Stenographisches Protokoll

703. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

 

Donnerstag, 27. November 2003

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Stenographisches Protokoll

703. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Donnerstag, 27. November 2003

Dauer der Sitzung

Donnerstag, 27. November 2003: 9.03 – 19.04 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2003

2. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studien­gänge (Fachhochschul-Studiengesetz) geändert wird

3. Punkt: Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation

4. Punkt: Kulturbericht 2001 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur

5. Punkt: Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG)

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem im Zusammenhang mit der Erlassung des Außer­streitgesetzes die Notariatsordnung, das Gesetz betreffend die Einräumung von Not­wegen, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Allgemeine Grundbuchs­anlegungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Ehegesetz, das Todeserklä­rungsgesetz 1950, das Kraftloserklärungsgesetz 1951, das Eisenbahnenteignungs­gesetz 1954, das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Scheckgesetz 1955, das Anerbengesetz, das Aktiengesetz 1965, das Bundesgesetz über Notare als Gerichts­kommissäre im Verfahren außer Streitsachen, das Personenstandsgesetz, das Ge­richtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Über­einkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entschei­dungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts, das Unterhaltsvorschußgesetz 1985, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, das Kartellgesetz 1988, das Jugendwohl­fahrtsgesetz 1989, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Auslandsunterhaltsgesetz, das Firmenbuchgesetz und das Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern geändert werden (Außerstreit-Begleitgesetz – AußStr-BegleitG)


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 2

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem im Zusammenhang mit der Neuordnung des Außer­streitverfahrensrechts das Mietrechtsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Richtwertgesetz, das Sportstättenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, die Exekutions­ordnung und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Wohnrechtliches Außer­streitbegleitgesetz – WohnAußStrBeglG)

8. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert werden

9. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) und das Bundes­gesetz über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz – GGG) geändert werden

10. Punkt: Bundesgesetz über die Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land nach Traun und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988

11. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanzmärkten (Finanzsicherheiten-Gesetz – FinSG) erlassen wird und das Bundesge­setz über das internationale Privatrecht geändert wird

12. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch zur Umsetzung der Fair Value-Richtlinie geändert wird (Fair Value-Bewertungsgesetz-FVBG)

13. Punkt: Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird

15. Punkt: Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)

16. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesundheits­organisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regional­komitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körper­schaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuerge­setz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Norm­verbrauchsabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Tabaksteuerge­setz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumwein­steuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat, das Finanzstrafgesetz, das Kom­munalsteuergesetz 1993 und das Ausfuhrerstattungsgesetz geändert werden (Ab­gabenänderungsgesetz 2003 – AbgÄG 2003)

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspiel­wesens (Glücksspielgesetz – GSpG) geändert wird

19. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001 geändert wird

20. Punkt: Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft mbH und von unbeweglichem Bundesvermögen

21. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungs­verkehr mit Auslandsbezug (Devisengesetz 2004) erlassen und das Überweisungsge­setz und das Börsegesetz geändert werden


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703. Sitzung / Seite 3

22. Punkt: Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regie­rungschefs vom 21. März 2003 über eine Änderung des Artikels 10.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank

23. Punkt: Änderung des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen

24. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förderung und den Schutz von Investitionen

25. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Namibia über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll

26. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird

27. Punkt: Bericht über die soziale Lage 1999

28. Punkt: Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002

29. Punkt: Österreichischer Familienbericht 1999 der Bundesregierung

*****

Inhalt

Bundesrat

1. Punkt: Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2003 ............................ 38

Personalien

Krankmeldungen ............................................................................................................ 13

Entschuldigungen ........................................................................................................... 13

Fragestunde (98.)

Bundeskanzleramt ....................................................................................................... 13

Gottfried Kneifel (1285/M-BR/03); Christoph Hagen, Dr. Ruperta Lichtenecker, Dr. Erich Gumplmaier

Anna Schlaffer (1291/M-BR/03); Ing. Franz Gruber, Dr. Robert Aspöck, Eva Konrad

Engelbert Weilharter (1290/M-BR/03); Dr. Ruperta Lichtenecker, Theodor Binna, Martina Diesner-Wais

Ing. Franz Gruber (1286/M-BR/03); Ing. Gerd Klamt, Stefan Schennach, Anna Schlaffer

Helmut Wiesenegg (1292/M-BR/03); Josef Saller, Christoph Hagen, Eva Konrad

Elisabeth Kerschbaum (1289/M-BR/03); Helmut Wiesenegg

Herwig Hösele (1287/M-BR/03); Dr. Peter Böhm, Stefan Schennach, Albrecht Konecny

Johanna Auer (1293/M-BR/03); Herwig Hösele, Mag. John Gudenus, Stefan Schennach


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 4

Ludwig Bieringer (1288/M-BR/03); Ing. Gerd Klamt, Stefan Schennach, Theodor Binna

Theodor Binna (1294/M-BR/03); Mag. Harald Himmer, Christoph Hagen, Elisa­beth Kerschbaum

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 37

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse .......................................................................... 37

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 37

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kolle­gen an den Bundeskanzler betreffend den aktuellen Begutachtungsentwurf für ein Bundestierschutzgesetz (2128/J-BR/03)             ............................................................................................................................. 121

Begründung: Stefan Schennach ................................................................................ 121

Staatssekretär Franz Morak ...................................................................................... 125

Debatte:

Albrecht Konecny ...................................................................................................... 128

Ludwig Bieringer ........................................................................................................ 131

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 132

Ing. Gerd Klamt .......................................................................................................... 134

Helmut Wiesenegg ..................................................................................................... 135

Dr. Andreas Schnider ................................................................................................ 135

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 139

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 140

Verhandlungen

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz) geändert wird (217 d.B. und 263 d.B. sowie 6889/BR d.B. und 6892/BR d.B.) ................................................... 38

Berichterstatterin: Herta Wimmler ................................................................................ 39

3. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend das Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissen­schafts- und Erziehungskooperation (197 d.B. und 264 d.B. sowie 6893/BR d.B.)                                                                                                               39

Berichterstatterin: Herta Wimmler ................................................................................ 39

Redner:

Reinhard Todt ............................................................................................................... 40

Herwig Hösele .............................................................................................................. 41

Eva Konrad ................................................................................................................... 43

Ing. Gerd Klamt ............................................................................................................ 45


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 5

Bundesministerin Elisabeth Gehrer .......................................................................... 46

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 2, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 48

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 3, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 49

4. Punkt: Kulturbericht 2001 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-242-BR/2002 d.B. sowie 6894/BR d.B.) ...................................................................................................... 49

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ..................................................................... 49

Redner:

Anna Schlaffer .............................................................................................................. 49

Herwig Hösele .............................................................................................................. 50

Stefan Schennach ........................................................................................................ 52

Bundesministerin Elisabeth Gehrer .......................................................................... 55

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Kulturbericht 2001 zur Kennt­nis zu nehmen             ............................................................................................................................... 56

Gemeinsame Beratung über

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz – AußStrG) (224 d.B. und 268 d.B. sowie 6895/BR d.B.) ................................................................................. 56

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck ............................................................................ 57

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Zusammenhang mit der Erlassung des Außerstreit­gesetzes die Notariatsordnung, das Gesetz betreffend die Einräumung von Not­wegen, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, die Exekutionsordnung, das Gerichtsorganisationsgesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Allgemeine Grund­buchsanlegungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Ehegesetz, das Todeserklärungsgesetz 1950, das Kraftloserklärungsgesetz 1951, das Eisen­bahnenteignungsgesetz 1954, das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Scheckgesetz 1955, das Anerbengesetz, das Aktiengesetz 1965, das Bundesge­setz über Notare als Gerichtskommissäre im Verfahren außer Streitsachen, das Personenstandsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts, das Unterhaltsvorschuß­gesetz 1985, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Übereinkommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte in­ternationaler Kindesentführung, das Kartellgesetz 1988, das Jugendwohlfahrts­gesetz 1989, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Auslandsunterhaltsgesetz, das Firmenbuchgesetz und das Bundesgesetz zur Umsetzung der Richt­linie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern geändert werden (Außerstreit-Begleitgesetz – AußStr-BegleitG) (225 d.B. und 269 d.B. sowie 6896/BR d.B.) ................................................. 56

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm .................................................................................. 57


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703. Sitzung / Seite 6

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem im Zusammenhang mit der Neuordnung des Außerstreit­verfahrensrechts das Mietrechtsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Richtwertgesetz, das Sportstättenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, die Exe­kutionsordnung und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Wohnrecht­liches Außerstreitbegleitgesetz – WohnAußStrBeglG) (249 d.B. und 270 d.B. so­wie 6897/BR d.B.)                    57

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm .................................................................................. 57

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 58

Dr. Vincenz Liechtenstein ........................................................................................... 60

Stefan Schennach ........................................................................................................ 60

Dr. Peter Böhm ............................................................................................................. 61

Dr. Robert Aspöck ....................................................................................................... 63

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .................................................................... 65

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 5, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 66

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 66

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert werden (250 d.B. und 273 d.B. sowie 6898/BR d.B.) ................................................................................. 67

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck ............................................................................ 67

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) und das Bun­desgesetz über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebühren­gesetz – GGG) geändert werden (234 d.B. und 274 d.B. sowie 6899/BR d.B.) .......................... 67

Berichterstatter: Dr. Peter Böhm .................................................................................. 68

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz über die Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land nach Traun und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (235 d.B. und 275 d.B. sowie 6900/BR d.B.) ................................................................. 67

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck ............................................................................ 68

11. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanz­märkten (Finanzsicherheiten-Gesetz – FinSG) erlassen wird und das Bundes­gesetz über das internationale Privatrecht geändert wird (251 d.B. und 272 d.B. sowie 6901/BR d.B.) ................................................................................................................. 67

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck ............................................................................ 68


