu gewährleisten. Daher ist das Bundesministerium für Justiz bestrebt, im Rahmen der Reform des strafprozessualen Vorverfahrens die Rechtsstellung der durch eine strafbare Handlung verletzten Personen – also der Opfer – aufzuwerten und von der Geltendmachung eines materiellen Schadenersatzanspruches zu lösen.

Nach unseren derzeitigen Überlegungen soll das Opfer die Stellung einer Verfahrenspartei beanspruchen können und daher nicht nur einen Informations- und Belehrungsanspruch, sondern auch weitere Verfahrensrechte – wie Akteneinsicht, Beweisantragsrecht et cetera – haben. Im Sinne des Arbeitsprogramms meines Ressorts für die laufende XX. Legislaturperiode sollen die Arbeiten an einem Gesetzentwurf zur Neugestaltung des strafprozessualen Vorverfahrens Anfang nächsten Jahres beendet sein.

Aufgrund der vorhandenen schmalen Ressourcen haben wir uns mehrere Schwerpunkte nacheinander zur Aufgabe gemacht. Ich habe sie bereits erwähnt: Das eine sind die Ermittlungsmethoden, deren Einführung sich länger als vermutet hingezogen hat. Das zweite ist die Vorbereitung der Diversion, die im letzten Halbjahr stattgefunden hat. Im nächsten Halbjahr sollen die Vorarbeiten für einen Begutachtungsentwurf zum Vorverfahren fertiggestellt werden.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer: Ist im Rahmen dieser Änderungen auch geplant, die Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren zum Normalfall zu machen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Darf ich um Wiederholung des zweiten Teiles Ihrer Frage bitten?

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer: Ist geplant, die Miterledigung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren zum Normalfall zu machen?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Frau Bundesrätin! Das Bemühen ist gegeben, diese Miterledigung jedenfalls häufiger zur Anwendung zu bringen, als es bisher geschieht.

Ich glaube, daß eine gewisse Animation in diese Richtung auch infolge der seit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1997 notwendigen Auseinandersetzung mit der Frage der Abschöpfung der Bereicherung gegeben ist. Das Gericht muß sich – zumindest in schwereren Fällen – stets Gedanken machen, wie die Sachlage in dieser Hinsicht aussieht. Wenn es diese Überlegungen anstellt, ist zu erwarten, daß weitergehende Überlegungen – zumindest in umfangreicherem Aus


Bundesrat
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maß als bisher, wenn auch nicht endgültig – auch hinsichtlich der zivilrechtlichen Ansprüche angestellt werden.

Es ist richtig, daß es Bemühungen geben muß, die Häufigkeit und das Ausmaß zu verstärken.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine zweite Zusatzfrage gewünscht? – Nein.

Wir kommen zum Aufruf der 14. Anfrage, 772/M, des Herrn Bundesrates Anton Hüttmayr (ÖVP, Oberösterreich) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich darf den Herrn Bundesrat um die Verlesung der Anfrage bitten.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine Frage lautet:

772/M-BR/97

Wie haben sich die Häftlingszahlen entwickelt?

Präsident Dr. DDr. h. c. Schambeck: Herr Minister, bitte.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Herr Bundesrat! Dazu könnte ich Ihnen umfangreiche statistische Unterlagen übergeben und den Damen und Herren des Bundesrates schriftlich detaillierte Angaben über die langfristige Entwicklung zukommen lassen. Von der Tendenz her muß man sagen, daß es in der Entwicklung während der letzten Jahre insgesamt zu einer Konsolidierung gekommen ist.

Es hat eine gewisse Verschiebung im Untersuchungshaft- und -häftlingsbereich stattgefunden. Die Reform des Untersuchungshaftsrechtes hat gegriffen, es ist zu einer beträchtlichen Verringerung der Anzahl von Untersuchungshaftfällen und -dauern gekommen. Dies hat sich weiters auf den durchschnittlichen täglichen Häftlingsstand ausgewirkt. Erst in allerletzter Zeit ist wieder ein leises Ansteigen der Anzahl der Untersuchungshaftfälle zu verzeichnen. Dem steht aber ein kontinuierliches weiteres Zurückgehen der Untersuchungshaftdauer gegenüber, sodaß insgesamt die durchschnittliche U-Haftdauer kürzer geworden ist.

Insgesamt gibt es keine signifikanten Veränderungen und nur zuletzt ein leises Ansteigen der Häftlingszahlen. Statistisch gesehen ist der Vergleich mit den Vorjahren allerdings nicht ganz exakt. Ich bitte Sie zu bedenken, daß im Jahr 1995 die große Amnestie aus Anlaß des 50jährigen Bestehens der Zweiten Republik und 1996 aus Anlaß des Millenniums eine außerordentliche Weihnachtsamnestie stattfanden. Dadurch kam es nicht nur zu Veränderungen hinsichtlich der bestehenden Häftlingszahlen, sondern es wurden ausnahmsweise auch "Kurzstrafige" erfaßt, die ihre Haft noch nicht angetreten hatten. Daher ist zu sagen, daß die statistischen Aussagen über Häftlinge in den Jahren 1995 und 1996 mit dem langjährigen Durchschnitt nicht ganz vergleichbar sind, sondern man die Besonderheiten dieser beiden Jahre berücksichtigen muß.

Wenn ich die Entwicklung im heurigen ersten Halbjahr bis Ende Mai Revue passieren lasse, stelle ich auch gegenüber den bereinigten Zahlen für 1995 und 1996 insgesamt ein leises Ansteigen fest.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Ich nehme an, daß sich diese Zahlen auch auf die Personalsituation auswirken. Daher lautet meine Zusatzfrage: Welche personellen Maßnahmen sind aufgrund dessen im Bereich des Strafvollzugs notwendig?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Das geschieht nicht unbedingt wegen der Häftlingszahlen, sondern in allgemeiner Hinsicht, weil wir die einstimmig beschlossene Strafvoll


Bundesrat
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zugsgesetz-Novelle, die einen wesentlichen Schwerpunkt auf den Betreuungsbereich legt, zumindest sukzessive durchsetzen wollen. Deshalb wird eine gewisse personelle Sicherstellung der damals einstimmig beschlossenen Überlegungen notwendig sein.

In der Frage der Personalstärke im Vollzugsbereich hat sich in den letzten Jahren die allgemeine Tendenz der – Hoher Bundesrat, das Fernsehen ist abgeschaltet – Rasenmähermethode nicht durchgesetzt. Im Gegenteil, wir haben im Justizbereich insgesamt nicht nur den Personalstand halten können, sondern durch Verschiebungen innerhalb der Justiz Kapazitäten aus dem nichtrichterlichen Personalstand in den Vollzugsbereich hinüberführen können.

Das Problem ist heute nicht so sehr die Anzahl der Planstellen, sondern das Problem ist die budgetäre, die finanzielle Bedeckung der Personalkostenerfordernisse. Das betrifft insbesondere den Mehrdienstleistungsbereich: Gerade der Vollzug ist wegen nicht vorhersehbarer Ereignisse sehr anfällig für Mehrdienstleistungen. Die Einsparungen haben dazu geführt, daß wir nicht alle uns zugebilligten zusätzlichen Planstellen besetzen konnten. Die Besetzung ist jetzt sukzessive im Gange, nach bisherigen Zusicherungen der zuständigen Regierungsstellen bin ich guten Mutes, daß wir heuer die möglichen Mehraufnahmen tatsächlich durchführen können und in den nächsten Jahren – trotz Einfrierens des Beschäftigtenstandes im Justizbereich auf dem Niveau von 1996 – durch weitere kleinere Verschiebungen den Vollzugsbereich aufstocken können.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird noch eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Anton Hüttmayr: Herr Bundesminister! Sie haben von Planstellen gesprochen. Gibt es die Möglichkeit einer Übernahme von Zollwachebediensteten in den Bereich der Justizwache?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Es hat schon bisher vereinzelt Übertritte gegeben, und es wird in jedem Einzelfall notwendig sein zu prüfen, welche Voraussetzungen Zollwachebedienstete mitbringen. Die Spezialausbildung im Justizwachdienst ist so spezifisch, daß sie weitgehend unverzichtbar ist. Aber es hat bisher immer wieder Übertritte aus der Zollwache in die Justizwache gegeben, insbesondere im Westen Österreichs.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zum Aufruf der 15. und letzten Anfrage, 766/M, des Herrn Bundesrates Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien) an den Herrn Bundesminister für Justiz. Ich ersuche den Herrn Anfragesteller höflich um die Verlesung seiner Anfrage.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Für das Insolvenzrechtsänderungsgesetz gab es einen Ministerialentwurf, und jetzt gibt es dafür eine Regierungsvorlage. Daher frage ich Sie konkret:

766/M-BR/97

Halten Sie das geplante Insolvenzrechtsänderungsgesetz für einen ausreichenden Beitrag zur umfassenden Insolvenzprophylaxe?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Die Insolvenzprophylaxe umfaßt selbstverständlich einen weit größeren Bereich, als ihn die Justiz abdecken kann. Es wäre blauäugig zu glauben, daß ein – wenn auch noch so gutes – Insolvenzrecht ausreichen könnte, dort Prophylaxe zu betreiben, wo andere Bereiche wie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die wirtschaftliche Entwicklung, Managementfähigkeiten et cetera angesprochen sind.

Aber insofern die Justizgesetzgebung und der Vollzug Prophylaxe betreiben können, halte ich das geplante Insolvenzrechtsänderungsgesetz in vielfacher Hinsicht für einen Quantensprung,


Bundesrat
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sowohl im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Regelungen als auch im Rechnungslegungsbereich sowie im Bereich des von uns geplanten Unternehmensreorganisationsverfahrens.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

Bundesrat Josef Rauchenberger: Derzeit gehen im Konkursfall viele Arbeitsplätze vor allem wegen zu enger Rahmenbedingungen in der Konkursordnung verloren, selbst wenn die Voraussetzungen der Betriebsfortführung gegeben wären.

Ich frage Sie daher: Ist durch das neue Insolvenzrechtsänderungsgesetz sichergestellt, daß die vorgesehenen Vorbeugemaßnahmen ausreichen, um Insolvenzen von Anfang an zu verhindern beziehungsweise – sofern es trotzdem zur Insolvenz kommt – den Schaden für Arbeitnehmer und Zulieferer so gering wie möglich zu halten?

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Bitte, Herr Bundesminister.

Bundesminister für Justiz Dr. Nikolaus Michalek: Das neue Insolvenzrechtsänderungsgesetz stellt jedenfalls einen bedeutenden Beitrag zur Insolvenzverhinderung dar. Im Rahmen des Vorgesehenen muß es möglich sein, sowohl auf der Prophylaxeseite eine maßgebliche Verbesserung zu erzielen als auch zweitens, wenn eine materielle Insolvenz unabweislich gegeben ist und ein Insolvenzverfahren durchgeführt werden muß, Unternehmen in verstärktem Maße die Möglichkeit zu geben, tatsächlich fortgeführt zu werden, wenn die Voraussetzungen dafür erfüllt werden.

Dafür gibt es eine Fülle von Maßnahmen im Rahmen des Unternehmensreorganisationsverfahrens, das auf dem völlig neuen Denkansatz beruht, bereits einzugreifen, wenn eine Schieflage gegeben und bevor es noch zur materiellen Insolvenz gekommen ist, und es gibt auch Maßnahmen im Rahmen des Konkursverfahrens, mit dessen Hilfe die Fortführung des Unternehmens begünstigt werden soll. Wir wollen auch darauf hinwirken, daß das Parlament besondere Maßnahmen beschließt, um das Ausgleichsverfahren wieder attraktiver zu machen. Sie kennen unsere Bemühungen, die Automatik in den Griff zu bekommen, die heute mit dem Eröffnen des Ausgleichsverfahrens, insbesondere mit der Beendigung von Dauerschuldverhältnissen, in vielen Bereichen in Gang gesetzt wird. Das Ausgleichsverfahren selbst soll wieder attraktiver werden.

Insgesamt soll sowohl durch die Prophylaxe als auch durch die verbesserten Möglichkeiten der Fortführung von Unternehmen, sofern diese aufgrund der wirtschaftlichen Situation gerechtfertigt ist, die Unternehmensbestandssicherung in größerem Umfang ermöglicht werden. Das hätte nicht nur für die Belegschaft und die Eigentümer, sondern auch für die Gläubiger günstige Auswirkungen.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wird eine weitere Zusatzfrage gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Einlauf und Zuweisungen

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Eingelangt sind fünf Anfragebeantwortungen, die den Anfragestellern übermittelt wurden. Die Anfragebeantwortungen wurden vervielfältigt und auch an alle übrigen Mitglieder des Bundesrates verteilt.

Eingelangt sind ferner die Berichte 26280 bis 27173-EU über Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gemäß Artikel 23e des Bundes-Verfassungsgesetzes. Diese Berichte habe ich dem EU-Ausschuß zugewiesen.

In Anbetracht des Umfanges habe ich gemäß § 18 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates nach Rücksprache mit der Frau Vizepräsidentin und dem Herrn Vizepräsidenten angeordnet, daß eine Vervielfältigung und Verteilung zu unterbleiben hat, alle Vorlagen jedoch in der Parlamentsdirektion zur Einsicht aufliegen.


Bundesrat
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Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind.

Ich habe diese Beschlüsse den in Betracht kommenden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen darüber sowie über den bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage des Tourismus und der Freizeitwirtschaft in Österreich 1995 sowie den ebenfalls zu einem früheren Zeitpunkt eingelangten und zugewiesenen Beschluß des Nationalrates betreffend Saatgutgesetz 1997 abgeschlossen und schriftliche Ausschußberichte erstattet.

Absehen von der 24stündigen Aufliegefrist

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Im Hinblick auf diese Berichte sowie mit Rücksicht auf einen mir zugekommenen Vorschlag, von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte für die Tagesordnungspunkte 16 und 17 Abstand zu nehmen, habe ich alle diese Vorlagen sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie der zwei Schriftführer und der drei Ordner für das 2. Halbjahr 1997 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Abstandnahme von der 24stündigen Aufliegefrist der Ausschußberichte hinsichtlich der Tagesordnungspunkte 16 und 17 einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit .

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates erforderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen .

Behandlung der Tagesordnung

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 2 bis 6, 12 und 13, 14 und 15 sowie 16 und 17 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen ein Einwand erhoben? – Das ist nicht der Fall. Wir werden daher in diesem Sinne vorgehen.

Schlußansprache des Präsidenten

10.30

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hoher Bundesrat! Herr Landeshauptmann! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heutigen Sitzung des Bundesrates endet die Vorsitzführung des Landes Niederösterreich im Bundesrat, die ich als erstgereihter Bundesrat Niederösterreichs im ersten Halbjahr 1997 wahrzunehmen die Ehre hatte.

Im Hinblick auf das Ende dieser meiner Präsidentschaft und die freiwillige Niederlegung meines Mandats mit Ende dieses Monats erlaube ich mir, das Wort zu ergreifen, um zu danken und rückzublicken.

Dabei freut es mich, dies heute in Anwesenheit des ersten Repräsentanten jenes Bundeslandes tun zu können, das mich seit 1969 sechs Mal in den Bundesrat entsandt hat, nämlich in Anwesenheit des Herrn Landeshauptmannes von Niederösterreich Dipl.- Ing. Dr. Erwin Pröll.

Ich danke ihm und seinen Vorgängern Andreas Maurer und Siegfried Ludwig sowie den niederösterreichischen Landtagen dieser sechs Legislaturperioden für das mir geschenkte Vertrauen, was mich auch drei Mal zur Vorsitzführung in unserer Länderkammer, nämlich in den Jahren 1988, 1992 und 1997 berufen hat und mir die Möglichkeit geboten hat, vor fünf Jahren, im Juli 1992, anläßlich der Angelobung des Herrn Bundespräsidenten Dr. Thomas Klestil, den Vorsitz in der Bundesversammlung auszuüben.


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Dank sagen möchte ich auch dem Bundesrat selbst, der mich außerhalb der Zeit meiner drei Präsidentschaften von 1975 bis 1996, also 41 Mal, davon 39 Mal einstimmig und zweimal mit überwältigender Mehrheit bis 1988 als stellvertretenden Vorsitzenden und seit der Veränderung der Funktionsbezeichnung derselben Aufgabe als Vizepräsident des Bundesrates gewählt hat.

Ich freue mich, diesen Dank auch in Anwesenheit von ehemaligen Kollegen des Bundesrates aussprechen zu können, wie Herrn Vizepräsidenten Walter Strutzenberger und der früheren Bundesräte Mag. Alexander Haas, Dr. Peter Kapral, Ing. Georg Leberbauer und Dr. Karl Pisec.

Hoher Bundesrat! Dieses Ihr Vertrauen war mir immer eine Verpflichtung, zum einen als Präsident oder Vizepräsident für alle Mitglieder des Bundesrates da zu sein und andererseits als Fraktionsobmann meiner politischen Gesinnungsgemeinschaft, der Österreichischen Volkspartei, zur Verfügung zu stehen.

Das Volk, dem wir alle in den Bundesländern verpflichtet sind, fragt weniger, woher einer kommt, sondern vielmehr, was von ihm erwartet werden kann und was er für den Nächsten zu tun bereit ist.

Ich bin dankbar, ein Bundesland hier vertreten zu haben, das Agrarland Nummer 1 geblieben und Industrieland Nummer 1 geworden ist und bei sichtbarer Wahrung seiner in allen Vierteln erlebbaren Tradition imstande war, mit der Schaffung eines neuen Landhauses in der durch Volksabstimmung gewählten neuen Landeshauptstadt in St. Pölten einen sichtbaren Schritt in die Zukunft zu setzen, der auch mit einer vierfachen Regionalförderung verbunden war und ist.

Persönlich danke ich für die ehrende Einladung, am Beginn der ersten Sitzung des Niederösterreichischen Landtages in St. Pölten am 21. Mai 1997 eine der Festreden zu halten.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang aber auch besonders betonen: Diese Verbundenheit von Bundes- und Landespolitik sollte auch in der Zukunft zum Tragen kommen, vielleicht noch mehr als bisher, damit das verfassungspolitische Wollen der Landeshauptleute für die Landesregierung und das Bundesland, der Landtagspräsidenten für die Landtage und des Bundesrates im Rahmen der Bundesgesetzgebung noch besser als bisher aufeinander abgestimmt werden kann. Es wäre daher begrüßenswert, wenn auch in Erfüllung des Perchtoldsdorfer Abkommens wie angekündigt im Herbst dieses Jahres die längst fällige Bundesstaatsreform, verbunden mit dem weiteren Schritt einer Bundesratsreform, gesetzt werden kann. Wertvolle Vorarbeiten sind hiezu geleistet worden, etwa zu einer EU-gerechten zeitgemäßen neuen Kompetenzverteilung, weiters zur Abschaffung der mittelbaren Bundesverwaltung und zur Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Länder.

Dem Bundesrat wünsche ich vor allem eine Erweiterung seines Zustimmungsrechtes auf alle Gesetze, die mit finanziellen Belastungen der Länder verbunden sind, sowie auf den Finanzausgleich, weiters eine Mitwirkungsmöglichkeit am Beginn der Bundesgesetzgebung in Form eines Stellungnahmerechtes zu Nationalratsvorlagen und für Fälle des Einspruchs gegen Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates, mit diesem gemeinsam einen Vermittlungsausschuß zu bilden.

Dem Bundesratspräsidium würde ich wünschen, wenn die Möglichkeit bestünde, aufgrund eines langjährigen Vorschlages, zwar nicht mit Stimme, aber mit Sitz an der Landeshauptleutekonferenz und an der der Landtagspräsidenten teilzunehmen, damit noch mehr als bisher die Abstimmung unseres föderalistischen Wollens möglich ist.

Zu meinen Wünschen für die Zukunft, aber nicht bloß des Bundesrates, sondern für dieses Haus überhaupt, würde ich es begrüßen, vor allem Geschäftsordnungs- und Verfassungsänderungen nicht auf augenblickliche Mehrheitsverhältnisse abzustellen, weiters eine Neukodifikation des Bundes-Verfassungsgesetzes 1920 in der geltenden Fassung mit einem Inkorporationsgebot in Angriff zu nehmen – eine langjährige Forderung – und – lassen Sie mich das unterstreichen – nicht Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen zu beschließen, welche die Möglichkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Gesetzesprüfung ausschalten.


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Ein Parlament, das zur Wahrung des Verfassungsrechtes zuständig ist, behindert in diesem Fall nämlich selbst seine Kontrolle und die Wahrung der Grundsätze demokratischer Verfassungsstaatlichkeit, auf die wir den Eid geleistet haben.

Diese Forderungen nach einer weiteren Verbesserung der Stellung des Bundesrates soll uns alle diesbezügliche, bisher schon erfolgten Neuerungen nicht vergessen lassen. Meine Damen und Herren! Meist bedenkt man nur das Fehlende und vergißt das Erreichte!

Erlauben Sie mir deshalb, auch davon in dieser Sitzung des Abschiednehmens zu reden, denn das Erreichte und Erlangte vergangener Jahre und Jahrzehnte waren Etappen des Miteinanders im Nationalrat und im Bundesrat.

So weise ich auf die neue Geschäftsordnung des Bundesrates von 1984 und auf die begleitende Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle hin. Sie brachten das Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Änderung der Kompetenzen zu Lasten der Länder, welches das wichtigste Recht einer Länderkammer ist; es wäre im Bundes-Verfassungsgesetz 1920 undenkbar gewesen! Erst durch dieses absolute Veto des Bundesrates hatten die Bundesländer mit ihren Landeshauptleuten eine starke Stellung anläßlich der Verhandlungen der Länder mit dem Bund über die Teilnahme Österreichs an der Europäischen Integration, entsprechend Position zu beziehen.

Nicht unerwähnt sei auch die Einführung des Teilnahme- und Rederechtes der Landeshauptleute, der Ausbau der Fragestunde und das Recht, Enqueten abzuhalten. 1988 kam es auch zur Verankerung des Gesetzesanfechtungsrechtes beim Verfassungsgerichtshof für ein Drittel des Bundesrates.

1992 wurde als ebensolches parlamentarisches Minderheitenrecht für ein Drittel der Bundesräte das Gesetzesinitiativrecht an den Nationalrat eingeführt. Nicht unerwähnt sei auch, daß der Bundesrat in diesem Halbjahr aufgrund einstimmigen Wunsches für die Vorbereitung eines Vorschlages zur Nominierung eines Mitgliedes des Verfassungsgerichtshofes an den Herrn Bundespräsidenten erstmalig in diesem Haus ein Hearing abgehalten hat. Auf diese Weise hat der Bundesrat, Hohes Haus, zwar keine Mitwirkung an der finanziellen Kontrolle, wohl aber, wie der Nationalrat, an der rechtlichen und politischen Kontrolle – ausgenommen das Recht auf Untersuchungsausschüsse und auf die Mißtrauensvotierung. Mir ist aber nicht bekannt, daß auch nur einmal eine Regierung durch das Recht der Mißtrauensvotierung abgelöst worden ist.

Erfreulich war auch in letzter Zeit die Mitwirkung des Bundesrates in EU-Angelegenheiten, wozu heute ein weiterer Geschäftsordnungsreformschritt in erfreulicher Weise gesetzt werden kann.

Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Vergleicht man diese Bemühungen um Reformen für Föderalismus und Parlamentarismus, so wäre es zu wenig, diese bloß im Institutionellen allein erschöpft zu sehen. Es kommt vielmehr darauf an, all dies mit einem Bewußtseinsprozeß zu verbinden, der jene Solidargesinnung über alle Landes- und Parteigrenzen als Beitrag zu den Grundwerten unserer Republik entstehen läßt, die gerade jetzt in der Vorbereitung auf unsere Teilnahme an der Europäischen Währungsunion so wichtig ist.

Nicht als Neid-, nicht als Streit-, sondern als Leistungsgemeinschaft werden wir mit unseren Bundesländern in Österreich, mit Österreich im integrierten Europa und mit diesem in der weltweiten Völkergemeinschaft bestehen können. Hohes Haus! Das erwartet auch die Welt von uns!

Ich möchte damit, meine Damen und Herren, nicht bloß große Worte gelassen aussprechen, sondern Erfahrungen wiedergeben, die ich in diesem Halbjahr aufgrund offizieller Einladungen im In- und Ausland und auch transkontinental sammeln konnte. Sie gaben nämlich Gelegenheit zu kurzen Besuchen mit Aussprachen: im Februar 1997 im englischen Parlament in London und im französischen Senat in Paris, im März im japanischen Parlament in Tokio, im Mai im slowenischen Staatsrat in Laibach und kürzlich, im Juni 1997, in Moskau – wobei ich aus diesem Anlaß auch zu einer Rede vor dem russischen Föderationsrat eingeladen war.


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Gemeinsam mit Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach, Herrn Bundesrat Professor Dr. Manfred Mautner Markhof als Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses und Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda, die mich nach Japan, nach Slowenien und mit meinem hochgeschätzten Herrn Vorgänger als Präsident des Bundesrates, Bundesrat Josef Pfeifer, nach Rußland begleiteten, führten wir neben unseren Gastgebern auch mit den übrigen Repräsentanten der jeweiligen Parlamente und Regierungen Gespräche.

Über Einladung des italienischen Senatspräsidenten Nicola Mancino hatte ich in Venedig am 3. Mai 1997 vor Parlamentsvertretern aus verschiedenen europäischen Ländern über Aspekte des Zweikammernsystems einen Vortrag zu halten und vorher, am 24. April dieses Jahres, in Budapest im ungarischen Parlament über die Rolle des Bundesrates im Integrationsprozeß Österreichs vor Parlamentsrepräsentanten mittel- und osteuropäischer Staaten zu referieren sowie Ende Februar an einer Tagung europäischer Parlamentspräsidenten in Den Haag teilzunehmen. Sowohl in Budapest wie in Den Haag hatte ich diese Aufgabe gemeinsam mit dem Präsidenten des Nationalrates, Universitätsprofessor Dr. Heinz Fischer, zu erfüllen.

Kontakt zu den Landtagspräsidenten Österreichs, Deutschlands und Südtirols bot deren Tagung am 2. Juni 1997 in Kärnten, an der am Vortag auch Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach und Herr Vizepräsident Jürgen Weiss teilnahmen.

Hohes Haus! Nicht unerwähnt möchte ich es auch lassen, daß eine Einladung der Österreichischen Notariatskammer durch Herrn Präsidenten Dr. Georg Weissmann zur Eröffnung deren Europabüros in Brüssel mich einen Festvortrag am 16. Juni 1997 über "Rechtsbewußtsein und Rechtssicherheit im integrierten Europa" halten ließ, der mir Gelegenheit bot, das Europaparlament zu besuchen, wo ich unter anderem mit dessen Präsidenten, Herrn Universitätsprofessor Dr. José Maria Gil-Robles zusammentraf und an der Besprechung der Ergebnisse der Amsterdamer Regierungskonferenz unmittelbar nach deren Ende teilnahm.

Für morgen hat mich die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Leni Fischer zu einem Besuch nach Straßburg eingeladen, wo ich die Ehre haben werde, vor der Parlamentarischen Versammlung eine Rede zu halten.

Gastvorlesungen, unter anderem an der Columbia University in New York und an der Georgetown University in Washington D.C., nutzte ich am 15. April 1997 zu einem erneuten Treffen mit dem Acting President des amerikanischen Senats Strom Thurmond im Kongreß und mit Chief justice William Rehnquist im Supreme Court.

Kontakt gab es auch mit dem deutschen Bundesrat und mit dem Bayerischen Senat. Ich möchte auch hervorheben, daß der Präsident des deutschen Bundesrates, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Erwin Teufel, auf meine Einladung am 28. Juni 1997 zu einem offiziellen Besuch nach Wien gekommen ist, von wo wir auch Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll und das neue Landhaus in St. Pölten besuchten.

Schon am 23. Mai 1997 war der Präsident des Bayerischen Senats Heribert Thallmair zu einem offiziellen Besuch mit einer Delegation seines Hauses aus München gekommen und am 4. und 5. April eine Parlamentarierdelegation aus San Marino, die auch einer der früheren Präsidenten des Bundesrates, Herr Bundesrat Johann Payer, in seiner burgenländischen Heimat mitbetreut hat – wofür ich danke.

Hohes Haus! Jeder Bericht kann im Rückblick und in der Übersicht nur unvollkommen sein. Auch der meine ist es: Er kann in der mir zur Verfügung stehenden Zeit – ich möchte Sie nicht zu lange strapazieren – nur einige Strukturen und nicht die Details wiedergeben. Sie können aber die gute Zusammenarbeit zeigen, welche legistische Arbeit, parlamentarische Aktion und notwendige Repräsentation erst möglich macht. Dafür möchte ich an dieser Stelle allen meinen aufrichtigen Dank sagen – nicht nur was sie hier eingebracht haben, sondern auch wie .

Dank sagen möchte ich Herrn Bundesratsdirektor Dr. Walter Labuda für die verständnisvollste Zusammenarbeit, und dabei auch seine Vorgänger, den späteren Parlamentsdirektor


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Dr. Reinhold Ruckser und Sektionschef Dr. Konrad Atzwanger nennen, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe.

Wertvoll waren auch die Hilfen von Frau Bundesratsvizedirektorin Dr. Alice Alsch-Harant, Frau Mag. Dunja Kopesky, Frau Mag. Ines Kerle und des Herrn Parlamentsrates Dr. Klaus Hajek sowie des Herrn Hofrat Dr. Alois Ludwan und der Frau Regierungsrätin Anna Chudy.

In diesem Zusammenhang schließe ich alle Damen und Herren des Bundesratsdienstes aufrichtig ein, vor allem Frau Christine Gerstacker, Frau Margarete Ruckser, die Herren Gerhard Fasching, Erich Mroz und Franz Liebl.

Verständnis für Anliegen fand ich bei Herrn Parlamentsdirektor Dr. Heinz Wasserbauer, bei Parlamentsvizedirektor Dr. Sigurd Bauer, vor Jahren durch lange Zeit vom späteren Sektionschef Dr. Eduard Neumaier und bei Frau Hilde Roth von der Parlamentsverwaltung.

Nicht unerwähnt möchte ich auch den Technischen Dienst des Hauses und den Parlamentsstenographendienst lassen – durch viele Jahre in Verantwortung geleitet von meinem ehemaligen Klassenkollegen und Freund Hofrat Dr. Ernst Krammer. Gerade sie alle halten literarisch unsere Verantwortung fest und werden uns und mich alle aufgrund der Protokolle an das Geschehene und Getane im Hohen Haus immer erinnern.

Daß ich dazu Gelegenheit bekam, verdanke ich auch der verständnisvollen Unterstützung durch den Parlamentsklub meiner politischen Gesinnungsgemeinschaft, der Österreichischen Volkspartei. In diesem Zusammenhang habe ich für Jahrzehnte der besten Zusammenarbeit Herrn Klubdirektor Professor Dr. Werner Zögernitz und – geradezu als mein zweites Ich – Herrn Franz Prinz sowie seinen unvergeßlichen Vorgänger Herrn Kanzleirat Alfred Schuller zu nennen.

Die politische Verantwortung galt und gilt es in meiner Partei in diesen mehr als zwei Jahrzehnten und meiner mehr als einem Vierteljahrhundert währenden Mitarbeit im Parlament mit den Klubobmännern, beginnend mit Professor Dr. Stefan Koren über Dr. Alois Mock, Dr. Fritz König, Dr. Heinrich Neisser bis zu Professor Dr. Andreas Khol zu teilen, in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt von Chefredakteur Karl Brinek und Frau Irene Polzer. Mein Sekretariat selbst wäre ohne den präzisen Einsatz von Frau Eva Brenner nicht denkbar gewesen. Sie alle gaben mir neben vielen, heute aus Zeitgründen nicht vollständig zu nennenden, Personen die Möglichkeit, mit Ihnen, meine Damen und Herren des Bundesrates, in unserer Länderkammer Pflicht zu erfüllen.

Freudig haben wir sie, diese Pflicht, auf uns genommen, manchmal mit Einhelligkeit, öfters auch in Konfrontation – wir leben ja in einer pluralistischen Demokratie –, aber immer, meine Damen und Herren, in dem Bemühen, das Gemeinsame über alles Unterschiedliche, das nicht zum Trennenden im gemeinsamen Staat führen muß, in der demokratischen Republik unseres Bundesstaates zum Tragen zu bringen. Dabei hat es im Bundesratspräsidium mehr als nur das Mögliche an Verstehen, ja Zusammenarbeit gegeben, und ich glaube, sagen zu können, auch ein Maß an politischer Kultur. Ich möchte dafür allen Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden, allen Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundesrates, mit denen ich zusammenarbeiten konnte, meinen aufrichtigen Dank sagen.

Ich möchte das insbesondere auch gegenüber der Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach tun, deren Stil, deren Klugheit und Lebenserfahrung in der bedeutenden Tradition ihrer Familie, die in diesem Jahrhundert auch Leid erfahren hat, mir persönlich außerordentlich wertvoll war, weiters gegenüber meinem in Freud und Leid meines Lebens bewährten Freund und Mitstreiter für den Föderalismus in Österreich, Herrn Vizepräsidenten Jürgen Weiss, der geradezu ein juristisches Naturtalent ist, wie ich es noch nie erlebt habe, und in der Schriftführung gegenüber den beiden lieben Bundesratskolleginnen Frau Ilse Giesinger und Frau Helga Markowitsch, von denen bei aller Hektik des parlamentarischen Geschehens immer eine sehr dankenswerte und wohltuende Ruhe ausgegangen ist.


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Da Ländervertretung im Bundesrat nach dem Bundes-Verfassungsgesetz auch mit Parteienrepräsentanz verbunden ist, war jeweils das Einvernehmen mit den übrigen Fraktionsvorsitzenden einzubringen.

Dafür danke ich für die SPÖ Herrn Bundesrat Albrecht Konečny und für die Freiheitlichen Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer. Vieles, was wir neben dem Offiziellen gemeinsam erlebt haben, wenn wir uns gemeinsam auch im Ausland repräsentiert haben, wie die gemeinsame Reise nach Rom, bleibt unvergeßlich; es war eine Visitkarte für das Gute in Österreich, auch wenn dies – denkt man nur an jüngste Reaktionen in Zeitungen – manchmal in den Massenmedien nicht immer von allen richtig verstanden wird.

Rückblickend, Hohes Haus, denke ich an verantwortliche Aufgaben in nicht leichten Zeiten mit meinem einstigen politischen Visàvis, Herrn Professor Dr. Franz Skotton und in seiner Nachfolge an Vizepräsidenten Walter Strutzenberger, der einen wesentlichen Anteil an der letzten Entwicklung des Bundesrates hat. Politische Verantwortung kann nämlich auch zur persönlichen Freundschaft führen! Auch sie hat meinen Lebensweg bereichert, und ich hoffe, sie auch für die Zukunft fortsetzen zu können. Das gilt vor allem auch für meinen treuen verständnisvollen Weggefährten, den früheren Präsidenten und Vizepräsidenten des Bundesrates, Herrn Hofrat Professor Dr. Martin Strimitzer, dem unser Haus auch wertvolle Initiativen zu danken hat.

Bei aller Funktion soll ja nicht die Person verlorengehen! Für das dabei auch mir geschenkte Vertrauen danke ich Ihnen allen aus ganzem Herzen und wünsche Ihnen allen, insbesondere meinem Nachfolger als Präsident des Bundesrates, Dr. Günther Hummer, für das 2. Halbjahr als auch dem neugewählten ÖVP-Fraktionsvorsitzenden Bundesrat Ludwig Bieringer in bewährter Mitarbeit, von Jahren im Bundesratspräsidium in Erinnerung, Gesundheit und auch innere Zufriedenheit mit dem verdienten Erfolg.

Seien Sie versichert, daß ich diese Zeit im Bundesrat nie vergessen werde! Es war das einzige Amt in meinem politischen Leben, das ich neben meinen akademischem Beruf an der Universität gerne angenommen habe. Auf viele andere habe ich verzichtet. Ich würde es heute wieder tun.

Seien Sie versichert, daß ich diese Erinnerung mit mir nehme, mit Dank auch für so viel Verständnis, das ich empfangen habe, und so viel Vertrauen, das mich als Verpflichtung der Verbundenheit mit Ihnen begleiten wird.

Erlauben Sie mir zu schließen mit den abgewandelten Worten einer netten Melodie, die einige von Ihnen vielleicht noch kennen werden:

"Wenn einmal in fernen Tagen unsere Namen werden genannt, so sollen sie sagen, wir haben uns gut gekannt." – Ich danke Ihnen. (Lang anhaltender allgemeiner Beifall und Standing ovations.)

10.54

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hohes Haus! Ich darf nunmehr Herrn Landeshauptmann von Niederösterreich, Dipl.-Ing. Dr. Erwin Pröll, den ich herzlich in unserer Mitte willkommen heiße, zur Abgabe einer Erklärung das Wort erteilen. – Bitte, Herr Landeshauptmann.

Stellungnahme des Landeshauptmannes von Niederösterreich

Dipl.-Ing. Dr. Erwin Pröll

10.55

Landeshauptmann von Niederösterreich Dipl.-Ing. Dr. Erwin Pröll: Sehr geehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Föderalismus als Ausdruck der Subsidiarität und der Gewaltenteilung gibt die Chance zur menschlichen Dimension des öffentlichen Lebens. Sie sollte genützt werden. – Ich habe nun ganz bewußt meine Ausführungen hier im Hohen Bundesrat mit diesem Satz und mit diesem Zitat von Professor Herbert Schambeck begonnen.


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Ich habe bewußt deswegen damit begonnen, weil dieser Satz, so meine ich, Symbol und politisches Programm zugleich ist. Ein Symbol ist er zunächst einmal für die persönliche Einstellung und vor allem auch für das Lebensprogramm und die Lebensphilosophie von Herbert Schambeck. Politisches Programm ist er, weil er auf der einen Seite, so meine ich, zweifelsohne die aktuellen Themen und den aktuellen Themenbogen zwischen Republik und den Bundesländern anspricht, und auf der anderen Seite kann man ohne weiteres sagen, daß mit diesem Satz der europäische Wegweiser in eine europäische Zukunft skizziert wird.

Verehrte Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Ich freue mich zunächst, daß ich als Landeshauptmann des Heimatbundeslandes von Herbert Schambeck, aber gleichzeitig natürlich auch als Vertreter der österreichischen Bundesländer an der Nahtstelle des Bundesrates das Wort ergreifen darf und daß ich gleichzeitig auch die Chance und die Möglichkeit habe, hier Dank zu sagen.

Ich möchte diesen Dank gesehen wissen als Respekt auf der einen Seite, aber auch als Reverenz gegenüber einem ganz großen Föderalisten der Zweiten Republik in unserer Heimat. 28 Jahre hat Professor Herbert Schambeck hier in der Länderkammer seines Lebens eingebracht, 22 Jahre lang im Präsidium des Bundesrates. Er hat sich damit zweifelsohne sehr viel angeeignet, er hat sehr viel Erfahrung gesammelt, und vor allem – was ihm sehr hoch anzurechnen ist, und wir möchten das gerne auch von seiten der Bundesländer tun – hat er diese Erfahrung nicht gehortet, sondern er hat diese Erfahrung immer wieder weitergegeben, als Lehrer auf der einen Seite und als Politiker auf der anderen Seite.

Ich meine, daß Herbert Schambeck eine mittlerweile äußerst rar gewordene Kombination einer Persönlichkeit repräsentiert, nämlich eine Kombination als Mann der Wissenschaft, der ein international renommierter Staatsrechtler geworden ist, der Autor und Herausgeber unzähliger Publikationen ist und der es weltweit zu einem gefragten Vortragenden gebracht hat.

Er ist aber nicht nur ein international anerkannter Wissenschafter, sondern er ist gleichzeitig auch ein Mann der Praxis: offenherzig, bürgernah, äußerst fleißig. Er hat das Zuhause in der Welt, und er ist an der Basis daheim.

Verehrte Damen und Herren! Ich meine, daß das gerade in einer Zeit wie der heutigen, in der man der Politik oftmals eine Distanz zum Bürger vorwirft, etwas ist, was wir wieder mehr und mehr in den Vordergrund stellen sollten, wenn wir schon in der glücklichen Lage sind, Persönlichkeiten in unseren Institutionen und in den politischen Verantwortungsreihen zu haben, die das nicht nur mit Worten besprechen, sondern auch in Taten umsetzen.

Hohes Haus! Eine Zeitung hat vor wenigen Tagen gemeldet: Ein Denkmal tritt ab. – Und ich möchte gerne hinzufügen: Aber sein Geist lebt weiter.

Es ist nicht irgendein Geist, sondern ich meine – ich möchte das gerne als Repräsentant des Bundeslandes Niederösterreich und als Repräsentant unserer Bundesländer zum Ausdruck bringen –: Es ist ein Geist, der uns auf dem Weg in die kommenden Jahre und Jahrzehnte noch sehr viel Kraft geben wird, wenn wir uns an diesem Geist orientieren.

Ich habe schon von den Aufgabenstellungen gesprochen, die wir im Spannungsfeld zwischen der Republik und den Bundesländern haben, nämlich die Bundesstaatsreform von Konsultationsmechanismus über die Neuverteilung der Kompetenzen zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften bis hin zu einer Neubewertung und Aufwertung dieses Hohen Hauses. Es wird zweifelsohne in den kommenden Wochen und Monaten noch sehr viel in dieser Republik darüber verhandelt, be- und gesprochen werden, und ich bin sehr froh darüber, auch als Vertreter der Bundesländer, daß wir von der Bundesregierung, vom Bundeskanzler und vom Vizekanzler, die Zusage haben, den Willen an den Tag zu legen, noch in diesem Jahr die Bundesstaatsreform abschließen zu wollen. Wir von seiten der Bundesländer möchten dies zweifelsohne genauso umgesetzt sehen, wie dies auch besprochen und versprochen wurde.

Ich möchte dir, lieber Herr Präsident, herzlich dafür danken, daß du durch dein unermüdliches Eintreten für mehr Föderalismus und Aufwertung der Bundesländer und Regionen hier einen


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wesentlichen Beitrag dazu geleistet hast, daß das Abkommen von Perchtoldsdorf zunächst einmal zustande gekommen ist und daß dieses Abkommen von Perchtoldsdorf vor der unmittelbaren Umsetzung steht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Dieser Geist, von dem ich im Zusammenhang mit Herbert Schambeck gesprochen habe, dieser Geist, der uns auch in die Zukunft begleiten wird, wird meines Erachtens auch zur Nagelprobe des neuen Europas werden, zu einer Nagelprobe für die Chance und für die Zukunft in diesem neuen Europa. Subsidiarität, Gewaltentrennung, föderalistischer Geist – das wird zweifelsohne auch das Europa bestimmen müssen, wenn all diejenigen, die an diesem Europa bauen, es gut meinen mit diesem Europa und den Wunsch und das Ziel haben, daß das neuentstehende Europa auch ein dauerhaftes Europa bleiben soll.

Ich meine, daß sich diese Nagelprobe in verschiedensten Facetten und Themenbereichen zu bewähren haben wird, ob in der Bürgernähe des neuen Europas, ob in den starken, selbständigen und selbstbewußten Regionen in Europa, ob im heimatbewußten Bürger dieses Europas – in all den Facetten und dem gesamten Bogen, in all den Formen, wie sich Europa darstellen wird, wird sich zeigen, ob wir auch unseren Beitrag dazu leisten, daß dieses Europa in Zukunft tatsächlich eine Chance hat.

Ich sage das auch deswegen, Hohes Haus, weil ich meine, daß mit Professor Herbert Schambeck, daß mit diesem Mann und mit dieser Persönlichkeit frühzeitig auch ein Geist auf diesem Kontinent eingezogen ist, der letztlich Wegweiser und Leitlinie aus der Vergangenheit in die Zukunft geworden ist.

Ich möchte mich daher heute herzlich bedanken bei dir, hochverehrter Herr Präsident, lieber Professor Herbert Schambeck. Ich möchte mich zunächst bedanken als Landeshauptmann von Niederösterreich für all die gute Zusammenarbeit, für die Mitarbeit in deinem Heimatbundesland, und ich möchte mich auch dafür bedanken, daß du vieles an Intentionen, an Zielen, an Aufgaben, an Umsetzungen, was im besonderen Interesse unseres Bundeslandes Niederösterreich gelegen ist, auf Bundesebene eingebracht hast, daß du stets, zu welcher Zeit und zu welchem Thema auch immer, aktiv an diesem schönen, zukunftsträchtigen Land Niederösterreich mitgearbeitet hast.

Ich möchte mich aber nicht nur für das Bundesland Niederösterreich, sondern selbstverständlich auch im Namen aller Bundesländer dieser Republik herzlich bedanken. In deiner jahrzehntelangen Tätigkeit hast du es verstanden, den Bundesländern jenes Selbstbewußtsein mitzugeben, das notwendig ist, damit die Bundesländer auch in das nächste Jahrtausend hinein feste tragende Säulen in dieser Republik bleiben können. Wir wollen dies als Bundesländer auch sein, wir wollen gerne unseren Teil mit dazu beitragen, damit diese Republik am Weg ins größere Europa tatsächlich etwas Abwechslungsreiches in dieses größere gemeinsame Ganze einbringen kann.

Wie sind nämlich überzeugt davon: Nur dann, wenn wir uns mit all unseren Ecken und Kanten und mit jenem Selbstbewußtsein, das notwendig ist, um bestehen zu können, einbringen, werden wir auch einen positiven, konstruktiven Beitrag für ein stabiles Europa leisten können. Wir danken dir dafür!

Wir verabschieden uns heute von dir in diesem Hohes Haus. Wir verabschieden einen großen Wissenschafter, einen profilierten Politiker, einen anerkannten Europäer und einen ganz großen Niederösterreicher, einen Mann, der sein Leben in den Dienst dieser Republik, in den Dienst der Bundesländer und des Bundeslandes Niederösterreich gestellt hat, einen Mann von Rat und Tat, einen Mann, der Dank verdient, dem Dank gebührt.

Vielleicht ist es das größte Geschenk, das wir dir machen können, wenn wir dir versprechen, daß wir unsere Arbeit in deinem Geist, mit dir gemeinsam und mit deiner Erfahrung fortsetzen wollen.


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Herzlichen Dank und Gottes Segen für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall. – Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll begibt sich zu Dr. Herbert Schambeck ans Präsidium und reicht ihm die Hand.)

11.06

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann von Niederösterreich, Dr. Pröll, für seine Ausführungen. Sie werden mich als Verpflichtung begleiten.

Ankündigung einer dringlichen Anfrage

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hohes Haus! Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, gebe ich jetzt bekannt, daß mir ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Tremmel betreffend notwendige Klarstellungen zur angekündigten Pensionsreform an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vorliegt.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung verlege ich die Behandlung an den Schluß der Sitzung, aber nicht über 16 Uhr hinaus.

Weiters mache ich die Mitteilung, daß ein Verlangen der Bundesräte Jürgen Weiss, Ilse Giesinger und Dr. Reinhard Eugen Bösch gemäß § 21 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Bundesrates eingebracht wurde, die Ausschußvorberatungen über den Selbständigen Antrag 93/A-BR/96 betreffend Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes sowie des Finanz-Verfassungsgesetzes aufzunehmen.

1. Punkt

Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Schambeck, Weiss, Haselbach, Konečny, Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (98/A-BR/97 und 5485/BR der Beilagen)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine Damen und Herren! Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt der Tagesordnung: Selbständiger Antrag der Bundesräte Dr. Schambeck, Weiss, Haselbach, Konečny, Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates (98/A-BR/97).

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Josef Rauchenberger übernommen. Ich ersuche ihn höflich um die Berichterstattung.

Berichterstatter Josef Rauchenberger: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Die Bundesräte haben am 5. Juni 1997 den Antrag betreffend Änderung der Bundesrats-Geschäftsordnung 1988 eingebracht und wie folgt begründet:

Durch die Bundesverfassungsgesetznovellen 1997 und 1996 (BGBl. Nr. 1013/1994 und BGBl. Nr. 437/1996) wurde das Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei EU-Vorhaben geschaffen.

Dieses Mitwirkungsrecht soll im Regelfall vom EU-Ausschuß des Bundesrates wahrgenommen werden. Mit der gegenständlichen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates werden die diesbezüglichen Verfahrensbestimmungen geschaffen.

Schließlich soll durch die Änderung des § 63 Abs. 5 ermöglicht werden, daß neben dem Fragesteller auch je ein Vertreter der übrigen Bundesratsfraktionen ebenfalls jeweils eine Zusatzfrage stellen kann.

Weiters haben die oben angeführten Bundesräte folgendes zur Erläuterung angeführt:

Zur Verhandlung von EU-Vorhaben im Bundesrat ohne Vorberatung und Berichterstattung durch den EU-Ausschuß (§ 13a Abs. 2):

Die sinngemäße Anwendung des § 16 Abs. 3 ermöglicht die sofortige Verhandlung von EU-Vorhaben im Bundesrat ohne Vorberatung und Berichterstattung durch den EU-Ausschuß.


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Hat der Bundesrat einen Beschluß gemäß § 13 lit. a Abs. 2 gefaßt und erstattet der EU-Ausschuß dem Bundesrat einen Bericht, welcher keinen Antrag gemäß § 13a Abs. 1 Z 2 enthält, so ist ein vom Vorsitzenden und von einem Schriftführer gefertigter Text (Kommunique), in welchem jedenfalls die Redner, das Abstimmungsverhalten der Fraktionen und allfällige Ausschußfeststellungen aufzunehmen sind, zur Veröffentlichung zu erstellen und an die Bundesräte sowie – analog zu den Ausschußberichten – an einen darüber hinausgehenden Personenkreis zu verteilen.

Teilnahme von in Österreich gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments an den Sitzungen des EU-Ausschusses (§ 13b Abs. 4):

Da der EU-Ausschuß anstelle des Plenums tätig wird, kann jeder Bundesrat mit beratender Stimme an der Ausschußsitzung teilnehmen. Der Vorsitzende erteilt den mit beratender Stimme anwesenden in Österreich gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments zu kurzen Stellungnahmen das Wort, um insbesondere den Diskussionsstand im Europäischen Parlament, seinen Ausschüssen oder Fraktionen zum Verhandlungsgegenstand in die Beratungen einzubringen.

Verteilung der gemäß Artikel 23e Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz übermittelten Dokumente (§ 18 Abs. 3):

Die bisherige Form der Verteilung in zwei Exemplaren an die Klubs beziehungsweise bei Vorliegen der technischen Möglichkeiten eine Verteilung in gleichwertiger Weise auf elektronischem Weg soll beibehalten werden, wobei in jedem Falle auf die Geheimhaltungsvorschriften der Europäischen Union Bedacht zu nehmen ist.

Zuweisung von Verhandlungsgegenständen (§ 19 Abs. 1):

Es hat daher keine Zuweisung der EU-Vorhaben durch den Präsidenten des Bundesrates an den EU-Ausschuß zu erfolgen.

Beantwortung von Anfragen in der Fragestunde (§ 63 Abs. 5):

Der Fragesteller selbst soll eine Zusatzfrage und darüber hinaus je ein Vertreter der übrigen Bundesratsfraktionen ebenfalls jeweils eine Zusatzfrage stellen können.

Der Geschäftsordnungsausschuß hat diesen Antrag in seiner Sitzung am 24. Juni 1997 in Verhandlung genommen.

Die Bundesräte Dr. Schambeck, Haselbach, Dr. Riess-Passer brachten einen Abänderungsantrag ein, mit dem das Inkrafttreten mit 15. Juli 1997 festgesetzt wurde.

Bei der Abstimmung wurde der Selbständige Antrag 98/A-BR/97 in der Fassung des Abänderungsantrages einstimmig angenommen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Geschäftsordnungsausschuß somit den Antrag, der Bundesrat wolle beschließen:

Der diesem schriftlichen Ausschußbericht angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates wird die verfassungsmäßige Zustimmung erteilt.

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Hohes Haus! Wir gehen nach der dankenswerten Berichterstattung in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach. Ich erteile es ihr.

11.11

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Uns liegt ein Antrag zur Behandlung vor, der vor allem eine Effizienzsteigerung unserer Arbeit zum Inhalt hat und der weiters zu einer Verlebendigung der Debatte


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im Bereich des Fragerechtes führen soll, ein Antrag, meine Damen und Herren, der die Handschrift unseres Präsidenten trägt. Er hat die fortlaufende Zahl 98/A/97, und Sie werden sich jetzt fragen, warum ich diese Zahl denn so betone.

Ich tue das deshalb, weil ich es nicht verabsäumen möchte, Ihnen zu sagen, daß Präsident Schambeck im Laufe seiner Tätigkeit hier in diesem Hause 33mal Erstunterzeichner und in acht Fällen Mitunterzeichner von Anträgen war. Das weitere Rechnen überlasse ich Ihnen, aber alleine die Tatsache, daß ein Drittel der im Hause eingebrachten Anträge seine Handschrift trägt, zeigt uns, welch unvergleichliche Persönlichkeit im parlamentarischen Leben Österreichs Professor Schambeck ist.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich diese Debatte zum Anlaß nehme, unserem Präsidenten unseren Respekt auszudrücken und ihm Danke zu sagen. Der Bundesrat hatte das große Glück, mit Professor Schambeck nicht nur einen herausragenden Staatsrechtsgelehrten in seinen Reihen zu haben, sondern vor allem einen unbeirrbaren Demokraten, für den das Erreichen eines Kompromisses niemals etwas Negatives ist, sondern immer ein Zeichen des Sieges von Vernunft, Rücksichtnahme und politischer Kultur.

All seine parlamentarischen Tätigkeiten waren geleitet von dem Wissen, daß die Grundlage, auf der sich alle Demokratie aufbaut, die Achtung vor dem Recht ist, denn Recht anstelle von Gewalt ist das Lebensprinzip der Demokratie. Das heißt, Recht unter allen Umständen, ja Recht für jeden.

Immer wieder hat er uns in seinen Debattenbeiträgen verständlich gemacht, daß das Recht, das die Grundlage der Demokratie bildet, nicht nur Freiheiten gewährt, sondern vor allen Dingen auch Pflichten statuiert. Je größer, umfangreicher und gesicherter die Freiheiten sind, die die Demokratie dem einzelnen verbürgt, umso größer sind die Pflichten, die dieser gegenüber seiner eigenen und der Freiheit aller übrigen zu übernehmen hat.

Aber, meine Damen und Herren, dieses Verständnis für die Pflicht, die die Demokratie auferlegt, der Sinn für das Recht des anderen, eben die demokratische Disziplin, fällt nicht vom Himmel, sie muß erworben, ja sie muß anerzogen werden. Demokratie ist Erziehung.

Diese Erziehungs- und Aufklärungsarbeit leistet unser Präsident unermüdlich: hier, an der Universität und auch im Ausland. Viele Ehrungen und Auszeichnungen wurden ihm dafür zuteil. Wir freuen uns mit ihm darüber, und wir sind mit ihm stolz darauf.

Natürlich, meine Damen und Herren, muß man im politischen Geschäft zur Kenntnis nehmen, daß das Argument, daß das einzige Mittel ist, das der Demokrat zur Verfügung hat, nicht immer dazu führt, den anderen zu überzeugen. Aber die Haltung, die political correctness von Professor Schambeck zeigt uns immer wieder, daß Diskussion eine Reihe neuer Gesichtspunkte zutage bringt und daß das Endresultat, wie es auch ausfallen möge, eine Bereicherung der Erkenntnisse ist.

Meine Damen und Herren! Wenn Handeln notwendig ist, bedient sich die Demokratie der Abstimmung nach dem Grundsatz der Mehrheitsentscheidung. Das ist zweifellos ein unvollkommenes, die Richtigkeit der Entscheidung durchaus nicht gewährleistendes Auskunftsmittel, aber ein besseres wurde bisher eben nicht entdeckt. – Auch das lehrt uns Professor Schambeck immer wieder durch sein politisches Handeln.

Meine Damen und Herren! Nicht nur der zur Debatte stehende Antrag, sondern viele, ebenfalls von Professor Schambeck als Erstunterzeichner eingebrachte Anträge sollen das föderale Element in unserem Staatswesen stärken.

Für Professor Schambeck ist Föderalismus niemals nur Rechtstechnik, sondern sehr wesentlich auch Ideologie, nämlich die Betonung des Wertes der Vielfältigkeit menschlichen Wollens und Wirkens und die Betonung der Notwendigkeit, dieser legitimen Vielfalt dadurch Rechnung zu tragen, daß den engeren sozialen und politischen Gemeinschaften auch das zugestanden wird, was sie an Gemeinschaftsaufgaben selbst leisten können.


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Das, meine Damen und Herren, ist heute nicht nur gesicherte Meinung und Haltung aller politisch Verantwortlichen über alle Parteigrenzen hinweg, sondern auch gesicherte Haltung im vereinten Europa. Daß das heute ungeteilte Meinung der Verantwortungsträger in Österreich ist, dazu hat Professor Schambeck in ganz besonders hohem Maße beigetragen. Das bedurfte jahrelanger Bemühungen, vor allem aber einer unermüdlichen Beharrlichkeit. Möglich machte ihm das sein Wissen, daß die föderalistischen Konstruktionen der Vielfalt sozialer Beziehungen und der Vielfalt menschlicher Anlagen und Bedürfnisse Rechnung tragen und daher notwendig sind für eine Ordnung, in deren Mittelpunkt der Mensch steht.

Meine Damen und Herren! Die praktischen Möglichkeiten, dem föderalen Prinzip Rechnung zu tragen – sei es im Inland, sei es im gesamteuropäischen Zusammenhang –, sind vielfältig und keineswegs voll ausgeschöpft. Hierin sehe ich den Auftrag, den wir alle für unsere Tätigkeit durch das Wirken von Professor Schambeck erhalten haben.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich noch einen kurzen Blick auf den parlamentarischen Alltag werfen, der durch die Geschäftsordnung, die wir heute sinnvoll ergänzen werden, geregelt ist, aber von Empfindungen, Wertebewußtsein und vielem anderen bestimmt wird.

Wird da nicht manchmal beklagt – und das, glaube ich, durchaus nicht zu unrecht –, daß in vielen Debatten die Würze, die Spannung fehlt? Wie aber war die Situation, wenn Professor Schambeck ans Rednerpult ging? – Wenn er sprach, war ihm die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses sicher. Da sprach der Lehrer, da sprach der Wissenschafter, da sprach der Christ, da sprach der Mensch. Oja, manchmal sprach er auch mit Pathos, aber, meine Damen und Herren, das war das echte Pathos, das nicht einfach Mittel zum Zweck war, sondern das seine Gedanken und Ideen unsichtbar beflügelte.

Professor Schambeck hat nie zu denen gehört, die nur das Negative beschreiben und eine mitunter zynisch verbrämte Hoffnungslosigkeit verbreiten. Er weiß nämlich, daß damit der Wille, zu ändern, umzukehren und zu reformieren, nicht geweckt und gestärkt, sondern erstickt wird und daß damit einer Einstellung Vorschub geleistet wird, die alles sinnlos und von vornherein als verloren erscheinen läßt. Er weiß, daß Einseitigkeiten und Verzerrungen letztendlich auf eine Beleidigung und Mißachtung derer hinauslaufen, die nach bestem Wissen und Gewissen daran mitgewirkt haben, daß unsere Demokratie gefestigt und unser Leben von Sicherheit und der Garantie der Würde des einzelnen getragen ist.

Meine Damen und Herren! Der Zustand unseres Gemeinwesens ist alles andere als statisch. In den letzten drei Jahrzehnten haben sich die für unser Dasein maßgebenden Umstände in ungeahntem Ausmaß gewandelt. Daß sich diese Veränderungen für die Menschen positiv oder zumindest erträglich ausgewirkt haben, dazu haben Sie, Herr Professor, Herr Präsident, das Ihre beigetragen.

Meine Damen und Herren! Wir brauchen die stimulierende Kraft einer besseren und gerechteren Gesellschaftsordnung. Ohne eine solche Vision, die der Vergangenheit Bedeutung zuschreibt, die die Gegenwart erklärt und die für die Zukunft Orientierung liefert, wäre vieles, was unsere gesellschaftliche Ordnung menschenwürdig gemacht hat, nicht möglich gewesen. Ohne eine derartige Vision werden auch zukünftige Fragen nicht zu beantworten sein. Die politischen und gesellschaftlichen Gruppen müssen einen Wettbewerb solcher Utopien in Gang bringen und in Gang halten, denn das setzt demokratiefeindlichen Tendenzen stärkeren Widerstand entgegen als die bloße Verteidigung des Bestehenden oder gar ein passives Sichabfinden mit den Ergebnissen, die eintreten, wenn man die Dinge ihrem Selbstlauf überläßt.

Herr Präsident! Wir wissen, daß Ihr Wirken hier in diesem Hause auch von diesen Gedanken geleitet war. Ihre Anträge geben auch darüber Zeugnis.

Wir Sozialdemokraten freuen uns, daß während Ihrer Präsidentschaft dieser heute zur Debatte stehende Antrag zustande gekommen ist. Er ist nicht zuletzt auch deshalb zustande gekommen, weil unter Ihrer behutsamen, andere Meinungen respektierenden Vorsitzführung das Gespräch möglich war.


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Herr Präsident! Wir werden in diesem Sinne weiterarbeiten und danken Ihnen für alles! (Allgemeiner Beifall. – Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach reicht Präsidenten Dr. Herbert Schambeck die Hand.)

11.25

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist weiters Frau Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer. Ich erteile es ihr.

11.25

Bundesrätin Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Meine Damen und Herren! Gäbe es ein "Book of Records" des österreichischen Parlamentarismus, Präsident Professor Dr. Herbert Schambeck wäre ganz sicher einsamer Spitzenreiter. Allein die Tatsache, daß Sie, sehr geehrter Herr Präsident, seit nunmehr 28 Jahren dem Bundesrat angehören, 22 Jahre davon als Präsident beziehungsweise Vizepräsident, ist Beweis für die Kontinuität eines politischen Wirkens, wie es in der heutigen Zeit selten geworden ist.

"Ob Sie es mir glauben oder nicht, seit meinem 14. Lebensjahr wollte ich Bundesrat werden", haben Sie einmal gesagt. Wir, die wir Sie kennen, glauben Ihnen und wissen, daß dies Ausdruck eines tiefempfundenen Anliegens für die Sache des Föderalismus in Österreich ist, das weit mehr umfaßt als nur eine politische Zielsetzung. Sie haben daher den Bundesrat auch nie als Durchgangsstation einer politischen Karriere betrachtet und allen Verlockungen anderer Funktionen, die sicher zahlreich waren, widerstanden. Ihr erklärtes Ziel, sehr geehrter Herr Präsident, nämlich die Aufwertung des Bundesrates zu einer starken Länderkammer, haben Sie über all die Jahre mit großer Beharrlichkeit vertreten, wofür Ihnen auch aus freiheitlicher Sicht Dank zu sagen ist. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

Ich spreche auch für meine Kollegen, wenn ich sage, daß wir Sie auch über die Fraktionsgrenzen hinweg als fairen und kollegialen Gesprächspartner kennen- und schätzengelernt haben, und zwar auch dann, wenn wir in Sachfragen manches Mal unterschiedliche Standpunkte vertreten haben. Geeint hat uns stets das gemeinsame Eintreten für Bundesstaats- und Bundesratsreform, und wenn es etwas zu bedauern gibt, dann die Tatsache, daß die wünschenswerte und notwendige Umsetzung dieser Ziele auf Koalitionsebene zu oft regierungspolitischem Kalkül zum Opfer fiel.

Wenn ich mir da in Ihrem Sinne und im Sinne des Hauses für die Zukunft des Bundesrates und der Republik insgesamt etwas wünschen darf, dann daß das, was Sie im Hinblick auf den Föderalismus, die Subsidiarität und die Stellung der Länderkammer als richtig und notwendig erkannt, in vielen Reden gefordert und in zahlreichen Publikationen wissenschaftlich untermauert haben, künftig nicht nur eine mehrheitliche Einsicht, sondern vor allem auch eine realpolitische Umsetzung erfährt.

Für meine Fraktion kann ich Ihnen versprechen, daß wir auch in Zukunft für dieses Ziel nach besten Kräften weiterarbeiten werden.

Wenn wir heute, am Tage Ihres Abschieds, einen gemeinsamen Antrag aller drei Fraktionen beschließen, so ist auch dies Ausdruck Ihres steten Bemühens, gerade in den Fragen, die dieses Haus unmittelbar betreffen, einen möglichst breiten Konsens zu finden. Daß sich dieser Konsens auf diesen Antrag beschränkte und nicht darüber hinaus möglich wurde, lag – und auch das möchte ich deutlich sagen – nicht an Ihnen.

Ich möchte Ihnen daher auch an dieser Stelle für die Zusammenarbeit in der interfraktionellen Arbeitsgruppe danken, auch wenn sie nicht das von uns und wahrscheinlich auch nicht das von Ihnen gewünschte Ergebnis gebracht hat.

Angesichts der vielen Laudationes, die Ihre Person und Ihr Wirken zum Gegenstand haben – nicht nur in diesen Tagen anläßlich Ihres Ausscheidens aus dem Bundesrat, sondern auch im Zusammenhang mit der Fülle von Ehrungen, mit denen Sie in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten im In- und Ausland ausgezeichnet wurden –, ist es wahrlich nicht leicht, diesen


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noch etwas hinzuzufügen. Es wäre müßig, Einzelheiten herauszugreifen, aber jede Würdigung wäre unvollständig, würde man neben Ihrer politischen Tätigkeit nicht auch Ihr Wirken als Wissenschaftler und Universitätsprofessor berücksichtigen. In Ihren Vorlesungen, in mehr als 300 Publikationen und in zahlreichen Vortragsreisen durch die ganze Welt haben Sie Fragen der Staatsrechtslehre und des Parlamentarismus in umfassendster Weise erörtert. Ausgestattet mit einem geradezu enzyklopädischen Wissen, einem untrüglichen Gedächtnis und einer rhetorischen Ausnahmebegabung haben Sie bei Ihrer Zuhörerschaft im In- und Ausland stets nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

In den langen Jahren Ihres aktiven Wirkens und Schaffens haben Sie uns oft und eindringlich vor Augen geführt, wie ein reiches berufliches, politisches, aber auch privates Leben aussieht. Wir wissen, daß hinter all Ihrer Arbeit, über all Ihren großen und kleinen Diensten, die Sie dem Bundesrat geleistet haben, immer der Wunsch stand, die Ihnen zur Verfügung stehende Kraft zum Wohle und zum Nutzen aller Bürger dieses Landes anzuwenden.

Mit Ihnen verläßt ein Präsident den Bundesrat, dessen Können und Wissen, dessen Humor und menschliche Einfühlsamkeit jedem einzelnen gegenüber Ihnen, aber auch diesem Hause – um es mit einem etwas aus der Mode gekommenen Begriff zu sagen – zur Ehre gereicht. Ihr Bemühen, das Zusammengehörigkeitsgefühl der Bundesrätinnen und Bundesräte auch über die Fraktionsgrenzen hinweg zu stärken, hat die Atmosphäre und die Diskussion in diesem Haus in vielfacher Weise positiv beeinflußt.

Wer die Gelegenheit hatte, an einer von Ihnen geplanten und organisierten Reise teilnehmen zu können, wie zuletzt jener nach Rom, die ohne Zweifel allen unvergessen bleiben wird, weiß, wie sehr Sie sich weit über das übliche Maß der kollegialen Kommunikation hinaus persönlich freundschaftlich um jeden einzelnen bemühen. Nicht zuletzt deshalb tragen Sie neben all den vielen Ehrenzeichen und Würdigungen auch einen Titel, den Sie nicht offiziell verliehen bekommen haben, der aber untrennbar mit Ihrer Person und Ihrer Tätigkeit verbunden ist und bleiben wird, nämlich "Mister Bundesrat". Als solcher werden Sie im Bewußtsein vieler Menschen in diesem Lande auch dann verankert bleiben, wenn Sie diesem Haus nicht mehr angehören werden.

Kein Bundesrat, keine Bundesrätin von allen, die heute hier sind, kennt die Länderkammer ohne Herbert Schambeck. Wir alle betreten also gewissermaßen Neuland. Auch für Sie, geschätzter Herr Präsident, beginnt sozusagen ein neuer Lebensabschnitt. Wer Sie kennt, weiß, daß Sie voll Tatkraft, Engagement und vorbildlicher Pflichterfüllung an Ihre weiteren Aufgaben herangehen werden.

Nein, ich wünsche Ihnen keine ruhigeren Zeiten. Ihr Schaffensdrang würde das auch gar nicht zulassen. Ich wünsche Ihnen aber die nötige Muße, um die von Ihnen versprochenen Memoiren zu schreiben, um die Geschichte, die Sie miterlebt und mitgeprägt haben, niederzuschreiben, und nicht zuletzt auch, um die Geschichtchen und die Anekdoten, die Sie in so unverwechselbarer Weise zu erzählen vermögen, festzuhalten. Wir alle freuen uns darauf.

Für Ihre Zukunft, für Ihre Pläne und Vorhaben wünsche ich Ihnen, lieber Herr Präsident, namens der freiheitlichen Fraktion, aber auch persönlich von ganzem Herzen das Allerbeste. Mögen Ihre Wünsche in Erfüllung gehen, und was mehr könnte ich Ihnen über die Parteigrenzen hinweg sagen, als: Sie werden uns fehlen! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrätin Dr. Riess-Passer reicht Präsident Dr. Schambeck die Hand.)

11.33

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Vizepräsident Jürgen Weiss.

11.33

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Landeshauptmann! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als der Deutsche Bundesrat Anfang der achtziger Jahre im Zusammenhang mit den Einführungsgesetzen zur Einheitlichen Europäischen Akte eine EG-Kammer eingerichtet hatte, um etwas flexibler auf das Tempo des europäischen Entscheidungs


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prozesses reagieren zu können, war Präsident Herbert Schambeck einer der wenigen in Österreich, die das registriert haben, und der erste, der die Notwendigkeit herausgestrichen hat, eine solche Einrichtung auch in Österreich – in besonderer Weise im Bundesrat – vorzusehen.

Wir haben dann im Zuge des europäischen Integrationsprozesses und des Beitritts Österreichs zur Europäischen Union, was dem Herrn Präsidenten, wie in den Protokollen ausführlich dokumentiert ist, stets ein großes Anliegen war, bereits 1995 einen die heutige Geschäftsordnungsregelung ermöglichenden Gesetzesantrag an den Nationalrat einstimmig beschlossen und auch ein zweites Mal, weil der erste aufgrund des Auslaufens der Legislaturperiode des Nationalrates nicht mehr behandelt werden konnte.

Vor einem Jahr hat der Nationalrat unsere Anregung aufgegriffen und die Bundesverfassung entsprechend geändert. Heute setzen wir den Schlußstein zu diesem Werk, indem wir unsere Geschäftsordnung in dieser Hinsicht ändern. Das hat nicht nur deshalb ein Jahr lang gedauert, weil es eingebettet war in die Diskussion, sich auch sonst hinsichtlich einer weiteren Stärkung des Bundesrates artikulieren zu können, sondern weil es auch gelungen ist, den ursprünglich vorgesehenen Entwürfen eine aus Ländersicht durchaus bemerkenswerte Verbesserung anzufügen.

Die Einrichtung einer Kammer als verkleinertem Bundesrat, in der nicht mehr alle an der Entscheidungsfindung beteiligt sein können, ist verfassungsrechtlich nicht ganz unproblematisch. So wurde es auch in Deutschland gesehen. Wir haben daher versucht, eine ausreichende Balance zwischen der notwendigen Flexibilität und Schnelligkeit und der gebotenen Einbeziehung aller, insbesondere aller Bundesländer, sicherzustellen, und das mit folgenden vier Punkten.

Die im EU-Ausschuß zu behandelnden Punkte sind als Information nicht nur dessen Mitgliedern, sondern allen Mitgliedern des Bundesrates zugänglich. Es handelt sich allerdings um eine Holschuld; eine Bringschuld der Parlamentsdirektion besteht nur hinsichtlich der Mitglieder des EU-Ausschusses.

In Abkehr von der sonst bei den Ausschüssen üblichen Vorgangsweise ist allen Mitgliedern des Bundesraten bei den Sitzungen des EU-Ausschusses eine Teilnahme mit beratender Stimme und nicht nur als Zuhörer möglich. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil es bei der angestrebten geringen Mitgliederzahl durchaus eintreten kann – dazu muß man sich auch bekennen –, daß nicht alle Bundesländer in diesem Ausschuß vertreten sind. Sie sollen aber jedenfalls die Möglichkeit haben, sich dort artikulieren zu können.

Dem dient auch die neu eingeführte und der Geschäftsordnung bisher fremde Regelung, daß die Mehrheit der Bundesräte von drei Bundesländern verlangen kann, daß der Bundesrat die Entscheidung an sich zieht, beispielsweise aufgrund der Bedeutung der Angelegenheit.

Die Mehrheit der Bundesräte dreier Länder hat in weiterer Folge die Möglichkeit, eine Sitzung des EU-Ausschusses zu verlangen. Das ist wichtig, damit sich auch Länder mit Wünschen hinsichtlich der Befassung mit einem Thema artikulieren können, die dem Ausschuß nicht angehören.

Offen ist, was wir mit diesem Instrument nun machen. Es ist wesentlich schärfer als bisher. Das wird unsere große Herausforderung sein.

Es gibt im Zusammenhang mit der weiteren Stärkung des Bundesrates eigentlich nichts, was nicht schon gedacht, gesagt und geschrieben wurde, und fast nichts, was in diesem Zusammenhang nicht auf die Initiative des Herrn Präsidenten Schambeck zurückgeht. Ich verweise nur darauf – wir diskutieren derzeit darüber, und es scheint sich ein Konsens anzubahnen –, daß der Bundesrat als kleinster gemeinsamer Nenner eine Gesetzesinitiative ergreifen will, wonach der Bundesrat zu Gesetzesvorhaben des Nationalrates vorab Stellung nehmen können soll, so wie das dem Deutschen Bundesrat in sehr erfolgreicher Weise bereits möglich ist. Diesen Vorschlag hat der Herr Präsident bereits im Jahre 1981 als Ergebnis einer von ihm geleiteten Arbeitsgruppe schriftlich präsentiert. Ich freue mich, daß es nach so langer Zeit nun doch


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möglich ist – wenngleich außerhalb seiner Amtszeit –, das endlich zumindest als artikuliertes Wollen des Bundesrates umzusetzen.

Präsident Schambeck hat in der Aufzählung dessen, was in der Verfassungsgeschichte der jüngeren Zeit für den Bundesrat erreicht wurde, ganz bescheiden auf die B-VG-Novelle 1984 hingewiesen, die ein ganz wesentlicher Fortschritt war, nämlich weil sie das Zustimmungsrecht des Bundesrates bei Verfassungsänderungen zum Nachteil der Bundesländer gebracht hat. Das ist ein Fortschritt, der mit Herbert Schambeck ursächlich zu tun hat – ich weiß das als Zeitzeuge und Mitbeteiligter bei den damaligen Verhandlungen –, insbesondere weil es die alternative Überlegung gegeben hat, dieses Zustimmungsrecht den Landtagen zu übertragen. Es war seiner Einflußnahme zuzuschreiben, daß es dem Bundesrat übertragen wurde.

Er hat auch darauf hingewiesen, daß der Umstand, daß dieses Zustimmungsrecht bisher noch nie relevant war, nichts über seine Wirksamkeit und seine Bedeutung aussagt. Eine ganz wesentliche Klammer zwischen Bundesregierung und Nationalrat ist die Möglichkeit des Mißtrauensvotums, was Ausdruck der notwendigen politischen Vertrauensbasis ist.

Er hat zu Recht gesagt, daß der Nationalrat dieses Instrument noch nie eingesetzt hat, aber jede Bundesregierung gewußt hat, es hätte eingesetzt werden können. Das Wissen um diese "Rute im Fenster" ist die ganz wesentliche Klammer, und so ist auch das Zustimmungsrecht des Bundesrates, auch wenn es nie sichtbar wurde, eine wesentliche Ursache dafür, daß manche Gesetzesvorhaben des Bundes gar nicht angegangen oder, wie sich nachweisen läßt, wegen des befürchteten Widerstandes des Bundesrates im entsprechenden Ausschuß des Nationalrates oder mehrfach sogar noch in zweiter Lesung geändert wurden. – Ich denke, das muß man dazusagen, wenn man die Bedeutung dieser seinerzeitigen Änderung würdigen will. Ich bin davon überzeugt, heute wäre sie nicht mehr so zustande gekommen.

Herbert Schambeck hat heute eine Schlußansprache – es war nicht seine erste als Präsident – im wahrsten Sinn des Wortes gehalten. Er hat in seine Tätigkeit als Mandatar den Schlußstein eingefügt – sicherlich nicht, wir hoffen das alle, in seine Tätigkeit als Staatsrechtslehrer und auch nicht als politisch mitdenkender und mitdiskutierender Bürger.

Ich möchte mich als nach Herbert Schambeck Dienstältester dieses Hauses und auch für die derselben Fraktion wie der Herr Präsident angehörenden Bundesrätinnen und Bundesräte bei Frau Vizepräsidentin Haselbach und bei Frau Fraktionsvorsitzender Dr. Riess-Passer für das, was sie in den vorangegangenen Redebeiträgen zur Würdigung von Präsident Schambeck gesagt haben, bedanken. Wir haben gespürt: Das war mehr als Respekt vor der Funktion und vor der Leistung eine so lange Zeit hindurch, es war auch eine Wertschätzung der Person. Ich weiß auch aus vielen persönlichen Gesprächen mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, daß das nicht eine Façon de parler war, sondern vom Herzen kam.

Abgesehen von der faktischen Unmöglichkeit bei Herbert Schambeck, in diesem Punkt gleiches mit gleichem vergelten zu können, entziehen sich 28 Jahre Tätigkeit im Bundesrat – der Großteil der Zeit davon in Präsidialfunktionen – schlichtweg einer ausführlichen Würdigung.

Das ist auch gut so, weil sonst der Blick auf das Wesentliche verlorenginge. Das Wesentliche ist das, was bleibt: Das ist auf der einen Seite der Mensch, und das ist auf der anderen Seite die Dankbarkeit: die Dankbarkeit des Bundesrates als Staatsorgan, die Dankbarkeit der Kolleginnen und Kollegen, in besonderer Weise auch die Dankbarkeit deiner Gesinnungsgemeinschaft. Ich freue mich sehr, daß Herr Landeshauptmann von Niederösterreich Pröll die Gelegenheit wahrgenommen hat, dir auch den Dank der Bundesländer auszusprechen. Ich möchte dem den Dank deiner Freunde anfügen und in besonderer Weise einen persönlichen Dank an dich als väterlichem Freund, dem ich wie viele andere sehr viel verdanke.

Dein studentischer Namenskollege Seneca hat einmal einen Abschied mit den Worten kommentiert, er hätte nichts Wesentliches mehr hinzufügen können. – Das trifft auf der einen Seite zu, auf der anderen aber nicht. Es stimmt, daß du alles getan und alles gesagt hast, was zu sagen und zu tun und was dir möglich war. Es stimmt aber insoweit nicht, als es auch für dich –


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du wirst das in den folgenden Wochen und Monaten sehen – immer wieder Neues zu tun und zu sagen geben wird.

Es stimmt auch deshalb nicht, weil du deinem Leben durchaus etwas ganz Wesentliches hinzufügen kannst und sollst, nämlich Zeit für dich selbst. Ich wünsche dir, daß es dir mit Gottes Hilfe gelingen möge, deinem Leben auch das hinzuzufügen. (Allgemeiner Beifall. – Vizepräsident Weiss reicht Präsident Dr. Schambeck die Hand.)

11.45

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

11.45

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Wenn wir heute eine mehr als nur geringfügige Veränderung unserer eigenen Geschäftsordnung beschließen, dann ist das ein Vorschuß auf eine Reform des Bundesrates, seiner Arbeitsweise, aber auch seiner Rolle in unserer Republik. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Was wir heute beschließen, heißt einfach, unsere Arbeit effizienter, aber auch lebendiger zu gestalten. Effizienter vor allem in einem Bereich von großer künftiger Bedeutung, denn es ist selbstverständlich, daß der Bundesrat, wenn er sich mit Aspekten der Europäischen Union und der Haltung Österreichs in Organen der Europäischen Union beschäftigt, seiner eigentlichen Bestimmung, nämlich föderalistischen Interessen Rechnung zu tragen, nachkommen wird.

Wenn wir also einen Ausschuß schaffen, der die Möglichkeit hat, rascher zusammenzutreten, selbständig zu Erledigungen zu schreiten, vermutlich auch eine kleinere Zusammensetzung zu haben, was dieses raschere Zusammentreten erleichtert, dann bedeutet das, daß wir die Arbeit auf einem so wichtigen Feld, ich würde einmal sagen, vom Feiertag auf den Werktag verlegen, denn die Europäische Union paßt sich nicht dem Sitzungsrhythmus des österreichischen Bundesrates an. Wenn man zumindest eine Erinnerung anbringen, eine Meinung vertreten will, dann muß das dann geschehen, wenn die Entscheidung ansteht.

Wir haben dieses Gremium in der veränderten Geschäftsordnung so konstruiert, daß auch alle anderen Mitglieder des Bundesrates die Möglichkeit haben, an den Beratungen teilzunehmen, ihre Meinung einzubringen, ebenso im übrigen auch die Mitglieder des Europäischen Parlaments. Ich halte das für einen ganz besonders wichtigen Schritt, denn eine Reduzierung der Zahl der Personen, die an den Entscheidungen mitwirken, darf in Wirklichkeit niemals – das gilt für alle demokratischen Bereiche – mit dem Ausschluß der anderen Hand in Hand gehen.

Es ist ebenso selbstverständlich, daß der föderalistischen Aufgabe unserer Kammer entsprechend die Einberufung dieses Gremiums nicht nur aus sich heraus oder von Mitgliedern dieses Ausschusses gefordert erfolgen kann, sondern auch dann, wenn das von einer bestimmten Anzahl von Bundesräten aus einer bestimmten Anzahl von Bundesländern verlangt wird. Es kann ja sehr wohl auch das Bedürfnis geben, aus der Sicht einzelner Bundesländer etwas in Bewegung zu setzen.

Wie gesagt, diese notwendige Maßnahme, die zweifellos nicht kompensiert, daß unsere Entscheidungen in diesem Ausschuß gegenüber der Bundesregierung keine Bindungswirkung haben, ist ebenso wie die der Verlebendigung unserer Diskussion dienende Umgestaltung der Fragestunde gewissermaßen eine Vorleistung auf eine tiefergehende Reform sowohl der Geschäftsordnung als auch – auch wenn hier die Meinungen weit auseinandergehen – einer anderen und, wie wir überzeugt sind, verstärkten Stellung des Bundesrates.

Daß wir wenigstens diesen Vorschuß in der letzten Sitzung, in der Präsident Schambeck den Vorsitz führt, beschließen können, mag und sollte ihn auch freuen. Es ist uns allen bewußt, daß die Reformvorschläge für den Bundesstaat und für den Bundesrat weit über den heutigen Beschlußgegenstand hinausgehen – gar keine Frage. Aber es ist ebenso unbestritten, daß das,


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was Inhalt einer solchen Reform sein sollte, daß die Richtung, in die sich der Bundesstaat und in ihm der Bundesrat entwickeln sollte, zwischen uns heftig umstritten ist.

Es ist sicherlich nicht die Aufgabe dieser Debatte, Unterschiede und unterschiedliche Auffassungen herauszuarbeiten. Es gilt festzuhalten, daß von allen Fraktionen dieses Hauses – und das ist ausdrücklich festzuhalten – Vorschläge, Ideen entwickelt wurden, denen zumindest die gute Absicht unterstellt werden kann. Ob sie jeweils im Einzelfall zum Ziel führen können, ob sie jeweils im Einzelfall auch mit den Vorstellungen anderer politischer Gruppen Hand in Hand gehen können, das ist auszuloten, und die Arbeit in jener Arbeitsgruppe, aus der dieser Antrag letztlich hervorgegangen ist, hat schon gezeigt, daß der Vorrat gemeinsamer Vorschläge ein bescheidener ist. – Das mag unseren scheidenden Präsidenten schmerzen, denn er hat mit so vielen Initiativen, auch mit solchen, die für Sozialdemokraten nicht das waren, was sie wollten, versucht, diesen Prozeß voranzutreiben, sodaß es für ihn sicherlich eine Befriedigung gewesen wäre, wenn es zu einem umfassenderen Beschluß als dem, der heute möglich ist, gekommen wäre. Das mindert jedoch nicht die Bedeutung dieses Beschlusses, und es mindert schon gar nicht die Bedeutung von Professor Schambeck, der über so viele Jahre diese Reformbemühungen mitverfolgt und vor allem mitgeprägt hat.

Die Republik Österreich ist eine föderalistische Republik. Diese Republik braucht den föderalistischen Aufbau, und wenn sie ihn behalten will, dann braucht sie auch das parlamentarische Organ des Föderalismus. Die Ausgestaltung mit Rechten und Möglichkeiten für dieses parlamentarische Organ des Föderalismus mag diskutierbar sein – seine Bedeutung ist es nicht.

Diese Debatte, die so viele Jahre lang von Professor Schambeck dominiert und geprägt wurde, wird weiterzuführen sein. Sie wird auch zu Ergebnissen zu führen haben, denn jede Debatte wird schal, wenn sie zu lange dauert, ohne zu Resultaten zu kommen.

Unser gemeinsames Bestreben – ich meine, daß wir hier auch ein Stück Vorgabe und Vorleistung von Professor Schambeck erfüllen können – wird es sein, so wie es die verfassungsmäßige Grundlage dieses Bundesrates seinerzeit war, einen tragfähigen Kompromiß zu entwickeln, der für die tragenden politischen Kräfte, für die Bundesländer dieser Republik, aber auch für das Funktionieren dieser Republik einen Beitrag leistet. Ein kleines Ziegelsteinchen für dieses große und noch lange unvollendete Werk legen wir heute auf das Fundament, aber es ist uns allen bewußt, daß dies ein Auftrag und kein Abschluß ist. (Allgemeiner Beifall.)

11.55

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

11.55

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Gestatten Sie, daß ich so wie mein Vorredner von den Höhen euphorischer, allerdings richtiger föderalistischer Visionen in die Niederungen der mit Mühsal durchzusetzenden Föderalismusreformen zurückkehre.

Mit den Bundes-Verfassungsgesetznovellen 1994 und 1996 wurde das Mitwirkungsrecht des Bundesrates bei EU-Vorhaben geschaffen. Dieses Mitwirkungsrecht soll im Regelfall vom EU-Ausschuß des Bundesrates wahrgenommen werden. Mit der gegenständlichen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates werden die diesbezüglichen Verfahrensbestimmungen geschaffen.

Wie schon mein Vorredner ausführte, wird in der Regel der EU-Ausschuß anstatt des Plenums tätig sein, und es ist vielleicht auch eine kleine Vision für andere Bereiche, daß jeder Bundesrat mit beratender Stimme an der Ausschußsitzung teilnehmen kann. Der Vorsitzende erteilt außerdem mit beratender Stimme anwesenden, in Österreich gewählten Mitgliedern des Europäischen Parlaments das Wort zu kurzen Stellungnahmen. Weiters können einzelne Bundesräte im Ausschuß Bereiche zum Verhandlungsgegenstand machen, die dieser EU-Ausschuß umgrenzt.


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Darüber hinaus soll es durch die Änderung des § 63 Abs. 5 ermöglicht werden, daß neben den Fragestellern je ein Vertreter der übrigen Bundesratsfraktionen ebenfalls eine Zusatzfrage stellen kann. Dadurch wird sicherlich eine Verlebendigung dieses föderalistischen Bereiches Bundesrat eintreten.

Die Vorlage – es wurde schon ausgeführt –, die durch einen Unterausschuß der Präsidialkonferenz erarbeitet wurde, hat für sich allein gemessen kein schlechtes Ergebnis gezeitigt. Gemessen allerdings daran, aus welchem Grund dieser sogenannte Föderalismusausschuß einberufen und natürlich auch von meiner Fraktion gefordert wurde, ist das Resultat dürftig.

Erinnern wir uns, meine Damen und Herren: Bis April dieses Jahres sollte ein Paket vorgelegt werden, das die Bundesratsreform umfaßt. Ich bin nicht sehr oft einer Meinung mit Kollegen Konečny, aber auch ich bin der Ansicht, es ist das nur ein kleines Ziegelchen, ein kleines Steinchen im Hinblick auf die Notwendigkeiten der Bundesrats- und Bundesstaatsreform.

Wenn allein das heutige Ergebnis die Aufwertung des Bundesrates sein soll, wenn das im Sinne des gelebten Föderalismus ein Fortschritt sein soll, dann muß gesagt werden: Das ist für die Bundesverfassung, für den Föderalismus, so wie das unsere Verfassung vorschreibt, zu wenig.

Ich darf nochmals Kernpunkte hier nennen, sie wurden bereits in der heutigen Debatte angerissen: Zustimmung zum Finanzausgleich, Neuordnung des Entsendemodus der Bundesräte seitens der Landtage, um den Landtagen direkt mehr Einfluß zu geben, Gesetzesprüfungsanträge durch ein Fünftel der Mitglieder des Bundesrates, Möglichkeit der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen – die Attraktivierung der Fragestunde hat stattgefunden –, Wahl des Rechnungshofpräsidenten und der Mitglieder der Volksanwaltschaft, Stellungnahmeverfahren bei Gesetzesvorlagen, die Länderinteressen berühren, Forderung nach Gesetzesinitiativen des Bundesrates, eine Sitzaufteilung der Bundesräte nach Bundesländern geordnet – um das auch atmosphärisch darzutun –, Rederecht der Bundesräte in den Landtagen, so wie das etwa in Tirol der Fall ist.

Das ist beileibe keine vollständige Aufzählung, es ist eine demonstrative Aufzählung. Warum mache ich diese demonstrative Aufzählung? – Heute wurde sehr viel über die Notwendigkeit dieser Bundesrats- und Bundesstaatsreform gesprochen. In einer der letzten Sitzungen brachten wir eine dringliche Anfrage zum Konsultationsmechanismus ein. Dieses Wetterleuchten am Horizont einer notwendigen Reform hat sich bereits verstärkt. Es wurde heute in Worten, etwa durch den niederösterreichischen Landeshauptmann Pröll, angedeutet, daß auch in dieser Sache weiterhin Verhandlungen stattfinden werden. Sollte in dieser Form, meine Damen und Herren, dieser Konsultationsmechanismus beschlossen werden, dann ist das eine Entmachtung der Parlamente! Nach meiner Meinung wäre das ein schleichender Verfassungsbruch!

Meine Damen und Herren! Warum bin ich so kritisch in dieser Causa? – Weil es schon einmal eine Regierungsvorlage gegeben hat, an der letztlich die Bundesratsreform "Perchtoldsdorfer Paktum" – es ist bereits erwähnt worden – gescheitert ist. Und zwar sollte Artikel 98 unserer Bundesverfassung durch einen Artikel 98a ergänzt werden, und zwar mit folgender Ermächtigung: Bei Gesetzesvorhaben der Länder mit finanzieller Folgewirkung muß die Bundesregierung als Kollegialorgan Einspruch erheben. Diese Ermächtigung in dieser Regierungsvorlage, die nicht zur Beschlußfassung kam und die letztlich zum Scheitern – meiner Meinung nach – der Bundesratsreform führte, laut der der Bundesminister für Finanzen allein beeinspruchen könnte, ist Gott sei Dank nicht in Kraft getreten. Aber das, meine Damen und Herren, war geradezu ein Modell einer zentralistischen Staatsvorstellung.

In privaten Gesprächen hat mir Herr Präsident Professor Schambeck erzählt, wie das am Anfang im Bundesrat war und wie weit sich die Durchsetzungskraft des Bundesrates, die Kraft des Bundesrates doch zum Positiven entwickelt hat. Meine Damen und Herren! Sehen Sie meine Worte als solche Worte, die ein Jüngerer spricht, und ich sage Ihnen: Diese Reform sollte jetzt geschehen. Ich weiß, gut Ding braucht Weile. Mir ist bewußt, sehr geehrter Herr Präsident, daß dieser Föderalismusausschuß, dessen Ergebnis nicht allzugroß war, aber immerhin, durch Ihr maßgebliches Bemühen zustande gekommen ist. Die Ergebnisse, die derzeit vorliegen, sind


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noch nicht entsprechend, aber trotzdem ist das Gespräch in Gang gekommen. Und ich darf von meiner Warte aus feststellen, daß diese Gespräche letztlich auch – so hoffe ich – zu positiven Ergebnissen für den Bundesrat führen werden.

Im Buch "Recht, Glaube und Staat" von Herrn Professor Schambeck hat Bundespräsident Klestil in seinen Grußworten geschrieben:

"Herbert Schambeck ist ein gläubiger Mensch, der sich den Werten des christlichen Menschenbildes verbunden weiß und tatkräftig an der Verwirklichung der christlichen Soziallehre mitwirkt. In eindrucksvoller Weise vermag er immer wieder Kirche und Gesellschaft, Glaube und Politik miteinander zu verbinden" – so wie es auch sein innerer Auftrag ist; ich darf das extemporieren.

"Professor Schambeck ist ein im Inland wie im Ausland gleicherweise hochangesehener Jurist, Rechtsphilosoph und Politologe und in dieser Funktion auch Autor und Herausgeber einer stattlichen Anzahl von Büchern und wissenschaftlichen Publikationen.

Gleichzeitig ist er aber auch ein profilierter und sehr erfahrener Parlamentarier, der sich unermüdlich und erfolgreich für die Durchsetzung des Föderalismusprinzips in der österreichischen Politik und für ein künftiges ,Europa der Regionen’ engagiert." – Ende des Zitats.

Sehr geehrter Herr Professor! Ich darf auch persönlich hier noch einige Dinge hinzufügen: Sie haben Interesse gezeigt, Anteilnahme gezeigt, das weit über den Parlamentarismus hinaus gegangen ist – ich habe das persönlich erlebt –, was in dieser gezeigten Form durchaus nicht üblich ist. Ich erinnere mich an die Worte von Dr. Peter Kapral hier anläßlich der Verleihung des Ehrenzeichens der Republik Österreich, der damals richtigerweise gesagt hat – und auch das ist in der Politik nicht alltäglich –: Bei Ihnen ist Dankbarkeit eine Dimension.

Sie haben sich auch in Ihrer Verhaltensweise als ein Mann gezeigt, der vornehmes Kavalierstum besitzt und auch Respekt vor den anderen hat. Sie haben aufgrund Ihres Verständnisses, Ihres christlichen Werteverständnisses in Toleranz versucht, andere Gemeinschaften zu akzeptieren und auch Gemeinsamkeiten zu suchen, so auch mit meiner liberalen, national-freiheitlichen Gesinnung. In vielen Bereichen haben Sie mich hier wirklich beeindruckt. Sie sind ein gescheiter, eloquenter, aber auch witziger Parlamentarier. Das Leben soll farbig sein – all das gehört dazu –, das haben Sie uns hier vorgelebt.

Sehr geehrter Herr Professor! Ich verspreche Ihnen im Sinne des "Ceterum censeo Catilinas" – weil heute schon Lateiner hier zitiert wurden –, diese Bundesstaats- und Bundesratsreform im aufgezeigten Sinne weiter zu betreiben. Mir ist durchaus bewußt, daß Sie aufgrund Ihrer Position und aufgrund Ihres Einflusses, aber darüber hinaus aufgrund der gegebenen Koalition und des Beharrungsvermögens, ich sage es auch, der "Länderbarone", nicht in der Lage sein konnten, Ihr föderalistisches Denken total in der Praxis umzusetzen. Ich verspreche Ihnen, daß wir diesen Widerstand überwinden werden. Und ich verspreche Ihnen ebenso, daß wir bemüht sein werden, dem Bundesrat eine entsprechende Wertigkeit zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Abschließend: Als Jüngerer gratuliere ich mit Respekt, aber auch mit Demut und hoffe persönlich, daß mir das nur einigermaßen gelingt – zu Ihrem Wirken für unsere Heimat Österreich! Viele sind berufen worden, Sie sind einer der Auserwählten, die diese Gedanken für uns hier formuliert haben und sicherlich auch weitertragen. – Alles Gute für die Zukunft! (Allgemeiner Beifall. – Bundesrat Dr. Tremmel begibt sich zu Bundesrat Dr. Schambeck und verabschiedet sich mit einem Händedruck von ihm.)

12.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Ing. Penz. – Bitte.

12.09

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich darf mich als Ausschußvorsit


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zender bei allen Fraktionen hier im Bundesrat, die in einer sehr eingehenden Diskussion die Änderung der Geschäftsordnung bewerkstelligt haben, sehr herzlich bedanken. Ich glaube, daß mit dieser Novelle zur Geschäftsordnung eine wirklich brauchbare und gute Basis gegeben ist, die Anliegen der Europäischen Union, das heißt auch die Anliegen der Bürger in Österreich, im Bundesrat zu diskutieren und auch die Sorgen der Bürger in Form von Entschließungen beziehungsweise Empfehlungen zum Ausdruck zu bringen.

Ich glaube, daß der Bundesrat in den Fragen der europäischen Entwicklung schon sehr frühzeitig begonnen hat zu erkennen, worum es geht, nämlich um die Sicherung der Freiheit und um die Sicherung des Friedens in Europa.

Ein Blick zurück zeigt auch, daß der Bundesrat in besonderer Weise Maßstäbe gesetzt hat für die Einigung eines friedlichen Europa und auch für die Sicherung des Wohlstandes in Österreich. Ich erinnere an die mutige Entscheidung zur Teilnahme am Marshallplan, dessen Initiierung vor 50 Jahren erst kürzlich mit dem Ziel seiner Perpetuierung für die neuen Herausforderungen im östlichen Teil Europas festlich begangen worden ist. Es war eine Teilnahme Österreichs gegen den Willen der damaligen sowjetischen Besatzungsmacht.

Ich erinnere an die Initiative des Bundesrates zur Mitgliedschaft Österreichs zum Committee of European Economic Cooperation, die auch einen wichtigen Beitrag geleistet hat. Es war eine Entscheidung von bekenntnishafter Tragweite, die Entscheidung dafür war gleichbedeutend mit dem Bekenntnis Österreichs zur westlichen Demokratie, zur europäischen Zusammenarbeit und zum wirtschaftlichen Zusammenschluß Westeuropas.

Ich erinnere an den Vollbeitritt Österreichs zum Europarat, unmittelbar nach Abschluß des Staatsvertrages, damals schon von der Intention getragen, an der Einigung Europas teilhaben zu wollen.

Ich verweise auf die Mitbegründung der kleinen Lösung EFTA im Jahre 1960, zu der auch der Bundesrat einen sehr wichtigen Beitrag geleistet hat, vor dem Hintergrund unserer großen Hoffnung auf eine Europäische Integration, zu der uns die weltpolitische Konstellation und die Konfrontation des kalten Krieges den Weg verstellt hat, welche aber immer Zielpunkt der Bemühungen der Mitglieder des Bundesrates geblieben ist.

Ich darf nur der Vollständigkeit halber daran erinnern, daß wir die historische Chance, die uns mit der historischen Wende im Jahre 1989 eröffnet worden ist, im richtigen Augenblick und mit dem gebotenen Augenmaß, auch mit dem Zwischenschritt zum EWR, genutzt haben, um unseren Platz in der Europäischen Union zu sichern, um auch im europäischen Integrationsprozeß einen wichtigen Beitrag für die Bevölkerung unseres Heimatlandes Österreich zu leisten. Wir als Bundesrat dürfen auch darauf verweisen, daß frühzeitig wesentliche Impulse zum Beitritt zur Europäischen Union von dieser Kammer ausgegangen sind.

Ich darf an Wortmeldungen eines Dr. Fritz Hoess, eines Dr. Karl Pisec, eines Jürgen Weiss erinnern, aber auch an die großartig von Präsidenten Schambeck organisierte Enquete des Bundesrates zum Thema "Regionalismus und Föderalismus in Europa". Ich darf aber auch die Kollegen von der sozialdemokratischen Fraktion nennen, Mag. Bösch, Herrn Präsidenten Strutzenberger und Bundesrat Konečny, die hier sehr klare Wortmeldungen immer wieder abgegeben haben, genauso wie auch Bundesrat Dr. Kapral.

Darüber hinaus wurden aber in diesem Hohen Haus auch wesentliche politische Fragen, welche im Zusammenhang mit der Integration als Problemstellungen erkannt werden mußten, sehr frühzeitig angesprochen und auch diskutiert, eingeschlossen jene Schlußfolgerungen, die hinsichtlich des demokratischen, des parlamentarischen und auch des föderalistischen Prinzips erforderlich waren.

Ich darf in diesem Zusammenhang an jene denkwürdige Sitzung unseres Hohen Hauses vom 20. Dezember 1994 vor dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union erinnern, die ja eine Gratwanderung zwischen europäischer und föderalistischer Verantwortung, wie es damals Präsident Schambeck bezeichnet hat, geworden ist, weil die föderalistischen Forderungen be


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treffend Bundesstaats- und Bundesratsreform, wie sie im "Perchtoldsdorfer Paktum" – mein Vorredner hat das auch angesprochen – vom Oktober 1992 zwischen Bund und Ländern vereinbart worden sind, nicht eingelöst wurden.

Ich bin auch skeptisch, wenn es nunmehr heißt, daß eine Vorlage zur Bundesstaatsreform mit Einlösung der offenen Punkte, samt Neuverteilung der Kompetenzen, im September 1997 vorliegen soll und am 1. Jänner 1998 in Kraft treten könnte. Ich traue, ganz offen gesagt, diesem Zeitplan nicht. Aber bis dahin, so meine ich, müssen wir mit Beharrlichheit, mit der der Bundesrat, diese Länderkammer – überzeugt davon, daß der Föderalismus einen wesentlichen Beitrag zur Europäischen Integration zu leisten vermag –, um seine Position im Spannungsfeld der Bundesstaatlichkeit gerungen hat, den Abschluß der Bundesstaatsreform im Sinne des "Perchtoldsdorfer Paktums" verfolgen, damit auch eine Neuverteilung der Staatsaufgaben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden im Sinne eines Subsidiaritätsprinzips. Denn ich glaube, es hängt auch die österreichische Glaubwürdigkeit davon ab. Wir können nicht immer wieder von der Europäischen Union eine größere Subsidiarität fordern, wir können nicht ein Subsidiaritätsprotokoll verlangen, wenn wir innerstaatlich nicht mit gutem Beispiel vorangehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nicht im Detail auf die Änderungen der Geschäftsordnung eingehen. Ich habe eingangs schon gesagt, ich glaube, daß das eine gute Weiterentwicklung der Basis ist, wie wir die Fragen der Europäischen Union diskutieren können.

Ich habe aber abschließend noch eine Bitte, die die Frage der Administration betrifft. Wir sind mit einer Unzahl von Vorlagen konfrontiert, es sind heute schon an die 25 000 Vorlagen mit etwa 100 000 Seiten, die es zu bearbeiten gilt. Ich darf deshalb daran erinnern, was im Jahre 1995 auch von der Parlamentsdirektion gemeint worden ist, als eine Planstelle für einen Rechtskundigen Dienst ausgeschrieben wurde, mit der Aufgabenstellung, "daß mit dieser Planstelle insbesondere nachstehende Aufgaben verbunden sind, nämlich die Aufbereitung der von der Bundesregierung übermittelten EU-Dokumente, unter besonderer Berücksichtigung des Handlungsbedarfes im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes und der Länder."

Ich glaube, gerade wir sollten im Bundesrat die Aufarbeitung dieser Vorlagen im Interesse der Länder vornehmen und auch den Ländern diese Vorlagen zur Verfügung stellen. Wir sind hier erst im Anfangsstadium, und ich würde das Bundesratspräsidium wirklich eindringlich ersuchen, daß zur Erleichterung der Arbeit diese damalige Absicht auch realisiert wird.

Abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren: Ich glaube, wir haben auch am Dienstag sehr klar sehen können, daß die Bemühungen des Bundesrates in Richtung Mitsprache bei der Europäischen Union sinnvoll und auch erfolgreich waren. Ich erinnere daran, daß Herr Bundesrat Konečny und ich gemeinsam am 29. März 1996 eine Entschließung eingebracht haben, die der Bundesrat auch beschlossen hat, wonach nicht nur die Interessen der Regionen auch in der Europäischen Union eine stärkere Bedeutung haben sollen, sondern auch die Frage der Beschäftigungspolitik, die Frage der inneren Sicherheit und der Justiz, der Außen- und der Sicherheitspolitik, aber auch unser umweltpolitisches Engagement.

Ich glaube, wir können zusammenfassend sagen, daß im Sinne dieser Entschließung auch eine Reihe von Veränderungen in der Europäischen Union vorgenommen wurden, so wie wir sie im Interesse der Regionen, aber insbesondere im Interesse der Bevölkerung Österreichs zum Ausdruck gebracht haben. Und in diesem Sinne, so glaube ich, wollen wir auch im Ausschuß für die Europäische Union weiterarbeiten. Ich darf Sie sehr herzlich um Ihre Unterstützung ersuchen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie Beifall des Bundesrates Dr. Tremmel. )

12.21

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Bieringer. – Bitte.

12.21

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hochgeschätzter Herr Präsident Dr. Herbert Schambeck! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Bundesrates! Gestatten Sie mir, daß ich als künftiger Fraktionsobmann


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der ÖVP-Bundesräte diesen Tagesordnungspunkt zum Anlaß nehme, um ein paar Worte des Dankes an Herbert Schambeck zu sagen.

Der niederösterreichische Landeshauptmann Pröll hat eine Zeitung zitiert und hinzugefügt: Ein Denkmal tritt ab, sein Geist wird uns weiter begleiten. – Dies ist eine Hinzufügung, die, so meine ich, auch aus der überwältigenden Mehrheit der Herzen der ÖVP-Bundesräte kommt. Wenn "Mr. Bundesrat" Herbert Schambeck heute hier seine letzte Amtshandlung im Plenarsaal des Bundesrates vollzogen hat, so geht fürwahr ein Monument von der politischen Bühne ab.

Herbert Schambeck gehört dem Hohen Hause seit 20. November 1969 an, seit 27. November 1975 gehört er in Präsidialfunktionen dem Hohen Hause an. Vom 27. 11. 1975 bis 31. 12. 1987 war er Stellvertretender Vorsitzender des Bundesrates, vom 1. 1. 1988 bis 30. 6. 1988 Vorsitzender des Bundesrates, vom 1. 7. 1988 bis 30. 6. 1992 Vizepräsident des Bundesrates, vom 1. 7. 1992 bis 31. 12. 1992 wiederum Präsident des Bundesrates und vom 1. 1. 1993 bis 31. 12. 1996 Vizepräsident, und seit 1. 1. dieses Jahres bis zum 30. 6. dieses Jahres ist er Präsident des Bundesrates.

Du, Herr Präsident, hast des öfteren betont, für dich war die eindrucksvollste Vorsitzführung der Vorsitz in der Bundesversammlung am 9. 7. 1992, als unser derzeitiges Staatsoberhaupt angelobt wurde. Du hast damals den Vorsitz geführt und eine vielbeachtete und vielzitierte Rede gehalten. Wenn heute jemand in Österreich vom Bundesrat spricht, so ist das Wort "Bundesrat" untrennbar mit dem Namen Herbert Schambeck verbunden.

Über 10 000 Tage warst du Mitglied dieses Hauses, oder, anders ausgedrückt, 242 016 Stunden warst du Mitglied der österreichischen Länderkammer. Und gestern bei einer internen Feier in Mariazell – bei jenem Marienheiligtum, das du jährlich mindestens einige Male besuchst – hat Kollege Ing. Polleruhs festgestellt, daß dich in dieser Zeit 350 Mitglieder des Bundesrates aller Fraktionen begleitet haben: 148 von der ÖVP, 169 von den Sozialdemokraten, 31 Freiheitliche und zwei Fraktionslose.

Du hast in diesen 28 Jahren sehr viel zuwege gebracht und sehr viel für diese Republik geleistet. Heute wurde einiges schon gewürdigt, und es wird höheren Orts noch Gelegenheit dazu sein, am 7. Juli in der Säulenhalle, wenn sich die Republik Österreich bei dir bedankt. Und das wird eine Auszeichnung für einen Mann sein, der nicht nur vom Föderalismus gesprochen hat, sondern den Föderalismus auch gelebt hat.

Du warst außerordentlicher Universitätsprofessor in Innsbruck, bist dann ordentlicher Universitätsprofessor in Linz geworden, hast deinen ordentlichen Wohnsitz in Baden und wohnst mit Zweitwohnsitz in Wien – was auch eine Seltenheit ist, meistens ist es umgekehrt: daß der Zweitwohnsitz in Niederösterreich ist und der Hauptwohnsitz in Wien, aber du hast eben den Zweitwohnsitz in Wien beibehalten.

Du wurdest von dieser Republik bereits mit den höchsten Orden bedacht, und alle Bundesländer haben dir die höchsten Orden verliehen.

Ich darf dir als künftiger Fraktionsobmann der ÖVP sehr herzlich danken. Ich danke dir für dein soziales Engagement. Du hast wiederholt gesagt, du bist der Sohn eines Kommerzialrates, der Schwiegersohn eines Ökonomierates, und selbst bist du christlicher Gewerkschafter geworden. – Christlicher Gewerkschafter, der vom Scheitel bis zur Sohle nur für das Soziale da war, für die Mitmenschen dagewesen ist. Ich danke dir für deine stete Hilfsbereitschaft, die du vielen deiner Kollegen hast zuteil werden lassen. Ich danke dir für deine väterliche Freundschaft, für deine väterliche Freundschaft, die du all deinen Mitgliedern der ÖVP-Fraktion hast zuteil werden lassen, und ich danke dir dafür, daß du ein christlicher Politiker warst und bist. Für dich ist "Christ" nicht nur ein Schlagwort bei Sonntagsreden, du bist der christliche Politiker Österreichs schlechthin.

Du hast immer darauf hingewiesen, daß nirgendwo das Hosanna und das Crucifige so nahe beisammenliegen wie in der Politik, du hast aber jedem, mit dem du zu tun gehabt hast,


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vermittelt, daß du für ihn ein Hosanna geben willst. Dafür sage ich dem Menschen Herbert Schambeck ein aufrichtiges "Vergelt’s Gott!"

Ich sage dir Dank im eigenen Namen und im Namen der ÖVP-Fraktion und wünsche dir für die Zukunft Gottes Segen, weiterhin so viel Schaffenskraft und weiterhin beste Gesundheit, damit du uns noch recht lange begleiten kannst. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

12.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag des Geschäftsordnungsausschusses betreffend die Geschäftsordnung des Bundesrates.

Im Sinne des Artikels 37 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz beziehungsweise § 58 Abs. 5 der Geschäftsordnung sind für einen Beschluß, womit die Geschäftsordnung geändert werden soll, die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und eine Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Ich stelle zunächst die erforderliche Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates fest und bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die dem Antrag des Geschäftsordnungsausschusses zustimmen und der dem schriftlichen Ausschußbericht in 5485 der Beilagen angeschlossenen Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag auf Änderung der Geschäftsordnung des Bundesrates ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

2. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden (Fremdengesetz 1997 – FrG) (685 und 755//NR sowie 5456 und 5464/BR der Beilagen)

3. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 – AsylG) (686 und 755//NR sowie 5456 und 5465/BR der Beilagen)

4. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat (UBASG) (756/NR sowie 5457 und 5466/BR der Beilagen)

5. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens (693 und 757/NR sowie 5458 und 5467/BR der Beilagen)


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6. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden (689 und 717/NR sowie 5468/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 bis 6 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden,

ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl,

ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat,

ein Übereinkommen über die Bestimmungen des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens und

ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 bis 5 hat Herr Bundesrat Dr. Ludwig übernommen. Ich darf ihn um die Berichte bitten.

Berichterstatter Dr. Michael Ludwig: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Bericht des Rechtsausschusses zum Punkt Fremdengesetz 1997 liegt in schriftlicher Form auf.

Zu diesem Punkt möchte ich eine Erwähnung besonders herausstreichen: Die im 2. Hauptstück 3. Abschnitt § 18 Abs. 5 des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses enthaltene Verfassungsbestimmung bedarf gemäß Artikel 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates.

Der Rechtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag,

1. der im 2. Hauptstück 3. Abschnitt § 18 Abs. 5 des gegenständlichen Gesetzesbeschlusses enthaltenen Verfassungsbestimmung gemäß Artikel 44 Abs. 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes die Zustimmung zu erteilen,

2. gegen den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Rechtsausschusses betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, das Asylgesetz 1997. Auch dieser Bericht des Rechtsausschusses liegt in schriftlicher Form auf.

Ich stelle deshalb namens des Rechtsausschusses nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters bringe ich den Bericht des Rechtsausschusses betreffend ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat. Dieser Bericht liegt ebenfalls in schriftlicher Form auf. Ich erspare mir deshalb die Verlesung und stelle namens des Rechtsausschusses nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters erstatte ich den Bericht des Rechtsausschusses betreffend ein Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens. Auch hierüber liegt ein sehr umfassender schriftlicher Be


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richt des Rechtsausschusses vor, sodaß ich die Verlesung dieses Berichtes mir und vor allem Ihnen ersparen möchte.

Deshalb stelle ich namens des Rechtsausschusses den – im Rechtsausschuß mit Stimmenmehrheit gefaßten – Antrag, gegen diese Vorlage keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diese Berichte.

Ich darf nun den Berichterstatter über Punkt 6, Herrn Bundesrat Hager, bitten, den Bericht zu bringen.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden, liegt schriftlich vor.

Ich stelle daher namens des Sozialausschusses den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke auch für diesen Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Bösch. – Bitte.

12.34

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister! Sie stellen die Gesetzesvorlagen, über die wir heute debattieren, unter den Titel "Integration vor Neuzuzug". Wir Freiheitliche glauben, daß dies ein Etikettenschwindel ist.

Gelegentliche Lichtblicke sozialdemokratischer Politiker, wie jener des Bürgermeisters von Wien vor den Landtagswahlen, indem er zugegeben hat, daß man – ich zitiere ihn – beim Ausländerzuzug "zu sorglos" gewesen sei, und auch einige Ihrer kritischen Aussagen in der Öffentlichkeit, Herr Minister, über die Zuwanderungspolitik der letzten 20 Jahre haben Hoffnungen geweckt, die durch diese Gesetzesvorlagen leider nicht erfüllt werden. 1975 hatten wir in Österreich 220 000 Ausländer, jetzt sind es über 720 000; mit den illegalen überschreiten sie die Millionengrenze. Sie aber legen in diesem Gesetz nach wie vor Quoten fest, die eine Neuzuwanderung und einen erleichterten Familiennachzug zur Folge haben.

Meine Damen und Herren! Uns Freiheitlichen geht es nicht darum, gegen Regelungen Stellung zu beziehen, die es uns ermöglichen, anständig mit jenen Menschen umzugehen, die seit vielen Jahren als Gastarbeiter in unserem Lande sind oder als Flüchtlinge unseren Schutz benötigen. Uns geht es darum, eine grundsätzliche Änderung in der Einwanderungspolitik dieser Regierung herbeizuführen. Denn Sie treten weiterhin für eine kontinuierliche jährliche Zuwanderung ein! Sie mißachten die Zeichen der Zeit, Sie treten die Bedürfnisse der Einheimischen mit Füßen, denn die Lage auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ist alles andere als entschärft. Die einzig vertretbare Maßnahme wäre es, die Zuwanderung zu stoppen, bis diejenigen, die schon hier leben, mit Arbeit und Wohnung versorgt sind; und diejenigen, für die es nicht ausreichend Platz gibt, haben in ihre Heimatländer zurückzukehren. Das wäre doch das Selbstverständlichste auf der Welt!

Herr Minister! Es kann nicht das Ziel einer verantwortungsbewußten Politik sein, daß in manchen Teilen Österreichs die Einheimischen zu Fremden im eigenen Lande werden. Anstelle weiterer Zuwanderung verlangen wir Freiheitliche endlich die Umsetzung eines wirkungsvollen Saisonnier-Modells. Das würde bedeuten, daß Ausländer in bestimmten Branchen bedarfsorientiert und für eine bestimmte Zeit eine Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung erhielten, ohne daß die Familien mit all den sozialen und politischen Problemen, die wir schon zur Genüge haben, nachziehen müssen. Man hat ein Recht auf Familienleben – dies aber in der Heimat und nicht in der Fremde. Es gibt kein Recht auf Zuwanderung, aber ein Recht auf Heimat!


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Herr Minister! Mit Ihrer Politik – darin besteht der Widerspruch – ist keine Integration mehr möglich. Wie wollen Sie denn in Schulklassen oder in Wohngebieten, in denen schon mehr als die Hälfte Ausländer sind, eine Integration herbeiführen? Ihre Politik ist widersprüchlich und verantwortungslos.

Um einen weiteren Aspekt zu beleuchten: Sie werden durch Aufenthaltsverfestigung und Aufenthaltssicherheit die Abschiebemöglichkeit bei Ausländern eklatant verwässern und erschweren. Ich darf Ihnen den Sicherheitsbericht 1995 ans Herz legen, den wir in unserer letzten Sitzung debattieren konnten. Die Höhe des Anteils von Fremden an schweren Delikten ist darin erschreckend hoch. Ich darf neuerlich auf die Tabelle 123, die Sie auf unsere Anregung hin mittlerweile korrigiert haben, verweisen: Darin wird klar dargelegt, daß bei Delikten wie der erpresserischen Entführung der Fremdenanteil 66,7 Prozent beträgt, bei bewaffnetem, gewerbsmäßigem und Bandendiebstahl 57,8 Prozent, bei verbrecherischem Komplott 56,3 Prozent, bei Bandenbildung 88,5 Prozent, bei Delikten gegen das Pornographiegesetz 75 Prozent, bei Raubmord an Taxifahrern 100 Prozent, bei Raub in Geschäftslokalen 49,3 Prozent, bei Diebstahl von Kraftfahrzeugen 49,1 Prozent und bei Kreditkartenbetrug 61,5 Prozent – um nur einige Bereiche zu nennen.

Herr Minister! Solchen Entwicklungen gilt es nach unserer Ansicht mit aller Kraft gegenzusteuern, aber nicht sich ihnen zu beugen, wie Sie es in den vorliegenden Gesetzen leider Gottes tun.

Auch in der Asylfrage schlagen Sie einen für uns völlig inakzeptablen Weg ein. Für uns Freiheitliche ist es selbstverständlich, daß Österreich seine große Tradition als Aufnahmeland für Flüchtlinge nach der Genfer Konvention beibehalten muß. Wir bekennen uns dazu, aber das darf uns nicht davon abhalten, auch die Asylfrage restriktiv zu handhaben – wenn wir nicht einer Flut von Asylanten entgegensehen wollen, auf die unser Land im sozialen Bereich und auf dem Arbeitsmarkt nicht vorbereitet ist.

Wenn wir Kriegsflüchtlinge aufnehmen, dann tun wir das aus einer selbstverständlichen Verpflichtung heraus. Aber wenn die Regierung – und damit auch Sie, Herr Minister – ankündigt, daß diese Personengruppe nach dem Krieg wieder in ihr Heimatland zurückkehren wird, dann sollten Sie das auch umsetzen und ermöglichen. Wir befürchten deshalb, daß Ihre Politik zur Asylfrage in der Praxis Ihren Ankündigungen, die Sie auch in diesem Asylgesetz vorbringen, leider widersprechen wird.

In der Fremden- und Asylpolitik wäre eine grundsätzliche Änderung notwendig, um die Fehler von 25 Jahren sozialistischer Politik endlich zu korrigieren. Mit den Gesetzen, über die wir heute debattieren, tun Sie dies nicht, meine Damen und Herren der Regierungsparteien! Sie bürden den Österreichern, Sie bürden unseren Kindern soziale, Arbeitsmarkt- und sicherheitspolitische Probleme auf, die unlösbar sind. Wir werden diesen Gesetzen nicht zustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

12.40

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Himmer. – Bitte.

12.41

Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Beim vorliegenden Fremdenpaket handelt es sich um eine Gesamtmodifizierung des Fremdenrechtes, auch zu dem Zweck, es in ein umfassendes, leichter lesbares Gesetz überzuführen, und es geht wesentlich um die Abstimmung des Fremdengesetzes mit dem Ausländerbeschäftigungsrecht.

Durch dieses Gesetz wird es unter Bedachtnahme auf den österreichischen Arbeitsmarkt zu einer wesentlichen Einschränkung des Neuzuzugs zugunsten der bereits in Österreich aufhältigen Fremden kommen. Das heißt, der Neuzuzug ist im wesentlichen auf Schlüsselkräfte beschränkt, also auf Personen, die am österreichischen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung


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stehen. Für weniger qualifizierte Arbeiten sollen jene Personen herangezogen werden, die bereits in Österreich leben.

Meiner Auffassung nach folgt das neue Fremdenrecht diesen richtigen Grundsätzen: Integration vor Neuzuwanderung und verbesserte Integration durch erleichterten Zugang zum Arbeitsmarkt. Unverändert bleibt der Grundsatz, daß ein Zuzug nur im Rahmen der von der Bundesregierung jährlich zu beschließenden Quotenverordnung möglich sein wird. Im Zuge des neuen Fremdenpakets kommt es auch zu einer nachhaltigen Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Lassen Sie mich auf einige Punkte des Fremdengesetzes eingehen. Für uns als Ländervertretung ist insbesondere interessant, daß das Mitbestimmungsrecht der Länder bei der Festlegung der Jahresquote wesentlich verbessert wird. Das heißt, die Quote darf durch die Bundesregierung nur mit Zustimmung des Landes höher als beantragt festgelegt werden.

Integration vor Neuzuwanderung – dieser Grundsatz wird auch bei Saisonarbeitskräften umgesetzt. In erster Linie sollen jene Personen als Saisonarbeiter herangezogen werden, die bereits in Österreich aufhältig sind. Damit wird – zumindest für eine beschränkte Dauer – ein Zugang zum Arbeitsmarkt und damit eine verbesserte Integrationsmöglichkeit geschaffen. In diesem Zusammenhang sind auch die Rotationsarbeitskräfte zu nennen, da ein Interesse der Wirtschaft besteht, Regelungen für Personen zu finden, die zur Ausbildung in Österreich sind. Auch bei den Studenten konnte eine Regelung gefunden werden, damit es für sie keine Quote mehr gibt.

Der Familiennachzug wird in der Richtung verbessert, daß neu Zuziehende das Recht haben, die Familie – selbstverständlich unter Einrechnung in die Quote – mitzunehmen. Dadurch können in Hinkunft lange Wartefristen vermieden werden. Für den Familiennachzug wird es weiterhin eine eigene Quote geben. Neben dem Ehepartner sollen in erster Linie Kinder bis zum 14. Lebensjahr nachziehen können. Das halte ich auch aus christdemokratischer Sicht für eine sinnvolle Lösung.

Im Zusammenhang mit der Aufenthaltsverfestigung ist vorgesehen, daß Personen, die bereits fünf Jahre in Österreich einer Arbeit nachgegangen sind, vor einem Aufenthaltsverbot geschützt werden. Es ist aber selbstverständlich, daß dieses Recht verfällt, wenn sie in diesem Zeitraum straffällig geworden sind.

Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Im Gegensatz zu meinem Vorredner Dr. Bösch vertrete ich die Auffassung, daß dieses Integrationspaket zu Recht den Namen "Integrationspaket" verdient, da Familienangehörige nach Ablauf von vier Jahren ein selbständiges Aufenthaltsrecht bekommen, auch wenn ihre Ehe geschieden wird, und da Familienangehörige im Rahmen der 9-Prozent-Quote nach dem Ausländerbeschäftigungsrecht Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt bekommen.

Lassen Sie mich noch auf einige wesentliche Änderungen im Asylgesetz eingehen. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß viele Personen nach illegaler Einreise erst in Österreich um Asyl ansuchten, obwohl in vielen Fällen von vornherein keine Aussicht auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Konvention bestand. Da es nach Ablehnung des Asylantrags oft nicht möglich war, diese Personen entweder in ihre Heimat oder in einen Drittstaat, in dem sie vor Verfolgung sicher gewesen wären, abzuschieben, sind sie ohne legalen, aufenthaltsrechtlichen Status in Österreich geblieben und gelten hier als De-facto-Flüchtlinge.

Diesem Problem soll im neuen Asylgesetz durch Asylantragsstellung an der Grenze begegnet werden. Dem Asylwerber soll eine Einreise nur dann gestattet werden, wenn eine direkte Einreise vorliegt, wenn er also nicht bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war und dort einen Asylantrag hätte stellen können. Ferner wird vor Ermöglichung der Einreise auch geprüft, ob der Asylantrag nicht offensichtlich unbegründet ist. Unbegründet wäre er etwa dann, wenn der Antragsteller selbst wirtschaftliche Gründe für seine Flucht angibt, wenn nach allgemeiner Erfahrung im Fluchtstaat keine Verfolgungssituation herrscht oder wenn der Antragsteller an seiner Identitätsfeststellung nicht mitwirkt. Diese Fragen werden vom Bun


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desasylamt in einem verkürzten Verfahren geprüft, um sicherzustellen, daß bis zum Abschluß der Prüfung eine Rücknahmeverpflichtung desjenigen Staates besteht, aus dem der Asylwerber gekommen ist.

Wichtig zu sein scheint mir auch, zu vermeiden, daß es wegen der Kürze der Verfahrensfristen zu unbilligen Entscheidungen kommt. In dem Zusammenhang halte ich es für erwähnenswert, daß karitativen Organisationen ausdrücklich der Zugang zur Rechtsberatung der Asylwerber geöffnet wird. Um für Antragsteller einen Anreiz zu schaffen, den Antrag an der Grenze zu stellen, sollen diese Personen aufenthaltsrechtlich bevorzugt behandelt werden.

Ich möchte weiters den Punkt der Schaffung eines unabhängigen Bundesasylsenats gesondert herausgreifen. Nicht nur im Interesse des Rechtsschutzes, sondern auch zur Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein unabhängiger Bundesasylsenat beim Bundeskanzleramt eingerichtet worden, der weisungsungebunden über Rechtsmittel gegen Asylbescheide des Bundesasylamtes zu entscheiden hat. Durch diesen verbesserten Rechtsschutz kann dem Verwaltungsgerichtshof ein Ablehnungsrecht von Beschwerden in Asylsachen eingeräumt werden.

Meine Damen und Herren! Eingedenk der Diskussion im Jahr 1996 über die Fremdengesetze, als aus der Sicht meiner Fraktion noch keine zufriedenstellende Lösung gegeben war, möchte ich die konstruktive Rolle des neuen Herrn Innenministers hervorheben. Sie soll hier nicht ungelobt bleiben. Von seiten meiner Fraktion werden wir diesen Gesetzen die Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

12.49

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Bundesminister. – Bitte.

12.49

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zuerst bei den drei Fraktionsvorsitzenden dafür bedanken, daß sie mir das Recht eingeräumt haben, nach meiner Wortmeldung den Plenarsaal zu verlassen. Durch die Verschiebung der Tagesordnung bin ich in sehr große Terminprobleme gekommen. Ich danke allen drei Fraktionen sehr herzlich für das Verständnis.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte bereits mehrmals in der Diskussion zum Integrationspaket die Gelegenheit, wichtige Veränderungen und Neuerungen in drei Bereichen als Ziel des Integrationspaketes zu nennen.

Der erste Bereich ist das Asylrecht. Es soll auch in Zukunft garantieren, daß Menschen, die in Österreich Schutz und Hilfe suchen, Schutz und Hilfe auch finden. Allerdings darf – das sei klar hinzugefügt – das Asyl nicht mißbraucht werden. Man muß klare Schranken setzen, damit das Asyl nicht dazu verwendet wird, eine wirtschaftliche Migration nach Österreich einzuleiten.

Die zweite wichtige Säule ist, daß die in Österreich bereits integrierten Ausländer, die in Österreich lebenden Mitbürger ausländischer Herkunft die Möglichkeit haben, in unserem Land noch besser integriert zu werden, als das bisher der Fall gewesen ist. Sie sollen auch die Möglichkeit haben, schrittweise Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden, und sie sollen die Möglichkeit haben, mittelfristig die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben.

Die dritte Botschaft ist folgende: In Österreich kann es in Zukunft nur mehr in äußerst beschränktem Ausmaß Neuzuwanderung geben. Die große Zuwanderungswelle, die es zu Beginn der neunziger Jahre gegeben hat, kann in diesem Ausmaß nicht mehr fortgesetzt werden. Neuzuwanderung wird in den nächsten Jahren nur noch in einigen wenigen Fällen möglich sein, nämlich im Bereich der Spitzenarbeitskräfte und im Bereich des Familiennachzuges.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat Bösch hat in dem einen oder anderen Bereich Kritik geübt. Ich möchte dazu nur sagen, daß die Quotenregelung für mich sehr wichtig ist. Viele Länder beneiden uns darum, daß wir eine klare Quotierung durchgeführt haben. Es


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gibt nun eine klare Zuweisung und Zuordnung, welche Menschen zu welchen Zeitpunkten nach Österreich einwandern können. Diese Quote, die sich im wesentlichen aus Spitzenarbeitskräften, Familiennachzug und anderen Erwerbstätigen zusammensetzt, dient dazu, die Neuzuwanderung in Österreich geordnet und in geregelten Bahnen durchzuführen. Ich bin der Überzeugung, daß das wichtig und gut ist.

Ich halte die zusätzliche Forderung nach Saisonniers in Österreich für eine falsche Forderung, und zwar vor allem deswegen, weil in Österreich mehr als 60 000 Menschen leben, die zwar eine legale Aufenthaltsbewilligung, aber keine Arbeitsbewilligung haben. Es ist sinnvoller, zuerst diesen Menschen die Möglichkeit zu geben, in Österreich integriert zu werden, als diesen Menschen gegenüber eine abwartende Haltung einzunehmen und gleichzeitig anderen Menschen aus dem Ausland die Möglichkeit zu geben, als Saisonniers in Österreich zu arbeiten.

Weiters möchte ich zur Kritik des Herrn Bösch sagen: Mir ist die klare Feststellung wichtig, daß Österreich ein Land der Hilfe und des Asyls in den Bereichen ist, in denen es notwendig ist, schutz- und hilfebedürftigen Menschen tatsächlich Schutz und Hilfe zu geben. Deshalb haben wir fast 90 000 bosnische Kriegsflüchtlinge in Österreich aufgenommen. Von diesen 90 000 Flüchtlingen standen mit Ende Mai nur noch 9 200 in der Bund-Länder-Betreuung.

Ich bin davon überzeugt, daß es uns gemeinsam gelingen wird, diesen Menschen entweder die notwendige Unterstützung zu geben, daß sie in ihre Heimat zurückkehren können, oder, wenn sie weiterhin schutzbedürftig sind, wenn sie krank, alt, behindert, minderjährig oder alleinstehend sind, wenn sie aus Gebieten kommen, in die sie nicht zurückkehren können, weil sich die ethnischen Mehrheiten völlig verändert haben, diesen Menschen – es sind ohnehin nur mehr einige wenige tausend – die Möglichkeit zu geben, in unserem Land weiterzuleben und auch integriert zu werden. Das ist meiner Meinung nach ein wichtiger, humaner Bestandteil unserer Asylpolitik, und daran sollten wir auch in Zukunft festhalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne glaube ich, daß mit dem Integrationspaket versucht wird, in der Ausländerpolitik der nächsten Zeit einen Weg der Mitte zu gehen, einen Weg, der dadurch gekennzeichnet ist, daß Neuzuwanderung kaum mehr möglich ist, aber die Integration der Menschen, die bereits in Österreich sind, auch in Zukunft ermöglicht wird. Die Menschen sollen eine faire Chance und die Möglichkeit haben, nicht nur eine Aufenthaltsbewilligung, sondern auch eine Arbeitsbewilligung zu bekommen.

In diesem Sinne bitte ich Sie, die vorliegenden Gesetze nicht zu beeinspruchen und damit die Möglichkeit zu geben, daß Österreich ein neues Fremdenrecht und ein neues Asylrecht bekommt, das vom Prinzip der Sicherheit für die Menschen und vom Prinzip einer restriktiven Zuwanderungspolitik ausgeht, das aber auch von dem Prinzip ausgeht, daß kein österreichischer Arbeitnehmer Angst zu haben braucht, in Zukunft von billigen ausländischen Arbeitskräften vom Arbeitsplatz verdrängt zu werden. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.54

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Herr Bundesminister.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Freiberger. – Bitte.

12.55

Bundesrat Horst Freiberger (SPÖ, Steiermark): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir diskutieren heute das Integrationspaket. Ein zentraler Bestandteil dieses Paketes ist der vorliegende Entwurf einer Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz und zum Arbeitslosenversicherungsgesetz. Mit diesen Novellen möchte ich mich in meinem Beitrag beschäftigen.

Es hat sich herausgestellt, daß für diejenigen ausländischen Mitbürger, die schon seit mehreren Jahren in Österreich leben, jedoch keine Beschäftigungsbewilligung haben, der Zugang zum Arbeitsmarkt nicht möglich ist. Bei der Neuregelung wird von dem Grundsatz ausgegangen, bereits langjährig im Land aufhältigen Ausländern innerhalb des bestehenden Höchstquoten


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systems vorrangig den Zugang zum Arbeitsmarkt zu eröffnen. Gleichzeitig wird der Neuzuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland restriktiver gestaltet, als er jetzt noch möglich ist.

Meine Damen und Herren! Ich möchte nun einige Schwerpunkte nennen, die mit dieser Novelle verfolgt werden: erstens die Harmonisierung des Rechts auf Aufenthalt mit dem Recht auf Zugang zur Beschäftigung, zweitens die Sicherung der Ordnung am Arbeitsmarkt, drittens die Beschränkung des Neuzuzuges auf das wirtschaftlich notwendige Minimum, viertens die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Integration in den Arbeitsmarkt von legal aufhältigen Ausländern, fünftens die Umsetzung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bezüglich der Notstandshilfe für Ausländer und sechstens eine wirksamere Sanktionierung bei Verstößen gegen das Ausländerbeschäftigungsgesetz. Damit sind einige wichtige Punkte herausgegriffen.

Hohes Haus! Mit dieser Novelle werden wir endlich in die Lage versetzt, den unmenschlichen Umstand zu beseitigen, daß jemand, der legal in Österreich lebt, keine Möglichkeit einer Beschäftigung hat. Damit aber die rund 60 000 Betroffenen nicht auf einmal auf den Arbeitsmarkt drängen, ist eine Übergangsfrist vorgesehen. Erst nach acht Jahren legalem Aufenthalt soll ein Zugang zum Arbeitsmarkt möglich sein.

Meine Damen und Herren! Die Grenzen sind also fast dicht. Ausnahmen soll es nur noch für Schlüsselkräfte oder betriebsentsandte ausländische Arbeitskräfte und Saisonarbeitskräfte geben. Mit dieser Regelung werden wir die Wünsche des Herrn Abgeordneten Prinzhorn nicht befriedigen können, der noch 1996 gegenüber dem "Standard" erklärt hat: "Brauchen Ausländer wie einen Bissen Brot." Ebenso fordert die Freiheitliche Partei im Burgenland: Wir brauchen Ausländer im Tourismus. Andererseits wird von dieser Partei häufig die Parole ausgegeben ... (Bundesrat Payer: Nicht nur die Freiheitlichen, auch die ÖVP fordert das!) Ja, aber diese Parole wird vor allem von den Freiheitlichen ausgegeben: "Ausländer raus!" – Meine Damen und Herren! Daran wird wieder einmal deutlich, welchen Zickzackkurs die FPÖ in dieser Frage verfolgt.

Hohes Haus! Abschließend möchte ich auf die Novelle des Arbeitslosenversicherungsgesetzes eingehen. Aufgrund eines Spruches des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, wonach die Staatsbürgerschaft nicht als Kriterium für einen Anspruch auf Versicherungsleistung herangezogen werden darf, werden in der vorliegenden Novelle hinsichtlich des Anspruches auf Notstandshilfe Inländer und Ausländer gleichgestellt. Gleichzeitig werden die Anspruchsvoraussetzungen neu definiert. Nun haben – unabhängig von ihrer Staatszugehörigkeit – alle Arbeitslosen Anspruch auf Notstandshilfe, die entweder in Österreich geboren sind oder ihre halbe Lebenszeit oder, wenn sie unter 25 Jahre alt sind, die halbe Pflichtschulzeit in Österreich verbracht haben. Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, muß eine achtjährige Beitragsleistung zur Arbeitslosenversicherung in den letzten zehn Jahren gegeben sein. Erst dann ist der Genuß der Notstandsunterstützung möglich.

Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten sehen in diesen Novellen deutliche Verbesserungen gegenüber der jetzigen Situation. Daher wird meine Fraktion diesem Integrationspaket die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ.)

13.00

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Tremmel. – Bitte.

13.00

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Präsidentin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn mein Herr Vorredner gesagt hat, wir steuern einen Zickzackkurs, dann hat er sich meiner Meinung nach den Bericht des Ausschusses und die Regierungsvorlage nicht durchgelesen, und er kennt auch unsere Vorschläge nicht. Die Vorschläge des Kollegen Prinzhorn haben sich natürlich auf das Saisonnier-Modell bezogen, wie es in der Schweiz seit langem gehandhabt wird. Selbstverständlich wollen wir entsprechend gute Arbeitsplätze haben, wie sie es auch in der größten Demokratie der westlichen Welt, in den USA, gibt. Kein anderes Land macht für andere Bereiche so leicht die Grenzen auf.


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Der Herr Minister hat das Fremdenpolizeigesetz und das Einwanderungsrecht, im Fremdengesetz zusammengefaßt, dahin gehend definiert, daß eine Verbesserung der Rechtsstellung der in Österreich niedergelassenen Fremden erreicht werden soll, daß die Aufenthaltsverfestigung – das wird hier elegant umschrieben – ermöglicht wird und der Familiennachzug stattfindet. Die Integration der hiesigen Fremden hat unter Anpassung an die Schengener Vertragsbestimmungen Vorrang. – Das wäre der eine Bereich. Beim Asyl geht es um die Regelung des Aufenthalts und um die Regelung des Asylerwerbes. Am Papier ist das sehr gut geregelt, in der Praxis aber schlecht gehandhabt.

Mein Parteifreund Dr. Bösch hat bereits zitiert, daß die Anzahl der Fremden explodiert ist, und zwar von 200 000 auf 700 000. Die Illegalen sind dabei nicht miteingerechnet, man schätzt die Zahl auf noch einmal so hoch oder zumindest auf 50 Prozent. Ich weiß aber sehr genau, was in Graz los ist. Bei einer Stadtbevölkerung von 240 000 haben wir bereits 26 000 legal gemeldete Fremde aus 250 Nationen. Dieser Prozentsatz hat sich im vorhin angegebenen Zeitraum beinahe vervierfacht. Interessant ist auch, daß bei uns zum Beispiel etwa der Hauptteil der in Österreich offiziell gemeldeten Nigerianer lebt, also beinahe 70 Prozent, das sind 288. Viele bringen das mit verschiedenen Deliktsbereichen, etwa im Bereich der Drogen, in Zusammenhang. – Das sei hier nur erwähnt.

Wenn heute gesagt wird, es ist ein Anliegen, die Besserstellung der Ausländer in Österreich zu erreichen, so scheint es mir ebenso ein Anliegen zu sein, die Rechtssicherheit endlich herbeizuführen und den sicherheitspolizeilichen Bereich zu verstärken. Um die Exekutive, die sich zerspragelt, sollte man bemüht sein. Im Ausschuß stellte ich die Frage, als ich § 66 des in Behandlung stehenden Gesetzes zitiert habe, wo die Schubhaft ersetzt werden sollte. Wem schiebt man ab? – Denjenigen, der die Bedingungen für einen Aufenthalt in unserem Land nicht erfüllt, oder denjenigen, der gegen die Gesetze des Landes verstoßen hat? Letzterer darf einen Wohnsitz angeben und sich zweimal die Woche melden. Da wurde mir in dürren Worten mitgeteilt: Man wollte die Exekutive entlasten. Frei umgesetzt heißt das, daß ich Personen auf freiem Fuß belasse, die in Österreich Delikte begangen haben.

Kollege Bösch hat bereits die "Hitliste" aus dem Sicherheitsbericht zitiert, ich darf sie noch ein bisserl verfeinern. Der Ausländeranteil bei der Bandenbildung hat sich im Zeitraum von 1994/95 von 72,7 Prozent auf 88,5 Prozent erhöht. Oder: der Kreditkartenbetrug von 34 Prozent auf 61,5 Prozent, die erpresserische Entführung von 62,5 Prozent auf 66,7 Prozent, und der bewaffnete Diebstahl – der gewerbsmäßige Bandendiebstahl wurde bereits zitiert – hat sich ebenso auf 57,8 Prozent erhöht.

Ich habe hier schon einmal die deutsche Zeitschrift "FOCUS" vom 6. Mai 1996 zitiert, die die Verbrechenshauptstädte Europas aufzählt. Hier ist Berlin mit 166 Straftaten pro 1 000 Einwohner führend – umgelegt in absolute Zahlen sind es 581 000 Delikte –, gefolgt – merken Sie auf – von Wien mit 143 Straftaten pro 1 000 Einwohner oder 172 000 Gesamtdelikten. Erst dahinter kommen London, Paris und andere. Weiters schreibt diese Zeitschrift: Am 22. April 1995 landeten drei ehrenwerte Herren aus Wien kommend auf dem Flughafen Tegel im Hotel "Holiday Inn". Nahe dem Kuhdamm wurden Viktor A., Sergej M. und Arnold D. von Berliner Geschäftsfreunden empfangen. Verdeckte Ermittler fotografierten Küßchen und Umarmung, dann verschwanden die Bösewichte in zwei Luxussuiten. Die Fahnder sind sich sicher, ein Gipfeltreffen russischer Mafiapaten, das hier von Wien aus organisiert wurde. Das sollte uns nachdenklich stimmen.

Die Kritikpunkte an dieser Vorlage wurden bereits zitiert. Hauptkritikpunkt, meine Damen und Herren, ist, daß die Gleichbehandlung der hier in Österreich Wohnenden, der Österreicher, mißachtet wird. Der Herr Minister zitiert immer wieder Artikel 8 der Menschenrechtskonvention und spricht von einem Anspruch auf Achtung des Privatlebens, des Familienlebens, der Wohnung, des Briefverkehrs und der Arbeitswelt. Meine Damen und Herren! Das gilt auch für diejenigen Menschen, die hier bereits wohnen, die österreichische Staatsbürger sind. Wir würden von einem solchen Gesetz erwarten, daß endlich eine Gleichbehandlung erfolgt. (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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Wenn dieses Gesetz so gut ist, und wenn es von der Bevölkerung akzeptiert wird, wie immer wieder gesagt wird – eine IMAS-Studie sagt allerdings etwas anderes, 62 Prozent der Österreicher sind gegen eine Liberalisierung der Zuwanderung –, dann frage ich Sie, meine Damen und Herren: Warum unterziehen wir dieses Gesetz keiner Volksabstimmung? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Warum sagt der Herr Minister permanent: Nein, die Mitwirkung der Österreicher ist gegeben, weil das im Nationalrat und letztlich im Bundesrat beschlossen wird. Warum machen wir nicht ein Mitwirkungsrecht à la Staatsbürgerschaftsrecht der Schweiz, der Gemeinden, der wirklich Betroffenen bei Daueraufenthaltsgenehmigungen? Jetzt kommt aber kein Fremdenhaß oder irgend etwas anderes zum Ausbruch, das wäre eine Unterstellung. Gerade die Österreicher haben seit Ende des Zweiten Weltkriegs 2,5 Millionen Menschen aufgenommen. Kein Land der Welt hat in diesem Ausmaß Menschen integriert. Angesichts dessen wäre dies eine Unterstellung.

Erinnern Sie sich an die Aktion "Nachbar in Not". Milliarden wurden dabei aufgebracht. Erinnern Sie sich an den "Ungarnaufstand", erinnern Sie sich an die Tschechenkrise. Ich glaube, der Österreicher ist reif genug, hier bei der Handhabung der Fremdengesetze mitzuwirken. Geben Sie ihm diese Mitwirkung. Dann haben Sie tatsächlich eine moralisch gerechtfertigte, ordentliche Methode, wer in unserem Land wohnen und wer die Staatsbürgerschaft bekommen kann. Mit dieser Methode helfen Sie dem Guten, und den Schlechten sondern Sie dabei aus.

Das sind die maßgeblichen Kritikpunkte: Sie machen keine Volksabstimmung, Sie lassen die eigenen Leute bei einem solch wichtigen Recht nicht mitwirken. Sie legen lieber so etwas auf den Tisch und sagen, die Österreicher wären damit einverstanden. – Aus diesem Grund ist es uns nicht möglich, dieser Materie die Zustimmung zu geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.10

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Dr. Liechtenstein. – Bitte.

13.10

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lassen Sie mich kurz als Einführung sagen, daß das Fremden- und Asylgesetz im wesentlichen eine europäische Frage ist. Österreich war stets weltoffen und ausländerfreundlich in seinem Herzen.

Ich möchte jetzt etwas zurückschauen: Viele tausend Ausländer haben in den letzten Jahrzehnten bei uns eine neue Heimat gefunden. Ausländische Arbeitnehmer haben in jahrelanger Arbeit hierzulande einen Beitrag zum Fortschritt geleistet, sich die Grundlage für eine bessere Zukunft hier oder in ihrer Heimat geschaffen. Das wollen wir erhalten. Ihnen allen galt und gilt in gleicher Weise der Schutz und die Vorsorge dieses Staates. Ich spreche aber jetzt über den mitteleuropäischen Raum hinaus.

Wir haben als Österreicher gerade in den letzten fünf Jahrzehnten vieles geleistet und viele aufgenommen. Ich denke vor allem an die verschiedenen Völker und Nationen, die mit uns durch Jahrhunderte zusammen waren, ob das die Ungarn 1956, die Tschechen und Slowaken 1968, die Kroaten, die Bosnier, aber auch – ich möchte unter keinen Umständen das vergessen, was 1945 passiert ist – die Sudetendeutschen, die Südmährer, die Gottscheer, die Siebenbürger Sachsen oder die Donauschwaben, um nur wenige zu nennen, waren. Aber unser Weg geht auch über diesen Raum hinaus, der uns jahrhundertelang übernational verbunden hat.

Jetzt aber zur Gegenwart: Weltoffenheit, soziale Gerechtigkeit gegenüber allen Mitmenschen, aber auch Toleranz und Gewissensfreiheit sind die Kennzeichen christlich-abendländischer Kultur. Sie sind das geistig wertvolle Fundament für das Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Für die Volkspartei ist die europäische weltoffene Kultur des Verstandes und des Herzens die Grundlage jeglichen politischen Handelns und friedlichen menschlichen Zusammenlebens. Christentum, Humanismus und Aufklärung gebieten Toleranz. Das wollen wir erhalten. Wertordnungen, die Toleranz nicht respektieren, schaffen Anlässe für tiefgreifende gesellschaftliche Konflikte. Daher lehnen wir die Selbstaufgabe in einer multikulturellen Gesellschaft ab.


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Die EU steht als Wohlstandszone in Europa unter wachsendem Zuwanderungsdruck. In einem Wirtschafts- und Rechtsraum ohne Binnengrenzen lassen sich Wanderungen nur EU-weit beherrschen und regeln. Richtig ist daher, eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik zu fordern, zu gestalten, die gesamteuropäischen Interessen dient. Wir lehnen eine unkontrollierte Zuwanderung in die dichtestbesiedelten Regionen Mitteleuropas aus sozialen und ökologischen Gründen ab, nicht aber aus Fragen der Sicherheit, des Asylrechtes. Natürlich sehen wir uns – wir denken über unsere Grenzen hinaus – als Europäer. Der Frieden und die Freiheit in Europa sind nur durch Zusammenarbeit zu sichern. Europa kann eben nur in Freiheit und Frieden weiterleben, wenn es die Kraft zur Einigung findet. Europa war und bleibt nach den Katastrophen dieses Jahrhunderts eine grundlegende Voraussetzung für eine gesicherte Zukunft der europäischen Völker. Und wir sind im Kern dieser europäischen Völker. Nur ein bürgernahes, starkes und entscheidungsfähiges Europa bewahrt den Völkern unseres Kontinents ihre Unabhängigkeit und sichert ihre weltpolitische Handlungsfähigkeit.

Die großen Zukunftsaufgaben Europas lassen sich mit Mitteln des Nationalstaates nicht lösen. Europa muß Frieden und Freiheit sichern. Die wirksame Bekämpfung des international organisierten Verbrechens, die Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen angesichts grenzüberschreitender Belastungen sowie die Eindämmung der Zuwanderung und eine verbindliche durchgreifende Regelung des Asylproblems können nur europäisch erfolgen. Deshalb ist die Einheit die Schicksalsfrage Europas. Die Vereinigung Europas ist deshalb auch unsere Zukunft. Die grenzüberschreitenden Herausforderungen erfordern eine internationale Lastenteilung und Zusammenarbeit in der Gemeinschaft.

Jetzt spreche ich etwas an, was gerade uns Österreicher im speziellen betrifft: die europäische Integration in Richtung Osten. Es sind sehr viele, um die es bei dieser Diskussion geht, die aus diesem Bereich kommen. Zusammen mit unseren westlichen Partnern müssen wir Wege finden, den jetzt freien Völkern Mittel-, Süd- und Südosteuropas die geistige, politische und wirtschaftliche Heimkehr nach Europa zu ermöglichen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen des gesamten Westens, den demokratischen Kräften in den ehemals kommunistisch beherrschten europäischen Staaten zu dauerhaftem Erfolg zu verhelfen. Wir sehen hier eine vordringliche Aufgabe. Die Stabilität der eigenen Währung, das Wachstum der eigenen Wirtschaft, die Sicherheit des eigenen Sozialsystems, aber auch eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, die ein wirkungsvolles Krisenmanagement miteinschließt, sind Voraussetzung dafür, daß die Europäische Union anderen zu helfen imstande ist. Das gilt im speziellen auch für das Asyl- und Fremdenrecht.

Im Hinblick auf das Scheitern des Kommunismus und die Demokratisierungsbewegung bei unseren östlichen Nachbarn stellen sich allen europäischen Völkern neue Aufgaben. Unsere Verantwortung und die wirtschaftliche und politische Vernunft gebieten eine enge Zusammenarbeit der EU-Staaten mit den Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas. Die Bemühungen dieser Staaten unseres Kontinents um Assoziierung oder Beitritt zur Europäischen Union müssen wir soweit wie möglich unterstützen. Dabei möchte ich auf die Bewahrung der Volksgruppen- und Minderheitenrechte in diesem östlichen Europa Bezug nehmen, weil das auch zur Frage Asylrecht gehört. Natürlich treten wir für das Recht auf die angestammte Heimat als ein unabdingbares Menschenrecht ein und verurteilen jede Form der Vertreibung. Eine freie, friedliche und gerechte Ordnung in Europa erfordert zwingend die Schaffung eines international verbrieften Volksgruppenrechtes und eines durchsetzbaren Minderheitenschutzes.

Als Antwort auf nationalistische Irrwege und geschichtliche Katastrophen unseres Kontinents haben wir stets auf ein freies und geeintes Europa zu setzen. In einem Zeitalter globaler Verflechtungen und weltweiter Aufgabenstellungen kann kein europäischer Staat für sich allein die Interessen der Menschen wahren. Deshalb wollen wir ein Europa, daß außen- und sicherheitspolitisch die Kräfte seiner Länder bündelt und die Wirtschaftskraft der ganzen Gemeinschaft zum Wohl jedes einzelnen Landes stärkt. Europas geschichtlicher und geistiger Reichtum kann nur bei Wahrung der Identität seiner Volksgruppen und der heimatgebundenen Lebensfähigkeit seiner Regionen bewahrt werden. Föderalismus und Subsidiarität sind die Bausteine unseres Europa. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)


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Wir haben – es gibt sie – Chancen zu schöpferischer Neugestaltung. Zusammen mit den neuen innenpolitischen Herausforderungen wie die Sorge um die ökonomischen Auswirkungen der Öffnungen Osteuropas und um die Bewältigung der strukturellen Wirtschaftsprobleme, der Angst vor der um sich greifenden Kriminalität sowie den längerfristigen Herausforderungen im Bereich der Sozialversicherung hat dieser Umbruch in Europa bei vielen Menschen ein Gefühl der Unsicherheit und einen Hang zum Zukunftspessimismus ausgelöst. Das Bedürfnis nach Orientierung, nach Stabilität und Sicherheit in einer Welt des Wandels und der Unsicherheit ist groß. Die Frage nach dauerhaften und bewährten Grundsätzen, an denen man sich orientiert und auf die man bauen kann, wird immer häufiger und auch immer heftiger gestellt.

Bis zum Revolutionsjahr 1989/90 endete das politische Europa beim Eisernen Vorhang. Viele Westeuropäer haben immer noch Schwierigkeiten, sich darauf einzustellen, daß sich Europa nach Osten öffnet. Erst allmählich begreifen wir Westeuropäer, daß der Stand der Westintegration nicht ausschließlich das Produkt freier Selbsterkenntnis ist.

Im Ergebnis der westeuropäischen Integration spiegelt sich natürlich auch die jahrzehntelange Bedrohung eines expansiven Kommunismus in Osteuropa wider und damit die teilungsbedingte Machtbalance Westeuropas – und damit einerseits die Asylfrage bei uns und andererseits die Fremdenfrage für Europäer unter sich.

Die sicherheitspolitische Bedrohung in erster Linie ist einmal weggefallen, aber Europa braucht eine Architektur, die allen Völkern und Menschen Schutz und Lebensraum bietet. Der Umbau Europas ist die größte Chance für eine Friedensordnung, die dieser Kontinent je hatte. Die Gemeinschaft freier Völker darf kein Volk willkürlich ausgrenzen. Jetzt sind neue Völker hereingekommen, die sich zu demokratischen Werten bekennen. Deswegen dürfen wir diese Völker auch nicht ausgrenzen, sonst würden wir nicht glaubwürdig sein gegenüber dem, was wir jahrzehntelang vertreten haben.

Die befreiten Länder Osteuropas stehen vor einer schwierigen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Aufgabe. Seit der Eiserne Vorhang gefallen ist, liegt das Wohlstands- und Wohlfahrtsgefälle offen. Das kann zu neuen nationalen und sozialen Spannungen führen. Es wird uns nicht unberührt lassen, und es kann uns deshalb auch nicht gleichgültig sein, ob sich an unseren östlichen Grenzen soziale und politische Spannungen aufbauen, die nicht nur uns, sondern ganz Europa in Mitleidenschaft ziehen können.

Der wirtschaftliche und soziale Ausgleich zwischen West- und Osteuropa ist nicht nur ein Gebot der Solidarität, sondern auch die wichtigste Investition in den Frieden. Die europäischen Nationen müssen auf Souveränität verzichten, denn nur wenn Europa als Kontinent in der Außen- und Sicherheitspolitik handlungsfähiger wird, werden wir unsere Rechte und Interessen in der Welt angemessen wahren können. Der Binnenmarkt ohne Grenzen kann nur mit einem gemeinsamen sozial- und umweltpolitischen Mindeststandard funktionieren. Hinzukommen muß eine europäische Kriminalitätsbekämpfung, eine europäische Asyl- und Einwanderungspolitik, damit wir den Wohlstandsgewinn nicht mit einem Sicherheitsverlust bezahlen müssen.

Meine Partei wird diesen Gesetzen die Zustimmung geben. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP.)

13.23

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Herbert Platzer. Ich erteile es ihm.

13.23

Bundesrat Herbert Platzer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Bundesräte! Es ist heute bereits vieles gesagt worden, sodaß ich einiges von dem, was ich mir zu sagen vorgenommen habe, streichen kann. Ich möchte auch gleich vorausschicken, daß meine Fraktion all diesen Beschlüssen zustimmen wird.

Das Thema "Fremde und Asyl" ist ein Thema, das wie kaum ein anderes in der Öffentlichkeit Emotionen auslöst und offensichtlich auch hier im Bundesrat. Herr Dr. Tremmel – ich glaube, er ist gerade hinausgegangen – wird es mir verzeihen, wenn ich einen Dichter zitiere, den ich sehr


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schätze, den aber viele nicht kennen: Es ist Professor Ernst Jandl. Zur Definition Demokratie hat Ernst Jandl gesagt: Unsere Ansichten gehen als Freunde auseinander. Und ich glaube, daß jeder weiß, wie dieses Thema in der Öffentlichkeit behandelt wird. Über dieses Thema wird selten anders als negativ in der Öffentlichkeit geredet. Viele unserer Mitbürger reden hauptsächlich aus dem Bauch heraus und weniger mit dem Kopf. Es ist klar, daß das Thema Ausländer in unserem Land für eine Mehrzahl der Österreicher negativ besetzt ist.

Manchmal – auch Ihnen ist es sicher so ergangen – gibt es wüste Aussagen, die nur beweisen, welche Urängste es bei diesem Problem gibt. Diese Urängste kann ich durchaus verstehen. Es ist so, daß Angst aggressiv macht.

Umso wichtiger sind daher die Intentionen der vorliegenden Gesetze, die für mich und für meine Fraktion sehr viele Klarstellungen bringen, die auch dazu angetan sind, die Österreicher zum Teil zu beruhigen. Es gibt viele Kompromisse, aber es sind doch entscheidende Verbesserungen gegenüber den bisherigen Gesetzesvorlagen und Gesetzestexten zu erwarten.

Als das Fremden- und Aufenthaltsgesetz anfangs der neunziger Jahre geschaffen wurde, war es zunächst einmal durchaus positiv besetzt, es hat aber im Vollzug Probleme und Mängel gegeben, sodaß es nur von Vorteil sein kann, wenn jetzt diese Gesetze in einem einzigen Fremdengesetz 1997 zusammengefaßt werden.

Diese Gesetze werden mit 1. Jänner 1998 in Kraft treten. Über die einzelnen Punkte möchte ich nicht mehr viel sagen, Herr Bundesrat Himmer und auch Bundesminister Schlögl haben diese schon dargelegt. Das Wichtigste ist, daß zwar Integration vor Neuzuwanderung steht, aber daß es in Zukunft nur mehr eine Neuzuwanderung für Schlüsselkräfte geben wird, und zwar – das betone ich noch einmal, auch wenn es nicht geglaubt wird – beim innerhalb der Quote stattfindenden Familiennachzug.

Zu dem Zugang zum Arbeitsmarktservice, das Kollege Freiberger bereits genannt hat, möchte ich kurz und ohne Kommentar einige Stellen aus dem Geschäftsbericht 1996 zitieren – Arbeitsmarktservice Niederösterreich. Hier gibt es ein eigenes Kapitel über Ausländerbeschäftigung. Resümee: Es ist ein Rückgang der bewilligungspflichtig beschäftigten Ausländer im Jahr 1996 festzustellen, in den Jahren 1997 und 1998 sicher noch einmal. Es wurden in Niederösterreich 37 364 bewilligungspflichtig beschäftigte Ausländer gezählt. Im Jahresdurchschnitt verringerte sich die Zahl der bewilligungspflichtig beschäftigten Ausländer um 2 649 gegenüber 1995.

Es wurden 1996 18 459 Anträge auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung bearbeitet, 15 812 Beschäftigungsbewilligungen wurden für Industrie, Gewerbe und Tourismus erteilt und 8 200 Saisonbewilligungen für die Landwirtschaft. Tun wir also nicht so, als ob es nicht auch im Interesse der Wirtschaft läge und durchaus berechtigt wäre. Ich habe gar nichts dagegen, wenn der Wunsch nach Ausländerbeschäftigung und Saisonarbeitskräften besteht. Ich nehme an, so ähnlich wie in Niederösterreich wird es auch in den anderen Bundesländern sein, vor allem in den östlichen Bundesländern.

Das Asylgesetz wurde bereits ausführlich behandelt, nicht gesagt wurde – aber ich finde das auch sehr wichtig –, daß es als Asylgrund auch die Vergewaltigung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen gibt. Ich meine, humanistisch denkende Menschen – ich nehme an, alle hier im Bundesrat sind humanistisch denkend, es sind alle angetreten, um für die Menschen etwas weiterzubringen – müssen mit den Intentionen des Asyl- und Fremdengesetzes einverstanden sein. Ausländische Angehörige von Österreichern erhalten sofortiges Aufenthaltsrecht. Es gibt auch die Möglichkeit der Lösung besonderer Härtefälle. Wir kennen aus den Zeitungen die Geschichten von Kindern, die abgeschoben werden müßten.