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Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 7

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch zur Umsetzung der Fair Value-Richtlinie geändert wird (Fair Value-Bewertungsgesetz-FVBG) (176 d.B. und 271 d.B. sowie 6902/BR d.B.) ..................................................... 67

Berichterstatter: Dr. Robert Aspöck ............................................................................ 68

Redner:

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 68

Bundesminister Dr. Dieter Böhmdorfer .......................................................  70, 76, 79

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................................... 71

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 71

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 72

Albrecht Konecny ........................................................................................................ 73

Gottfried Kneifel ........................................................................................................... 77

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 79

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 11, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 12, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 80

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend das Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfrei­heiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe (208 d.B. und 262 d.B. sowie 6903/BR d.B.) ............................................. 80

Berichterstatter: Johann Giefing .................................................................................. 80

Redner:

Dr. Vincenz Liechtenstein ........................................................................................... 80

Dr. Elisabeth Hlavac ..................................................................................................... 81

Christoph Hagen .......................................................................................................... 82

Stefan Schennach ........................................................................................................ 83

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................... 85

Gemeinsame Beratung über

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (236 d.B. und 289 d.B. sowie 6888/BR d.B. und 6904/BR d.B.)   ............................................................................................................................... 85


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 8

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 85

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (201 d.B. und 290 d.B. sowie 6905/BR d.B.)         ............................................................................................................................... 85

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 85

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesundheitsorganisa­tion über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regio­nalkomitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien (132 d.B. und 291 d.B. sowie 6906/BR d.B.) ............................................................................................................................... 85

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 85

Redner:

Ilse Giesinger .........................................................................................................  86, 91

Johann Giefing ............................................................................................................. 87

Engelbert Weilharter .................................................................................................... 88

Dr. Ruperta Lichtenecker ............................................................................................ 89

Staatssekretär Dr. Reinhart Waneck .......................................................................... 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 14, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 15, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 94

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 16, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................. 94

Gemeinsame Beratung über

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaft­steuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuerge­setz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Ta­baksteuergesetz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, die Bundesab­gabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat, das Finanzstrafgesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Ausfuhrerstat­tungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2003 – AbgÄG 2003) (238 d.B. und 296 d.B. sowie 6890/BR d.B. und 6907/BR d.B.) ................................................................................................................. 94

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 96

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG) geändert wird (297 d.B. sowie 6908/BR d.B.) ...................................................................................................... 95

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 96

19. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001 geändert wird (237 d.B. und 298 d.B. sowie 6891/BR d.B. und 6909/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 95

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 96


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Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 9

20. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft mbH und von unbeweglichem Bundesvermögen (254 d.B. und 299 d.B. sowie 6910/BR d.B.) ................................... 95

Berichterstatter: Franz Wolfinger ................................................................................. 96

21. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsver­kehr mit Auslandsbezug (Devisengesetz 2004) erlassen und das Überweisungs­gesetz und das Börsegesetz geändert werden (205 d.B. und 300 d.B. sowie 6911/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 95

Berichterstatter: Johann Höfinger ................................................................................ 96

22. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend einen Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regie­rungschefs vom 21. März 2003 über eine Änderung des Artikels 10.2 der Sat­zung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (198 d.B. und 301 d.B. sowie 6912/BR d.B.) ................................................................. 95

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 97

23. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend eine Änderung des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen (200 d.B. und 302 d.B. sowie 6913/BR d.B.) ........................................................................................ 95

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 97

24. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (178 d.B. und 304 d.B. sowie 6914/BR d.B.) ................................................................................. 95

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 97

25. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Namibia über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (244 d.B. und 305 d.B. sowie 6915/BR d.B.) .................................................. 95

Berichterstatterin: Michaela Gansterer ........................................................................ 97

Redner:

Johanna Schicker ......................................................................................................... 98

Staatssekretär Dr. Alfred Finz ...........................................................................  99, 102

Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger ............................................................................... 99

Dr. Ruperta Lichtenecker .......................................................................................... 100

Engelbert Weilharter .................................................................................................. 101

Helmut Wiesenegg ..................................................................................................... 103

Jürgen Weiss .............................................................................................................. 104

Helmut Kritzinger ....................................................................................................... 106

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 17, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 107

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 18, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 108


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 10

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 19, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 20, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bun­desrates unterliegt – keinen Einspruch zu erheben ......................................................................................................................... 108

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 21, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 108

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 22, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 108

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 23, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................ 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 24, 1. gegen den Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 109

Annahme des Antrages der Berichterstatterin zu Punkt 25, 1. gegen den Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikel 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfas­sungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............................................... 109

26. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (248 d.B. und 279 d.B. sowie 6916/BR d.B.)                            110

Berichterstatterin: Johanna Auer ................................................................................ 110

Redner:

Ing. Franz Gruber ....................................................................................................... 110

Johanna Schicker ....................................................................................................... 111

Ing. Gerd Klamt .......................................................................................................... 112

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 113

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................. 113

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben .................................................................................................. 115

Gemeinsame Beratung über

27. Punkt: Bericht über die soziale Lage 1999 (III-219-BR/2001 d.B. sowie 6917/BR d.B.)                         115

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt ............................................................................... 115

28. Punkt: Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002 (III-243-BR/2003 d.B. so­wie 6918/BR d.B.)      ............................................................................................................................. 115

Berichterstatter: Ing. Gerd Klamt ............................................................................... 115

Redner:

Roswitha Bachner ...................................................................................................... 116

Josef Saller ................................................................................................................. 118

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 119

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 120

Dr. Erich Gumplmaier ............................................................................................... 142


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 11

Helmut Kritzinger ....................................................................................................... 143

Franz Wolfinger .......................................................................................................... 145

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................. 148

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 27, den Bericht über die soziale Lage 1999 zur Kenntnis zu nehmen .................................................................................................... 150

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 28, den Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002 zur Kenntnis zu nehmen .............................................................................................. 150

29. Punkt: Österreichischer Familienbericht 1999 der Bundesregierung (III-208-BR/2000 d.B. sowie 6919/BR d.B.) ............................................................................................................... 151

Berichterstatterin: Roswitha Bachner ........................................................................ 151

Redner:

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 151

Christine Fröhlich ...................................................................................................... 153

Reinhard Todt ............................................................................................................. 154

Mag. John Gudenus ................................................................................................... 158

Staatssekretärin Ursula Haubner ............................................................................. 160

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, den Österreichischen Familienbe­richt 1999 zur Kenntnis zu nehmen ......................................................................................................................... 163

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung betreffend Abfangjäger bzw. Jagdbomber (2125/J-BR/03)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend Steuergeldverschwendung für persönliche Fotografen von Mitgliedern der Bundes­regierung (2126/J-BR/03)

Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend exorbitante Verschwendung von Steuergeldern durch die Beauftragung von Fotografen für die Bewerbung der Außenministerin (2127/J-BR/03)

Stefan Schennach, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundes­kanzler betreffend den aktuellen Begutachtungsentwurf für ein Bundestierschutzgesetz (2128/J-BR/03)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit betreffend Fördergelder des Arbeitsmarktservice (AMS) (2129/J-BR/03)

Gottfried Kneifel, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Verkehr, Inno­vation und Technologie betreffend österreichisches Radwegenetz (2130/J-BR/03)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten betreffend Verankerung des Touris­mus im Aufgabenkatalog der EU (2131/J-BR/03)

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Gesundheit und Frauen betreffend Aufwertung der Gesundheits­vorsorge an Schulen und der Schulärzte (2132/J-BR/03)


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 12

Jürgen Weiss, Christoph Hagen, Ilse Giesinger, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur betreffend Aufwertung der Ge­sundheitsvorsorge an Schulen und der Schulärzte (2133/J-BR/03)

Anfragebeantwortung

des Bundesministers für Inneres auf die Anfrage der Bundesräte Christoph Hagen, Kolleginnen und Kollegen (1942/AB-BR/03 zu 2118/J-BR/03)

 



Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 13

Beginn der Sitzung: 9.03 Uhr

 


Präsident Hans Ager: Ich eröffne die 703. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 702. Sitzung des Bundesrates vom 6. November 2003 ist aufgelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Krank gemeldet haben sich die Mitglieder des Bundesrates Manfred Gruber, Adelheid Ebner, Wolfgang Schimböck, Johann Kraml.

Entschuldigt haben sich die Mitglieder des Bundesrates Günther Kaltenbacher, Gün­ther Molzbichler, Dr. Renate Kanovsky-Wintermann.

Bevor wir zur Fragestunde gelangen, möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, um einem Mitglied des Bundesrates, dem Fraktionsobmann der ÖVP Ludwig Bieringer, der vorgestern seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, im eigenen Namen sowie im Namen aller hier Anwesenden auf das Allerherzlichste zu gratulieren. (Allgemeiner Beifall.)

Bundesrat Bürgermeister Ludwig Bieringer hat für seinen unermüdlichen und groß­artigen Einsatz für sein Bundesland und nicht zuletzt für seine Heimatgemeinde Wals-Siezenheim die höchste Auszeichnung des Landes Salzburg, das Große Ehrenzeichen des Landes Salzburg, aus den Händen von Herrn Landeshauptmann Dr. Franz Schausberger erhalten, und die besondere Wertschätzung, die ihrem Bürgermeister von all seinen Gemeindebürgerinnen und -bürgern entgegengebracht wird, wurde mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Gemeinde Wals-Siezenheim sichtbar zum Ausdruck gebracht. (Allgemeiner Beifall.)

Ludwig Bieringer gehört dem Bundesrat – mit einer kurzen Unterbrechung – seit 16. Mai 1984 an, war dreimal als Erstgereihter seines Bundeslandes Salzburg Präsi­dent dieser Länderkammer, und sein Wirken für den Bundesrat ist in diesen beinahe 20 Jahren stets von einem außergewöhnlichen Engagement gekennzeichnet.