Ich begrüße auch durchaus, daß es eine verschärfte Bekämpfung und Bestrafung der Scheinehen und Scheinehenvermittlung und eine härtere Bestrafung und Bekämpfung bei Schlepperei geben wird.

Bundesminister Schlögl wurde heute schon massiv angegriffen – ich glaube allerdings, zu Unrecht. Es hat sich gerade dieser Innenminister öffentlich und auch in der Bundesregierung unun


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terbrochen dafür verwendet, daß die Situation im Bereich der Sicherheitsexekutive verbessert wird und daß zum Beispiel bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität erweiterte Fahndungsmethoden eingeführt werden.

Alles in allem stehe ich den vorliegenden Gesetzen durchaus positiv gegenüber, sie enthalten auch Menschlichkeit, wie es Minister Schlögl heute schon gesagt hat. Selbstverständlich werden in Zukunft auch diejenigen, die der Genfer Konvention wegen Verfolgung aus politischem, ethnischem oder religiösem Grund entsprechen, in Österreich Schutz erhalten. Ich meine daher, wir alle könnten diesen Gesetzen guten Gewissens zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.31

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Bundesrat Dr. Peter Böhm. Ich erteile es ihm.

13.31

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Geschätzte Damen und Herren! Der vorliegende Regelungskomplex tritt unter der wohlklingenden Bezeichnung "Integrationspaket" auf. Mit ihm verfolgt das Bundesministerium für Inneres neben dem durchaus hehren und idealistischen Ziel, das humanitäre Asylrecht auf hohem Niveau beizubehalten, vor allem zwei weitere zentrale Absichten: einen Neuzuzug von Ausländern in den nächsten Jahren nur noch in beschränktem Ausmaß zuzulassen; und ferner die bereits hier lebenden Ausländer voll zu integrieren. Aber gerade diese beiden letzten, mehr pragmatischen Hauptintentionen werden mit dem hier zu erörternden Regelwerk nach allen bisherigen leidvollen Erfahrungen ziemlich sicher verfehlt werden.

Beginnen wir nur mit der angestrebten Integration der in Österreich lebenden Ausländer. Das Bundesministerium geht davon aus, daß es derzeit etwa 80 000 bis 85 000 Personen gibt, die wohl über eine Aufenthaltsgenehmigung, nicht jedoch über eine Arbeitsbewilligung verfügen. Von ihnen sind zirka 65 000 im arbeitsfähigen Alter. Folglich sollen sie vorrangig in den Arbeitsprozeß eingegliedert werden. Bestehen dafür aber im Hinblick auf die ohnehin bereits äußerst angespannte Situation auf dem Arbeitsmarkt überhaupt realistische Chancen? – Es würde sich nur der Druck auf diesen erheblich verstärken. Ein weiterer Verdrängungswettbewerb zu Lasten der in hoher Zahl beschäftigungslosen Inländer und seit vielen Jahren in Österreich ansässigen ausländischen Gastarbeiter scheint mir zudem sachlich nicht gerechtfertigt und daher auch gar nicht wünschenswert zu sein.

Vornehmlich soll jedoch die soziale Integration durch die Erleichterung des Familiennachzugs gefördert werden. Nach amtlichen Schätzungen harren rund 100 000 Familienangehörige im Ausland dieser Möglichkeit. Wie läßt sich das aber mit der angeblich ebenso angestrebten Reduktion des generellen Neuzuzugs von Ausländern vereinbaren? – Hier wird freilich eingewendet, daß dem Nachzug von Familienmitgliedern innerhalb der Zuwanderungsquoten der Vorrang gegenüber dem Neuzuzug sonstiger Einwanderer eingeräumt worden ist; denn drei Viertel der festgelegten Quote sollen der Familienzusammenführung vorbehalten bleiben. Der Rest stehe dann für die Anwerbung sogenannter Schlüsselkräfte offen.

Da höre ich geradezu schon heftigste Klagen aus Wirtschaftskreisen, daß die dann verbleibende Anzahl neuzugelassener ausländischer Arbeitskräfte für ihren Bedarf in bestimmten Branchen, wie im Gastgewerbe und im Tourismus, keinesfalls ausreiche. Haben sich doch die maßgeblichen Interessenvertreter der Wirtschaft – anders als jene der Arbeitnehmer – bis heute nie ernsthaft mit der heiklen gesellschaftlichen Problematik befaßt, daß die Unternehmen, vielfach solche multinationaler Art, zwar den Gewinn aus der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, insbesondere in Niedriglohnbranchen, lukrieren, aber die eminenten sozialen Kosten des Neuzuzugs, von der Belastung des Wohnungsmarktes bis zu den Mehrkosten und Qualitätsverlusten im Schulwesen, der Allgemeinheit überlassen. Wird mit anderen Worten die Exekutive auch gegenüber dem Drängen der Wirtschaft auf die Erhöhung der Quoten beziehungsweise die Tolerierung ihrer Überschreitung standhaft bleiben? – Das auch vor dem Hintergrund, daß der mögliche Ausweg des in der Schweiz durchaus bewährten Saisonnier-Modells ja im österreichischen Recht bewußt verbaut worden ist.


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Erlauben Sie mir aber noch weitere Hinweise zur Frage der Familienzusammenführung. Wenn im Nationalrat Abgeordnete der Grün-Alternativen vehemente Kritik daran geübt haben, daß der Nachzug quotenpflichtiger Drittstaatsangehöriger neben Ehegatten auf Kinder bis zum 14. Lebensjahr beschränkt worden ist, so gibt es dabei meines Erachtens nur zwei Möglichkeiten: Entweder haben sie die Ratio dieser wohldurchdachten Regelung nicht verstanden, daß nämlich einem solchen Familienmitglied noch ein Jahr Schulbesuch in Österreich offensteht, um auf diese Weise die Sprache zu erlernen und sich einzugliedern; oder aber – ich muß leider annehmen, daß diese Variante zutrifft – die Grün-Alternativen legen auf eine solche echte Integration gar keinen Wert, weil sie in Wahrheit der Utopie der multikulturellen Gesellschaft verhaftet sind, bei der es ihnen auf die Beherrschung der deutschen Sprache wie die Kenntnis unserer überlieferten Kultur und unserer sozialen Sitten und Gebräuche, kurz: unserer historisch gewachsenen Lebenswelt, ohnehin gar nicht mehr ankommt.

Freilich darf ich mich nicht mit dieser Kritik an solchen Kritikern des vorliegenden Gesetzesvorhabens begnügen, denen dieses immer noch zu wenig weit geht; denn uns geht es im Gegenteil unverändert in vielen Punkten zu weit. Deshalb muß hier einmal grundsätzlich zum viel berufenen Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention Stellung genommen werden, der in seiner normativen Tragweite erheblich überschätzt wird, wird doch diese Konventionsbestimmung stets strapaziert, um daraus einen völkerrechtlich verankerten und innerstaatlich verfassungsgesetzlich gewährleisteten, menschenrechtlichen Anspruch auf Familienzusammenführung abzuleiten. Davon kann aber überhaupt nicht die Rede sein. Artikel 8 garantiert jedermann ausschließlich den Anspruch auf die Achtung seines Privat- und seines Familienlebens wie auch seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Allein in der Ausübung dieses Rechtes darf der Staat den einzelnen nicht behindern; und nur vor staatlichen Eingriffen in diese Freiheitssphäre ist das Individuum grundsätzlich geschützt.

Aufgrund des Vorbehalts des Absatzes 2 darf eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme sogar in dieses Recht eingreifen, nämlich dann, wenn die Maßnahme für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Keineswegs verpflichtet aber Artikel 8 die Vertragsstaaten dazu, auch jedem Ausländer, mag er sich auch rechtmäßig auf seinem Gebiet aufhalten, eben hier die Zusammenführung mit seinen im Heimatstaat lebenden Familienangehörigen zu ermöglichen, das heißt, auch diesen ein Zuwanderungsrecht und eine Aufenthaltsgenehmigung im Inland einzuräumen. Das geht weder aus Artikel 8 MRK, nach welcher Interpretationsmethode auch immer, noch aus der Judikatur der Europäischen Kommission für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu dieser Bestimmung hervor.

Lediglich zu den durch Artikel 8 gezogenen Grenzen der Abschiebung beziehungsweise der Ausweisung von im Inland befindlichen Familienmitgliedern haben die Straßburger Instanzen mehrfach Stellung bezogen. Wenn sogar Abgeordneter Dr. Khol mitunter anderes behauptet, so macht er damit weder seinem fachlichen Rang als Professor des Verfassungsrechts noch seinem ehemaligen akademischen Lehrer Ehre. Bei diesem, dem allzu früh verstorbenen, berühmten und weltweit angesehenen Rechtsgelehrten, Professor Felix Ermacora, hätte er in dessen Standardwerk über die Menschenrechte alles Nötige nachlesen können. Unter Verweis auf den Fall Abdulaziz, entschieden vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 1985, bestreitet er ein absolutes Recht auf Einreise und Aufenthaltserlaubnis, das sich aus Artikel 8 ableiten ließe. Selbst die Ausweisung eines Familienpartners müsse nach der Judikatur nicht notwendig Artikel 8 Abs. 1 und 2 widersprechen.

Aber zurück zum fremdenpolitischen Grundsatz: Integration geht vor Neuzuwanderung. Ehrlich und realistisch betrachtet läßt er sich nur dann verwirklichen, wenn für die zu integrierenden Ausländer sowohl Arbeitsplätze als auch Wohnungen in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen. Gegenwärtig trifft eben das jedoch nicht einmal für die bereits rechtmäßig in Österreich ansässigen Ausländer zu, geschweige denn für ihre zum Nachzug berechtigten Familienangehörigen. Zumindest in Wien besteht infolge der intensiven und unkontrollierten Zuwanderung in


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den Jahren seit 1986 eine so prekäre Situation, daß sie eine Integration, wie sie heute propagiert wird, in absehbarer Zeit überhaupt nicht erlaubt.

Demnach müßten sich zuvor der Arbeitsmarkt wie auch der Wohnungsmarkt wieder so weit entspannt haben, daß eine entsprechende Aufnahmsfähigkeit gewährleistet ist. Von der vorhin schon angedeuteten Überforderung des Schulwesens will ich dabei ganz schweigen. Ich versage mir auch jeden hämischen Hinweis auf die Problematik der Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer in Wien.

Vor diesem gesellschaftlich spannungsreichen Hintergrund ist es meines Erachtens sachlich umso mehr verfehlt, die unter dem Aspekt der Integration an sich zu bejahende Aufenthaltsverfestigung auch bei kriminellem Verhalten zu gewähren. Selbst eine längere Zeitdauer des Aufenthalts in Österreich vermag nicht überzeugend zu erklären, weshalb dann sogar die Begehung schwerer Delikte die Abschiebung nicht mehr rechtfertigen soll. Gewalt in der Familie als bloße Verwaltungsübertretung wird in Zukunft schon gar keinen Grund mehr dafür bilden.

Vornehmlich mit Blick auf das Asylrecht muß mit ernster Sorge auf die zu erwartenden schwerwiegenden Vollzugsdefizite hingewiesen werden, die sich aus dem Personalmangel im Gefolge des Aufnahmestopps beziehungsweise der eingeschränkten Nachbesetzung im öffentlichen Dienst ergeben. Zwar hofft das Bundesministerium, dieses Problem zum größeren Teil durch interne Umschichtungen bewältigen zu können; wenigstens 30 zusätzliche Planstellen sieht aber selbst der Bundesminister als unabdingbar an. Sein Ersuchen um Unterstützung durch die Parlamentarier verheißt indes nichts Gutes, deutet vielmehr klar darauf hin, daß seine höchst begründete Anforderung an den Stellenplan vom Bundesminister für Finanzen nicht erfüllt werden dürfte. Unserer Unterstützung kann er sich freilich sicher sein!

Wohin uns diese permanente politische Unterbewertung und finanzielle Unterdotierung unseres Systems der inneren und der äußeren Sicherheit führt, zeigt mit schmerzhafter Deutlichkeit die jüngste internationale Blamage, daß das Schengener Abkommen in Österreich nicht – wie geplant – Ende Oktober in Kraft treten wird – das aber durchaus nicht wegen der vorgeschobenen Probleme um die rechtzeitige Ratifikation des Abkommens mit Österreich durch die französische Nationalversammlung, vielmehr allein deshalb, weil Österreich nach Einschätzung des Schengener Exekutivausschusses die Sicherheitsstandards an der Grenze nicht ausreichend erfüllt.

Vor allem mangle es den österreichischen Grenzbeamten zu großen Teilen an Ausbildung und Erfahrung. Vielleicht ist dabei an die Soldaten unseres Bundesheeres gedacht. Für eine effiziente Kontrolle, die uns derzeit abgesprochen wird, müßten wir noch in diesem Jahr 500 voll ausgebildete Gendarmen an die Ostgrenzen entsenden. Bis zur Jahrtausendwende werden laut unserem Bundesministerium noch 1 000 zusätzliche Beamte benötigt. Wie soll dieser enorme Personalbedarf gedeckt werden? – Dies im Zeichen rein linearer Kürzungen des Stellenplans, der keinerlei strategische Schwerpunktbildung oder ressortübergreifende Umschichtungen erkennen läßt. Das ist übrigens ein Beispiel mehr für fehlende Gesamtkonzepte und für mangelnden Gestaltungswillen der gegenwärtigen Regierungskoalition.

Wenn gerade im Zusammenhang mit Problemen des Asylrechts und der Sicherung der Außengrenzen der Europäischen Union jüngst der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl erklärt hat, daß Deutschland mehr Asylbewerber aufgenommen habe als alle anderen Unionstaaten zusammen; und wenn er daraus folgerte, daß sich Bonn daher – so wörtlich – "die Möglichkeit des Bremsens bewahren" müsse, so ist zu betonen, daß grundsätzlich für Österreich dasselbe gilt. Die Zahlen, die von 220 000 Ausländern im Jahre 1975 auf heute 720 000 – sich hier illegal aufhaltende Ausländer nicht einberechnet – gestiegen sind, haben wir heute schon mehrfach gehört. Bei jeder weitere Liberalisierung des Femdenrechts besteht somit die eminente Gefahr, daß die Integrationsfähigkeit der Gesellschaft und auch die soziale Akzeptanz in unserer Bevölkerung völlig überfordert wird.

Folgen wir daher nicht den Tendenzen jener, die – wie es die Abgeordnete Dr. Partik-Pablé im Nationalrat so treffend formuliert hat – "ihr ideologisches Spiel zum Nachteil der Österreicher


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betreiben, die immer nur in erster Linie die Rechte der Ausländer sehen und nicht die Situation, in der sich die Österreicher befinden."

Das wäre ein höchst gefährlicher Weg, auf dem wir nicht mitgehen werden. Ungeachtet der programmatisch beschworenen guten Absichten der vorliegenden Gesetze werden sie bei realistischer Analyse ihren hohen Anspruch nicht einlösen können. Trotz einzelner Verbesserungen der gegenwärtigen Rechtslage, die ich nicht verkenne, können wir daher dem Vorhaben im Ganzen nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.45

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Redner zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. John Gudenus. Ich erteile es ihm.

13.45

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegen und Kolleginnen! Es steht eine Aktion der political correctness im Raum, welche so ähnlich lautet wie: Österreicher und Deutsche sind ausländerfeindlich. – Wenn man das in Zweifel zieht, wird man fast der Schönfärberei geziehen. Und doch, so stellt das Institut für Demoskopie in Attensbach fest, sind gerade die Österreicher und die Deutschen ausländerfreundlicher als alle ihre Nachbarstaaten. Wir wissen schon, viele erkennen es als ein Tabu, nämlich 61 Prozent der Bevölkerung, an, das Asylantenproblem anzusprechen. Uns Parlamentariern ist es jedoch zur Pflicht gemacht, auch dieses Thema immer und immer wieder, zum Vorteil unseres Staates und unserer Bevölkerung, anzusprechen.

Meine Damen und Herren! Was ist das Zeichen eines Einwanderungslandes? – Schauen wir nach Kanada, schauen wir in die Vereinigten Staaten, es gibt noch einige andere Beispiele auch. Es sind dies ethnische Säuberungen und die Möglichkeit der Einwanderer, den eigenen Lebensunterhalt zu erarbeiten. Nun soll niemand behaupten, Pakistan wäre ein Einwanderungsland, weil dort sehr viele Ausländer eingewandert sind. Es sind dies Flüchtlinge aus Afghanistan, aus Indien. Also die Aufnahmekapazität und die Versorgungsmöglichkeit eines Gastlandes heißt noch lange nicht, daß man deswegen ein Einwanderungsland geworden ist.

Von dieser Idee her ist Österreich auch kein Einwanderungsland. Dies hat sehr deutlich der Innenminister unseres Nachbarlandes, der Bundesrepublik Deutschland, sein Land betreffend, gesagt. Deutschland ist kein Einwanderungsland. Ich vermisse eine derart klare Aussage seitens der Minister unserer Bundesregierung, und auch der von mir besonders geschätzte Innenminister Schlögl hat sich noch nicht zu diesen klaren Aussagen durchgerungen.

Meine Damen und Herren! Was heißt denn Familiennachzug? Weil einer hier wohnt und zehn woanders wohnen, müssen die zehn hierher nachgezogen werden? – Ich glaube doch, wir sollten es diesem einen ermöglichen, unter Wahrung eines gewissen Standards, zu den Seinen, zu den Seinigen zehn, die sich sehnlich zusammenwünschen, hinzuziehen. Es kann also nicht so sein, daß zehn zu einem kommen, sondern es muß so sein, daß der eine zu den zehn, oder wie viele es wirklich sein mögen, zurückkehrt.

Der Wirtschafts- und Sozialwissenschafter Friedrich Tanbruck meint, daß es multikulturelles Zusammenleben nicht gibt. Es gibt immer eine Kultur, die sich über die andere durchsetzt. Diese Auseinandersetzungen über Durchsetzungen wollen wir eigentlich irgendwie vermeiden. Sie sind entweder mit importierten Bürgerkriegen verbunden oder aber – dann hat man es auch schon im eigenen Land – mit hausgemachten Minderheitsproblemen. Schätzen wir uns glücklich in diesem Österreich, daß diese hausgemachten Minderheitsprobleme derzeit so gestaltet werden können, daß wir im Grunde genommen sagen können: Sind wir froh, daß wir in Österreich leben, auch wenn wir schon wissen, daß manchenorts das Minderheitsproblem gravierend geworden ist!

In Vorarlberg – das hat mein Freund Bösch angesprochen –, aber auch gerade hier in Wien – ich stehe hier als Wiener Bundesrat – erkennen wir die Problematik einer übergroßen Einwanderung. Es ist nicht immer eine Einwanderung, aber eine übergroße Anzahl von Ausländern, die ihren eigenen Kulturkreis hierher mitverlagern wollen, die sich nicht in den unseren einfügen


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wollen, sondern die uns ihren hierherbringen wollen, und dies führt zu Problemen. Der eine oder andere mag sogar noch stolz darauf sein, daß es ihm gelingt, in Bezirksratsgesprächen und in Bezirksratsverhandlungen dafür einzutreten, daß man das Kruzifix im Schulraum anbringen kann. So ist es unlängst geschehen. An und für sich eine Selbstverständlichkeit! Daß man sich dessen noch rühmen muß, läßt bei mir Zweifel aufkommen, ob diese Minderheitsprobleme nicht doch schon echte Probleme geworden sind.

CDU-Abgeordneter Lummer betont, daß es nicht gleichgültig ist, aus welchem Kulturkreis Einwanderer kommen. Nun, das wissen wir Österreicher ganz genau. In bezug auf uns Österreicher spricht der von mir oder zumindest von vielen sehr geschätzte Günther Nenning von der österreichischen Idee. Es ist dies ein Begriff von Hugo von Hofmannsthal nicht nur schwarz oder rot, auch schwarz und gelb, ständestaatlich und großdeutsch. Dieses Großdeutsche war ursprünglich das Großösterreichische, und dieses Großösterreichische hat natürlich auch hier – für uns in Wien stark merkbar – die Möglichkeit geboten, für 50 Millionen Einwohner eines großen Reiches aus 500 000 Quadratkilometer immer wieder Heimstätte zu werden und sich hier anzusiedeln.

Aber die Situation hat sich natürlich total geändert. Günther Nenning sagt dann noch richtigerweise – es stand dies in der "Presse" vom 19. Juni 1997 –: Die Roten und Schwarzen sind gegenwärtig schreckliche Banausen – Ausnahmen ausgenommen. – Das schreibt er auch noch dazu, und ich betone es auch von meiner Seite her. Ausnahmen ausgenommen, wir alle hier sind die Ausnahmen. Sie haben für ihre ureigenen geistigen Wurzeln und Zukünfte Unverständnis und Mißachtung, sie müssen sozusagen zwangsernährt werden. Ich bin froh, daß wir uns freiheitlich als die Zwangsernährer dieser österreichischen Idee ausgeben können, ohne sie in andere Erdenregionen verkaufen zu müssen.

Herr Universitätsprofessor Eibel-Eibelsfeld meint, es komme auf die Ausgewogenheit zwischen Öffnung und identitätsbewahrender Abgrenzung an. Wie wahr, denn der CDU-Vordenker Geissler sagte es anders, er tritt für die multikulturelle Gesellschaft ein. Dieses Vorbild haben wir nicht, wir haben andere Überlegungen, wir sehen die österreichische Idee in der Form, daß wir das, was wir ererbt haben, auch bewahren wollen.

Es gibt hiezu einen derzeit oft im Mund geführten amerikanischen Nobelpreisträger, es ist Gary Becker, der vor Jahren den Nobelpreis bekommen hat, und er ist Wirtschaftswissenschafter. Er ist ein überzeugter Liberaler. Er plädiert für ein Preissystem als Zuteilungsmechanismus, denn er erkennt, daß in diesen Transferzahlungen, die heutzutage in entwickelten Staatsgemeinschaften geleistet werden und für soziale Sicherheit, Krankengeld, allgemeine Fürsorge, Arbeitslosenentschädigung und dergleichen einen Großteil der Regierungsausgaben ausmachen, eine Verheißung eines generösen Lebens in einem Gastland stattfinden könne und die Bevölkerung armer Länder zur Auswanderung anreize. Dieser Nobelpreisträger meint daher auch, daß der betroffene Staat in regelmäßigen Abständen den Preis für eine Arbeitserlaubnis, Aufenthaltserlaubnis, Einwanderungserlaubnis festlegen sollte oder im Auktionsverfahren eruieren müßte.

Vier Möglichkeiten erkennt hiebei Universitätsprofessor Becker – derzeit findet, glaube ich, in Österreich ein Symposion ihm zu Ehren statt –: Die Höhe der Gebote würde davon abhängen, was die Immigrationskandidaten an zukünftigen Transfergeldern und anderen Zuwendungen zu erwarten hätten. Das heißt, je höher die Sozialleistung, desto höher der Eintrittspreis. Die einheimischen Steuerzahler hätten also keinerlei Anlaß mehr, die Einwanderer als Trittbrettfahrer anzusehen, welche auf ihre Kosten vom Sozialstaat profitierten. Dies würde, so meint Becker, auch zur inneren Ruhighaltung der autochthonen Bevölkerung beitragen.

Zweitens meint er: Besonders produktive Menschen werden mit einiger Sicherheit erfolgreich um Bewilligungen mitbieten, weil die beträchtlichen Gehälter und Einkommen, mit denen sie rechnen können, es erlauben, einen hohen Eintrittspreis binnen weniger Jahre abzuzahlen.

Drittens meint Becker, diese Regelung ergäbe, daß sofort und mittelbar Staatseinnahmen über Einwanderungswillige, Arbeitswillige, Aufenthaltswillige zu lukrieren wären. Einheimische hätten daher allen Grund, eine liberale Immigrationspolitik zu unterstützen. Es ließen sich dann nicht


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mehr die Immigranten als Nutznießer der Früchte der harten Arbeit der einheimischen Steuerzahler brandmarken.

Herr Universitätsprofessor Becker ist natürlich nicht so blauäugig, um nicht zu wissen, daß diese Vorschläge auch Widerstand hervorrufen können und sich einzelne Leute dagegen stemmen werden und würden. Eine Staatsbürgerschaft als ein Eintrittspreis in ein Land ist natürlich keine käufliche Ware, erkennt er sehr richtig. Aber es trifft den Sachverhalt nicht ganz. Aus seiner Sicht für Amerika war es so, wenn jemand früher mit dem Schiff nach Amerika ausgewandert ist, war die Schiffsreise ungefähr so teuer wie ein Jahresgehalt in den Vereinigten Staaten oder in einem der Teilstaaten, die es damals gab. Also eine Atlantiküberquerung von Europa nach Amerika kostete im frühen 19. Jahrhundert ungefähr ein Jahreseinkommen. Es käme also nur auf einen Wandel der Form der Kosten an.

Es bleibt auch natürlich jeder Regierung überlassen, den Einreisewilligen, den Arbeitswilligen, den nach Aufenthaltserlaubnis Heischenden einen Kredit zu überlassen, den sie erst nach Erhalt der Staatsbürgerschaft zurückzuzahlen hätten. Ich meine, diese Überlegungen des Nobelpreisträgers Gary Becker haben viel für sich.

Wir wissen, daß wir mit der Ablehnung der heute hier zu beschließenden Gesetze das Ruder nicht herumreißen. Wir möchten mit unseren Überlegungen, mit unseren Anregungen, mit unserer Kritik an diesen Gesetzen dazu beitragen, die Diskussion nicht einschlafen zu lassen, dazu beitragen, daß wir uns der Problematik dieser Gesetze und der Folgen dieser Gesetze bewußt sind. Wir Freiheitlichen tragen das Unsere dazu bei. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

13.56

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Einreise, den Aufenthalt und die Niederlassung von Fremden, Fremdengesetz 1997.

Der vorliegende Beschluß enthält im 2. Hauptstück 3. Abschnitt § 18 Abs. 5 eine Verfassungsbestimmung, die nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen bedarf.

Ich stelle zunächst die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, der im 2. Hauptstück 3. Abschnitt § 18 Abs. 5 enthaltenen Verfassungsbestimmung im Sinne des Artikels 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, der zitierten Verfassungsbestimmung des vorliegenden Beschlusses die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit unter Berücksichtigung der besonderen Beschlußerfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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Weiters bitte ich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, Asylgesetz 1997.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über den unabhängigen Bundesasylsenat.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrages samt Protokoll sowie Protokoll über die Berichtigung des Übereinkommens.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

7. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (697 und 723/NR sowie 5459 und 5469/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 7. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


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Berichterstatter Wolfgang Hager:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen 1987 und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich stelle namens des Sozialausschusses den Antrag, gegen diese Vorlage keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

14.01

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich danke für das Wort! Dennoch möchte ich zunächst bemerken, daß wieder einmal kein Minister – in diesem Fall keine Frau Ministerin – anwesend ist, der man mitgeben kann, was man zu sagen hat. (Zwischenruf des Bundesrates Pfeifer. ) Ich hoffe, daß sich das in Zukunft ein bißchen bessern wird, denn man kann doch nicht sagen, daß etwas wichtiger und etwas anderes weniger wichtig ist! Dazu hat jeder seine persönliche Sicht!

Nun zu diesem Gesetz: Man gewinnt bei näherer Betrachtung dieses Gesetzes den Eindruck – und ich glaube, es verhält sich tatsächlich so – , daß es eher der Not gehorchend entstanden ist und nicht gemäß dem inneren Drange, auf diesem Gebiet etwas zu reformieren, denn von einer wirklichen Reform kann man schwerlich reden. Ich würde eher sagen, daß es sich hiebei um ein Reförmchen handelt.

Der Ansatz ist gut, und ich denke, daß man sich angestrengt hat. (Bundesrat Konečny: Das ist aber nett!) Man hat sich aber nicht allzusehr angestrengt! Die darin enthaltenen Änderungen werden von uns auch in keiner Weise in Zweifel gezogen. Sie sind nicht schlecht. Es sind aber sehr wenige, und diese Dürftigkeit ist vor dem Hintergrund ständig steigender Jugendarbeitslosigkeit – immer mehr Lehrlinge suchen eine Lehrlingsausbildungsstelle, und immer weniger Unternehmer sind bereit, Lehrlinge auszubilden – wirklich bedauerlich. Es ist bedauerlich, daß nicht mehr daraus geworden ist!

Man hat sich nicht die Mühe gemacht, sich einmal alle Schutzbestimmungen anzusehen. Man hat ein paar herausgegriffen, was in Ordnung ist, aber man hat nicht den großen Wurf gewagt und gesagt: Gehen wir einmal alle Schutzbestimmungen durch, schauen wir uns an, wo es hakt und wo es krankt, beseitigen wir dort etwas, wo es notwendig ist, aber belassen wir Bestimmungen, die tatsächlich sinnvoll sind.

Man hat sich auch bei den Berufsbildern keine besondere Mühe gegeben. Diese sind nur im Berufsausbildungsgesetz verankert, jedoch nicht in diesem Gesetz, in welches sie eigentlich gehört hätten. Auch da hat man das eine oder andere herausgegriffen und den Rest so stehenlassen. Das wird wieder dazu führen, daß relativ bald eine neue Novelle kommt, die wir dann wieder beschließen werden. Und so wird das immer weitergehen, anstatt daß einmal ein Gesetz aus einem Guß gemacht wird, welches dann tatsächlich längere Zeit hält!

Das Schlimmste an diesem Gesetz ist allerdings, daß man wieder einmal glaubt, Lehrlingsausbildungsplätze dadurch sichern zu können, daß man irgendwo einen Beitrag erhöht. Die Wirtschaft klagt seit langem über die Belastungen im Bereich der Lohnnebenkosten. Das ist einer der Gründe, warum immer weniger Lehrlinge ausgebildet werden. Das ist – wie gesagt – nur einer der Gründe, aber nicht der einzige!

Man hat diesmal die Beiträge für die Angestellten um 0,1 Prozent erhöht. Auch wenn das harmlos klingt, trotzdem ist es wieder eine Belastung für die Wirtschaft! Die Unternehmer, die Lehr


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linge ausbilden und auch Angestellte haben, zahlen quasi aus der einen eigenen Tasche in die andere. Sie finanzieren dann nämlich im wesentlichen die Lehrlingsausbildung selbst. Auch in diesem Fall hat man nicht einheitlich zugegriffen: Man hat wieder den Wirtschaftstreibenden und Dienstgeber gezwungen, eine Beitragserhöhung in Kauf zu nehmen, und ich glaube, daß das nur ein erster Schritt ist!

Mit dieser Meinung stehe ich nicht allein da, denn auch der Rechnungshof sagt: "Es ist zu befürchten, daß diese sachlich nicht gerechtfertigte Erhöhung für die Angestellten eine Vorstufe zu einer Angleichung der Beitragssätze für Angestellte und Arbeiter ist, die schon seit Jahren sukzessive vorbereitet, aber offiziell immer bestritten wird, beginnend mit dem Entfall der getrennten Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, die klar über Jahrzehnte bewiesen hat, daß die Angestellten berechtigtermaßen wesentlich niedrigere Beiträge zahlen." Ich glaube, da hat der Rechnungshof recht: Es ist dies die erste Stufe – so sehen wir es zumindest – , die dann zu einer generellen Beitragserhöhung führen wird.

Im Lichte dessen ist es auch bezeichnend, daß man in der Regierungsvorlage davon spricht, daß dem Entfall von 500 Millionen, die es kosten wird, daß für die Lehrlinge jetzt keine Krankenversicherung gezahlt werden muß, 460 Millionen an Einnahmen gegenüberstehen werden, die durch diese 0,1prozentige Erhöhung bei den Angestellten hereinkommen werden. – Das kann ich mir gar nicht vorstellen! Und offensichtlich kann man das auch im Ministerium nicht, denn es gibt vorläufig noch keinen Berechnungsschlüssel. Vergangenen Dienstag konnte noch niemand beantworten, welchen Schlüssel man zur Berechnung dieser Zahlen herangezogen hat.

Daher muß ich generell sagen, daß wir diesem Gesetz, das eine neuerliche Belastung der Wirtschaft bedeutet, unsere Zustimmung nicht geben können, wenngleich einige Punkte durchaus zu befürworten wären. Aber "einige Punkte" sind zuwenig: Die Belastung der Wirtschaft muß endlich gestoppt werden. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.07

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Johann Payer. Ich erteile es ihm.

14.07

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine nicht zu leugnende Tatsache, daß es einen besorgniserregenden Rückgang von Lehrverhältnissen gibt. In diesem Punkt gebe ich Kollegin Mühlwerth recht. Es ist gesellschafts- und beschäftigungspolitisch inakzeptabel, daß manche jungen Menschen keinen Ausbildungsplatz finden.

Für diesen Rückgang gibt es vielerlei verschiedene Gründe: Diese Gründe sind zum Teil in regionalen Standortfaktoren, zum Teil in lokalen bildungspolitischen Konzentrationen zu suchen. Auch die Betriebe selbst führen eine Menge von Gründen an, zum Beispiel bürokratische Hemmnisse. In den Betrieben sagt man auch – das hat Kollegin Mühlwerth fast wortwörtlich übernommen – , daß die betrieblichen Kosten der Lehrlingsausbildung zu hoch sind.

Dagegen spricht jedoch eine Studie, die das Institut für Höhere Studien betreffend die betrieblichen Kosten der Lehrlingsausbildung vorgelegt hat. Für diese Studie wurden die für die Ausbildung Verantwortlichen in über 1 000 Betrieben zu ihrer Einstellung zur Ausbildung und zu deren Kosten befragt. – Ein wichtiges Ergebnis dieser Studie ist, daß Lehrbetriebe über die tatsächlichen Kosten der Lehrlingsausbildung eigentlich nicht Bescheid wissen. Die Autoren der Studie sind der Frage nachgegangen, was die Lehrlingsausbildung tatsächlich kostet. Aus den unterschiedlichen Berechnungsvarianten ergibt sich folgendes Bild, das ich Ihnen kurz schildern möchte.

Man hat zunächst ein Vollkostenkonzept berechnet. Dieses Vollkostenkonzept enthält die Lehrlingsentschädigung, die Materialkosten, die Kosten der haupt- und nebenberuflichen Ausbilder, den Verwaltungsaufwand und auch die Kosten der Anlagen. Ferner hat man ein Grenzkostenkonzept berechnet, das nur die Lehrlingsentschädigung, die Ausbildungskosten und die Mate


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rialkosten enthält. Und schließlich wurde auch noch ein Teilkostenkonzept ermittelt, das ohne Verwaltungskosten auskommt.

Die Durchschnittskosten aller Betriebe pro Lehrling und Lehrjahr betragen beim Vollkostenkonzept 40 200 S, beim Grenzkostenkonzept 22 300 S und beim Teilkostenkonzept 27 400 S. Allen drei Berechnungsarten zufolge erwirtschaften 35 bis 40 Prozent aller Lehrbetriebe Nettoerträge aus der betrieblichen Arbeitsleistung der Lehrlinge. Das sollte man bei allem Gejammer, daß es wenig Lehrstellen gibt, nicht vergessen! Ich gebe schon zu, daß das Ausmaß der Erträge in den verschiedenen Branchen unterschiedlich ist. Zum Beispiel haben in der Branche Holzverarbeitung 58 Prozent der Betriebe Nettoerlöse, im Bauwesen sind es immerhin noch 34 Prozent aller Betriebe. Im Durchschnitt haben 39 Prozent der Betriebe Nettoerlöse.

Die Ergebnisse der Studie deuten auf einen realen Rückgang der betrieblichen Kosten der Lehrlingsausbildung hin. Die Bildungsaufwendungen der öffentlichen Haushalte pro Lehrling bewegen sich in einer Größenordnung von zirka 35 000 S. Für die Berufsschulen betrugen die Aufwendungen von Bund, Ländern und Gemeinden im Jahre 1996 rund 4,5 Milliarden Schilling.

Unter Berücksichtigung der durchschnittlichen betrieblichen Nettokosten, die ich vorher erwähnt habe, sind die Gesamtkosten der Lehrlingsausbildung demnach kaum niedriger als die Kosten einer allgemeinen Schulausbildung. Die ausbildenden Betriebe unterschätzen jedoch die Erträge aus der Lehrlingsausbildung. Das Ergebnis der Studie unterstreicht den engen Zusammenhang zwischen dem wirtschaftlichen Erfolg und den Nettokosten der Ausbildung. Bei steigender Auslastung der Betriebe steigen auch die Erträge deutlich an.

In dieser Studie kommt man zu der Schlußfolgerung, daß viele Betriebe Lehrlinge nicht zum Zweck der Ausbildung, sondern oftmals vor allem als billige Arbeitskräfte zu Konditionen der Lehrlingsentschädigung einsetzen. Das heißt: Eine gleiche Förderung aller ausbildenden Betriebe über allgemeine, zum Beispiel steuerliche, Maßnahmen würde nicht zum gewünschten Ergebnis führen, sondern würde insbesondere jene Betriebe begünstigen, die derzeit aus der Lehrlingsausbildung Erträge erwirtschaften. Notwendig sind daher Maßnahmen, die sofort gegen den Lehrstellenmangel wirken, durch die mittelfristig die Qualität der Ausbildung erhöht wird und durch die Mittel für Ausbildungsformen auf höherem Niveau bereitgestellt werden.

Daher ein Vorschlag, den ich persönlich sehr unterstütze: Es sollte ein Lastenausgleich zur Finanzierung der Lehrlingsausbildung zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben erfolgen. Es muß zu einem Interessenausgleich innerhalb der Wirtschaft kommen. Ich glaube, das ist notwendig. Viele Betriebe sind nämlich derzeit leider nicht bereit, Fachkräfte, die sie benötigen, selbst auszubilden. Dadurch werden Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, mit zusätzlichen Kosten belastet.

Im Modell, das ich hier präsentiert habe, ist von einer Einstiegsfinanzierung und von einer Qualifikationsförderung die Rede. – Kurz dazu: Eine Einstiegsfinanzierung über den vorher erwähnten Lastenausgleich sollte dem Lehrbetrieb für die Aufnahme von zusätzlichen Lehrlingen im ersten Lehrjahr gewährt werden. Mit dieser Maßnahme könnte die Angebotskrise auf dem Lehrstellenmarkt insgesamt wesentlich entschärft werden. Eine Qualitätsförderung durch den Lastenausgleich soll nur jenen Betrieben zugute kommen, denen tatsächlich Ausbildungskosten, zum Beispiel durch eine sehr intensive oder ergänzende Ausbildung, entstehen.

Meine Damen und Herren! Das vorliegende Kinder- und Jugendbeschäftigungsgesetz ist nur ein Teil eines Gesamtkonzeptes der österreichischen Bundesregierung. Es ist sicherlich sinnvoll, gesetzliche Schutzbestimmungen in gewissen Abständen darauf zu überprüfen, ob diese Schutzbestimmungen zeitgemäß sind und der Praxis entsprechen. Der Schutzgedanke für Jugendliche muß aber weiterhin im Vordergrund stehen. Bei diesem Gesetz wurde meiner Meinung nach ein tragbarer Kompromiß gefunden. Es wurden Anpassungen an die Vorschriften der EU-Richtlinie vorgenommen. Weiters wird die Arbeitszeit der Jugendlichen soweit als möglich an die Arbeitszeit der Erwachsenen im selben Betrieb angeglichen. Das Einarbeiten von Arbeitstagen in Verbindung mit Feiertagen wird auch Jugendlichen erlaubt. Es wird auch klarge


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stellt, daß die höchstzulässige Tagesarbeitszeit, also unter Einschluß einer allfälligen halbstündigen Vor- und Abschlußarbeit pro Tag, höchstens neuneinhalb Stunden betragen darf.

Für Jugendliche wird der Arbeitsbeginn in mehrschichtigen Betrieben bei der Frühschicht ab fünf Uhr zulässig sein, wenn bei späterem Arbeitsbeginn keine zumutbare Möglichkeit besteht, den Betrieb zu erreichen, wenn es zum Beispiel nur die Mitfahrmöglichkeit zum Betrieb mit einem Verwandten oder nur einen dementsprechenden Werksverkehr gibt.

Ich glaube, daß diese Gesetzesnovelle sehr praxisgerecht ist, und zwar für beide Teile, für den Jugendlichen und auch für den Lehrherrn. Ich glaube, daß diese Novelle ein Signal für Betriebe sein kann, daß diese wieder in stärkerem Maße bereit sind, Lehrlinge einzustellen.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir noch einen kurzen Exkurs zu diesem Thema in mein Bundesland, ins Burgenland: Es fehlen derzeit per saldo im Burgenland 45 Lehrstellen, das entspricht 29 Prozent aller sofort verfügbaren offenen Lehrstellen. Vor einem Jahr fehlten per saldo nur sechs Lehrstellen, das waren 4 Prozent der offenen Lehrstellen. Aufgrund dieser schwierigen Lage wird das Land Burgenland im Jahr 1997 auf Antrag unseres Landeshauptmanns Karl Stix selbst 17 Lehrplätze schaffen, und zwar für Köche, Kellner und Kfz-Mechaniker.

Nun noch etwas Positives: Zirka 40 Gemeinden haben Gemeinderatsbeschlüsse herbeigeführt, gemäß welchen eine Befreiung von der Entrichtung der anteilsmäßigen Kommunalsteuer zur Förderung von Lehrstellen vorgesehen ist. Diese Zahl wird sich meiner Einschätzung nach noch erhöhen. Persönlich glaube ich aber, daß das Ausschütten von öffentlichen Geldmitteln nach dem Gießkannenprinzip nicht zielführend ist und nicht zielführend sein kann. Vielmehr zeigen Erfahrungen der jüngsten Zeit, daß durch überbetriebliche Ausbildungsgänge ein wesentlich effizienterer Beitrag gegen Jugendarbeitslosigkeit geleistet werden könnte.

Hohes Haus! Mit dem vorliegenden Gesetz und mit der Ausbildungsoffensive der Bundesregierung wird großes Verantwortungsbewußtsein bewiesen. Das wird vor allem im internationalen Vergleich deutlich. Kaum ein Staat konnte bisher ein dermaßen umfangreiches Paket schnüren, obwohl die Probleme jenseits der Grenzen Österreichs ungleich dramatischer sind. Mit 3,9 Prozent gehört Österreich zu den Vorbildern in Europa, vor allem im Vergleich zu Deutschland mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 5,2 Prozent.

Für uns Sozialdemokraten steht der Mensch im Mittelpunkt der Politik. Die Politik ist gefordert, besonders der Jugend die bestmöglichen Lebens- und Zukunftsvoraussetzungen zu bieten.

Deshalb stimmt meine Fraktion dieser Gesetzesvorlage sehr gerne zu. (Beifall bei der SPÖ.)

14.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

14.22

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage, mit der das Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen aus 1987 geändert werden soll, stellt in der Tat – das wurde schon gesagt – keine Reform dar und enthält auch nicht die erforderlichen Regelungen.

Meine Damen und Herren! Schon in der Präambel wird das Ziel der Reform, die mit dieser Novelle vorgenommen werden soll, erwähnt, nämlich die Anhebung der Attraktivität der Ausbildung von Lehrlingen. – Mit dieser Vorlage kann dieses Ziel jedoch nicht erreicht werden (Zwischenruf des Bundesrates Payer ) , denn dieser Entwurf, Herr Kollege Payer, regelt in keiner Weise die Gesamtheit dieses komplexen Themas, sondern zeigt nur in ein paar Bereichen ansatzweise ein paar Dinge auf. Das wird allein in Anbetracht des Umstandes klar, Herr Kollege Payer, daß man die Beiträge für die Krankenversicherung von Lehrlingen nicht reduziert oder abgeschafft hat, sondern lediglich den Arbeitgeberanteil auf eine andere Berufsgruppe, sprich: auf die Angestellten, umschichtet. Damit wird keine Entlastung erreicht, sondern es werden die


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Kosten nur einer anderen Dienstnehmergruppe aufgebürdet. (Bundesrat Schaufler: Das stimmt nicht!)

Ich frage mich, meine Damen und Herren: Wo bleibt die Reduktion der Arbeitgeberbeiträge, wo bleibt die Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge, wenn nur auf eine andere Gruppe umgelegt wird? Wo bleibt der Anreiz, zusätzlich zu den bestehenden Dienstverhältnissen, vor allem Angestelltendienstverhältnissen, noch Lehrlinge auszubilden? Die Arbeitgeber werden über die Angestelltenbeiträge bestraft, und die Kosten, die man bei Lehrlingen einzusparen versucht, werden einer anderen Berufsgruppe aufgelastet! Wo bleibt dann die Attraktivität dieser Novelle?

Ich hätte mir erwartet, meine Damen und Herren, daß durch eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen die Krankenversicherungsbeiträge für Lehrlinge hereingebracht werden. Ich hätte mir erwartet, daß durch die von den Regierungsparteien beschlossene Krankenscheingebühr die Krankenversicherungsbeiträge für Lehrlinge zumindest abgedeckt sind. Ich hätte mir eine Aussage darüber erwartet, meine Damen und Herren, welche Steigerung der Lehrverhältnisse es aufgrund dieser Novelle in Hinkunft geben wird!

Meine Damen und Herren! Ich hätte mir von einer Novelle aber auch erwartet, daß es bei einer Einigung zwischen Lehrherrn, Lehrling und dessen gesetzlichen Vertreter oder Erziehungsberechtigten zu einer Berücksichtigung der Zeitverschiebung durch die Sommerzeit kommt, insbesondere im Bereich der Gastronomie.

Ich hätte mir erwartet, daß in dieser Novelle und in dieser Reform auch die diesbezügliche EU-Richtlinie berücksichtigt wird. In dieser EU-Richtlinie heißt es – ich darf daraus zitieren – : "Es sind die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die arbeitsrechtlichen Vorschriften für junge Arbeitnehmer so umzugestalten, daß sie den Erfordernissen ihrer persönlichen Entwicklung und ihrem Bedarf an beruflicher Bildung und an Zugang zur Beschäftigung entsprechen."

Dies ist mit der vorliegenden Novelle nicht geschehen. Daher frage ich mich abschließend, meine Damen und Herren: Wo bleiben die koalitionären Europäer? Wo bleiben die Vertreter der ÖVP, die dies mehrmals gefordert haben? (Beifall bei den Freiheitlichen.) Durch die vorliegende Novelle allein, die in der Tat nichts anderes ist als ein politischer Alibischritt, werden kein Lehrplatz und kein Lehrverhältnis mehr geschaffen! Für eine solche Politik, meine Damen und Herren, geben wir Freiheitlichen uns verständlicherweise nicht her! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

14.26

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Verehrte Damen und geschätzte Herren des Hohes Hauses! An und für sich möchte ich mich entschuldigen, daß ich nicht zum richtigen Zeitpunkt hier war. Jetzt bin ich aber froh, daß ich in meinen folgenden Ausführungen die Interpretation eines von meinem Vorredner unrichtig gelesenen Gesetzes wieder ins Lot bringen kann!

Das vorliegende Gesetz verändert, wie eine Reihe anderer Gesetze, die in der letzten Zeit beschlossen wurden, die Rahmenbedingungen rund um die Beschäftigung und Ausbildung junger Menschen. Das ist grundsätzlich einmal lobenswert. Denn bei – leider auch bei uns! – leicht steigender Jugendarbeitslosigkeit ist das eine absolute Notwendigkeit. Es muß immer wieder das vornehmste Ziel der Politik sein, allen Menschen, die arbeiten wollen, dies auch zu ermöglichen. Die Politik kann jedoch nur die Rahmenbedingungen schaffen. Arbeitsplätze selbst entstehen nur aufgrund einer prosperierenden Wirtschaft, die grundsätzlich bereit ist, zu investieren und nicht mit Großkapital zu spekulieren.

Eine geänderte Bedingung des vorliegenden Gesetzes ist vor allem die Regelung des Lohnes bei Lehrlingen über dem 18. Lebensjahr, wobei der niedrigste Facharbeiterlohn beziehungsweise das niedrigste Angestelltengehalt, welche im jeweiligen Betrieb bezahlt werden, angewen


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det werden müssen. Das entspricht den statistischen Aussagen, daß Lehrlinge nur im ersten Lehrjahr eine gewisse Belastung für die ausbildenden Betriebe darstellen, während sie im zweiten und insbesondere im dritten Lehrjahr bereits einen Beitrag zu positiven Betriebsergebnissen leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Diese Gesetzesstelle gründet aber auch auf der Erkenntnis, daß junge Menschen nach dem vollendeten 18. Lebensjahr bereits reifer und auch bereit sind, verantwortungsbewußter zu handeln.

Des weiteren wurde eine Regelung getroffen, um die Einarbeitung von sogenannten Fenstertagen, also Tagen nach Feiertagen, auch für Jugendliche zu ermöglichen, um längere Freizeit-Zeiträume zustande zu bringen.

Für die ausbildungsbereiten Betriebe kommt es im Gegenzug zu Erleichterungen bei der Pausenregelung: Die Pausen werden im Verhältnis zu den Regelungen für die Erwachsenen angepaßt und können etwas flexibler gehandhabt werden.

Jetzt komme ich zu dem Punkt, bei welchem mein Vorredner geirrt hat: Des weiteren werden die Betriebe gemäß Artikel 2, Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, grundsätzlich von den Dienstgeberbeiträgen für den Krankenversicherungsschutz für die ersten drei Lehrjahre befreit. Das bedeutet eine Entlastung der Betriebe um etwas mehr als 3 Prozent und somit eine Senkung der Lohnnebenkosten für Betriebe, die ausbilden.

Das bedeutet aber auch für die zuständigen Gebietskrankenkassen – und da stimme ich Ihrem kritischen Ansatz zu – einen Beitragsausfall in Höhe von zirka 500 Millionen Schilling. Im Gegenzug wird der Großteil dieses Ausfalls durch die Anhebung der Beitragssätze – im wesentlichen im Bereich der Angestellten – um 0,1 Prozent ausgeglichen, jedoch nicht ganz. Es fehlen etwa 10 Prozent; die Experten sprechen von einer Lücke von zirka 10 Prozent, 40 Millionen bis 50 Millionen Schilling.

Aber das, worin Sie irrten, ist folgendes: Diese 0,1 Prozent sind nicht von den Angestellten zu bezahlen, sondern von den Dienstgebern. Es steht ausdrücklich im Gesetz: Dieser Beitrag entfällt zur Gänze auf den Dienstgeber. Das bedeutet, daß ein gewisser Ausgleich zwischen Betrieben, die keine Lehrlinge beschäftigen und einstellen, und Betrieben, die ausbildungswillig sind, entsteht. – Ich bitte Sie, daß Sie sich das in Ihrem eigenen Interesse doch noch einmal ansehen.

Ich hätte mir im Zusammenhang mit dem Ausfall von 40 Millionen bis 50 Millionen Schilling für alle Gebietskrankenkassen gewünscht, daß diese zusätzliche Belastung der Sozialversicherungsinstitute, deren Budgets ohnedies angespannt sind, unterblieben wäre. Aber grundsätzlich ist dieses Umschichten eine positive Maßnahme.

Ein bißchen eigenartig – das sage ich ganz offen – kommt mir die Regelung im Bereich des Handels vor, wo an Samstagen jetzt mehr Möglichkeiten bestehen, Lehrlinge auch nach 14 Uhr zu beschäftigen. Das ist ein bißchen kompliziert gestaltet, eine einfachere, praxisorientiertere, leichter überschaubare Regelung wäre in Zukunft anzustreben. Aber es ist das doch ein Schritt, um auf Dienstgeber- und Dienstnehmerseite die Ausbildung voranzutreiben.

Die Politik – das sage ich noch einmal – ist derzeit dabei, die Rahmenbedingungen für die Ausbildung und Beschäftigung Jugendlicher zu verbessern. Niederösterreich liegt in diesem Beschäftigungsfeld im Spitzenbereich Österreichs. Österreich wiederum hat im internationalen Vergleich, im Vergleich zu den anderen EU-Staaten, eine sehr geringe, wenn nicht gar die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Dennoch müssen wir uns besonders anstrengen, damit jene – und das sind, um bei Niederösterreich zu bleiben, zirka 6 000 junge Menschen – eine Beschäftigung bekommen, die derzeit keine haben. Jene Organisation, bei der ich schon lange Mitglied bin – der Österreichische Arbeiter- und Angestelltenbund –, setzt derzeit mit ihrem Bundesobmann Minister Fasslabend eine Unzahl von Maßnahmen, um jedem Schulabgänger – einer Pflichtschule oder einer anderen schulischen Ausbildung – einen Arbeitsplatz zu geben.


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Das Projekt "Startjobs für junge Menschen" ist, glaube ich, herauszuheben. Es soll helfen, daß junge Menschen Berufserfahrungen sammeln und ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen können – und das ist doch eine beachtenswerte Initiative. Damit werden Jugendliche vor der "Straße" und ihren Gefahren – Alkohol, Drogen, Abrutschen in den kriminellen Bereich – geschützt.

Beschäftigung zu schaffen, das muß für Unternehmer und Politiker gleichermaßen das Anliegen sein. Untersuchungen zeigen, daß allein im Gesundheitsbereich die Möglichkeit besteht, in den nächsten fünf Jahren über 30 000 Arbeitsplätze zu schaffen.

Ein zweites Beispiel: Der Kommissär für Energie der Europäischen Union Papoutsis erklärt in einer Aussendung, in einem Zeitungsartikel: Erneuerbare Energiequellen sind Goldgrube für die Europäische Union. – Ich möchte nicht auf die erneuerbaren Energiequellen im besonderen eingehen, aber in einem Absatz heißt es – ich zitiere –:

Die erneuerbaren Energiequellen tragen auch in besonderem Maße zur Schaffung von Arbeitsplätzen, insbesondere in Klein- und Mittelbetrieben, bei. Die Kommission verspricht sich bei der Verwirklichung ihres Zieles der Verdoppelung des Anteiles an erneuerbarer Energie am Bruttoinlandsenergieverbrauch der EU einen Nettobeschäftigungseffekt von mehr als einer halben Million Arbeitsplätzen. Durch die Forcierung dieser Energiequellen könnten etwa fünfmal mehr Jobs geschaffen werden als durch einen zusätzlichen Verbrauch fossiler Brennstoffe. Diese Arbeitsplätze kämen zum überwiegenden Teil benachteiligten ländlichen Regionen zugute. – Soweit das Zitat.

Dem ist eigentlich nur noch hinzuzufügen, daß ich an alle Unternehmer wie auch an alle Politiker – egal, welchen politischen Lagers – appelliere, jede Anstrengung zu unternehmen, um dem Ziel der Vollbeschäftigung wieder näherzukommen. Dieses Gesetz ist ein Schritt dazu, und daher stimmt meine Fraktion, die Österreichische Volkspartei, diesem Gesetz gerne zu. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

14.36

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

8. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bahn-Betriebsverfassungsgesetz erlassen und das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird (458/A und 724/NR sowie 5460 und 5470/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen zum 8. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem ein Bahn-Betriebsverfassungsgesetz erlassen und das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.


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Berichterstatter Wolfgang Hager:
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bahn-Betriebsverfassungsgesetz erlassen und das Post-Betriebsverfassungsgesetz geändert wird, liegt schriftlich vor.

Der Sozialausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

14.37

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Meine geschätzten Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf zielt darauf ab – wie bei der Post im Zuge der Ausgliederung – auch für die ÖBB eine arbeitsverfassungsrechtliche Sonderregelung zu sichern, für die es keine sachliche Begründung gibt. Es geht darum, mit dem vorliegenden Entwurf überparteiliche und somit unabhängige Arbeitnehmervertretungen und deren Kandidatur zum Betriebsrat zu erschweren und, wenn möglich, zu verhindern.

Bisher reichten bundesweit 100 Unterschriften für eine derartige Betriebsratskandidatur, in Zukunft ist – nach der vorliegenden Novelle – das Erfordernis 1 Prozent der Wahlberechtigten. Damit wird in der Tat für eine eventuell neue wahlwerbende Gruppe die Kandidatur beinahe unmöglich gemacht, da bei der Einreichung der Kandidatur, aber vor allem bei diesbezüglichen Listenerstellungen, die Zahl der Wahlberechtigten noch nicht feststeht. Wie kann eine Gruppe das für die Kandidatur notwendige Quorum erreichen, wenn 1 Prozent der Unterschriften erforderlich ist, und niemand weiß, wie viele Wahlberechtigte zur jeweiligen Betriebsratswahl zugelassen sind?

Meine Damen und Herren! Außerdem ist durch nichts gerechtfertigt, daß bei den ÖBB bei 100 Mitarbeitern sechs Betriebsräte zu wählen sind, während in allen anderen Bereichen – mit Ausnahme der Post, denn dort ist es genauso – nach dem Arbeitsverfassungsgesetz nur vier Betriebsräte erforderlich sind. Dies ist, meine Damen und Herren, ein Schritt in eine Zweiklassengesellschaft im Arbeitnehmerbereich, und dieser Schritt wird von uns Freiheitlichen nicht mitgetragen, kommt für uns nicht in Frage.

Die Personalvertretungsumlage unterliegt demselben Kriterium. Indirekt 1 Prozent der Belegschaft kann über diese Personalvertretungsumlage bestimmen, während in allen anderen Arbeitnehmerbereichen sehr wohl die Betriebsversammlung darüber befindet. – Was dies bedeutet, meine Damen und Herren, wissen wir, und es gibt einmal mehr Zeugnis von Ihrem Demokratieverständnis, wenn Sie dieser Vorlage in der vorliegenden Form Ihre Zustimmung geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

14.40

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ing. Peter Polleruhs. Ich erteile es ihm.

14.40

Bundesrat Ing. Peter Polleruhs (ÖVP, Steiermark): Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der gegenständliche Beschluß ist als Initiativantrag in den Nationalrat eingebracht worden. Durch den vorliegenden Beschluß – das hat in Kurzform mein Vorredner schon erwähnt – soll der spezifischen Unternehmensstruktur der Bahn Rechnung getragen werden und ein eigenes Betriebsverfassungsgesetz geschaffen werden, das für alle Bahnunternehmungen im Sinne des Eisenbahngesetzes gilt – das geht bis hin zum Seilbahnbetrieb.

Da Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, als Unterlage zu diesem Tagesordnungspunkt einen 27seitigen schriftlichen Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales erhalten haben,


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erspare ich es mir, ins Detail zu gehen. Gestatten Sie mir aber trotzdem, Ihnen einige der wesentlichen Bestimmungen dieses Gesetzes näherzubringen – einiges davon hat schon mein Vorredner, Kollege Weilharter, angeschnitten.

Dieses Bundesgesetz gilt, wie gesagt, für die Österreichischen Bundesbahnen sowie für die von diesen betriebenen Verkehrszweigen in allen Bereichen. In der Beilage zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates wird beginnend mit dem Betriebs- und Unternehmensbegriff – ich glaube, da sollten wir beginnen – über den Arbeitnehmerbegriff und die Interessenvertretung, die Festlegung von Betriebsversammlungen bis zur Wahl der Vertrauensleute alles sehr genau beschrieben. Es kommt in diesem Gesetz aber auch die Jugend nicht zu kurz, da eigene Jugendvertreter vorgesehen sind.

Im wesentlichen – damit komme ich jetzt wieder auf den Anfang zurück, auf den Betriebs- und Unternehmensbegriff – orientiert sich das Betriebsverfassungsgesetz am allgemeinen Arbeitsverfassungsgesetz und sieht eigentlich nur dort Ausnahmen vor, wo die spezifische Unternehmensstruktur der ÖBB diese für gerecht erscheinen läßt; über den Gerechtigkeitssinn könnten wir sicher stundenlang diskutieren.

Von einer Minderheitenfeindlichkeit, wie sie Kollege Weilharter angesprochen hat, kann meiner Meinung nach bei diesem Gesetz nicht gesprochen werden, denn gerade durch die hohe Zahl der Vertrauenspersonen besteht auch für kleinere Fraktionen die Möglichkeit, in den verschiedenen Gremien anwesend zu sein und dort ihre Meinung zu vertreten.

Die ÖVP-Fraktion wird diesem Gesetz gerne die Zustimmung geben. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Farthofer. )

14.43

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

14.43

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Wir haben uns heute mit der Änderung des Post-Betriebsverfassungsgesetzes auseinanderzusetzen, aber auch über das vorliegende Bahn-Betriebsverfassungsgesetz zu befinden. Das Bahn-Betriebsverfassungsgesetz ist notwendig, weil zum ersten Mal eine gesetzliche Regelung für die Betriebsverfassung der Bahnen getroffen wird, denn das bestehende und heute schon erwähnte Arbeitsverfassungsgesetz nimmt die Österreichischen Bundesbahnen und andere Eisenbahnen vom betriebsverfassungsrechtlichen Teil aus.

So lange die ÖBB Wirtschaftskörper des Bundes waren, so lange waren sie auch vom Bundespersonalvertretungsgesetz ausgenommen. Es gab bisher immer innerbetriebliche Regelungen, und diese schon in der Ersten Republik; sie wurden im Jahre 1946, Kollege Weilharter, wiederverlautbart und haben sich in den vergangenen 50 Jahren bestens bewährt, sie haben dazu geführt, daß sich funktionsfähige betriebliche Arbeitnehmervertretungsstrukturen entwickelt haben. (Bundesrat Weilharter: Kollege, warum haben Sie dann ausgegliedert?)

Die grundsätzliche Abweichung vom Arbeitsverfassungsgesetz besteht in der zweistufigen Interessenvertretung, die es bei den Bahnen gibt, und diese ist erforderlich, um den öffentlichen Versorgungsauftrag der ÖBB, der Bahnen zu gewährleisten und den flexiblen Einsatz der Mitarbeiter, wie zum Beispiel beim Turnusdienst, zu sichern.

Kollege Weilharter! Die hohe Zahl von sehr unterschiedlich strukturierten Arbeitsstätten, die es bei der Bundesbahn gibt, mit den unterschiedlichsten Beschäftigtenzahlen sind ein weiterer Grund dafür, daß dieses neue Gesetz geschaffen wurde. Es muß vor allem die Vertretung der Arbeitnehmer vor Ort und darüber hinaus bei einem so großen Betrieb wie der Bahn für das ganze Bundesgebiet sichergestellt sein.

Positiv möchte ich festhalten, daß mit diesem Bahn-Betriebsverfassungsgesetz – das ist Ihnen sicher entgangen, Kollege Weilharter – die Aktion "Fairneß" umgesetzt wurde. Es gibt dadurch


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in Zukunft bei den Österreichischen Bundesbahnen keinen arbeitsrechtlichen oder sozialrechtlichen Unterschied mehr zwischen Arbeitern und Angestellten, sondern es gibt einen einheitlichen Arbeitnehmerbegriff – ein lang angestrebtes Ziel der Beschäftigten der Bundesbahn.

Die Arbeitnehmer der Bundesbahn besitzen des weiteren ein von der Staatsbürgerschaft unabhängiges Wahlrecht, somit auch das passive Wahlrecht – ich glaube, daß das ein wesentlicher und richtiger Schritt für die Zukunft ist. Es werden aber auch wesentliche Teile des Arbeitsverfassungsgesetzes in das Bahn-Betriebsverfassungsgesetz übernommen. Es ist hier schon die Jugendvertretung angeführt worden, darüber hinausgehend ist anzumerken, daß auch die Konzernvertretung vom Arbeitsverfassungsgesetz mit ins Bahn-Betriebsverfassungsgesetz übernommen wird.

Das heute vorliegende Bahn-Betriebsverfassungsgesetz ist nicht nur modern, sondern es beinhaltet auch wesentliche innovative Aspekte, und es ist vor allem sehr stark zukunftsorientiert. Wir sind davon überzeugt, daß die zusätzlichen Herausforderungen für die Arbeitnehmer durch dieses Gesetz bewältigt werden können. Dies ist vor allem im Hinblick auf den zu bestehenden verschärften nationalen, aber auch internationalen Wettbewerb wichtig, den es auch bei der Bahn geben wird. Es ist wichtig, bei solch einem Wettbewerb auch die Arbeitnehmerinteressenvertretung auf eine gesunde Basis zu stellen.

Es gilt, die Durchsetzungsmöglichkeiten oder – ich sage das sehr direkt – die Schlagkraft der Belegschaft durch ihre Personalvertretung zu erhalten und weiter auszubauen. Vor allem in Zeiten wie diesen dürfen Arbeitnehmer nicht zum Spielball unternehmerischer Überlegungen werden.

Nun noch einige Anmerkungen zum Post-Betriebsverfassungsgesetz. Der heute vorliegende Änderungsvorschlag enthält vor allem die Bestimmung, daß jeder Wahlberechtigte eine Stimme für die Wahl aller Personalvertretungsorgane besitzt. Die Wahl aller Personalvertretungsorgane hat in Zukunft mittels eines einzigen einheitlichen Stimmzettels zu erfolgen, und dieser einheitliche Stimmzettel wird vom Zentralwahlausschuß bei der Post aufgelegt werden.

Schon bei den im Jahre 1998, also nächstes Jahr, durchzuführenden Personalvertretungswahlen, aber auch bei den Gewerkschaftswahlen ist eine wesentliche Voraussetzung, daß die Wahlberechtigten nach dem Prinzip des Listenwahlrechtes die Möglichkeit haben, mit einer Stimme ihre Personalvertretung zu wählen. Dadurch wird eine dem Wählerwillen entsprechende Zusammensetzung der dreigliedrigen Personalvertretung sichergestellt, aber auch eine reibungslose und funktionierende Mitsprache und Mitverantwortung der Personalvertretung, der Belegschaftsvertretung – im Interesse der bei der Post beschäftigten Kolleginnen und Kollegen.

Es ist aufgrund der schon stattfindenden und noch weiter notwendigen Umstrukturierung erforderlich, alle Vertretungsorgane in einem Wahlgang zu wählen. Sollte das nämlich nicht der Fall sein, würden sich die Beschäftigten in einem permanenten Personalvertretungswahlkampf befinden, und die Dienstobliegenheiten könnten nicht so vorzüglich und kundenfreundlich wie jetzt stattfinden.

Die vorliegenden Änderungen des Post-Betriebsverfassungsgesetzes stellen die Funktionsfähigkeit der Personalvertretung, wie von mir schon erwähnt, für die gesamte Funktionsperiode, die vier Jahre dauert, sicher. Daher geben wir Sozialdemokraten diesen beiden Gesetzen gerne die Zustimmung. (Beifall bei der SPÖ und des Bundesrates Dr. h. c. Mautner Markhof. )

14.52

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster auf dem "Fahrplan" steht Herr Bundesrat Erich Farthofer. Ich erteile ihm das Wort.

14.52

Bundesrat Erich Farthofer (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein Vorredner, Kollege Drochter, bekannt als engagierter Gewerkschafter, hat sehr ausführlich über die neuen Eigenschaften des Bahn-Betriebsverfassungsgesetzes gesprochen, deshalb erlaube ich mir, nur eine persönliche Bemerkung anzubringen – ich werde nicht das wiederholen, was du, lieber Kollege Drochter, gesagt hast, sondern möchte die Ge


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legenheit dazu nützen, aufgrund der Situation, daß der geschätzte Herr Präsident und Professor Schambeck heute den letzten Tag hier anwesend ist, einige Worte zu sagen.

Ich hatte zwölf Jahre lang die Ehre, hier einige Referate und viele gute Reden von Herrn Professor Schambeck zu hören. Für mich als Vertreter der Gewerkschaft der Eisenbahner war es erfreulich, daß Sie, Herr Professor, diesen Berufszweig, in dem 57 000 Kolleginnen und Kollegen beschäftigt sind, immer wieder positiv hervorgehoben haben, aber auch das eine oder andere Mal berechtigte Kritik – auch aus meiner Sicht – angebracht haben. Ich erlaube mir daher – die heutige Gelegenheit will ich dafür nützen –, im Namen aller 57 000 Kolleginnen und Kollegen ein herzliches Dankeschön zu sagen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Herr Professor! Ich hoffe, Sie bleiben den Eisenbahnern mit diesen positiven Gedanken treu. (Bundesrat Dr. Schambeck: Bis zum Ende meiner Tage!)

Ich wünsche Ihnen, Herr Professor, auch meinerseits alles Gute für die Zukunft und möchte noch einmal meine besondere Wertschätzung Ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

9. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit (611 und 725/NR sowie 5471/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 9. Punkt der Tagesordnung: Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit.

Die Berichterstattung hat wieder Herr Bundesrat Wolfgang Hager übernommen. – Bitte, Herr Bundesrat.

Berichterstatter Wolfgang Hager: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Sozialausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Viertes Zusatzabkommen zum Abkommen vom 15. November 1967 zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über soziale Sicherheit liegt Ihnen schriftlich vor.

Ich verzichte daher auf die Verlesung und stelle namens des Sozialausschusses den Antrag, gegen diese Vorlage keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.


Bundesrat
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Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

10. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden (575, 644 und 761/NR sowie 5462 und 5472/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 10. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung 1994, das Arbeitsverfassungsgesetz, das Bankwesengesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 und das Arbeitsinspektionsgesetz 1993 geändert werden.

Die Berichterstattung hatte Herr Bundesrat Mag. Harald Himmer übernommen. Da er nicht anwesend ist, darf ich Sie, Herr Dr. Harring, als Vorsitzenden des Ausschusses bitten, einstweilen die Berichterstattung zu übernehmen.

Berichterstatter Dr. Peter Harring: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Gewerbeordnung und die schon zitierten Gesetze geändert werden, zur Kenntnis. Der Bericht ist Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schriftlich zugegangen, sodaß ich auf seine Verlesung verzichten kann.

Ich stelle namens des Ausschusses den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

14.57

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe die der gegenständlichen Vorlage zugrunde liegende Zielsetzung, die Vereinfachung des Zugangs zum Gewerbe einerseits, andererseits die Verbreiterung des Gewerbeumfangs, durchaus positiv, und zwar wegen der Verbesserungen für den Wirtschaftsstandort Österreich und der Stärkung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmer an die Bedürfnisse des Marktes in Österreich.

Leider sind aber in sehr vielen Bereichen die Bemühungen um Verwaltungsvereinfachung, die Bemühungen um Deregulierung von einem äußerst hohen Maß an Zurückhaltung geprägt worden – das ist schade. Das sagen aber nicht nur wir Freiheitliche, sondern es steht beispielsweise auch in einer Stellungnahme des Amtes der Kärntner Landesregierung, daß man sich hier bei dem Bemühen, die Verwaltung wirklich zu vereinfachen, wirklich zu deregulieren, sehr zurückgehalten hat.

Man könnte die Novellen zur Gewerbeordnung trotz der monatelangen intensiven Vorarbeiten als einen Akt der "dekorativen Schönheitspflege" betrachten. Wenn es nämlich so ist, daß – dies geht aus der jüngsten OECD-Studie hervor – die Selbständigen-Quote in den Jahren 1990 bis 1993 – jüngere Zahlen stehen der OECD offensichtlich nicht zur Verfügung – in Österreich rückläufig war, während in allen anderen europäischen Ländern, insbesondere in Deutschland und in


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Holland, der Anteil der Selbständigen durchaus gestiegen ist und beispielsweise in Holland schon um rund ein Drittel, also um rund 30 Prozent, höher liegt als in Österreich, auch in der Bundesrepublik Deutschland wesentlich höher ist als in Österreich, und wenn Österreich im europäischen Vergleich, was die Selbständigen-Quote betrifft, überhaupt nur an vorletzter Stelle liegt, dann gibt es sicher Gründe dafür. Gründe dafür sind sicher die jahrelange Bevorzugung der Gemeinwirtschaft, die jahrelange Bevorzugung der öffentlichen Hand, die jahrelange Bevorzugung des geschützten Sektors, aber auch der reglementierte Zugang zur Gewerbeausübung durch Befähigungsnachweis und ähnliche Erschwernisse.

Meine Damen und Herren! In diesem Zusammenhang sieht man eigentlich, wie fortschrittlich schon Kaiser Franz Joseph gewesen ist. Kaiser Franz Joseph hat schon vor knapp 150 Jahren – Herr Präsident, ich freue mich über Ihre Zustimmung –, nämlich im Jahre 1859, das restriktive Konzessionssystem des Zunftwesens beseitigt. Er hat eigentlich eine für die damalige Zeit fast fremdartig liberale Gewerbeordnung geschaffen. Vielleicht war sie auch für Kaiser Franz Joseph sehr liberal, aber seine Berater haben es jedenfalls geschafft – sicherlich waren dort auch schon sehr viele Freiheitliche bei der Entscheidungsfindung dabei, sonst hätte das bestimmt nicht geschehen können. Die Gewerbeordnung des Jahres 1859 ist aber sicher liberaler als die heutige.

Meine Damen und Herren! Der Grundgedanke war durchaus logisch, nämlich die gewerbliche Tätigkeit nur insoweit zu beschränken, als man Rücksicht auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit nehmen muß. In der Monarchie hat es – Sie werden es kaum glauben! – nur 14 konzessionierte Gewerbe gegeben. Wer darüber hinaus ein Gewerbe antreten wollte, hat einfach eine Anzeige an die Behörde erstattet.

Dem heutigen Vizekanzler Dr. Schüssel war es vorbehalten, mit der von ihm vorgelegten und initiierten Gewerberechtsnovelle 1992 eine Reihe von überzogenen und unsachlichen Erschwernissen einzuführen: erstens die im internationalen Vergleich nach wie vor zu langen Ausbildungszeiten, zweitens die geforderte Dauer der praktischen Verwendung und drittens die mangelnde Flexibilität bei der Regelung des Übertritts zu anderen Gewerben.

Meine Damen und Herren! All diese Schwächen konnten durch die vorliegende Novelle natürlich nicht beseitigt werden. Aufgrund eher leidvoller Erfahrungen gehen wir davon aus, daß die Bundesräte beider Regierungsparteien geschlossen für diese Vorlage stimmen werden, obwohl ich mir nicht vorstellen kann, daß alle Bundesräte in diesem Hohen Haus mit dieser Vorlage einverstanden sind.

Ich darf in diesem Zusammenhang den Präsidenten der Wirtschaftskammer Niederösterreich zitieren. Herr Ing. Peter Reinbacher, der der Volkspartei angehört, hat gesagt: "Es kann wohl nicht sein, daß die Bundesregierung gerade jetzt eine Gewerbeordnung beschließt, die fast zwangsläufig zum Arbeitsplatzkiller in Handel und Gewerbe werden muß." – Das meinte der Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich.

Weiters: "Das Präsidium des Wirtschaftsbundes hat der im Ministerrat eingebrachten Fassung der Gewerbeordnung ausdrücklich nicht zugestimmt."

In der "Niederösterreichischen Wirtschaft", der Wochenzeitung der niederösterreichischen Unternehmer, ist unter der Überschrift "Gewerbeordnung im Kreuzfeuer" zu lesen: "Mit einer Vielzahl an praktischen Beispielen zeigte die Sektion Gewerbe und Handwerk NÖ bei einer Pressekonferenz jene Wettbewerbsverzerrung zwischen Bauern und Gewerbe auf, die bei Beschlußfassung des Regierungsentwurfes zur Novellierung der Gewerbeordnung drohe. Schon jetzt hätten viele Bauern unerlaubt gewerbliche Tätigkeiten ausgeführt, insbesondere bei den Fleischern, Bäckern, Konditoren, Zimmerern, Landschaftsgärtnern und Molkern. ,Das war gerade noch erträglich. Aber jetzt soll das legalisiert werden, und weitere Nebenrechte kämen dazu ...‘, empört sich Sektionsobmann Komm.Rat Johann Girschik." Und in dieser Tonart geht es weiter.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So lange die Bauern, die Landwirte nicht mit den klein- und mittelständischen Unternehmen positiv zusammenarbeiten, solang werden beide,


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sowohl die Bauern als auch die Klein- und Mittelbetriebe, die Verlierer sein. Das ist eine typische Verlierer-Verlierer-Strategie, und wenn sich hier keine Änderung abzeichnet, können beide nicht gewinnen.

Wir Freiheitlichen verstehen weiters nicht, daß man den Typus des konzessionierten Gewerbes nun in ein bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe umbenannt hat. Das ist für mich eine fast peinliche Umetikettierung.

Wir verstehen auch nicht, daß das österreichische Gewerberecht strengere Befähigungsvorschriften enthält als das EU-Recht. In manchen Fällen muß ein Ausländer nur seine selbständige Tätigkeit im Ausland nachweisen, während ein Inländer die Berufszulassungserfordernisse nachweisen muß. Das Beispiel ist zwar schon alt und oft gebraucht, ich nenne es aber, weil der Herr Minister gerade gekommen ist: Wenn beispielsweise ein Eiserzeuger in Tarvis Eis verkauft und am nächsten Tag in Velden oder in Pörtschach am Wörthersee auftaucht und dort sein Eis verkauft, so kann er das, weil er in Tarvis selbständig war. Seine Befähigung wird überhaupt nicht geprüft. Wenn ein Österreicher das machen will, wird der Italiener inzwischen schon so viel Eis verkauft haben, daß dieser wahrscheinlich auf dem Markt keine Chance mehr hat. Das verstehen wir nicht.

Die Initiatoren dieser Gewerbeordnung sprechen zwar von Modernisierung des Wirtschaftsrechts, von Verwaltungsreform, von Liberalisierung, von Deregulierung, von Wettbewerb unter Qualifizierten, von europareifer Gewerbeordnung, aber bis dorthin ist es sicherlich noch ein weiter Weg. Ich bringe in diesem Zusammenhang ein Zitat – es ist zwar nicht mehr ganz neu, aber sicherlich sehr aktuell – des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky, der ja jetzt in Wirtschaftskreisen wieder sehr bedeutend wird. Er hat, glaube ich, ein Vorkaufsrecht einer Bank mit einer Beraterfunktion abgetauscht oder so ähnlich.

Vranitzky hat in der Regierungserklärung vom 13. 3. 1996 wörtlich gesagt: "Nicht zuletzt sei erwähnt, daß wir einen neuen Anlauf nehmen müssen, um die Verwaltung zu vereinfachen, die behördlichen Verfahren zu verkürzen. Dies gilt für Betriebsgründungen ebenso wie für Betriebsansiedlungen und Infrastrukturprojekte größeren Umfangs. Wenn jemand einen Betrieb nur deshalb nicht gründet oder erweitert, weil er jahrelang auf eine Genehmigung warten muß, wird er bald einen Standort außerhalb Österreichs interessanter finden oder sich anstelle einer Werkstatt ein Wertpapier kaufen."

Leider sind mit der vorliegenden Novelle diese Probleme noch nicht so gelöst, daß wir Freiheitlichen zustimmen könnten.

Es ist auch interessant, daß im Koalitionsübereinkommen eine ganze Seite dem Thema "Gründeroffensive" und dem Aspekt, wie man leichter Zugang zum Gewerbe finden kann, gewidmet ist. Es sind dort zusätzliche Schritte für die Einleitung einer Gründeroffensive angekündigt. Aber wie man den finanziellen, zeitlichen und bürokratischen Aufwand tatsächlich verringern soll, das wird dort natürlich nicht gesagt.

Es ist heute nach wie vor so, wie beispielsweise ein Vergleich mit Großbritannien zeigt, daß der Zeitaufwand für die Registrierung einer GesmbH in Österreich im Durchschnitt zwei Monate dauert, während er in Großbritannien lediglich eine Woche beträgt.

Ich darf Ihnen den "Kurier" vom 22. 11. 1996 zitieren, der unter dem Titel "Bürokratie hemmt Investitionen" zu folgendem eigentlich sehr gewagten Schluß kommt: "Das bürokratische Betriebsanlagenrecht in Österreich schreckt potentielle Investoren ab. Dabei gehen der österreichischen Volkswirtschaft jährlich rund 15 Milliarden Schilling verloren."

Ich habe mich erkundigt: Berichtigt sind diese 15 Milliarden Schilling nie geworden. Also möglicherweise ist da doch etwas Wahres dran. Das hat jedenfalls interessanterweise die Abteilung für Umweltpolitik der Wirtschaftskammer Österreich festgestellt.

Die Anzahl der Genehmigungsverfahren liegt in Österreich bei zirka 15 000, in Deutschland bei 6 000, in Großbritannien bei nur 360. Dafür muß es auch eine Begründung geben.


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Nun zum Betriebsanlagenrecht, bei dem man das vernünftige und als positiv zu bezeichnende Ziel hatte, die Verwaltung zu vereinfachen, Verfahren zu beschleunigen, Betriebsgründungen zu erleichtern. All das klappt aber leider noch nicht so recht. Unserer Meinung nach ist die Gewerbeordnung, so wie sie heute beschlossen wird, nicht 100prozentig positiv vollziehbar. Das geht aus einem Dossier von Dr. Stephan Schwarzer, dem Leiter der Abteilung für Umweltpolitik, hervor, der in einer Studie zur Reform des Betriebsanlagenrechtes geschrieben hat, daß nach geltendem österreichischem Recht in Österreich zirka 50 000 Genehmigungsverfahren durchzuführen wären, aber nur die schon zitierten 15 000 Verfahren abgewickelt werden, davon etwa 10 Prozent in einem vereinfachten Verfahren. Daher wird ein erheblicher Teil der Betriebsanlagen konsenslos oder nicht konsensgemäß betrieben. Der Frage, wie konsenslose oder konsenswidrig betriebene Anlagen legalisiert werden können, wurde nicht nachgegangen.

Wir glauben nach wie vor – zweiter Punkt –, daß eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten nicht gewerblicher Tätigkeiten gegeben ist, wenn Betriebsanlagegenehmigungen nur für gewerbliche Betriebsanlagen erforderlich sind.

Der dritte entscheidende Punkt ist, daß gemäß der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Österreich praktisch jede Maschine einer Genehmigungspflicht unterliegt. Das heißt, daß das österreichische Betriebsanlagenrecht von einem sehr hohen Maß an Genehmigungsverwaltung, aber von einer unterentwickelten Anlagenüberwachung ausgeht. Es wird also zunächst viel Wert auf die Genehmigung gelegt, aber die spätere Überwachung kommt zu kurz.

Abschließend darf ich nochmals den Präsidenten der Wirtschaftskammer Niederösterreich Reinbacher zitieren – ich kann mir nicht vorstellen, daß das im Rahmen der Volkspartei keinen Einfluß hat –, der in seiner Publikation gesagt hat: "Es kann wohl nicht sein, daß die Bundesregierung gerade jetzt eine Gewerbeordnung beschließt, die fast zwangsläufig zum Arbeitsplatzkiller in Handel und Gewerbe werden muß."

Historisch gesehen, meine Damen und Herren, ist das österreichische Gewerberecht 500 Jahre alt. So lange wird schon reformiert, 1997, das muß man zugeben, sehr gründlich. Man hat sich wirklich sehr bemüht. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, bis endlich die Voraussetzungen für einen funktionsfähigen Wettbewerb zu fairen Bedingungen erreicht sind. Erst wenn das der Fall sein wird, werden wir Freiheitlichen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

15.11

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile es ihm.

15.11

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich habe schon am 19. Dezember anläßlich der Debatte zum Gewerberegister auf einige Forderungen hingewiesen und Grundsätze für diese Gewerberechtsnovelle, wie sie uns heute vorliegt, festgelegt, die meiner Meinung nach zu erfüllen wären. Ich möchte diese Grundsätze an den Beginn meiner Ausführungen stellen, um mit Ihnen gemeinsam zu klären, inwieweit sie im vorliegenden Gesetz berücksichtigt wurden und inwieweit meine damaligen Überlegungen zielführend waren.

Das Ziel einer Liberalisierung der Gewerbeordnung – und dies war bislang eine von allen Fraktionen unbestrittene Festlegung – sollte sein, den Zugang zum Gewerbe zu erleichtern und damit den Wettbewerb zu stärken. Durch einen erleichterten Zugang wird die Gründung von Unternehmen angeregt, wobei gleichzeitig die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze möglich wäre. Die Förderung des Wettbewerbs bedeutet für den Konsumenten ein reichhaltiges Angebot und bessere Qualität zu niedrigeren Preisen.

Aus all diesen Gründen hielt ich es für wichtig, Regulierungen des Zugangs auf ein notwendiges Maß zu beschränken und geschützte Märkte durch allzu strenge Zugangsregelungen nicht länger aufrechtzuerhalten. Das geltende System des Zugangs beziehungsweise der Gewerbeabgrenzung sollte nach allgemein formulierbaren, ökonomisch vernünftigen Grundsätzen neu geregelt werden. Ökonomisch relevant ist eine Liberalisierung dann, wenn sie die Wettbewerbs


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fähigkeit der gewerblichen Klein- und Mittelbetriebe fördert und die Mobilität der Arbeitnehmer mit beruflicher Qualifikation vergrößert.

Nun liegt uns also innerhalb der in Aussicht genommenen zeitlichen Abfolge die Gewerberechtsnovelle 1997 vor, und es obliegt uns, dazu die Erfüllung der an sie gestellten Erwartungen festzustellen oder diese neuerlich einzufordern. Es wird niemanden der hier Anwesenden überraschen, wenn ich feststelle, daß diese Vorlage von meinen Idealvorstellungen doch etwas entfernt ist und echte Liberalität – diesbezüglich muß ich Kollegen Dr. Harring recht geben – wohl in der 1859 geschaffenen Gewerbeordnung vorhanden war, seither aber ständig zurückgenommen wurde.

Die Gewerbeordnung von 1859 war vom Gedanken der Gewerbefreiheit getragen. Grundgedanke war, die gewerbliche Tätigkeit nur insoweit zu beschränken, als es aus Rücksicht auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit notwendig erschien. Nur 14 Gewerbe waren konzessioniert, weil – ich zitiere – "öffentliche Rücksichten die Notwendigkeit begründen, die Ausübung derselben von einer besonderen Bewilligung abhängig zu machen". Für den Antritt eines Gewerbes genügte die bloße Anzeige bei der Behörde.

1883 wurden die handwerksmäßigen Gewerbe und damit der Befähigungsnachweis eingeführt. Damit wurde die Ausbildung im Gewerbe und die längere Verwendung in demselben gefordert, um bei entsprechendem Nachweis durch Anmeldung bei der Behörde ein freies Gewerbe ausüben zu dürfen.

1907 wurde der Befähigungsnachweis für das Handelsgewerbe eingeführt.

Die gebundenen Gewerbe wurden 1934 geschaffen, um in bestimmten Gewerbezweigen durch einen Verwendungsnachweis eine gewisse Erschwerung des Antritts zu erreichen.

Bereits 1957 wurde der Nationalrat mit Entschließung aufgefordert, im Wege einer Kommission Grundlagen für eine neue Gewerbeordnung zu schaffen.

Das Ergebnis jahrelanger Verhandlungen war die 1973 beschlossene Gewerbeordnung, die wieder mehr Gewerbefreiheit bringen sollte.

Tatsächlich wurden aber die vier nach 1859 historisch gewachsenen Gewerbekategorien beibehalten. Die Unterscheidung zwischen Anmeldungsgewerben, also freie und gebundene Gewerbe und Handwerke, das heißt Gewerbe, die aufgrund der Anmeldung bei der Behörde – als rechtskräftiger Akt – ausgeübt werden dürfen, und konzessionierten Gewerben, welche erst aufgrund rechtskräftiger behördlicher Bewilligung ausgeübt werden dürfen, wurde schärfer.

Auch durch die Gewerberechtsnovelle 1992 wurde an den vier Gewerbekategorien nichts geändert, wiewohl der Typus konzessionierter Gewerbe in "bewilligungspflichtige gebundene Gewerbe" umbenannt wurde. Auch die dabei festgelegte Reduktion der gesetzlich geregelten Gewerbe durch Verminderung der Anzahl von 210 auf zirka 150 hatte in der Praxis keine Bedeutung, da der Großteil dieser Gewerbe ökonomisch weitgehend nicht ins Gewicht fiel. Sie erinnern sich, es wurden die Notenstecher, die Bürsten- und Pinselmacher und die Schirmmacher in diese Bezeichnung einbezogen.

Mit der vorliegenden Novelle sollen die Erleichterung von Betriebsgründungen, eine Verfahrensbeschleunigung und Verwaltungsvereinfachung sowie Kompetenzentflechtungen und die Beseitigung von Vollziehungsschwierigkeiten erreicht werden. Darüber hinaus wird auch die Zielsetzung verfolgt, die Verbesserung des Wirtschaftsstandortes Österreich, die Verbesserung des Angebots, die Stärkung der Anpassungsfähigkeit der Unternehmer an die Bedürfnisse des Marktes, die Vereinfachung des Zugangs zum Gewerbe, die Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten, die Erhöhung der Flexibilität der Arbeitnehmer sowie die Erhaltung des Qualitätsstandards des österreichischen Gewerbes zu erreichen.


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Diese Zielsetzungen decken sich durchaus mit meinen eingangs festgehaltenen Grundsätzen. In der Erfüllung jedoch scheinen sich manche Ziele verflüchtigt zu haben, oder sie wurden auf dem Opfertisch der Bünde eingebracht.

Eine Liberalisierung der Gewerbeordnung hat neben der Erleichterung von Unternehmensgründungen auch das Zurückdrängen der Schattenwirtschaft zum Ziel. Zurzeit werden vor allem handwerkliche Tätigkeiten vielfach im Pfusch verrichtet, um die Kosten und Mühen von Gewerbeanmeldungen zu umgehen. Dadurch entsteht ein volkswirtschaftlicher Schaden in Milliardenhöhe.

Die Antwort auf neue Marktbedingungen kann selbstverständlich nicht die gänzliche Abschaffung der Gewerbeordnung bedeuten, sondern sie muß auf die spezifische Rolle Rücksicht nehmen, die Österreich im Rahmen des globalisierten Wettbewerbs am besten einnehmen kann.

Was Österreich der internationalen Konkurrenz entgegenzusetzen hat, sind in erster Linie qualitätsvolle und hochwertige Güter und Dienstleistungen. Dementsprechend sind jene Aspekte der Gewerbeordnung, die der Qualitätssicherung dienen, nicht nur beizubehalten, sondern noch zusätzlich aufzuwerten. Der international gute Ruf des Wirtschaftsstandortes Österreich ist schließlich wesentlich durch den hohen Ausbildungsgrad seiner Arbeitskräfte begründet.

Zum Ausgangspunkt und zur Reform des Zugangs zum Gewerbe kommend ist jedoch festzustellen:

Die Gewerbeordnung ist eines unserer wichtigsten Wirtschaftsgesetze. Sie regelt den Zugang zum Gewerbe und schafft damit die unternehmerischen Rahmenbedingungen für zirka 1,4 Millionen Beschäftigte, und zwar für 400 000 im Handel, 470 000 in der Industrie und 500 000 im Gewerbe. Die rechtliche Voraussetzung, ein Unternehmen zu gründen beziehungsweise ein Gewerbe zu betreiben, ist daher nicht nur für den Unternehmer selbst, sondern auch für die Zahl der Beschäftigten von eminenter Bedeutung.

Ein zu strenger Zugang zum Gewerbe ist ein ungerechtfertigter Konkurrenzschutz für die etablierten Unternehmer der jeweiligen Branche und gefährdet die Gründung von neuen Unternehmen und damit die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen.

Wenn die Gewerberechtsnovelle 1997, wie von mir bereits ausgeführt, auch nicht in allen Bereichen meinem Idealbild entspricht, so ist es doch sehr erfreulich, daß meine Fraktion in dieser Novelle wesentliche Forderungen des SPÖ-Konzeptes für eine Reform der Gewerbeordnung durchsetzen konnte. Selbst langjährige Forderungen der Sozialdemokraten, wie zum Beispiel der suppletorische Geschäftsführer, die Erweiterung des Gewerberechtsumfanges sowie Zugangs- und Verfahrenserleichterungen, die bislang am Widerstand der ÖVP gescheitert waren, konnten endlich umgesetzt werden.

Diese Bereiche möchte ich in meinem Beitrag deshalb etwas ausführlicher darstellen und beginne mit der vollen Supplierungsmöglichkeit.

In Zukunft sollen auch natürliche Personen, die den entsprechenden Befähigungsnachweis für ein Gewerbe nicht erbringen können, das Gewerbe ausüben können, wenn sie einen Geschäftsführer bestellen. Bisher war dazu die Gründung einer Gesellschaft notwendig. Mit dieser Neuregelung wird eine bürokratische und finanzielle Hürde beseitigt. Sonderregelungen in dieser Hinsicht bestehen lediglich für das Gewerbe der Rauchfangkehrer.

Eine weitere umgesetzte Forderung betrifft die Reduzierung der Zahl der Gewerbe. Die Zahl der in der Gewerbeordnung geregelten Gewerbe wird von bisher 153 auf nunmehr 84 reduziert und damit nahezu halbiert. Die Zahl der Handwerke wird von bisher 96 auf 43, die Zahl der nicht bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe von bisher 27 auf 20 und die Zahl der bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbe von bisher 30 auf 21 reduziert.


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In diese Gewerbeordnungsnovelle wird im übrigen die Bestimmung aufgenommen, daß alle Gewerbe, die nicht in den Gewerbelisten oder in den Verordnungen ausdrücklich angeführt sind, freie Gewerbe sind.

Eine ebenso langjährige Forderung meiner Fraktion ist die Erweiterung des Gewerberechtsumfangs und die Zusammenlegung verwandter Gewerbe.

Durch die Schaffung von verbundenen Gewerben erhält der Gewerbetreibende die Möglichkeit, auch Leistungen in den mit seinem Gewerbe verbundenen Gewerben zu erbringen, ohne daß dafür eigene Prüfungen beziehungsweise Gewerberechtigungen notwendig sind. So wird zum Beispiel in Zukunft ein Elektromaschinenbauer auch ohne zusätzliche Ausbildung Radiogeräte, Videogeräte und Büromaschinen reparieren oder der Maschinen- und Fertigungstechniker eine Kälteanlage errichten oder ein Herrenkleidermacher auch Damenbekleidung anfertigen dürfen.

Zur Schaffung von Teilgewerben mit vereinfachtem Zugang: Damit sollen einfache Tätigkeiten aus verschiedenen Handwerken ohne Meisterprüfung durchgeführt werden dürfen. Dadurch wird dem technologischen Wandel, der eine Vereinfachung vieler handwerklicher Tätigkeiten gebracht hat, Rechnung getragen und der Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten wesentlich erleichtert.

Zur Ausübung von einfachen Tätigkeiten wie Instandsetzen von Schuhen, Wartung von Faxgeräten oder Fahrradreparaturen wird künftig keine Meisterprüfung mehr nötig sein. Für die Ausübung eines Teilgewerbes wird in der Regel die erfolgreich abgelegte Lehrabschlußprüfung in Verbindung mit einer bestimmten Dauer fachlicher Tätigkeit genügen.

Das jeweilige Teilgewerbe wird in einvernehmlicher Kompetenz zwischen dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten und dem Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales durch Verordnung geschaffen. In der Schaffung der Teilgewerbe liegt ein wichtiger Beitrag zur Zurückdrängung der Schattenwirtschaft.

Die derzeitige Verpflichtung der Gewerbebehörde, ein Gutachten der zuständigen Gliederung der Wirtschaftskammer über den Befähigungsnachweis einzuholen, wird künftig entfallen. Anstelle der obligatorischen Befassung der zuständigen Gliederung der Wirtschaftskammer tritt deren fakultative Konsultation, wobei die Frist zur Äußerung von sechs auf vier Wochen verkürzt wird.

Dies sind Maßnahmen zur Verwaltungsentlastung und -beschleunigung, wobei auch das Berufungsrecht der Wirtschaftskammer im Anmeldeverfahren und im Nachsichtverfahren entfällt. Damit werden auch die in der Vergangenheit laut gewordenen Vorwürfe entkräftet, wonach die obligatorisch zu befassende Interessenvertretung ihr Begutachtungsrecht oft dazu verwendet habe, das Entstehen unerwünschter Konkurrenzbetriebe zu verhindern.

Mit der Gewerberechtsnovelle 1997 findet aber auch eine Erweiterung der Rechte der Land- und Forstwirtschaft durch Ausweitung der Ausnahmebestimmungen statt. In Zukunft ist der Zukauf von inländischen Erzeugnissen hinsichtlich aller Betriebszweige, mit Ausnahme des Weinbaus, wenn deren Einkaufswert nicht über ein Viertel des Verkaufswertes aller Erzeugnisse des jeweiligen Betriebszweiges beträgt, von der Gewerbeordnung ausgenommen. Bei Ernteausfall kann der Land- und Forstwirt inländische Erzeugnisse in dem Umfang zukaufen, wie er sie durch den Ernteausfall verloren hat.

Hinsichtlich der Anlagen, die für ein Nebengewerbe eingesetzt werden, wurde festgestellt, daß dann das Betriebsanlagenrecht zur Anwendung gelangt, wenn der Kapitaleinsatz zur Be- und Verarbeitung im Vergleich zum Kapitaleinsatz, der im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft erfolgt, unverhältnismäßig hoch ist oder wenn fremde Arbeitskräfte überwiegend für die Be- und Verarbeitung des Naturproduktes beschäftigt waren.

Weiters werden die Rechte zur Verarbeitung und Bearbeitung des eigenen Produktes unter der Voraussetzung, daß der Charakter des jeweiligen Betriebes als land- und forstwirtschaftlicher


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Betrieb gewahrt bleibt, ausgeweitet, wobei die Be- und Verarbeitung auch durch einen befugten Gewerbetreibenden im Lohnverfahren erfolgen kann.

Schließlich wurde eine neue Regelung betreffend das Halten von Räumen zur Abstellung von Kraftfahrzeugen geschaffen. Nach der bisherigen Regelung unterlag das Halten von Räumen zur Abstellung von Kraftfahrzeugen dann der Gewerbeordnung, wenn Kraftfahrzeuge von mehr als fünf hausfremden Personen eingestellt wurden. Diese Grenze wird nunmehr auf die Zahl von mehr als 50 hausfremden Personen festgelegt, um ein vermehrtes Angebot von Garagenplätzen damit zu erreichen.

Eine weitere Bereicherung stellt zweifelsohne die künftig zusätzliche Möglichkeit der Erbringung fachübergreifender Leistungen dar. Damit soll sichergestellt werden, daß Gewerbetreibende auch berechtigt sind, Leistungen anzubieten, die zwar nicht in den Umfang ihres Gewerbes fallen, jedoch in unmittelbarem Zusammenhang zu ihren eigenen Arbeiten stehen und das eigene Angebot den Marktbedürfnissen entsprechend ergänzen. Ein konkretes Beispiel dafür ist die bereits in der Praxis übliche Vermittlung von Sachversicherungen, sofern sie in geringem Umfang erfolgt, wie zum Beispiel von Sportartikelverkäufern, Reisebüros, Kraftfahrzeughändlern und Fachwerkstätten.

Ähnlich verhält es sich mit der Berechtigung aller Gewerbetreibenden zum Ausschank von Getränken. Auch dies ist in der Praxis bereits ein durchaus übliches Service, indem zum Beispiel der Friseur seinem Kunden unentgeltlich einen Kaffee oder sonstige Getränke anbietet. Sofern dafür weder zusätzliche Hilfskräfte noch eigene Räume verwendet werden und dafür auch nicht geworben wird, verstößt dies künftig nicht mehr gegen geltende gewerberechtliche Bestimmungen.

Ohne noch konkret auf weitere Bestimmungen dieses Gesetzes einzugehen, zum Beispiel auf die Erweiterung des Gewerberechtsumfanges für einzelne Gewerbe, die im Gesetz enthaltenen Verfahrensvereinfachungen und sonstigen Änderungen, möchte ich zum Abschluß meines Beitrages noch einige Feststellungen zum Betriebsanlagenrecht und dabei insbesondere zum Ausbau der Nachbarrechte treffen.

Vielfach wurde im Zuge der Debatte zum Betriebsanlagenrecht die Zurückdrängung oder Einschränkung von Bürgerrechten festgestellt. Das Gegenteil ist der Fall, da nunmehr auch Nachbarn, die bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn waren, nach der Genehmigung der Betriebsanlage ein Verfahren zur nachträglichen Auflagenerteilung einleiten können. Eine derart weitgehende Regelung war bisher nur von Amts wegen oder auf Antrag des für Umweltfragen zuständigen Bundesministers möglich.

Aufgrund der sonstigen Bestimmungen des Betriebsanlagenrechtes ist auch zu hoffen, daß tatsächlich eine Verkürzung in den Verfahren eintritt.

Erst in diesen Tagen wurde eine Studie der US-Handelskammer öffentlich, wonach ein Grund für die Zurückhaltung ausländischer Investoren in Österreich in der langen Dauer der Verfahren liegt. Entsprechend dieser Studie der US-Handelskammer dauern 48 Prozent der Betriebsanlageverfahren in Österreich länger als ein Jahr, 30 Prozent zwischen sechs Monaten und einem Jahr und 22 Prozent immerhin länger als sechs Monate. (Bundesminister Dr. Farnleitner: Basiert nicht auf den Daten der Handelskammer! Überholt und falsch!) – Ich habe leider keine derartige Entgegnung Ihrerseits in den Medien festgestellt. Ich bedauere das, aber Sie werden sicher Gelegenheit haben, dazu Stellung zu nehmen, Herr Bundesminister!

Nicht unerwähnt lassen möchte ich auch die erst im Endstadium der Beschlußfassung im Nationalrat getroffene Regelung über die Betriebsgarantie von Gastgärten auf nicht öffentlichem Grund. Es ist erfreulich, daß dazu eine Ausschußfeststellung getroffen wurde, wonach jedenfalls ein Betrieb in der Zeit von 9 Uhr bis 22 Uhr vorgesehen ist und über weitergehende Möglichkeiten der Landeshauptmann durch Bescheid oder im Verordnungswege entscheiden kann.

Zusammenfassend darf ich daher – trotz meiner einleitend geäußerten Unzufriedenheit – abschließend feststellen: Die vorliegende Gewerberechtsnovelle 1997 ist eine wesentliche Verbes


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serung gegenüber der bestehenden Rechtslage. Es ist zu hoffen, daß die damit verbundenen Zielsetzungen in weiten Bereichen erfüllt werden können. Meine Fraktion wird daher dem Antrag des Berichterstatters folgend diesem Gesetz gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

15.28

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

15.28

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Mit der heutigen Beschlußfassung über die vorliegende Novelle zur Gewerbeordnung 1994 wird meines Erachtens ein wichtiger Schritt zur Erfüllung des Koalitionsübereinkommens gesetzt. Die Zielsetzung der Regierungsvorlage war es, den Wirtschaftsstandort Österreich und das Angebot an Waren und Dienstleistungen zu verbessern, mehr Mobilität und mehr Anpassungsmöglichkeiten der Unternehmer an die Bedürfnisse des Marktes zu erreichen, einen einfacheren Zugang zum Gewerbe bei gleichzeitiger Erhaltung des hohen Qualitätsstandards unserer Meisterbetriebe herzustellen sowie Verwaltungsvereinfachungen und Verwaltungsbeschleunigungen im Betriebsanlagenrecht durchzuführen.

Ich glaube, daß man trotz Kritik der Opposition zu dieser Novelle sagen kann, daß wir einen großen Schritt in Richtung Liberalisierung gemacht haben. Wenn mein Vorredner, Kollege Rauchenberger, gemeint hat, dieser Entwurf sei von Liberalität weit entfernt, so muß ich hinzufügen, daß es den beiden Partnern natürlich nicht immer gelungen ist, hier Lösungen zu finden. Ich denke nur an die Teilgewerbe, bei denen wir einen Wunschkatalog von 40 Gewerben haben und diesbezüglich mit der Gewerkschaft bis jetzt keine Einigung erzielt wurde. Die Beschränkung auf fünf Beschäftigte war nicht unbedingt ein Wunsch der Wirtschaft.

Ich bewundere Sie, daß Sie die Lösung bezüglich der Gastgärten als positiv ansehen. Der ursprüngliche Vorschlag der Wiener SPÖ hat anders gelautet, nämlich von 9 Uhr bis 19 Uhr, und es waren besondere Einschränkungen vorgesehen.

Auch beim Betriebsanlagenrecht lag ein sehr ambitionierter Entwurf des Ministers vor, der von seiten Ihrer Fraktion in dem Umfang abgelehnt wurde. Trotzdem kann man sagen, daß es ein sehr positiver Entwurf ist, und ich bin eigentlich dankbar, daß Kollege Harring auch unser Mittelstandsmagazin des Niederösterreichischen Wirtschaftsbundes liest und hier meinen Präsidenten zitiert hat. Herr Kollege, Sie müssen aber den ganzen Zusammenhang lesen. Das hat sich nur auf das Verhältnis Gewerbe zur Landwirtschaft bezogen. Hier wurde berechtigte Kritik seitens der Wirtschaft geübt.

Ich glaube, es ist heute an der Zeit, eine positive Bilanz zu ziehen und den Blick nach vorne zu richten. Ich glaube, daß unsere Gewerbeordnung, wie wir sie seit mehr als 100 Jahren haben, ein rechtlicher Rahmen für die Wirtschaft war und sich als rechtlicher Rahmen bewährt hat, daß aber veränderte weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen, technologischer Fortschritt, gewandeltes Verhalten der Konsumenten zeitgemäße Reformen notwendig gemacht haben.

Mit der vorliegenden Reform hat die Regierung gemeinsam mit den Sozialpartnern – das möchte ich betonen – eine überzeugende Weichenstellung zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes gesetzt. Präsident Maderthaner hat auch betont – ich glaube, das kann man durchaus positiv sehen und auch unterstützen –, daß wir keine Disqualifizierungsordnung schaffen wollten, die ein riesiges Schlachtfeld jeder gegen jeden angerichtet hätte, wobei letztlich Betriebe und auch Arbeitsplätze verlorengegangen wären. Es ist der ÖVP und dem Wirtschaftsbund gemeinsam gelungen, aufbauend auf dem bisherigen System sinnvolle Reformvorschläge vorzulegen und durchzubringen.

Meine Damen und Herren! Deregulierung alleine wäre sicherlich nicht ausreichend, um den Standort zu stärken und die heimische Wirtschaft auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Es wird dringend notwendig sein, daß das unternehmerische Denken und Handeln zur dominierenden Grundeinstellung in weiten Teilen der Bevölkerung wird. Eine


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Gründerwelle läßt sich nur initiieren, wenn Innovationsgeist, Risikobereitschaft, Mut und Eigeninitiative vorhanden sind.

Die Leistungsfähigkeit der österreichischen Unternehmer steht und fällt mit dem Niveau der Aus- und Weiterbildung. Daher sehen wir in der Unternehmerprüfung und im Befähigungsnachweis keine Eintrittsbarriere, sondern notwendige Einstiegs- und Überlebenshilfen für Jungunternehmer. Im Zeitalter von Globalisierung und angesichts des bevorstehenden Euro verlangen wir seitens der Wirtschaft einen Wettbewerb mit klaren, fairen Spielregeln und möglichst wenig staatlichem Einfluß.

Meine Damen und Herren! Diese Novelle muß auch die Interessen von 230 000 Unternehmen – ich denke hier an Klein- und Mittelbetriebe bis 100 Beschäftigte – berücksichtigen. Sie muß Rücksicht nehmen auf die vielen Unternehmerinnen und Unternehmer, und genauso wie es das Recht der Landwirtschaft und anderer Berufsgruppen ist, ist es auch das Recht der Unternehmer, hier ihren Standpunkt, ihre Wünsche zu formulieren.

Meine Damen und Herren! Uns geht es vor allem um Gleichbehandlung der verschiedenen unternehmerisch tätigen Gruppen im Steuerrecht, im Anlagenrecht, denn es ist nicht einzusehen gewesen, warum strenge veterinärmedizinische Auflagen nur für Fleischhauer und nicht für Hausschlachtungen in der Landwirtschaft gelten sollten.

Eine gänzliche Aufhebung des Befähigungsnachweises hätte unseres Erachtens nach den Niedergang der Klein- und Mittelbetriebe in Österreich bedeutet, hervorgerufen durch ruinöse Konkurrenz bei einer gleichzeitig notwendigen hohen Haftpflichtversicherung, wie man es in Amerika derzeit erlebt. Durch Qualitätsverlust wäre es zu einer Gefährdung der Konsumenten gekommen, und es hätte vor allem auch das Ende der Lehrlingsausbildung bedeutet.

Meine Damen und Herren! Kurz zur wirtschaftspolitischen Bedeutung der Klein- und Mittelbetriebe in Österreich. Die Klein- und Mittelbetriebe in Österreich – ich rechne dazu Betriebe bis 100 Beschäftigte – beschäftigen 1,3 Millionen Personen, davon 120 000 Lehrlinge. Das Gewerbe alleine bildet fast 70 000 Lehrlinge aus. Das sind rund 57 Prozent in 25 000 Lehrbetrieben. Da im Ausschuß darüber diskutiert wurde, möchte ich hier festhalten, daß die Ausbildung in den Lehrbetrieben nicht so schlecht ist, denn Untersuchungen haben gezeigt, daß 90 Prozent der Lehrlinge ihr Lehrziel erreichen.

Meine Damen und Herren! Die Klein- und Mittelbetriebe in Österreich beschäftigen rund 55 Prozent der Mitarbeiter der gewerblichen Wirtschaft. Sie waren es auch in den letzten sechs Jahren, die Arbeitsplätze geschaffen haben. So sind die Arbeitsplätze zwischen 1990 und 1996 um 6,7 Prozent gestiegen.

Daß die Gewerbeordnung alleine bis dato kein Hindernis war, sich in Österreich selbständig zu machen, zeigt der Umstand, daß alleine in Niederösterreich in den letzten zehn Jahren jährlich zwischen 4 000 bis 6 000 neue Betriebe entstanden sind und sich per saldo die Zahl der Unternehmer in den letzten zehn Jahren um 41 Prozent erhöht hat – im Bundesdurchschnitt sind es 29 Prozent –, aber selbst wenn man die Zahl der Ruhendmeldungen abzieht, so bleiben noch immer 30 Prozent an zusätzlichen aktiven Betrieben übrig. (Präsident Dr. Schambeck übernimmt den Vorsitz.)

Nun zu den wesentlichsten Reformpunkten – mein Vorredner hat schon einen Großteil erwähnt –: Es wurde die Zahl der Gewerbe auf 84 gesenkt. Das heißt, von den 800 gewerblichen Berufen, die wir in Österreich zählen, unterliegen nur mehr 84 dem Befähigungsnachweis. Die Öffnung des Gewerbes für neue Unternehmen durch Teilgewerbe, verbundene Gewerbe und Supplierung wurde schon erwähnt. Ich hoffe, daß es uns bei den Teilgewerben gelingt, deren Anzahl zu erhöhen, denn damit besteht, glaube ich, die Möglichkeit – wie ich es zuerst erwähnt habe –, dem Pfusch entgegenzuwirken und Möglichkeiten zu bieten, in bestimmten Bereichen gewerblich tätig zu werden.

Ich weiß – und da gebe ich Ihnen recht –, daß die Supplierung auch in unseren eigenen Reihen lange Zeit sehr umstritten war, weil es immer geheißen hat – das war eben ein Grundsatz –, daß


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Ausbildung und Kapital in einer Person vereint sein sollen. Es hat sich aber die wirtschaftliche Situation, es hat sich die Zeit weiterentwickelt, und man hat gesehen, daß die GmbHs schon so überhandgenommen haben, daß in diesem Fall eigentlich der Einzelunternehmer diskriminiert wurde. Daher sind auch wir – das war auch der Beschluß des Präsidiums des Wirtschaftsbundes – für die Supplierung eingetreten – entgegen vielleicht manchen Vorstellungen des Gewerbes, wie es zuerst Kollege Harring zitiert hat.

Meine Damen und Herren! Es wurden auch die Berechtigungen fachübergreifend ausgeweitet – ich denke nur daran, daß ein Installateur in Zukunft auch Fliesen verlegen darf, Händler dürfen montieren, Produzenten dürfen zugekaufte Waren vertreiben –, es wurde der Gewerbeumfang erweitert, es wurde die Unternehmensprüfung erleichtert beziehungsweise abgeschafft, sofern eine Lehrabschlußprüfung abgelegt wird und Praxis vorhanden ist, und es ist die Kammer über ihren eigenen Schatten gesprungen, indem sie zugestimmt hat, daß das Begutachtungsrecht abgeschafft wird, wodurch wir, wie ich glaube, doch zu einer wesentlichen Verfahrensbeschleunigung beitragen können.

Ich will auf noch einen Umstand hinweisen, der vielleicht erst in einigen Jahren echt zum Tragen kommen wird, beziehungsweise muß man die Erfahrung der Verwaltungspraxis abwarten, das ist der Genehmigungstatbestand für großflächige Handelsbetriebe in Einkaufszentren. Es ist sicherlich der Versuch, das Ausufern der Einkaufszentren auf der grünen Wiese einzuschränken. Ich weiß, es gibt bereits Proteste von diversen Betreibern, aber ich glaube, man sollte zumindest den Versuch starten, diese Bestimmung in die Praxis umzusetzen, um das Entleeren der Stadt- und Ortskerne zu verhindern.

Bei der Betriebsübernahme im Gastgewerbe ist es gelungen, einen Punkt einzubringen: Bei Übernahmen von Betrieben, bei denen vor dem Jahr 1993 eine Lokaleignung gegeben war, müssen Auflagen nicht sofort durchgeführt werden, sondern hiefür gibt es fünfjährige Übergangsfristen. Dadurch besteht die Möglichkeit, Betriebe rascher zu übernehmen, was dazu beitragen soll, daß sich junge Unternehmerinnen und Unternehmer leichter entschließen, elterliche Betriebe zu übernehmen.

Die Gastgärten habe ich vorhin schon erwähnt. Ich bin froh, daß es hier gemeinsam gelungen ist, ein Öffnungsrecht bis 22 Uhr zu erwirken. Ich weiß, daß die Praxis des Verwaltungsgerichtshofes andere Wege gegangen ist und diese Bestimmung eigentlich nur deswegen entstanden ist, weil ein Hofrat nachmittags schlafen wollte, und mittels eines Amtssachverständigengutachtens festgestellt wurde, daß das Klappern von Gläsern oder von Tellern in privaten Gastgärten gesundheitsgefährdend ist. Dem wurde nunmehr ein Riegel vorgeschoben. (Bundesrat Dr. Harring: Der Hofrat hat eine starke Lobby gehabt!) Der hat einen schlechten Schlaf gehabt.

Die eigentliche Ursache für diese Bestimmung war seinerzeit die Regelung für die Schanigärten, für die man eine Betriebspflicht bis 23 Uhr ermöglicht hat. Im Umkehrschluß hat der Verwaltungsgerichtshof dann diese Bestimmung für private Gastgärten aufgehoben. Von Wien ist der Vorschlag gekommen, Zeiten zwischen 9 und 19 Uhr vorzusehen – das war Ihre Gesundheitsstadträtin, die hier unbedingt diese Einschränkung wollte –, aber gemeinsam ist es uns dann gelungen, dieses Betriebsanlagenrecht auf 22 Uhr auszudehnen. Das heißt umgekehrt, daß Betriebe, die heute schon eine weitergehende Möglichkeit haben, auch weiterhin länger offenhalten können. (Bundesrat Rauchenberger: Wien hat seit Jahren keine Gesundheitsstadträtin!) Bitte? (Bundesrat Rauchenberger: Wien hat seit Jahren keine Gesundheitsstadträtin! Sie verwechseln da einiges!) Konsumentenstadträtin. Entschuldigung! Ich meine Konsumentenstadträtin Brauner. Und das können Sie nicht leugnen, daß sie bei dieser Bestimmung sehr stark mitgemischt hat. (Bundesrat Rauchenberger: Sie war für 22 Uhr!)

Ich bin froh, daß es uns gelungen ist, mit der Landwirtschaft zu einem Ergebnis zu kommen, das für beide Seiten tragbar ist. Wir verstehen, daß in der Landwirtschaft gewisse Zukaufsmöglichkeiten notwendig sind. Uns ist es um eine steuerliche Gleichstellung gegangen – diese ist nun durch eine Entschließung des Nationalrates sichergestellt –, uns ist es hinsichtlich des Anlagenrechtes darum gegangen, daß dann, wenn die landwirtschaftliche Nebentätigkeit zur Haupttätig


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keit wird, diese Tätigkeit unter gewissen Voraussetzungen auch dem Betriebsanlagenrecht unterliegt.

Nun zum Anlagenrecht. Der ursprüngliche Vorschlag des Ministers war weitgehender. Es war geplant, ein eigenes Betriebsanlagengesetz zu schaffen, das nach den Vorstellungen des Ministers schon längst hätte beschlossen werden sollen, das aber beim Koalitionspartner nicht durchzubringen war, worauf man sich geeinigt hat, dieses Anlagenrecht im Rahmen der Gewerbeordnung zu behandeln. Es ist gelungen, einige wesentliche Fortschritte zu erzielen. Dazu gehört der Bereich der Verfahrenskonzentration, der Bereich der Verfahrensvereinfachung. Es wurde auch die besondere Sonderstellung der Arbeitsinspektoren eingeschränkt. Ich glaube, das ist ein ganz wichtiger Ansatz, denn bis jetzt war es ja so, daß die Arbeitsinspektoren beim Verfahren selbst nicht anwesend zu sein brauchten und das Recht hatten, innerhalb einer bestimmten Zeit ihre Auflagen zu erteilen. Durch eine Fristverkürzung wird diese Sonderstellung eingeschränkt.

Meine Damen und Herren! Manche Kritiker halten die Gewerbeordnung für ein Relikt aus dem Mittelalter, beschimpfen unsere Innungen und Gremien als Zünfte und wollen die Meister und das duale Ausbildungssystem ins Museum verabschieden. Die Wirtschaftskammer wird dabei vielfach als Verhinderer und als Hemmschuh der wirtschaftlichen Entwicklung angesehen. Es wird behauptet, sie sei unfähig für Reformen. Ich glaube, daß diese Novelle auf eindrucksvolle Weise das Gegenteil beweist. Die gesetzliche Interessenvertretung steht für richtige und zukunftsweisende Vorschläge, für eine zeitgemäße Modernisierung des Gewerberechtes. Sie hat damit ihre Reformkraft und auch Mut zu unpopulären Reformen in den eigenen Reihen bewiesen.

Meine Damen und Herren! Diese Novelle ist als positives Zeichen für all jene anzusehen, die sich in Österreich selbständig machen wollen, und sie ist Grundstein für eine neue Wirtschaftsordnung für das nächste Jahrtausend. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.45

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Farnleitner. Ich erteile es ihm.

15.45

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich möchte mich zunächst für die paarminütige Verspätung entschuldigen, die durch die rasche Umdisposition in diesem Haus verursacht wurde. Ich war gerade mit Vertretern von sogenannten NGOs in einer Diskussion über Gentechnik, die voller Empörung zur Kenntnis nehmen mußten, daß ein Minister selbstverständlich dem Ruf des Parlaments zu folgen hat. Daher bin ich etwas verspätet gekommen.

Zur Gewerbeordnung selbst: Meine Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit wahrnehmen, wirklich nicht in irgendwelchen Erfahrungsschätzen zu kramen, die ein Minister macht, der viel mehr möchte und dann weniger noch als einen Fortschritt verkaufen muß und es auch mit gutem Gewissen kann. Aber ich habe bei dieser Novelle einiges gelernt: daß solche, die monatelang Dinge verhindert hatten, dann, wenn man eine Lösung findet, blitzartig zu Vätern derselben werden, nehme ich gerne zur Kenntnis, desgleichen daß dieselben Leute, die über Zehntausende Verfahren in Österreich publizistisch geklagt haben, in dem Augenblick, in dem ich einen Teil der Verfahren wegfallen lassen wollte, um den Rechtsanspruch der Unternehmer auf Genehmigung gestritten haben.

Ich bitte auch Kollegen Harring um Verständnis, daß wir zwei, drei Dinge hier ganz offen andiskutieren müssen, so auch diese berühmte Studie der US-Handelskammer.

Ich war vorige Woche im amerikanischen Außenministerium und im Wirtschaftsministerium bei den jeweiligen Undersecretaries und Secretaries unterwegs, und mir wurde diese Studie vorgehalten. Ich habe blitzartig jeden mir bekannten US-Investor in Österreich angerufen, ob er je ein Verfahren hatte, das ein Jahr gedauert hätte. Sie alle haben gesagt, das ist ein Wahnsinn, uns so zu diskriminieren: Bei uns hat keiner länger als drei Monate gebraucht.


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Es ist wirklich schrecklich, wenn Studien gemacht werden, für die aus alten Unterlagen recherchiert wird und in denen auf die letzten Veränderungen nicht eingegangen wird. Denn auf eines bin ich wirklich ganz stolz. Fragen Sie, die Sie als Bundesländervertreter hier sind, in allen Bundesländern: Seit wir die Reform des Anlagenrechts diskutieren, haben sich die Verfahren dramatisch verkürzt. Wir können heute feststellen, daß fast jede Landesregierung stolz sagt, daß sie mit Ausnahme von Umweltverfahren oder ganz kniffligen Verfahren, für die man keinen Experten findet – etwa für Wäschereien – eine Verfahrensdauer von maximal drei Monaten haben. In dem im Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses des Parlaments durchgeführten Hearing mit Experten konnten wir feststellen, daß dies auch den Tatsachen entspricht. Ich würde daher bitten, daß wir nicht selbst negative Standortwerbung betreiben.

Ich füge gleich hinzu – weil wir später zu einem anderen Punkt noch über das Berufsausbildungesetz reden werden –: Bei meinen Kontakten in den Vereinigten Staaten habe ich mich mit Vertretern der Mutterhäuser der namhaftesten US-Investoren getroffen, und wissen Sie, wie dort der Standort Österreich figuriert? – Als eins oder zwei weltweit! Und wir lassen uns von Erhebungen wie der des World Economic Forums irritieren.

Ich nenne ein Beispiel, und Sie können mich beim Wort nehmen, ich bin bereit, für jedes Wort hier einzustehen. Die Firma CASE-Tractors hat vor einiger Zeit die Steyr Traktorfabrik St. Valentin gekauft – ein Kind problematischer österreichischer Wirtschaftspolitik. Dazu sagt mir heute der CEO: Es ist unser bester Erzeugungsbetrieb im Weltkonzern geworden. Wir finden nirgendwo solche Facharbeiter, nirgendwo solch marktzugeschnittene Produkte wie in diesem Werk.

Daher bitte: Wir haben das Pech, daß wir zum Teil wegen Streitereien um innerösterreichische Angelegenheiten, bei denen wir mit veralteten Daten operieren, das Image im Ausland gefährden. Ich sage das wirklich ohne Zorn und Eifer, denn das ist ganz wichtig gerade deshalb, weil wir heute wieder mehr denn je ausländische Investoren in Österreich haben.

Ich gestatte mir, obwohl es mit der Gewerbeordnung nichts zu tun hat, noch ein Beispiel zu bringen. Ich bin auch für die Firma ABA verantwortlich, die früher ICD hieß. Wir haben seit dem Vorjahr unsere Anwerbepolitik umgestellt, und wir haben im letzten Jahr die zweitmeisten Arbeitsplätze bekommen, vor allem im zweiten Halbjahr – nicht, weil ich da war, sondern weil wir umgestellt haben. Auch heuer geht es sehr gut, und zwar fast nur mit Unternehmen zwischen 30 und 40 Beschäftigten, die alle im Bereich der höheren Wertschöpfung nach Österreich kommen.

Das heißt, gerade weil wir dieses Image haben, müssen wir jetzt alles tun, um es zu verbessern, und ich nehme die Gelegenheit wahr, Herr Präsident, Sie wirklich darum zu bitten. Wir werden Sie, sobald wir die entsprechenden Statistiken haben, mit diesen versorgen.

Darf ich auch dazu ein Wort sagen: Wissen Sie, daß es in Österreich üblich ist, daß immer der Unternehmer eine Statistik vorlegen muß, daß es aber relativ unüblich ist, daß die Behörde eine Statistik vorlegt? Ich wundere mich grün und blau, daß es keine Statistik aller Bezirkshauptmannschaften über die Dauer von Verfahren gibt. Wir wollen zwar von den Unternehmern alles mögliche wissen, und ich insistiere jetzt, daß wir wirklich bezirkauf, bezirkab Verfahrensstatistiken bekommen, anhand derer wir rezent nachfragen können, wie lange die durchschnittliche Verfahrensdauer, nach Sektoren getrennt, ist, denn dann, glaube ich – und nur dann –, kann man Wirtschaftspolitik effektiv betreiben und muß nicht auf Mutmaßungen von Experten – egal aus welchem Stall sie kommen – Bezug nehmen.

Der nächste Punkt, auf den ich eingehen möchte, betrifft eine wichtige Neuerung. Im Hohen Haus hat, glaube ich, Abgeordneter Haigermoser aus der Gewerbeordnung 1859 zitiert mit dem berühmten Umkehrschluß: Alle anderen Gewerbe sind frei. Ich verweise nochmals darauf, daß wir genau diesen Umkehrschluß in § 5 Abs. 3 – wenn ich jetzt auswendig richtig zitiere – wiedereingeführt haben. Wir haben 84 geregelte Gewerbe, und alles andere, was in Österreich an gewerblichen Berufen denkbar ist, ist im Umkehrschluß ausdrücklich zu einem freien Beruf erklärt worden. Das ist ein Rückgriff auf eine liberale Tradition, die sehr wohl große Bedeutung hat, weil wir es mit sehr genau definierten 84 Gewerben zu tun haben.


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Zu den Teilgewerben wurden hier Zahlen genannt. Die Teilgewerbe wurden als großer Erfolg verkauft, und dann hätten wir Einigung über sieben Teilgewerbe erzielt. Da habe ich gesagt: Liebe Freunde! So kann es nicht gehen, sondern wir aus dem Haus wollen Teilgewerbe, deren Zahl ein Vielfaches dessen beträgt.

Ich möchte den Bundesrat auch darüber informieren, daß wir uns danach orientieren werden, in welchen Sparten wir die meisten Nachsichtverfahren gehabt haben. Dort, wo wir die meisten Nachsichtverfahren hatten, die immer abgelehnt worden sind, ist der typisch ideale Markt für den Gesellen, der es nicht bis zum Meister geschafft hat. Ich sage Ihnen das, um nur anzukündigen, was Sie hier an Konflikten auch in den jeweiligen Bezirken mitmachen werden.

Dritter Punkt: Die 84 im weitesten Sinn geregelten Gewerbe, die wir haben, sind von der Tradition her vor allem jene, die einen wichtigen Eckpfeiler in der Facharbeiterausbildung, nämlich im Lehrlingswesen, darstellen. Und so lange uns die Industrie in vielen Bereichen die Loyalität der Lehrlingsausbildung verweigert, solange brauche ich eine Basis von Gewerben, bei denen die Meister es noch der Mühe wert finden, Lehrlinge auszubilden – egal, wie sonst die Rahmenbedingungen sind. Ich bitte Sie, es auch unter diesem Gesichtspunkt zu sehen.

Ich muß auch da ein Zitat bringen. Bei mir war gestern Frau Laura Tyson, die frühere Chefberaterin des Präsidenten Clinton, die sich ja mit als Mutter des amerikanischen Wirtschaftswunders sieht. Wissen Sie, was sie von mir wissen wollte? – Sie kam zu mir und sagte: Wir haben festgestellt, daß die größte Gefährdung des derzeitigen amerikanischen Wirtschaftsaufschwungs der absolute Mangel an Facharbeitern ist und daß uns viele amerikanische Unternehmen nach Mexiko oder Europa davongehen, weil es in Amerika keinen gelernten Installateur, keinen gelernten Dreher und so weiter gibt. – Und wir sind jetzt eingeladen, in diversen Bundesstaaten sozusagen das Rahmenrichtwerk für ähnliche Vorstöße in den Vereinigten Staaten zu liefern! – Nun, so schlecht kann das alles nicht sein.

Und wenn ich mich schon ein bisserl "ausreden" darf, meine sehr geschätzten Mitglieder des Bundesrates, möchte ich noch eines festhalten: Aufgrund der Autoladungen von Protesttelegrammen, die wir bekommen haben, nehme ich an, daß wir bei den meisten Änderungen an die Grenze des gerade noch Erträglichen gegangen sind. Ich gebe zu, daß wir es vielleicht zu früh aufgegeben haben, bei den Rauchfangkehrern und Bestattern zu fragen, warum das so ist, wie es ist – mag sein –, es mag sein, daß uns die Geschichte in manchen Dingen überholt. Ich denke an einen Verfahrensbeschluß des Verfassungsgerichtshofes, der gerade in einer Reisebüroangelegenheit die Frage der Inländerdiskriminierungen stellt.

Das ist hier angesprochen worden, und natürlich stehen wir jetzt immer unter dem Druck, daß sich vielleicht ein Österreicher einmal darüber aufregt und sagt: Wäre ich Bayer und hätte dort sechs Jahre als Leiter eines kleinen Reisebüros praktiziert, würde ich in Österreich sofort eine entsprechende Berechtigung bekommen. Leider bin ich nur als Österreicher geboren und habe eine Prüfung nicht gemacht.

Daß das noch auf uns zukommt, muß, glaube ich, allen, die mit diesem Rechtsbereich zu tun haben, klar sein, aber das soll uns im Prinzip nicht daran hindern, auf Fachausbildungen per se abzustellen.

Ich möchte Ihre Zeit nicht zu lange in Anspruch nehmen, aber lassen Sie mich noch einen Bereich ansprechen, der in Hinkunft ganz wichtig sein wird: die Folgemaßnahmen. Sie finden in dieser Gewerbeordnung eine Fülle von Verordnungsermächtigungen, die wir möglichst rasch mit Leben erfüllen müssen, vor allem im Anlagenrecht. Ich denke etwa an die dort vorgesehene Positivliste für Anlagen, die keiner Genehmigung bedürfen. Diese Verordnung haben wir bereits in Ausarbeitung. Ich möchte sie im September, spätestens Oktober in Kraft setzen.

Wir haben eine Verordnung für die vereinfachten Verfahren bei Betriebsflächen bis 1 000 Quadratmeter in Ausarbeitung, in der wir die Negativliste von Anlagen festlegen, also jene, die nicht dem vereinfachten Verfahren unterliegen sollen. Sie muß auch in den nächsten Wochen fertiggestellt werden, damit die Unternehmer möglichst deutliche Klarheit haben. Eine Menge von Befähigungsnachweisen sind zu ändern und so weiter.


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Das wollen wir alles in den nächsten Monaten über die Bühne bringen. Daher kann ich für meine Mitarbeiter, denen ich bei der Gelegenheit für die mühselige Arbeit an dieser Gewerbeordnung und an diesem Anlagenrecht danken möchte, keine ruhige Sommerpause verheißen. Aber ich kann Ihnen sagen, die Verordnungen bleiben Ihnen erspart. Ich hoffe, daß Sie mit der Wirkung dann wenigstens zufrieden sind. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.56

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Ich danke dem Herrn Bundesminister für seine Ausführungen.

Hoher Bundesrat! Ich unterbreche nunmehr die Verhandlungen zu dieser Tagesordnung auf 5 Minuten, um um 16 Uhr die Behandlung der dringlichen Anfrage zu ermöglichen.

(Die Sitzung wird um 15.55 Uhr unterbrochen und um 16.08 Uhr wiederaufgenommen. )

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich nehme die unterbrochene Sitzung des Bundesrates um 16.08 Uhr wieder auf.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Tremmel und Kollegen an die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales betreffend notwendige Klarstellungen zur angekündigten Pensionsreform (1295/J-BR/97)

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gelangen nunmehr zur Verhandlung über die dringliche Anfrage der Bundesräte Dr. Bösch, Dr. Tremmel und Kollegen an die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Da die Anfrage inzwischen allen Bundesrätinnen und Bundesräten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile daher Herrn Bundesrat Dr. Bösch als erstem Anfragesteller zur Begründung der Anfrage das Wort. – Bitte, Herr Bundesrat.

16.08

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin! Der Anteil der über 60jährigen an der österreichischen Bevölkerung beträgt derzeit 20 Prozent. Im Jahre 2030 werden es über 30 Prozent sein. (Bundesrat Prähauser: Über 40!) 1970 arbeiteten die Österreicher durchschnittlich noch 44 Jahre und waren 14 Jahre im Ruhestand. 1990 waren sie nach 36 Arbeitsjahren bereits 23 Jahre lang Pensionisten.

Die Zahl der Menschen im Ruhestand vergrößert sich von Jahr zu Jahr, und die Zahl derer, die diesen Ruhestand finanzieren müssen, verkleinert sich mit derselben Dramatik. 1976 kamen auf 1 000 Beitragszahler etwa 500 Pensionisten, im Jahre 1996 zirka 600. Im Jahre 2010 werden es 700 und im Jahre 2030 über 1 000 sein.

Diese Realität, meine Damen und Herren, die jahrelang von ÖVP und SPÖ verleugnet wurde, ist in der Zwischenzeit – wir erkennen das als Opposition durchaus als Fortschritt an – bis zur Bundesregierung durchgedrungen. Sie hat sogar zu diesem Thema – nicht ausschließlich, aber auch zu diesem Thema – eine Klausur abgehalten.

Der Herr Bundeskanzler hat als Ergebnis dieser Regierungsklausur von Rust eine umfassende und einschneidende Pensionsreform angekündigt, die nicht nur eine Vereinheitlichung der verschiedenen Pensionssysteme, sondern auch deutliche weitere Einschnitte im ASVG-Bereich und eine weitere Verringerung der jährlichen Pensionsanpassung beinhalten soll. Seither werden in den Medien zu diesem wichtigen Thema laufend miteinander unvereinbare Aussagen verschiedenster Koalitionspolitiker verbreitet.


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Die Bevölkerung ist wegen der drohenden dramatischen Verschlechterung des Pensionsrechtes spürbar beunruhigt, zumal nicht einmal erkennbar ist, welche Änderungen nun tatsächlich erfolgen sollen und ob damit wirklich für die nächsten Jahrzehnte die Pensionen bei gleichbleibenden Beiträgen und Leistungen als gesichert gelten können.

Nach dieser Regierungsklausur gab es in der Nachrichtensendung des Fernsehens die forsche Ankündigung des Herrn Bundeskanzlers, die Pensionen kürzen zu wollen. Es folgte die widersprüchliche, aber ebenso forsche Replik des Herrn Landesverteidigungsministers, der in einem Anflug von seltener Vereinbarkeit auch Obmann des Österreichischen Arbeiter- und Angestelltenbundes ist. Die Frauenministerin schrie auf, um ihrer Klientel zu dienen.

Sie, Frau Ministerin, bereicherten dann die Debatte mit dem Vorschlag, die ASVG-Beiträge zu erhöhen, was wiederum Ihre Genossen von der Gewerkschaft auf den Plan rief, die zum einen die Notwendigkeit einer Reform einfach in Abrede stellten und sich zum anderen jeden Eingriff in den ASVG-Pensionsbereich verbeten haben.

Gekrönt wurde bisher diese Debatte durch die nur halbherzig dementierte Variante, das gesetzliche Pensionsalter einfach anzuheben. Das Ganze, Frau Ministerin, gipfelte dann in Schlagzeilen wie "große Verwirrung um Hostasch-Ideen".

Frau Ministerin! Wir Freiheitlichen wollen Ihnen heute durch diese dringliche Anfrage die Gelegenheit geben, diese Verwirrungen zu lichten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

16.11

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zur Beantwortung hat sich die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihr.

16.11

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geschätzte Damen und Herren! Vorerst bitte ich um Entschuldigung dafür, daß ich am Ring im Stau gesteckt bin und daher nicht ganz pünktlich zu dieser "dringlichen Behandlung" kommen konnte.

Ich möchte einleitend einige grundsätzliche Bemerkungen machen und dann auf die einzelnen Fragen kurz eingehen.

Ich möchte festhalten, daß aus meiner Überzeugung – ich weiß mich da eins mit sehr vielen Kolleginnen und Kollegen – unser Alterssicherungssystem auch und gerade im internationalen Vergleich ein sehr hohes Leistungsniveau hat. Mit der Ausgleichszulage haben wir zusätzlich eine flexible und auch bedarfsorientierte Mindestsicherung in Österreich, um die uns sehr viele Staaten beneiden. Diese Grundelemente unseres Alterssicherungssystems im ASVG-Bereich bringen eine gesetzliche Pflichtversicherung mit sich, bewirken, daß sich die Pensionsansprüche an dem Erwerb orientieren, bringen mit sich, daß dieses System auch in der Selbstverwaltung umgesetzt wird und sich damit auch eine entsprechende Versichertennähe bildet, da auch durch den Bundesbeitrag eine optimale Absicherung gewährleistet wird.

Ich könnte noch einige zusätzliche Elemente und auch Vorzüge dieses Systems im Vergleich mit anderen erwähnen. Das Finanzierungssystem des Umlageverfahrens ist meiner Überzeugung nach im Vergleich mit anderen Verfahren der Finanzierung das weitaus wettbewerbsfähigere, und es ist in keiner Weise anfälliger, als das Kapitaldeckungsverfahren, von dem oft behauptet wird, daß es eine günstigere Variante für die Altersversorgung wäre.

Ich bin der Auffassung, daß zur Aufrechterhaltung dieses Leistungsniveaus auch immer wieder Veränderungen notwendig sind, bei denen auf gesellschaftliche, wirtschaftliche, auf Veränderungen in der Arbeitswelt Bezug genommen werden muß. Es muß auch rechtzeitig reagiert werden – unter dem Aspekt der Vertrauenssicherung, unter dem Aspekt der Planbarkeit und der Einbindung der Betroffenen und deren Interessenvertretungen in den Meinungsbildungsprozeß.


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Es war mein Vorgänger, Kollege Minister Hums, der bereits 1995 ein Gutachten über die Perspektiven der Alterssicherung in Österreich in Auftrag gegeben hat. Auf Basis dieses Gutachtens werde ich gemeinsam mit Herrn Prof. Rürup, aber auch mit anderen Vertretern der Wirtschaft, mit Interessenvertretern, mit Vertretern der privaten Versicherungswirtschaft am 3. Juli dieses Jahres im Rahmen einer großen Enquete der Öffentlichkeit die Inhalte präsentieren und damit zu einer Diskussion und zu gemeinsamen Beratungen einladen.

Es wird auf Basis dieser Erkenntnisse, dieser Überlegungen und nicht zuletzt auch auf Basis in Österreich bestehender Gutachten und Erfahrungen seitens der Bundesregierung – prioritär natürlich verantwortet im Sozialministerium – ein Konzept erarbeitet werden, das über eine Erhöhung der interpersonellen und auch intergenerativen Gerechtigkeit des Systems die Effizienz, die Akzeptanz und auch eine langfristige Finanzierbarkeit sichern wird.

Ich möchte aber gleich zu Beginn festhalten, daß die Änderungen in den Sozialversicherungsgesetzen, für die ich zuständig bin, nur im Gleichklang mit gleichwertigen Regelungen im öffentlichen Dienst erfolgen können. Ich sage bewußt "gleichwertig", weil ich mich dazu bekenne, daß wir unterschiedliche Systeme haben. Wir haben auch im ASVG-Bereich unterschiedliche Berufsgruppen, angefangen bei den gewerblichen bis zu den freien Berufen, die Bauern, die Arbeiter, die Angestellten, und es wäre aus meiner Sicht falsch, die Gesellschaft zu nivellieren und nicht Rücksicht auf die besondere Situation einzelner Berufsgruppen zu nehmen. Dementsprechend erachte ich es auch als notwendig, jene gleichwertigen Schritte zu setzen und gemeinsam zu verhandeln, die dann auch die Akzeptanz aller Systeme innerhalb der Bevölkerung, innerhalb unserer gesamten Volkswirtschaft sicherstellen.

Ich werde nun im einzelnen zu den an mich gestellten Fragen Stellung nehmen. Aus Zeitgründen werde ich die Fragen selbst nicht mehr verlesen, Sie haben sie sicherlich vor sich liegen.

Zur Frage 1: Wie ich bereits ausgeführt habe, wird am 3. Juli dieses Jahres das Gutachten von Herrn Professor Rürup über die Perspektiven der Alterssicherung in Österreich im Rahmen einer Enquete der Öffentlichkeit präsentiert werden. Im Anschluß daran werden die Vorschläge sorgfältig diskutiert und ein ausgewogenes Gesamtkonzept erarbeitet. Durch diese Maßnahmen wird die gesetzliche Altersvorsorge den künftigen Rahmenbedingungen so angepaßt, daß eine langfristige Stabilität und Akzeptanz durch eine Optimierung von Beiträgen und Leistungen erhalten bleiben.

Zur Frage 2: Kurze Antwort: im Herbst dieses Jahres, wie auch schon über die Öffentlichkeit angekündigt.

Zu den Fragen 3 und 4: Wie schon in der Vergangenheit werden die vorgeschlagenen Änderungen mit Übergangsbestimmungen flankiert, wobei dem Vertrauensschutz besondere Bedeutung beizumessen ist.

Zu den Fragen 5 und 10: Ich verweise da grundsätzlich auf die Beantwortung der Frage 1. Ich kann daher eine Verlängerung des Pensionsbemessungszeitraumes nicht ausschließen. Ich habe dies auch in der Öffentlichkeit schon argumentativ untermauert, aber aus meiner Sicht –ich werde das sehr konsequent vertreten – ist eine solche Maßnahme nur dann denkbar, wenn in den anderen Altersversorgungssystemen gleichwertige Maßnahmen erfolgen.

Zu den Fragen 6 und 7: Eine vollständige und dauerhafte Aufhebung der Höchstbeitragsgrundlage würde zum einen zu nicht vertretbaren Mehraufwendungen führen und zum anderen aber auch dem Versicherungsprinzip widersprechen, wenn sich nicht gleichzeitig auch das Leistungsvolumen erhöhen würde.

Zu den Fragen 8 und 9: Ich verweise in diesem Zusammenhang auf meine einleitenden Ausführungen, und ich gehe darüber hinaus auch davon aus, daß bei Änderungen in den Sozialversicherungsgesetzen, wie schon wiederholt von mir gesagt, auch gleichwertige Regelungen im öffentlichen Dienst erfolgen werden müssen.


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Zu den Fragen 11 und 12: Nein. Es bedarf keiner solchen Klarstellung, weil die Bundesregierung klar zum Ausdruck gebracht, daß in bestehende Pensionen nicht eingegriffen wird. Und selbstverständlich gilt es für mich, dieser Aussage auch glaubhaft nachzukommen. Darüber hinaus habe ich auch bereits ausgeführt, daß die Übergangsbestimmungen so gestaltet werden, daß eine Lebensplanung grundsätzlich nicht beeinträchtigt wird.

Zur Frage 13: Durch die seit 1993 geltende Pensionsanpassung ist gewährleistet, daß die Durchschnittseinkommen der Pensionisten im gleichen Ausmaß steigen wie die Durchschnittseinkommen der Aktiven. Die ab Mitte der achtziger Jahre geltende Pensionsanpassungsregelung – es wurde damals auch die Arbeitslosenrate in den Pensionsanpassungsfaktor miteingerechnet – hätte zu keiner stärkeren Pensionserhöhung seit 1993 geführt. Es kann daher nicht von einer Einsparung auf Kosten der Pensionisten die Rede sein, das möchte ich mit aller Klarheit sagen, um Mißverständnisse in der Öffentlichkeit und Verunsicherung zu beseitigen.

Zu den Fragen 14 und 15: Mit der Pensionsreform 1993 würden auf der Grundlage des Gutachtens des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen die aus damaliger Sicht notwendigen Maßnahmen gesetzt – unter den gleichen Auspizien, die ich als Grundsätze erwähnt habe –, und es war auch da das Ziel, das System entsprechend abzusichern und neuen Entwicklungen Rechnung zu tragen.

Außerdem sollte man gerade in einer sehr emotional geführten, öffentlichen Diskussion besonders darauf verweisen, daß die Pensionsreform 1993 wesentliche Verbesserungen für die Frauen mit sich gebracht hat. Ich erinnere nur daran, daß wir mit dieser Novelle vor allem auch die Anrechnung der Kindererziehungszeiten mit einer neuen Qualität erfüllt haben. Ich erinnere zum Beispiel auch an die schon damals bestehende Regelung, die besonders für Frauen so wichtig ist, nämlich die der ewigen Anwartschaft in unserem System, bei der erworbene Versicherungszeiten nicht verlorengehen können. Ich wollte diese Beispiele nennen, um zu zeigen, welche wichtigen Reformschritte im Sinne der besonderen Lebensbiographien der Frauen in unserem Pensionsrecht wiederholt gesetzt wurden.

Als Weiterentwicklung dieser immer wieder in Angriff genommenen Reformschritte soll nun ein Konzept entwickelt werden, das unser Pensionssystem zu einem sehr effizienten beitrags- und verteilungsgerechten System weiterentwickelt. Damit kann auch mittelfristig neuen Herausforderungen wie der Beschäftigungssituation, neuen Formen der Arbeitsbeziehungen besser begegnet werden. Ich verweise nur darauf, daß es sehr viele Untersuchungen gibt, laut der lineare Arbeits-, Einkommens- und Lebensverläufe, nämlich daß man bei einem Dienstgeber als unselbständig Erwerbstätiger seine Berufstätigkeit beginnt und nach 35 oder 40 Versicherungsjahren bei dem gleichen Dienstgeber auch in Pension geht, schon lange nicht mehr die Norm sind. Das heißt, daß man in diesen linearen Berufsverläufen in Zukunft noch seltener eine Betroffenheit finden wird.

Ich bin überzeugt davon, daß es immer mehr zu Änderungen in bezug auf Zeiten einer Selbständigkeit und einem Wechsel in eine Unselbständigkeit kommen wird, daß es immer mehr zu Arbeiten innerhalb von Projekten kommen wird, daß auch neue Formen von Beschäftigung stärker zum Tragen kommen, wie zum Beispiel Telearbeit, wie Arbeiten, die nicht im klassischen Sinne an einem Betriebsort erfolgen, sondern dezentral sind und dementsprechend auch die Arbeitsbeziehungen betreffen, nicht zuletzt auch die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen.

Ich möchte die Beantwortung der Frage 16 dazu nutzen, um einmal sehr deutlich zu sagen, daß in einer demokratischen Gesellschaft, in einer Gesellschaft wie der unseren, in der sehr viel über die Öffentlichkeit meinungsbildend, aber auch meinungsbeeinflussend gearbeitet wird, von manchen keine Gelegenheit ausgelassen wird, durch Halbwahrheiten, durch unsachliche Behauptungen, durch Falschbehauptungen Irritationen, Verunsicherungen in der Bevölkerung auszulösen.

Ich möchte auch nicht verhehlen, daß ich mit einer gewissen Besorgnis Aktionen des einen oder anderen Unternehmens in unserer Privatversicherungswirtschaft verfolge. Ich betone: nur des einen oder anderen Unternehmens und nicht des gesamten Sektors. Es wird dadurch der Eindruck erweckt, daß eine private Vorsorge auf jeden Fall die bessere Variante ist und ein


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gesetzliches Sozialversicherungssystem keine Zukunft hat. Wenn man dann jedoch das Kleingedruckte liest – wir haben auch Konsumentenschutzbestimmungen in unserem Land – und dieses nachvollzieht, dann erkennt man schon, daß die großen Zeilen, die garantieren und versichern, durch die kleinen schwarzen Anmerkungen und das Kleingedruckte sehr stark relativiert werden.

Ich glaube, es ist doch unsere Verantwortung, und ich würde auch um Ihre Unterstützung bitten, daß wir zu mehr Sachlichkeit in der Diskussion kommen und alles tun, damit keine Verunsicherung entsteht.

Wir haben ja auch schon als Bundesregierung seinerzeit den Wirtschafts- und Sozialbeirat beauftragt, wissenschaftliche Grundlagen zu erarbeiten. Ich glaube, es ist immer wichtig, aufgrund von wissenschaftlichen, doch sehr objektiv dargestellten Unterlagen politische Entscheidungen in Angriff zu nehmen. Das gleiche beabsichtige ich und beabsichtigt jetzt die Bundesregierung aufgrund eines weiteren Gutachtens von Herrn Professor Rürup, das nächste Woche präsentiert werden wird.

Ich glaube, daß man dadurch nachweisen kann, daß die Bundesregierung rechtzeitig auf neue Entwicklungen und Herausforderungen reagiert, egal, ob sich diese aufgrund von Arbeitsbeziehungen darstellen oder ob diese durch die Demographie in der Gesellschaft bedingt sind. Ich denke daher, daß wir doch das gemeinsame Interesse haben, daß keine Verunsicherung in der Bevölkerung eintritt, und wir uns daher bemühen sollten, das Vertrauen in unsere Systeme der Altersversorgung, nicht zuletzt des gesamten Sozialversicherungsrechtes, immer wieder zu Recht zu unterstreichen und zu unterstützen, weil ich zutiefst davon überzeugt bin, daß es auch richtig ist.

Zu den Fragen 17 und 18 noch einige Bemerkungen: Wie schon erwähnt, werde ich am 3. Juli das bereits 1995 in Auftrag gegebene Gutachten über die Perspektiven der Alterssicherung in Österreich der Öffentlichkeit präsentieren. Es ist dies, wie gesagt, von einem unabhängigen Experten, einem unabhängigen Wissenschafter, der auch international anerkannt ist, erstellt, und die Studie befaßt sich mit all jenen Themen, die Sie in Ihrer Frage anschneiden. Sie werden bei dieser Enquete und der Berichterstattung darüber sicherlich auch dieses reflektiert bekommen.

Betreffend die Fragen 19 und 20 möchte ich noch einmal auf das zurückkommen, was ich zuerst schon grundsätzlich gesagt habe: Die umlagenfinanzierte, gesetzliche Pensionsversicherung hat auch in Zukunft das mit Abstand größte Gewicht zur Lebensstandardsicherung zu behalten, daher ist aus meiner Sicht eine obligatorische Ausdehnung der zweiten und dritten Säule, Betriebspensionen, private Lebensversicherungen, nicht notwendig. Es spricht aber – das möchte ich ausdrücklich unterstreichen – nichts dagegen, daß zur individuellen Bedürfnisbefriedigung und auch zur Stärkung der Eigenverantwortung mehr Eigenvorsorge als derzeit betrieben wird.

Ich selbst war Abgeordnete in diesem Hohen Haus, als wir das Pensionskassengesetz diskutiert haben. Ich betrachte auch dieses Gesetz als einen wichtigen Bestandteil unserer Rechtsordnung, aber was ich zum Ausdruck bringen möchte, ist, daß die gesetzliche Pensionsversicherung mit Abstand das größte Gewicht für die Lebensstandardsicherung nicht nur jetzt zu bieten hat, sondern auch in Zukunft bieten wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hoffe, daß ich mit der Beantwortung dieser Fragen einiges zur Klarstellung und auch zur konkreten Vorgangsweise, wie ich mir die Behandlung der Themen vorstelle, beitragen konnte. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


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16.30

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsordnung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

16.30

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Frau Bundesministerin! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sei Ihnen verziehen, Frau Bundesministerin, daß Sie im Stau gesteckt sind. Dafür können Sie nichts. Für alles machen wir die Bundesregierung nicht verantwortlich. (Bundesrat Eisl: Verkehrsminister Scholten!) Du sagst es!

Die Bevölkerung ist wegen der drohenden dramatischen Verschlechterung des Pensionsrechtes spürbar beunruhigt – die Betonung liegt auf "beunruhigt" –, zumal nicht einmal erkennbar ist, welche Änderungen nun tatsächlich erfolgen sollen und ob damit die Pensionen für die nächsten Jahrzehnte bei gleichbleibenden Beiträgen und Leistungen als tatsächlich gesichert gelten können.

Ich habe mir Ihre Beantwortung der dringlichen Anfrage, sehr geehrte Frau Ministerin, sehr genau angehört. Sie waren in einem Punkt sehr exakt. Sie haben gesagt, am 3. Juli wird das Gutachten des Herrn Professor Rürup vorgelegt werden. Sie haben dann noch einmal ausdrücklich gesagt, im Herbst 1997 werden dem Nationalrat entsprechende Gesetzentwürfe zugeleitet werden.

Zu allen anderen Dingen, gnädige Frau – vielleicht habe ich Ihnen doch nicht genau genug zugehört, ich habe mich aber bemüht –, konnte ich Ihrer Beantwortung keine Exaktheit entnehmen. Sie haben zwar in Ihrer Einleitung gesagt, daß unser Alterssicherungssystem ein hohes Niveau hat. Das stimmt. Aber Sie haben letztlich nicht gesagt, wie lange dieses hohe Niveau aufrechtzuerhalten sein wird. Ich habe hier die Passage zu Ihren seinerzeitigen Ausführungen am 21. April 1993 im Nationalrat, in der Sie auf Pressehinweise – Angriffe kann man nicht sagen; ich zitiere wörtlich – folgendes gesagt haben, ich möchte die entsprechende Tageszeitung nicht aufwerten und zitiere nur, in welcher Form, mit welcher Wortwahl hier gearbeitet wurde:

Ich möchte nur sagen, daß die Historie bewiesen hat – drei Generationen haben es schon erlebt –, daß die Pensionen gesichert sind und daß durch eine vorsorgliche und verantwortungsbewußte Sozialpolitik, so wie wir sie heute beschließen werden, auch in Zukunft die Pensionen gesichert sein werden. – Ich extemporiere: Sie haben den Zeitrahmen Jahr 2000 genannt.

Ich frage mich, gnädige Frau, warum es dann notwendig war, daß am 11. Dezember 1995 steirischen Pensionisten ein Schreiben mit dem Briefkopf des damaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky und des steirischen Landeshauptmann-Stellvertreters Peter Schachner-Blazizek ins Haus geflattert ist. Dieser Brief lautete:

Sehr geehrte Frau Soundso! Heuer gibt es eine "schöne Bescherung" für alle, die ihren verdienten Ruhestand genießen oder sich schon darauf freuen. Die ÖVP wollte bestehende Pensionen kürzen und das gesetzliche Pensionsalter überfallsartig erhöhen. – Ich extemporiere: Sie haben die Erhöhung des Pensionsalters heute in Ihrer Anfragebeantwortung ebenso nicht ausgeschlossen.

Ich zitiere weiter: Das haben wir verhindert. Um trotzdem auf die Pensionen zugreifen zu können, wollte die ÖVP Neuwahlen – ausgerechnet eine Woche vor Weihnachten. Aus vielen Gesprächen mit Senioren wissen wir, daß diese Probleme Anlaß zu großer Sorge geben. Die Menschen verstehen durchaus, daß Reformen und Sparmaßnahmen notwendig sind, aber sie verstehen nicht, daß man ihnen etwas wegnehmen will, was sie im Vertrauen auf unseren Staat hart erarbeitet haben. Deshalb sagen wir: Pensionsreform – ja, aber menschlich und gerecht. Die SPÖ sichert die Pensionen, und Pensionen sichert man am besten mit neuen Arbeitsplätzen.

Seit dieser Zeit – ich darf wieder extemporieren – sind ungefähr 80 000 Arbeitsplätze – dieselbe Zahl wurde uns anläßlich des EU-Beitrittes zusätzlich versprochen – verlorengegangen.

Ich zitiere weiter: Deswegen werden wir ein starkes Investitionsprogramm für neue Arbeitsplätze starten. Das Ziel heißt Vollbeschäftigung – ich extemporiere: bei einer derzeitigen Dauerarbeits


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losigkeit von im Schnitt 250 000 Menschen –, denn sichere Arbeitsplätze sind die beste Garantie, daß die Pensionen auch in Zukunft gesichert sind.

Dann ist zum Jahreswechsel ein Glückwunsch ins Haus geflattert: Wir wünschen Ihnen eine ruhige, beschauliche Adventzeit und ein schönes Weihnachtsfest. Mögen alle Ihre Wünsche für 1996 in Erfüllung gehen.

Dann kam der Brief 1996. (Bundesrat Meier: Nichts dagegen einzuwenden!) Na, eh nicht! Aber einhalten sollte man es. Das will ich eigentlich damit sagen, Herr Kollege. Sie kürzen die Debatte ein bißchen ab, aber ich lese Ihnen das vor.

Ich lasse den ersten Absatz aus: Heute geht es darum, den erarbeiteten Wohlstand für Österreich zu sichern und die Wirtschaft für unsere Kinder und Enkelkinder zu stärken. Feststeht: Seit Österreich der Europäischen Union beigetreten ist – das ist extemporiert – verbesserten sich zusehends unsere Exportchancen. Wir werden heute noch darüber reden. Österreich wird – obwohl politische Gegner heftig widersprechen – als Wirtschaftsstandort attraktiver. (Beifall des Bundesrates Konečny und Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Also das ist selten, daß ich von Kollegen Konečny Applaus bekomme! (Bundesrat Konečny: Ein richtiger Satz verdient einen Applaus!)

Alles das schafft und sichert Arbeitsplätze – hören Sie wieder zu, bei der höchsten Arbeitslosenzahl im Jänner dieses Jahres von fast 300 000! – und damit auch die wirtschaftliche Basis für unser Pensionssystem. Massenarbeitslosigkeit – höchster Stand der Arbeitslosigkeit im Jänner dieses Jahres, soziale Not, 1,2 Millionen Österreicher, davon 200 000 Kinder, leben in Österreich an der Armutsgrenze – darf es nie mehr geben. – Soweit die Kurzfassung dieses Briefes, meine Damen und Herren!

Ihr Herr Minister Molterer hat dazu gesagt, der Wahlkampf 1995 wäre eine der wichtigsten politischen Investitionen dieses Landes gewesen. Wir hätten sonst heute überhaupt keine Chance, Euro-Kriterien zu diskutieren. Vorher sagte er über diesen Brief, das wären faule Tricks. – Ich würde vorschlagen, daß Sie sich in der Koalition einmal darauf einigen, wie Sie im Bereich des Pensionssystems vorzugehen gedenken. Wir hätten uns nämlich schon sehr konkrete Antworten erwartet, gnädige Frau!

Ich darf fortsetzen. Beamtengewerkschafter Dohr sagt zum Beispiel, er sei zu Verhandlungen über ein neues Besoldungs- und Pensionssystem jederzeit bereit. Die plötzliche Einführung von Durchrechnungszeiten mache jedoch die Lebensplanung vieler Beamter zunichte. – Wie stehen Sie jetzt dazu, Frau Ministerin? Wir haben Ihnen auch diese Fragen gestellt. Kommt der Durchrechnungszeitraum bei Beamten oder nicht? Oder wird man wieder auf das Gutachten von Professor Rürup zurückgreifen, eine Expertise ausarbeiten und plötzlich eine Vorlage präsentieren, die dieses und jenes vorsieht? – Nicht nur wir, gnädige Frau, erwarten uns, sondern auch die Bevölkerung erwartet sich geordnete Antwort.

Ich könnte Ihnen zum Bereich der ASVG-Versicherungen noch Finanzminister Edlinger zitieren, ich könnte Ihnen Frau Reitsamer zitieren, ich könnte Ihnen Herrn Rudas zitieren. (Bundesrat Konečny: Können Sie auch selber etwas sagen?) Das sind alles zwar nicht widersprechende, aber sehr vielschichtige Aussagen.

Als Steirer kehre ich zu einer steirischen Tageszeitung zurück, die heute titelt: "Die Pensionsdebatte wird zunehmend chaotisch. Sozialministerin dementiert höheres Rentenalter." – Ich habe es nicht gehört: Wird es jetzt erhöht oder wird es nicht erhöht? Das ist noch immer nicht gesagt worden. (Bundesrat Drochter: Aufpassen!) Arbeiterkammer gegen Hostasch-Pläne! Grüne wollen Steuerabsetzbeträge streichen! Die Ungewißheit über die konkreten Absichten der Regierung bei den Pensionen führt zu einer zunehmend verworrener werdenden Auseinandersetzung!

Arbeiterkammerpräsident Herbert Tumpel bezog in der gestrigen Vollversammlung Front gegen seine Vorgängerin Lore Hostasch. Aus Budgetgründen überhastete Reformen müßten zur Verunsicherung führen, sagt ihr Nachfolger. Er lehne die Vorschläge der Sozialministerin, die


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Höchstbeitragsgrundlage anzuheben und den Durchrechnungszeitraum weiter zu verlängern, ab. – Das sagt Ihr Nachfolger, Frau Ministerin!