In diesem Sinne darf ich dir, sehr geehrter Fraktionsobmann, lieber Ludwig, für dein weiteres Wirken für unsere Länderkammer viel Freude, Erfolg und weiterhin so viel an Elan wünschen und dir nochmals zu deinem Ehrentag im Namen aller hier Anwesen­den meine herzlichsten Glückwünsche aussprechen. (Bundesrat Bieringer: Danke!)

Fragestunde

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur Fragestunde. Ich beginne jetzt, um 9.05 Uhr, mit dem Aufruf der Anfragen.

Bundeskanzleramt

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen zur 1. Anfrage an den Herrn Bundeskanzler.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Kneifel, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär, meine Frage lautet:

1285/M-BR/2003

„Welche Auswirkungen erwarten Sie sich vom Wachstumspaket, das die Bundesregie­rung jüngst im Parlament präsentiert hat?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 14

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Der Ministerrat hat am 11. November ein Wachstumspaket verabschiedet und am darauf folgenden Tag dem Nationalrat vorgestellt. Dieses Wachstumspaket kommt, wie wir meinen, zu der richtigen Zeit, weil wir uns in einer Voraufschwungs­phase befinden, die national, aber auch international von den Fachleuten, aber auch von den Konsumenten bestätigt wird. Denken Sie nur an die letzten Ergebnisse, die wir aus Amerika bekommen haben, an die Börsenkurse auf der einen Seite, aber auch daran, wie ich unlängst erst wieder in der Zeitung lesen durfte, dass die Werbewirt­schaft wieder langsam anspringt, was im Grunde ein gutes Zeichen ist.

Wir meinen also, dass wir dieses Maßnahmenpaket zur Belebung der Wirtschaft und des Wirtschaftsstandortes Österreich zur richtigen Zeit lanciert haben.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Herr Staatssekretär! Wie wirken sich die im Wachstumspaket enthaltenen Maßnahmen insbesondere für den Ausbau der Infrastruktur in Richtung der EU-Beitrittsländer aus?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Meine Damen und Herren! Das Wachstumspaket fällt auch zusammen mit einer Bemühung der Europäischen Union, die ebenfalls am 11. November verabschiedet und bekannt gegeben wurde, und zwar mit einem Van-Miert-Bericht, der die europäischen Verkehrsnetze neu definiert. Da sind wir im Bereiche der Transeuropäischen Netze mit 29 Projekten vertreten, die prio­ritär behandelt werden müssen, und fünf davon sind für Österreich: Das sind der Brenner-Eisenbahntunnel, die Eisenbahnverbindungen Paris–Straßburg–Stuttgart–Wien–Bratislava, die Binnenwasserstraße Rhein–Main–Donau, die Eisenbahnverbin­dungen Athen–Sofia–Budapest–Wien–Prag–Nürnberg–Dresden, die Autobahn Dan­zig–Brno–Bratislava–Wien. 

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Hagen, bitte.

 


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Ich hätte gerne dem Herrn Bundeskanzler diese Frage gestellt – leider ist er nicht da, jetzt müssen Sie sie mir beantworten.

Wenn sich ein Wachstumspaket positiv auswirkt, dann geht es der Wirtschaft gut, und wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es auch den Beamten gut. Da der Herr Bundes­kanzler einmal angesprochen hat, dass die Exekutive mit einem eigenen Exekutiv­dienstgesetz bedient werden soll, und ich – wie gesagt – davon ausgehe, dass, wenn es der Wirtschaft gut geht, auch für die Beamten etwas getan wird, auch für die Exe­kutive, wo es schon lange notwendig ist, möchte ich Sie fragen: Bis wann wird das Exekutivdienstgesetz vorliegen, und mit welchen wesentlichen Inhalten wird dieses Gesetz ausgestattet sein?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Ich kann Ihrer Argumentation folgen, dass wir hier einen Wirtschaftsbericht der Bundesregierung ab­handeln, aber ich bin überzeugt davon, dass zur wirtschaftlichen Prosperität auch die Exekutivorgane dieser Republik beitragen. Deswegen erlaube ich mir, ein, zwei Sätze dazu zu sagen.

Wir sind dabei – das wird, wie Sie auch von Ihren Kolleginnen und Kollegen im Natio­nalrat wissen, sehr stark forciert –, das Bundesmitarbeitergesetz im Hinblick auf die Besonderheiten der Exekutivorgane neu zu bestimmen auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite auch die pensionsrechtlichen Aspekte zu berühren. Wir gehen da-


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 15

von aus, dass wir im nächsten Jahr, also 2004, diese Problematik gelöst haben wer­den.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die klein- und mittelständischen Unternehmungen sind in unserem Land das Rückgrat der Wirtschaft. Es stellt sich die Frage: Welche Vorteile bringt die­ses Wachstumspaket, das in Umsetzung ist, für die klein- und mittelständischen Unter­nehmungen außer den normalen volkswirtschaftlichen Multiplikatoreneffekten?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrat! Ich möchte hier wieder einem Vorurteil, das sich durch die öffentliche Meinung zieht, aber auch durch die Parlamente, entgegentreten.

Das eine ist: Wenn wir das im europäischen Kontext sehen, stehen wir auf einem sehr guten Niveau. Ich habe mir von meinen Mitarbeitern die Daten betreffend die Arbeits­platzlage, das Wirtschaftswachstum, die Unternehmensgründungen und so weiter ausheben lassen.

Ich vergleiche jetzt 1999 zu 2003: Bei den Arbeitsplätzen gibt es ein Plus von 71 000. Beim Wirtschaftswachstum sind wir mit plus 2,7 Prozent gut unterwegs – gut unter­wegs in dem Sinne, dass wir hier im europäischen Kontext besser als der europäische Durchschnitt abschneiden: 0,9 Prozent für 2003. Die Zahl der Insolvenzverfahren hat abgenommen, während jene der Unternehmensgründungen zugenommen hat; sie be­trägt zirka 30 000 in diesem Jahr, also verglichen mit 1999 um 9 000 mehr. Das Bud­getdefizit, wie Sie wissen, konnten wir 2002 entgegen allen Erwartungen mit 0,1 Pro­zent begrenzen. Die Schulden der ÖIAG sind von 6,3 Milliarden auf 1,7 Milliarden ab­gebaut worden. Die Exportwirtschaft boomt – ganz im Gegensatz zum Rest Europas. Das möchte ich nur vorausschicken.

Im zweiten Teil möchte ich Ihnen sagen, dass wir mit dem Forschungspaket, das wir verabschiedet haben, natürlich auch die KMUs treffen. Für diesen Bereich ist das größte Forschungspaket verabschiedet worden, das ist auch das Herzstück dieser Initiative der Bundesregierung. Sie wissen, wir haben einen neuen Forschungsfonds geschaffen, der sich aus Mitteln der Oesterreichischen Nationalbank in Höhe von 1,5 Milliarden und einem ERP-Fonds mit einer Dotierung von 1,8 Milliarden speist, was eine Rendite von 125 Millionen € ergibt, die jährlich der Wissenschaft zufließen.

Selbstverständlich haben wir steuerliche Anreize in diesem Bereich: steuerliche For­schungsfreibeträge, Forschungsprämie, aktiver Forschungsfreibetrag, Forschungsauf­wendungen. Ich glaube, da sind sehr viele Dinge dabei, die die Klein- und Mittelbe­triebe nützen können.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier, bitte.

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Ich spreche Sie als Vertreter des Bundeskanzlers an und frage Sie: Ist es richtig, dass die Gemeinden, gemessen am gesamten österreichischen Investitions­volumen, den indirekt größten Arbeitgeber ausmachen? Und ich frage Sie, ob es richtig ist, dass Herr Finanzminister Grasser ein weiteres Budgetopfer der Gemeinden nach Brüssel gemeldet beziehungsweise einkalkuliert hat, indem er angibt, dass die Ge­meinden für das Jahr 2004 einen Budgetüberschuss von 0,3 Prozent abliefern sollten. Obwohl die Finanzausgleichsverhandlungen noch nicht einmal begonnen haben und für das Bundesbudget 2005 eine Erhöhung des ...

 



Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 16

Präsident Hans Ager: Keine Vorlesung bitte, sondern zur Frage kommen!

 


Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (fortsetzend): Meine Frage lautet: Wird nicht damit das groß angekündigte Wachstumspaket der Bundesregierung völlig unterlaufen?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Das ist eine, wie ich meine, sehr wichtige Frage. Sie ist wichtig in mehrerer Hinsicht, auf der einen Seite, weil wir vor schwierigen Verhandlungen im Finanzausgleich mit den Gemeinden stehen. Sie wissen, was da auf die Bundesregierung, aber auch auf die Gemeinden zukommt, dass wir überprüfen müssen, ob wir gut wirtschaften. Auf der anderen Seite ist es – und ich weiß, Frankreich und Deutschland machen es uns gerade schwierig, daran zu glauben – aber auch für unser Wirtschaftswachstum wesentlich, dass wir die Budgetziele erreichen und dass wir die Möglichkeiten im Bereich der Gemeinden, aber auch der Länder und des Bundes ausschöpfen, sodass wir fit für die Zukunft sind.