Sehr geehrte Frau Ministerin! Wir meinen, es ist eine Sondersitzung des Nationalrates notwendig, es ist eine Sondersitzung des Bundesrates notwendig – zur Sicherung des österreichischen Pensionssystems. Wir fordern eine solche Sondersitzung zum Thema "Sichere Pensionen heute und morgen". (Beifall bei den Freiheitlichen). Weiters erwarten wir eine Garantieerklärung der österreichischen Parlamente. Im Zuge dieser Sondersitzung sollte eine Garantieerklärung abgegeben werden, mit der die bestehenden Pensionen sowie die erworbenen Anwartschaftsrechte jener ... (Bundesrat Bieringer: Am letzten Tag von Herbert Schambeck!)

Lieber Ludwig – jetzt hätte ich beinahe gesagt: Herr Kollege –, da du heute Klubobmann geworden bist, sei dir dieser Zwischenruf verziehen. Aber du hast mich beinahe rausgebracht.

Wir hätten gerne eine Stichtagfestlegung. Wir hätten auch gerne erkennbare Übergangsregelungen, um die Verunsicherung, die natürlich Platz gegriffen hat, ein wenig zu beseitigen. Wir hätten gerne etwas über Förderungsmaßnahmen und ein Förderungspaket für betriebliche und private Vorsorge gehört. Sie haben ein Gesamtkonzept des Sozialministeriums – ich nehme an, das ist das Gutachten Rürup – versprochen. Auch darüber würden wir ganz gerne etwas hören.

Wir hätten gerne eine Aktivierung des bestehenden Reformpotentials. Was heißt das? – Bevor es zu weiteren Belastungen kommt, insbesondere während der Phase der Erstellung des Gesamtkonzeptes "Sichere Pensionen heute und morgen", ist für ein reformiertes Pensionssystem das vorhandene Einsparungspotential bei den bestehenden 28 Sozialversicherungsträgern zu aktivieren. Das wird auch schon vereinzelt von Ihren Freunden gesagt und auch von anderen. Die speziell durch eine sinnvolle Zusammenlegung auf eine sachlich begründete Mindestanzahl von Sozialversicherungsträgern freiwerdenden Mittel müßten zweckgebunden zur Pensionssicherung verwendet werden. Keine weiteren indirekten oder versteckten Pensionskürzungen durch Mindererhöhungen! Schließen wir im Sinne des Generationenvertrages einen Vertrag mit Österreichs Pensionisten. Nur so, nur auf diese Weise können wir unseren Wohlstand sichern. Notwendig ist, daß die Parlamente dieses Landes eine Garantieerklärung für unsere Pensionisten abgeben – zur Sicherheit unserer Heimat. (Beifall bei den Freiheitlichen).

16.43

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Schaufler. Ich erteile es ihm.

16.43

Bundesrat Engelbert Schaufler (ÖVP, Niederösterreich): Hochgeschätzter Herr Präsident! Verehrte Damen! Geschätzte Herren des Hohen Hauses! Ich habe mir diese dringliche Anfrage mehrmals durchgelesen, und ich habe festgestellt, man kann erkennen, was Sie eigentlich wollen, was Sie bezwecken. Denn die Wortwahl verrät Ihre Absichten. Hier ist zu lesen: Der Bevölkerung drohen dramatische Verschlechterungen des Pensionsrechtes. Es finden sich immer wieder die Worte "Verschlechterungen", "Einsparungen", "Beitragserhöhungen" – lauter Worte, die sicherlich nicht positiv besetzt sind. (Bundesrat Dr. Bösch: Reden Sie einmal mit Minister Fasslabend! Fragen Sie ihn, nicht die Opposition!) Was Sie wollen, ist – das haben Sie in anderen Bereichen der Sozialversicherung in den vergangenen Jahren bereits mehrmals bewiesen –, die Bevölkerung zu verunsichern. (Bundesrat Dr. Harring: Das machen schon Sie! – Bundesrätin Dr. Riess-Passer: Das ist ja ganz neu! – Bundesrat Dr. Bösch: Schaufler hat seit einer Woche keine Zeitung gelesen!)

Ich kann warten. Es wird für Ruhe gesorgt werden. Man merkt, daß Sie sofort, wenn man nur ein Zipfelchen von Ihren Absichten aufdeckt, unruhig werden. (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrat Eisl: Herr Schaufler, Sie können doch keinen nervös machen!) Bedauerlich ist nur, daß kleinformatige Zeitungen wie "Täglich nichts" und "Die halbe Woche" Ihr Werk fortsetzen.


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Das ist bedauerlich, aber wir leben in Zeiten der Meinungsvielfalt, der Freiheit der öffentlichen Meinung. Das ist gut und vorteilhaft.

Die Damen und Herren Freiheitlichen haben in den vergangenen Jahren auch versucht, beispielsweise die Krankenkassen totzujammern. (Bundesrat Dr. Rockenschaub: Die waren eh hin!) Es hat maßvolle Veränderungen gegeben, und der Erfolg hat sich bereits nach einem halben Jahr eingestellt.

Verehrte Damen, geschätzte Herren von den F! Schauen Sie sich die Bilanzen der Gebietskrankenkassen 1996 an. Dann werden Sie draufkommen, daß diese kleinen, guten Maßnahmen, die notwendig waren, gegriffen haben. (Bundesrat Dr. Bösch: Weil Sie von der Opposition gezwungen worden sind!)

Sie wollen Verunsicherung. Sie wollen Vertrauensabbau. Sie wollen auch die drei tragenden Säulen der Sozialversicherung in Österreich nicht sehen: Sie wollen keine Selbstverwaltung, Sie wollen keine Pflichtversicherung, Sie wollen keine gesetzliche Pensionsversicherung – das sind drei Säulen. Daneben gibt es noch mehrere andere, aber das sind die drei Hauptsäulen, auf denen diese unsere breitgefächerte soziale Sicherheit in Österreich ruht. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

Wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, sich ein bißchen mit der Geschichte zu beschäftigen und sich anzusehen, wie sich die Dinge entwickelt haben, dann hätten Sie festgestellt: Von einem fast 30prozentigen Staatszuschuß zu den ASVG-Pensionen konnten diese Zuschüsse auf zirka 24 Prozent abgesenkt werden. Und haben Sie sich im ASVG-Bereich den Deckungsgrad von Beiträgen und Aufkommen im Umlageverfahren angesehen? Ich nenne Ihnen die Zahlen: Von 232 Milliarden Schilling Aufwand werden 198 Milliarden Schilling aus Beiträgen erbracht. Rechnen Sie es durch: Wir haben dort einen Deckungsgrad von 85 Prozent. (Bundesrat Dr. Tremmel: Bleiben jetzt die Durchrechnungszeiträume erhalten oder nicht?)

Wenn Sie jetzt noch weiter mitrechnen und die Durchschnittspensionen hernehmen und die Steuerquote, die daraus entspringt, dann werden Sie auf einen Steuerrückfluß von vielleicht –jetzt bin ich nicht unbescheiden – 15 Prozent kommen, und wenn Sie wollten, könnten Sie dem entnehmen, daß das Problem eigentlich nicht so groß ist.

Wir müssen dennoch (Bundesrat Dr. Harring: Ach so, die Sozialquote sinkt!) – ich rede vom ASVG-Bereich! – zur Kenntnis nehmen – Gott sei Dank dürfen wir das –, daß innerhalb von zehn Jahren die Lebenserwartung der Menschen in Österreich um zwei Jahre zugenommen hat – sei es aufgrund des medizinischen Fortschritts, sei es die bessere Ernährung und vieles andere mehr. Diese Dinge haben dazu geführt, daß die Lebenserwartung in Österreich alle zehn Jahre um drei Jahre zunimmt. Das sollten Sie sich statistisch anschauen.

Wir haben in den frühen siebziger Jahren manche Maßnahme erlebt, die heute vielleicht als etwas überzogen gelten kann. Man wird dort ein bißchen an der Schraube drehen müssen, um die Pensionen zu sichern, weil das Pensionszeitalter für den einzelnen länger wird. Ich erzähle Ihnen, weil es mir gerade durch den Kopf schießt, was in einer Pensionistenrunde in einer Diskussion über die Höhe der Pension gesagt wurde.

Da war ein Herr dabei, angegraut, an die 70 oder darüber, der war ganz ruhig. Und als eine gewisse Lücke in der Diskussion entstanden ist, hat er gesagt: Männer, ich sage euch eines: Nicht die Höhe ist das absolut Entscheidende, die Dauer ist es! – Wahrlich ein weises Wort. (Beifall bei der ÖVP und des Bundesrates Drochter. )

Sie sollten sich, meine Herren – ich stelle es gerne zur Verfügung –, das Blatt ansehen, das ich hier in Händen halte, aus dem ersichtlich ist, wie die Pensionsanpassung von 1970 bis 1996 erfolgt ist: vom Wert 100 im Jahr 1970 auf den Wert 416 im Jahr 1996. Die Ausgleichszulagenrichtsätze, bei denen es darum geht, den ärmeren Pensionsbeziehern mehr zu geben, sind vom Jahr 1970 bis 1996 auf den Wert 603 gestiegen, wobei der Verbraucherpreisindex im gleichen Zeitraum nur den Wert von 310 aufweist. All das sollten Sie ein bißchen berücksichtigen, und Sie sollten zur Kenntnis nehmen, daß das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz,


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in dem auch die ASVG-Pensionen geregelt sind, seit seinem Bestehen 67mal novelliert werden mußte, um Anhebungen, Anpassungen vorzunehmen, um die Pensionen so zu gestalten, daß auch die nach ihrer Arbeit im Ruhestand Befindlichen ein gutes Auskommen haben. (Bundesrat Dr. Harring: Können Sie vielleicht noch zwei Sätze zur Zukunft sagen? Oder können Sie das noch nicht?) Das sage ich Ihnen auch!

Im Jahre 1955/56 ... (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Das kommt schon, Herr Waldhäusl! Wenn wir nicht wissen, woher wir kommen, können wir nie wissen, wohin wir gehen. Das ist ein Sprichwort, dem Sie sich nähern sollten! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn im Jahre 1956 bei Einführung ... (Bundesrat Dr. Harring: Sprechen Sie mit der Frau Ministerin, vielleicht bekommen Sie eine Einladung zur Enquete, damit Sie wissen, was auf uns zukommt!)

Ich sage es Ihnen gleich: Im Jahr 1956 betrugen die Beiträge 11 Prozent. Heute liegen sie bei 22,8 Prozent. (Bundesrat Dr. Harring: Schaufler, der Experte der Regierung!) Es wäre im Jahre 1956 unvorstellbar gewesen, einen Beitragssatz wie den heutigen ganz einfach zu vereinbaren, weil der einzelne Arbeitnehmer keinen Freiraum hatte, weil heute Lebensnotwendigkeiten günstiger zu haben sind als seinerzeit.

Nun, wohin geht die Reise? (Ruf bei den Freiheitlichen: Wohin?) Das ist die große Frage. Aber ich sage Ihnen vorweg etwas, was ich mir eigentlich als Schlußsatz aufheben wollte. Ein bißchen kommen Sie mir von den F vor wie die Kinder vor Weihnachten, die vom Christkind schon wissen wollen, was sie bekommen, bevor der Wunschzettel noch eingelangt ist. So ist die derzeitige Situation. Die Regierung hat anläßlich der Klausur angekündigt, es werden Maßnahmen zu setzen sein, und die Experten werden zusammengerufen, um etwas auszuarbeiten. (Bundesrat Dr. Bösch: Das wurde nicht gesagt! Die Ministerin hat etwas ganz anderes angekündigt!)

Es ist sicherlich klar, daß im Bereich der Pensionen die eine oder andere maßvolle Veränderung notwendig ist. (Bundesrat Dr. Tremmel: Ah doch?) Natürlich, genauso wie in den letzten 50 Jahren: maßvolle Veränderungen. (Bundesrat Dr. Tremmel: Sagen Sie bitte noch, was "maßvoll" ist!) Sie werden es erleben. Maßvolle Veränderungen bedeutet, wir hatten einmal einen Durchrechnungszeitraum beziehungsweise einen Bemessungszeitraum der letzten fünf Jahre, heute zählen die besten 15 Jahre. Das war kein Rückschritt, verehrte Damen, geschätzte Herren! Das war ein wesentlicher Schritt nach vorne. Es war aber gleichzeitig auch ein Schritt – dort, wo die Pensionen etwas flacher geworden sind – zu mehr Gerechtigkeit, und solche Schritte werden auch in Zukunft und heute und morgen zu setzen sein.

Wir haben darauf zu achten, daß sich unterschiedliche Systeme, die vorhanden sind, nicht noch mehr auseinander entwickeln. Wir haben darauf zu achten, daß diese sich ein bißchen näher kommen, ohne dabei der Verunsicherung, die Sie so gerne so betreiben, Vorschub zu leisten. (Bundesrat Dr. Harring: Das ist ja ein Scherz, was Sie sagen!)

Wenn es Sie unterhält, so soll es mir recht sein, aber Sie sollten einmal über die echten Ansätze nachdenken. Darüber sollten Sie nachdenken! Und Sie sollten sich auch die Zeitungen anschauen: Wenn heute geschrieben wird, am gesetzlichen Pensionsalter wird nicht gerüttelt, und dennoch wird darüber nachgedacht, ob nicht das Durchschnittspensionsalter durch Maßnahmen etwas angehoben werden kann, dann sollten Sie das nicht so lesen, wie Sie es gerne verstehen wollen. Sie kennen die Grenzen: 60 beziehungsweise 65, und wir haben ein durchschnittliches Pensionsalter, das etwas darunter liegt. Die Maßnahmen, die zu setzen sein werden, gehen in die Richtung, daß man sich an das gesetzliche Pensionsanfallsalter annähern wird müssen.

Ich empfehle Ihnen, wenn Sie meinen Zahlen nicht glauben, die Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" Nummer 5 aus dem Jahr 1997. Schauen Sie sich die Bundesbeiträge an, die von geschäftsmäßig gerundet 21 Prozent im Jahr 1986 auf 15 Prozent gesunken sind. Damit sollten Sie sich beschäftigen, bevor Sie mit dringlichen Anfragen Verunsicherungspolitik im Staate Österreich betreiben! Wir stehen für soziale Sicherheit, und ich bin stolz, einer Partei


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anzugehören, die eine Ministerin Rehor hervorgebracht hat. Wir werden gemeinsam mit den Mandataren der Sozialdemokratie imstande sein, in der Zukunft für soziale Sicherheit zu sorgen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

16.56

Präsident Dr. DDr. h. c. Herbert Schambeck: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Albrecht Konečny. Ich erteile es ihm.

16.56

Bundesrat Albrecht Konečny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Wenn man nicht zuhören will, soll man nichts fragen; wenn man nichts zu sagen hat, soll man keine Debatte eröffnen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Ich habe fast geglaubt, daß wir heute einen neuen politischen Stil erleben, weil Kollege Bösch in einer bemerkenswert unaufgeregten Art ein paar objektive Hinweise auf die Entwicklungen, die es tatsächlich gibt und die die Grundlage jeder Überlegung zu diesem Thema sein müssen, gegeben hat. (Bundesrat Waldhäusl: Mein Gott na!) Kollege Waldhäusl, seien Sie lieb, und schonen Sie meine und des Hauses Nerven!

Es ist tatsächlich richtig, daß ausgehend vom höheren Lebensalter und – was Sie nicht gesagt haben, was aber auch dazugehört – erfreulicherweise gründlicherer und daher auch längerer Ausbildungszeit der jungen Menschen – was in die Sprache der Sozialversicherung übertragen spätere Zahlung der ersten Versicherungsbeiträge heißt – und der über lange Jahre andauernden Entwicklung beim tatsächlichen Pensionsantrittsalter natürlich zu Folgerungen aufgefordert werden muß. Das ist keine neue Diskussion, und es ist auch keine Diskussion, die mit einem einmaligen Beschluß, mit einer Sondersitzung oder sonst irgend etwas beendet werden kann. Diese Diskussion ist jedes Mal dann, wenn sich die Parameter des gesellschaftlichen Systems ändern, erneut zu führen, und auf die Parameter ist zu reagieren.

Ein konkretes Beispiel: Als das Institut der vorzeitigen Alterspension aufgrund langer Versicherungsdauer eingeführt wurde, war das in Wirklichkeit ein Recht, das nur ein verschwindender Prozentsatz der Arbeitnehmer in Anspruch nehmen konnte, weil es jene ungebrochenen Berufsverläufe, die diese Zweite Republik zusammengebracht hat, einfach nicht gegeben hat. – Heute, da die zur Pensionierung anstehende oder in den letzten Jahren in Pension gegangene Generation ihr Arbeitsleben in diesem Erfolgsmodell Zweite Republik verbracht hat, in der es eben 45jährige ungebrochene Berufsverläufe gibt, ist das ein Recht, das nicht jeder, aber ein sehr hoher Prozentsatz in Anspruch nehmen kann und natürlich in Anspruch nimmt.

Wir haben natürlich auch aktuell Parameter, die sich verändern: die Frage der Wirtschaftsentwicklung, die Frage der damit im Zusammenhang stehenden Beitragsentwicklung, sowohl was die Zahl der Beitragszahler anlangt als auch was die individuellen Einkommenshöhen und daher die Beitragshöhen anlangt. Auf alle diese Parameter ist zu reagieren.

Ich glaube nicht, daß irgendeines der Vokabel – soferne er eigene in den Mund genommen hat –, die Kollege Tremmel hier dargeboten hat, irgend etwas zu dieser Diskussion beiträgt.

Herr Kollege! Es mag Verunsicherung geben. Es handelt sich hiebei aber um hervorgerufene Verunsicherung. Ich habe nämlich in den letzten 14 Tagen eine solche Vielzahl an unaufgeregten und ernstzunehmenden Diskussionen mit Betroffenen und möglicherweise Betroffenen geführt, daß mich das eigentlich sehr optimistisch stimmt, und dieser Eindruck geht nicht in die Richtung, daß es eine hohe Toleranzschwelle für von Ihnen behauptete Belastungen gibt – oh nein! Ich hatte jedoch das Gefühl, daß es auch bei denjenigen, die Sie so gerne die "kleinen Leute" nennen – das ist übrigens ein Ausdruck, mit dem ich mir schwer tue, weil er unsere Mitbürger künstlich klein macht –, ein hohes Maß an Verständnis für dieses Zusammenwirken besteht. Ich kann das, wenn Sie wollen, auch so ausdrücken, daß seit den letzten großen Diskussionen über dieses Thema der ökonomische und soziologische Wissensstand unserer Mitbürger erfreulicherweise beträchtlich gewachsen ist.


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Verlangen Sie weder von der Sozialdemokratie noch von den Parteien der Regierung, daß am Beginn einer Diskussion alle einer Meinung sind. In einer solchen Debatte gilt es natürlich, Interessen zu vertreten und jeden Vorschlag daraufhin abzuklopfen, ob er tatsächlich der beste Weg ist, das angestrebte Ziel zu erreichen, oder ob es nicht vielleicht Nebeneffekte gibt, die der, der den Vorschlag macht, gar nicht bedacht hat und die negativ wären. Eine Diskussion, in der von vornherein alles feststeht, verdient diesen Namen nicht. So etwas kann eigentlich nur dann stattfinden, wenn man einem Großteil der Teilnehmer ein Denkverbot erteilt hat. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen ist, ich habe da so meine Vermutungen, aber Denkverbote sind in der Sozialdemokratie absolut unüblich! (Bundesrat Waldhäusl: Sie denken überhaupt nicht viel!) Herr Kollege! Ich sagte Ihnen schon einmal: Bleiben Sie im Rahmen Ihrer Möglichkeiten!

Die Frau Bundesministerin hat jene Antwort gegeben, die in der gegenwärtigen Situation möglich ist. Sie hat auf jenen Prozeß der Erarbeitung eines Reformansatzes verwiesen, wobei im demnächst vorzulegenden Gutachten Diskussionsanstöße aus der Gewerkschaftsbewegung, aus der Bundesregierung, von unseren Partnern und aus dem Ressort zusammenfließen werden. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Einen Punkt möchte ich jedoch mit der gebotenen Deutlichkeit klarstellen beziehungsweise geht es nicht um eine Klarstellung, sondern darum, zum 299. Mal gegen Ihren 298. Versuch, hier Zweifel zu säen, die Wahrheit zu wiederholen: Es geht nicht um die Reduzierung von Pensionen, die im Bescheid erwachsen sind und von Menschen bezogen werden, die nicht die geringste Möglichkeit mehr haben, ihr Lebensschicksal umzugestalten, und deren im wesentlichen einzige Einkommensquelle diese Pension ist. Jede Diskussion, die wir führen, betrifft vielmehr künftige Modelle und Menschen, die ihre Pension noch vor sich haben. Für jene, deren Manövrierfähigkeit – wie gesagt – auf Null steht, kann all das nicht gelten und wird das nicht gelten. Ich habe nicht das politische Gewicht, hiezu eine Garantie abzugeben, aber jener Brief, den Sie mangels Einbringung eigener Debattenbeiträge verlesen haben, kann sozusagen in Rechtskraft erwachsen. Er wird von den angepeilten Maßnahmen vollinhaltlich abgedeckt.

Lassen Sie mich am Schluß meiner Wortmeldung nur noch zwei Gedanken äußern. – Wir prägen diese Reform, die genau jene Möglichkeit zu einer Garantie auch für eine fernere Zukunft erbringen soll, auch damit, daß sie auch ein Element mehr Gerechtigkeit beinhaltet. Kollege Schaufler hat zu Recht darauf verwiesen, daß die bisher erfolgte Verlängerung von Durchrechnungszeitpunkten gerade – das ergänze ich jetzt – im Hinblick auf Arbeiterberufe, die in den letzten Berufsjahren wahrlich in vielen Fällen nicht die besten Verdienste bringen, mehr Gerechtigkeit gebracht hat. Längere Durchrechnungszeiträume müssen, wenn man das Problem der Frauen, die andere Berufsverläufe haben, lösen kann – dafür gibt es Ansätze –, nicht notwendigerweise zu einer linearen Herunterkürzung, sondern sehr wohl auch zu einem Element von mehr Ausgleich führen.

Es bleibt Ihnen und Ihren Sprechern vorbehalten, die Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage als Schwachsinnigkeit zu charakterisieren. Warum Sie das tun, weiß ich nicht. Es wurde auch kein Argument dafür nachgeliefert. Aber wofür liefern Sie denn schon Argumente? – Es handelt sich hiebei zweifelsfrei nicht um ein Kürzungsmodell oder Einsparungsmodell, sondern um eine den heutigen Rahmenbedingungen entsprechende Weiterentwicklung unseres Systems, welche mehr Stabilität bringen soll.

Es ist auch richtig – die Frau Bundesministerin hat darauf verwiesen –, daß wir in diesem Land verschiedene historisch gewachsene Pensionssysteme haben und daß man über diese nicht einfach mit dem Rasenmäher oder anderen Instrumenten dieser Art hinwegfahren kann. Aber es ist klar, daß wir einen Prozeß der tendenziellen Anpassung der Rechtsausstattung dieser Pensionssysteme einleiten müssen.

Es ist halt sehr merkwürdig, wenn es – so kommt es dann zur Verunsicherung – politische Kräfte in diesem Land gibt, die sich einerseits munter an einer absolut unberechtigten Hatz auf die öffentlich Bediensteten beteiligen, für den öffentlichen Dienst jedoch die Zumutungen zurückweisen, die – Gott behüte! – diese Bundesregierung den öffentlich Bediensteten vorschlägt. So, meine Herren – Dame hat dazu noch keine gesprochen –, geht es mit Sicherheit


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nicht! Aber daß wir in unserem System der sozialen Sicherheit ein höheres Maß an Ausgewogenheit zwischen den einzelnen Gruppen dieser Gesellschaft brauchen, ist keine Frage. Und das ist ein Ziel, das die Sozialdemokratie, aber auch die Bundesregierung als Ganzes auf ihre Fahnen geschrieben haben!

Wir werden – davon bin ich überzeugt – nach zahlreichen Debatten – sicherlich nicht alle davon werden unkontrovers geführt werden können! – ein Modell zustande bringen, das all diesen Anforderungen entspricht. Sie sind eingeladen, an dieser Debatte teilzunehmen! Aber ich sagte schon: Mitdebattieren kann man nur, wenn man etwas zu sagen hat. Sie sind auch eingeladen, das Resultat dieser Debatte, wie es einer Opposition zusteht, kritisch zu überprüfen. Aber bitte nicht mit Unterstellungen und bewußt vorgetäuschten Mißverständnissen! Dieses Land ist ein Staat der sozialen Sicherheit, dieses Land wird ein Staat der sozialen Sicherheit bleiben, in welchem dieses System den Belastungen der nächsten Jahrzehnte standhalten wird. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

17.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Moser. – Bitte.

17.09

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Beamtin, aber auch als Sozialpolitikerin war ich über die Aussage des Bundeskanzlers, der gemeint hat, die ASVG-Pension betrage im Durchschnitt 11 000 S, die Pension der Beamten aber 32 000 S, sehr betroffen. Ich habe mich gefragt, was den Kanzler dazu veranlaßt hat, eine solch polemische Aussage zu treffen!

Denn ich habe nicht verstanden, warum Sie Feindbilder aufbauen, indem Sie eine Gruppe von Arbeitnehmern mit der Nennung dieser Summen gegen andere Gruppen ausspielen. Darüber war ich sehr enttäuscht! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Pfeifer. ) Herr Kollege! Ich spreche für mich und möchte meine Überlegungen darlegen! Erlauben Sie mir das? – Danke!

Es haben sich die Bezüge der Beamten ja nicht jetzt plötzlich von einem zum anderen Tag geändert. – Was ich jetzt sage, wird mir gewiß auch wieder negativ ausgelegt werden: Solange die Politiker auch im Beamtenschema waren, hat das System funktioniert. Es wurde nie darüber gesprochen, wie hoch die Durchschnittspensionen sind. Jetzt, da eine Abkoppelung vorgenommen wurde, ist die Pension der Beamten aber plötzlich ein Thema.

Frau Ministerin! Sie haben heute einige Male eingemahnt, daß in der Bevölkerung keine Verunsicherung entstehen soll. Ich teile Ihre Meinung dazu. Sie haben in den letzten Wochen aber sicherlich, ebenso wie ich, die Berichte gelesen, und Sie haben gewiß auch die unterschiedlichen Aussagen der Regierung von seiten der Sozialdemokraten und der ÖVP vernommen. Diese Verunsicherung haben wir heute aufgegriffen. Wir wollen wissen: Wie geht es weiter? – Denn ich denke, es ist der falsche Ansatz, erst ein System anzuprangern und dann zu sagen: Jetzt ziehen wir uns zurück, jetzt wird ein Expertengremium bestellt, das Lösungen finden soll. – Besser wäre gewesen, zuerst darüber zu diskutieren, einen unterschiedlichen Maßnahmenkatalog zu erstellen und dann damit an die Öffentlichkeit zu gehen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mein Kollege Bundesrat Tremmel hat den Brief des ehemaligen Bundeskanzlers Dr. Vranitzky vorgelesen. Ich werde daher auf den Inhalt nicht eingehen. Ich möchte Ihnen aber, weil Sie die Lebensplanung angesprochen haben, etwas sagen: Auch ich habe seinerzeit, als ich gerade 50 war, einen Brief bekommen, und ich war sehr verärgert, daß mich der Herr Bundeskanzler als Teil der Generation, die Österreich aufgebaut hat, angesprochen und mir in diesem Brief versichert hat, daß meine Pension gesichert ist.

Ich bin jetzt 53 Jahre, ich bin im öffentlichen Dienst, und ich gehöre jetzt auch zu dieser Gruppe, bei der an eine Umstrukturierung gedacht wird. Frau Ministerin! Es geht mir nicht darum, Ungleichheiten bestehen zu lassen. Es geht mir vielmehr darum, wie mit einem Thema umge


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gangen wird. Da kommen zum Beispiel die Beamten und sagen: Die ASVG-Pensionisten bekommen eine Abfertigung, wir aber nicht. – Wir führen eine Diskussion, bei der zwei Gruppen gegeneinander aufgeschaukelt werden. Und das kritisiere ich! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. )

Ganz klar ist: Immer wenn man mit Durchschnittswerten rechnet, resultieren daraus Zahlen oder wird eine Situation beschrieben, die sehr viele Leute nicht nachvollziehen können. Nun hat es geheißen: Die Beamten haben 32 000 S Durchschnittspension. Ich war in der Materie nicht so sicher und habe mir von Beamten unserer Stadtverwaltung die Gehaltszettel geholt. Nach Studium derselben muß ich sagen: Diese sehr große Gruppe kommt beileibe nicht zu diesem Endbezug! Diese Arbeitnehmer haben oft nur einen Bruchteil des genannten Endbezugs und bekommen dann 80 Prozent Pension davon.

Diese Summe zeigt jedoch, daß die höheren Einkommensgruppen in den letzten Jahren sehr stark aufgewertet wurden, daher konnten auch diese hohen Durchschnittspensionen ermittelt werden. Herr Kollege Konečny! Sie haben uns zuerst vorgeworfen, daß wir polemisieren. Wir Freiheitlichen haben in den letzten Jahren nicht die Gehaltsverhandlungen geführt, sondern die Regierung. Und gerade Ihnen als Sozialdemokraten hätte es schon früher zu denken geben müssen, daß das System bei den Beamten nicht stimmig ist, wenn generell eine 2prozentige Lohnerhöhung stattfindet, was natürlich bei einem Einkommen von 14 000 S oder 15 000 S eine ganz andere Summe ergibt als bei einem höheren Einkommen. Ich möchte jetzt keine Zahlen nennen.

Lebensplanung beginnt für mich sehr bald. Sie beginnt für mich dann, wenn jemand einen Beruf ergreift und eine Familie gründet, und nicht erst in den letzten Jahren des Lebens. Und ich denke, viele Menschen sehen das so wie ich. Frau Ministerin! Sie haben in Ihrem Beitrag immer wieder darauf hingewiesen, daß man Änderungen suchen und Lösungen finden wird. – Wann wird ein Gremium, das jetzt einberufen wird, tagen? Es werden wieder Wochen und Monate vergehen, und die Leute draußen wissen nicht, was los ist. Es beruhigt vielleicht die Menschen, die jetzt schon in Pension sind, daß ihre Pension gesichert ist und – wie ich in den Medien entnommen habe – auch erhöht wird. Aber denjenigen, die vor der Pensionierung stehen, die, weil sie keine pragmatisierten Beamten sind, ihr Dienstverhältnis gar nicht vor dem 60. Lebensjahr kündigen oder auflösen können, tut man in sehr vielen Bereichen unrecht.

Die Auseinandersetzung um Gehälter und Pensionen ist für mich eigentlich der Endpunkt einer Diskussion, die erst beginnen und zum Thema haben müßte: Wie werte ich Arbeit, und welche Bezahlung gebe ich für welche Arbeit? Bestehen wirklich überall gleiche Einkommen? – Für mich ist unter dem Obertitel "Pensionen" noch sehr viel anderes enthalten. Frau Ministerin! Ihre Aufgabe wäre – ich nehme an, daß Sie das genauso sehen wie ich –, dafür zu sorgen, daß Ungerechtigkeiten sehr wohl abgebaut werden, daß es zu einem Harmonisierung kommt, daß neue Ideen einfließen und daß wir auch weniger Beamte brauchen, weil wir in Österreich künftig weniger regulieren! – Ich danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Gudenus. – Bitte.

17.18

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Präsidentin! Frau Bundesministerin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Hochverehrte Frau Ministerin! Ich möchte die Bemerkung machen: Unsere Anfrage an Sie scheint für Sie zur Unzeit gekommen zu sein. (Bundesrätin Kainz: Wie jede Dringliche von Ihnen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Denn Sie haben uns, wenn ich Sie richtig verstanden habe, immer auf eine am 3. Juli stattfindende Enquete ver-wiesen. – In der Geschäftsordnung ist meines Wissens nach jedoch nicht vorgesehen, daß man mit der Ministerin oder einem Ministerium Rücksprache hält, wenn man eine Anfrage einbringt, ob nicht knapp danach ohnedies eine Enquete stattfindet, und da dies geschäftsordnungsmäßig nicht vorgesehen ist, Frau Bundesministerin, empfinde ich es als für dieses Hohe Haus ein bißchen verletzend, wenn Sie sich in Ihren Ausführungen und Ihrer Beantwortung der 20 Fragen


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zum Großteil darauf beschränkten, uns auf den 3. Juli zu vertrösten. Es ist dies mit einem Wort eine sehr beschränkte Antwort, die uns nicht glücklich stimmt.

Frau Bundesministerin! Die Senioren sind geduldig. Sie haben aber auch aufgrund der erfreulicherweise hohen Erlebenserwartung und ihres vielfach guten Gesundheitszustandes einen verhältnismäßig hohen Kampfgeist entwickelt. Ich kann mir daher vorstellen, Frau Bundesministerin, daß die Überlegungen, die derzeit betreffend das Pensionssystem angestellt werden, auch von den Senioren, und zwar von Senioren als Wähler aller Parteien, entsprechend kritisch beurteilt werden.

Die Senioren sind heute keine Altersgruppe, von der man sagt, daß sie ihr Leben hinter sich haben. Die Herren und Damen, die jetzt Senioren sind, haben im Krieg gekämpft, sie mußten die Bomben ertragen und haben den Aufbau geleistet. Und jetzt beklagt man sich, daß man ihnen seit 10, 15 oder 20 Jahren eigentlich zuviel gezahlt hat! Das versetzt die Senioren fast ins moralische Unrecht. Sie fragen sich: Was, wir bekommen zuviel? – Der Staat ist stier. (Bundesrat Meier: Sie haben das immer "Übersozialisierung" genannt! – Bundesrätin Kainz: Wo haben Sie denn das her?) Man braucht die Senioren doch nur zu fragen!

Jetzt dreht sich die Debatte um die Pensionen. Der Staat ist eigentlich stier! Und Sie fragen: Wo haben Sie das her? – Die Senioren fragen uns: Wie kommt das? Es wurden uns von den Politikern seit Jahren als Beamte gute Pensionen zugesichert, und jetzt sagt man: Eigentlich war das zuviel! – Man wird uns zwar versprechen, sagt Kollege Konečny, daß wir diese Pensionen ... (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Nein, keineswegs! Die Senioren haben ein Recht darauf, daß die Leistungen, die sie durch den Staat und die Versicherungsanstalten bekommen, nicht in Frage gestellt werden. (Bundesrat Konečny: In der Tat!) Das ist eine Tatsache. Durch diese Diskussion ... (Bundesrat Konečny: Darüber diskutiert außer Ihnen niemand!) Stimmen Sie mir zu? (Bundesrat Konečny: Ja!) Prima! Aber dann sagen Sie das bitte auch Kollegen Schaufler. Er hat nämlich gesagt, daß nicht die Höhe, sondern die Dauer der Pensionsauszahlung von Wichtigkeit ist. Hiezu ist zu sagen: Die Qualität in der Dauer drückt sich auch in der Höhe der Pension aus!

Sie werden wissen, Herr Kollege Konečny, daß es rund 400 000 Seniorinnen gibt, die keinen Pensionsanspruch haben. Sie wissen es sicherlich, denn Sie sind so sozial, wie ich es niemals sein kann! (Bundesrat Konečny: Das ist wahr!) Wie kommen Sie dann aber dazu, zu sagen, daß die Pensionen gesichert sind, wenn 400 000 Seniorinnen keinen Pensionsanspruch haben?

Professor Rürup, der diese Enquete leiten wird, behauptet, daß die Pensionszahlungen von der Lebensdauer, die man nachher noch zu gewärtigen hat, abhängen werden. Das stimmt mich nachdenklich, Frau Bundesministerin! Heißt das, daß jener, der nach zehn Jahren Pension das Dauerschlafmittel nimmt, eine höhere Pension bekommt als jener, der dieses Dauerschlafmittel erst nach 20 Jahren nimmt? (Bundesrat Konečny: Jetzt sind Sie aber sehr geschmacklos!) So kann es doch auch nicht sein, daß man die Lebenserwartung in die Pensionshöhen einrechnet! Ich halte das für einen schlichtweg unwürdigen Ansatz! Dieser geht nicht auf Sie zurück, aber dann hätten Sie Professor Rürup zur Ordnung rufen müssen! Sie haben es sicherlich in der Zeitung gelesen: "Pensionshöhe abhängig von der Lebensdauer". Ich kann mir das nicht vorstellen!

Wenn Kollege Konečny den Beginn der Diskussion jetzt gutheißt, gebe ich ihm prinzipiell recht. Denn es ist immer gut, eine Diskussion zu beginnen. Aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Die Pensionsdebatte hätte spätestens schon vor zehn Jahren beginnen müssen. Denn die Politiker wußten schon seit mindestens zehn Jahren, daß die Pensionen auf Dauer nicht gesichert sind, und die Fachleute, die Bevölkerungsexperten, gewisse Institute der Universitäten wissen schon seit 30 Jahren, daß die Pensionen ab dem Jahr 2000 in weiten Bereichen nicht gesichert sein werden!

Ich erhebe jetzt die schlichte Forderung – die allerdings vielleicht gar nicht so schlicht ist –: Alle Politiker, die seit zehn Jahren immer gepredigt haben, daß die Pensionen gesichert sind, sollen selbst ihr Gerstl dazu wieder hergeben, rückwirkend wie all das andere! Denn die Politiker sind


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mitschuld an der Misere, und zwar die Regierungspolitiker und nicht die Oppositionspolitiker! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Wöllert. )

Kollege Schaufler hat gefragt: Was wollen die Freiheitlichen? – Herr Kollege! Wir wollen das, was Sie wollen, aber leider nicht in der Lage sind, uns zu garantieren! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Wir wollen einen sicheren Lebensabend für die alternde Bevölkerung! (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Sie behaupten, die Freiheitlichen verunsichern die Bevölkerung. (Bundesrat Rodek: So ist es!) Herr Kollege! Diese Behauptung ist eine Ungeheuerlichkeit! Denn nicht wir sind für diese Gesetze verantwortlich, sondern Sie und Ihre Bundesgenossen von der linken Reichshälfte sind für Gesetze verantwortlich, die die Bevölkerung verunsichern! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich habe hier eine leider etwas schlechte Reproduktion eines Plakates aus dem Jahr 1953: "ÖVP – Rentenklau". Das stimmt! Und ich glaube, auf der roten Seite ist die rote Katze herumgegeistert. Nun hat sich der Rentenklau mit der roten Katze zusammengetan, und man gestattet den alternden Österreichern gewissermaßen ein Ehrenbegräbnis, aber keinen Lebensabend in Absicherung mit wohlerworbenen Rechten. (Zwischenruf des Bundesrates Schaufler. ) Ich glaube nicht, daß das in Ordnung ist! Das widerspricht Ihrer christlichen Grundtendenz, Herr Kollege! Ich nehme Sie in Schutz vor sich selbst! Sagen Sie, daß unrecht gehandelt worden ist! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Er traut sich nicht, die Zeitungen zu nennen. Herr Kollege! Seien Sie doch mutig, sagen Sie, daß es die Zeitungen sind! Sie kommen sowieso nicht darin vor! Nennen Sie doch "täglich Alles" und "Die ganze Woche"! Sie haben jedoch irgendwelche falsche Namen genannt! (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Schaufler. ) Sie haben irgendwelche Kurzformeln genannt, die nicht richtig sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie reden von "Vertrauensabbau": Nicht wir bauen das Vertrauen ab, sondern die Regierung! Schauen Sie sich doch die Wahlresultate in den letzten zehn Jahren an! Wir bauen auf, Sie bauen ab! Und da reden Sie von Aufbau? – Sie schauen das, glaube ich, mit einem Zerrspiegel an! Das kann nicht wahr sein! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Herr Kollege! Es gibt zwei Tiere, denen Sie folgen, welche beide ehrenwert sind: Entweder spielen Sie Vogel Strauß oder Blindekuh. Beides zugleich können Sie nicht spielen! Aber ich rate Ihnen: Nehmen Sie sich ein Beispiel am Ameisenhaufen: Dort herrscht eine geordnete soziale Struktur. (Bundesrat Payer: Jetzt sind Sie gar bei der Zoologie angelangt!) Der Ameisenhaufen ist tatsächlich ein hervorragendes Beispiel! (Bundesrat Meier: Jetzt spricht er von der Pensionssicherung der Ameisen!) Daran können wir sehen, wie man auch bei kargen Verhältnissen allen das gibt, was ihnen zukommt. Dafür sollten Sie eintreten! Spielen Sie Ameise, werden Sie fleißig! Dann wird es weitergehen mit Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Herr Kollege Konečny, der jetzt leider nicht da ist, hat bei seiner Wortmeldung einleitend – wohl auf die Freiheitlichen gemünzt – einen Satz gesagt wie: "Wer nichts zu sagen hat, soll nicht fragen." oder: "Wer nichts zu fragen hat, soll auch keine Antworten haben." – Ich habe eigentlich gedacht, daß das ein Vorwurf an die Frau Bundesministerin ist. Vielleicht empfinden Sie es auch so. Ihre Antwort war doch sehr dürftig! Hier im Hohen Haus können Sie nicht so antworten, Frau Bundesministerin! (Bundesrat Wöllert: Sie haben die Antwort offensichtlich nicht verstanden! Das liegt im Niveau Ihrer eigenen Persönlichkeit!) Antworten Sie einmal wirklich sachlich! Sie kennen das doch schon, was der Herr Professor gesagt hat! (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Ich bin sowieso sehr sachlich! Ich schimpfe gar nicht mit der Frau Ministerin! (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Herr Kollege! Ich rede sehr sanft, und ich gehe mit der Frau Bundesministerin im wahrsten Sinne des Wortes kollegial um. Ich tadle sie ja nur sanft. Denn die Antworten, die die Frau Bundesministerin gegeben hat – jetzt wiederhole ich es –, entsprechen nicht ganz diesem Haus. Es wären tatsächlich Antworten zu geben! Man kann nicht immer nur die Geschäftsordnung dermaßen strapazieren, daß man sagt, es sei der Opposition wohl gestattet, Fragen zu stellen, jedoch Antworten gibt, die, schlicht gesagt – wie nennt man das? –, Vertrö


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stungen sind. Ich könnte auch sagen: heiße Luft, aber ich lasse es weg. Ich habe es nicht gesagt! Bitte nicht mitschreiben! (Bundesrat Meier: Bitte mitschreiben! Das muß dokumentiert werden!)

Die Frau Ministerin hat eigentlich keine Antwort gegeben, und dieses Nicht-Antwort-Geben halte ich für eine Entwürdigung. Denn wenn Sie, Frau Ministerin, gleich am Anfang sagen: Liebe Kollegen von den Freiheitlichen! Ich gebe heute keine Antworten, ich gebe sie euch am 3. Juli, denn da haben wir eine Enquete, dann ersparen wir uns die ganze Debatte und können das Ganze abkürzen und heute heimgehen. (Bundesrat Payer: Sie behelligen das Parlament mit Ihren ewigen dringlichen Anfragen! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) – Sie haben durchaus recht! Auch Kollege Konečny hat gemeint, daß ... (Bundesrat Payer: Sie haben ein gutes Instrument der Opposition zur Farce gemacht!) Passen Sie auf, Herr Kollege! Die Farce ist immer in der Lage, die Regierungsmehrheit darzustellen, die Opposition nimmt die Rechte der geplagten Bevölkerung wahr! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Mehrheit der Bevölkerung? – Es gibt die schweigende Mehrheit, die leidende Mehrheit und die stimmende Mehrheit. (Bundesrat Mag. Himmer: Zu welcher gehören Sie?) Ich beziehe die Interessen der leidenden Mehrheit mit ein und spreche mich für ein kämpferisches Seniorentum aus.

Wenn Kollege Konečny in einem Anfall von Menschenfreundlichkeit auch mich einlädt, an der Debatte teilzunehmen – er meint nicht mich persönlich, sondern alle aus meiner Fraktion –, so ist das für mich schlichtweg rührend, meine Damen und Herren! Denn daß uns die Regierungsparteien zur Teilnahme an der Debatte auffordern, heißt erstens, daß sie es allein nicht mehr schaffen. Immerhin ist das ein Eingeständnis der Unfähigkeit! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Zweitens zeigt es, daß Kollege Konečny tatsächlich der Humanist ist, für den ich ihn immer gehalten habe. Denn Humanisten geben Fehler auch zu und sind bereit, diese Fehler zusammen mit anderen abzubauen. Auch das spricht für ihn. (Bundesrat Konečny: Auf wienerisch sagt man: Auf Sie haben wir gewartet! – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Wenn Kollege Himmer hier weiter dazwischenruft, ohne daß ich die Zwischenrufe demnächst schriftlich von ihm bekomme – denn Sie sprechen so schnell, daß man nichts verstehen kann –, verhält es sich damit ähnlich wie mit den Antworten der Regierung: Die Regierungsantworten sind unverständlich, die Bevölkerung ist verunsichert, und die Opposition wehrt sich, Herr Kollege Himmer! (Bundesrat Mag. Himmer: Sie werden doch meiner Geschwindigkeit noch folgen können!)

Ich möchte zum Abschluß nur noch eines sagen ... (Demonstrativer Beifall der Bundesräte Konečny und Payer. )

Sehr gut, danke sehr! Applaus von Kollegen Konečny freut mich immer. Ich habe ihn gelobt – jetzt lobt er mich. Treue kennt keine Einbahn. – Frau Bundesministerin! Die Verunsicherung ... (Bundesrat Konečny: Sie kennen Tucholsky: Wenn du aufhören willst, kündige es rechtzeitig an! Deine Zuhörer könnten sonst vor Freude einen Herzinfarkt bekommen!) Kein Schaden, Kollege Konečny, kein Schaden bei manchen!

Frau Bundesministerin! Die Beamten sind zutiefst verunsichert. Sie wissen, daß die Beamten durch einen Treueeid an die Republik gebunden sind. Dieser Treueeid verpflichtet sie in einem bestimmten Rahmen zu absolutem Gehorsam. Die Beamten haben sich nicht selbst zu ihrer heutigen Anzahl vermehrt, sondern wurden wegen des übermäßig tätigen Gesetzgebers zu einer immer größeren Schar. Die Beamten haben sich auch nicht aus eigenem die Gehälter und Pensionen in der Höhe zugeordnet, die jetzt nicht mehr bezahlbar ist. (Bundesrat Meier: Sie haben sich aber schon dafür eingesetzt!)

Es ist untragbar, meine sehr verehrte Frau Ministerin, daß die Beamten derzeit die Prügelknaben des Landes sind! (Bundesrat Dr. Böhm: Sehr richtig!) Das wird noch verstärkt durch


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Massenmedien, die selbst einen besonderen Status haben wie zum Beispiel der ORF und das eine oder andere Print-Organ: Sie prügeln auf die Beamten ein, ohne zu wissen, was sie damit anrichten.

Die Beamten sind die Korsettstangen eines ordentlichen Staatswesens. (Bundesrat Konečny: Weiß das Ihr Bundesobmann auch?) Wenn Sie jedoch die Absicht haben, die Korsettstangen eines ordentlichen Staatswesens zu brechen, dann sagen Sie es offen, Frau Bundesministerin, Sie und Ihre Kollegen in der Regierung! Brechen Sie die Korsettstangen und geben Sie den Staat auf, genauso wie Sie es mit der Verlagerung vieler Aufgaben nach Brüssel getan haben! Nur weiter so! Wir aber wissen es zu schätzen, wenn wir eine ordentliche Regierung haben. Wenn wir Freiheitliche die Regierung übernehmen können, stelle ich es mir anders vor! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.33

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist die Frau Bundesministerin. – Bitte.

17.33

Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales Eleonora Hostasch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geschätzte Damen und Herren! Erlauben Sie mir zum Abschluß dieser Debatte einige ergänzende Bemerkungen. Zuletzt wurden von Herrn Bundesrat Gudenus einige Äußerungen getroffen, auf die ich zurückkommen möchte. Wahrscheinlich wird im parlamentarischen Stenographischen Protokoll nachlesbar sein, daß ich in meiner Anfragebeantwortung nicht nur auf eine wichtige Veranstaltung am 3. Juli hingewiesen, sondern sehr grundsätzliche und umfassende Aussagen zur Zukunft unseres Alterssicherungssystems getroffen sowie darauf bezogene Strategien und Überlegungen bekanntgegeben habe. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich hoffe, daß von den Damen und Herren Bundesräten insgesamt eine zufriedenstellende Beantwortung registriert wurde, und möchte weiters sagen, daß ich ein anderes Verständnis habe, was die Meinungsfreiheit eines Professors oder überhaupt jeder Persönlichkeit betrifft. Wenn jemand ein Gutachten erstellt, dann respektiere ich die Meinungen, die von diesem Menschen, von dieser Persönlichkeit, von diesem Fachmann, von diesem Experten vertreten werden – auch wenn ich mich sicherlich nicht mit alledem identifiziere, was seitens wissenschaftlicher Experten gesagt wird. Das ist mein Verständnis von der Unabhängigkeit von Experten, und ich würde mich nie unterstehen, jemanden zur Ordnung zu rufen und von ihm zu verlangen, seine Meinung so zu korrigieren, daß sie dem entspricht, von dem ich gerne hätte, daß es in der Öffentlichkeit gesagt wird. (Beifall bei der SPÖ.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist vielleicht nicht mehr vollständig in Erinnerung, daß dieses Hohe Haus das Sozialministerium und den Sozialminister – jetzt: die Sozialministerin – im vergangenen Jahr verpflichtet und ihm den Auftrag gegeben hat, bis Ende dieses Jahres konkrete Überlegungen darüber anzustellen, wie alle Erwerbseinkommen in die Sozialversicherungspflicht einbezogen werden können und wie wir mit der Frage der geringfügig Beschäftigten in der Pensionsversicherung sowie den anderen Versorgungssystemen der sozialen Sicherheit umzugehen haben. Wir befinden uns mitten in diesen Überlegungen. Das betrifft genau diejenigen Elemente, die jetzt zur weiteren Reform unserer Versorgungssysteme diskutiert werden. Daher ist es nicht nur ein Wunsch des Sozialressorts, sondern es entspricht dem Auftrag aller im Parlament vertretenen Parteien, diese Fragen in Angriff zu nehmen. Wie gesagt, wir sind dabei, Lösungsvorschläge zu erarbeiten.

Der Debatte konnte ich entnehmen, daß es Ihnen allen ein Anliegen ist, keine Verunsicherung in der Bevölkerung und insbesondere unter unseren Pensionistinnen und Pensionisten entstehen zu lassen, sondern zur Beruhigung beizutragen. (Bundesrat Hüttmayr: Bei den Freiheitlichen ist das nicht so!) Damit komme ich auf Sie zurück, Herr Bundesrat Gudenus! Wenn Sie behaupten, die Pensionen seien nicht gesichert, dann frage ich mich: Ist es nicht genau das, was Verunsicherung erzeugt? Macht es uns nicht genau das dann so schwer, jedem wieder zu Recht zu versichern, daß er oder sie keine Sorge vor der Zukunft zu haben braucht, weder die Jugend


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noch die ältere Generation, weil wir rechtzeitig und verantwortungsbewußt handeln und an die Zukunft denken? (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Dr. h. c. Mautner Markhof. )

Sehr geschätzte Damen und Herren! Es ist das Recht jeder Partei, auch jeder Oppositionspartei, eigenständige Überlegungen anzustellen, wie sich unser Sozialsystem in Zukunft darstellen und wie die Altersversorgung gestaltet werden soll. Ich kenne das Modell der FPÖ in groben Zügen. Es besteht darin, eine steuerfinanzierte Grundversorgung sicherzustellen, dazu eine ergänzende betriebliche Pensionsvorsorge einzurichten – ob verbindlich oder unverbindlich, ist mir noch nicht ganz klargeworden – und darüber hinaus die Eigenvorsorge steuerlich zu begünstigen. Es hat auch den Vorschlag gegeben, darüber hinaus im Alter jedem Pensionsbezieher die Möglichkeit zu weiterer Beschäftigung zu geben, ohne daß es zum Ruhen von Pensionsteilen kommt. Weiters liegt ein Steuermodell der Freiheitlichen vor, welches das Steuerrecht komplett verändern soll.

Was ich einfordere – das erlaube ich mir als Bundesministerin –, ist: Es mögen tatsächlich Fakten darüber auf den Tisch gelegt werden, wie diese Vorstellungen finanziert werden sollen, und es möge dem gegenübergestellt werden, mit welchem Verantwortungsbewußtsein, mit welcher Klarheit und Präzision wir im bestehenden System diejenigen Ansprüche sichern und weiterentwickeln, die wir für die Bevölkerung auch in Zukunft sichergestellt haben wollen. – Sehr geschätzte Damen und Herren, auch von den Freiheitlichen! Es konnte mir noch niemand erklären, wie Sie Ihr Modell finanzieren wollen und wie die Mittel dafür aufgebracht werden sollen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Erlauben Sie mir, zuletzt folgendes zu sagen: Es bedurfte nicht dieser dringlichen Anfrage, und es bedurfte auch nicht der Aufforderung der Freiheitlichen, damit eindeutig klargestellt wird, daß die bestehenden Pensionen, die Pensionen, die jetzt ausbezahlt werden, in keiner Weise betroffen sind und daß es keinen Eingriff in bestehende Leistungen gibt. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

17.39

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Harring, ist das eine Wortmeldung? (Bundesrat Dr. Harring: Ja, das ist eine Wortmeldung.)  – Bitte.

17.40

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Seien Sie mir nicht böse: Sie haben zwar gesagt, daß Sie schon abschließen wollen, aber nach der Geschäftsordnung ist es gestattet, ein Schlußwort nach dem Schlußwort zu ergreifen – vielleicht folgt danach ein weiteres Schlußwort –, und das möchte ich aus folgendem Grund tun.

Sie haben gesagt, wir Freiheitliche verunsicherten die Pensionisten, wenn wir darauf hinweisen, daß die Pensionen nicht gesichert sind. Im Gegensatz dazu sagen Sie, die Pensionen seien gesichert. Außerdem haben Sie im Schlußwort etwas sehr Interessantes gesagt: Sie nähmen alle Experten ernst, und wenn Sie Gutachten in die Hand bekämen, würden diese genau gelesen werden, und Sie würden nie die Unabhängigkeit von Experten anzweifeln.

Zur Verunsicherung darf ich Ihnen – mit einigen wenigen Sätzen, um die Debatte nicht aufzuhalten – zwei Gutachten in Erinnerung rufen, verfaßt von Herrn Professor Dr. Bernd Marin, Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung, und von Herrn Professor Dr. Klaus Heubeck. Das sind zwei Experten, die allen wohlbekannt sind, die sich mit diesen Fragen beschäftigen.

Professor Marin schreibt unter anderem, daß im Jahr 1990 100 Personen im Alter von 20 bis 59 Jahren 36 Menschen im Alter von über 60 Jahren gegenüberstanden, im Jahr 2030 das Verhältnis 100 : 80 betragen wird und im Jahr 2050 eine Relation von 100 : 121 erreicht werden könnte. Diese ein wenig pessimistische Prognose wurde aufgrund von Bevölkerungsbewegungen erstellt. In dieser Abhandlung steht ein interessanter Schlußsatz, den ich wörtlich zitiere:


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"Bei gleichbleibenden Beitragssätzen zu den Pensionsversicherungen müßten daher bis zum Jahr 2030 die Pensionen auf 24 Prozent des letzten Aktiveinkommens reduziert werden" – man bekommt also nur noch 24 Prozent Pension! –, "oder das Pensionsantrittsalter müßte auf 72 Jahre angehoben werden." – Ein wörtliches Zitat von Professor Marin, das nicht neu ist, sondern schon aus dem Jahr 1994 stammt! Da es im Bundesministerium schon seit zehn Jahren eine Pensionsreformkommission gibt, hat man das sicherlich gelesen.

Professor Heubeck kommt zu genau denselben Ergebnissen: Er sagt, es sei die einzige Lösung, das Pensionsalter auf 70 bis 72 Jahre anzuheben, da sonst die Pensionen nicht finanzierbar wären.

Eine ähnliche Aussage trifft auch der allseits bekannte Wirtschaftsforscher Bernhard Felderer. Er hat gesagt, daß die Finanzierung des Pensionssystems bereits kurzfristig bedroht, langfristig aber völlig unvorstellbar ist, wenn man nicht Maßnahmen ergreift, die sofort wirksam werden. Sie wissen, wie lange die Vorlaufzeiten sind. Daher müßte schon sehr bald etwas geschehen!

Frau Bundesministerin! Sie haben gesagt ... (Zwischenruf der Bundesrätin Kainz. ) Entschuldigen Sie, aber die Entwicklung der Bevölkerung ist absehbar, und wie sich die Bevölkerungsstruktur in den nächsten 20 oder 30 Jahren darstellen wird, ist ebenso bekannt. Diese Menschen sind ja alle schon auf der Welt. (Bundesrätin Kainz: Es ist bekannt, nicht erst seit gestern!) Eben! (Bundesrätin Kainz: Ihre Schlußfolgerungen sind – möchte ich sagen – nicht richtig!) Wieso nicht? (Bundesrätin Kainz: Weil Sie nur einen Aspekt herausgreifen!) Gnädige Frau! Sie können nicht sagen, daß wir die Leute über die Pensionen verunsichern, wenn aus den Untersuchungen seit vielen Jahren hervorgeht, daß die oft behauptete Sicherheit nicht gegeben ist.

Wir haben hier im Hohen Haus auch die Vorgänger der Frau Ministerin gefragt. Als 1995, noch von Minister Hesoun, der Sozialbericht vorgelegt wurde, sagte der Minister: Tut nichts, die Pensionen sind sicher, verlaßt euch darauf, das ist so! (Bundesrätin Kainz: Da haben Sie es genausowenig zur Kenntnis genommen!) Die Frau Ministerin hat heute dasselbe gesagt. Sie hat gesagt, daß nicht die 2. und 3. Säule – ich weiß, daß darauf in Österreich erst 4 beziehungsweise 6 Prozent entfallen –, sondern die staatliche Pension entscheidend ist. Das trifft zu. Aber wenn wir heute den Menschen nicht klar sagen, was auf sie zukommt, wird niemand etwas gegen die bedrohliche Entwicklung tun, weil sich alle auf die staatliche Pension verlassen.

So gesehen war die Änderung der Absetzmöglichkeiten bei den Sonderausgaben ein schwer kontraproduktiver Schritt. Dadurch hat man ausgerechnet dort, wo ein Gegensteuern möglich wäre, nämlich im Bereich der privaten Vorsorge, die Menschen völlig verunsichert. Ähnlich verhält es sich, wenn Sie sagen, daß das Umlageverfahren das einzig mögliche sei. Ich kann Ihnen Untersuchungen darüber vorlegen – aber diese kennen Sie selbst sicherlich viel besser –, daß nur eine Kombination aus Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren langfristig sinnvoll ist.

Abschließend möchte ich Ihnen sagen, daß es ein Zeichen von Kultur ist, wie man mit den älteren Menschen im Lande umgeht. Ich füge hinzu, daß es ein Zeichen von Unkultur ist, wenn man den Menschen einfach nicht die Wahrheit sagt, sondern ihnen ständig vormacht, daß ohnehin alles in Ordnung sei und schon nichts passieren werde. Wenn nun die Freiheitlichen kommen und etwas anderes sagen, seien sie eben die Bösen, die die Menschen verunsichern würden. – Aber es ist eben nicht alles in Ordnung, was die Pensionen betrifft. Darum sind wir für Offenheit und Ehrlichkeit. Sagen wir den Menschen, was wirklich vor sich geht! Frau Ministerin! Sie haben schon einen guten Weg beschritten, deshalb ersuche ich Sie: Treffen Sie rechtzeitig Entscheidungen, daß die Pensionen der älteren Menschen tatsächlich gesichert sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.45

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wieder auf. Wir setzen mit dem Tagesordnungspunkt 10 fort.

Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Rockenschaub. – Bitte.

17.45

Bundesrat Dr. Michael Rockenschaub (Freiheitliche, Oberösterreich): Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme wieder auf die Gewerbeordnung zurück, in die Kollege Kaufmann große Hoffnungen setzt und von der er sich Reformschübe und Verbesserungen für die Wirtschaft erwartet.

Zweifellos befinden sich Unternehmer und Selbständige in einer Krise. Infolge der Globalisierung ist es zu einem unfairen Wettbewerb gekommen. Die Unternehmen leiden unter Steuerdruck, Gesetzesflut und allgegenwärtiger Bürokratie. Auf die steigende Schattenwirtschaft – landläufig auch "Pfusch" genannt – als Ausdruck der Notwehr und als Ergebnis dieser Rahmenbedingungen wurde heute schon verwiesen.

Wir befinden uns da in einem Teufelskreis. Steigender Steuer- und Vorschriftendruck führt zwangsläufig zu mehr Schattenwirtschaft. Auf den Anstieg der Schattenwirtschaft aber hat die öffentliche Hand bisher mit neuerlich hinaufgesetztem Steuer-, Abgaben- und Vorschriftendruck reagiert. Das war die Politik der letzten Jahre. Es würde mich freuen, wenn es nun gelänge, einen anderen Kurs einzuschlagen.

Wir sind aber nicht ganz davon überzeugt, daß die neue Gewerbeordnung der große Wurf ist. Viele – und nicht nur Freiheitliche – sagen nämlich, daß diese Gewerbeordnung im Grunde wahrscheinlich nicht reformierbar ist, sondern eine völlig neue Gewerbeordnung aufgestellt werden müßte. Mich persönlich hat beeindruckt, daß der Nationalrat zehn Ausschußfeststellungen getroffen hat. Das ist außergewöhnlich viel und kommt einem sehr seltenen Ereignis gleich. Offensichtlich ist das so zu interpretieren, daß das Regelwerk, das Gesetz selbst kein besonders geglückter legistischer Wurf ist. Warum sonst wäre eine derart große Anzahl an Ausschußfeststellungen notwendig? – Es kann nur darum gehen, den Interpretationsspielraum entweder zu erweitern oder einzuengen. Wir in der Opposition wissen nicht, was in den Köpfen der Koalitionsabgeordneten vor sich gegangen ist. Jedenfalls macht eine derart große Anzahl an Ausschußfeststellungen nachdenklich, und meiner Ansicht nach sieht das nach Ungereimtheiten aus.

Ein Schmankerl, das ich schon im Ausschuß feststellen konnte, betrifft die Sache mit dem Teilgewerbe und der Arbeitsplatzbegrenzung. Es ist unglaublich, wenn man das liest. Denn das verleitet geradewegs zu der Annahme, daß alle Informationen, die wir über Probleme am Arbeitsmarkt haben, falsch seien und wir nicht von Arbeitslosigkeit, sondern von Arbeitskräftemangel geplagt wären. Es sieht so aus, als müßten wegen Arbeitskräftemangels für bestimmte Firmen Arbeitskräftehöchstzahlen verordnet werden.

Es fällt uns sehr schwer, den Gedanken nachzuvollziehen, daß man jemandem die Firma dafür "abdrehen" will, daß er, statt sich mit fünf Beschäftigten zu begnügen, einen sechsten Dienstnehmer einstellen möchte. Zu diesem kuriosen Punkt habe ich in der bisherigen Debatte keinerlei Erläuterung gehört. Es wäre zu begrüßen, wenn der Herr Minister dies nachholen würde. (Bundesrätin Kainz: Im Ausschuß ist das geschehen!) Im Ausschuß hat ein Beamter versucht, Stellung zu nehmen, aber er hat sich so kryptisch und verschlüsselt geäußert, daß es nicht klargeworden ist. Ich bitte um einen abermaligen Erklärungsversuch – eine bescheidene Bitte eines Oppositionsabgeordneten!


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Weiters war im Ausschuß ... (Bundesrat Prähauser: Vielleicht schriftlich, das begreift man vielleicht schneller!) Auch das ist eine Möglichkeit! Wenn Sie das übernehmen, komme ich darauf zurück.

Im Ausschuß war zum Verfahrensrecht von Ministeriumsseite weiters zu vernehmen, daß es infolge dieser Verfahrensreform zu keinen Kostenerhöhungen seitens der öffentlichen Hand kommen werde. Auch darüber hält sich die Begeisterung in Grenzen. Denn einst wollte Wirtschaftskammerpräsident Maderthaner durch Bürokratiereformen 180 Milliarden einsparen. Wenn nun diese Gewerbeordnungsnovelle dazu insofern einen Beitrag leistet, als sie wenigstens keine zusätzlichen Kosten seitens der öffentlichen Hand mit sich bringt, ist das ein bescheidenes Ergebnis. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kaufmann. ) Sie waren vorgestern im Ausschuß dabei, Herr Kollege, als nach den Kosten gefragt wurde.

Wenn wir den wirtschaftlichen Wettbewerb der Selbständigen als Hundertmeterlauf darstellen und einen internationalen Vergleich ziehen – in einer Zeit der Globalisierung muß man international vergleichen –, dann zeigen sich folgende Unterschiede: Ein Amerikaner oder ein Brite kann diese Strecke zügig in Trainingsanzug oder Sporthose hinter sich bringen, wogegen beispielsweise ein deutscher Unternehmer einen Rucksack mit 10 Kilogramm an Steuern und Bürokratie mitzuschleppen hat. Ein Österreicher aber hat um die 20 Kilogramm davon im Gepäck. (Bundesrat Payer: Sie haben dem Minister vorhin nicht zugehört!) Ich habe dem Herrn Minister sehr gut zugehört. Nur man muß ja nicht in jeder Hinsicht die Meinung des Ministers teilen!

Ich glaube, daß das 20-Kilogramm-Gepäck infolge dieser Reform auf vielleicht 18 oder 17 Kilogramm abgenommen hat. Aber der große Wurf ist mit Sicherheit nicht gelungen, da die Fesseln des rot-schwarzen Kammerstaates noch hinreichend fest waren, einen durchschlagenden Erfolg zu verhindern. – Alles in allem sehen sich die Freiheitlichen nicht in der Lage, diesen Entwurf und diese Vorlage zu unterstützen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

17.52

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Payer. – Bitte.

17.52

Bundesrat Johann Payer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es wurde schon vor der dringlichen Anfrage von Kollegen Rauchenberger darauf hingewiesen, daß die Gewerbeordnung eines unserer wichtigsten Wirtschaftsgesetze ist. Die Gewerbeordnung regelt den Zugang zum Gewerbe und schafft damit die unternehmerischen Rahmenbedingungen für zirka 1,4 Millionen Beschäftigte. Erlauben Sie mir daher nochmals die Feststellung, daß die Gewerbeordnung nicht nur für den Unternehmer selbst, sondern auch für die Beschäftigten von besonderer Bedeutung ist.

Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Gesetzesvorlage dem einen zu weit, dem anderen zu wenig weit geht. Die zu behandelnde Vorlage ist meiner Meinung nach ein tragbarer Kompromiß – ein Kompromiß innerhalb eines weiten Spannungsfeldes. Schon am Beginn dieser Sitzung hat die Frau Vizepräsidentin den Kompromiß als Sieg der Vernunft bezeichnet.

Kollege Rockenschaub hat die große Anzahl der Ausschußfeststellungen beklagt. Dazu möchte ich sagen, daß es notwendig war, die unterschiedlichsten Interessen in Einklang zu bringen. Ich gebe zu, daß es die ÖVP wegen ihrer bündischen Struktur dabei etwas schwerer hatte. Einerseits müssen Erleichterungen für Jungunternehmer geschaffen werden, andererseits darf es keine Benachteiligung für etablierte Unternehmungen geben. Eine Erleichterung des Zuganges zum Gewerbe wurde erreicht. Gleichzeitig mußte danach getrachtet werden, die Konsumentenschutzinteressen zu wahren. Dem Schutz der Anrainer bei Errichtung eines Gewerbebetriebes stand die notwendige Beschleunigung beim Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahren gegenüber.

Ich muß Herrn Bundesminister Farnleitner recht geben, wenn er sagt, daß die Bundesländer versuchen, schnell zu handeln und schnell zu reagieren. Auf jeden Fall kann ich das für mein


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Bundesland feststellen, das Burgenland, das sich mit Hilfe des Ziel-1-Projektes in einer Gründungsphase befindet. Es war auch notwendig, bürokratische Hürden abzubauen und gleichzeitig die Nachbarschaftsrechte dazu in ein vernünftiges Verhältnis zu bringen. An einem konkreten und aktuellen Beispiel: Es galt, im Spannungsfeld zwischen den Gastgartenbetrieben und den davon betroffenen Anrainern zu einem tragbaren Kompromiß zu gelangen.

Ich glaube, daß trotz der aufgezählten Schwierigkeiten, trotz dieses weiten Spannungsfeldes ein relativ faires Regelwerk entstanden ist. In der Gewerberechtsnovelle 1997 wird über weite Strecken das SPÖ-Konzept für eine Reform der Gewerbeordnung übernommen. Selbst langjährige Forderungen unsererseits – zum Beispiel die volle Supplierungsmöglichkeit, die Erweiterung des Gewerberechtsumfanges, die Zugangserleichterungen und die Verfahrenserleichterungen – konnten endlich umgesetzt werden.

Ich glaube, daß die Regierungsparteien mit dieser Novelle gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft geschaffen haben. Gute Möglichkeiten für die Wirtschaft bedeuten auch bessere Beschäftigungsmöglichkeiten. Daher wird meine Fraktion gegen diese Vorlage keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ und Beifall des Bundesrates Dr. h. c. Mautner Markhof. )

17.56

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Penz. – Bitte.

17.57

Bundesrat Ing. Johann Penz (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines gleich vorweg: Die neue Gewerbeordnung, um die monatelang sehr heftig gerungen wurde und die nunmehr mit 1. Juli in Kraft treten wird, ist insgesamt ein wichtiges und gutes Werk für unsere Wirtschaft, auch für die heimische Landwirtschaft. Diese Novelle bringt wesentliche Schritte in Richtung Liberalisierung und – das ist mir besonders wichtig – neue, dringend notwendige Wirtschafts- und Beschäftigungsimpulse auch für den ländlichen Raum.

Lassen Sie mich kurz bei der Landwirtschaft bleiben. Eine Liberalisierung des Gewerberechtes war nicht zuletzt deshalb notwendig, weil mit dem EU-Beitritt ein erfolgreiches Auftreten auf den Märkten für das bäuerliche Einkommen immer mehr an Bedeutung gewonnen hat und in Zukunft noch größere Bedeutung gewinnen wird. Dieser Bedeutung trägt die neue Gewerbeordnung in zweierlei Hinsicht Rechnung: zum einen durch Kooperationsmöglichkeiten für Bauern und Gewerbetreibende, wie sie bisher allenfalls im Bereich der Sekterzeugung bestand – ich glaube, daß durch diese Kooperationsmöglichkeiten insbesondere in strukturschwachen Gebieten Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden können –, zum anderen durch neue Erwerbsmöglichkeiten für die Bauern im Wege der Direktvermarktung.

Bei der Direktvermarktung entfällt für die Bauern beispielsweise die bisherige Unterordnung unter die land- und forstwirtschaftliche Urproduktion sowie der produktionsbezogene Begriff "In der Regel auf den Markt gebracht", der in der täglichen Praxis zu einer Vielzahl von Problemen geführt hat. Dadurch wird es möglich, daß die gesamte Urproduktion eines landwirtschaftlichen Betriebes zu qualitativ hochwertigen Lebensmitteln weiterverarbeitet und direkt an die Konsumenten verkauft werden kann.

Darüber hinaus ermöglicht die Novelle die partnerschaftliche Lohnverarbeitung der bäuerlichen Produkte zwischen Fleischhauern, Bäckern und anderen Gewerbetreibenden. Es wurden auch – ich bin Kollegen Rauchenberger sehr dankbar, daß er darauf hingewiesen hat – die Zukaufsmöglichkeiten erweitert, nämlich in der Form, daß neben den bestehenden Möglichkeiten, nämlich im Bereich des Weinbaues und bei den Baumschulen auch Zukäufe zu tätigen, nunmehr in jedem Betriebszweig der land- und forstwirtschaftlichen Produktion zugekauft werden kann, wenn der Wert nicht mehr als 25 Prozent ausmacht.

Der zweite Bereich ist der, daß im Falle von Ernteausfällen bis zu 100 Prozent zugekauft werden kann, mit der Einschränkung – ich glaube, das ist etwas sehr Wichtiges und Wertvolles –, daß nur inländische Produkte gekauft werden dürfen.


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Uns war natürlich klar, daß seitens der Bauernschaft bei diesen neuen Möglichkeiten in steuerlichen Fragen bei der Weiterverarbeitung eine Gleichstellung mit dem Gewerbe und mit dem Handel zu akzeptieren war. Darüber wurde bekanntlich sehr lange und sehr heftig in der Öffentlichkeit diskutiert. Ich glaube aber, daß die Einkommensgrenze mit 300 000 S für Produkte, die be- und weiterverarbeitet werden, durchaus akzeptabel ist; dazu kommen ja auch noch die "zehn Betten" in der Zimmervermietung.

Ich glaube daher, daß ein sehr vernünftiger Kompromiß erzielt werden konnte, was die Frage des Steuerrechtes betrifft, aber genauso, was die Frage des Anlagenrechtes betrifft. Es sind bekanntlich anlagenrechtliche Bewilligungen für Bauern nur dann vorgesehen, wenn diese die Weiterverarbeitung durch die Beiziehung von Fremdarbeitskräften unter einem unverhältnismäßig hohen Kapitaleinsatz nutzen.

Offengeblieben ist die Frage der bäuerlichen Gästebeherbergung und der Vermietung von Ferienwohnungen, aber ich darf auch hier sagen, wir bauen da auf die Zusage des Wirtschaftsministers, daß eine neue Verordnung kommen wird.

Kollege Rauchenberger hat auch in sehr eindrucksvoller Weise darauf hingewiesen – auch der Herr Bundesminister hat das ergänzt –, daß mit dieser Novelle die verbundenen Gewerbe erweitert werden konnten. Wir sind auch froh, daß gerade im Bereich des Gartenbaues ein Verbund mit den Floristen geschaffen wurde und daß der Friedhofsgärtner nicht eine separate Ausbildung machen muß, genauso wie in anderen Bereichen zum Beispiel der Installateur auch Fliesen reparieren kann oder ähnliches. Die Liste ließe sich ja weiter fortsetzen.

Positiv wird sich überdies auch auswirken, daß das Betriebsanlagenrecht vereinfacht wird, was zu beschleunigten Verfahren bei der Genehmigung von Betriebsanlagen führen wird. Der Herr Bundesminister hat schon klar zum Ausdruck gebracht, daß es schon alleine durch die Diskussion zu einer Beschleunigung gekommen ist. Ich darf auch mit Stolz sagen, daß Niederösterreich eines der ersten Bundesländer war, in dem die Betriebsgenehmigungsverfahren zusammengeführt wurden.

Herr Kollege Rockenschaub! Es liegt natürlich in der Natur der Sache, daß die neue Gewerbeordnung dem einen zu liberal und dem anderen vielleicht zu restriktiv ist. Ich habe in einem Zwischenruf auch gesagt, daß gerade von seiten der Interessenvertretung der Steuerberater, wo Sie Ihre Profession haben, und für die der Herr Bundesminister eigentlich eine sehr weitgehende Liberalisierung wollte, restriktivere Maßnahmen gefordert wurden.

Dennoch glaube ich, daß die neue Gewerbeordnung alles in allem dazu angetan ist, mehr Wettbewerb zu bringen, was sich letztendlich auch in den Preisen für die Konsumenten niederschlagen wird.

Aus der Sicht der Landwirtschaft ist die neue Gewerbeordnung ein wichtiger und vernünftiger Schritt zur Nutzung der Chancen auf dem Binnenmarkt, da sich gerade auch im ländlichen Raum durch sie viele neue Möglichkeiten für die Einkommenskombination und damit für die Erhaltung und für die Schaffung selbständiger Existenzen ergeben werden.

So gesehen bin ich optimistisch, daß die neuen Regelungen sinnvoll vollzogen und daß Landwirtschaft und Gewerbe künftig in einem partnerschaftlichen Klima miteinander arbeiten werden. Dazu, Herr Bundesminister, haben Sie einen sehr wichtigen und großartigen Beitrag in Österreich geleistet. Vielen Dank dafür! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.05

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster ist Herr Bundesrat Dr. Böhm zu Wort gemeldet. – Bitte.

18.05

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Die vorliegende weitreichende Novellierung der Gewerbeordnung stellt zweifellos einen Fortschritt gegenüber der heutigen Rechtslage


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dar. Ich räume das gerne ein. Dennoch kann von einem zentralen wirtschaftspolitischen Reformwerk oder gar einem großen Wurf oder Meilenstein, wie dieses Gesetzespaket allzu euphorisch bezeichnet wurde, keine Rede sein.

Als den Kernpunkt meiner Kritik greife ich die Neuregelung des Betriebsanlagenrechtes heraus. Diese setzte sich zum Ziel, die Verwaltung zu vereinfachen, die Verfahren zu beschleunigen und die Betriebsgründungen zu erleichtern. Die Verwirklichung dieser proklamierten Ziele scheitert aber zwangsläufig am eklatanten Vollzugsdefizit in diesem Sachbereich. Nach einer im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten verfaßten Studie des Leiters der Abteilung für Umweltpolitik der Wirtschaftskammer Österreich, Dozent Dr. Stephan Schwarzer, hätten die Gewerbebehörden etwa 50 000 Genehmigungsverfahren im Jahr durchzuführen. Das ist eine Zahl, die Kollege Harring heute schon genannt hat. Tatsächlich aber finden nur zirka 15 000 Verfahren statt, davon 10 Prozent nach vereinfachten Genehmigungsverfahren.

Daraus ergibt sich, daß ein erheblicher Teil der Anlagen konsenslos oder sogar konsenswidrig betrieben wird. Experten halten fest, daß es nahezu einer Rechtsverweigerung gleichkäme, würden die Behörden tatsächlich den vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung vorgegebenen Maßstab anlegen.

Diese für einen Rechtsstaat untragbare Situation, die zu Rechtsunsicherheit und Willkür führt, wird durch die vorliegende Novelle nicht behoben. Insofern verdient sie auch nicht die positive Charakterisierung als bahnbrechende Reform des Betriebsanlagenrechts.

Da mit einer entsprechenden Ausweitung des Personalstandes der Gewerbebehörden keineswegs zu rechnen ist, läßt sich das angesprochene Vollzugsdefizit auch in Zukunft nicht beheben.

Gerade in diesem Zusammenhang ist kritisch anzumerken, daß es die Novelle verabsäumt hat, das Betriebsanlagenrecht der so lautstark gerühmten Deregulierung zu unterziehen. Nach wie vor bleiben auch Bagatellanlagen mit geringfügiger Umweltrelevanz genehmigungspflichtig. Den erwähnten 15 000 Genehmigungsverfahren pro Jahr in Österreich, davon bloß 5 000 Neuanlagen betreffend, stehen in Deutschland – auch diese Zahl wurde heute schon genannt – lediglich rund 6 000 und in Großbritannien gar nur zirka 360 Verfahren gegenüber. Die verkürzte Verfahrensdauer, die freilich durch zunehmenden Abbau der Anrainerrechte teuer erkauft ist, bietet dafür nur einen unzureichenden Ausgleich dieses Wettbewerbs und Standortnachteils. Zudem konzentriert sich das österreichische Betriebsanlagenrecht in vergleichender Betrachtung allzu sehr auf das Genehmigungsverfahren; demgegenüber sind Instrumente zur Überwachung der einmal genehmigten Anlagen ziemlich unterentwickelt.

Nach dem Vorbild der Vierten Verordnung zum deutschen Bundesimmissionsschutzgesetz hätte besser ein Anlagenkatalog erstellt werden sollen, der die genehmigungspflichtigen Betriebsanlagen taxativ erfaßt. Alle übrigen Anlagen bedürften dann keines Genehmigungsverfahrens mehr, ihre Betreiber wären aber dessen ungeachtet dazu verpflichtet, diese Anlagen so zu errichten und zu betreiben, daß schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind; aber auch daß unvermeidbare schädliche Einwirkungen auf die Umwelt auf ein Mindestmaß beschränkt werden; und daß die beim Betrieb der Anlagen entstehenden Abfälle ordnungsgemäß beseitigt werden können. Zur Überprüfung dieser Vorgaben wäre ein Anmeldungsverfahren für Erstzulassungen und bei Anlagenänderungen, die das Emissionsverhalten der Anlage nicht wesentlich beeinflussen, einzuführen.