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 2. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Schlaffer, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Meine ausdrücklich an die Adresse des Herrn Bundeskanzlers gerichtete Frage lautet:

1291/M-BR/2003

„Welche maßgeblichen Gründe liegen vor, dass Sie Ihr Wahlversprechen, welches Sie vier Tage vor dem Wahlgang abgegeben haben, dass es bereits im Frühjahr 2003 ein Bundestierschutzgesetz geben wird, gebrochen haben? (,Als Chef der Österreichi­schen Volkspartei garantiere ich, dass wir schon im kommenden Frühjahr ein Bundes­tierschutzgesetz erarbeiten werden, egal, wie der Urnengang ausgeht!‘, ,Neue Kronen Zeitung‘ vom 20.11.2002)“

 


Präsident Hans Ager: Herr Staatssekretär, bitte.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Bundesrätin! Ich danke Ihnen außerordentlich für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, zu einem der we­sentlichen Punkte, die im Wahlkampf ein wichtiges Thema waren, die in Wirklichkeit über Jahrzehnte in der Republik Österreich ein Thema waren und wo wir, wie ich glaube, einer Lösung zustreben, Stellung zu nehmen. Und ich umwerbe Sie jetzt, meine Damen und Herren von der Opposition, dass Sie sich einen Blick in die vorlie­gende Gesetzesmaterie, in das neue Tierschutzgesetz gönnen.

Ich möchte jetzt nicht rekurrieren darauf, wie die Regierungsverhandlungen gelaufen sind, dass wir hier alle einen gewissen Teil der Schuld tragen, dass die Bundesregie­rung diese Verhandlungen nicht termingerecht abgeschlossen hat. Daran sind wir alle beteiligt. Aber grundsätzlich sind wir von dem ehrlichen Bestreben getragen, hier im Sinne des Tierschutzes und im Sinne vieler Österreicherinnen und Österreicher einen gangbaren Weg zu finden zwischen diesem magischen Dreieck EU-Bestimmungen, Bundesgesetz und Landesgesetze und auch zwischen den Maximalforderungen auf der einen Seite der Landwirtschaft, die wirtschaften können muss, und auf der anderen Seite auch der Tierschützer, die durchaus nach meinem und auch dem Verständnis des Herrn Bundeskanzlers ein berechtigtes Anliegen haben.

In diesem Sinne, meine Damen und Herren, bitte ich Sie noch einmal, schauen Sie sich das Gesetz an, schauen Sie, ob Sie eine Möglichkeit finden, dem zuzustimmen. Ich glaube, es sind viele Punkte darin enthalten, wo Sie sich wieder finden, und ich


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703. Sitzung / Seite 17

glaube, es ist im Sinne des Tierschutzes, aber es ist auch im Sinne der Möglichkeiten, innerhalb der EU einen Standpunkt einzubringen, der, wie Pechlaner sagte, neue Stan­dards setzt, aber auch einen gangbaren Weg für alle Beteiligten darstellt.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Tatsache ist jedoch, dass es mehr als ein halbes Jahr später zur Umsetzung kommt.

Meine Zusatzfrage lautet: Da, wie bekannt wurde, die hervorragenden Experten der Tierschutzorganisationen, die das Volksbegehren für ein Bundestierschutzgesetz seit Jahren getragen haben, zur Erarbeitung des Entwurfes für ein Bundestierschutzgesetz nicht beigezogen wurden, ist von besonderem Interesse, wer als Experte beigezogen wurde. Daher die Frage: Wer war Mitglied der diesbezüglichen Arbeitsgruppe, und welche Experten wurden zu deren Arbeiten beigezogen?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Es waren die Vertreter des Bun­des, der Länder und der Gemeinden dabei, und ich sage Ihnen auch, es war am Schluss, beim Finalisieren des Gesetzes nur eine Arbeitsgruppe dabei, die unter ande­ren aus Dr. Pechlaner, Dr. Troxler und Mag. Gsandtner bestanden hat und für die fach­liche Unterstützung in diesem Bereich zuständig war.

Ich darf Sie noch einmal in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir erstens in der Begutachtungsphase sind, dass wir diesen Prozess jetzt durchleben und, ich glaube, positiv durchleben sollten, um für die Tiere etwas zu tun. Aber ich glaube auch, dass wir uns etwas Gutes tun, wenn wir diese Thematik nicht kontrovers behandeln, wie das in den letzten drei Tagen passiert ist, als keiner das Gesetz kannte und jeder schon seinen Senf dazugegeben hat. Ich nehme hier davon keinen aus, aber ich bitte um eine faire Behandlung. Pechlaner sagte, es ist ein neuer Standard im Tierschutz in Europa erreicht. Und glauben Sie mir, in den Diskussionen, die ich mit Spaniern und Italienern führe, zeigt sich, dass sie uns um dieses Gesetz beneiden und darum, dass wir diese Problematik im Grunde sehr konsensual behandeln.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Gruber, bitte.

 


Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Staatssekretär! Mich würde in­teressieren, welche Verbesserungen das neue bundeseinheitliche Tierschutzgesetz praktisch bringt. – Das müsste, glaube ich, auch Frau Schlaffer interessieren.

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Es kommt immer darauf an, von welcher Seite man das sieht. Ich würde sagen: Wir haben neue Regelungen in der Pelztierhaltung, das Verbot von Stachelbändern beziehungsweise von elektrisierenden oder chemischen Dressurgeräten, das Verbot der Wildtierhaltung in Zirkussen, das Verbot der ständigen Anbindehaltung, die tierschutzrechtliche Bewilligungspflicht von Tierhandlungen und Tierheimen. Künftig wird es in Österreich ein einheitliches Verbot von Tierquälerei geben, die Strafen sind erhöht worden. Darum sage ich: Man muss das von der einen und von der anderen Seite sehen.

Ich glaube, wir sind durchaus auf einem richtigen Weg damit, dass wir hier die Strafen substantiell erhöht haben. Tiere müssen in Zukunft von allen, auch von privaten Hal­tern in ganz Österreich artgerecht und nach gleichen Kriterien gehalten werden. Ich glaube, wir tun gut daran, wenn nicht immer die eine Gruppe auf die andere mit dem Finger zeigt und sagt: Die machen gerade das nicht!, und dann heißt es wiederum: Ja, aber die Privaten, aber die Bauern und so weiter.


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Ich denke, wir haben hier einen Mittelweg gefunden, unter anderem auch das Pickerl für die Stadtstallhaltung und so weiter. Ich glaube, jede Seite muss und soll hier nach­geben, damit wir in diesem Bereich zu einer Lösung kommen.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Dr. Aspöck, bitte.

 


Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Staatssekretär! War es eine der Konzessionen an die Länder, um zu einem einheitlichen Gesetz zu kommen, dass der darin derzeit vorgesehene Mindeststandard nicht dem strengsten Standard der Länderbestimmungen entspricht?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Man hat ja schon in der Ge­schichte dieses Gesetzes die Erfahrung gemacht: Dort, wo keine Legebatterien waren, gab es die strengsten Regelungen bei den Legebatterien und so weiter. Ein Wunsch­programm ist es im Grunde nicht, dass wir sagen, wir übernehmen überall die strengs­ten Regelungen in den jeweiligen Bundesländern.

Ich glaube, das, was wir gefunden haben, ist ein vernünftiger Kompromiss. Ich meine, dass der gute Wille der Arbeitsgruppe auch dadurch gegeben war, dass wir zum Bei­spiel in diesem Bereich auch einen Wiener Experten mitgenommen haben, der natür­lich genau auf die städtischen Problematiken eingegangen ist. Sie wissen: kleine Woh­nung – großer Hund, kleiner Käfig – großer Papagei. All diese Dinge wurden ja im Grunde nie abgehandelt. Man hat immer mit dem Finger auf die Bauern gezeigt und gesagt: Die haben Kühe, was tun die damit?

Ich will damit sagen, das gesamte Gesetz ist ein Kompromiss, der aber auf höchstem Niveau und auf höchstem europäischem Niveau steht. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Hans Ager: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Da ich aus Tirol komme, muss ich jetzt auch wieder auf die strengsten Bestimmungen ein­gehen.

Meine Frage lautet: Ist es richtig, dass Sie mit dem Bundestierschutzgesetz der ent­sprechenden Lobby nachgeben und die in den fortschrittlicheren Tierschutzgesetzen wie zum Beispiel in Tirol verbotene Käfiggeflügelhaltung und Pelztierhaltung wieder einführen werden?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Das stimmt nicht. Wenn Sie das Gesetz lesen, werden Sie das nicht wieder finden – nur in den Diskussionen davor, aber da hat es noch kein Gesetz gegeben.

Noch einmal – im Grunde habe ich das bei meiner Beantwortung der letzten Frage be­handelt –: Wir sind einen gangbaren Kompromiss für alle Beteiligten, für die privaten Tierhalter, aber auch für die professionellen Tierhalter gegangen. Wir haben natürlich auch die Möglichkeit – nicht nur die Möglichkeit, sondern die Bestimmung darin enthal­ten, dass sich das verändern muss, auch die Käfigtierhaltung für Hühner. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Artikel, den ich erst vorgestern – ich glaube, in der „Presse“ – gelesen habe, wonach die Schweiz die Käfigtierhaltung für Hühner, also die Legebatterien verboten hat und seither alle Eier aus China bekommt – aus Käfig­tierhaltung logischerweise.

Also noch einmal: Die künftigen Standards, die in diesem Gesetz geschaffen werden, sind im europäischen Bereich ein Unikat – glauben Sie mir das – im positiven Sinne,


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 19

aber es kann nicht sein, dass wir überall die Maximalforderungen erfüllen. (Beifall bei der ÖVP.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 3. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Weilharter, um die Formulierung.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Werte Herren Staatssekretäre! Meine Frage lautet:

1290/M-BR/2003

„Welchen Beitrag könnte der Sport aus Ihrer Sicht für eine Reform des österreichi­schen Gesundheitswesens leisten?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Wir haben auf der Basis einer Untersuchung, die mittlerweile bereits zwei Jahre alt ist, versucht, ein Programm zu erarbeiten. Diese Untersuchung hat gezeigt, dass in Österreich mehr als 60 Prozent der Bevölkerung geringfügig bis gar nicht Sport betreiben, 22 Prozent der Bevölkerung moderat Sport ausüben und 18 Prozent aktiv Sport betreiben.

Die sozio-ökonomischen Auswirkungen dieser Tatsachen sehen so aus, dass sich Österreich unter Berücksichtigung der Sportunfälle und der Folgekosten damit für das Gesundheitssystem rund 300 Millionen € erspart. Könnten wir die Gruppe der 60 Pro­zent zumindest in die Gruppe der 22 Prozent bringen, würde sich das Gesundheits­system – das ich sehr gerne als „Krankheitssystem“ bezeichne – mindestens weitere 8 Milliarden Schilling – um es in alter Währung auszudrücken – ersparen.

Deshalb haben wir Überlegungen betreffend Maßnahmen angestellt, die früher greifen müssen als zu jenem Zeitpunkt, zu dem der Mensch bereits erkrankt ist, nämlich die Vorbeugemaßnahmen. Wir glauben, dass betriebliche Gesundheitsvorsorge sowie Ge­sundheitserziehung in der Schule extrem notwendige Maßnahmen sind, für die wir aus Mitteln des Fonds Gesundes Österreich eine Anreizfinanzierung vornehmen sollten, um damit zu sehr Kosten sparenden Ergebnissen zu gelangen, weil Krankheiten da­durch, dass vorgebeugt wird, erst gar nicht eintreten.

Wenn wir das ernst nehmen, könnten wir mit der Investition von 1 € der österreichi­schen Volkswirtschaft 3,5 € an Nachsorgekosten ersparen.

Ich hoffe, dass dieses Programm demnächst auch umgesetzt werden kann.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Weilharter.

 


Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Staatssekretär! Gibt es wissenschaftlich erhobene Daten für eine volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Rech­nung von Sportaktivitäten?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Die wissenschaftlichen Daten sind genau in dieser Studie, die im Sozialministerium vorliegt, abrufbar. Es gibt aber jetzt eine völlig neue, ungefähr 14 Tage alte Studie von der UNO, die weltweit untersucht hat, wie sich der Breitensport, der Gesundheitssport auf das Gesundheits­system auswirkt. Die Daten sprechen eindeutig dafür, dass solche Maßnahmen so rasch wie möglich umgesetzt werden sollten.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
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Es wird auch notwendig sein, mit den Gebietskrankenkassen Verhandlungen darüber aufzunehmen, solche Vorsorgemaßnahmen zu finanzieren, um bei den Nachsorgekos­ten dann entsprechend einsparen zu können und aus den kranken Kassen gesunde Kassen zu machen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker, bitte.

 


Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die ersten Analysen haben bereits gezeigt, dass sich durch die Stun­denkürzungen an den Schulen das Stundenausmaß bei den Turnstunden reduziert, was natürlich den Schulen im Rahmen ihrer Autonomie überlassen ist, aber die ersten Daten zeigen das bereits.

Meine Frage an Sie ist: Welche Folgekosten wird das, perspektivisch betrachtet, Ihrer Einschätzung nach für das Gesundheitsbudget nach sich ziehen?

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 21

Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Wir haben auf Grund der Tatsache, dass es trotz Schulautonomie – die Schule, in diesem Fall der Schul­gemeinschaftsausschuss beziehungsweise das Schulforum, entscheidet über das Stundenangebot – zu Turnstundenkürzungen kommt, bereits entsprechende gegen­steuernde Maßnahmen eingeleitet.

Sie werden vielleicht wissen, dass wir dort ansetzen, wo es notwendig ist, nämlich be­reits im Kindergarten. Indem wir so genannte Bewegungskindergärten installieren, wir­ken wir dem entgegen. Indem wir ein Zusatzangebot an den Volksschulen in Zusam­menarbeit mit den Vereinen zur Verfügung stellen, haben die Schüler die Möglichkeit, mehr Sport zu betreiben, als es früher in den vorgesehenen Turnstunden der Fall war.

Diese Versuche haben wir im Burgenland bereits flächendeckend in die Tat umgesetzt, Kärnten wird folgen. Das heißt, wir jammern nicht einer entgangenen Turnstunde nach, sondern wir versuchen, mit konkreten Maßnahmen gegenzusteuern, und zwar bereits beginnend im Kindergarten, sich fortsetzend in den Volksschulen und durch eine frei­willige Nachmittagsbetreuung in allen anderen Schulen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Binna, bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Auf Grund von Stress, geändertem Umfeld und geänderten Umweltbedingungen sowie, wie schon er­wähnt, gekürzten Turnstunden – um nur einige Faktoren zu nennen – weisen immer mehr Jugendliche Haltungsschäden auf. Gibt es konkrete Projekte, um für die Jugend­lichen diese Situation zu verbessern?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Diese konkreten Pro­jekte habe ich bereits genannt; ich wiederhole sie noch einmal: Der Bewegungskinder­garten, das Programm „Sportkids“ – in Schwechat bereits seit einiger Zeit erfolgreich erprobt, jetzt im Burgenland umgesetzt, in Kärnten im Stadium der Umsetzung –, die Gründung von so genannten Schulsportvereinen – bereits existierend zum Beispiel in Graz im Gymnasium Kirchengasse – sollen genau diesem Umstand entgegenwirken.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Diesner-Wais, bitte.

 


Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Herr Staatssekretär! Wie stellen Sie sich in diesem Zusammenhang eine Vernetzung des Sports mit dem Programm unserer Gesundheitsministerin, dem „iSch“, vor?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Ich bin überzeugt, dass Sie sich am Montag über die Aktion „Fit für Österreich“ informiert haben. Wir haben im sportmedizinischen Institut von Professor Hans Holdhaus ein Modell erarbei­tet, das zunächst einmal zur Feststellung des eigenen körperlichen Zustandes dient, und auf Grund dieser Datensammlung gibt es dann eine intensive Beratung, wie man seinen körperlichen Zustand so verbessern kann, dass man sich wieder wohl fühlt. Ich habe das Ganze auch der Frau Gesundheitsministerin vorgelegt. Sie war sehr angetan von dieser Tatsache und hat mir zugesagt, dass wir gemeinsam über den Fonds Ge­sundes Österreich versuchen werden, diese Maßnahmen österreichweit umzusetzen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 4. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Ing. Franz Gruber, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Herr Staatssekretär! Meine Frage lautet:

1286/M-BR/2003

„Wie hat sich das System der Buchpreisbindung, die im Jahr 2000 bundesgesetzlich geregelt wurde, bewährt?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Ich war, was die Buchpreisbindung betrifft, ein Saulus und bin zum Paulus geworden. Ich habe am Beginn durchaus große Skepsis gehabt, ob solch ein Instrument in der heutigen Zeit noch sinnvoll ist, habe aber nach vielen Diskussionen – einerseits mit Künstlern, also mit Schriftstellern und Dichtern, mit der IG Autoren, andererseits aber auch mit den Buchhändlern und auch mit den Verlegern – eingesehen, dass das Buch in dieser Form beziehungsweise der Vertrieb der Bücher in der Form, wie wir es in Österreich gewohnt sind, anders wahrscheinlich nicht organisierbar ist.

Was meine ich damit? – Ich meine damit, dass wir in Österreich eine hohe Dichte an Buchhandlungen haben, die wesentlich höher ist als in jedem anderen Land Europas, und ich meine, dass wir es den Konsumenten, aber auch den Bildungsbürgern und Bil­dungsbürgerinnen schuldig sind, sie organisiert beliefern zu können. Aus all diesen Parametern hat sich dann ergeben, dass wir ein Buchpreisbindungsgesetz machen werden – ich erinnere daran: im Konsens mit allen Parteien, die im Nationalrat vertre­ten sind. Die Rückfragen und Rückmeldungen, die ich bislang erhalten habe, sind posi­tiv, und die Bestimmungen des Gesetzes wirken sich auch positiv auf alle Beteiligten, die mit dem Buch zu tun haben, aus.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte, Herr Bundesrat Gruber.

 


Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, das Bundesgesetz über die Buchpreisbindung dahin gehend zu novellieren, dass die Buch­preisbindung ohne zeitliche Begrenzung über das Jahr 2005 hinaus verlängert wird?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Meine Damen und Herren! Ich habe hier eine zweite große Bitte an Sie alle. Nachdem ich hier bereits das Tierschutzgesetz vertreten habe und um Ihre Mitwirkung an diesem Tierschutz-


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gesetz im Begutachtungsprozess geworben habe, ist dies das zweite Gesetz, bei dem ich um Ihre Zustimmung und Mitarbeit werbe. Ich bin der Meinung, wir sollten die posi­tiven Erfahrungen, die wir mit dem Buchpreisbindungsgesetz gemacht haben, auf un­bestimmte Zeit verlängern. Das Gesetz ist von der Güte, dass Deutschland im Grunde dasselbe Modell einführen will und dass es nach den letzten Gesprächen, die ich mit Aillagon, aber auch mit Frau Weiss, der Bundesministerin für Kultur und Kunst in Deutschland, geführt habe, hier durchaus einen europäischen Ansatz gibt, dass wir den neuen Mitgliedsländern im Grunde dieses System empfehlen sollten. Ich sage Ihnen auch, warum: Die Problematik anders herum wäre, dass die Bestseller billiger, aber alle anderen Bücher teurer werden. Wir haben jetzt ein System, wo die Bestseller etwas teurer sind und die anderen Bücher etwas billiger.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Klamt, bitte.

 


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Werter Herr Staatssekretär! Zum Teil sind Sie auf meine Frage schon eingegangen. Trotzdem: Wie bewerten Sie die Chancen, dass es zu einer europaweiten Regelung kommt?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich habe das mit Frau Weiss und mit Aillagon schon angesprochen. Auf der anderen Seite, glaube ich, sind sie nicht so positiv zu bewerten, wie das im selben Sprachraum klingt – ich sage das auch da­zu –, und zwar einfach deswegen, weil das Problem in Österreich ein ganz spezielles war, nämlich dass wir, da wir im selben Sprachraum leben wie Deutschland, das Pro­blem gehabt hätten, dass die Buchhändler dem Druck aus Deutschland nicht standge­halten hätten und dann eben in kleinen Gemeinden ihre Buchhandlungen nicht hätten weiterführen können, was durchwegs auch auf die Verleger durchgeschlagen hätte.