Dem Projektwerber stünde es bei nicht genehmigungspflichtigen Vorhaben dennoch frei, von sich aus ein anlagenrechtliches Genehmigungsverfahren zu beantragen. – Aber von dieser versäumten Gelegenheit einer echten Reform zurück zur Vorlage. Die im § 76 Gewerbeordnung eingeführte Typenzulassung ist gut gemeint. Sie wird jedoch kaum Bedeutung erlangen, weil die Praxis die Anforderungen an die Typisierung zumeist nicht erfüllen kann. Besser wäre es gewesen, in generalisierter Form typisierte Anlagen vorzusehen, bei denen dann die konkrete Prüfung, ob sie dem Stand der Technik entsprechen, entfallen könnte.


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Die Anlagenänderung ist im § 82 Gewerbeordnung zu streng geregelt. Ist doch nicht einzusehen, weshalb die bloße Änderung demselben Procedere unterworfen wird wie die Erstzulassung. Eine neuerliche Genehmigung wäre doch zumindest dann entbehrlich, wenn sich durch die Änderung keine zusätzlichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt ergeben. Sogar die Anlagenschließung gemäß § 83 Gewerbeordnung erhöht noch den Verwaltungsaufwand. Dem in dieser Bestimmung vorgesehenen Feststellungsbescheid müßte nämlich stets ein Ermittlungsverfahren mit Ortsaugenschein und unter Beiziehung von Gutachtern vorangehen.

Nicht zuletzt – damit komme ich zu einem zentralen Punkt der Kritik – muß jedoch die eklatante Wettbewerbsverzerrung zugunsten nichtgewerblicher Tätigkeiten und damit zu Lasten gewerblicher Betriebe kritisch hervorgehoben werden. So ist künftig eine Genehmigung ausschließlich für gewerbliche Betriebsanlagen erforderlich. Im Gegensatz dazu benötigen land- und forstwirtschaftliche Betriebe, freie Berufe wie auch Gemeinden im Rahmen der kommunalen Wirtschaftsverwaltung – man denke an Heizkraftwerke, Müllverbrennungsanlagen oder Deponien! – keine Betriebsanlagengenehmigung. (Bundesrat Ing. Penz: Das stimmt ja nicht!) Doch keine gewerbebehördliche! Über dieses Mißverhältnis in den ökonomischen Rahmenbedingungen hinaus ist darin wohl zugleich eine Verletzung des verfassungsgesetzlichen Gleichheitssatzes zu erblicken.

Um nochmals auf die Neugestaltung des Anlagengenehmigungsverfahrens zurückzukommen: Gewiß ist es an sich zu begrüßen, daß in Zukunft alle auf Betriebsanlagen bezogenen bundesgesetzlichen Verfahren bei der Gewerbebehörde konzentriert werden. Diese hat dann in einem einzigen Verfahren über alle erforderlichen Genehmigungen zu befinden. Ob sie allerdings trotz Beiziehung von Sachverständigen über ausreichende Fachkompetenz verfügt, sämtliche anlagenrelevanten bundesrechtlichen Normen, sei es des Umweltschutzes, des Arbeitnehmerschutzes, des Wasserrechts, des Forstrechts und dergleichen mehr, sachgerecht anzuwenden, erscheint mehr als zweifelhaft. Diese Dimensionen werden dann wohl eher unterbelichtet bleiben.

Eine Vereinheitlichung des Anlagenrechts auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene, wie das in den EU-Vorschriften vorgesehen ist, ist nicht geglückt, weil sie verfassungsgesetzlicher Kompetenzverschiebungen bedürfte. Diese waren offenbar bisher nicht erzielbar.

Das wirtschaftspolitische Hauptziel der Reform der Gewerbeordnung, nämlich die Liberalisierung und die Deregulierung – das haben schon mehrere Vorredner heute erwähnt –, ist nur in unzureichendem Ausmaß erreicht worden. Sie hätte im Interesse der optimalen Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe, der qualifizierten Berufsausbildung und der Förderung von Flexibilität und Mobilität vielmehr so weit gehen müssen, als dies mit dem Arbeitnehmerschutz, dem Konsumentenschutz und dem fairen Wettbewerb vereinbar ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Berufsständische Interessen setzten sich aber offenkundig einmal mehr so stark durch, daß die Regierungsvorlage auf halbem Wege stehenbleiben mußte. Insofern berührt es eigentümlich, wenn Abgeordneter Schwarzböck meinte, mit dem Beschluß des Wirtschaftsausschusses des Nationalrates werde den großen Veränderungen infolge Integration und Globalisierung Rechnung getragen, ohne die positiven Ergebnisse der österreichischen Realverfassung aufzugeben.

In Wahrheit ging es im Fall der Gewerbeordnungsnovelle 1997 nicht einmal um einen bloßen Kompromiß innerhalb der mit der sogenannten Realverfassung verschämt umschriebenen Sozialpartnerschaft, vielmehr mußten die Gegensätze einerseits zwischen der Industriellenvereinigung und den Vertretungen des mittelständischen Gewerbes und andererseits zwischen den Repräsentanten der gewerblichen Wirtschaft und jener der Land- und Forstwirtschaft, insbesondere in bezug auf die Frage der landwirtschaftlichen Nebengewerbe, mühsam genug ausgeglichen werden. (Bundesrat Ing. Penz: Na ist das etwas Schlechtes?)

Ja, aus folgendem Grund: All das hat keineswegs zu einem ausgereiften Konzept beigetragen, dessen es bedurft hätte, um den Zugang zum Gewerbe nach allgemein formulierbaren, ökonomisch vernünftigen Grundsätzen neu zu regeln. Das zeigt sich deutlich bei der Schaffung von integrierten Gewerben und der Einführung von Teilgewerben mit erleichtertem Zugang. Denn


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gerade bei diesen höchst begrüßenswerten Neuerungen hat die Gesetzesverfasser offenbar allzufrüh die Angst vor dem eigenen Mut ergriffen. Versäumt wurde insbesondere der kraftvolle Ausbau der sogenannten verwandten Gewerbe, die bisher nur im Ansatz verwirklicht sind. Darüber tröstet auch die neue Kategorie des verbundenen Gewerbes nicht hinweg.

Alles in allem trägt auch die Gewerbeordnungsnovelle 1997 noch immer allzu sehr die Handschrift von Interessenvertretern, die primär dem Schutz vor unerwünschter Konkurrenz verhaftet sind. Daran vermag auch die selbstbewußte Etikettierung als grundlegende Reform im Zeichen von Liberalisierung und Deregulierung nichts zu ändern. (Bundesrat Dr. Kaufmann: Und was sagen Sie den Steuerberatern, Kollege?) – Ich bin nicht ihr Vertreter!

Eben deshalb, weil diese Ziele nur halbherzig angestrebt und daher auch nicht ausreichend verwirklicht worden sind, können wir diesem Flickwerk der Sozialpartner, die sich damit einmal mehr als Hüter "geschützter Werkstätten" erwiesen haben, nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.17

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Jaud. – Bitte.

18.17

Bundesrat Gottfried Jaud (ÖVP, Tirol): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Hoher Bundesrat! Meine Damen und Herren! Herr Professor Böhm! Ich erspare es mir, auf Ihre Paragraphenreiterei in irgendeiner Form einzugehen. Das, wie Sie die Ausführungen hier brachten, erinnerte mich an junge Kätzchen, die wir derzeit zu Hause haben, die immer versuchen, sich in den Schwanz zu beißen und dabei ständig im Kreis herumlaufen.

Sie glauben, auf der einen Seite einer Deregulierung das Wort sprechen zu müssen, und führen auf der anderen Seite x Paragraphen an, die in dieser Gewerbeordnung nicht erfüllt sind. Glauben Sie mir, so geht das nicht! Wir in der Wirtschaft brauchen eine Vereinfachung der Gesetzeslandschaft. (Bundesrat Dr. Tremmel: Nichts anderes hat er gesagt! – Bundesrat Waldhäusl: Das hat er ja gesagt!)

Österreich, so heißt es, braucht mehr Selbständige, braucht mehr freie Unternehmer. Der Anteil der Selbständigen mit zirka 6 Prozent ist in Österreich viel zu gering. Mit dieser Reform der Gewerbeordnung ist ein erster Schritt und zugegebenermaßen ein sehr bedeutender Schritt in die richtige Richtung gesetzt worden. Mehr Österreicher sollen damit in die Selbständigkeit gebracht werden.

Wer allerdings glaubt, daß sich mit einer Reform der Gewerbeordnung und mit einer Vereinfachung des gewerblichen Betriebsanlagenrechtes der Anteil der Selbständigen in Österreich wesentlich erhöhen wird, der ist auf dem Holzweg. Mit diesen Reformschritten sind nur die Türen zur Selbständigkeit, die verriegelt oder teilweise eingerostet waren, geölt worden, damit sie sich leichter öffnen lassen.

Solange die Gesamtbelastung der Unternehmer in einem so krassen Mißverhältnis zur Sicherheit seiner Partner, sprich seiner Mitarbeiter, steht, wird es schwer sein, jungen Menschen den Weg in die Selbständigkeit schmackhaft zu machen. Wenn ihnen in der Unselbständigkeit ein angenehmer Arbeitsplatz, hohes Einkommen und Absicherungen nach allen Richtungen geboten werden, wären sie ja dumm, würden sie die Risikolaufbahn eines Unternehmers einschlagen.

Mit der Möglichkeit von Teilgewerben wird ein Weg beschritten, der in der Zukunft noch weiter ausgebaut werden muß. Sie, Herr Minister, haben in Ihrer Rede angekündigt, diesen Weg zu beschreiten. Ich glaube, er ist richtig. Bleiben Sie dabei!

Leider ist es nicht gelungen, daß für kleinere Betriebe die Meisterprüfung als Grundlage für die Gewerbegenehmigung generell entfällt. Ich verstehe, daß es dabei vor allem um die Ausbildung der Lehrlinge geht. Für die praktische Ausbildung des Unternehmers ist nach meiner Auffassung die Facharbeiterausbildung mit einer entsprechenden Praxis völlig ausreichend.


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Für die Selbständigkeit in Handwerksberufen ist jedoch die kaufmännische Ausbildung sowie die Ausbildung zur Unternehmensführung mindestens genauso wichtig, wenn nicht wichtiger, als die praktische Ausbildung. Diese Kenntnisse werden aber bei der Meisterprüfung kaum oder zuwenig gefordert. Damit Betriebe im immer härter werdenden Konkurrenzkampf bestehen können, sind kaufmännische Kontrolle und Betriebsführungsfähigkeiten von besonderer Bedeutung.

Die Verfahrenskonzentration im gewerblichen Betriebsanlagenrecht ist nicht nur für die Neugründung von Betrieben, sondern auch für Betriebsübergaben oder Betriebserweiterungen von besonderer Bedeutung.

Nicht wenige Investitionen von Betrieben wurden nicht oder nicht in Österreich getätigt, weil die Genehmigungsverfahren in der Vergangenheit zu kompliziert, zu umfangreich und zu langwierig waren. Dies hat sich seit der Diskussion um die Neuordnung der Genehmigungsverfahren, wie der Herr Minister gesagt hat, drastisch verbessert. In diesem Zusammenhang freuen mich die Ausführungen des Herrn Ministers, daß Österreich in Amerika als Investitionsstandort Nummer eins oder zwei gilt.

Ein exzessives Beispiel für die Langwierigkeit von Genehmigungsverfahren ist das UVP-Gesetz. Nach Meinung der Wirtschaftskammer in Österreich ist dieses Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung aus wirtschaftspolitischer Sicht nicht mehr haltbar. Obwohl dieses Gesetz bereits drei Jahre in Kraft ist, gibt es für industrielle Projekte keinen einzigen Genehmigungsantrag. Neue Betriebsanlagen werden nach Auskunft der Wirtschaftskammer nur noch unterhalb der Schwellenwerte der UVP-Pflicht, im Ausland oder gar nicht errichtet. Nach Schätzung der Wirtschaftskammer verliert Österreich aufgrund dieses UVP-Gesetzes Investitionen im Ausmaß von bis zu 15 Milliarden Schilling.

Meine Damen und Herren! Das ist eine ganz beträchtliche Investitionssumme. Sie bedeutet praktisch den Verlust von 15 000 Arbeitsplätzen im Jahr.

Wir haben hier im Parlament dieses Gesetz beschlossen. Und da frage ich mich: Wozu sind wir eigentlich da? – Angesichts solcher Gesetzesfehltritte, welche der Wirtschaftsentwicklung in unserem Lande großen Schaden zufügen, frage ich mich: Ist es unsere Aufgabe, die Gesetze im Interesse der österreichischen Bevölkerung zu beschließen, oder machen wir die Gesetze, damit einige professionelle Unruhestifter und Medien zufriedengestellt werden?

Wenn das UVP-Gesetz nicht anwendbar ist, dann, meine Damen und Herren, sollten wir es – oder Teile davon – lieber heute als morgen außer Kraft setzen, bevor noch mehr Schaden angerichtet wird. Ich für meine Person möchte dies hier sagen und möchte auch die Damen und Herren, die noch hier sind, dazu anregen, dies auch weiterzusagen, damit auf diesem Gebiet etwas geschieht.

Lassen Sie mich abschließend feststellen: Von vielen Abgeordneten und Wirtschaftsfachleuten wird für Österreich eine Vereinfachung der Gesetzeslandschaft gefordert. Mit der neuen Gewerbeordnung ist dem Wirtschaftsminister ein bedeutender Schritt in diese Richtung gelungen. Ein Boom in Richtung selbständiges Unternehmertum wird deshalb aber nicht einsetzen. Wenn den jungen Menschen der Weg in die Selbständigkeit schmackhaft gemacht werden soll, dann sind noch viele, schon lange anstehende Reformen, wie etwa in der Lohnverrechnung, in der Sozialversicherung und im Steuerrecht, notwendig.

Der Wirtschaftsminister hat die dramatischen Veränderungen in der Wirtschaft rasch erkannt und gehandelt. Ihnen sei Dank dafür gesagt, Herr Minister! Es war ja nicht einfach, wir haben das Ganze beobachtet. Hoffentlich erkennen die Verantwortlichen in anderen Ministerien wie im Sozial- und im Finanzministerium die Notwendigkeit, gesetzliche Vorschriften den veränderten Wirtschaftsbedingungen anzupassen.

Meine Damen und Herren! Die Wirtschaft reagiert sehr sensibel auf psychologische Rahmenbedingungen. Wenn wir negativen Samen ausstreuen, werden wir eine negative Wirtschaftsent


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wicklung ernten. Das richtet sich auch an die Adresse der Wirtschaft – und vielleicht ganz besonders an die Adresse der Wirtschaft.

Lassen Sie uns, wie der Herr Wirtschaftsminister eindringlich einmahnte, am positiven Wirtschaftsklima arbeiten! Wir haben allen Grund, auf die Entwicklung unseres Landes stolz zu sein. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.26

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mautner Markhof. – Bitte.

18.26

Bundesrat Dr. h. c. Manfred Mautner Markhof (ÖVP, Wien): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Auch ich möchte einige Gedanken zur Gewerberechtsnovelle 1997 beitragen – einem Reformwerk, das in meinen Augen zu jenen Agenden zählt, die im Hinblick auf den Wirtschaftsstandort Österreich von ganz besonderer Wichtigkeit sind.

Meine Damen und Herren! Angesichts der geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen war es ein Gebot der Stunde, die Gewerbeordnung im Sinne von mehr Wettbewerb, weniger Bürokratie und einer Verwaltungsvereinfachung zu durchforsten und zu verbessern. Es gab rund um die Novelle, wie wir es auch gerade gehört haben, gewisse kritische Stimmen. Man kann es natürlich bei so etwas nicht jedem 100prozentig recht machen. Aber dazu möchte ich doch festhalten, daß in Anbetracht der höchst unterschiedlichen Interessen, die von dieser Gesetzesmaterie berührt werden, die vorliegende Novelle als ein durchaus gelungener Kompromiß zu bezeichnen ist, wobei ich bitte, das Wort "Kompromiß" nicht als kleinsten gemeinsamen Nenner zu interpretieren.

Ich möchte die Stoßrichtung der Novelle anhand einer kleinen Aufzählung zeigen, die unschwer die positiven Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort Österreich erahnen läßt:

Reduzierung der Zahl der Gewerbe – von bisher 800 im Gewerberegister eingetragenen Berufen sind künftig nur noch 84 Berufe geregelt, das wurde heute schon angesprochen –, Schaffung sogenannter verbundener Gewerbe, Erleichterung des Zugangs zum Gewerbe, Ausbau der Berechtigung zu fachübergreifenden Leistungen und vor allem Maßnahmen zur Verwaltungsentlastung und Entbürokratisierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der angespannten Arbeitsmarktsituation ist jede Lockerung des Zugangs zum Unternehmertum eine absolute Notwendigkeit. Wir wissen aus vielen einschlägigen Untersuchungen, daß es die kleinen und mittleren Unternehmungen sind, die zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Und wir wissen leider auch, daß die Quote der Selbständigen in Österreich im Vergleich zu anderen Industriestaaten doch sehr zu wünschen übrig läßt. Dafür – und auch das ist kein Geheimnis – haben wir innerhalb der EU eine der höchsten Quoten an Beamten. Daß dieser Zustand auf Dauer nicht haltbar ist, weil nicht finanzierbar, ist einleuchtend. Die mit vorliegender Novelle gesetzten Maßnahmen sind daher ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.

Allerdings – auch darüber, meine sehr geehrten Damen und Herren, müssen wir uns im klaren sein –: Um dem Wirtschaftsstandort Österreich im globalen Wettbewerb eine hohe Attraktivität zu verleihen, bedarf es noch einer Reihe von Entscheidungen, vor allem was die Anpassung an die geänderten Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft betrifft. Wir haben in Österreich – das muß deutlich gesagt werden – viele Jahre über unsere Verhältnisse gelebt. Nichts anderes, meine Damen und Herren, drücken die Zahlen unseres Budgetdefizits und unserer Staatsschulden aus, womit wir in Europa beileibe nicht die einzigen sind.

Ich kann nur davor warnen, derzeit in Gang gesetzte Sparmaßnahmen dem Euro, als der geplanten Europäischen Währungsunion, in die Schuhe zu schieben, um es salopp auszudrücken.

Wenn wir im Rahmen einer globalen Wirtschaft auf Dauer bestehen wollen, dann gibt es keine Alternative zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung, um wieder zu einer Kurskorrektur zu ge


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langen. Auch ohne geplanter Währungsunion, von deren Inkrafttreten zum geplanten Zeitpunkt ich vor allem nach dem EU-Gipfel in Amsterdam voll überzeugt bin, müßten wir genau dieselben Maßnahmen und Entscheidungen treffen. Der Euro wird die EU und damit auch Österreich im globalen Wettbewerb stärken.

Vor kurzem hat der ehemalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher bei einem Vortrag in Wien betont, daß die Antwort der EU auf den Prozeß der Globalisierung nur im entschlossenen Vorantreiben der Vertiefung der EU und insbesondere der Wirtschafts- und Währungsunion und in der EU-Erweiterung liegen könne.

Bevor ich aber auf den nächsten Punkt zu sprechen komme, möchte ich vorausschicken, daß ich mich voll zur sozialen Marktwirtschaft bekenne. Das heißt, ich bekenne mich dazu, Menschen, die unserer Hilfe bedürfen, diese Hilfe auch zukommen zu lassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Das heißt aber nicht, daß ich den Blick davor verschließe, unser Sozialsystem einer notwendigen Korrektur zu unterziehen. Mir ist schon bewußt, daß man Maßnahmen anderer Staaten nicht 1 : 1 auf unser System übertragen kann, aber gewisse richtige Weichenstellungen anderer Staaten sollten durchaus auch bei uns einer genauen Betrachtung unterzogen werden. Ich denke an dieser Stelle zum Beispiel an die Niederlande, die gezeigt haben, daß ein Umbau des Sozialstaates nicht dessen Demontage bedeuten muß, sondern ganz im Gegenteil: Mittels beherzter Reformen ist es dort gelungen, die Arbeitslosigkeit fast zu halbieren, die Lohnkosten zu vermindern und die Eigenverantwortung der Menschen zu steigern, ohne dabei den schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft die notwendige Unterstützung zu versagen.

Beachtenswerte Beispiele für gelungene Reformschritte gibt es durchaus auch in Irland oder in Neuseeland. Es hat zwar jedes Land andere Voraussetzungen, aber im Kern haben alle Maßnahmen, die dort getätigt wurden, ein Ziel: die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Kontext.

Meine Damen und Herren! Genau dieses Ziel dürfen wir auch in Österreich nicht aus den Augen verlieren. Das bedeutet sicherlich in vielen Bereichen ein Umdenken und eine Abkehr von althergebrachten Handlungsweisen, die sich mittlerweile als hinderlich und hemmend für eine erfolgreiche Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen erweisen. Unternehmer braucht das Land. Um in Österreich eine Gründungswelle in Gang zu setzen, bedarf es unbedingt des Abbaus überflüssiger Hürden. Die in Österreich zweifellos vorhandene Kreativität, der Erfinderreichtum und die gute Ausbildung müssen stärker im Aufbau einer selbständigen Existenz münden. In diesem Sinne sehe ich auch die vorliegende Gewerberechtsnovelle 1997, die zweifellos ein Beitrag dazu ist, weshalb auch meine Parteifreunde und ich dagegen selbstverständlich keinen Einspruch erheben werden. (Beifall bei der ÖVP.)

18.32

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

18.32

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Ich bin mehrfach angesprochen worden und möchte daher nochmals ganz kurz einige Positionen präzisieren.

Es wurde gesagt, wir werden in den nächsten Jahren einen dramatischen Druck in die Selbständigkeit haben. Ich weiß, daß es in einem Ministerium jeden Tag Arbeit gäbe, und wir trotzdem Dutzenden jungen Leuten mit höchsten Qualifikationen sagen müssen: Aufnahmesperre, keine Chance. Daher stellt sich die Frage der Selbständigkeit erstmals in einer unglaublichen Dichte, und es ist mir als Wirtschaftsminister wichtiger, daß wir über das Unternehmersparen als über das Bausparen reden. Nichts gegen das Bausparen – aber ist Ihnen schon einmal psychologisch aufgefallen, daß wir uns in Österreich möglichst früh mit einem Spargedanken auseinandersetzen, der uns an einen Ort, an betonierte vier Räume bindet und uns dann teilweise an der Mobilität hindert? Wir sollten über Sparformen reden, die uns Mobilität im Beruf ermöglichen. Ich


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sage das nochmals, weil wir in den nächsten Wochen intensiv über diesen Bereich diskutieren werden, und wir sollten uns darauf vorbereiten, daß wir mehr Mobilität brauchen.

Ich bin im Augenblick ganz begeistert von dem, was ich jetzt bei Diskussionen etwa in Fachhochschulen erlebe. Die jungen Absolventen – ich nehme jetzt zum Beispiel das Burgenland her – mit 20, 21 Jahren können eine Nachbarschaftssprache haben, ein halbes Jahr im Ausland gearbeitet und noch kein Haus und haben den Willen, ein paar Jahre im Ausland für die boomende österreichische Exportwirtschaft zu arbeiten. Ich glaube, daß das die wirkliche Herausforderung ist: den Weg in die Selbständigkeit ermöglichen, ihm eine neue Selbständigkeit ermöglichen. Es kann nicht jeder in die paar etablierten, bekannten Berufe, in die wir in der Lehrlingsausbildung – darüber reden wir heute noch – zu viel "hineinpulsieren", gehen, weil wir nicht so viele Friseure und kaufmännische Angestellte brauchen, wie wir im Augenblick haben.

Ein letzter Punkt zur generellen Bemerkung: Eine der wichtigsten Sicherung kleiner und mittlerer Betriebe ist auch die Sicherung kaufkräftiger Nachfrage. Ich kann nur wiederholen, was ich hier in diesem Kreis schon vor langem gesagt habe: Ich mag das amerikanische Modell nicht, in dem das untere Drittel der Bevölkerung seit Jahrzehnten sinkende Einkommen hat. Das kann nicht die Lösung sein. Wir müssen eine Lösung zusammenbringen, bei der die Nachfrage auch in den entlegensten ländlichen und Berggebieten hoch genug ist, um eine Infrastruktur an Betrieben zu ermöglichen. Daher sollten wir uns dazu bekennen.

Und wer heute einen Durchschittsgewerbetreibenden – ich möchte Herrn Bundesrat Böhm nicht zu nahe treten – als geschützte Werkstätte bezeichnet, dem kann ich nur widersprechen. Ich stimme bei den Bestattern zu und bei einer Reihe von freien Berufen, zugegeben, aber nicht bei den Gewerbetreibenden. Jeder Tischler, den ich heute irgendwo besuche, ist gut ausgelastet, aber bei jeder Ausschreibung bewerben sich 30 Leute. Ich kann Ihnen nur aus meinem Bereich, aus der Bundesgebäudeverwaltung sagen, für jeden kleinsten Auftrag haben Sie heute bis zu hundert Einreichungen. Das heißt, das riecht nach Wettbewerb. Daher sollten wir den Begriff "geschützte Werkstätte" nicht stehenlassen.

Nächster Punkt: die Frage der Globalisierung. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.) Meine Damen und Herren des Bundesrates! Das Wort "Globalisierung" wird vor allem von jenen ständig im Mund geführt, deren nächster Kunde 20 Kilometer weit weg ist. (Bundesrat Dr. Schambeck: Völlig richtig!) Die Großen spielen nämlich die Globalisierung. Sie müssen sie auch spielen. Sie nutzen sie, aber die kleinen fürchten sich vor der Globalisierung, führen sie täglich im Mund und machen damit bei den Mitarbeitern und Staatsbürgern einen Begriff zur Hölle, der für einen Staat wie uns unerträglich positiv sein müßte.

Meine Damen und Herren! Ohne Globalisierung, die bedeutet, daß zwei Drittel der Weltwirtschaft im Wachstum sind und für unsere Exportwirtschaft Märkte schaffen, könnten wir unseren Wohlstand längerfristig sicher nicht halten, weil wir im Binnenmarkt Sättigung haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich möchte nicht dozieren, aber manchmal tut es mir weh, wenn ich in eine Innungsmeisterversammlung komme und alle über die Globalisierung so herziehen. Das einzige, was sie an der Globalisierung merken, ist ihre Urlaubsreise nach Thailand. – Ich höre jetzt auf zu stänkern, ich sollte das nicht tun.

Zum Teilgewerbe bin ich mehrfach gefragt worden. Meine Damen und Herren! Das Teilgewerbe – ich habe das in meiner vorigen Wortmeldung schon gesagt – ist eigentlich der typische Fall für den Kleingründer. Ich kann mir als Ökonom gar nicht vorstellen, daß das Teilgewerbe eine typische Drei-, Vier-, Fünferpartie sein wird, sondern das Teilgewerbe wird in einem Ein-, maximal Zwei-, Dreimannbetrieb enden. Es hat diesbezüglich große Sorgen gegeben. Es gibt große Widerstände, ich sage das ganz offen, weil Sie diese Information wahrscheinlich noch nicht haben werden. Den größten Einwand gegen das Teilgewerbe gab es bei den bestehenden Betrieben auch hinsichtlich der Zahl der Mitarbeiter: Da rennt mir jetzt der Geselle mit einer oder zwei Partien davon. Und die Befürchtung der Arbeitnehmerseite war: Das werden genau die Betriebe sein, von denen keiner bei der Gewerkschaft ist, keiner mehr einen Kollektivvertrag ein


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hält und alles so nebenbei mitrennen läßt. Daher waren die Fünf ein Kompromiß, um eine Mehrheit zustande zu bringen, die das durch den Ministerrat und auch durch das Parlament gebracht hat. Es wird nicht die Bedeutung haben, die wir uns erwarten. Wichtiger war es – das wird später festgehalten –, daß für diesen Bereich keine Lehrlingsausbildung vorgesehen ist, weil das zu einem "Totalfrustermeister" geführt hätte, und die Rache hätte geheißen: keine weiteren Aufnahmen.

Zu den Kostenersparnissen: Sie kennen die geschätzte Einsparung allein aus der später noch zu behandelnden Wasserrechtsnovelle hinsichtlich der Zusammenlegung von Verfahren in Instanzen. Ich getraue mich die Kosteneinsparung nicht zu quantifizieren. Wenn ich mir aber vor Augen führe, wie viele Verwaltungsbeamte sich bei mir über künftig entfallende Zulagen bei Verfahren und Außendiensten beschweren, weil bei uns in etwa zu 40 Prozent das vereinfachte Verfahren anwendbar ist, dann sehe ich Kostenschätzungen, Kosteneinsparungen voraus, die ich in Milliardenhöhe schätzen würde, aber traue sie mich im Augenblick nicht zu quantifizieren, weil es jetzt schon eine Beschleunigung gegeben hat.

Nächster Punkt: Die Ausschußbemerkungen wurden von der FPÖ kritisiert. Meine Damen und Herren! Das ist relativ erstaunlich. Es hat aus allen Parteien fantastische Experten in den Ausschußberatungen gegeben. Von Abgeordneten aller Parteien, die ich vorher mehrmals befragt habe, ob wir uns auf ministerieller Ebene mit den Klubwünschen auseinandersetzen sollten, wurde uns gesagt: Der souveräne Nationalrat läßt sich von der Regierung nicht einbinden. Es hat in einigen Punkten Nachverhandlungen gegeben und Präzisierungen aufgrund der Expertendiskussionen im Ausschuß. Ich kann dazu nur sagen, das ist eine meiner positivsten Erfahrung mit dem parlamentarischen Leben. Das ist doch viel angenehmer, als wenn das wie eine Abstimmungsmaschinerie über die Bühne geht. Es hat auch aus meiner Sicht Verbesserungen gegeben, über die wir uns auf Parteienebene vor der Regierungsvorlage noch nicht einigen konnten.

Eine letzte Bemerkung, und da bitte ich vor allem die kritischen Abgeordneten der FPÖ um Verständnis: Man kann nicht auf der einen Seite über zuviel Bürokratie klagen, und auf der anderen Seite dann über Vollzugsdefizite und zu wenig Nachprüfungen klagen. Das, was mir jetzt in meiner Tätigkeit als Minister täglich aufstößt, ist, wenn in einer BH ein Beamter in Pension geht, ein neuer übernimmt und sich plötzlich völlig andere Lagervorschriften für Öl, für Tanks und ähnliches vornimmt. Das macht die großen Zores in den Betrieben aus. Wir sollten die Nachprüfung nicht unbedingt nachmolestieren, wie wir es zum Teil von anderen Bereichen des Behördenverfahrens kennen. Wir sollten auch sehen, daß wir ein unglaubliches Problem mit den Nachbarrechten hatten. Ich wollte viel weniger Nachbarrechte in meinem Entwurf haben, das gebe ich gerne zu.

Der Ausschuß und die Abgeordneten waren der Meinung: Nein, die Rechte der Nachbarn müssen gesichert sein. Es wurde nur zwischen Altnachbarn und neuzugezogenen Nachbarn differenziert. Das macht Sinn, denn ich glaube, daß, jemand, der weiß, wenn er sich in einer Gegend niederläßt, daß dort Schottergruben sind, das auch zur Kenntnis nimmt. Wenn er sich aber wissend, daß eine Schottergrube da ist, daneben ein Grundstück kauft, darauf baut und dann beeinsprucht, dann kann das nicht gehen.

Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Die Kunst des Möglichen braucht gerade in einem Bereich, in dem es darum geht, wer im Wettbewerb überlebt, wer wettbewerbbefähigt wird, wieviel Neues etwas verträgt, eine Vision. Die Vision heißt: etwas weniger Bürokratie im Anlagenrecht, viel mehr freie Berufe, im Gewerbe etwa 80 : 800. Und außerdem müssen wir noch mehr Klein- und Mittelbetriebe dazu bringen, sich im europäischen Binnenmarkt zu bewähren, über die Grenze zu arbeiten, denn das sind allein unsere Märkte, mit denen wir vor allem bei den Kleinen expandieren können. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

18.41

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.


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Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

11. Punkt

Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1995 (III-163/BR und 5473/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tagesordnung: Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1995.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Bericht des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Lage der Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich 1995 liegt in schriftlicher Form vor, sodaß ich nur mehr den Antrag zu verlesen habe.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Helena Ramsbacher. Ich erteile es ihr.

18.43

Bundesrätin Helena Ramsbacher (Freiheitliche, Kärnten): Sehr verehrter Herr Bundesminister! Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute, am 26. Juni 1997, wird nun auch im Bundesrat der Tourismusbericht 1995 diskutiert. Dies ist maximal ein Blick in die Vergangenheit, doch beileibe keine aktuelle Erfassung der fremdenverkehrswirtschaftlichen Gegenwartssituation und schon gar kein Blick in die Zukunft. Es sollte meiner Meinung nach auch einmal über die Maßeinheiten der Nächtigungen in den Statistiken nachgedacht werden. Das wahre Ausmaß des Tourismusdramas liegt nämlich in einer tatsächlichen und völlig neuen Maßeinheit, nämlich der durchschnittlichen Umsatzzahlen pro Nächtigung.

Leider sind nicht nur die Nächtigungszahlen allein zurückgegangen, sondern in alarmierender Form sind auch und vor allem die Erträge pro Nächtigung zurückgegangen, und dies bei ständig steigenden Kosten, wie den Kanalgebühren, den Strom-, Wasser-, Lohnnebenkosten und dergleichen mehr. Ich selbst komme auch aus der Tourismusbranche. Meine Eltern haben ein Vier-Sterne-Hotel am Katschberg in Kärnten, und wir gehören noch zu den Betrieben, die Gott sei Dank eine Sommer- und eine Wintersaison haben.

Wenn ich jetzt die aktuellen Zahlen mit den Zahlen des Tourismusberichts 1994/95 vergleiche, dann muß ich sagen, es schaut jetzt noch wesentlich dramatischer aus. Im Winter 1994 konnten in einem Vier-Sterne-Hotel im Durchschnitt pro Nächtigung noch zirka 1 050 S erlöst werden, im Sommer 1994 noch ein durchschnittlicher Nächtigungserlös von 750 S. Das war 1994. Jetzt, im Jahre 1997, können wir durchschnittlich im Winter nur mehr 890 S erwirtschaften, und im


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Sommer – wir haben es schon vorausgerechnet für unsere Betriebe am Katschberg – sind es sage und schreibe nur mehr 350 S bis 390 S – einberechnet natürlich alle Aktionen wie "Kinder gratis" und dergleichen mehr, da man sonst nichts mehr verkaufen kann. – All das bei sinkenden Erträgen und zusätzlich sinkenden Nächtigungen.

Saisonverkürzungen finden statt, und es gibt keine Saisonverlängerungen wie geplant. 1994 konnten wir mit unserem Betrieb noch 220 Vollbelegungstage im Jahr erreichen. Das war in diesen Zeiten normal. Speziell die Wintersaison war noch ein Thema. Es gab keinen Tag, an dem es ein freies Zimmer in unseren Betrieben am Katschberg gegeben hätte. Nun ist es so, daß selbst die Wintersaison nicht mehr funktioniert. Die Wintersaison dauert sage und schreibe vom 26. 12. bis Ende Februar. Ostern ist so gut wie überhaupt nicht mehr verkaufbar und wenn, dann nur mehr mit Billigaktionen eben über den Preis. Es geht auch noch mit Aktionen wie gratis Schifahren, gratis Kinder; was immer gratis ist, schmälert leider unsere Erträge. (Bundesrat Prähauser: Die Schneeverhältnisse!) Die Schneeverhältnisse sind sicher auch nicht kalkulierbar, das ist auch ein Drama für uns.

Dann kommt noch etwas dazu: Schifahren ist leider nicht mehr in. Schifahren ist bei den Jungen, vor allem bei der deutschen Bevölkerung, aber auch bei der einheimischen österreichischen nicht mehr modern, das Snowboarden geht noch einigermaßen. Wie gesagt: Urlaub, auch Winterurlaub, ist nur mehr in einer bestimmten Preiskategorie verkaufbar. In unserer Region hat es zum Beispiel 1994 noch neun Hotelbetriebe der Vier-Stern-Kategorie gegeben, die im Sommer am Berg – das ist in 1 600 Meter Seehöhe – Mai, Juni, Juli, August, September, Oktober, also fünf Monate, geöffnet hatten. Die Betriebe in Bestausstattung und mit toller Infrastruktur beschäftigten viele Mitarbeiter, waren gut ausgebucht. Ansonsten gibt es in unserer Region so gut wie überhaupt keine Wertschöpfung, außer diesen Tourismus.

Was weiterhin viel zuwenig bedacht wird, ist die ganze Umfeldwirtschaft des Tourismus. Vom Bäcker über den Baumeister, über die Boutique, die Schischulen, Tennisschulen, Friseure, bis zum Apotheker und so weiter hängen alle irgendwie damit zusammen. Im Sommer 1997 ist es so: Unser Bäcker hat einen 50prozentigen Rückgang, von den neuen Hotelbetrieben ist der Robinson-Club bereits im Sommer mit 400 Betten stillgelegt, drei weitere Hotels haben geschlossen, sind entweder insolvent, oder es ist betriebswirtschaftlich nicht mehr möglich, sie geöffnet zu halten. Vier Restaurants und zwei Boutiquen sind ebenfalls geschlossen. – All das in einem Zeitraum von zwei Jahren!

Ich möchte noch das aktuelle Szenario erläutern: Katschberg in Kärnten, Grenze zwischen Kärnten und Salzburg, Sommer- und Wintersportregion. Die Folgeerscheinung ist: Der Fleischer im Ort hat zugesperrt, der Bäcker hat, wie gesagt, einen 50prozentigen Umsatzrückgang, die Bauarbeiter der umliegenden Baufirmen stempeln bereits, und wir beschäftigen insgesamt 50 Prozent – 50 Prozent! – weniger Mitarbeiter als vor drei Jahren. – Dies allerdings nicht nur in unserem eigenen Betrieb.

Das Ganze hat natürlich eine Kettenreaktion zur Folge. Die Mitarbeiter haben nur mehr sechs Monate Arbeit im Jahr. Das heißt, sie bekommen – im Volksmund gesprochen – die Stempelzeiten nicht mehr zusammen, und "Durchanmelden" ist für die Betriebe betriebswirtschaftlich einfach unmöglich. Dazu kommt noch, daß die besten, die qualifiziertesten Mitarbeiter, aus der Branche abwandern. Übrigbleiben die angelernten Kräfte. (Bundesrätin Crepaz: Zahlt besser!) Das hat mit zahlen nichts zu tun! Man könnte sehr wohl zahlen, wenn die Betriebseinnahmen da wären, aber wenn die Hotels nur mehr fünf Monate geöffnet sind, dann ist es leider nicht mehr möglich.

Eine Hoffnungslosigkeit und eine Depression in diesen touristischen Talschaften machen sich breit, und es findet eine Art Stadtflucht statt. Weder die Mitarbeiter noch die Unternehmensnachfolger wollen oder können in diesen Regionen bleiben und wandern in die Städte ab. Aufbruchsstimmung ist kaum zu verspüren. Seinerzeit in touristisch wirtschaftlich guten Zeiten und im Glauben an ein ständig steigendes Wachstum und an größere Gästezahlen sind viele Betriebe viel zu kapitalintensiv und zu teuer gebaut worden. Die Banken, die ich auch nicht ganz aus der


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Schuld lasse – haben viel zu großzügig und viel zu leicht Kredite vergeben, die jetzt natürlich bei sinkenden Erträgen sehr schwer zurückzuzahlen sind.

Jetzt werden die Betriebe alleingelassen, Hilfestellungen von den Banken oder von der öffentlichen Hand gibt es kaum, damit sich diese Betriebe durch diese Zeiten retten können. Sicherlich haben die Touristiker selbst auch jede Menge Fehler gemacht, aber jetzt wären die politischen Entscheidungsträger wirklich gefordert, hier Hilfestellungen zu leisten, damit nicht ganze Talschaften wegsterben. Die Eigenkapitalsituation der Betriebe ist dermaßen schlimm, daß sie teilweise nur mehr Verwaltungsangestellte der Banken sind.

Wenn wir bessere Rahmenbedingungen haben, damit wir im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig sind, und mitmischen können, dann könnte auch wieder die junge Generation die Nachfolge antreten. Wenn ihnen irgendwie geholfen würde, vielleicht sagen sie dann wieder: Man kann die elterlichen Betriebe übernehmen. – Dies ist zurzeit aufgrund des relativ hohen Schuldenstandes und der Ertragssituation unmöglich. Die Zukunftsaussichten müßten einfach positiver dargestellt werden.

Sollten die Betriebe dort alle wegsterben, dann frage ich: Was sollten Regionen wie die unsere oder solche Talschaften dann tatsächlich machen? – Man müßte neue Wirtschaftszweige erfinden oder neue Betriebsstätten bauen, damit die dortige Bevölkerung wieder Arbeit hat. Nach Rücksprache mit Kollegen rund um den Faaker See kann man sagen, 1997 ist wirklich das Katastrophenjahr. Von der Tennisschule bis zum Ferienhotel verzeichnen alle bis zu 50prozentige Rückgänge.

Im innersten bin ich allerdings mehr als nur davon überzeugt, daß die Marke Österreich, das Urlaubsland Österreich Sommer wie Winter eine Chance hat. Deshalb appelliere ich an die zuständigen Politiker, diese Chance zu erkennen und ein positives Marketing zu gestalten, um die Marke Österreich wieder zu bewerben. Von selbst passiert gar nichts. Die Unternehmer selbst müssen offensiv, innovativ und marktgerecht arbeiten. Aber überleben kann die Tourismusbranche die nächsten Jahre nur mit Hilfe der öffentlichen Hand, und zwar mittels Hilfestellung bei den Banken. In diesem Zusammenhang kann ich natürlich die Forderung des Helmut Peter mitunterstreichen, der sagt, wir bräuchten eine eigene Bank, eine Tourismusbank, die die betriebswirtschaftlichen Spezialitäten besser verstehen kann und die hilft, diese Zeit zu überbrücken. Ich glaube, es ist auch eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit, den Tourismus in Österreich am Leben zu erhalten und die notwendigen Rahmenbedingungen innerhalb der EU für einen gesunden Wettbewerb zu ermöglichen.

Herr Bundesminister! Sie sind ein sehr engagierter Minister und in Ihrer bisherigen aktiven Zeit dem Tourismus gegenüber positiv eingestellt. (Beifall bei der ÖVP.) Ich glaube jedoch, in Zeiten wie diesen – Sie haben ein sehr großes und schwieriges Ressort, das viel abverlangt – wäre es vielleicht doch einmal an der Zeit, über ein eigenes Tourismus-Freizeitministerium nachzudenken, denn intensive Krisen fordern meiner Meinung nach ein intensives Gegenarbeiten. – Danke sehr. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.53

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Rauchenberger. Ich erteile es ihm.

18.53

Bundesrat Josef Rauchenberger (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Vorrednerin Kollegin Ramsbacher hat aufgrund sehr vieler praktischer Erfahrungen ein Bild gezeichnet, das ich aus eigenen Kenntnissen bestätigen kann. Es ist tatsächlich in der Tourismusbranche so. Erfreulich an Ihrer Darstellung, Frau Kollegin, war, daß Sie damit sehr stark im Gegensatz zu den Äußerungen im Nationalrat waren, die zu diesem Tourismus- und Freizeitbericht gemacht wurden.

In der Debatte im Nationalrat wurde dieser Bericht – insbesondere von der Opposition – auch zum Anlaß genommen, um bestehende oder vermeintliche Mängel innerhalb des gesamten


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österreichischen Wirtschaftsgefüges als Ursache für den schweren Stand der Tourismus- und Freizeitbranche zu definieren.

So wurden die Mindest-KöSt, der 13. Umsatzsteuertermin, die vermeintlich hohen Lohnnebenkosten als Gründe herangezogen, welche dem Tourismus in Österreich besonders hinderlich seien – auch daß Österreich das einzige Land in Europa mit einer Getränkesteuer oder mit einer Besteuerung von 20 Prozent auf Mineralwasser und Fruchtsäfte sei. Sogar die Öffnungszeiten in der Gastronomie wurden als Beispiel herangezogen, ganz so, als ob es verboten wäre, zum Beispiel am Wochenende, wenn die Ausflügler kommen, den Betrieb geöffnet zu halten. Die Mautgebühren, ja selbst das Sparpaket mußte herhalten, um Fehler der Vergangenheit zu kaschieren.

Erwartungsgemäß wurde in diesem Zusammenhang auch auf die hohen Kosten für die gar so teuren Beschäftigten im Gastgewerbe verwiesen. Es ist mir deshalb ein ganz besonderes persönliches Anliegen, zur Situation der Beschäftigten im Hotel- und Gastgewerbe einige Klarstellungen anzubringen.

Im Jahresdurchschnitt 1996 waren in Österreich rund 142 000 unselbständige Erwerbstätige im Hotel- und Gastgewerbe beschäftigt. Der größte Teil davon, 122 000, sind Arbeiter, rund 20 000 Beschäftigte sind Angestellte. Die aktuelle Statistik im Fremdenverkehrsbereich wies im März dieses Jahres 47 672 vorgemerkte Arbeitslose aus – das deckt sich mit den Äußerungen meiner Vorrednerin –, demgegenüber standen nur 3 114 offene Stellen. Insgesamt waren zu diesem Zeitpunkt auch 35 927 bewilligungspflichtige Ausländer im Fremdenverkehrsbereich beschäftigt.

So unterschiedlich wie die Struktur des Tourismus in den einzelnen Bundesländern sind auch die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Den relativ konstanten Beschäftigungsverhältnissen im Städtetourismus stehen einerseits häufig saisonale Beschäftigungsverhältnisse in Wintersport- oder Sommerurlaubsdestinationen gegenüber, andererseits sind Größe und Struktur der Betriebe in den Bundesländern höchst unterschiedlich.

Trotz immer wieder kolportierter Traumgagen zählt das Hotel- und Gastgewerbe in Österreich zu den Niedriglohnbranchen. Laut jüngster Einkommensstatistik des Hauptverbandes Österreichischer Sozialversicherungsträger lag 1995 das mittlere Einkommen – also Arbeiter und Angestellte, Frauen und Männer – im Beherbergungs- und Gaststättenwesen bei 13 697 S brutto monatlich in einem Topf, das mittlere Einkommen aller Arbeitnehmer jedoch bei 19 431 S. – Das heißt um 5 734 S oder, anders gerechnet, um 42 Prozent höher. Der Mindestlohn liegt derzeit bei 11 440 S brutto monatlich und gilt zum Beispiel für Kellner oder Köche im ersten Gehilfenjahr.

Die Wiedereinführung des 12stündigen Arbeitstages, Verkürzung der Nachtruhezeiten, Verschlechterungen beim Urlaubsrecht – das sind nur einige Forderungen der Wirtschaft als "Lösungsansätze" zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation im Tourismus. Wenn hingegen eine Suppe 95 S kostet, fühlt sich der Gast zu Recht geneppt. Der Kellner wird zu seinem Prellbock, und zu guter Letzt muß er oft noch als Argument für diesen "ordentlich kalkulierten" Preis herhalten. Das sind in der Praxis jene – zum Glück nicht allgemeingültigen – negativen Beispiele, die mit dazu beitragen, daß unser Tourismus rückläufig ist. Unbestritten ist die Tatsache, daß die Zahlen im Tourismus seit dem Jahr 1992 generell rückläufig sind.

Es gibt Ausnahmen: Für Wien ist seit drei Jahren wieder eine positive Entwicklung festzustellen. 1996 hatte Wien mit 7,3 Millionen Nächtigungen das zweitbeste Ergebnis überhaupt. Zum Vergleich: Österreich war 1996 um 14 Prozent vom bisherigen Rekordjahr 1990 entfernt: Wien minus 3 Prozent, die Stadt Salzburg minus 19 Prozent, die Stadt Innsbruck minus 25 Prozent. Die Ursachen mögen zum geringen Teil auch aus einzelnen Komponenten der vorherigen Aufzählung bestehen, somit spiegeln sie jedoch die gesamte schwierige Situation unserer Wirtschaft wider.

Ein wesentlicher Faktor sind sicher die günstigen und somit ständig zunehmenden Flugreisen und die damit verbundene Dynamik. Während unsere Bürger diese Möglichkeit verstärkt nutzen, um ins Ausland zu kommen, ist der gegenteilige Effekt nur teilweise im Städtetourismus fest


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stellbar. Dazu kommt, daß es bisher an einer Doppelstrategie fehlte. Österreich hat einerseits seine Hauptmärkte, das eigene Land und Deutschland, zu bewerben, sträflich vernachlässigt. Andererseits war es aufgrund der gebotenen Kapazitäten auch nicht möglich, große Veranstalter für Buchungen in Österreich zu gewinnen. Welcher internationale Veranstalter nimmt einen Betrieb in sein Programm auf, wenn österreichische Betriebe eine durchschnittliche Bettenanzahl von unter 40 aufweisen.

Natürlich ist auch ein Trend zu qualitätsvollem Angebot feststellbar. Mag. Michael Höferer, der Generaldirektor der Österreich Werbung, hat erst dieser Tage über die Bedeutung des Städtetourismus referiert. Die dabei vorgelegten Wiener Zahlen lassen sich aber auf jede andere Fremdenverkehrsgemeinde umlegen. Demnach lag die Hotelauslastung – wir haben ähnliche Zahlen von Kollegin Ramsbacher aus dem Katschberggebiet gehört – im Vorjahr bei 43,7 Prozent. Ein differenziertes Bild ergibt sich erst bei den einzelnen Hotelkategorien. Die 5- und 4-Sterne-Hotels, in denen 66 Prozent aller Nächtigungen anfallen, hatten einen Zuwachs von 4,9 Prozent, während die 3 Sterne Betriebe einen Rückgang von 4,4 Prozent und die einfachen Häuser ein Minus von 19,5 Prozent aufweisen.

Österreich hat sein Klischee, das muß, wie sich am Beispiel Wien zeigt, nicht immer ein Nachteil sein. Das Klischee für Wien "alt und traditionell" kann aber verstärkt werden.

In Wien geschieht dies durch eine besondere Förderung von Events (Bundesrätin Ramsbacher: Die Steigerung bei den 4-Stern-Betrieben hat es kaum noch gegeben!): Christkindlmärkte, Silvesterpfad, Film-Mozart-Wochen, um nur einige zu nennen. Sowohl einheimische als auch fremde Gäste wollen ein "lebendiges Umfeld".

In Wien wurde dies vor Jahrzehnten städtebaulich eingeleitet durch den U-Bahn-Bau, durch die Schaffung von Fußgängerzonen und in den letzten Jahren durch die bereits erwähnten Events.

Der Besucher unserer Stadt will sie lebendig erleben, er will auch auf der Straße ein Erlebnis. Um es fad zu haben, unternimmt er keine Reisen und gibt kein Geld dafür aus, da bleibt er lieber gleich zu Hause. Gewünscht wird eine schöne, romantische und eine gemütliche Umgebung, aber kein "städtebauliches Museum", wo nichts los ist. Neben diesen Erwartungen bietet Wien seit einigen Jahren in Verbindung mit seinen Events auch kulinarische Genüsse, die den Effekt wesentlich verstärken, daß etwas los ist.

Welche Ansätze ergeben sich dabei für Österreich? – Wir haben uns zu lange auf nichts anderes als auf unsere schöne Landschaft und auf gute Hotels verlassen. Ich behaupte, daß dies in der Vergangenheit zuwenig war und in Zukunft den endgültigen Stillstand im Tourismus bringen würde. Wir sollten daher regionale Ansätze stärken! Es ist nicht einzusehen, warum zum Beispiel Hofgastein, Bad Gastein, Gastein, und ich weiß nicht wer noch, jeder für sich teure Kampagnen im In- und Ausland mit mäßigem Erfolg bestreiten, wenn andererseits "das Gasteinertal" in Kooperation ein weitaus größeres und damit international interessanteres Angebot bieten kann.

Derartige Bestrebungen müssen auch von der Österreich Werbung kräftig unterstützt und die Mittel von den Ländern und dem Bund verstärkt in regionale Verbände kanalisiert werden. Dazu gehören aber auch einheitliche Buchungssysteme in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft. Es wäre tatsächlich ein Schildbürgerstreich, würden wir unsere Wettbewerbssituation auch dadurch zusätzlich verschlechtern, weil wir uns vier unterschiedliche Buchungs- und Reservierungssysteme leisten.

Lassen Sie mich deshalb zum Abschluß noch einmal die relativen Erfolgskomponenten festhalten: ein ausgezeichnetes Hotelangebot, das zu einem großen Teil sehr gut über internationale Reservierungssysteme und Reiseveranstalter angeboten wird; ähnliche Angebote wie in Wien – Rathaus-Film-Festival, Stadt-Silvester, Klangbogen, Osterklang, Mozart in Schönbrunn, Sonderausstellungen und ähnliches –; gute Aufbereitung des Angebotes durch Österreich Werbung, weltweite Werbung nach einem dafür umfassenden Marketingplan.


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Die Anforderungen an die Zukunft sind: eine professionelle Vorbereitung und Durchführung von Jahresschwerpunkten – das kann Olympia sein, das kann Silvester 1999/2000 sein –; das bestehende, eher traditionelle Image weiter anreichern mit jugendlichem und modernem Flair; im Bereich des qualitätsvollen Entertainments gezielte Nischen suchen; schließlich den Besuchern ihren Aufenthalt leicht machen – das heißt, Verkehrsverbünde anbieten, Winter-, Sommerpaß, Service, Freundlichkeit und viele zusätzliche Angebote – und ein professionelles Destinationsmanagement.

Ich hoffe, daß mit der Umsetzung einiger dieser Forderungen ehestens begonnen wird, sodaß wieder mehr ausländische Gäste unser Land aufsuchen. Noch mehr würde ich es begrüßen, wenn bei den fast 5,9 Millionen Auslandsreisen der Österreicher wenigstens ein kleiner Teil der dabei ausgegebenen Summen von insgesamt 55 Milliarden Schilling wieder unserem Land zurückgeführt werden könnte. (Beifall des Bundesrates Dr. Böhm. )

In diesem Sinne nimmt unsere Fraktion dem Tourismus- und Freizeitbericht 1995 zur Kenntnis. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

19.04

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann. Ich erteile es ihm.

19.04

Bundesrat Dr. Kurt Kaufmann (ÖVP, Niederösterreich): Herr Bundesminister! Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich bin Kollegin Ramsbacher sehr dankbar für die Schilderung der wirtschaftlichen Situation des Katschbergs, weil ich selbst die Region auch sehr gut kenne und dort oft zu Gast bin. Ich glaube aber, man sollte den Fremdenverkehr und den Tourismus nicht nur negativ sehen oder sogar krankjammern. Es gibt in diesem Bereich sehr unterschiedliche Zahlen, und wir haben in den letzten Jahren sehr gute Erfolge erreicht. Uns allen ist allerdings klar, daß momentan die wirtschaftliche Situation nicht gerade die beste ist.

Wir diskutieren heute, wenige Tage vor Ferienbeginn – morgen beginnen die Ferien im Osten –, den Fremdenverkehrsbericht 1995 mit Zahlen aus dem Jahr 1994, den sechsten Bericht. Mir ist die Schwäche dieses Berichtes bewußt, aber dieser Bericht bietet trotzdem die Gelegenheit, heute über die Situation des Fremdenverkehrs zu diskutieren. Ich bin dankbar, daß der Herr Bundesminister die Anregungen des Wirtschaftsausschusses im Nationalrat und auch unsere Kritik anläßlich des Mittelstandsberichtes bereits aufgegriffen hat und wir schon in den nächsten Tagen den jüngsten, den neuesten Bericht präsentiert bekommen, das heißt, der Bericht wird rascher zur Verfügung stehen und aktueller sein.

Meine Damen und Herren! Tourismus und Freizeit sind ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in Österreich. 78 000 gewerbliche Fremdenverkehrsbetriebe beschäftigen rund 160 000 Arbeitnehmer in Österreich, von denen 12 000 Lehrlinge sind; ein sehr bedeutender Wirtschaftsfaktor in Österreich, und daher – so glaube ich – ist es ganz wichtig, daß wir uns über die Situation des Fremdenverkehrs unterhalten.

Der Fremdenverkehr schafft Arbeitsplätze, speziell für Jugendliche, in abgelegenen Regionen. Die Österreichische Hotel- und Fremdenverkehrs-Treuhand hat in einer jüngsten Untersuchung festgestellt, daß gerade von der Fremdenverkehrswirtschaft – Kollegin Ramsbacher hat es erwähnt – besondere Impulse für die regionale Bauwirtschaft ausgehen: 54 Prozent der Professionistenleistungen werden im Umkreis von 30 Kilometern vergeben, 80 Prozent innerhalb von 90 Kilometern. Das heißt, gerade der Fremdenverkehr ist ein wichtiger Faktor für die Auslastung der Bauwirtschaft in den Regionen und trägt sowohl zum Einkommensausgleich bei als auch dazu, daß in vielen Regionen die Abwanderung verhindert wird.

Der österreichische Fremdenverkehr hat 1996 148 Milliarden Schilling an Deviseneinnahmen zu verzeichnen gehabt. Er deckt das Warenhandelspassivum leider nur mehr zu 24 Prozent, ein Jahr vorher waren es noch über 33 Prozent. Die Relation der Tourismuseinnahmen zu den Gesamtexporterlösen ist also zurückgegangen.


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Der Anteil des Fremdenverkehrs – wir haben im Ausschuß darüber diskutiert – am Bruttonationalprodukt beträgt, wenn man die Tourismuseinnahmen rechnet, 6,2 Prozent, wenn man den gesamten Umsatz der Freizeitwirtschaft nimmt, rund 13 Prozent.

Meine Damen und Herren! Im internationalen Vergleich liegen wir beim Pro-Kopf-Einkommen mit 18 810 S an der Spitze. Ich glaube, wir können stolz sein auf diese Zahlen und können den Unternehmern und Mitarbeitern, die das erwirtschaftet haben, dankbar sein.

Meine Damen und Herren! Trotzdem gibt der Fremdenverkehr Anlaß zur Sorge. Wir konnten gestern in Zeitungsberichten lesen, daß wir Probleme haben. Das kommt mir so vor wie das Amen im Gebet. Immer genau vor Ferienbeginn werden schlechte Nachrichten prognostiziert; meistens sind es Halbwahrheiten, weil die andere Hälfte, die positiv ist, nicht publiziert wird. Wir haben – bei ungefähr gleichbleibenden Bettenzahlen im Winter von 1 050 000 und im Sommer von ungefähr 1,2 Millionen – seit 1992 – der Kollege hat es vorhin erwähnt – eine rückläufige Tendenz der Nächtigungen. Wir liegen derzeit bei 112 Millionen, von den Inländern 28,7, von den Ausländern 84. Die sinkende Zahl der Nächtigungen bringt auch einen dramatischen Rückgang der Auslastung der Betriebe mit sich. Mitte der siebziger Jahre waren es noch 6,6 Tage, heute sind es 4,6 Tage.

Es ist interessant, daß die höheren Kategorien, also Vier- oder Fünf-Sterne-Hotels, im vergangenen Jahr Zuwachsraten zu verzeichnen hatten, während die Privatzimmervermieter oder Betriebe unter der Drei-Stern-Kategorie einen Rückgang von bis zu 9,5 Prozent gehabt haben. Das heißt, es hat sich gelohnt, daß in den letzten Jahrzehnten auf Qualität gesetzt wurde, es haben sich die hohen Investitionen nicht nur in die Qualität, sondern auch in den Ausbau der Infrastruktur, in den Ausbau der Unterhaltungsmöglichkeiten gelohnt.

Meine Damen und Herren! Laut einer Studie des Institutes für touristische Raumplanung waren gerade im vergangenen Jahr jene Gemeinden Gewinner im Sommertourismus, die ein hohes Qualitätsniveau im Bettenangebot und zugleich auch eine entsprechende Kooperationsdichte gehabt haben. Das heißt, wenn sie zusammengearbeitet haben, wenn sie gemeinsame Packages angeboten haben und wenn Events in diesen Gemeinden stattgefunden haben, dann waren auch entsprechende Erfolge zu verzeichnen.

Meine Damen und Herren! Die Gründe für das Stagnieren des österreichischen Fremdenverkehrs sind vielfältig. Es sind dies die ungünstige Situation bezüglich Währungsparität, gewisse Sättigungstendenzen, der Trend zu Flugreisen, Fernreisen mit verbundenen Kosten- und Lohnvorteilen in Überseeländern und sicherlich auch die Nachfrageproblematik aus Deutschland wegen der sinkenden Einkommen. Ungefähr 67 Prozent unserer Nächtigungszahlen sind noch immer auf Deutschland ausgerichtet. Das heißt, wenn dort die Konjunktur schwächer ist – derzeit gibt es dort Probleme –, wirkt sich das natürlich auf den heimischen Tourismus aus. Besonders in den letzten Tagen wurde der Rückgang des Kurtourismus in Österreich hervorgestrichen, der sicherlich einerseits auf das Sparpaket zurückzuführen ist, aber andererseits auch auf die Konjunktursituation. In manchen Regionen beträgt der Rückgang der Nächtigungen im Kurtourismus bis zu 16 Prozent.

Meine Damen und Herren! Das hat dazu geführt, daß wir heute in der Tourismusbranche eine enorm hohe Verschuldung, und zwar in der Höhe von 121 Milliarden Schilling und einen hohen Fremdkapitalanteil haben. Trotzdem sind Anpassungsinvestitionen zur Qualitätshebung notwendig. Weiters haben wir eine schwache Eigenkapitalausstattung der Betriebe und zunehmende Probleme bei der Betriebsübergabe und bei der Betriebsaufgabe. Ich glaube – wir haben darüber auch im Ausschuß diskutiert –, daß der geordnete Rückzug aus der Wirtschaft, aus dieser Branche, in vielen Fällen nicht möglich ist, weil bei der Betriebsaufgabe der abgeschriebene Betrieb voll in die Steuerprogression hineinfällt. Das heißt, es bestehen große Schwierigkeiten für Betriebe, für Betriebsinhaber bei der Betriebsaufgabe, aber auch bei der Betriebsübernahme. Ich glaube, es ist nicht so, daß wir den österreichischen Fremdenverkehr krankjammern sollten, wenn wir international an sechster Stelle liegen. Wir können sagen, wir haben einen Tourismus, der auf hohem Niveau stagniert.


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Ich glaube, das Wirtschaftsministerium hat wichtige Schritte in zwei Richtungen gesetzt, wofür es zuständig ist: einmal im Bereich der Österreich Werbung. Hier ist es gelungen, antizyklisch mehr als 600 Millionen Schilling für die Österreich Werbung zur Verfügung zu stellen. Es ist auch gelungen, durch eine erfolgreiche Reform, eine innerbetriebliche Reform eine Umschichtung der Budgetmittel zu erreichen, sodaß heute für Marketing 55 Prozent der Mittel und für den Managementaufwand 45 Prozent eingesetzt werden. Früher haben die Personalkosten und andere Kosten den größten Teil des Budgets aufgefressen.

Es ist derzeit auch eine Änderung der Förderungskonzepte geplant, damit künftig mehr regionale Tourismuskonzepte gefördert werden. In Niederösterreich versuchen wir mit dem Leitbild "Fit 2001" mit der "niederösterreichischen Wirtshausaktion", mit einer Aktion zur Attraktivitätshebung des Donauraums, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Man versucht, durch neue Förderungskonzepte vor allem die Kooperation der Touristenorganisationen zu fördern, nicht jeder nebeneinander, sondern gemeinsame Kooperationsprojekte zu fördern, auch die Kooperation der Betriebe.

Gestern in den Zeitungen wurde die Studie von Professor Smeral erwähnt. Darin steht, daß gerade jene Betriebe, die kooperiert haben, die heute über Internet buchen, die heute an internationalen Reservierungsorganisationen beteiligt sind, Zuwachsraten zu verzeichnen hatten. Das kann ich Ihnen zeigen, Herr Kollege, wenn Sie es nicht glauben. Das heißt, nur im Kooperationsbereich besteht heute die Möglichkeit zu überleben.

Ich glaube, es ist auch wichtig – das zeigt auch Niederösterreich –, daß man einmal die Effizienz der derzeitigen Tourismusorganisationen auf Gemeinde- und Landesebene hinterfragt, daß man nachdenkt, ob es der Weisheit letzter Schluß ist, daß wir alleine im Waldviertel vier Tourismusverbände haben, und ob man nicht versuchen sollte, neue Wege zu gehen.

Bei der Fremdenverkehrswerbung stellt sich natürlich immer die Frage: Soll eine Fremdenverkehrswerbung Imagewerbung machen? Soll sie Verkaufswerbung machen? – Dazu gibt es immer wieder verschiedene Ansichten. Ebenso stellt sich die Frage: Soll man die Fremdenverkehrswerbung als Verein beibehalten oder in eine Kapitalgesellschaft auslagern? – Ich glaube aber, wenn man den Wünschen des Chef des Verkehrsbüros Galler nachkäme, würden sich wenige Großbetriebe das gesamte Incoming-Geschäft aufteilen. Ich glaube, man tut gut daran, wenn man die Fremdenverkehrswerbung als Verein beibehält, wenn man vor allem Imagewerbung verstärkt forciert.

Der zweite Bereich ist die finanzielle Förderung – auch das ist ein Diskussionspunkt –, ob es heute noch zeitgemäß ist, Betriebe zu fördern. Ich glaube aber, daß man in Richtung Qualitätsverbesserung und in keiner Weise in Richtung Kapazitätsausweitung gehen sollte, wenn man die Betriebe unterstützt. Wenn man sich die Zahlen ansieht, daß bei den mehr als 2 000 Anträgen, die im Vorjahr von Hotel-Treuhand und von BÜRGES bewilligt und mit mehr als 1 Milliarde Schilling an Investitionsvolumen gefördert wurden, so sieht man, daß ein Bedarf besteht.

Ein Bereich wurde von meiner Kollegin – ich habe es eigentlich erwartet – viel zu wenig angeschnitten, das ist der steuerliche Bereich. Der steuerliche Bereich – ich traue mich, das trotzdem zu sagen, auch wenn Bürgermeister unter uns sind – beginnt bei der Getränkesteuer. Ich weiß, die Getränkesteuer bringt 5 Milliarden Schilling im Jahr, aber man sollte trotzdem darüber nachdenken, ob das noch eine zeitgemäße Gemeindefinanzierung ist. Ich weiß, es gibt derzeit keine besseren, keine neuen Ideen, wie man die Gemeinde finanzieren soll, aber die Getränkesteuer ist ein österreichischer Anachronismus und bringt natürlich entsprechende Wettbewerbsverzerrungen.

Genauso wichtig ist es, wie ich zuerst erwähnt habe, einmal darüber nachzudenken, wie man die steuerlichen Rahmenbedingungen für den Ausstieg aus der Branche und die Frage der Risikokapitalfinanzierung steuerlich verbessern kann. Man sollte endlich die Steuerpauschalierung für die vielen kleinen gastgewerblichen Betriebe einführen. Man diskutiert schon Jahre darüber, aber man ist bis jetzt zu keiner Lösung gekommen.


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Meine Damen und Herren! Ich glaube, dieser Bericht, der uns heute vorliegt, ist eine sehr anschauliche Dokumentation über die Situation des Fremdenverkehrs, über seinen Stellenwert in Österreich. Ich glaube, wir müssen den Menschen, die in der Tourismusbranche arbeiten, den Unternehmern und den Mitarbeitern für ihr Engagement danken. Ich glaube, man soll ihnen Gelegenheit geben, künftiger weniger für die Bürokratie zu arbeiten, sondern sich mehr um den Gast zu kümmern.

Ich möchte mich bei dir, Herr Minister, und auch bei den Beamten, die ihn zusammengestellt haben, für den Bericht herzlich bedanken. Meine Fraktion wird dem Bericht gerne die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.19


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Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Engelbert Weilharter. Ich erteile es ihm.

19.19

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine geschätzten Damen und Herren! Ein Sprichwort lautet: Es gibt nichts Älteres als eine Zeitung von gestern. – Dies scheint der Leitspruch der Bundesregierung zu sein, denn es ist nicht der erste Bericht, den uns die Regierung vorlegt und der älter ist. Erinnern Sie sich, meine Damen und Herren, an den Sicherheitsbericht. Der war auch schon antiquiert und veraltet, und genau gleich verhält es sich mit dem Tourismusbericht anno 1995.

Meine Damen und Herren! In diesem Bericht wird eine Neustrukturierung der Österreich Werbung gefordert – mit dem Ziel, wachstums- und wertschöpfungorientiertes Marketing zu betreiben. Ich meine, dieses müßte längst umgesetzt sein.

Meine Damen und Herren! Die Betroffenen, die Hotellerie, die Beherbergungswirtschaft, die Gastronomie beweisen uns etwas anderes. Vor etwa drei Wochen hat der Steirische Gastwirtetag in Kapfenberg Feststellungen getroffen. Es wurde nicht nur Klage über die hohen Belastungen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft geführt, sondern es wurde mit großer Sorge festgestellt, daß 10 Prozent der Hotellerie akut insolvenzgefährdet sind. Ebenso hat man bei derselben Veranstaltung festgestellt, daß 90 Prozent der Hotel- und Beherbergungsbetriebe verschuldet sind und kaum eine Möglichkeit einer Eigenkapitalbildung oder einer Rücklagenbildung gegeben ist, da der Zinsen-, der Annuitäten- und der Ratendienst zu hoch sind.

Meine Damen und Herren! Allein die Tatsache, daß der Tourismus 1993 noch 62,8 Prozent des Handelsbilanzdefizits abgedeckt hat und heute nur mehr 25 Prozent abdeckt, beweist, daß Österreichs Tourismuswirtschaft in einer Krise steckt. Wenn Sie, sehr geehrter Herr Wirtschaftsminister, glauben, daß eine Ausladung der freiheitlichen Tourismussprecherin aus dem Beirat eine notwendige, eine sinnvolle, eine motivierende Maßnahme ist, dann haben Sie, Herr Minister, wenigstens soviel Demokratieverständnis, daß ihre parlamentarische Anfrage beantwortet wird!

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Ein Tourismusminister beziehungsweise Wirtschaftsminister, welcher in der Tat mit den Betroffenen die dramatische Entwicklung beklagt, hat längst das Handeln aufgegeben, denn ansonsten hätten wir keine gesetzliche Werkvertragsregelung, die eine sogenannte Aushilfe bei touristischen Stoßzeiten unmöglich macht. Sonst hätten wir nicht eine Besteuerung der Investitionen der nicht entnommenen Gewinne. Sonst hätten wir ein flexibleres Arbeitszeitengesetz, das den Erfordernissen der Betroffenen entspricht und nicht nur die Beiträge an die Sozialversicherungsträger sichert.

Wenn ein Tourismus- beziehungsweise Wirtschaftsminister Taten statt Worte spenden würde, dann hätten wir die Getränkesteuer auf Speiseeis, auf Frühstückskaffee oder Tee oder, wie heute schon erwähnt, auf Mineralwasser und Fruchtsäfte nicht mehr, dann wäre dieses Kapitel längst obsolet. Dann hätten wir eine Senkung der Lohnnebenkosten, und dann hätten wir ein Strukturförderungsprogramm im Tourismus, das für Saisonbetriebe aktuell und anwendbar ist.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesrat Weilharter! Am Rande des Mißbrauchs der Geschäftsordnung möchte ich Sie kurz unterbrechen, um Herrn Präsidenten Schambeck, der jetzt zum Europarat nach Straßburg fährt, ein letztes Lebewohl mit auf den Weg zu geben und ihm eine gute Heimkehr zu wünschen. Herbert, auf Wiedersehen! (Präsident Dr. Schambeck verläßt unter allgemeinem Beifall den Saal und ruft den Anwesenden zu: Ich bin stets der Eure! Auf Wiedersehen!)

Bitte, Herr Kollege!

Bundesrat Engelbert Weilharter (fortsetzend): Meine Damen und Herren! Wenn wir einen Tourismus- beziehungsweise Wirtschaftsminister hätten, der Taten statt Worte spenden würde, dann hätten wir ein Strukturförderungsprogramm, welches für Saisonbetriebe aktuell ist, mit der Vereinfachung der Lohnverrechnung und mit einem zeitgemäßen, raschen Betriebsstättengenehmigungsverfahren, und dann hätten wir eine Zielsetzung für betriebliche Investitionen.

Sehr geehrter Herr Minister! Üben Sie sich trotz dieser Kritik nicht in Eitelkeit, lassen Sie Profis ans Werk, und setzen Sie deren Lösungsvorschläge um, zum Wohle der Freizeit- und Tourismuswirtschaft, damit sich die Zulieferbetriebe auch wieder stabilisieren, damit die Tourismusbranche in Österreich wieder jenen Stellenwert in der Handelsbilanz erreicht, den sie 1993 hatte, und damit sich nicht die Frage erhebt, ob der Tourismus in einer Krise oder am Ende ist! Lassen Sie Profis ans Werk, und setzen Sie die Ergebnisse dieser Profis um! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.25

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dr. Hannes Farnleitner. Ich erteile es ihm.

19.25

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich gehe in der Reihenfolge auf die Anregungen ein.

Ich bin sehr froh, daß nicht alles so tönt wie die Tourismussprecherin im Parlament. Herr Bundesrat Weilharter! Ich werde es mir selbst vorbehalten, mich nur von Personen beraten zu lassen, die mich nicht bei jeder Gelegenheit niedermachen, die mit mir als meine Partner geschlossen dieselben Forderungen wiederholen. (Bundesrat Weilharter: Ist das Ihr Demokratieverständnis, Herr Minister?)

Wir haben uns im Tourismusbeirat zusammengeschlossen, um dort ohne parteiliche Rücksichtnahme einfach konstruktiv miteinander zu diskutieren. (Bundesrat Prähauser: Nur so kann es gelingen!) Wir haben auch alle dafür zuständigen Landesräte eingeladen. Wenn ich bei jeder Gelegenheit von jemandem diskriminiert werde – Sie spielen dieselbe Rolle auch weiter! –, dann soll ich denjenigen einladen, mein Berater zu werden?! – Ich weiß, was Sie mir sagen, Sie sagen es mir jedesmal wieder, daher behalte ich mir vor, wen ich zu meinem Beirat heranziehe. Ich will mich nicht weiter ärgern müssen. Ich sage das ganz offen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Denn ich habe mein Fachwissen nicht in der Lotterie gelernt und muß es nicht jeden Tag erneut unter Beweis stellen!

Nochmals zwei weitere Klarstellungen. Erster Punkt: Jeder hat ein Selbstwertgefühl, und ich habe es nicht abgegeben, als ich Minister wurde. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Zweiter Punkt: Man muß einmal deutlich herausstellen, daß im Tourismus viele Dinge passiert sind, aber die Hauptkompetenz im Tourismus ist nach wie vor Landessache. Ich bitte wirklich um Verständnis, daß es keinen Sinn hat, bei nicht geänderter Kompetenzlage ständig nach dem Tourismusminister zu rufen. Der Mann täte mir wahnsinnig leid, er wäre ärmer als der Umweltminister, was die Kompetenzen anlangt!

Ich nenne ein Beispiel: Sagen wir, Tirol hat heute 253 Tourismusverbände, und für jedes einzelne Bundesland haben wir fast ein Dutzend Tourismusverbände. Glauben Sie mir, gehen Sie


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einmal mit auf eine internationale Veranstaltung. Für einen Amerikaner hat es keine Bedeutung, daß wir in Vorarlberg fünf oder sechs Tourismusverbände haben. Für den ist alles ein Minilandfleck. Wenn wir nicht endlich eine österreichische Identität zusammenbringen, die in all ihrer Vielfalt für Urlaube einen Mix anbietet, haben wir überhaupt keine Chance!

Es darf nicht sein, daß sich im Tourismus ein Ort am anderen abputzt und sagt: Du wirst doch nicht nach Hopfgarten fahren, fahre in meinen Nachbarort, da ist es viel schöner, da riechen die Kühe besser! – Ich höre auf, ich will nicht polemisch sein, sondern ich mache das bei unseren diversen Präsentationen mit. Das ist fast wie bei der Industrieansiedlung. Wenn Koreaner zum vierten Mal eine Bundesländerdelegation über den Industriestandort Österreich haben, machen sie "zu". So klein sind wir für sie international gesehen. Daher muß ich auch diese Botschaft loswerden. Das ist nicht antiföderal, aber der Punkt ist, ich brauche auch in den Föderationen, in den Bundesländern eine stärkere Konzentration und eine stärkere Fokussierung der Bemühungen.

Ein nächster Punkt ist die Tourismusbank. Wir haben eine Tourismusbank. Ich habe der ÖHT so lange mit der Auflösung gedroht, bis sie sich jetzt in eine Tourismusbank verwandelt hat. Sie werden das im nächsten Bericht sehen. Wir haben jetzt die Darlehensgeschichte, die garantierten Beteiligungen endlich über die Bühne gebracht. Es sind endlich die ersten Projekte von Langzeitdarlehen, die heißen ewigen Hypotheken, realisiert worden. Das wird in dieser ÖHT erreicht, und sie ist sachkompetenzkonzentriert. Daher soll sie das auch entsprechend aggressiv im Zusammenhang der Banken, die dahinterstehen, ausüben.

Ein weiterer Punkt: Ich bitte im Tourismus – bei aller Schwierigkeit für viele Betriebssparten –nicht zu übersehen, daß wir nach wie vor Erfolgsgeschichten neben dem Scheitern haben. Es hat der Herr Bundesrat aus dem Wiener Bereich gesagt, der Städtetourismus wächst, in machen Teilen gibt es Probleme, so zum Beispiel die Frage Flugtarife. Wir haben einen Kulturtourismus, der wächst, wir haben einen stabilen Wintertourismus, der mehr vom Schnee abhängt als von anderen Dingen.

Ich stelle mit Genuß fest – Sie haben das vorher auch gesagt, Frau Bundesrätin –, daß sehr viele Hoteliers etwas erkannt haben, was mir unlängst einer davon bestätigt hat: "Meine Wintererfindung war, daß ich keinen meiner Gäste mehr zum Schifahren verleite; ich bin trotzdem voll, die Gäste fühlen sich wohler, stehen nicht unter dem Leistungsdruck des Jagatees und fahren erholter nach Hause. Dafür stelle ich ihnen eine Bibliothek zur Verfügung, dafür machen wir Kulturführungen und ähnliche Dinge mehr." – Ich will niemandem Ratschläge geben, aber wir alle sind ja täglich unterwegs.

Ein weiterer Punkt ist, wir brauchen im österreichischen Tourismus vor allem in Gegenden, in denen man zu wetterabhängig ist, Sommerattraktionen.

Ich möchte jetzt nicht vom Stronach-Zentrum reden, sondern ich erwähne zuerst etwa Projekte in Tirol und Kärnten, bei denen wir innerhalb von Großveranstaltungszentren, so wie das heute in vielen Zentren weltweit schon der Fall ist, Attraktionen auf 2 000 Quadratmetern bieten müssen. Dann werden auch wieder Leute kommen. Denn die Jugend sagt: Da kann ich unter einem Dach mit den Rollerblades skaten, Eis klettern und ähnliche Dinge mehr tun. Es sind einige derartige Projekte im Augenblick in Diskussion. Sie lassen sich alle ohne einen Pfennig Fremdkapital finanzieren. Es gibt dafür Beispiele in Deutschland, die wir uns ansehen können, und es laufen schon jetzt derartige Projekte in Österreich.

Wir müssen uns freilich auf zwei neue Zielkategorien einstellen. Ich will nicht dozieren, dennoch muß ich festhalten: In Österreich gehen nur 49 Prozent der Österreicher auf Urlaub. Es gibt weltweit nur wenige Länder, in denen es fünf Wochen bezahlten Mindesturlaub gibt und die Leute diesen nicht auch für Urlaub im eigenen Land nützen. Ich glaube daher, die erste Zielrichtung muß die Wiederentdeckung der Loyalität der Österreicher nach dem Motto sein: Jammert nicht über den Tourismus, nützt ihn!