Grundsätzlich befinden wir uns hier, so glaube ich, in einem Diskussionsprozess. Man sollte aber auch dem Umstand gerecht werden, dass eben Regionen wie Ungarn oder Tschechien eine eigene Sprache haben und sich nicht in einem so großen Kulturraum befinden wie die Österreicher. Auf der anderen Seite, glaube ich, wäre es durchaus eine Handlungsanleitung, wenn es um die Frage geht, welche Form einer Buchpreis­bindung in diesen Ländern sinnvoll wäre.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Die Bundesregierung hat sich völlig korrekt und richtigerweise für die Beibehaltung der Buchpreisbindung ausgesprochen. Betrachten Sie es aber einerseits nicht als proble­matisch, dass die Bundesregierung mit anderen Maßnahmen, wie zum Beispiel der Pri­vatisierung des Österreichischen Bundesverlages, genau das unterminiert, was eigent­lich die Buchpreisbindung sichern sollte, sodass Verlage und Buchhandlungen, die früher zum Österreichischen Bundesverlag gehörten, jetzt zusperren müssen, wie zu­letzt das Antiquariat Deuticke, einer der wichtigsten Verlage zum Beispiel im Bereich der Psychoanalyse?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich war ja teilweise eingebun­den in die Verhandlungen mit all den Verlagen, die im Bundesverlag zusammengefasst waren, und man muss ganz deutlich sagen, dass dieser Bundesverlag natürlich von den Schulbüchern gelebt hat. Die Europäische Union hat „Buch“ definiert als Markt und als Kulturgut, und unter diesen Aspekten müssen wir das auch betrachten. Ich glaube, es gibt natürlich für einen Verlag, der so groß und so gut sortiert ist wie der Bundes­verlag, auch die Verpflichtung, so hauszuhalten, dass er am Markt bestehen kann, und ich bin sehr zuversichtlich, dass das auch geschieht.


Bundesrat
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Wir haben nichtsdestotrotz bei der Ausgliederung der Bundesverlage gerade für die Publikumsverlage eine Bestimmung in die Verträge aufgenommen, wonach es für sie verpflichtend vorgeschrieben ist, österreichische Lektoren zu haben und ein gewisses Sortiment an neuen Büchern zu verlegen. Das hat es bisher in den Bundesverlagen nicht gegeben, das möchte ich auch dazusagen. Wir haben das jetzt darin verankert, und ich glaube, dass wir dem Gebot des Marktes nicht entfliehen wollen – das sollen wir auch nicht – und dass diese Bremse, die wir eingebaut haben, ein gewisser Schutz ist, aber nicht die Kräfte des Marktes außer Kraft setzt.

 


Präsident Hans Ager: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Schlaffer, bitte.

 


Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Eine der Intentionen, die dem Gesetz zugrunde lagen, war es, einen Preiswettbewerb auszuschließen. Wodurch ist es gerechtfertigt, das System der Buchpreisbindung für einzelne Konsumenten aufrechtzuerhalten, wenn der Bund seinerseits versucht, durch Sammelbestellungen die Kosten zu reduzieren?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich muss Ihnen sagen: Das eine schließt das andere nicht aus. Wir können nicht auf der einen Seite sagen, der Bund muss sparen, und auf der anderen Seite sagen, wir setzen dieses Gesetz außer Kraft. Ich glaube, dass wir und vor allem die Beamten und Beamtinnen des Bundes im Bereich der Bestellungsagenturen, die wir haben, durchaus wie Kaufleute agieren müssen. Auf der anderen Seite glaube ich, dass diese Maßnahmen in jenen Berei­chen, wo wir die einzelne Buchhandlung, den einzelnen Verlag schützen, durchaus ge­rechtfertigt sind.

 


Präsident Hans Ager: Wir kommen nunmehr zur 5. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Wiesenegg, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Staatssekretäre! Ich hätte die Anfrage auch gerne an den Bundeskanzler gestellt, weil sie für Österreich und ganz besonders für mein Bundesland Tirol von emi­nenter Bedeutung ist. Aber ich stelle sie nun an Sie, Herr Staatssekretär:

1292/M-BR/2003

„Welche Erfolge haben Sie als Bundeskanzler in der Transitfrage erzielt, seitdem Sie diese Angelegenheit zur ,Chefsache‘ erklärt haben?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Erlauben Sie mir, be­vor ich Ihnen die Antwort des Bundeskanzlers vortrage, auch eine persönliche Bemer­kung, sehr geehrter Herr Bundesrat! Ich selbst habe – übrigens in Tirol, in Jenbach – in einer öffentlichen Diskussion vor der Volksabstimmung über einen EU-Beitritt Öster­reichs mit den damaligen Verhandlern des Transitvertrages diskutiert und habe gemeint, dass gerade die Transitfrage eine Frage ist, die das Ergebnis der Beitritts­verhandlungen für Österreich positiv beeinflussen könnte, wenn man dieses Pfand bei den Verhandlungen entsprechend einsetzt. Ich war damals zutiefst enttäuscht darüber, dass man diese Möglichkeit überhaupt nicht genutzt hat und die damaligen Verhand­ler – und Sie kennen die damaligen Verhandler – ein, wie ich meine, nicht sehr gutes Ergebnis für Österreich, was die Verhandlungen und den Beitrittsvertrag insgesamt be­trifft, nach Hause gebracht haben, insbesondere auch was den Transitvertrag betrifft.


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Damals wurde allerdings sowohl der Beitrittsvertrag als Erfolg gehandelt und uns ins­besondere auch der Transitvertrag als Erfolg verkauft. Tatsache ist, dass das damalige Verhandlungsergebnis für das Erzielen von Erfolgen heute nur mehr wenig bis gar keinen Spielraum offen gelassen hat; deshalb erlaube ich mir, die Antwort des Bundes­kanzlers vorzutragen:

Das Protokoll Nr. 9 der Beitrittsakte Österreichs, das die Reduktion von Schadstoff­emissionen von Lastkraftwagen im Transit durch Österreich um 60 Prozent auf dauer­hafter und umweltgerechter Grundlage zum Ziel hat, läuft Ende dieses Jahres aus, wie Sie wissen. Der Herr Bundeskanzler hat das deshalb schon beim Europäischen Rat in Göteborg zur Sprache gebracht, und der Europäische Rat von Laeken im Dezem­ber 2001 hat auf seine Initiative hin die Kommission ersucht, als Zwischenlösung einen Vorschlag zu unterbreiten, der auf eine Verlängerung des Ökopunktesystems, das im Protokoll Nr. 9 zur Akte über den Beitritt Österreichs vorgesehen ist, abstellt.

Die Kommission ist diesem Ersuchen innerhalb weniger Tage nachgekommen, hat einen Vorschlag vorgelegt, der die wesentlichen österreichischen Anliegen berücksich­tigt, nämlich Gültigkeit für das gesamte Bundesgebiet, für alle Transitfahrten sowie für eine Dauer von drei Jahren in Abhängigkeit vom In-Kraft-Treten einer neuen Wege­kostenrichtlinie.

Der Rat von Kopenhagen forderte die Mitgliedstaaten auf, noch vor Jahresende eine Verordnung über die Zwischenlösung für den Transitverkehr durch Österreich für den Zeitraum 2004 bis 2006 anzunehmen. Die Europäische Kommission sollte spätestens bis Ende des ersten Halbjahres 2003 einen Vorschlag für eine neue Richtlinie über die Wegekosten vorlegen.

Am 31. Dezember 2002 verständigten sich die Mitgliedstaaten mit Stimmenmehrheit auf einen Kompromiss. Ein formeller Beschluss kam aber nicht zu Stande, da im Rat das nötige Quorum fehlte. Wirklich bedauerlich war dann die Haltung des Europäi­schen Parlaments. Im Juni 2003 wurde in zweiter Lesung eine Stellungnahme be­schlossen, die eine Transitregelung nicht mehr für das ganze österreichische Bundes­gebiet, sondern ab 2005 nur mehr für einige Korridore vorsieht. Außerdem sollten auch die Euro 3-LKW von der Regelung ausgenommen werden.

Der Vermittlungsausschuss zwischen EU-Rat und EU-Parlament hat am Abend des 25. November einen Beschluss gefasst, den Österreich ablehnen musste, denn der so genannte Kompromiss bestand darin, dass praktisch freie Fahrt durch Österreich er­laubt wird.

Es gibt jetzt nur mehr eines, nämlich dass wir innerösterreichisch alle gesetzlichen Maßnahmen nutzen, die den Transit durch Österreich so gering wie möglich halten. Der Herr Verkehrsminister und auch der Herr Bundeskanzler haben betont, dass sie alle Maßnahmen im Interesse der österreichischen Bevölkerung nutzen werden.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Herr Staatssekretär! Danke für die Be­antwortung des Bundeskanzlers. Ich will jetzt nicht auf diese Geschichte der abge­laufenen Verhandlungen eingehen. Der Status quo ist uns allen klar, die Ergebnisse von Laeken sind uns allen klar.

Nach dem Scheitern der österreichischen Bundesregierung in der Europäischen Union ist es jetzt notwendig, raschest Maßnahmen zu setzen, um die Österreicherinnen und Österreicher vor einer Transitlawine, ganz besonders in Tirol, zu schützen.


Bundesrat
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Ich richte daher an Sie folgende Zusatzfrage: Welche Maßnahmen, die in dem einstim­migen Beschluss – Transitentschließung des Tiroler Landtages, wie Sie wissen – ent­halten sind, werden Sie wann und wo umsetzen?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Ich muss ganz offen sagen, dass ich nicht weiß, was im einstimmigen Beschluss des Tiroler Landtages steht, aber die innerösterreichischen Maßnahmen sollen so aussehen, dass es eine LKW-Kontrollplattform geben wird, eine verstärkte LKW-Kontrolle. Es sollen vor allem die Sozialvorschriften, das heißt die Lenkzeiten, sehr genau überprüft werden, auch die Sicherheitsvorschriften betreffend Überladung und technischen Zustand der Fahrzeuge sollen sehr genau überprüft werden. Es wird eine optimale Koordination bei den Kon­trollen geben, um Effizienz und Kontrolldichte zu steigern.

Dann wird es auch Maßnahmen auf der Basis IG-Luft geben wie Nachtfahrverbote und sektorale Fahrverbote. Wesentlich ist, dass die Länder auch geschlossen agieren, weil viele Kompetenzen für innerstaatliche Maßnahmen sowohl bei Kontrollen als auch bei Verboten im Bereich der Länder liegen.

Seitens des Bundes wird es auf alle Fälle volle Unterstützung geben. Die LKW-Maut, die ab 1. Jänner 2004 in Österreich eingeführt wird, soll mit 1. Jänner 2005 ökologisiert werden, das heißt, Schadstoff produzierende oder stark Schadstoff produzierende LKW zahlen mehr, gering Schadstoff produzierende LKW weniger. Das ist ein sinn­volles Anreizsystem für eine weitere Ökologisierung.

Der Ausbau der Bahn samt Erstellung entsprechend attraktiver Angebote im Kombi­verkehr soll eine weitere Maßnahme sein. Es gibt volle Konzentration auf die Wege­kostenrichtlinie, die derzeit in Verhandlung ist. Hier ist einerseits eine Querfinanzierung für alternative Infrastruktur vorzusehen, andererseits eine ökologisch orientierte Staffe­lung der Mauten.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Saller, bitte.

 


Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Herr Staatssekretär! Inwieweit beurteilen Sie den von der Europäischen Kommission vorgelegten Vorschlag für eine Wegekos­tenrichtlinie als unterstützenswert?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Es gibt durchaus Elemente im Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Wegekostenrichtlinie, die wir seit langem gefordert haben und die deshalb auch unterstützenswert sind, beispielsweise die Berechnung der Bemessungsgrund­lage der Mautgebühren nach einheitlichen Kriterien, die aber von Region zu Region variieren können, zu unterstützen. Ebenso ist die Ausweitung des Geltungsbereiches der Richtlinie auf Fahrzeuge ab bereits 3,5 Tonnen höchst zulässigen Gesamtgewichts positiv zu bewerten. Auch die von der Kommission vorgesehene Zweckbindung der Einnahmen erscheint hinsichtlich des Gebührenbestandteiles zum Zweck der Instand­haltung der Infrastruktur nachvollziehbar. Das sind die wesentlichen Dinge.

 


Präsident Hans Ager: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Hagen, bitte.

 


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Wie schätzen Sie die Terminmöglichkeiten für ein möglichst rasches In-Kraft-Treten der neuen Wegekostenrichtlinie ein?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



Bundesrat
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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! In den bisherigen, seit dem 25. September dieses Jahres statt gefundenen vier Arbeitsgruppensitzungen im Rat hat sich gezeigt, dass die Standpunkte der einzel­nen Mitgliedstaaten noch sehr, sehr weit auseinander liegen. Die Beurteilung reicht in den Extremen von sehr positiv bis überhaupt entbehrlich; vor allem auch die Frage der Einbeziehung von externen Umwelt- und Staukosten in die Berechnungen der zulässi­gen Mauttarife führt zu sehr kontroversiellen Standpunkten. Deshalb ist eine seriöse Schätzung im Moment noch nicht möglich.

 


Präsident Hans Ager: Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Konrad, bitte.

 


Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Da die Bundesregierung nicht nur nach österreichischem, sondern auch nach EU-Recht für die Luftqualität an den Transitrouten verantwortlich ist und zum Beispiel an der Transit­route Kufstein – Brenner seit 1999 Grenzwertüberschreitungen vorliegen, stelle ich fol­gende Frage:

Welche drastischen Sofortmaßnahmen werden getroffen, um eine Gesundheitsgefähr­dung der Bevölkerung im Inntal, aber auch in anderen betroffenen Gebieten zu ver­meiden?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich habe die Maßnahmen, die auf der Basis IG-Luft möglich sind, bereits angesprochen. Es wird sich um Nachtfahrverbote handeln, um sektorale Fahrverbote. Wie gesagt: Wesentlich ist, dass die Länder die Maßnahmen, die wir vom Bund vor­schlagen, auch entsprechend unterstützen.

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 6. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Kerschbaum, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Es ist schon erwähnt worden, aber ich frage es trotzdem noch einmal:

1289/M-BR/2003

„Wann wird das vom Bundeskanzler in der Rundfunksendung ,Im Journal zu Gast‘ am 15.11.03 angekündigte LKW-Nachtfahrverbot auf Bundesebene umgesetzt?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrte Frau Bundesrätin! Ich habe in einer anderen Anfrage bereits eine Antwort darauf gegeben und darf Sie deshalb darauf aufmerksam machen, dass die von Ihnen vorgebrachte Frage kein Gegenstand der Vollziehung des Bundeskanzlers ist und somit nicht beant­wortet werden soll. (Bundesrat Konecny: Die Inkompetenz erklären!)

 


Präsident Hans Ager: Wollen Sie, obwohl der Herr Staatssekretär die Unzuständigkeit des Ressorts erklärt hat, trotzdem eine Zusatzfrage stellen?

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Dann möchte ich ger­ne wissen, warum der Herr Bundeskanzler im Radio erklärt hat, dass er das machen wird, wenn er nicht zuständig ist. (Bundesrat Konecny: Weil er inkompetent ist!)

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Er hat, soweit ich infor­miert bin, Maßnahmen von bis erklärt. Ich habe die Sendung „Im Journal zu Gast“ am 15. November 2003 nicht verfolgt, also kann ich Ihnen beim besten Willen keine ent­sprechende Antwort geben.

 


Präsident Hans Ager: Zu einer weiteren Zusatzfrage hat sich Herr Bundesrat Helmut Wiesenegg gemeldet. Ich frage noch einmal, ob Sie diese Zusatzfrage stellen wollen, denn das könnte sich jetzt bis zum Ende so hinziehen. (Bundesrat Konecny: Man kann das nicht oft genug hören, dass der Bundeskanzler inkompetent ist!)

 


Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Herr Präsident! Es ist ganz einfach, ich habe den Kollegen hier den Zusatzantrag gegeben, wie wir uns das in Tirol mit den Schadstoffen vorstellen. Ich glaube, dass es günstig wäre, Herr Staatssekretär, wenn dieser Zusatzantrag, der einstimmig im Tiroler Landtag beschlossen wurde, wo Sie als Bundesräte ja nicht anwesend waren, zum Vollzug käme.

 


Präsident Hans Ager: Gibt es weitere Zusatzfragen? – Das ist nicht der Fall.

Dann gelangen wir zur 7. Anfrage 1287/M.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Hösele, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Staatssekretär, meine Frage lautet:

1287/M-BR/2003

„Worin sehen Sie die Vorteile des neuen Modells der Presseförderung gegenüber dem bisherigen Zustand?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich erlaube mir, kurz einen Satz zu dieser schwelenden Kontroverse zu sagen, weil ich dieses Haus nicht im Unfrieden verlassen möchte.

Ich habe mir das ausheben lassen, was der Herr Bundeskanzler in dieser Rundfunk­sendung gesagt hat. Der Herr Bundeskanzler hat von Maßnahmen gesprochen; diese können von bis zu einem Nachtfahrverbot gehen. Das war seine Aussage zu diesem Thema, und das ist in der anderen Anfragebeantwortung, die Kollege Schweitzer ge­geben hat, schon vorgekommen.

Ich bitte Sie, das einfach zu verarbeiten und sich mit diesem Standpunkt in irgendeiner Form abzufinden. Alle möglichen Maßnahmen sollen dazu führen, dass die Menschen, die in diesen Gebieten leben, im Grunde dort ein lebenswertes Leben führen können.

Um zu Ihrer Frage betreffend Presseförderung zu kommen, Herr Bundesrat: Die Pres­seförderung ist ein Thema, das, wie ich meine, bisher mein gesamtes politisches Dasein als Staatssekretär geprägt hat. Wenn ich über Presseförderung spreche, dann deswegen, weil das ein Gegenstand ist, der mich seit zweieinhalb Jahren beschäftigt.

Es ist ein Thema, das schwierig ist, und zwar deswegen, weil es ein bestehendes Ge­setz gibt, das in Wirklichkeit nicht mehr dem entsprochen hat, was der Anspruch an dieses Gesetz war, nämlich die Vielfalt herzustellen, die Vielfalt zu belassen, sondern es waren einige Regelungen darin enthalten, die im Grunde ihren Zweck verfehlt haben. – Das ist der eine Teil.

Der andere Teil ist etwas, was ich versucht habe, auch im Rahmen meiner Bemühun­gen und Vorschläge, die ich im Zuge der Kommunikationsbehörde Austria auf den Tisch gelegt habe, zu ändern, nämlich die Regelung eines solchen Gegenstandes, die


Bundesrat
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Regelung von Förderungen von Presse in eine unabhängige Behörde auszulagern. Jeder von Ihnen weiß, wie die Abhängigkeitsverhältnisse der Politik von der Presse und umgekehrt dargestellt werden können.