Zweitens: Ich meine wie viele hier im Haus, daß jene Hotel- und Gastgewerbebetriebe, die auf den Stammkunden setzen, um welchen sie sich regelmäßig bemühen, ein weit besseres Be


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triebsergebnis haben als jene, die vom Zufallstourismus mit Bus- und Großveranstaltern abhängig geworden sind.

Die Tourismuspolitik ist, glaube ich, sehr vielfältig. Sie werden im neuen Bericht, der in den nächsten Tagen in den Ministerrat gehen wird, feststellen, daß wir uns jetzt nicht nur auf die Nächtigungen konzentrieren wollen. Ich habe das schon immer angekündigt. Wer immer von Ihnen bereit ist, mit mir unpolemisch zu diskutieren, wird zugeben, daß die Nächtigungsmeldemoral mit steigender Tourismuskrise auch dramatisch zurückgegangen ist. Das weiß ich aus vielen persönlichen Tests, die wir gemacht haben. Ich habe aus Salzburg Zahlen gehört, bei denen mir die Augen herausfallen. Ich berede es gerne mit Ihnen unter vier Augen! Denn ein Betrieb, dem es sehr schlecht geht, verhält sich anders als einer, dem es erkennbar gut geht.

Lassen Sie uns daher über den Umsatz reden! Denn dann können wir bereits für das letzte Jahr feststellen, daß wir zum ersten Mal wieder einen ganz leicht gestiegenen Gesamtumsatz im Tourismus gehabt haben. Es waren plötzlich 179 Milliarden statt 178 Milliarden. Daher werden wir uns auf andere Maßstäbe einpendeln müssen. Wir werden zielgerichtetere Maßnahmen zur finanziellen Sanierung setzen müssen.

Etwas muß ich jedoch zu meinem und Ihrem Frust sagen: Betreffend Gäste, die nicht kommen, nützen keine Steuerreform und keine Bürokratiereform. Und wir wissen für den Fall, daß der Solidaritätszuschlag in Deutschland fallen oder beseitigt werden sollte, daß für die Mittelklasse in Deutschland der Solidarzuschlag soviel ausmacht, wie ein Österreichurlaub im Jahr normalerweise gekostet hat.

Wenn es uns gelänge, die Europäische Kommission dazu zu bringen, daß im Binnenmarkt Flugpreise zustande kommen wie für Flüge aus der EU hinaus, dann werden auch wieder Destinationen innerhalb der EU attraktiver. Denn es ist natürlich ein blanker Wahnsinn, auf Dauer von Paris nach Wien mehr zu zahlen als von Paris nach Tahiti.

Ich weiß die Antworten auf all die Probleme nicht. Wir bemühen uns sehr, in diesem Sektor durch finanzielle Restrukturierung, durch sektorale Fokussierung, durch Qualitätsanhebung und auch durch eine rechtzeitige Betriebsübergabe bei vielen Betrieben jene Motivation zu schaffen, mit der wir unsere Qualität als Tourismusweltmeister halten können. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

19.33

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

12. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit (560 und 762/NR sowie 5474/BR der Beilagen)


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13. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend eine Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (615 und 763/NR sowie 5475/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 12 und 13 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit und eine Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Mag. John Gudenus übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Mag. John Gudenus: Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit liegt Ihnen vor. Ich verlese ihn daher nicht mehr.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme gleich zum zweiten Bericht.

Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend eine Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen liegt Ihnen ebenfalls vor. Ich brauche ihn nicht zu verlesen.

Der Wirtschaftsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichte.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Wir stimmen zunächst ab über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Usbekistan über die bilaterale außenwirtschaftliche Zusammenarbeit.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend eine Erklärung des Rücktritts vom Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.


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14. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997) (699 und 764/NR sowie 5463 und 5476/BR der Beilagen)

15. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung (459/A, 460/A und 752/NR sowie 5477/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 und 15 der Tagesordnung, über welche die Debatte ebenfalls unter einem abgeführt wird.

Es sind dies ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird (Berufsausbildungsgesetz-Novelle 1997), und ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung.

Die Berichterstattung über den Punkt 14 hat Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing übernommen. Ich bitte ihn um die Berichterstattung.

Berichterstatter Mag. Karl Wilfing: Der Bericht des Wirtschaftsausschusses über das Berufsausbildungsgesetz liegt schriftlich vor.

Ich stelle daher fest, daß der Wirtschaftsausschuß nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag stellt, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Die Berichterstattung über den Punkt 15 hat Herr Bundesrat Engelbert Schaufler übernommen. Ich bitte ihn ebenfalls um den Bericht.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung.

Der gegenständliche Beschluß des Nationalrates wurde als Initiativantrag 459/A der Abgeordneten Dr. Höchtl und Genossen am 14. Mai 1997 sowie als – inhaltsgleicher – Initiativantrag 460/A der Abgeordneten Dr. Antoni und Genossen am 14. Mai 1997 im Nationalrat eingebracht.

Personen ohne Reifeprüfung, die eine Lehrabschlußprüfung erfolgreich abgelegt oder eine mindestens dreijährige mittlere Schule oder Krankenpflegeschule oder eine mindestens 30 Monate umfassende Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst erfolgreich abgeschlossen haben, können nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifeprüfung die mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben.

Die Berufsreifeprüfung umfaßt folgende Teilprüfungen:

je eine schriftliche Klausurarbeit in Deutsch und Mathematik beziehungsweise an Höheren technischen Lehranstalten Mathematik und angewandte Mathematik im Niveau einer berufsbildenden höheren Schule,

eine schriftliche oder mündliche Prüfung in lebender Fremdsprache im Niveau einer berufsbildenden höheren Schule,

der Nachweis höherer Kenntnisse im Fachbereich eines Berufsfeldes durch eine Klausurarbeit und mündliche Prüfung im Rahmen der Behandlung eines Projekts. Diese Prüfung entfällt für Personen, die eine Meisterprüfung oder die Abschlußprüfung einer Werkmeisterschule erfolgreich abgelegt haben oder eine mindestens dreijährige Ausbildung an einer Fachakademie, die bei einer Einrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechtes geführt wird, erfolgreich abgeschlossen haben.


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628. Sitzung / Seite 144

Der Unterrichtsausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Monika Mühlwerth. Ich erteile es ihr.

19.39

Bundesrätin Monika Mühlwerth (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Das heutige Gesetz betreffend die Berufsreifeprüfung klingt zwar auf den ersten Blick bestechend, geht aber meiner Meinung nach an der Problematik völlig vorbei. Es wird kein einziger Lehrling deswegen einen Arbeitsplatz erhalten, nur weil das Bildungssystem durchlässiger geworden ist. Denn eine der Ursachen, daß Lehrlinge nicht so gerne aufgenommen werden – das können Sie hinterfragen; fragen Sie Unternehmer –, (Bundesrat Wöllert: Vielleicht wollen einige studieren!) ist die Bildungspolitik, die aus dem Gleis zu laufen droht. Immer mehr Unternehmer sagen, daß die Lehrlinge, die sie bekommen können, eine schlechte schulische Ausbildung haben.

Unter dem völlig falsch verstandenen Begriff der Chancengleichheit hat man zu Beginn der siebziger Jahre damit angefangen, der Bevölkerung einzureden, daß es wichtig sei, daß jeder Matura hat. Das ist für mich nicht Chancengleichheit. Selbstverständlich soll jeder die Chance haben, eine Matura zu erlangen. (Bundesrat Prähauser: Das war auch die Absicht, das andere unterstellen Sie!) Das ist Ihnen aber nicht gelungen! Denn es muß auch jeder die Chance haben, sie nicht zu machen. (Bundesrat Prähauser: Jemand, der dafür geeignet ist, soll sie machen!) Soll sie machen können! Herr Kollege Prähauser! Das Wort drückt es schon aus: Es hängt vom Können ab, Wollen allein genügt nicht! (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Heute beklagen viele Lehrer an weiterführenden Schulen und auch Kollegen von Ihrer Partei, Frau Kollegin Kainz – sie sagen es allerdings nur hinter vorgehaltener Hand oder unter vier Augen –, daß zum Beispiel das Niveau der Vermittlung der wichtigen Kulturtechniken an der Volksschule wie Lesen und Schreiben schon sehr reduziert ist. Es ist nicht mehr die Qualität vorhanden, die vorhanden sein sollte. Heute geht nahezu jeder – 80 Prozent – von der Volksschule in die Mittelschule. Die Hauptschule ist in den Ballungszentren zu einer Restschule verkommen. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Auf dem Land funktioniert es noch gut, das muß man betonen, nicht aber in den Ballungszentren. Folglich mußte man, da so viele Schüler in die AHS streben, aber nicht alle mitkommen und nicht alle das Bildungsziel erreichen können, auch in diesem Schultyp das Niveau kontinuierlich absenken. (Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es!) Das heißt, die Matura hat eine gewisse Inflation erlitten, und das fällt uns natürlich auch bei den Lehrlingen auf den Kopf.

Sie, meine Damen und Herren von den Sozialdemokraten, haben vor ein bißchen mehr als 100 Jahren völlig richtig erkannt, daß der Zugang zur Bildung für alle gleich sein muß. (Bundesrat Meier: Darum haben wir überall höhere Schulen errichtet! Viele können heute das erreichen, was sie früher nicht erreichen konnten!) Das unterstreiche ich auch! Aber Sie sind auf diesem Weg leider steckengeblieben! Sie haben es heute mit Ihrer Bildungspolitik geschafft, daß wir im Schulsystem ein Zweiklassensystem haben. (Bundesrat Meier: Sie wollten die Eliten! Damit schaffen Sie noch eine Klasse!) Denn auch Leute, die Sie noch wählen, schicken ihre Kinder heute unter erschwerten Bedingungen in Privatschulen, damit sie die schulische Ausbildung bekommen, die sie sich für ihre Kinder erwarten. (Bundesrat Meier: Das stimmt ja nicht!) Das stimmt sehr wohl, Herr Kollege Meier! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Schauen Sie sich das nur an! Heute wird auch schon darauf geachtet, an welcher Schule Sie maturiert haben! Matura ist nicht mehr gleich Matura! Heute schauen die Unternehmer darauf, welche Schule ein Bewerber besucht hat, bevor er aufgenommen wird.


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628. Sitzung / Seite 145

Ich kann Ihnen auch ein Beispiel dafür geben, was Sie gerade in bezug auf die Lehrlinge erreicht haben. – Vor nicht allzu langer Zeit hat mir ein Hauptschuldirektor folgende Situation geschildert: Einer seiner Hauptschüler, der die Hauptschule mit sehr gutem Erfolg abgeschlossen hat, hat sich um eine Lehrstelle beworben. Um dieselbe Lehrstelle hat sich ein Schulabbrecher mit vier "Nicht genügend" aus einer AHS beworben. Soll ich Sie raten lassen, wer die Stelle bekommen hat? – Ich erspare es Ihnen! Das ist nicht von mir, das hat mir ein Hauptschuldirektor erzählt, und es ist kein Freiheitlicher, denn wie wir wissen, gibt es – schön nach dem Proporzsystem – rote und schwarze Schuldirektoren, aber keine freiheitlichen! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Das hat noch gefehlt, daß Sie das jetzt sagen!) Das ist die Realität: Der Schulabbrecher mit seinen vier "Nicht genügend" hat die Stelle bekommen! (Bundesrat Meier: Das ist in Ordnung, wenn er der Bessere war! – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.) Es ist nicht gesagt, daß er der Bessere war!

Ich will Ihnen damit nur zeigen, daß die Hauptschule dank Ihres Bildungssystems kaputt reformiert worden ist. Wir haben es heute bei der Wirtschaft auch schon von Ihnen, Herr Minister, gehört, und teilweise muß ich Ihnen recht geben: Wenn wir heute vom europäischen Raum sprechen, müssen wir auch danach trachten, daß unsere Bildung einem Leistungssystem unterworfen ist, wenn wir nicht das Schlußlicht Europas werden wollen! Derzeit sind wir auf dem Weg dazu! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Meier: Kennen Sie nicht die Berichte über das österreichische Schulsystem?)

Bekennen Sie sich zu einem Leistungssystem! Die Schule ist kein verlängerter Kindergarten: In der Schule muß auch Leistung gefordert werden! Den Jugendlichen wird heute oft ein Sicherheitsgefühl vermittelt, das es dann im Berufsleben überhaupt nicht mehr gibt! (Zwischenruf des Bundesrates Meier . – Weitere Zwischenrufe bei der SPÖ.)

Trotzdem müssen Sie sich ... (Zwischenruf des Bundesrates Payer. ) Herr Kollege Payer! Sie können sich dann noch gerne zu Wort melden, das steht Ihnen frei. Aber da ich jetzt am Wort bin, möchte ich fertig sprechen! (Bundesrat Meier: Das dürfen Sie selbstverständlich!) Danke schön!

Ein Leistungssystem ist etwas ganz Wichtiges. Es ist auch wichtig, daß wir uns zu einer Elitenbildung bekennen. Die Mittelschüler sollen nun einmal die geistige Elite des Landes darstellen. Es soll aber auch ein Facharbeiter und Handwerker genau denselben Stellenwert haben. Er beschäftigt sich nur mit anderen Dingen. Um einen Kasten zu bauen, muß er nicht unbedingt eine Matura haben! (Bundesrat Meier: Aber er kann sie machen!) Wenn er sie erwerben will, Herr Kollege Meier, kann er das auch! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es gibt die Studienberechtigungsprüfung. Er kann, wenn ihm das zuwenig ist, auch eine Abendschule besuchen. Niemand hat ihn bislang daran gehindert! Wir sind die letzten, die jemanden daran hindern werden. Aber nun wird eine Ungleichheit per Gesetz geschaffen. Denn wozu soll sich jemand auch noch Chemie, Physik, Musik und Zeichnen antun, wenn er eine Lehre macht? Ich zähle jetzt nicht noch einmal alles auf. Aber warum soll sich jemand dem aussetzen? Das ist eine Ungleichgewichtung! Niemand hindert ihn daran, Matura zu machen! Aber das ist eine Ungleichgewichtung, es ist nicht dieselbe Ausbildung! An der Universität wird sich das dann auch noch zeigen! Es ist nichts gegen die Durchlässigkeit eines Bildungssystems zu sagen, aber wir wollen nicht, daß eine Art Persilschein ausgestellt wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

19.48

Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Karl Drochter. Ich erteile es ihm.

19.48

Bundesrat Karl Drochter (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Es gäbe viel zu dem zu sagen, was Kollegin Mühlwerth jetzt gesagt hat. Ich möchte mir das aber ersparen. Ich möchte nur die Behauptung zurückweisen, daß unsere Facharbeiter und unsere Lehrlinge nicht qualifiziert sind! Sie gehören vielmehr zu den besten in Europa, und um diesen Standard zu erhalten, ist es unsere Verpflichtung und unsere Aufgabe, das Berufsbildungsgesetz und die Berufsreifeprüfung


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628. Sitzung / Seite 146

nicht herunterzumachen, sondern diesen Einrichtungen jenen Platz einzuräumen, der ihnen zukommt.

In Zukunft muß man nämlich Berufsausbildung und Berufsbildung in einem sehr engen Zusammenhang sehen. Es ergeben sich unzählig viele neue Chancen, vor allem für junge Mädchen und Burschen, die ihre Berufsausbildung im dualen Ausbildungssystem, sprich: im Lehrbetrieb, erfahren, eine Lehrabschlußprüfung erfolgreich abgelegt oder eine dreijährige Fachschule, Krankenpflegeschule oder Schule für den medizinisch-technischen Fachdienst abgeschlossen haben.

Ich möchte heute aber auch darauf hinweisen, daß die Prognosen für den Lehrstellenmarkt 1997/98 für den Fall, daß nicht gegen gesteuert wird, nicht sehr positiv sind. Es gibt eine sehr starke Nachfrage nach offenen Lehrstellen und bedauerlicherweise ein sinkendes Angebot an offenen Lehrstellen. Daher ist es zu begrüßen, daß die Bundesregierung und die Sozialpartner ein sehr umfassendes Sonderprogramm für die Jugendbeschäftigung beschlossen haben.

Wir müssen wahrscheinlich im heurigen Herbst von einem Bedarf von 10 000 bis 12 000 Ausbildungsplätzen ausgehen, welchem derzeit nur etwa 3 000 offene Lehrstellen gegenüberstehen. Wir sollten uns auch vergewissern, daß sich die Situation in den kommenden Jahren nicht bessern wird, da es nach wie vor eine große Anzahl von PflichtschulabgängerInnen geben wird. – Ich möchte daher hier die bescheidene Bitte an die Wirtschaft und an die Arbeitgeber richten, mehr Lehrstellen als in den vergangenen Jahren bereitzustellen!

Ich stehe auch nicht an, hier positive Beispiele anzuführen: So hat vor wenigen Tagen der Präsident der Industriellenvereinigung, Mitterbauer, mittels eines offenen Briefes seine Mitglieder aufgefordert, zusätzlich Lehrlinge einzustellen: 120 000 Lehrlinge gibt es in Österreich, 14 000 davon werden hochqualifiziert in der Industrie ausgebildet. Präsident Mitterbauer hofft, zu den jährlich 4 000 weitere 1 000 Lehrstellen anbieten zu können. Mit sehr gutem Beispiel geht aber auch die Gemeinde Wien voran: Zu den vorgesehenen 140 Lehrlingen der Stadt Wien und den 76 Lehrlingen bei den Wiener Stadtwerken werden auf Initiative der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten zusätzlich 100 Lehrlinge, also insgesamt 316 Lehrlinge, von der Gemeinde Wien aufgenommen werden. Ich hoffe, daß sich diesem positiven Beispiel auch andere Städte, Länder und Gemeinden anschließen werden.

Nach den heutigen Erkenntnissen und den vorliegenden Anmeldezahlen bei den Berufsbildenden Mittleren Schulen und Höheren Schulen ist auch bei diesen eine stärkere Nachfrage zu bemerken und mit einer stärkeren Nachfrage zu rechnen. Diese stärkere und steigende Nachfrage ist aber mit den derzeit zur Verfügung stehenden Lehrstunden nicht abzudecken. Das bedeutet für uns und für die Verantwortlichen, daß Sofortmaßnahmen ergriffen, also zusätzliche Plätze auch im berufsbildenden Schulwesen eingerichtet werden müssen. Die Kosten für diese Sofortmaßnahmen sind natürlich vom Bund, aber auch von den Ländern und vom Arbeitsmarktservice aufzubringen.

Meine Damen und Herren! Ein wesentlicher Beitrag dazu, daß die Jugendarbeitslosigkeit in Österreich – sie liegt derzeit bei 3,9 Prozent – weiterhin so gering als möglich gehalten werden kann, waren sicherlich die Einigung der Sozialministerin und des Herrn Bundesministers Farnleitner beim Lehrlingsgipfel im Februar und die Vorlage des Sonderprogramms der Bundesregierung vor 14 Tagen. Das ist notwendig, damit wir nach wie vor einen sehr großen Abstand zur Jugendarbeitslosigkeit im übrigen Europa halten können. Diese beträgt durchschnittlich 21 Prozent in unserem Nachbarland, im Süden Italiens über 30 Prozent, im Norden Finnlands 23 Prozent und im Musterland Großbritannien 15 Prozent.

Die Sozialpartner haben sich auf folgende Reformpunkte mit den beiden Ministern geeinigt: Die Berufsschulzeit kann auf Wunsch im Block absolviert werden. Die Ausbilderprüfung kann durch eine Kursmaßnahme ersetzt werden. Die Lehrlingsstellen sollen durch eine sozialpartnerschaftliche Regelung modifiziert werden. Die Sozialpartner sollen Modelle für Gruppenlehrberufe erarbeiten, mit dem Ziel einer besseren und höher qualifizierten Ausbildung. Verstärkte Überlegungen sind anzustellen, um neue Lehrberufe im Bereich der Telekommunikation, der elektro


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nischen Datenverarbeitung, im Umweltbereich und im Gesundheitsbereich zu kreieren. Auch das Verfahren zur Schaffung von selbständigen Ausbildungseinrichtungen soll erleichtert werden.

In einem anderen Zusammenhang ist heute schon darauf hingewiesen worden, daß die Dienstgeberbeiträge zur Krankenversicherung der Lehrlinge für die ersten drei Jahre durch die Anhebung der Dienstgeberbeiträge für Angestellte um ein Zehntel Prozent abgedeckt werden.

Gestatten Sie mir nun einige Anmerkungen zu der von Kollegin Mühlwerth vorher schon heftig kritisierten und in Mißkredit gebrachten Berufsreifeprüfung. Die Gewerkschaften, der ÖGB und die Arbeiterkammern haben sich in den letzten Jahren sehr stark engagiert, um diese Berufsreifeprüfung durchzusetzen. Wir sind davon überzeugt, daß damit ein wesentlicher Qualitätssprung eingeleitet worden ist, dessen Bedeutung gerade in der heutigen Zeit nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, in der nicht nur das Lehrstellenangebot, wie vorher von mir erwähnt, zurückgeht, sondern auch die Lehrausbildung, vor allem das duale Ausbildungssystem, ernsthaft zur Diskussion steht.

Mit der Beseitigung der Bildungssackgasse Lehre durch die Berufsreifeprüfung, die auch von Absolventen von Fachschulen und der Krankenpflegeausbildung abgelegt werden kann, wurde ein wesentlicher Beitrag zur Erhöhung des gesamten Bildungsniveaus der österreichischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geleistet. Darüber hinaus wird damit ein weiterer wichtiger Schritt eingeleitet, um das gesamte Bildungssystem für Arbeitnehmer, vor allem für junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, durchlässiger zu machen. Damit hat eine größere Anzahl von jugendlichen Arbeitnehmern reale Chancen, sich weiterzubilden und höher zu qualifizieren. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren! Für uns Gewerkschafter war es ein weiter und langer Weg: Denken wir zurück an die Jahrhundertwende. Damals wurden die Lehrlinge in der sogenannten Sonntagsschule ausgebildet! Vergleichen Sie das mit dem heutigen Angebot für Lehrlinge, mit der Berufsreifeprüfung eine allgemeingültige Matura zu erwerben! Mit der Berufsreifeprüfung erhalten Lehrlinge und Fachschüler bereits während ihrer Ausbildungszeit ein kostenloses Vorbereitungsangebot und können bei positiver Absolvierung von vier Teilprüfungen in Deutsch, Mathematik, in einer lebenden Fremdsprache und in einem Fachbereich, frühestens aber mit 19 Jahren den allgemeinen Hochschulzugang erlangen. – Da frage ich mich: Was kann man dagegen haben?

Für Absolventen der Werkmeisterschule sind nur drei Teilprüfungen notwendig, da die Prüfung im Fachbereich durch die qualifizierte Ablegung der Meisterprüfung als ersetzt gilt.

Jetzt gilt es, die Berufsreifeprüfung so rasch als möglich in die Praxis umzusetzen. Den Jugendlichen sollte ermöglicht werden, sich bereits während ihrer Berufsausbildung kostenlos auf die Berufsreifeprüfung vorbereiten zu können. Das Unterrichtsministerium und die Landesschulräte sind aufgerufen, für ein rechtzeitiges Angebot der notwendigen Freigegenstände in den Schulen zu sorgen beziehungsweise diese einzurichten. Kurse zur Vorbereitung auf die Berufsreifeprüfung muß es auch künftig in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung geben. Denn laut Gesetz können in den Erwachsenenbildungseinrichtungen die Teilprüfungen für die Berufsreifeprüfung abgelegt werden.

Die Ausbildungsinhalte werden in Modulen angeboten, die jeweils dann absolviert werden können, wenn es sich für den Kursteilnehmer zeitlich am besten ausgeht.

Zur Finanzierung der Vorbereitungskurse könnte ein Teil des Geldes, mit dem das Unterrichtsministerium die Erwachsenenbildung fördert, in die berufliche Weiterbildung verlagert werden. Es wäre wünschenswert, daß das Ministerium schon bald kostenloses Fernkursmaterial zur Verfügung stellt. Weitere Mittel könnten aus dem Topf der Arbeitnehmerförderung kommen. Das Nachholen der Berufsreifeprüfung darf nach unserer Meinung nicht an finanziellen Barrieren junger Menschen scheitern.


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628. Sitzung / Seite 148

Ich bin davon überzeugt, daß wir die Berufsreifeprüfung mit Leben erfüllen können. Wir werden das unseren Kolleginnen und Kollegen in den Werkmeisterschulen – wie auch die Arbeiterkammern und Gewerkschaften in ihrem Erwachsenenbildungsinstitut, dem Berufsförderungsinstitut – schon kommenden Herbst anbieten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, daß die Berufsreifeprüfung ein wesentlicher Schritt für die künftige Qualifikation unserer jungen Menschen als Facharbeiter ist. Und manchen Kolleginnen und Kollegen, vor allem Kollegin Mühlwerth, möchte ich empfehlen, sich einmal mit dem Vertrag auseinanderzusetzen, den ihr Parteivorsitzender im Februar mit den Lehrlingen geschlossen hat. (Beifall bei der SPÖ.)

20.02

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Tusek. – Bitte.

20.02

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Ich kann im Hinblick auf diese beiden Gesetzesbeschlüsse den Ausführungen des Kollegen Drochter in nahezu allen Punkten vollinhaltlich zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Herr Kollege Drochter! Da Sie sehr ausführlich über beide Gesetzesbeschlüsse gesprochen haben, kann ich in aller Kürze sprechen. Ich stimme voll und ganz mit Ihnen überein, daß alle Ebenen des öffentlichen Lebens – Bund, Länder und Gemeinden – alles daransetzen sollten, jungen Menschen die Chance zu geben, einen Lehrausbildungsplatz zu bekommen. Das muß absolute Priorität sein! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.) Denn es gibt nichts Furchtbareres und Schrecklicheres, insbesondere für einen jungen Menschen, als herumstehen zu müssen; leistungswillig und leistungsbereit zu sein, etwas tun zu wollen und nichts zu finden. Daher rührt unser aller besondere Verantwortung.

Als positives Beispiel möchte ich das Land Oberösterreich erwähnen. Herr Bundesminister! Ich bedanke mich für das umfassende Lehrlingspaket. Es muß aber von Bund, Ländern und Gemeinden verwirklicht werden. (Bundesrätin Kainz: Und von den Sozialpartnern, Herr Kollege!) Selbstverständlich, Frau Kollegin Kainz! Ich danke für den Hinweis. Selbstverständlich spielen dabei die Sozialpartner eine entscheidende und wesentliche Rolle. Ich danke für die Ergänzung.

Das Land Oberösterreich hat einen entsprechenden Schwerpunkt gesetzt und ist mit gutem Beispiel vorangegangen. 105 Lehrlinge werden in diesem Jahr vom Land direkt einen Lehrplatz bekommen. Darüber hinaus haben sich viele der 445 oberösterreichischen Gemeinden bereit erklärt, ebenfalls Lehrlinge aufzunehmen. Die öffentliche Hand ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat selbst Lehrlinge eingestellt. Selbstverständlich ist das ein Tropfen auf den heißen Stein, aber es hat Vorbildwirkung.

Ich bin davon überzeugt: Wenn alle, vor allem die Sozialpartner, ihren guten Willen zeigen, wird dieses Problem gelöst werden können. Es ist auch ein demographisches Problem, denn es geht in diesem und im nächsten Jahr um sehr geburtenstarke Jahrgänge. Später wird der Andrang eher abnehmen, sodaß wir vor allem in diesem und im kommenden Jahr alles daransetzen müssen, dieses Problem zu lösen.

Was den zweiten Bereich – die Berufsreifeprüfung – betrifft, möchte ich an dieser Stelle eine Lanze für unser duales Ausbildungssystem brechen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.) Das duale Ausbildungssystem, mit dem wir in Österreich sehr gut gefahren sind, liefert uns die hohe Qualität der Facharbeiter, von der auch Herr Bundesminister Farnleitner in seinem ersten Debattenbeitrag gesprochen hat. Um diese Qualität beneidet uns die Welt, das konnten wir den Worten des Herrn Ministers entnehmen. Daher ist es notwendig, dieses duale Ausbildungssystem zu erhalten. Wie bereits Kollege Drochter erwähnt hat, ist die im internationalen Vergleich sehr niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Österreich sicherlich auch eine Folge des dualen Ausbildungssystems.


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Unsere Facharbeiter erhalten eine hervorragende Ausbildung. Diese Ansicht unterscheidet mich von Kollegin Mühlwerth; ich hätte mich darüber gerne persönlich mit ihr auseinandergesetzt (Bundesrat Meier: Sie ist nicht da! Man muß da Zwischenrufe machen!), muß aber leider feststellen, daß sie nicht anwesend ist. – Wir haben hervorragende Facharbeiter. Aber die Ausbildung zum Facharbeiter darf in keine bildungspolitische Sackgasse führen. So darf und kann es nicht sein! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

Wenn Kollegin Mühlwerth sagt, es gebe heute schon eine entsprechende Möglichkeit, so ist das richtig. Damit meinte sie die Studienberechtigungsprüfung. Allerdings gebe ich zu bedenken, daß man von der Studienberechtigungsprüfung aus auf eine Sparte beschränkt ist und nur in einer einzigen Studienrichtung weitermachen kann.

Ich halte dieses Gesetz über die Berufsreifeprüfung vor allem deswegen für hervorragend, weil diese – wie Kollege Drochter schon gesagt hat – nicht leicht zu erringende Qualifikation neben dem Beruf erworben werden kann. Es ist eine abgeschlossene Lehrausbildung oder eine dreijährige Fachschule in verschiedenen Sparten notwendig. Das sind bereits gewaltige Voraussetzungen. Darüber hinaus eine Klausur in Deutsch, eine Klausur in Mathematik, eine Klausur oder mündliche Prüfung in einer lebenden Fremdsprache und eine entsprechende Fachbereichsarbeit abzulegen, ist keine Kleinigkeit – vor allem wenn man bedenkt, daß es um Menschen geht, die im Beruf stehen. Wer im Beruf steht und sich diesen Mühen unterzieht, der hat es absolut verdient, nicht nur eine Sparte absolvieren zu dürfen. Wer das schafft, dem gönne ich es – insbesondere als AHS-Lehrer –, daß er eine Vollmatura hat, durch die er sowohl im Verwaltungsbereich als auch beim Zugang zur Universität mit Maturanten gleichgestellt ist.

Ich halte es weiters für sehr günstig, daß jemand, der die Meisterprüfung abgelegt hat, neue Möglichkeiten bekommt. Es ist auch eine Frage des gleichen Stellenwertes. Für mich ist ein Meister zumindest gleichwertig mit einem AHS- oder BHS-Maturanten, das sage ich in aller Deutlichkeit. Daher begrüße ich die Erleichterung, daß die Meisterprüfung – sie stellt eine eindrucksvolle Leistung dar – den Fachbereichsteil ersetzt.

Ich halte dieses Gesetz für sehr gut. Mehr noch: Ich halte es für einen Durchbruch bei der Verwirklichung der Durchlässigkeit in unserem Bildungssystem. Daher werde ich ihm gemeinsam mit meiner Fraktion sehr gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

20.09

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Moser. – Bitte.

20.09

Bundesrätin Helga Moser (Freiheitliche, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Kollegin Monika Mühlwerth hat schon einige Aspekte dargelegt. Mit meinen Ausführungen möchte ich einige Ergänzungen anfügen. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Tusek.  – Bundesrat DDr. Königshofer: Aber positiv!)

Ich bin Kollegen Tusek sehr dankbar dafür, daß er die Qualität des dualen Ausbildungssystems angeführt hat, denn ich habe nicht immer den Eindruck, daß alle politisch Tätigen hinter diesem Schulsystem stehen. Ich denke, daß die gute Hauptschule vielen Menschen als erster Schritt und Grundlage gedient hat, in der Folge im zweiten Bildungsweg auch Studienabschlüsse zu schaffen.

Ich sehe die Begründung dafür nicht ganz ein, daß im dualen Ausbildungssystem die Lehrlingsausbildung in eine Sackgasse führen würde. Was bereits erwähnt wurde, möchte ich nur kurz wiederholen. Es gibt die Möglichkeit der Schule für Berufstätige; dort besteht unter den Lehrern jetzt Unsicherheit, weil sie darüber besorgt sind, daß ihr Schultyp reduziert werden könnte. Auch gibt es die Studienberechtigungsprüfung. Eine weitere Möglichkeit, zusätzliche Bildungschancen wahrzunehmen, ist die Externistenmatura. Was diese betrifft, fehlt mir zwar österreichweit der Überblick, jedoch hat es in Oberösterreich und speziell in Linz immer eine große Zahl an Externisten gegeben, die auf diese Weise einen höheren Schulabschluß erlangt haben.


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628. Sitzung / Seite 150

Ich glaube nicht, daß es primär eine Verbesserung der Lehre ist, wenn einem jungen Menschen gesagt wird: Du hast nach der Lehre die Möglichkeit, über die Berufsreifeprüfung ein Studium aufzunehmen. Ich habe mich mit der Frage befaßt, warum junge Menschen einen Lehrberuf ergreifen. Für den Großteil besteht die Hauptbegründung sicherlich in dem Wunsch, einen Beruf zu erlernen, und der junge Mensch identifiziert sich mit diesem Wunsch. Eine zweite Gruppe bilden diejenigen, die keine Lust mehr haben, eine weiterführende Schule zu besuchen – auch solche Jugendliche gibt es. Die dritte Gruppe setzt sich aus denjenigen zusammen, die es nicht schaffen, eine weiterführende Schule zu besuchen.

Damit können wir bereits drei Gruppen junger Menschen unterscheiden, die in das duale Schulsystem eintreten und eine Lehre plus Berufsschule besuchen. Auf diese drei Gruppen ein System abzustellen, ist sicherlich sehr schwierig. Ich glaube, daß "Karriere mit Lehre" nicht Abschluß, Hochschulstudium oder auch Matura umfassen sollte.

Vielmehr scheint mir die Tatsache öfters problematisch zu sein, daß die Matura in unserer Gesellschaft einen solch hohen Stellenwert hat. Das sehe ich oft daran, was Jugendlichen widerfährt, die vom Elternhaus dazu gedrängt werden. Damit ist Prestigedenken verbunden, aber auch die Absicht, daß es die Kinder besser als die Eltern haben sollen, und das ist ein berechtigtes Anliegen von Eltern, das ich niemandem absprechen möchte. Aber ich sehe auch, wie Jugendliche unter diesem Druck scheitern, wie sie belastet sind und mit der Zeit trotzdem schmerzhaft ihre Grenzen erkennen müssen. Es ist schmerzhaft, diese Grenzen in einer Gruppe, die ein anderes Leistungsniveau hat, erkennen zu müssen, und das geschieht auch nicht von einem Tag zum anderen, sondern zieht sich über Monate hin.

Ich möchte auch zu bedenken geben, daß möglicherweise der Eindruck entstehen könnte, auf dem Weg über die Berufsreifeprüfung sei die Matura – wie man umgangssprachlich sagt – "mit links zu schaffen". Es fehlt an Wissen darüber, welche Belastungen, welche Anstrengungen auf einen zukommen, wenn man eine Ausbildung berufsbegleitend absolviert. Dies könnte zum Auslöser dafür werden, daß manche meinen, die Reduzierung auf vier Unterrichtsgegenstände – meine Kollegen haben sie bereits genannt, sodaß ich es mir ersparen kann – stelle einen leichten Weg dar.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich weiß, wovon ich spreche, da ich selbst an einer berufsbildenden Abendschule, an einem Kolleg unterrichte und auch mit der Studienberechtigungsprüfung zu tun habe. Ich habe es erlebt, wie Frauen, die eine Berufsqualifikation erwerben wollten, in die Schule kamen und meinten, eine Berufsqualifikation schaffen zu können, wenn sie ihren Willen dazu zeigten, wenn sie die Schule oder Ausbildungsstätte merken ließen, daß es ihnen ein Bedürfnis und ein Anliegen ist. Ich habe aber auch das Scheitern mancher Menschen erlebt, die ihre Grenzen nicht erkannten oder ihre Kräfte überschätzten und ein entsprechend negatives Erlebnis hinnehmen mußten. (Bundesrat Meier: Das gibt es aber überall!)

Ja sicherlich, Herr Kollege, das gibt es überall! Aber es geht auch darum, was wir den Menschen vermitteln wollen. Wenn wir der Gesellschaft, oder in diesem Fall den Jungen, der heranwachsenden Generation vermitteln, daß es eigentlich keine guten Facharbeiter gebe und alles, was es anzustreben gelte, die Matura sei, dann ist das für mich ein falscher Weg. Ich stehe zu den guten Lehrberufen. (Bundesrat Meier: Nichts dagegen!) Ich denke, daß es sehr viele glückliche Facharbeiter und Handwerker gibt und daß die Matura nicht das Allheilmittel ist, um im Leben bestehen zu können. Im Gegenteil, oft zeigt es sich, daß Menschen mit Matura im Leben auch scheitern können. (Bundesrat Freiberger: Die Matura muß nicht jeder machen! – Bundesrätin Kainz: Es soll nur jeder können !)

Ja, Frau Kollegin, ich habe Ihnen vorhin drei Wege aufgezeigt, wie das erreicht werden kann. (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.) Es ist sehr nett, daß Sie alle mit mir in eine Unterhaltung eintreten wollen, aber es ist mir unmöglich, nach links und rechts gleichzeitig zu kommunizieren. Daher werde mich weiter auf meine Ausführungen beschränken. (Bundesrat Prähauser: Davon werden sie auch nicht richtiger!)


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628. Sitzung / Seite 151

Ich möchte auf einen Aspekt in der Vorbereitung zur Studienberechtigungsprüfung oder Berufsreifeprüfung hinweisen. Es erscheint vielleicht verwunderlich, wenn ich das jetzt vom Standpunkt des Lehrers aus betrachte. Meiner Ansicht nach sind wir sehr großem Druck ausgesetzt, wenn wir mit Erwachsenen zu tun haben und deren Bemühen sehen, aber zugleich wissen, daß sie der Aufgabe nicht gewachsen sein können.

Als Denkanstoß möchte ich Ihnen mitgeben, daß Sie sich vorstellen, inwieweit irgendwann einmal vielleicht wir, die Ausbildenden, die Lehrer diesem Druck nicht mehr standhalten und unsere Forderungen reduzieren könnten, weil wir meinen, daß man ein Scheitern einem Menschen nicht antun kann, der so viel investiert hat. Sie alle haben in Ihren Ausführungen dargelegt, welch harter Weg das ist. Jemandem nach der Hälfte der Ausbildung klarmachen zu müssen, daß er das Ziel nicht erreichen wird, ist ein menschliches Problem.

Ich weise auf die Gefahr hin, daß Lehrer so weit unter Druck kommen könnten, daß sie sagen: Nun ist er schon so weit fortgeschritten, also soll er auch zu einem Abschluß kommen. (Bundesrat Meier: Aber auch in anderen Schultypen ist das so!) Ich sehe es als menschliches Problem und möchte – darin finde ich mich wieder mit Kollegin Mühlwerth – vermeiden, daß gute Initiativen in der Praxis schließlich nach dem Motto gehandhabt werden: Dort habe ich die Möglichkeit einer billigen Matura.

Aus diesen Gründen und aus denen, die meine Kollegin schon angeführt hat, werden wir diesem Gesetz nicht zustimmen. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.18

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Meier. – Bitte.

20.18

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich spreche nur zum Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung. Ich wäre gerne auf die Ausführungen von Frau Kollegin Mühlwerth eingegangen, kann das aber jetzt nicht tun und mußte deshalb zu Zwischenrufen greifen.

Es wurde bereits dargelegt, wer berechtigt ist, die Berufsreifeprüfung abzulegen. Ich meine, daß auch dafür Anstrengungen, Fleiß, Können und Begabung notwendig sind, genauso wie für die Matura für Erwachsene, im Gymnasium für Berufstätige. Ich trete nicht dafür ein, daß damit eine Billigmatura auf Umwegen geschaffen wird. Ich glaube auch nicht, daß man jemandem den Weg so vorschreiben sollte: Du bist an der Hauptschule, und damit du zur Matura kommst, machst du den Polytechnischen Lehrgang, absolvierst deine Installateurlehre und gehst schließlich diesen Weg.

Ich glaube vielmehr, daß Menschen, die aus irgendeinem Grund diese Entscheidung zunächst nicht getroffen haben – vielleicht auch deshalb nicht, weil sie sich ihrer Begabung nicht bewußt waren –, den Bildungsweg auch noch gehen können sollen, nachdem ihnen "der Knopf aufgegangen ist". Ich glaube nicht, daß es sehr viele sein werden, die den Weg über die dreijährige Fachschule und eine abgeschlossene Berufsausbildung gehen, aber einige werden es doch sein. Dies ist eine zusätzliche Möglichkeit, zur Matura und damit zu all den Möglichkeiten zu kommen, die die Matura bietet. Dabei ist völlig klar, daß gewisse Fächer – etwa Latein, Darstellende Geometrie oder was auch immer – auch später noch nachgeholt werden müssen. Wer das anstrebt, muß auch dort seinen Mann oder seine Frau stehen.

Über das Gymnasium für Berufstätige möchte ich sagen, daß ein Interessent nicht daran gebunden ist, ein solches Gymnasium, das es meistens nur in größeren Städten gibt, zu besuchen, sondern daß er es auch über die Berufsschule – dafür müßten wir sicherlich noch den einen oder anderen Paragraphen im Schulorganisationsgesetz ändern – oder letzten Endes, schwierig genug, sogar mit einem Fernstudium schaffen könnte. Ich glaube, es ist für diese Fälle ein gutes Gesetz. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 152

Das ist es im Kern, was ich sagen wollte. Damit möchte ich wegen der fortgeschrittenen Zeit meine Ausführungen beenden. Ich glaube, daß es ein gutes Gesetz ist, das den Betroffenen auch diese Möglichkeit anbietet. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

20.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung .

Die Abstimmungen über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgen getrennt. Zuerst geht es um den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Berufsausbildungsgesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Berufsreifeprüfung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit .

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen .

16. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 14. Mai 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird; Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz geändert wird (580 und 671/NR sowie 5451/BR der Beilagen)

17. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird (700 und 726/NR sowie 5478/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 16 und 17, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies:

Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung (Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997); Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird; Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem


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das Düngemittelgesetz geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird.

Die Berichterstattung über Punkt 16 hat Herr Bundesrat Schaufler übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Engelbert Schaufler: Verehrte Damen und Herren! Der Bericht liegt schriftlich vor. Ich kann mich auf den Antrag beschränken und möchte nur erwähnen, daß der Bericht auch zwei Ausschußfeststellungen enthält, die mit Stimmenmehrheit beschlossen wurden.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 3., 24. und 26. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diesen Bericht.

Nunmehr bitte ich Frau Bundesrätin Fischer um die Berichterstattung zu Punkt 17.

Berichterstatterin Aloisia Fischer: Der Bericht über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird, liegt schriftlich vor.

Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage mit Stimmenmehrheit den Antrag , keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für diesen Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Eisl. Ich darf ihn bitten, das Wort zu ergreifen.

20.24

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Es geht heute um das Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut. Dieser Gesetzentwurf hat seinen Vorlauf genommen.

In ihrer Begutachtung zum Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut vom 26. Februar 1997 schreibt die Salzburger Landesregierung:

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im März 1996 wurde das allgemeine Begutachtungsverfahren zum Entwurf eines Saatgutgesetzes 1996 eingeleitet. Das Amt der Salzburger Landesregierung hatte zum damaligen Zeitpunkt keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Entwurf. Nunmehr wurde die Regierungsvorlage zum Saatgutgesetz 1997 übermittelt. § 39 Abs. 4 der Regierungsvorlage enthält eine Verfassungsbestimmung, aufgrund derer der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft durch Verordnung festsetzen kann, daß zur Durchführung – und das ist aufgrund des zweiten Teiles des Saatgutgesetzes 1997 entscheidend – einzelner Aufgaben landesgesetzliche Einrichtungen, Rechtsträger oder sonstige eigene Rechtsträger herangezogen werden. Eine derartige Verfassungsbestimmung war in dem der Begutachtung zugeführten Gesetzentwurf nicht enthalten. – Das ist sehr bemerkenswert, meine Damen und Herren!

Das Salzburger Land verwahrt sich gegen eine solche Vorgangsweise. Ohne mit den Ländern je darüber Kontakt aufgenommen und verhandelt zu haben, wird einerseits in das System der mittelbaren Bundesverwaltung eingegriffen und andererseits auf die von den Ländern eingerichteten und auch finanzierten Landwirtschaftskammern zum Zwecke der Vollziehung von Bundesgesetz-Mitwirkung in Anerkennung oder Zulassungsverfahren von Saatgut und bei gewissen Kontrolltätigkeiten zugegriffen.


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Unbekannt bleibt, welche anderen geeigneten Rechtsträger hiefür sollen herangezogen werden können. Ein solches System könnte akzeptiert werden, wenn eine derartige Übertragung von Aufgaben in jedem Fall der Zustimmung der Landesregierung bedarf. Darüber hinaus wäre bereits in der betreffenden Übertragungsverordnung die Höhe der Abgeltung für die Durchführung dieser Aufgaben festzusetzen.

Soweit das Schreiben der Salzburger Landesregierung. – Ich erlaube mir daher, an Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Bundesrates, die dringliche Bitte zu richten, bei der Behandlung der genannten Regierungsvorlage die Haltung des Landes Salzburg zu unterstützen.

Meine Damen und Herren! In diesem Fall hat der Konsultationsmechanismus nicht funktioniert. Ich glaube auch, daß man solch ein Gesetz nicht ohne weiteres übers Knie brechen kann. Im Ausschuß haben wir gestern von den Sozialdemokraten eine Ausschußfeststellung vorgelegt bekommen. Auch die Sozialdemokraten waren im Ausschuß verunsichert, auch sie haben erkannt, was aufgrund dieses Gesetzes geschehen wird. Es wird nämlich – wie die Bergbauernvereinigung geschrieben hat – über den Verordnungsweg etwas passieren, das wir nicht wollen.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir auch, Ihnen den Inhalt des Schreibens der Bergbauernvereinigung mitzuteilen. Ich nehme an, daß Sie es auch bekommen haben. Darin heißt es:

Sehr geehrte Abgeordnete des Bundesrates! Das Saatgutgesetz 1997 wurde vom Nationalrat bereits beschlossen. Die Österreichische Bergbauernvereinigung kann als Mitinitiator des Gen-Volksbegehrens jedoch nicht akzeptieren, daß genmanipuliertes Saatgut nicht direkt auf den Saatgutsäcken gekennzeichnet werden soll. Eine Kennzeichnung in der Sortenliste, wie sie Herr Minister Molterer oder Agrarkommissär Fischler befürworten, die dann im Internet ersehbar sein soll, sollte sich für die Bäuerinnen und Bauern als Scherz darstellen. Nur wenige landwirtschaftliche Betriebe verfügen über eine dieser Technologien. Erfreulicherweise gibt es einen Beschluß des Salzburger Landtages – auch hier wird auf diesen Beschluß eingegangen –, daß Sofortmaßnahmen für eine solche Kennzeichnung von Betriebsmitteln ergriffen werden müssen. Dieser Beschluß sollte vom Bundesrat beachtet und dem Saatgutgesetz in der Form nicht zugestimmt werden. Ein kennzeichnungsloser Zustand ist vor allen Dingen für unsere Biobauern nicht tragbar, und es wäre auch das Ende.

Damit wird auch Argumenten Tür und Tor geöffnet, daß man für gentechnikfreie Landwirtschaft nicht garantieren kann. Auf dem Sack muß genau angeschrieben sein, was darin enthalten ist. Der Bundesrat soll den Landwirtschaftsminister veranlassen, bis spätestens Mitte September einen Novellierungsentwurf vorzulegen, in dem die Kennzeichnung "genmanipuliertes Saatgut" direkt auf den Behältnissen und für die Bauern deutlich ersichtlich enthalten ist. Auf eine Verordnung der EU werden wir höchstwahrscheinlich noch längere Zeit warten müssen. Die österreichische Bergbauernvereinigung fordert daher, daß der nationale Spielraum bis dahin auch wirklich genützt wird. Die österreichische Regierung kann damit in der EU ein deutliches Zeichen setzen und der Bevölkerung zeigen, daß die 1,23 Millionen Unterzeichneten des Gentechnik-Volksbegehrens ernst genommen werden.

Wir wollen auch noch darauf hinweisen, daß die legale Nachbarschaftshilfe durch diese Saatgutverordnung wieder weitgehend außer Kraft gesetzt werden könnte. Es existiert bereits ein Entwurf, in dem dieser Teil des Landwirtschaftsprivilegs aufs gröbste eingeschränkt wird. Es darf nicht vorkommen, daß nach dem Saatgutgesetz Genehmigtes durch Verordnungen von hintenherum wieder außer Kraft gesetzt werden!

Meine Damen und Herren! Es ist wirklich an der Zeit, daß wir uns auf solche Diskussionen nicht einlassen! Wenn 1,2 Millionen Menschen ihre Unterschrift dafür leisten und es ernst meinen, dann müssen wir darauf reagieren! Ich glaube, daß das angebracht ist, und ich bringe daher auch zwei Anträge ein, daß dieses Gesetz noch einmal den Nationalrat passieren soll.


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Antrag

der Bundesräte Eisl, Waldhäusl und Kollegen auf Einspruch des Bundesrates gegen einen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 42 B-VG, eingebracht im Zuge der Beratungen über das Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung.

"Gegen den Beschluß des Nationalrates vom 14. Mai betreffend Saatgutgesetz 1997 – SaatG 1997 und Begleitgesetze, 580 und 671/NR sowie 5451/BR der Beilagen – wird gemäß Artikel 42 B-VG Einspruch erhoben."

*****

Ich ersuche den Bundesrat, diesem Einspruch stattzugeben!

Denselben Antrag stelle ich auch für das Pflanzenschutzgesetz in derselben Ausführung.

Antrag

der Bundesräte Eisl, Waldhäusl und Kollegen auf Einspruch des Bundesrates gegen einen Beschluß des Nationalrates gemäß Artikel 42 B-VG, eingebracht im Zuge der Beratungen über das Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird.

"Gegen den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni betreffend Pflanzgutgesetz 1997 – 700 und 726/NR sowie 5478/BR der Beilagen – wird gemäß Artikel 42 B-VG Einspruch erhoben."

*****

(Bundesrat Ing. Penz: Ging es jetzt um das Pflanzenschutzgesetz oder um das Pflanzgutgesetz?) Herr Penz! Diese Wortgefechte ändern nichts an der Tatsache, daß das Gesetz heute beschlossen wird und dem Minister – und das ist entscheidend – für die Verordnung all das eingeräumt wird, was die Großen in unserem Lande wie Raiffeisenorganisationen und Saatgutgenossenschaften brauchen. Und der Kleine bleibt auf der Strecke! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich brauche die Diskussion nicht zu verlängern: Wenn Sie der Meinung sind, daß 1 230 000 Unterschriften bedeutungslos sind, dann bleiben wir Freiheitlichen mit diesen 1 230 000 Unterschriften auf der Strecke! Sie haben es in der Hand. Unsere Anträge liegen auf. Wir ersuchen Sie, diesen Anträgen zuzustimmen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

20.35

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kraml. – Bitte.

20.35

Bundesrat Johann Kraml (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die uns heute vorliegenden Gesetze, zum einen das Saatgutgesetz und zum anderen das Pflanzgutgesetz, ersetzen jahrzehntealte Gesetze, die nach dem Beitritt Österreichs zur EU nicht mehr zeitgemäß und daher anzupassen sind.

Der Landwirtschaft soll von geeigneten Sorten Saat- und Pflanzgut von einwandfreier Beschaffenheit zur Verfügung stehen. Sorten mit landeskulturellem Wert sollen durch Eintragung in eine einzige Sortenliste zugelassen werden. Damit soll Unzukömmlichkeiten auf dem Saatgutmarkt abgeholfen werden.


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Die Saatgutanerkennung oder Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Standortsaatgut werden ebenfalls neu geregelt. Zwei Saatgutanerkennungskommissionen und eine Sortenzulassungsbehörde sollen für eine effiziente und sparsame Vollziehung sorgen. Die Neuorganisation soll die bisherigen Kosten von etwa 77 Millionen Schilling auf geschätzte 72 Millionen Schilling verringern.

Auch beim Pflanzenschutz und dem Pflanzgut sind klare Regelungen getroffen worden. Durch die Harmonisierung des Pflanzgutverkehrs sollen in allen Mitgliedstaaten einerseits die Handelshemmnisse abgebaut und andererseits die Versorgung mit gesundem, hochwertigem Pflanzgut sichergestellt werden.

Das Gesetz regelt auch die Zulassung von Versorgern und Labors sowie deren Pflichten. Auf der Kostenseite wird mit einem Gesamtaufwand von jährlich etwa 5,1 Millionen Schilling gerechnet, die für die entsprechenden Prüfungen anzusetzen sind.

Meine Damen und Herren! Der Beitritt Österreichs zur EU hat einen großen Strukturwandel in der Landwirtschaft bewirkt. Die Auswirkungen konnten zum Teil durch Ausweitung der Förderung halbwegs erträglich gehalten werden. Die Agrarpolitik der Zukunft muß verstärkt die Vielfalt der bäuerlichen Leistungen berücksichtigen. Das heißt für mich: Signale setzen gegen die Industrialisierung der Landwirtschaft, denn damit können wir mit Sicherheit nichts gewinnen!

Meine Damen und Herren! Einer Aufstellung entnehme ich, daß sich die Zahl der Biobetriebe von 1990 bis 1996 von 1 600 auf 18 700 erhöht hat. Bereits ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche wird biologisch bearbeitet. Der Markt für Bioprodukte ist vorhanden und entwickelt sich auch von der preislichen Seite her positiv. Österreich ist somit unangefochten das Bioland Nummer eins in Europa. Wir haben somit eine den Bedürfnissen der Menschen angepaßte Landwirtschaft, und das zeigt auch die Flexibilität unserer Landwirte auf.

Meine Damen und Herren! Auf der einen Seite steht in der Landwirtschaft die Massenproduktion mit all ihren negativen Auswirkungen, etwa mit dem ständigen Preiskampf durch die Überproduktion und der Grundwasserverseuchung durch die Intensivdüngung, auf der anderen Seite bietet sich die Spezialisierung auf hochwertige Qualitätsprodukte an, für welche auf dem Markt wesentlich bessere Preise erzielt werden können. Und es gibt bereits Branchen, zum Beispiel einige Weinbauern, die nur mehr auf Qualitätsprodukte setzen und dabei recht erfolgreich sind.

Ich meine, daß wir die Landwirtschaft verstärkt in Richtung solcher Qualitätsprodukte fördern müssen, damit wir – wie es einmal geheißen hat – wirklich der "Feinkostladen Europas" werden, wenn das vielleicht auch leicht überheblich klingt. Ich glaube, daß das der einzige in die Zukunft weisende Weg ist.

Meine Damen und Herren! Säen, ernten, wieder säen, wieder ernten: So hat die Landwirtschaft jahrtausendelang funktioniert. Auch soweit ich mich erinnern kann, war es so, meine Eltern haben noch so gewirtschaftet. Das war der natürliche Kreislauf. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist heute auch noch so!) Heute gibt es eine andere Zauberformel: Saatgut kaufen, säen, ernten, wieder Saatgut kaufen und so weiter. Der Einsatz der Hybridsorten hat den natürlichen Kreislauf unterbrochen. Saatgut läßt sich nicht mehr durch eigene Aussaat vermehren, sondern muß immer neu aus den Elterngenerationen erzüchtet werden. Das heißt aber auch, daß der Landwirt Saatgut immer neu kaufen muß, zum Teil von den Saatgutkonzernen.

Raps, Sonnenblumen, Zuckerrüben, Futterpflanzen und die meisten Gemüsesorten werden bereits jetzt nicht mehr in Österreich gezüchtet, Getreide und Erdäpfel kommen noch aus unserem Land. An diesem Punkt, meine Damen und Herren, setzt die Diskussion über die Gentechnik ein. Gentechnisch verändertes Saatgut und Pflanzgut ist für die einen der blanke Horror und für die anderen ein wichtiger Schritt zur Sortenerhaltung und natürlich auch zur Intensivbewirtschaftung.

Ich habe mir die Presseaussendungen im Zuge der Beschlußfassung der beiden Gesetze im Nationalrat angesehen und habe dabei sehr wenige positive Berichte gesehen. Es gab nur ein


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Thema: daß eventuell gentechnisch verändertes Saat- und Pflanzgut in Umlauf kommen könnte. Die Bevölkerung ist in diesem Zusammenhang mit Sicherheit sehr sensibilisiert.

Meine Damen und Herren! Ich verstehe in diesem Punkt die Haltung der ÖVP nicht ganz: Auf der einen Seite schreibt der Salzburger ÖVP-Landtagspräsident an den Präsidenten des Bundesrates, an den Präsidenten des Nationalrates und an den Bundeskanzler einen Brief, alles zu unternehmen, um die Kennzeichnungspflicht ins Gesetz zu bekommen, und auf der anderen Seite blockieren Sie aber den Landwirtschaftsausschuß, in dem vom Bundesminister eine Präzisierung der Nationalratsentschließung gefordert wurde!

Ich habe in meinen Ausführungen bereits auf die Situation der Biobauern hingewiesen. Diese haben sich in den letzten Jahren in der Hoffnung auf eine biologische Marktnische auf eine ökologische Wirtschaftsweise eingestellt. Die immer wieder propagierte ökosoziale Marktwirtschaft verträgt sich nicht mit der Gentechnik in der Landwirtschaft, und Gentechnik, meine Damen und Herren, verträgt sich auch nicht mit der Idee vom "Feinkostladen Europas", denn in diesem müßte man dann das Schild aufstellen "Achtung! Ware aus biologischem Anbau, aber mit genmanipuliertem Saatgut!"

Meine Damen und Herren! Ob es sich um modifiziertes Saat- oder Pflanzgut handelt, steht jetzt in der Sortenliste, die zudem auch ins Internet gestellt wird oder bereits gestellt wurde, und – was ganz wichtig ist – auch dem Saatgut-Handel steht diese Liste zur Verfügung. Der Herr Bundesminister hat außerdem heute im Ausschuß zugesagt, diesem bis zum 15. September über den aktuellen EU-Stand zu berichten.

Meine Damen und Herren! Mit diesem Kompromiß ist in diesem so sensiblen Bereich die Sicherheit gegeben, daß genmanipuliertes Saat- und Pflanzgut in Österreich nicht auf die Felder kommt. Wir werden daher beiden Gesetzesvorlagen die Zustimmung geben. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

20.43

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Rodek. – Bitte.

20.43

Bundesrat Peter Rodek (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Saatgutgesetz ist auf den ersten Blick nur eine Anpassung an die Bestimmungen der Europäischen Union. Es birgt jedoch einige Brisanz in sich, wie die Turbulenzen in den Ausschußberatungen gezeigt haben, da dieses Gesetz vor allem durch die Gentechnik-Debatte in den Mittelpunkt gerückt worden ist. (Bundesrat Eisl: Das ist der absolute Verkauf an die EU! "Brisanz" ist zu milde!) Nicht unbedingt! Ich komme noch dazu!

Ich wollte sagen: Es geht bei diesem Gesetz in erster Linie gar nicht um den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft, Kollege Eisl, sondern vor allem darum, daß ein Landwirt – wie Kollege Kraml ausgeführt hat –, der Saatgut kaufen will und auch kaufen muß, gleichgültig von wem und von wo, also auch von Nachbarn, sich auch darauf verlassen können muß, daß die versprochenen Eigenschaften wie Keimfähigkeit, Sortenreinheit und so weiter den höchsten Qualitätsnormen entsprechen.

Aber um diesen Standard auch erreichen, halten oder auch verbessern zu können, wird – da gebe ich Ihnen recht! – für uns die Frage der Gentechnik relevant. Ich bin Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesminister, daher sehr dankbar, daß Sie die Anweisung gegeben haben, im öffentlichen Teil dieser Sortenliste deutlich zu machen, ob es sich bei der zugelassenen Sorte um gentechnisch verändertes Saatgut handelt. Über Ihre Initiative soll dies nunmehr auch – und das ist sehr wichtig, auch für Kollegen Eisl! – in der EU-Sortenliste geschehen.

Nebenbei eine kurze Anmerkung: Eine Überarbeitung dieser Sortenliste brachte zutage, was ohnehin zu erwarten war, daß nämlich in Österreich derzeit kein gentechnisch verändertes Saatgut in Verkehr gesetzt wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Deswegen allerdings zu glauben, daß Österreich europa- und weltweit eine gentechnikfreie Insel bleiben kann, ist sicherlich eine Illusion. Daher ist auch die im Volksbegehren geforderte gentechnikfreie Zone Österreich allein schon aufgrund der EU-Bestimmungen weder durchsetzbar noch realisierbar. Die Außenhandelsverflechtungen im Agrarbereich sind zu groß, sodaß unseren Bauern nicht zugemutet werden kann, Garantien für die Gentechnikfreiheit abzugeben, vor allem auch deswegen nicht, weil dies auch ihre Vorlieferanten nicht tun und weil außerdem derzeit nicht genügend Ware, die gentechnisch frei ist, angeboten wird, und wenn, dann zu stark überhöhten Preisen.

Es ist daher eine weitere Zumutung, von unseren Bauern zu verlangen, Genfreiheit zu garantieren, dadurch Produktionsnachteile in Kauf zu nehmen, aber alles zum selben Preis anzubieten! Als Beispiel dafür, wenn es auch nicht unbedingt das beste ist, mögen die Kartoffelbauern im Waldviertel stehen: Diesen Bauern wäre es durchaus möglich, gentechnisch veränderte Erdäpfel anzubauen, die wesentlich mehr Stärke beinhalten. Und wenn man weiß, daß diese Erdäpfel ausschließlich für industrielle Zwecke angebaut werden, also zum Beispiel für die Erzeugung von Klebstoffen, dann dürfte es eigentlich keine Produktionseinschränkungen geben, da diese Erdäpfel nicht in die Nahrungsmittelkette kommen. Bauen die Bauern diese aber nicht an, dann decken sich die Produzenten und Abnehmer aus anderen Gebieten ein. Die Bauern im Waldviertel verlieren somit ihre Existenz, und was das für diesen ohnedies nicht mit Arbeitsplätzen gesegneten Raum und für die ländlichen Gebiete dort bedeutet, kann sich jeder ausrechnen!

Grundsätzlich bewirtschaften unsere Landwirte – das möchte ich betonen – ihren Grund und Boden verantwortungsbewußt und unter Beachtung ökologischer Grundsätze. Sie produzieren gesunde Lebensmittel. Sie brauchen an und für sich die Gentechnik gar nicht. Man muß ihnen aber Chancengleichheit mit anderen EU-Staaten in der Produktion zugestehen. Viele Konsumenten, die in Österreich nach den strengsten Lebensmittel- und Hygienebestimmungen rufen, haben jedoch auf der anderen Seite weniger Bedenken, sich in Tschechien mit unkontrollierten, aber dafür billigen Lebensmitteln einzudecken oder bedenkenlos in den Urlaubsländern eine mit genmanipulierten Tomaten bedeckte Pizza zu verzehren!

Meine Damen und Herren! Man könnte natürlich jetzt stundenlang – aber dazu fehlt die Zeit! – über die Vor- und Nachteile dieser Gentechnik referieren und diskutieren. Dabei ist wirklich interessant, daß sich die Diskussion hauptsächlich im Bereich der Landwirtschaft und der Lebensmittel bewegt. Der Einsatz der Gentechnologie im Bereich der Medizin, zum Beispiel in der Krebsforschung, findet nämlich durchaus breite Akzeptanz, und zwar zu 80 Prozent, wenn man vom Menschen-Klonen, dieser Horrorvision, einmal absieht. 90 Prozent der Österreicher lehnen hingegen die Anwendung der Gentechnik bei den Nahrungsmitteln ab. (Bundesrat Dr. Böhm: Das ist etwas anderes!) Herr Kollege! Die Gentechnik hat in diesen Bereich, allerdings ohne daß man es wußte, schon längst ihren Einzug gehalten. Sie wissen genau, daß Vitamine gentechnisch erzeugt werden, Sie wissen, daß Fermente gentechnisch erzeugt werden, Lab für die Käseerzeugung, Zitronensäure, Hefe, Haltbarmacher und so weiter: Überall ist gentechnisch Verändertes in den Lebensmitteln enthalten, nur ist es zuwenig bewußt!

Warum wird dann eigentlich so viel über die Gentechnik in der Landwirtschaft diskutiert? Welche Chancen, aber auch welche Risken sind damit verbunden? – Nun, seit der Mensch seßhaft ist und Landwirtschaft betreibt, praktiziert er auch die pflanzliche Züchtung. Kollege Kraml ist darauf bereits eingegangen. Unsere heutigen Kulturpflanzen sind durch Kreuzungs- und Hybridtechnik entstanden. Die oft viele Jahre dauernden Kreuzungsversuche werden mit Hilfe der Gentechnik auf nur wochenlange Laborversuche gekürzt. Gleichzeitig versucht man, Pflanzen durch Einbau von Genen gegen Schädlinge aller Art resistent zu machen. Dem Landwirt wird die Schädlingsbekämpfung dadurch erleichtert. Skeptiker sprechen allerdings davon, daß einerseits gesundheitliche Gefahren für den Menschen als Folge des Eingriffs in den Stoffwechsel der Pflanzen nicht ausgeschlossen werden können, zum Beispiel kommt es zum Unwirksamwerden von Antibiotika. Andererseits wird davon gesprochen, daß innerhalb kürzester Zeit Insekten und andere Schädlinge resistent gegenüber den genmanipulierten Pflanzen werden könnten und damit wieder vermehrter Herbizideinsatz notwendig wird.


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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Gentechnik ist noch eine sehr junge Wissenschaft, und wir müssen daher diesen Fragen weiterhin größte Aufmerksamkeit widmen und durch gezielte Forschung allfällige Gefahren ermitteln. Es wäre aber völlig falsch, das Kind mit dem Bade auszuschütten und Österreich von der Genforschung total abzukoppeln. Wer heute den Kopf in den Sand steckt, wird morgen mit den Zähnen knirschen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm. ) Denn die Debatte um die Gentechnologie ist international längst entschieden, wie immer sich auch das vergleichsweise winzige Österreich verhält.

Ein paar Zahlen: Im Vorjahr waren in Europa 716 Firmen in der Biotechnik tätig, sie beschäftigten 27 500 Personen, 60 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Damit ist diese eine der größten Wachstumsbranchen, viele meinen, neben der Telekommunikation die bedeutendste. Führend sind die Briten. Frankreich, Deutschland, Polen dank Milliardeninvestitionen und selbst Litauen, Slowenien und Ungarn befassen sich mit dieser neuen Technologie. Nicht Verbot und Ausgrenzung können daher der österreichische Weg sein, sondern kontrollierte Zulassung, intensive Forschung, vor allem einheitliche und deutliche Kennzeichnung aller genveränderten Produkte.

Daher sind die bisherigen Bemühungen von Bundesminister Molterer in dieser Frage in Brüssel, die bereits schon erste Erfolge gebracht haben, ausdrücklich zu begrüßen. Für meine Fraktion, die sich immer für eine rasche und umfassende Gentechnikkennzeichnung eingesetzt hat, ist es wichtig, daß sich in der wichtigen Frage der Gentechnikkennzeichnung von Saatgut die Linie der Ehrlichkeit, Geradlinigkeit und Machbarkeit voll durchgesetzt hat. Meine Fraktion wird daher dieser Gesetzesvorlage zustimmen. (Beifall bei der ÖVP.)

20.53

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Waldhäusl. – Bitte.

20.53

Bundesrat Gottfried Waldhäusl (Freiheitliche, Niederösterreich): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Kollegen des Bundesrates! Auch ich möchte namens meiner Fraktion noch einige Anmerkungen zum Saatgutgesetz, Pflanzgutgesetz und zu der Änderung des Pflanzenschutzgesetzes anbringen. Ich werde mich, nachdem schon sehr viel berichtet worden ist, auf ein paar Hauptkritikpunkte beschränken. Ich habe meinem Sitznachbarn versprochen, daß ich mich dazu auch positiv äußern werde, und ich werde das auch tun. Ich hoffe, daß das entsprechend mit Applaus honoriert werden wird. Ich werde auch positive Aspekte an diesem Gesetz hervorheben. Der Herr Minister wird mein Zeuge dafür sein!

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich jedoch mit den Kritikpunkten beginnen. Das Saatgutgesetz, das, wie wir schon gehört haben, ein EU-Anpassungsgesetz ist, weist meiner Meinung nach einige Schwerpunkte auf, bei welchen wir mit Kritik nicht gespart haben und weiterhin nicht sparen werden. Es geht hier eindeutig um das Inverkehrbringen. Ich werde darauf dann noch konkret eingehen. Es entsteht das Problem, inwieweit Saatgut in der Nachbarschaftshilfe zum Eigenbedarf weitergeben werden darf beziehungsweise inwieweit Landwirte aufgrund der Nachbarschaftshilfe mit dieser Einschränkung fast kriminalisiert werden. Ich werde das anhand eines Beispieles dann noch erläutern.

Ein weiterer Kritikpunkt ist sicherlich die Nachbaulizenz, über die ich auch noch sprechen werde.

Der Hauptkritikpunkt betrifft sicherlich nicht einen Hauptteil des Gesetzes. Wir haben darüber schon gesprochen, Herr Minister! Die Bevölkerung interessiert insbesondere die Genmanipulation und die Kennzeichnungspflicht am meisten. Darum ist darüber heute am meisten gesprochen worden. Ich glaube, wir sind das auch den Unterzeichnern dieses Volksbegehrens schuldig.

Ich möchte dann ganz kurz darauf eingehen, wie gefährlich die sogenannten Freisetzungsbestimmungen tatsächlich sind, beziehungsweise inwieweit es möglich ist, aufgrund dieses Saatgutgesetzes eine Umgehung beziehungsweise ein Schlupfloch für gentechnisch verändertes Saatgut zu finden, und zwar über die Bewilligung von Versuchssaatgut. All das werde ich in


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wirklich kurzer Form näherzubringen versuchen und auch, lieber Kollege, das Positive nicht vergessen.

Das Saatgutgesetz ist ein EU-Diktat. Man kann es durchaus so bezeichnen. Es werden teilweise multinationale Konzerne bevorzugt, was die Bauern – Kollege Eisl hat es bereits gesagt – weiter in Abhängigkeit bringen wird. Es handelt sich hiebei um ein Gesetz, das in Wahrheit keine Kennzeichnungspflicht für genmanipuliertes Saatgut vorsieht. Es ist damit ein Schlag ins Gesicht all jener, die das Volksbegehren unterstützt und unterschrieben haben.

Meine Damen und Herren! Auch inhaltlich ist das neue Saatgutgesetz heftigst kritisiert worden. Wir haben das in den Vorreden schon gehört. Seitens der Bundesländer bestehen berechtigte Sorgen. Es gibt einen Brief aus Salzburg, den ich auch noch kurz erwähnen werde. Die Länder haben ihre starke Bedenken, daß sie aufgrund der Zentralisierung ihre regionalen Interessen abgeben müssen, schriftlich kundgetan.

Die Züchter werden verstärkt zur Kasse gebeten, und wer wird diese Kosten übernehmen? – Sie werden, wie wir alle aus der Praxis wissen, auf die Bauern abgewälzt werden!

Zum Thema Nachbarlizenzregelung: Dazu möchte ich eine kurze Bemerkung machen, weil Kollege Kraml von den Sozialdemokraten gemeint hat, daß es nicht mehr möglich ist, Saatgut nachzubauen. – Bei Hybridsaatgut ist das sicherlich ein Problem, doch bei anderem Saatgut ist es sehr wohl möglich. Wir werden jedoch in diesem Punkt in Zukunft ein großes Problem haben, denn es ist jetzt möglich, aufgrund der Nachbarlizenzregelung in Zukunft von den Bauern einen gewissen Betrag einzufordern.

Herr Minister! Im Ausschuß habe ich nachgefragt. Es wurde mir gesagt, daß über diese Regelung in den nächsten Wochen oder spätestens in einem Monat wahrscheinlich gesprochen werden wird; über die Höhe ist noch keine Auskunft gegeben worden. Wenn man das Protokoll des Ausschusses des Getreidewirtschaftsfonds anschaut, in welchem auch die Präsidentenkonferenz ihre Stellungnahme dazu abgibt, und verschiedene Stellungnahmen durchliest, dann merkt man, daß seitens der ÖVP nicht gerade Einigung darüber geherrscht hat. Ich möchte aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nur einige Punkte daraus erwähnen: Man kann infolge dieser Regelung kaum kostendeckend wirtschaften, und in Anbetracht einer Kosten-Nutzen-Rechnung ist diese kaum ausgewogen.

Die Züchter schätzen, daß es ein jährliches Nachbaulizenzpotential von 7,6 Millionen Schilling gibt, daß die Einhebungskosten jedoch 2,5 Millionen Schilling betragen werden, wobei jedoch noch nicht gewährleistet ist, ob wirklich alle das zu 100 Prozent tun werden. Denn es ist angenehm, daß im Zuge der Nachbarschaftshilfe ein Landwirt dem anderen Landwirt Saatgut weitergeben kann. Das ist in Zukunft jedoch leider Gottes auf den Bezirk oder den angrenzenden Bezirk beschränkt, aus einem anderen Bundesland wird es nicht möglich sein. Und geschieht das trotzdem, dann wird es wahrscheinlich zu dieser sogenannten Kriminalisierung kommen beziehungsweise ... (Bundesrat Ing. Penz: Was ist bei Ihnen ein Nachbar?) Ich habe Ihnen vorher erklärt: Derjenige dort ist ein Sitznachbar vor mir, das haben Sie ganz genau gehört! Sie sind kein Nachbar von mir, weil Sie nicht neben mir sitzen, das aber auch deswegen, weil ich nicht immer neben Ihnen sitzen will, sonst wären wir vielleicht doch Sitznachbarn, Herr Kollege Penz!

Ich spreche jetzt von der Kriminalisierung, die ich schon erwähnt habe. Ich möchte wirklich verhindern, daß aufgrund von Gesetzen, die wir hier in diesem Hause beschließen, meine Damen und Herren, Bauern teilweise kriminalisiert beziehungsweise rechtlich verfolgt werden. Ich glaube, es kann nicht im Interesse irgendeines Mitglieds des Bundesrates und des Hohen Hauses sein, daß wir hier Gefahren für die Bauern oder überhaupt für Menschen in diesem Staate beschließen. Darum ist diese Kritik völlig berechtigt!

Auf das Schreiben des Salzburger Landtages möchte ich nur kurz eingehen und noch einmal das Wesentliche hervorheben: In die Maßnahmen sollte nach Auffassung des Landtages auch die Möglichkeit eines Einspruches gegen den Beschluß des Nationalrates einbezogen werden. Liest man den Bericht ganz durch, so zeigt sich klar und deutlich, daß mit ihm darauf abgezielt


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wird, die Bundesräte – in diesem Fall jene des Landes Salzburg – zu ersuchen, das Saatgutgesetz 1997 im Sinne der Präambel zu beeinspruchen und die Kennzeichnungspflicht für gentechnisch verändertes Saatgut nach dem Saatgutgesetz einzufordern.

Das ist eine unmißverständliche Aufforderung an die Kollegen aus dem Land Salzburg. Da es darüber heute eine namentliche Abstimmung geben wird, werde ich das Abstimmungsverhalten der Kollegen aus dem Land Salzburg im Hinblick darauf betrachten, ob sie sich an das halten, was ihnen der eigene Landtag vorgegeben hat. Wir werden heute wieder einmal sehen können, was den Salzburger Kollegen ein Auftrag des Landes Salzburg wert ist. Wie weit werden sie die Interessen des Landes, von dem sie in dieses Haus entsandt worden sind, ernst nehmen? (Bundesrat Platzer: Wir haben kein gebundenes Mandat!)

Herr Kollege! Wir haben noch immer das Vertrauen, daß sich die Kollegen aus dem Land Salzburg selbstverständlich gegen dieses Gesetz aussprechen werden. Erst nach der Abstimmung können wir sehen, ob sie umgefallen sind. Momentan rechne ich aber stark damit, daß die Salzburger Kollegen diesem Auftrag nachkommen werden. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. )

Kollege Himmer benimmt sich immer wieder recht lustig. Er hat heute gesagt, er setzt sich ganz nach vorne, damit er leichter hineinschreien und bessere Zwischenrufe machen kann. Nur hat der Abstand zum Redner mit der Qualität des Zwischenrufes überhaupt nichts zu tun! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Eisl: Er liebt die Tuchfühlung!) Kollege Himmer! Das einzige, was Sie erwirken, ist, daß ich Sie besser verstehe. Ob das positiv oder negativ ist, lasse ich dahingestellt. (Der Redner ergreift das Wasserglas.) Jetzt bin ich beim Trinken, jetzt höre ich Ihnen zu. – Bitte. (Bundesrat Mag. Himmer: Also nie wieder etwas anderes sagen ...!)

Abschließend steht in diesem Schreiben: "... mit dem Ersuchen heranzutreten, im Saatgutgesetz 1997 die Verpflichtung, gentechnisch verändertes Saatgut als solches zu kennzeichnen, zu verankern." – Soweit das Land Salzburg.

Die Österreichische Bergbauernvereinigung ist bereits erwähnt und zitiert worden. Weil Kollege Eisl schon darauf hingewiesen hat, möchte ich das nicht mehr wiederholen, sondern nur darauf eingehen, daß sich die Bergbauernvereinigung speziell auf die Biobauern beruft und feststellt, daß es für die Biobauern in Zukunft sehr schwer möglich sein wird, den Konsumenten gegenüber die Produktwahrheit zu gewährleisten. Der Biobauer soll 100prozentig gentechnikfreie Ware produzieren und verkaufen. Wie soll das möglich sein, wenn im Saatgutgesetz – wenigstens bis jetzt – dafür nicht hinreichende Vorkehrungen getroffen worden sind und der Bauer nicht weiß, ob ein Sack gentechnisch verändertes Saatgut enthält? (Bundesrat Ing. Penz: Das ist ja heute im Ausschuß erklärt worden!)

Herr Kollege Penz! Ich bin im Ausschuß gewesen. Ich bin zehn Minuten später als Sie gekommen, weil es auf der Nordbrücke einen Stau gab. Aber wissen Sie, was ich zu Hause meine Bauern sagen werde, wenn ich ihnen erzähle, was heute vor sich gegangen ist? "Lieber zehn Minuten zu spät gekommen!" Denn wenn Sie dieses Gesetz heute mitbeschließen, wäre es besser gewesen, Sie wären zu Hause geblieben, das sage ich Ihnen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Da Sie aber hier sitzen, werde ich Ihren Zwischenruf aufgreifen. Er beschränkt sich einzig und allein auf eine Ausschußfeststellung. Da Sie schon länger für Agrar- und Landwirtschaft in diesem Hause tätig sind als ich und deshalb viel mehr als ich wissen ... (Beifall und Heiterkeit bei der ÖVP.) Das war positiv, ich bitte, das zu vermerken! Es war positiv! Zwar ist es nicht gerade leicht, mehr als ich zu wissen, aber Ihnen, Herr Kollege Penz, gestehe ich das zu. Sie wissen auch, welchen rechtlichen Wert eine Ausschußfeststellung hat. Sie werden diese Ausschußfeststellung im Bundesgesetzblatt nicht wiederfinden! (Bundesrat Ing. Penz: Das ist eine Zusage des Ministers! Der Minister hält Wort!) Der Herr Minister hat uns versprochen, nach der Ernte – ich glaube, spätestens am 15. September – darüber wieder zu berichten. Das habe ich herausgehört, aber im Bundesgesetz ist nichts verändert worden.

Meine Damen und Herren! Hätten wir mit dem Gesetz auf all diese Probleme reagieren wollen, so hätten wir die Möglichkeit gehabt, diese Gesetzesvorlage – da wir die nötigen Punkte nicht


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selbst in das Gesetz einarbeiten können – an den Nationalrat zurückzuverweisen. (Bundesrat Ing. Penz: Das ist ja erklärt worden!) Der Nationalrat hätte das eingearbeitet, und daran hätten Ihre Kollegen, Herr Penz, angefangen bei Schwarzböck, genauso wie die Bauernvertreter in der SPÖ mitarbeiten können. Aber jetzt ist der Zug abgefahren. Sie haben heute nur noch die Möglichkeit, mit dem Antrag, den wir Freiheitliche gestellt haben, dagegen zu stimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Mir geht es darum, klarzustellen, daß die Biobauern überhaupt nichts dafür können, wenn sich außen auf einem Sack nicht erkennen läßt, was drinnen ist. Und wie kommt der Konsument dazu, infolgedessen letztendlich etwas Falsches angeboten zu bekommen?

Es gibt weiters eine Stellungnahme der "Arche Noah" – Herr Minister, Sie werden sie sicherlich schon gelesen haben –, die auch auf das Saatgutgesetz eingeht. Ich möchte daraus kurz zitieren, weil dieses Schriftstück heute noch nicht verlesen worden ist: Daß Saatgut unter den Ausnahmebestimmungen der Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen unter Nachbarschaftshilfe nun ausschließlich unentgeltlich als Versuchssaatgut weitergegeben werden darf, unterstützt keinesfalls den Austausch von pflanzengenetischen Ressourcen zur Förderung der Artenvielfalt, wie es in den Erläuterungen zur Saatgutverordnung heißt.

Auf diese Verordnung komme ich damit zu sprechen, wie Sie bemerkt haben werden, Herr Minister! In einem Papier der Arbeitsgruppe für Sortenvielfalt und Saatgutvermehrung im ökologischen Landbau wird die Saatgutverordnung schwer kritisiert. Dort steht unter anderem der Satz: Gegen den unkontrollierten Umgang mit gentechnisch verändertem Material hilft nur ein generelles Verbot oder aber eine lückenlose Kennzeichnung für solches Material und alle daraus hergestellten Produkte.

Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß nicht nur wir Freiheitliche, sondern kurzfristig auch die Sozialdemokraten im Ausschuß das Richtige gewollt haben. Aber unser Atem war länger. Wir sind nicht mit der ÖVP in einer Koalition, wir müssen keinen Pakt einhalten und können deshalb die Bürger weiter vertreten. Wir werden das heute auch wieder tun, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wir werden 1 230 000 Bürger dieses Staates, die ihre Unterschrift geleistet haben, nicht im Stich lassen. (Zwischenruf des Bundesrates Karl Hager. ) Diese Bürger haben damit einige Hoffnungen verbunden. Bei diesen Worten blicke ich eindeutig auf die Seite der Sozialdemokratischen Partei, die sich als Konsumentenpartei nicht nur immer aufgespielt hat, sondern es in vielen Jahren auch gewesen ist. In diesem Fall muß ich sagen, daß es ein kurzes Aufspielen war: Eine Ausschußfeststellung genügte, und schon waren euch diese eine Million Unterschriften egal. Das, meine Damen und Herren, ist ein Verrat an den Österreicherinnen und Österreichern, die dieses Begehren unterschrieben haben! Wir werden draußen damit vorstellig werden und den Bürgern zeigen: Das sind eure Sozialdemokraten! Sie haben euch im Stich gelassen. Nicht nur die Pensionen werden gekürzt, sondern jetzt bekommt ihr auch noch ein Saatgut, das ein bißchen gentechnisch verändert ist! (Beifall bei den Freiheitlichen. – Heiterkeit bei der ÖVP. – Zwischenruf des Bundesrates Karl Hager. )

Ich möchte nun auf ein sehr ernstes Thema zurückkommen und mit ein paar Worten erklären, daß es dabei wirklich schon fünf Minuten vor zwölf ist, nämlich insofern, als Freisetzungsversuche über Aussaaterklärungen schon vor der Tür stehen. Da gibt es eine Firma AgrEvo, das ist ein Zusammenschluß von Hoechst und anderen Firmen mit Sitz in Deutschland und einer Niederlassung in Österreich. Nun lese ich vor: Diese Firma plante im Rahmen eines Forschungsprogrammes die Aussaat von gentechnisch verändertem Mais in Österreich ab Anfang des nächsten Jahres. Man rechne mit der EU-Zulassung der transgenen Pflanze noch innerhalb dieses Jahres. Der gentechnisch veränderte Mais sei Bestandteil des sogenannten "Liberty"-Projektes. Daher sei am Mittwoch beim Bundesamt für Landwirtschaft in Wien ein entsprechender Antrag auf Zulassung dieses nur für gentechnisch veränderte Pflanzen bestimmten Pflanzenschutzmittels gestellt worden. Als begleitende Maßnahme will AgrEvo weiters nach der erfolgten Zulassung ihres Maises durch die EU in Österreich ein wissenschaftlich orientiertes Forschungsprojekt starten. Jetzt aber kommt es: Dabei würde gentechnisch veränderter Mais in


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Österreich zur Auspflanzung gelangen. Diese Vorgehensweise, so betonte der Geschäftsführer, sei rechtlich keine Freisetzung, sondern eine Aussaat, und dies daher, weil bei einer erfolgten Zulassung des transgenen Maises gemäß EU-Richtlinie 220/90 Annex 2 beziehungsweise 3 Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt beziehungsweise deren Inverkehrbringung in einem Mitgliedstaat, in diesem Falle Frankreich, die Zulassung automatisch für alle 24 anderen Mitgliedstaaten gelte.

Meine Damen und Herren! Das sagt aus und bringt es auf den Punkt, daß diese Gefahr tatsächlich besteht: Man kann Freisetzungsversuche über die Aussaat umgehen!

In diesem Fall – so der Pressesprecher des Landwirtschaftsministeriums Gerhard Popp, gegenüber "AIZ" – würde auch keine Zulassung für das beim Feldversuch verwendete Pflanzenschutzmittel "Liberty" durch das Ministerium erteilt werden. Was der Nimmerrichter dazu sagt, halte man sich auch in dem Fall vor Augen: Es ist keine Freisetzung, sondern eine Aussaat von transgenem Mais.

Ein weiteres Beispiel betrifft eine andere Firma, meine Damen und Herren! Die Einfuhr von gentechnisch verändertem Mais der Firma Novartis wurde vom Konsumentenschutzministerium bereits am 4. Februar verboten. Allerdings kann ein derartiges Importverbot nach EU-Recht – das wissen wir alle – nur auf drei Monate befristet ausgesprochen werden. – Diese EU, die Sie alle uns so angepriesen haben als eine, die alles regeln wird, in der alles eitel Wonne sein wird und in der es keine Probleme geben wird, zeigt uns jetzt (Bundesrat Prähauser: Regeln muß man selber! Die Gemeinschaft ist unbezahlbar!), daß wir innerstaatlich nichts ändern können, Kollege Prähauser!

Ich habe es Ihnen gerade vorgelesen: auf 3 Monate befristet ausgesprochen! Die zuständigen wissenschaftlichen EU-Ausschüsse haben aber keine neuen Gründe gefunden, die die österreichische Entscheidung gerechtfertigt hätten. Man rechnet daher in Österreich mit einem entsprechenden Schreiben aus Brüssel. Die weitere Vorgangsweise ist derzeit noch unklar. Die Beibehaltung des Verbotes würde aber mit Sicherheit eine Klage gegen Österreich vor dem EU-Gerichtshof nach sich ziehen. – Das ist diese hochgepriesene EU! Wir werden eine weitere Klage bekommen, oder wir werden dieses Importverbot wegen des bestehenden EU-Rechts aufheben müssen.

Meine Damen und Herren! Wir hätten schon vor dem EU-Beitritt den Bürgern sagen müssen, daß wir mit all diesen Problemen rechnen müssen. Es ist ein Fehler gewesen, daß wir den Bürgern nicht die Wahrheit gesagt haben! (Bundesrat Mag. Himmer: Ihr!) Unter "wir", Kollege ... (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer. ) Die Freiheitlichen haben als einzige Fraktion den Bürgern die Wahrheit gesagt. Erinnern Sie sich an das Wahlergebnis, Kollege Himmer! (Bundesrat Ing. Penz: Herr Kollege Waldhäusl! Der Import von Mais hat mit dem Saatgutgesetz überhaupt nichts zu tun!)

Herr Kollege Penz! Was womit zu tun hat und worüber ich spreche, das kann die Frau Vorsitzende entscheiden. (Zwischenrufe.) Sie, Kollege Penz, können entscheiden, wann Sie bei der Tür rausgehen und reinkommen und wann Sie sich niedersetzen. Aber mehr, Herr Kollege Penz, können Sie mir gegenüber ... (Heiterkeit bei der ÖVP.) Das reicht Ihnen, aber mir ist das eindeutig zu wenig. Das wird wahrscheinlich für Sie genug sein. (Zwischenrufe.) Darüber, wer die Österreicherinnen und Österreicher belogen hat, haben die Bürger, glaube ich, bei der EU-Wahl bereits entschieden und Ihnen gegenüber entsprechend kundgetan! (Beifall bei der ÖVP. – Rufe und Gegenrufe bei der ÖVP und den Freiheitlichen.) Ja und? Wieviel Stimmen habt Ihr verloren? Habt ihr auch Stimmen dazugewonnen? (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Dr. Tremmel: Es ist schwer, die ÖVP zu vergattern!)

Ich möchte nun mit meinen Ausführungen zum Gentechnikproblem fortsetzen. Dem Landwirt – so schreibt diese Firma – soll mit dem umweltverträglichen Herbizid "Liberty" eine Alternative zu den schon am Markt befindlichen Herbiziden geboten werden. Das Problem dabei ist, daß es ein herkömmliches Mittel mit dem Namen "Basta" gibt, das sich in seinem Wirkstoff nicht unterscheidet. Bei einer Behandlung mit diesem Wirkstoff darf nicht das billigere "Basta" eingesetzt


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werden, sondern nur das teurere "Liberty". Die Firma hofft – das hat der Geschäftsführer schriftlich dargelegt –, auf diese Weise die hohen Entwicklungskosten einzuspielen. Das heißt, daß auch in diesem Fall wieder einmal der Bauer und letztendlich der Konsument die Zeche zu bezahlen haben.

Da ich es versprochen habe, möchte ich abschließend etwas Postives erwähnen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Herr Minister! Es freut mich, daß Sie die gentechnische Veränderung von Saatgut in den Sortenkatalog aufnehmen wollen. Das ist in der letzten "AIZ"-Ausgabe nachzulesen, und Sie haben auch im Ausschuß kurz darüber gesprochen. Bisher liegen zwar noch keine Anträge für diese Saatgutsorten vor, doch könnte beides in Kürze der Fall sein, weil Österreich eine eindeutige Kennzeichnung wünscht. Dieser Wunsch ist sehr positiv zu bewerten. Freilich würde es mir besser gefallen, wenn es nicht beim Wunsch bliebe und wir es hier und heute bereits in die innerstaatliche Regelung aufnehmen würden.

Ich weiß, was Sie dazu sagen: Wenn es parallel dazu das EU-Recht gibt, trägt das weiter zur Verwirrung bei. Trotzdem glaube ich, daß wir es den Österreichern schuldig sind. Auch Kommissar Fischler hat schon davon gesprochen, daß die EU das genmodifizierte Saatgut kurzfristig im EU-Sortenkatalog kennzeichnen werde. Da bisher noch kein gentechnisch modifiziertes Saatgut in der EU zugelassen sei, erfasse diese Regelung künftig, ab dem Herbst, etwaige Zulassungen praktisch lückenlos. Wenn es – wie Kommissar Fischler hofft – ohnehin dazu kommen wird, dann frage ich mich: Warum sollen wir nicht schon ein paar Monate früher in Österreich diesen rechtlichen Schritt setzen? Damit würden wir im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher handeln.

Abgeordneter Maier, ein SPÖ-Abgeordneter aus dem Waldviertel, hat heute früh – ich habe es auf der Fahrt nach Wien gehört – im Radio gefordert, das Waldviertel zu einer gentechnikfreien Zone zu machen. Als ich das hörte, dachte ich, daß die Sozialdemokraten heute im Ausschuß mit uns das vorliegende Gesetz ablehnen würden. Denn wenn Abgeordneter Maier die noch höhere Forderung nach einem gentechnikfreien Waldviertel aufstellt, dann war ich der Meinung, daß wir heute für diese eine Million Bürger auch etwas tun würden könnten. Kaum aber war ich im Ausschuß, mußte ich feststellen, daß Kollege Maier, als er das Interview gab, wahrscheinlich noch nicht wußte, daß seine Kollegen bereits umgefallen sind und auf dem Bauch liegen. (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Die SPÖ ist vor dem Koalitionspartner umgefallen! Das hat er nicht gewußt. Er hat mit etwas mehr Standsicherheit seiner Kollegen im Bund gerechnet. Ich kann Kollegen Maier diese Peinlichkeit nicht ersparen. (Bundesrat Prähauser: Das steht ihm ja frei! Das ist auch lobenswert!) Denn wenn er übers Radio für das Waldviertel eine gentechnikfreie Zone an demselben Tag fordert, an dem seine Kollegen vor der ÖVP in die Knie gehen, dann ist das etwas wirklich "Lustiges" für alle Waldviertler. Jetzt wissen sie, wieviel das Wort eines Sozialdemokraten wirklich wert ist: Nichts! (Heiterkeit bei SPÖ und ÖVP.)

Kollege Kraml hat in seinen Ausführungen gefordert, daß keine Aussaat und keine Freisetzungsversuche erfolgen dürfen. Genau das ist mit diesem Gesetz aber der Fall, lieber Kollege! Aufgrund der Möglichkeit über die Aussaat ist Ihre Forderung jetzt hinfällig, und leider Gottes sind Sie schwer im Irrtum.

Die sogenannte Ausschußfeststellung hat keinen rechtlichen Charakter. Es wird weiterhin mühsam sein, gemeinsam mit dieser einen Million Österreicherinnen und Österreicher für ihre Anliegen zum Schutze der Bauern und zum Schutze der Konsumenten etwas Positives zu erreichen. Aber eines kann ich von dieser Stelle aus allen Österreicherinnen und Österreichern versichern: Wir Freiheitlichen werden nicht umfallen, sondern wir werden an ihrer Seite in ihrem Interesse weiterkämpfen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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21.20

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als nächster zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesminister. – Bitte.

21.20

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, auf das einzugehen, was im Saatgutgesetz und im Pflanzgutgesetz tatsächlich drinnensteht, Herr Kollege Waldhäusl!

Beide Gesetze sind wichtig, sie bieten Sicherheit für die Landwirte. Es ist manchmal frappierend, wie leichtfertig mit dieser Frage umgegangen wird. Für den Bauern ist wohl entscheidend, daß die Qualität des Produktes, des Saatgutes, das er kauft, tatsächlich stimmt und paßt. Denn davon hängt für den Bauern der wirtschaftliche Erfolg eines ganzen Jahres ab. Es ist daher notwendig und gut, daß der Gesetzgeber den bestmöglichen Schutz für die Bauern und Produzenten sicherstellt.

Zweitens: Die gesetzliche Grundlage, die wir jetzt schaffen, ermöglicht der österreichischen Saatgutwirtschaft, daß, wenn Zertifizierungen von Saatgut und Pflanzgut auf Basis dieser neuen rechtlichen Grundlagen erfolgen, damit vom Grundsatz her automatisch das Recht besteht, diese Sorten und dieses Saatgut auch in der Europäischen Union vertreiben zu können. Es ist wohl klar, daß diese Wirtschaftssektoren an einem größeren Markt interessiert sein müssen, weil – wie Sie wissen, meine Damen und Herren – der Aufwand für die Zucht einer Sorte sehr, sehr hoch ist. Je geringer das mögliche Verbreitungsgebiet ist, desto geringer ist auch die wirtschaftliche Grundlage. Wenn wir der österreichischen Saatgutwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage schmälern, dann führen wir die österreichischen Bauern in eine stärkere Abhängigkeit. Das genaue Gegenteil von dem, was häufig gesagt wird, ist also der Fall.

Drittens: Es ist eine Regelung hinsichtlich der Nachbarschaftshilfe sowohl im Saatgutgesetz als auch im Pflanzgutgesetz enthalten. Das Landwirtschaftsministerium hat eine entsprechende Verordnung als Entwurf in Begutachtung gegeben, und die zitierten Schreiben beziehen sich auf den Verordnungsentwurf. Das Landwirtschaftsministerium wird alle kritischen Gruppierungen und Organisationen zu einem Gespräch einladen. Ich füge aber deutlich hinzu: Auch dann werden wir entscheiden müssen, was uns wichtiger ist. Ist uns wichtiger, daß unter dem Titel "Nachbarschaftshilfe" de facto die Zertifizierung und die Qualität der Saatgut- und Pflanzgutregelung ausgehöhlt werden, oder ist es uns wichtiger, für die Bauern Sicherheit zu haben?

Ich bekenne mich dazu, daß wir Nachbarschaftshilfe dort ermöglichen, wo sie ihren Sinn erfüllt. Wenn daraus ein Handel von Saatgut organisiert wird, der eigentlich nur zur Umgehung des Saatgutgesetzes führt, dann bin ich dafür nicht zu haben, weil das ein schlechter Dienst an den Bauern wäre.

Meine Damen und Herren! Auch zur Frage Gentechnik und Kennzeichnung möchte ich einige ergänzende Bemerkungen anfügen, die aus meiner Sicht notwendig sind und zu mehr Klarheit beitragen sollen. – Offensichtlich rächt es sich, wenn man zehn Minuten zu spät kommt, Herr Bundesrat Waldhäusl!

Das Saatgutgesetz beinhaltet bereits jetzt in § 15 die Möglichkeit einer Kennzeichnung, wenn das europäische Recht diese Kennzeichnung ermöglicht. Warum lege ich darauf Wert? – Wir müssen uns vor Augen halten, was die Folge wäre, wenn jetzt sofort ein nationales Gesetz für die Kennzeichnung in Rechtskraft treten würde. Das würde bedeuten, daß wir nur jene Sorten, die im österreichischen Sortenregister zugelassen sind, tatsächlich kennzeichnen könnten. Das würde aber weiters bedeuten, daß alle Sorten, die im europäischen Sortenregister zugelassen sind, nicht dieser Kennzeichnung unterliegen würden. Das hätte zur Folge, daß eine Sorte, wenn sie im europäischen Register aufscheint und am österreichischen Markt ist, ohne Kennzeichnung am österreichischen Markt wäre, wogegen ein österreichisches Produkt gekennzeichnet sein müßte. Das würde weiters zur Folge haben, daß Mischungen von Saatgut aus österreichischen oder anderen Sorten nicht gekennzeichnet werden könnten. Ich frage mich, ob das ein sinnvoller Weg wäre. Er würde nämlich nicht zur Sicherheit, sondern zur Verwirrung beitragen.

Ich habe daher aufgrund einer Entschließung des Nationalrates in einem Zwischenschritt entschieden, daß Kennzeichnungen in der österreichischen Sortenliste zu erfolgen haben. Es ist nicht so, Herr Bundesrat Eisl, daß das nur im Internet steht, sondern ich habe auch veranlaßt,


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daß diese Information im Saatguthandel zugänglich ist. Ich kann nur neuerlich bestätigen, daß es derzeit keine in Österreich zugelassene Sorte gibt, die genmodifiziert ist.

Wir streben den besseren Weg an, nämlich die europäische Regelung. Es freut mich, daß es mit Unterstützung und Druck seitens Österreichs gelungen ist, daß die Kommission jetzt einen Entwurf für eine Novelle der Richtlinie 220/90 am 18. Juni beschlossen hat, der dem Europäischen Parlament vorgelegt wird. Ich hoffe, er wird dort schnell positiv begutachtet.

Zweitens gibt es die Saatgutrichtlinie, die die Kennzeichnung in der Europäischen Union ermöglicht und auch regelt. Dazu wird – ich hoffe, noch vor dem Sommer – das Europäische Parlament eine Stellungnahme beschließen, die die Kennzeichnung von genmodifiziertem Saatgut auf EU-Ebene verlangt. Ich gehe davon aus, daß die Kommission und der Rat diesen Schritt unterstützen werden.

Drittens verlangen wir, daß in der Frage der Zulassung ins europäische Sortenregister erst dann nächste Schritte gesetzt werden, wenn Kennzeichnungen sichergestellt sind.

Ich bin daher froh, daß viertens der Kommissar erklärt hat, denselben Schritt, den ich mit meiner Anweisung in Österreich getan habe, auch in der Union zu tun: durch eine Verwaltungsvorschrift bereits jetzt im EU-Sortenregister kennzeichnen zu lassen, ob es sich um eine modifizierte Sorte handelt oder nicht. Daher können alle Produzenten davon ausgehen, daß sie die notwendige Sicherheit haben. Ich werde selbstverständlich zeitgerecht einen entsprechenden Entwurf für die weitere Vorgangsweise vorlegen und spätestens am 15. September dem Bundesrat und dem Hohen Haus über den dann gegebenen Status berichten.

Gestatten Sie mir abschließend noch folgenden Satz: Ich respektiere selbstverständlich – wir unterstützen das auch – alle Bemühungen, die in Richtung Genfreiheit von einzelnen Produktionssparten wie etwa dem biologischen Landbau zielen. Ich verhehle aber nicht und habe in dieser Hinsicht aus meiner Meinung nie ein Geheimnis gemacht: Es ist richtig, daß mit dieser neuen Technologie Risken verbunden sind. Es ist aber genauso richtig, daß mit dieser neuen Technologie Chancen verbunden sind, meine Damen und Herren!

Ich frage mich, ob wir es verantworten könnten, durch eine ausschließlich emotional begründete Entscheidung, durch eine Entscheidung aus der Emotion heraus unserem Land Chancen zu nehmen – Chancen, die auch im Bereich der Landwirtschaft gegeben sind, möglicherweise sogar im Hinblick auf eine stärkere ökologische Orientierung der Landwirtschaft. Ich möchte mir nicht den Vorwurf machen lassen, Österreich Chancen genommen zu haben. Daher bitte ich um eine rationale Diskussion, die nicht schwarzweiß vor sich geht, sondern in der Sache entscheidet, so wie das die Linie der Bundesregierung ist. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.28

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Kollege.

21.28

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Herr Bundesminister! Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister, ich lasse das nicht so im Raum stehen. Sie wissen, daß Österreich lobbyismusstark ist. Ich habe das Gefühl und nahezu die Überzeugung, daß Sie ein Opfer des Lobbyismus sind.

Wenn Sie über die Vorgangsweise des Landes Salzburg, das sich sicherlich auch etwas zu diesem Gesetzentwurf gedacht hat, der Meinung sind, daß das ein inhaltsleerer Brief ist, überlasse ich das Ihnen, und das tue ich auch, wenn Sie so etwas von der Bergbauernorganisation und anderen Organisationen glauben, die auch in der Sache Bescheid wissen und sich herausgefordert fühlen, Schriftstücke an alle Beteiligten zu versenden. Dann kann ich mich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß die Saatgenossenschaften und darüber hinaus auch die Raiffeisenorganisation auf diesem Gebiet entsprechend Druck machen. Ich verstehe auch und kann Ihnen dazu gratulieren, daß Sie mit diesem Gesetz jenen Persilschein bekommen haben,


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mit dem Sie das entscheiden können, was die Raiffeisenorganisationen von Ihnen verlangen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.29


Bundesrat
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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Der Herr Bundesminister hat sich neuerlich zu Wort gemeldet. – Bitte.

21.29

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Bundesrat Eisl! Ich weise in aller Schärfe zurück, was Sie jetzt gesagt haben, weil das, was Sie gesagt haben, bedeuten würde, daß ich käuflich bin. Herr Bundesrat Eisl! Ich verwahre mich gegen derartige Aussagen! Ich stehe zu dem, was das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft im Entwurf vorgelegt hat, weil ich das für eine gute und richtige gesetzliche Entscheidung halte.

Zweitens: Ich stehe auch zu den entsprechenden Abänderungen, die der Ausschuß vorgenommen hat, etwa in der Frage der Nachbarschaftshilfe. Herr Bundesrat Eisl! Würden Sie ein wenig von der wirtschaftlichen Realität verstehen, dann hätten Sie registriert, daß ich genau für diese Abänderung betreffend Nachbarschaftshilfe im Landwirtschaftsausschuß nicht von jenen gelobt wurde, die Sie immer zitieren! In meinem Stil von politischer Verantwortung liegt es auch, daß ich dem inhaltlichen Wunsch Rechnung trage. Und es wurde dem inhaltlichen Wunsch sehr wohl Rechnung getragen, auch in der Frage der Kennzeichnung. Es ist für jeden ersichtlich, welche Sorte modifiziert ist und welche nicht. Denn mir geht es um inhaltliche Weichenstellungen und nicht um Show! (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

21.31


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 169

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach:
Wünscht noch jemand das Wort? – Dies ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates, die getrennt erfolgt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrats vom 14. Mai 1997 betreffend ein Bundesgesetz über die Saatgutanerkennung, die Saatgutzulassung und das Inverkehrbringen von Saatgut sowie die Sortenzulassung; Bundesgesetz, mit dem das Sortenschutzgesetz geändert wird; Bundesgesetz, mit dem das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 geändert wird, und Bundesgesetz, mit dem das Düngemittelgesetz geändert wird.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Eisl und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Hiezu ist eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Ich gehe daher so vor.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Markowitsch und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich gebe nunmehr das Ergebnis der Abstimmung bekannt.

Auf den Antrag der Bundesräte Eisl und Kollegen, gegen den Beschluß des Nationalrates Einspruch zu erheben, entfallen 13 "Ja"-Stimmen und 42 "Nein"-Stimmen.

Dieser Antrag der Bundesräte Eisl und Kollegen ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Dr. Böhm, Dr. Bösch;

Eisl;

Mag. Gudenus;

Dr. Harring;

Moser, Mühlwerth;

Prähauser;

Dr. Riess-Passer, Dr. Rockenschaub;

Dr. Tremmel;

Waldhäusl, Weilharter.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Crepaz;


Bundesrat
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628. Sitzung / Seite 170

Drochter;

Fischer, Freiberger;

Gerstl, Giesinger, Ing. Grasberger, Grillenberger, Gstöttner;

Hager Karl, Hager Wolfgang, Haselbach, Mag. Himmer, Dr. Hummer, Hüttmayr;

Jaud;

Kainz, Dr. Kaufmann, Konečny, Kraml;

Dr. Liechtenstein, Dr. Ludwig, Lukasser;

Markowitsch, Meier;

Payer, Ing. Penz, Pfeifer, Pischl, Platzer, Ing. Polleruhs;

Rauchenberger, Rieser, Rodek;

Schaufler, Steinbichler;

Mag. Tusek;

Weiss, Mag. Wilfing, Winter, Wöllert.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 11. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Pflanzgutgesetz 1997 erlassen und das Pflanzenschutzgesetz 1995 geändert wird.

Es liegt zunächst ein Antrag der Bundesräte Eisl und Kollegen vor, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates samt der angeschlossenen Begründung Einspruch zu erheben.

Hiezu ist ebenfalls eine namentliche Abstimmung verlangt worden.

Da dieses Verlangen von fünf Bundesräten gestellt wurde, ist gemäß § 54 Abs. 2 der Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung durchzuführen.

Im Sinne des § 55 Abs. 5 erfolgt die Stimmabgabe nach Aufruf durch die Schriftführung in alphabetischer Reihenfolge mündlich mit "Ja" oder "Nein".

Ich ersuche nunmehr die Schriftführung um den Aufruf der Bundesräte in alphabetischer Reihenfolge.

(Über Namensaufruf durch die Schriftführerinnen Markowitsch und Giesinger geben die Bundesrätinnen und Bundesräte ihr Stimmverhalten mit "Ja" oder "Nein" bekannt.)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich gebe nun das Abstimmungsergebnis bekannt.

Demnach entfallen auf den Antrag der Bundesräte Eisl und Kollegen, gegen den Beschluß des Nationalrates Einspruch zu erheben, zwölf "Ja"-Stimmen und 43 "Nein"-Stimmen.

Der Antrag der Bundesräte Eisl und Kollegen ist somit abgelehnt.

*****

Mit "Ja" stimmten die Bundesräte:

Dr. Böhm, Dr. Bösch;

Eisl;

Mag. Gudenus;

Dr. Harring;

Moser, Mühlwerth;

Dr. Riess-Passer, Dr. Rockenschaub;

Dr. Tremmel;

Waldhäusl, Weilharter.

Mit "Nein" stimmten die Bundesräte:

Bieringer;

Crepaz;

Drochter;

Fischer, Freiberger;

Gerstl, Giesinger, Ing. Grasberger, Grillenberger, Gstöttner;

Hager Karl, Hager Wolfgang, Haselbach, Mag. Himmer, Dr. Hummer, Hüttmayr;

Jaud;

Kainz, Dr. Kaufmann, Konečny, Kraml;

Dr. Liechtenstein, Dr. Ludwig, Lukasser;

Markowitsch, Meier;

Payer, Ing. Penz, Pfeifer, Pischl, Platzer, Polleruhs, Prähauser;

Rauchenberger, Rieser, Rodek;

Schaufler, Steinbichler;

Tusek;

Weiss, Mag. Wilfing, Winter, Wöllert.

*****

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Meine Damen und Herren! Ich möchte ein Ersuchen an Sie richten: Wir sind zwar jetzt am Ende dieses Abstimmungsverfahrens, aber die Kolleginnen und Kollegen der Parlamentsdirektion haben mir mitgeteilt, daß es für sie sehr schwer ist, zu hören, ob "Ja" oder "Nein" gesagt wird, wenn im Plenum während der Abstimmung gesprochen wird. Ich bitte daher für zukünftige Abstimmungen, das in dieser Weise zu berücksichtigen!

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

18. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Hydrographiegesetz geändert werden (Wasserrechtsgesetz-Novelle 1997 – WRG-Nov. 1997) (321 und 727/NR sowie 5479/BR der Beilagen)

Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 18. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Wasserrechtsgesetz 1959 und das Hydrographiegesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Rieser übernommen. Ich darf ihn um den Bericht bitten.

Berichterstatter Peter Rieser: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor. Ich verzichte daher auf eine Verlesung.


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Der Ausschuß für Land- und Forstwirtschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Andreas Eisl. Ich erteile es ihm.

21.44

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Herr Bundesminister! Es ist unumstritten, daß einige gravierende bürokratische Hemmnisse mit diesem neuen Gesetz abgebaut wurden.

Wie aber aus dem Bericht hervorgeht, kündigt Abgeordneter Keppelmüller bereits einen vierten Schritt der Novellierung an. Dies ist auch aus der Regierungsvorlage eindeutig zu entnehmen. – Im dazugehörigen Ausschußbericht heißt es: "Durch den Beitritt Österreichs zur EU sind wasserbezogene Regelungen auch für Österreich wirksam geworden." Es ist dies wieder ein Gesetz der Angleichung an die EU.

Weiter heißt es: "Zur Vermeidung von Verletzungsverfahren ist daher eine weitere Anpassung wasserrechtlicher Vorschriften unbedingt erforderlich." Österreich wird –- das kann man heute schon im voraus sagen – im Zusammenhang mit dem Wasser genauso von der EU vereinnahmt werden, wie es beim Transit und bei anderen Dingen der Fall war. Dieser Fortschritt des Wasserrechtsgesetzes ist für Österreich auf lange Sicht gesehen ein Nachteil.

Durch die Neuregelung des § 33 Abs. 6 wurde leider nur eine halbe Lösung getroffen. Denn wenn auch der 20prozentige Selbstbehalt für die Grundbesitzer aufgehoben wurde, so bleibt die Entschädigung bislang immer noch eine Kann-Bestimmung, und jeder kennt die Situation der öffentlichen Budgets. Es werden nur sehr wenige eine Entschädigung erwarten können.

Demgegenüber hat die OMV durch § 33 Abs. 6 des Wasserrechtsgesetzes maßgeschneidert "einen Freibrief erhalten". – So stand es in den "Salzburger Nachrichten". Wenn es jetzt nämlich erlaubt ist, verbotene Stoffe in das Grundwasser zu leiten, wenn wasserwirtschaftliche Verhältnisse es zulassen beziehungsweise es aus bergbautechnischen Gründen notwendig ist, dann ist das äußerst bedenklich. Es kann zwar im nachhinein eine wasserrechtliche Bewilligung angefordert werden, aber Sie wissen ganz genau, daß die OMV die Behörde mit Gutachten zudecken wird, das heißt, die OMV hat den längeren Atem. Außerdem handelt es sich hiebei nicht nur um eine Lex OMV, es haben sich auch die Schotterunternehmer massiv durchgesetzt. Bei § 31a Abs. 6 handelt es sich eindeutig um ein Zugeständnis an die Schotterbarone.

Ich gebe zu, daß es – wie schon erwähnt – gute Änderungen dieses Gesetzes gegeben hat. Es ist zu massiven Verfahrensvereinfachungen gekommen. Das ist als absolut positiv zu vermerken. Es geht aber nicht an, daß diese Verfahrensvereinfachung soweit geht, daß etwa gemäß § 14 Abs. 3 eine Bewilligung dann gegeben ist, und zwar in vollem Umfang, wenn die Behörde nicht innerhalb von drei Monaten nach Einlangen der Anzeige schriftlich mitteilt, daß ein Bewilligungsverfahren notwendig ist. Im nachhinein – aus welchen Gründen auch immer – wird kein Verfahren mehr möglich sein, denn dann ist dies genehmigt. Das ist sozusagen eine Fallfrist. Wenn wie in so einem Fall die Bewilligung automatisch erfolgt, nur weil der zuständige Beamte innerhalb von drei Monaten nicht handelt, dann ist jede Anlage bewilligt. In diesem Punkt geht die Deregulierung nach unserem Ermessen zu weit!

Ich habe den Vorschlag gelesen. Es sind in der Tat strenge Vorschriften hinsichtlich dieser Nutzung vorgesehen. Insbesondere lassen die angeforderten Analysen, die nach dem Vorschlag bis zum 31. Dezember 2001 von den Mitgliedstaaten abgegeben werden müssen, einiges erahnen. Es sollen nämlich Analysen über die Entnahme und Verteilung von Süßwasser gemacht werden, über Umfang, Preis und Kosten der Sammlung und Entsorgung der Abwässer, über die Aufschlüsselung in den einzelnen Wirtschaftssektoren. Weiters sollen Langzeitprognosen von Angebot und Nachfrage erstellt, Infrastrukturinvestitionen ermittelt und


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628. Sitzung / Seite 172

Trends der Vergangenheit und Saisonschwankungen analysiert werden. Mit einem Wort: Es müssen der Europäischen Union sehr genaue Informationen und Daten zugeleitet werden.

Wenn man weiß, daß im Rahmen eines gemeinsamen Wirtschaftsplanes vor allem auch Oberflächengewässer grenzüberschreitend gemanagt werden sollen, dann nützt auch der Hinweis auf § 130, den Sie, Herr Bundesminister, in Ihrer Aussendung gemacht haben, nicht sehr viel. Denn ich glaube, daß bei der Regierungskonferenz das Einstimmigkeitsprinzip in der Europäischen Union abgeschafft werden wird, was bedeutet, daß Österreich von der demokratiepolitischen Situation in bezug auf seine Möglichkeiten in der Europäischen Union sehr eingeschränkt sein wird.

Wir Freiheitlichen schlagen daher vor, rechtzeitig Verfassungsbestimmungen oder Staatszielbestimmungen zu schaffen, um den Zugriff der Europäischen Union auf die österreichischen Wasserressourcen zu verhindern. Denn ich glaube, daß dieses kostbare Gut Wasser ein Geschäft für die Republik Österreich werden könnte.

Ein weiterer Punkt sind die Wasserwirtschaftsrichtlinien der EU, die jetzt schon vom Rat diskutiert werden und aus welchen eindeutig und klar hervorgeht, daß die EU in Zukunft vor allem hinsichtlich der Nutzung der entsprechenden Wassermengen eines Mitgliedstaates ein gewaltiges Wörtchen mitzureden hat. – Aus diesen Gründen werden wir diesem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

21.51


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628. Sitzung / Seite 173

Vizepräsident Jürgen Weiss:
Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Josef Pfeifer. Ich erteile es ihm.

21.51

Bundesrat Josef Pfeifer (SPÖ, Kärnten): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wie aus dem Ausschußbericht hervorgeht, sind durch den Beitritt Österreichs zur EU deren wasserbezogene Regelungen auch für Österreich wirksam geworden. Die mit der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 angestrebte Kompatibilität mit EU-Recht konnte naturgemäß keine vollständige Umsetzung von EU-Recht bewirken. Zur Vermeidung von Vertragsverletzungsverfahren ist daher eine weitere Anpassung wasserrechtlicher Vorschriften unabdingbar.

So steht es auch im Bericht, und so ist es auch im Nationalrat schlußendlich sehr eingehend diskutiert worden. – Es ist nur schade, daß Sie im Ausschuß nicht mitgewirkt haben und damit all Ihre Besorgnisse nicht einbringen und auch nicht mit diskutieren konnten! Sie haben diese Chance nicht ergriffen! (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Tremmel. )

Meine Damen und Herren! Herr Minister! Es ist aber sicherlich notwendig, daß Novellen beschlossen werden. Im Grunde handelt es sich um ein modernes Wasserrechtsgesetz mit Verfahrenserleichterungen, und es werden auch in Zukunft – davon bin ich überzeugt – Novellen notwendig sein. Als Bürgermeister einer Gemeinde gebe ich zu, daß in diesem Zusammenhang Ängste vorherrschen. In unserer Gemeinde haben wir zum Beispiel im gesamten Gemeindegebiet 86 Prozent Wasserschongebiet, und die Leute verstehen nicht, warum sie gerade jetzt einen teuren Kanal finanzieren und bauen müssen, aber dann von dem Grundwasser nichts haben sollen, weil dieses Grundwasser geschützt werden muß. Ich sehe das ein. Auch diesbezüglich muß irgendeine Regelung getroffen werden, das mit der Entschädigung allein ist zuwenig, das funktioniert nicht.

Meine Damen und Herren! Ich will hier nicht weiter erläutern. Auch die Fristverlängerungen auf dem Wassersektor sind notwendig, um den Gemeinden und den Verbänden zu helfen, weil sie zum Teil überfordert sind. Wasser ist unser kostbarstes Gut, das wissen wir alle, es ist das Gold der Zukunft. Die SPÖ-Fraktion wird dem Gesetz die Zustimmung erteilen und keinen Einspruch erheben. (Beifall bei der SPÖ.)

21.54

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Leopold Steinbichler. Ich erteile es ihm.

21.54

Bundesrat Leopold Steinbichler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Minister! Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Beschluß des Nationalrates, mit dem das Wasserrechtsgesetz geändert wird, beinhaltet viele zukunftsweisende Veränderungen. Durch die Deregulierung und die Zusammenlegungsverfahren werden Zigtausende Verfahren und damit natürlich immense Kosten eingespart.

Diese Novelle ist in drei Abschnitte gegliedert und umfaßt folgende Kernbereiche:

Erstens: Schutz des Menschen vor schädlichen Wirkungen des Wassers. – Es muß und sollte im Selbstverständnis unserer Gesellschaft und Politik verankert sein, daß wir alle Maßnahmen im täglichen Leben, aber natürlich auch in der Gesetzgebung und in der Politik nützen, um dieses Ziel zu erreichen.

Eine Anmerkung dazu, weil der Herr Kollege vorhin den Kanalbau angesprochen hat: Ich meine, gerade im ländlichen Raum, wo die Siedlungsdichte nicht sehr groß ist, sind die Projekte, die kostengünstige Verfahren ermöglichen, zu forcieren, um eine mögliche Dichte zu erreichen.

Zweitens: Sinnvolle Nutzung der Wasserresourcen. – Viel zu wenig ist uns der Wert eines qualitativ hochwertigen Trinkwassers in den letzten Jahren bewußt gewesen. Wovon man genug hat, dessen Wert schätzt man am geringsten. Dies trifft wohl auch auf unseren Gott sei Dank großartigen Wasserreichtum zu. Erst im Zuge der EU-Verhandlungen wurde aufgrund falscher Behauptungen, etwa daß die EU-Staaten kostenlosen Zugriff auf unser Trinkwasser bekommen, der Wert dieses kostbaren Gutes auch auf breiterer Basis bekannt, und man begann, diesen zu schätzen. Vielen Bürgerinnen und Bürgern wurde erstmals bewußt, wie verschwenderisch wir zum Teil mit diesem Gut Wasser umgehen beziehungsweise wie ungenutzt wir dieses Gut über die Länder und Staatsgrenzen fließen lassen.

In diesem Zusammenhang sind zielgerichtet Überlegungen anzustellen und Strategien zu ermitteln, damit wir in weiterer Folge diesen Wasserreichtum auch in volkswirtschaftlichen Nutzen umsetzen und die daraus erzielten Mittel – wie bereits angesprochen – in die Regionen und damit verstärkt auch in den ländlichen Raum zurückfließen lassen können.

Drittens: Schutz des Wassers vor menschlichen Eingriffen. Für mich ist das der bedeutendste Punkt, es ist aber auch der sehr oft am falschesten dargestellte. Ich betone bei diesem Punkt besonders, daß zuwenig zwischen Wassernützern und Wasserschützern unterschieden wird. Vor allem die Landwirtschaft wird oftmals fälschlicherweise als Belaster hingestellt. Natürlich gehört die Landwirtschaft neben der Industrie, dem Gewerbe und den privaten Haushalten zu den Wassernützern. Ich möchte aber hier betonen, daß die Landwirtschaft mit der Bewirtschaftung von über 85 Prozent der Fläche wohl der bedeutendste Trinkwasserschützer der Nation ist. Sicherlich wurde in den letzten Jahren in manchen Bereichen des chemischen Pflanzenschutzes und der Düngung überzogen, dies aber – das möchte ich besonders betonen – nicht nur wegen der fälschlicherweise dargestellten Gewinngier der Bauern, sondern weil sie auch wissenschaftlich und fachlich in diese Richtung beraten wurden. In Anbetracht dessen fragt man sich, warum diese Fachexperten heute schweigen und keine Verantwortung mittragen.

Mit dem EU-Beitritt und der Einführung des ÖPUL-Programmes wurde die Verwendung von Mineraldüngern und Spritzmitteln allerdings massiv eingeschränkt. – Ich möchte hinzufügen: Wenn tatsächlich die Landwirtschaft der Hauptverschmutzer wäre, dann müßten wir im städtischen Bereich logischerweise die beste Wassergüte haben!

Eine besondere Gefahr sehe ich im Verhalten mancher Bürgerinnen und Bürger, aber auch in der Berichterstattung der Arbeiterkammer, welche die Verwendung von Wirtschaftsdünger in jeglicher Form angreifen und sich dessen nicht bewußt sind, daß es sich bei den bäuerlichen


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Betrieben mit Tierhaltung um ökologische Kreislaufbetriebe handelt, die am meisten zur Erhaltung des Grundwassers insbesondere in den Grünlandgebieten beitragen.

Viele chemische Keulen in vielen Bereichen unserer Wohlstandsgesellschaft bedrohen unser Lebensmittel Wasser. Viele Lügen werden täglich in der Werbung zum Beispiel für Haushalts- oder auch Industriereiniger verbreitet, etwa unter dem Motto "Alles Öko, oder was". – Bemühen wir uns daher gemeinsam, unser kostbares Gut Wasser zu erhalten, die Wertschätzung desselben zu erhöhen und die Bewußtseinsbildung zu fördern! Produktivität allein darf nicht die Zielsetzung sein, was leider jetzt durch die internationale Diskussion mit den Vereinigten Staaten bestätigt wird. Langfristigkeit und Nachhaltigkeit müssen nachvollziehbar und meßbar sein. Diese Novelle ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, und meine Fraktion wird deshalb die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

22.00

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Paul Tremmel. Ich erteile es ihm.

22.00

Bundesrat Dr. Paul Tremmel (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Aus drei Gründen habe ich mich zu Wort gemeldet. Zunächst geht es um die fulminante Rede des Ministers Bartenstein bei der Umweltkonferenz in New York, in der er dargestellt hat, daß klares Wasser, reine Luft und eine unvergiftete Erde Güter sind, die in Österreich in unbeschränktem Ausmaß zur Verfügung stehen. Das stimmt noch.

Ein weiterer Grund – mein Vorredner hat es bereits erwähnt – ist der Schutz des Wassers vor menschlichen Eingriffen. Ich werde anschließend ausführen, daß diese Zielvorgabe nicht ganz erreicht worden ist.

Drittens geht es um ein leichtes Kopfschütteln, Herr Minister, das Sie vorhin zeigten, als mein Parteifreund Eisl über die EU sprach und Artikel 130s anführte, in dem das Einstimmigkeitsprinzip verankert ist, für das nun neuerlich gekämpft worden ist. Daß es gilt, weiß ich auch. Aber Sie wissen ebenso, daß ein Grundsatzbeschluß des Europäischen Parlaments vom Sommer vorigen Jahres existiert, in dem ausgesagt wird, daß die nordischen Länder verhalten werden, den wasserarmen südlichen Ländern Wasserreserven zur Verfügung zu stellen.

Ich kann mir nicht so ganz vorstellen – auch wenn jetzt großartig dargestellt wird, daß wir für das Einstimmigkeitsprinzip gekämpft und es durchgesetzt haben –, daß es nicht möglicherweise nächstes Mal aufgehoben wird. Das kann durchaus der Fall sein, und deshalb meinen wir, daß wir diese drei wertvollen Güter in einer Vorsorgemaßnahme verfassungsmäßig besonders verankern sollten.

Der nächste Punkt – auch darauf ist Freund Eisl bereits eingegangen – betrifft § 32a, in dem es unter anderem heißt: Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft kann im allgemeinen Interesse an der Reinhaltung des Grundwassers sowie in Erfüllung gemeinschaftlicher Verpflichtungen durch Verordnungen und Beschränkungen die Bewilligung der Einbringung bestimmter Stoffe in das Grundwasser verfügen. – Diese werden anschließend genannt, unter anderem: "Bohrlochbergbau". Genau auf diesen Bereich bezieht sich die Pressemeldung, die Bundesrat Eisl zitiert hat: Ein Liter Öl verunreinigt mehrere tausend Liter Wasser. Man sollte es einem industriellen Bereich nicht so leicht machen, daß das Bohrlochbergwasser abgeleitet werden kann, gibt es doch heute technische Möglichkeiten, die nicht allzu aufwendig sind, um das Wasser von verunreinigenden Stoffen zu trennen.

Da Sie eine solche Verordnung erlassen können, Herr Minister, ist das meine zweite Bitte an Sie: Erlassen Sie sofort eine Verordnung, um den Schutz des Wassers – vor allem in Großbereichen – entsprechend zu gewährleisten!

Als dritten Bereich möchte ich große Ballungsräume wie Graz erwähnen. Das betrifft § 32b, die sogenannten Indirekteinleitungen. Ich sage es nur in Schlagworten: Bewilligungspflicht wird generell durch Bewilligungsfreiheit ersetzt. Wir befürchten einen geringen Schutz des Kanalisa


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tionsunternehmens – bei uns ist das meistens das Kanalbauamt –, das nach wie vor voll verantwortlich ist. Es kommt dadurch zu keiner Verfahrensvereinfachung, sondern es ergibt sich für diesen Bereich ein Mehraufwand. Unser Änderungsvorschlag, Herr Minister, lautet, daß man in dieser Hinsicht zumindest ein Anzeigeverfahren nach § 114 vorsieht. Ich nenne dafür ein praktisches Beispiel: Die Stadt Graz führt derzeit ein Kanalisierungsprogramm durch, und wenn diese Möglichkeit nicht im Gesetz vorgesehen wird, dann wird es sehr schwierig werden, eine Vollkanalisierung durchzuführen.

Ein anderer Punkt ist § 99. Damit ergibt es sich in den Statutarstädten auf einmal, daß das Kanalbauamt gleichzeitig auch Wasserrechtsbehörde ist. Dadurch entsteht eine Exekutivlastigkeit. Es muß jeder Bereich kontrolliert werden. Das halte ich für gut.

Auf diese Bestimmungen wollte ich hinweisen, weil sie für uns so schwere Mängel aufweisen, daß wir leider in diesem Fall dem Gesetz nicht die Zustimmung geben können. Hingegen hat sich der Vorläufer dieses Gesetzes durch eine besondere juridische Feinheit ausgezeichnet, nämlich dahin gehend, daß man dieses Gesetz vorher den Verwaltungsbereichen zu einer Erprobung zukommen ließ. Bei der vorliegenden Novellierung ist das offensichtlich nicht in ausreichendem Maß geschehen. Sonst hätte ja der Städtebund nicht eine entsprechende Remonstration eingebracht.

Aus diesen und aus den Gründen, die mein Vorredner genannt hat, können wir dieser Materie die Zustimmung leider nicht geben. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.06

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Bundesminister Mag. Willi Molterer hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

22.06

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Mag. Wilhelm Molterer: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur einige wenige Sätze:

Das Wasserrechtsgesetz 1990, das den großen politischen Ansatz der Flächenhaftigkeit des Schutzzieles Wasser rechtlich normiert hat, hat sicherlich einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, daß wir heute nicht noch , sondern wieder von guter Wasserqualität reden können. Der Gewässerzustand ist etwa im Bereich der Fließgewässer oder der Seenreinhaltung deutlich besser geworden. Es ist auch erkennbar, daß wir uns im Bereich Grundwasser in die richtige Richtung entwickeln.

Das Wasserrechtsgesetz 1990 hat aber gleichzeitig enormen Verwaltungsaufwand und damit auch Kosten mit sich gebracht, die insbesondere von den Gemeinden als massives Problem dargestellt worden sind, etwa im Bereich der Abwasserbeseitigung. Es ist daher notwendig gewesen, diese Novelle bei Aufrechterhaltung des Schutzzieles zu verwirklichen. Sie bringt die Möglichkeit des vereinfachten Bewilligungsverfahrens und hat mit diesem Verfahren gleichzeitig die Wahrung der öffentlichen Interessen und der Rechte Dritter gesichert. Sie eröffnet auch eine neue Möglichkeit der Normierung des Standes der Technik durch eine entsprechende Verordnung.

Ich halte das für besonders wichtig, weil wir dasselbe Schutzziel auch durch andere Maßnahmen als durch den jeweiligen Letztstand der Technik erreichen können. Es war beispielsweise fraglich, ob bei relativ niedrigen Einwohnergleichwerten die Aufbesserung des Reinigungsgrades von 92 auf 93 oder 94 Prozent in einer Anlage dem ökologischen Ziel – in Aufrechterhaltung der ökonomischen Effizienz – mehr hilft als die Maßnahme, im Rahmen der Abwasserbeseitigung im Falle hoher Einwohnergleichwerte von 80 auf 85 Prozent oder darüber zu kommen. Im Sinne der ökologischen Orientierung ist in diesem Gesetz auch die ökonomische Effizienz mit zu verankern.

Der dritte Schwerpunkt ist die Möglichkeit der Bewilligungsfreistellung respektive der dreimonatigen Frist. Ich sage im Interesse der Konsenswerber und der Bürgerinnen und Bürger, daß von der Verwaltung sehr wohl verlangt werden kann, innerhalb von drei Monaten eine Entscheidung


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zu fällen. Zwar gebe ich zu, daß dadurch ein gewisser zeitlicher Druck entsteht, aber diesen halte ich nicht für schlecht, weil ich immer wieder mit der umgekehrten Kritik konfrontiert worden bin: daß Konsenswerber monatelang, manchmal jahrelang auf einen Konsens warten müssen. Das ist wohl nicht zumutbar.

Wir haben jetzt auch – darauf hat Bürgermeister Pfeifer hingewiesen – die Variantenprüfung der Projekte für Abwasserbeseitigungsanlagen im Wasserrecht ermöglicht. Dies läßt es zu, daß nicht nur die zentrale Kläranlage – mit dem enormen Aufwand für das Kanalnetz – als alleinseligmachendes Modell und Strategie zur Verfügung steht, sondern auch andere Varianten gewählt werden können, wenn sie letztendlich dasselbe Schutzziel erreichen.

Wichtig ist, daß die 20-Prozent-Angabe im Wasserrechtsgesetz weggefallen ist, die letztes Mal im Bundesrat diskutiert und kritisiert worden ist. Ich mache aber darauf aufmerksam, daß offensichtlich eine Kann-Bestimmung jetzt als neues Argument vorgebracht wird. Herr Bundesrat Eisl! Diese Kann-Bestimmung steht seit 1990 im Wasserrechtsgesetz. Ich bitte um rechtliche Beurteilung. Wäre das nämlich keine Kann-Bestimmung, sondern ginge es um eine verpflichtende Entschädigung, dann wäre das verpflichtende Verursacherprinzip die Kehrseite der Medaille. Ich frage mich, welche Folgerungen damit verbunden wären, auch aus der Sicht der Landwirtschaft, in der wir es meistens mit sehr diffusen Problemen – im Sinne von: verbreiteten Problemen – zu tun haben. Daher halte ich diesen Weg für den besseren.

Zur letzten Frage: In Amsterdam wurde am Einstimmigkeitsprinzip festgehalten. Österreich hat nicht vor, diese Strategie zu ändern. Bekanntlich kann Einstimmigkeit nur durch Einstimmigkeit geändert werden. Das ist die Stärke der Position, die wir in dieser Frage einnehmen.

Ich gebe allen recht, die gesagt haben, daß ein Wasserrecht niemals nicht mehr novelliert zu werden braucht. Wir werden das in Zukunft weiterhin tun, auch aufgrund der Erfahrungen mit diesem neuen Wasserrechtsgesetz, das im Verwaltungs- und Vollzugsbereich wesentliche Änderungen bringt wie etwa die Verlagerung zur Bezirksverwaltungsbehörde. Wir werden die notwendigen Erfahrungen sammeln. Dieses Gesetz ist ein wichtiger Schritt, auch in Richtung Kosteneffizienz in der öffentlichen Verwaltung.

Ich bedanke mich für die breite Zustimmung, die dieses Gesetz bekommen hat. Im übrigen haben am Gesetz selbst und am entsprechenden Abänderungsantrag Ländervertreter, Gemeindebundvertreter und Städtebundvertreter mitgearbeitet. Alle diese Instanzen waren in jedes Detail der Entstehung – auch des Abänderungsantrages – miteingebunden. Darauf habe ich Wert gelegt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

22.1


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628. Sitzung / Seite 177

1

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

19. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden (680 und 747/NR sowie 5461 und 5480/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 19. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte um den Bericht.

Berichterstatter Erhard Meier: Der Text des Berichtes des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Glücksspielgesetz und das Gebührengesetz geändert werden, liegt allen Anwesenden vor. Ich verzichte mit Ihrem Einverständnis auf die Verlesung.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Peter Harring. Ich erteile es ihm.

22.13

Bundesrat Dr. Peter Harring (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Meine Herren Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vordergründige Zweck dieser Vorlage klingt ausgesprochen logisch: Das Gesetz soll eine Anpassung bringen, die dem neuesten Stand der technischen Entwicklung Rechnung trägt. Das Glücksspielgesetz soll auch rechtlich korrekte Voraussetzungen für elektronische Lotterien schaffen.

Die tatsächliche Absicht des Gesetzes dürfte aber wohl gewesen sein, ein bestehendes Monopol zu perpetuieren und auf ewige Zeiten vorzuschreiben. Das ist verständlich, wenn man die Verbindung zwischen Spielbanken, Casinos AG und den Eigentümerrechten der Republik Österreich kennt. Diese enge Verbindung hat – sicherlich nicht ganz überraschend – dazu geführt, daß Abgeordnete Huber von der sozialistischen Partei im Nationalrat – oder ein wenig früher im Finanzausschuß – den Abänderungsantrag stellte, das vorgeschriebene Grundkapital, das die Betreiber aufbringen müssen, drastisch zu erhöhen, und zwar von 10 Millionen auf sage und schreibe 300 Millionen Schilling. Als Gründe dafür wurden die besonders hohen Investitionen und das hohe Spielrisiko angeführt. Das ist zum Teil verständlich. Es ist sicherlich nicht wünschenswert, daß jedermann oder jede Gruppe Spielkasinos betreiben kann.

Um darauf eine Antwort zu geben, kann ich diesmal auf die Darlegung eigener Vorstellungen fast verzichten. Ich brauche nur aus einem Brief zu zitieren, den das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten in dieser Sache an das Bundesministerium für Finanzen gerichtet hat. – Es ist schade, daß der Wirtschaftsminister nicht mehr anwesend ist. Er hätte sicherlich erklären können, was er damit gemeint hat. Sicherlich wäre es auch nicht ganz uninteressant zu erfahren, auf welche Weise der Bundesminister für Finanzen seine Kollegen davon überzeugt hat, daß die Argumente des Wirtschaftsministers offensichtlich nicht stichhaltig und an den Haaren herbeigezogen seien.

Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten schreibt am 5. Mai zum Thema Glücksspielgesetzänderung in einer Stellungnahme, daß sich das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Entschiedenheit gegen die Anhebung der Mindestkapitalausstattung für Glücksspielkonzessionäre und Spielbankenbetreiber ausspricht. – Dabei könnten wir von den Freiheitlichen an sich mitgehen, da wir eine eher liberale Haltung einnehmen und nicht für eine Festschreibung auf ewige Zeiten eintreten.


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Weiters schreibt der Wirtschaftsminister: Deren Betrieb ist schon bisher an die Konzessionserteilung durch den Finanzminister gebunden, wobei der Konzessionär neben einer Reihe von Voraussetzungen – diese sind in § 21 genau festgelegt – auch über ein einbezahltes Grundkapital von mindestens 100 Millionen verfügen mußte.

Die Novellierung sah damals eine Anhebung auf 500 Millionen vor. Letztlich sind es jetzt 300 Millionen geworden, die mit der zwischenzeitlich eingetretenen technischen Entwicklung begründet wird. Für die damals vorgeschlagene Verfünffachung sieht der Wirtschaftsminister überhaupt keine Rechtfertigung. Das wird auch damit begründet – wir können das vollinhaltlich unterstreichen –, daß beispielsweise im Bankwesengesetz, für das ebenfalls der Herr Bundesminister für Finanzen Aufsichtskommissär ist, für Kreditinstitute interessanterweise eine Mindestkapitalausstattung von nur 70 Millionen Schilling vorgeschrieben ist. Auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben keine besonderen Zugangsbeschränkungen für den Glücksspielmarkt festgelegt. Übrigens gilt für Kreditinstitute auch nach der Bankenkoordinationsrichtlinie der EU ein Mindestkapital von lediglich 5 Millionen ECU, später Euro.

In dem Schreiben des Ministers für wirtschaftliche Angelegenheiten heißt es weiters: In dieser Anhebung beim Glücksspielmonopolgesetz kann daher nur die Absicht des Gesetzgebers gesehen werden, dem bisherigen Alleinkonzessionär unerwünschte private Konkurrenz fernzuhalten. Die rechtsstaatliche Optik eines solchen Entwurfes ist daher mehr als zweifelhaft. – Ich kann mir die Debatten in der Regierung fast nicht vorstellen, die zu diesem Thema geführt worden sein müssen.

Der Minister schreibt weiter: Wie anders ist es zu verstehen, daß eine solche Regelung just dann eingeführt werden soll, wenn ein privater Konkurrent eine höchstgerichtliche Beschwerde gegen die Nichtzulassung zum Betrieb von Spielbanken eingebracht hat. Eine derart exorbitant hohe Eigenkapitalausstattung stellt überdies eine unzulässige Marktzugangsbeschränkung im Sinne der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes zu Artikel 90 EGV und somit einen Verstoß gegen die "Niederlagsfreiheit" dar, sodaß diese Bestimmung sogar europarechtlich bedenklich ist.

Trotzdem ist es so beschlossen worden. Es scheint also festzustehen, daß dort tatsächlich eine sehr starke Lobby am Werk ist und jede Unterstützung genießt. Das können wir auch aus Kärntner Sicht feststellen. – Ich bedauere, daß die Kärntner Kollegen samt und sonders nicht mehr anwesend sind. In Kärnten führten wir nämlich vor wenigen Tagen eine Debatte über das kleine Glücksspiel. Das kleine Glücksspiel ist etwas, das in die Kompetenz der Länder fällt und nicht Sache des Bundes ist. Dort geht es um geringe Einsätze, und die Gewinnsumme darf 200 S nicht übersteigen. Darin ist aber das gesamte Automatengeschäft enthalten.

Da Wien und die Steiermark bereits Regelungen auf diesem Gebiet getroffen haben, wollte der Kärntner Landtag in dieser Hinsicht in Kärnten Ordnung schaffen. Dabei kam es im Landtag zu einer Panne. Es wurde ein Gutachten vorgelegt, von dem der Referent glaubte, es stamme von der Casinos Austria AG. Dieses Gutachten führte in der Regierung zunächst zu einstimmigen Beschlüssen über die Regelung des kleinen Glücksspiels in Kärnten.

In Wirklichkeit aber hatte ein Automatenhersteller aus Niederösterreich das Gutachten anfertigen lassen. Man kann sich vorstellen, wie dort die Interessenlage ist. In der Regelung für das kleine Glücksspiel war daher zunächst vorgesehen, auch die Casinos Austria mit ihren Automaten im Casineum in Velden zur Kasse zu bitten. Der präliminierte Betrag für das Landesbudget in Kärnten hätte 10 Millionen Schilling betragen. Nachdem dies aber bekannt geworden war, legte die Casinos Austria AG sofort schärfsten Protest ein. Daraufhin war es auf einmal mit der Einigkeit der Parteien vorbei – obwohl es vorher schon Beschlüsse gegeben hatte –, und man hat diese Causa vertagt. Dies zeigt, daß es dort, wo eine starke Lobby am Werk ist, offensichtlich Schwierigkeiten mit vernünftigen Regelungen gibt.

Sehr verehrter Herr Minister! Ungelöst ist nach Ansicht von uns Freiheitlichen auch das Problem der Internet-Glücksspiele. Eine ungeahnte Zahl von Interessenten – auch von jungen Menschen –, die sich gerne mit Computern und ähnlichen Dingen beschäftigen, hat Zugang zum


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Internet, und es werden von Tag zu Tag mehr. Deshalb glaube ich, daß man Vorsorge treffen sollte, um diesen großen Teilnehmerkreis und diesen gewaltigen Hoffnungsmarkt in den Griff zu bekommen. Ich verstehe nicht, warum in dieser Hinsicht keine Proteste erfolgt sind.

Zuletzt darf ich auf einen Einwand der Länder zu diesem Gesetz verweisen. Dabei geht es um die Neudefinition des Begriffes "Toto". Dabei ist man vom alten Glücksspielbegriff ein wenig abgerückt, und einzelne Länder – unter ihnen auch Kärnten – sehen darin einen verfassungswidrigen Eingriff in die Länderkompetenzen. Ich glaube, insbesondere der Bundesrat ist aufgerufen, in dieser Sache tätig zu werden.

Unter Glücksspielen sind nach dem zu beschließenden Gesetz nur solche Spiele zu verstehen, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich vom Zufall abhängen. Die geplante Neufassung bezieht aber auch andere Wetten wie zum Beispiel das Sporttoto ein, also Spiele, in denen derjenige eine höhere Chance hat, der über einen entsprechenden Informationsvorsprung verfügt. Vielleicht gibt es auch Spiele, die eine besondere Geschicklichkeit erfordern, welche die Chancen ungleich verteilt. Deshalb hat es negative Stellungnahmen dieser Länder gegeben. Für verantwortungsbewußte Ländervertreter ist das ein weiterer Grund, diesem Gesetzesvorschlag nicht die Zustimmung zu geben. Wir werden es so halten. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.22

Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Karl Wilfing. Ich erteile ihm das Wort.

22.23

Bundesrat Mag. Karl Wilfing (ÖVP, Niederösterreich): Herr Vizepräsident! Herr Bundesminister! Hoher Bundesrat! Geschätzte Damen und Herren! Nachdem Kollege Waldhäusl schon vor längerem den Zeitpunkt mit fünf vor zwölf taxiert hat, möchte ich meine Ausführungen bewußt straffen, um vielleicht etwas Zeit einzuholen, und daher nur zwei Punkte ansprechen. (Bundesrat Eisl: Das ist nett!)

Herr Kollege Harring! Dieses Gesetz klingt nicht nur vernünftig, es ist vernünftig. Als langjähriger Jugendfunktionär, der in dieser Funktion im niederösterreichischen Spielautomatenbeirat mitgearbeitet hat, stelle ich fest, daß wir diese hohe Kapitalausstattung bewußt gewählt haben, weil es erstens sinnvoll ist, die Zutrittsbeschränkungen so zu gestalten, und zweitens damit Sicherheiten geboten werden. Es geht nicht darum, irgendwelche Monopole auszuweiten, sondern es geht darum, Leuten, die vielleicht nur rasch ein Geschäft machen wollen, wirksame Zutrittsbeschränkungen aufzuerlegen. (Bundesrat Dr. Harring: Erklären Sie mir, warum das der vierfache Betrag sein muß!)

Zweitens geht es darum, auf die heutigen Möglichkeiten der Telekommunikation zu reagieren und auch elektronische Glücksspiele wie Bingo und Keno zu regeln. Denn es ist heute notwendig, diese Spiele gesetzlich zu normieren und einer gesetzlichen Regelung zuzuführen. Daher wird die ÖVP diesem Gesetz ihre Zustimmung geben. – Sie sehen, es ist gelungen, Zeit einzusparen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

22.24

Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Wolfgang Hager. Ich erteile es ihm.

22.24

Bundesrat Wolfgang Hager (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Über den wesentlichsten Punkt der Novelle – die 300 Millionen Grundkapitalausstattung – ist bereits ausführlich gesprochen worden. In diesem Zusammenhang sehe ich es nicht so, daß ein Monopol zu zerschlagen und die freie Marktwirtschaft zu fordern wäre. Es ist in meinen Augen eher eine grobe Fahrlässigkeit den Bürgern gegenüber, dies zu fordern. Ein hohes Grundkapital ist meiner Ansicht nach keine Zutrittsbeschränkung, sondern es bietet Sicherheit für den einfachen Bürger, der sich mit seinen paar Schilling Einsatz das große Glück erhofft.


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Einen Punkt, der sicherlich mit großer Ernsthaftigkeit zu diskutieren ist, möchte ich jetzt ansprechen. Verschiedene Organisationen warnen allgemein vor dem Glücksspiel und wollen am liebsten ein Verbot durchsetzen. Gerade gegen diese Gesetzesnovelle, die eine Ausweitung der Glücksspielkonzession auf Bingo und Keno beinhaltet, wird vehement aufgetreten. Angesichts der gewiß hohen Anzahl von Spielsüchtigen, die ihre finanzielle Existenz im wahrsten Sinne des Wortes aufs Spiel setzen, sind es sehr gewichtige Motive, die zu einer so radikalen Haltung führen.

Aber so tragisch Einzelschicksale auch sein mögen, sind Radikallösungen nie zielführend. Vor die Wahl gestellt, die Spielleidenschaft der Menschen, die zweifelsohne besteht, durch illegale Kartenspiele in Gasthaus-Hinterzimmern abzudecken oder durch staatlich konzessionierte Glücksspiele zu befriedigen, fällt für mich die Antwort eindeutig zugunsten des Staates aus.

Abgesehen davon sehe ich auch nichts Anstößiges daran, diese Form der Staatsfinanzierung auszuschöpfen, die freiwillig und bereitwilligst von der Bevölkerung geleistet wird. Meine Fraktion wird daher der vorliegenden Novelle die Zustimmung erteilen. (Beifall bei der SPÖ.)

22.26

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Herr Bundesminister, bitte.

22.26

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Hohes Haus! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur ein paar Bemerkungen:

Zunächst sollte man feststellen, daß durch die Novellierung des Glücksspielgesetzes die sich schon bisher aus dem Gesetz ergebende Abgrenzung von Ausspielung mittels Glücksspielapparaten und elektronischen Spielen geregelt wird. Ich glaube, das ist notwendig, um entsprechende Sicherheit zu gewinnen.

Zweitens ist es erforderlich – wie schon vom Vorredner gesagt worden ist –, die Kapitalausstattung auf ein bestimmtes Ausmaß anzuheben, um das Risiko zu minimieren und nicht jedermann den Zugang zu ermöglichen, damit nicht jemand – das sage ich in aller Deutlichkeit – am Glücksspiel partizipiert und unter Umständen Menschen in Bedrängnis und sonstige unliebsame Situationen bringt.

Was den angesprochenen Brief des Herrn Bundesministers Farnleitner betrifft, ist es in der Tat so, daß wir ursprünglich die Absicht hatten, das erforderliche Grundkapital auf 500 Millionen aufzustocken. Nach Gesprächen und im Zugehen aufeinander haben wir uns in der Mitte gefunden. So ist es zu den 300 Millionen gekommen.

Ein tatsächlich wichtiges Problem, das man aber nicht im Rahmen einer solchen Novelle lösen kann, scheint mir – nicht nur in bezug auf das Glücksspielmonopolgesetz, sondern grundsätzlich – darin zu bestehen, ob und auf welche Art und Weise man bestimmte Angebote, die über Internet frei Haus geliefert werden, überhaupt zuläßt. Ich möchte in dieser Frage nicht präjudizieren, aber mitunter beunruhigt mich manches, das man über Internet ohne jegliche Altersbegrenzung und sonstiges frei Haus geliefert bekommt. Das läßt sich nicht nur auf das Glücksspiel eingrenzen. Ich glaube, darüber sollte man grundsätzlich und international Überlegungen anstellen. Ich bin für volle Information, aber die Information hat dort ihre Grenzen, wo der Zugang unter Umständen zu Gefährdungen führen kann.

Zum fünften und letzten: Mit Verlaub gesagt, halte ich den Vergleich zwischen Bank und Kasino für nicht ganz passend. Mir scheint das Risiko des einzelnen bei einem Kasinobesuch weit höher zu sein als bei einem Bankbesuch. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

22.29

Vizepräsident Jürgen Weiss: Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
628. Sitzung / Seite 181

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlußwort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

20. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird (670 und 750/NR sowie 5481/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 20. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird.

Die Berichterstattung hat Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte ihn um den Bericht.

Berichterstatter Erhard Meier: Der Text des Berichtes des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 geändert wird, liegt vor. Ich verzichte auf die Verlesung des Textes, der Ihnen allen bekannt ist.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für den Bericht.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

21. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden (666 und 751/NR sowie 5482/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zum 21. Punkt der Tagesordnung: Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
628. Sitzung / Seite 182

Die Berichterstattung hat ebenfalls Herr Bundesrat Erhard Meier übernommen. Ich bitte ihn darum.

Berichterstatter Erhard Meier: Der Text des Berichtes des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Körperschaftsteuergesetz 1988, die Bundesabgabenordnung, das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1962, das Gerichtsgebührengesetz und das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz geändert werden, liegt allen vor. Ich verzichte auf die Verlesung.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

22. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 über Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972 (584 und 748/NR sowie 5483/BR der Beilagen)

23. Punkt

Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen (649 und 749/NR sowie 5484/BR der Beilagen)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 22 und 23 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Es sind dies

Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972 und

ein Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen.

Die Berichterstattung über diese Punkte hat ebenfalls Herr Bundesrat Meier übernommen. Ich bitte ihn um die Berichte.

Berichterstatter Erhard Meier: Der Text des Berichtes des Finanzausschusses betreffend den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 über Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972 liegt vor.

Ich verzichte auf die Verlesung, füge jedoch hinzu: Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betreffen, geregelt werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
628. Sitzung / Seite 183

Dem Nationalrat erschien bei der Genehmigung des Abschlusses des vorliegenden Staatsvertrages die Erlassung von besonderen Bundesgesetzen im Sinne des Artikels 50 Abs. 2 B-VG zur Überführung des Vertragsinhaltes in die innerstaatliche Rechtsordnung nicht erforderlich.

Weiters hat der Nationalrat beschlossen, die chinesische, russische, spanische Sprachfassung im Bundesministerium kundzumachen.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Weiters liegt der Text des Berichtes des Finanzausschusses über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen vor.

Da der Text allen vorliegt, verzichte ich auf die Verlesung.

Der Finanzausschuß stellt nach Beratung der Vorlage am 24. Juni 1997 mit Stimmenmehrheit den Antrag, keinen Einspruch zu erheben.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich danke für die Berichterstattung.

Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 über Änderungen betreffend die Anlagen 4 und 6 des Zollübereinkommens über Behälter 1972.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluß des Nationalrates vom 12. Juni 1997 betreffend ein Übereinkommen zur Errichtung der Multilateralen Investitions-Garantie Agentur (MIGA) samt Anlagen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluß des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

24. Punkt

Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1997

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nunmehr zum 24. Punkt der Tagesordnung: Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates sowie von zwei Schriftführern und drei Ordnern für das 2. Halbjahr 1997.

Mit 1. Juli 1997 geht der Vorsitz des Bundesrates auf das Bundesland Oberösterreich über. Zum Vorsitz berufen ist gemäß Artikel 36 Abs. 2 B-VG der an erster Stelle entsandte Vertreter dieses Bundeslandes, Herr Bundesrat Dr. Günther Hummer.

Die übrigen Mitglieder des Präsidiums des Bundesrates sind gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung für das kommende Halbjahr neu zu wählen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
628. Sitzung / Seite 184

Es liegt mir ein von fünf Bundesräten unterstütztes Verlangen gemäß § 57 Abs. 2 der Geschäftsordnung vor, über die Wahlvorschläge für die Wahl der beiden Vizepräsidenten des Bundesrates eine Debatte durchzuführen.

Wir gehen somit in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch.

22.36

Bundesrat Dr. Reinhard Eugen Bösch (Freiheitliche, Vorarlberg): Herr Vizepräsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Ihnen zum Tagesordnungspunkt "Wahl der Vizepräsidenten" die freiheitliche Position darlegen.

Wir sind der Auffassung, daß nach § 6 Abs. 3 bei der Wahl der Vizepräsidenten alle drei Mitglieder des Präsidiums in das d’Hondtsche Verfahren miteinzubeziehen sind, was zur Folge hätte, daß die drittstärkste Fraktion auch einen Vizepräsidenten vorschlagen kann, umso mehr, als wir jetzt mit 14 Bundesräten über deutlich mehr als die Hälfte der stärksten Partei verfügen.

Meine Damen und Herren! In diesem Sinne schlagen wir Dr. Paul Tremmel vor. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

22.38

Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Bevor ich in den Wahlgang selbst eingehe, halte ich wie bei vorangegangenen Anlässen fest, daß der Bundesrat gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates anläßlich jedes Wechsels im Vorsitz gemäß Abs. 1 aus seiner Mitte zwei Vizepräsidenten zu wählen hat. Die Wahlen sind nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts, nämlich des d’Hondtschen Verfahrens, mit der Maßgabe durchzuführen, daß der erstgewählte Vizepräsident nicht der Fraktion des Präsidenten angehören darf. Die Grundprinzipien der Bundesverfassung sowie der Geschäftsordnung des Bundesrates, aber auch die sich damit befassende Literatur gehen bei der Wahl dieser Funktionäre von einer klaren Zweiteilung aus.

Zunächst wird bei der Bestimmung des Präsidenten das föderalistische Grundprinzip unserer Verfassung zum Ausdruck gebracht, indem der Vorsitz halbjährlich zwischen den Ländern – unabhängig von deren Größe – wechselt. Völlig getrennt davon wird die politische Kontinuität in der Leitung des Bundesrates durch die Vizepräsidenten verwirklicht, welche nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts – also nach der Stärke der Fraktionen – zu wählen sind.

Die Interpretation der gegenständlichen Bestimmungen ergibt nach wie vor klar, daß ein Vorschlagsrecht für die Vizepräsidenten den beiden stärksten Fraktionen im Bundesrat zukommt. Darüber hinaus hat der Geschäftsordnungsgesetzgeber eine Spezialbestimmung in die Richtung geschaffen, daß der erstgewählte Vizepräsident nicht von jener Wahlfraktion gestellt werden soll, welcher der Präsident angehört. Diesbezüglich wurde somit eine klare Stellvertretungsregelung in die Richtung normiert, daß der Präsident nicht durch den Vizepräsidenten derselben Fraktion vertreten werden soll, sondern von jenem Vizepräsidenten beziehungsweise von jener Vizepräsidentin, den beziehungsweise die die andere der beiden stärksten Fraktionen stellt.

Weiters sieht § 56 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, daß diesbezügliche Wahlvorschläge zu ihrer Gültigkeit der Unterstützung von mehr als der Hälfte der Bundesräte, denen ein Vorschlagsrecht zukommt, unterfertigt werden müssen.

All dies bedeutet zusammenfassend, daß der Wahlvorschlag der SPÖ-Fraktion für den ersten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1997 sowie jener der ÖVP-Fraktion für den zweiten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1997 den Bestimmungen der Geschäftsordnung genügen und daher zur Wahl zu stellen sind.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
628. Sitzung / Seite 185

Der Wahlvorschlag der Freiheitlichen – dies ist die drittstärkste Fraktion des Bundesrates – ist jedoch weiterhin als nicht den Bestimmungen der Geschäftsordnung entsprechend zurückzuweisen.

Ich werde daher den Wahlvorschlag der SPÖ-Fraktion für den ersten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1997 sowie jenen der ÖVP-Fraktion für den zweiten Vizepräsidenten für das zweite Halbjahr 1997 zur Abstimmung bringen.

Wahl der Vizepräsidenten

Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich gehe nunmehr in den Wahlvorgang selbst ein.

Ich werde die Wahl der beiden Vizepräsidenten durch Erheben von den Sitzen vornehmen lassen. Wird die Durchführung der Wahl mittels Stimmzettel gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Wahl des ersten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates. Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung kommt dafür der SPÖ-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hierfür ein Wahlvorschlag vor, der auf Frau Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach lautet.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Dies ist die Stimmeneinhelligkeit.

Der Vorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

Bundesrätin Anna Elisabeth Haselbach (SPÖ, Wien): Ich danke für das Vertrauen und nehme die Wahl an. (Allgemeiner Beifall.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nunmehr zur Wahl des zweiten zu wählenden Vizepräsidenten des Bundesrates. Gemäß § 6 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates kommt der ÖVP-Fraktion das Vorschlagsrecht zu. Es liegt hierfür ein Wahlvorschlag vor, der auf Bundesrat Jürgen Weiss lautet.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, sich von den Sitzen zu erheben. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage mich selbst und erkläre, daß ich die Wahl annehme und für das Vertrauen danke. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Schriftführer

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nun zur Wahl der beiden Schriftführer.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesrätinnen Helga Markowitsch und Ilse Giesinger für das zweite Halbjahr 1997 zu den Schriftführerinnen des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich auch diese Wahl unter einem vor. – Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Frau Markowitsch.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
628. Sitzung / Seite 186

Bundesrätin Helga Markowitsch
(SPÖ, Niederösterreich): Ich nehme gerne an und danke. (Allgemeiner Beifall.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Frau Giesinger.

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Ich nehme an und danke für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

Wahl der Ordner

Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir kommen nunmehr zur Wahl der drei Ordner.

Es liegt mir der Vorschlag vor, die Bundesräte Mag. Gerhard Tusek, Erhard Meier und Andreas Eisl für das zweite Halbjahr 1997 zu Ordnern des Bundesrates zu wählen.

Falls kein Einwand erhoben wird, nehme ich diese Wahl unter einem vor. – Ein Einwand wird nicht erhoben.

Ich bitte jene Mitglieder des Bundesrates, die diesem Wahlvorschlag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Wahlvorschlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählten, ob sie die Wahl annehmen.

Herr Mag. Gerhard Tusek.

Bundesrat Mag. Gerhard Tusek (ÖVP, Oberösterreich): Ich danke für das Vertrauen und nehme die Wahl gerne an.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Erhard Meier.

Bundesrat Erhard Meier (SPÖ, Steiermark): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.

Vizepräsident Jürgen Weiss: Herr Andreas Eisl.

Bundesrat Andreas Eisl (Freiheitliche, Salzburg): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen. (Allgemeiner Beifall.)

Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Tagesordnung ist somit erschöpft.

Ich gebe noch bekannt, daß seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt fünf Anfragen, 1294/J bis 1298/J, eingebracht wurden.

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 24. Juli 1997, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschußvorberatungen sind für Dienstag, den 22. Juli 1997, ab 14 Uhr vorgesehen.

Jetzt ist die Sitzung geschlossen.

Schluß der Sitzung: 22.44 Uhr