In diesem Sinne bedauere ich es heute noch, dass die Verhandlungen, die ich mit Kollegem Cap geführt habe, nicht dorthin geführt haben, wo es meiner Meinung nach sinnvoll gewesen wäre, nämlich einen europäischen Standard in diesem Bereich her­zustellen, sondern dass weiterhin der Zustand besteht, dass das eine im Bundeskanz­leramt angesiedelte Behörde ist, die aber – und das sage ich jetzt auch – weisungs­frei arbeitet. Es wurde dort nie eine Weisung gegeben. Ich bestehe auch darauf, das zu sagen, weil ich glaube, die Politik tut gut daran, sich aus diesem Geschäft heraus­zuhalten. – Das ist der eine Teil.

Der andere Teil ist, dass wir das gerade mit dem neuen Presseförderungsgesetz in die „KommAustria“ verlagert haben und nicht mehr im Ministerrat haben, es sind jedoch natürlich auch einige Sachen darin, die grundsätzlich der politischen und wirtschaft­lichen Realität dieses Landes Rechnung tragen, aber auch den politischen Zielsetzun­gen, von denen wir getragen sind.

Ich glaube, die wesentlichsten Punkte sind, dass es eine, wie wir meinen, gerechtere Mittelverteilung gibt – wir haben dieses Thema heute Nachmittag im Ausschuss – und dass es eine Förderung für Qualitätszeitungen gibt, unabhängig von den Anzeigen. Das heißt, wir haben auch wieder den „Standard“ drinnen, und Sie können mir nicht unterstellen, dass ich – wie soll ich sagen? – dort politisch ganz gut wegkomme.

Also ich denke, wir haben hier einen Maßstab gesetzt, der diesem Thema adäquat ist. Es gibt eine stärkere Betonung des Aspektes der Qualität und der Förderung inhalt­licher Vielfalt, und es gibt – wie ich eingangs schon erwähnte – die Befassung der „KommAustria“ mit dem Instrument der Presseförderung.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Sie haben über die Qualität gespro­chen.

Welche konkreten Maßnahmen sind für Journalistenausbildung und -weiterbildung vor­gesehen, die ja im alten Gesetz auch schon enthalten waren?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich glaube, am einfachsten erklärt sich das, wenn wir sagen: Wie schauen die Summen aus, die wir in diesem Be­reich zur Verfügung gestellt haben? – Das waren früher 505 000 €, das wurde jetzt bei­nahe vervierfacht auf 1,8 Millionen €. Das umfasst Ausbildungsmodule, die auch den Online-Bereich betreffen. Wir werden Nachwuchsjournalisten und deren Ausbildungs­kosten fördern, wir haben Leseförderungen an Schulen, die Auslandskorrespondenten werden stärker einbezogen. Ich glaube, dieses Paket kann sich sehen lassen. Ich hoffe, es könnte Ihre Zustimmung finden.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Dr. Böhm, bitte.

 


Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ausgehend von dem Umstand, dass das neue Modell der Presseförderung kosten­neutral ist, erlaube ich mir die Frage:

Welcher Einsparungseffekt wäre im Rahmen der Presseförderung möglich, würde die Förderung von Parteizeitungen entfallen?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 



Bundesrat
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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Wir haben über dieses Thema gerade mit den Vertretern Ihrer Partei sehr ausführlich geredet. Das ist juristisch nicht zu fassen, sage ich auch gleich, weil das natürlich nicht Parteizeitungen in dem Sinne sind, dass sie quasi in den Parteisekretariaten angesiedelt sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang zum Beispiel auf die „KTZ“ und so weiter. Das sind keine Partei­zeitungen in dem Sinne. – Erster Punkt.

Zweiter Punkt: Sie werden auch kein Geld sparen, einfach deswegen, weil die Mittel, die vorhanden sind, 13,9 Millionen €, auf alle anderen Presseerzeugnisse aufgeteilt werden.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär! Ich stimme mit Ihnen überein, dass es richtig war, die Medienbehörde zu installieren. Besser wäre es allerdings gewesen, sie unabhängig zu machen.

Nicht ganz kann ich Herrn Kollegen Hösele folgen, wenn er von einem neuen Modell spricht, ich würde sagen, das ist eine Reform.

Deshalb meine Frage an Sie: Was waren die Motive, die Wochenzeitungen und die Tageszeitungen unterschiedlich zu behandeln? Laufen Sie mit der Einschränkung der Vertriebsförderung bei Wochenzeitungen, die sich in einem Verlagshaus befinden, nicht Gefahr einer Kritik, eine „Lex NEWS“ gesetzt zu haben?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich merke, dass die Leute, die bei mir waren, auch bei Ihnen waren und dass sie diese Diskussion sehr genau verfol­gen. Wir sind den Wünschen der Herren – es sind nur Herren gewesen – bis zu einem gewissen Grad nachgekommen, indem wir auch die Vertriebsförderung der Tages­zeitungen – das wird im neuen Antrag enthalten sein – degressiv gestaltet haben, wie das bei den Magazinen der Fall ist.

Ich kann Ihnen nur sagen: Es gab auch Stimmen, die – und das muss man auch sagen, und ich habe das auch diesen Herren gesagt – die Meinung vertraten, nicht 42 Prozent wären von der zur Verfügung stehenden Summe für diese Zeitungen zu veranschlagen, sondern eigentlich nur 17 Prozent, weil der Vertrieb von Wochenzeitun­gen viel geringer ist als der Aufwand für Tageszeitungen. Wir sind da einen Mittelweg gegangen. Ich sage jetzt bewusst nicht: einen goldenen Mittelweg, weil dort kein Mittel­weg golden ist. Man wird es nicht allen recht machen können, aber ich glaube, im lang­jährigen Durchschnitt ist das eine Lösung, mit der alle Beteiligten werden leben können.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Konecny, bitte.

 


Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Es ist offenbar sehr wichtig, bei Ihnen vorzusprechen. Sie haben von dem Abänderungsantrag gesprochen, in welchem auch drinsteht, dass der Anteil der Mittel für die Wochenpublikationen, sofern ich es richtig mitgekriegt habe, von 42 Prozent auf 46 Prozent der Gesamtmittel ansteigt, ohne dass es dafür irgendeine sachliche Begründung gibt. Übrigens: Für die andere Zahl auch nicht, es ist halt mehr.

Aber ich würde Ihnen in diesem Zusammenhang gerne eine Frage stellen, da ich jetzt Ihrer Argumentation schlichtweg nicht folgen konnte. Es gab im ursprünglichen Gesetz­entwurf eine Vertriebsförderung für Wochenzeitungen, die de facto bei 10 000 verbrei­teten Exemplaren abgeschnitten hat. Sie haben jetzt einen Abänderungsantrag einge­bracht, der bei 15 000 Exemplaren – beides war degressiv gestaltet – abschneidet.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 30

Was sind die medienpolitischen Beweggründe, 5 000 weitere Exemplare in die Förde­rung zu nehmen?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Abgeordneter! Ich würde gerne mit Ihnen persönlich einige Tage bei der Verhandlung der Presseförderung ver­bringen. Es ist nicht wichtig, bei mir vorzusprechen, aber es ist wichtig, dass man die gegenseitigen Argumente austauscht.

Unser Vorgehen bei der Förderung der Magazine war grundsätzlich von dem Gedan­ken getragen, dass wir bei kleinen Erzeugnissen die Vertriebsförderung bei 10 000 abschneiden. Die Auflagenzahlen von Magazinen und Tageszeitungen divergieren selbstverständlich. Wir haben aber dem Argument stattgegeben oder sind ihm nachge­kommen – sagen wir es einmal so –, dass es durchaus vernünftig ist, wenn die einen durchgehend keine Degression bei der Sockelförderung des Vertriebes haben. Das waren immer 200 000 €. Wir haben das eingesehen und haben gesagt: Verschieben wir das Geld, das im Grunde bei mehrfachen Tageszeitungserzeugnissen von ein und demselben Haus zum Einsatz kommt, auf den Magazinsektor, damit wir jenen bei­pflichten, die sich dafür ausgesprochen haben.

Ich glaube auch, dass Erzeugnisse, die eine Auflagezahl von 15 000 Stück haben, wie bei den Wochenzeitungen, nicht so große Erzeugnisse sind wie „NEWS“ und die ange­schlossene Gruppe. Ich meine aber, dass das Argument von Seiten der Tageszeitun­gen, dass da lautet: Freunde, wie oft verschicken denn die die Zeitungen?, einmal in der Woche, und wir sieben Mal in der Woche!, durchaus ein schlagendes ist. Ich gebe allerdings zu, dass es auch eine zeitungspolitische Realität bei dieser ganzen Sache gibt, wo wir uns die Frage stellen: Wie können wir da eine größtmögliche Überein­stimmung innerhalb der Medienlandschaft erzielen?

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 8. Anfrage.

Ich bitte die Anfragestellerin, Frau Bundesrätin Auer, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Herr Staatssekretär! Das ist auch eine Frage, die an den Herrn Bundeskanzler gerichtet ist. Ich sehe an Ihrem Lächeln, Herr Staatssekretär, dass Sie die Antwort schon parat haben.

Meine Frage lautet:

1293/M-BR/2003

„Hat sich die Entscheidung von Staatssekretär Morak, die Leitung des Filmfestivals ‚Diagonale‘ neu zu besetzen und die inhaltliche Ausrichtung des Festivals zu verän­dern, angesichts der Ablehnung und Skepsis in breiten Kreisen der Filmschaffenden als sinnvoll erwiesen?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Ich möchte zuerst einmal sagen: Es tut mir Leid, dass der Herr Bundeskanzler nicht da ist, weil Sie mit dem Bun­deskanzler gerne sprechen. Ich verstehe das! Ich auch. Ich möchte Ihnen aber sagen, dass ich für dieses Thema zuständig bin und Ihnen durchaus die Antwort geben kann, die Ihnen der Bundeskanzler auch geben würde.

Wir befanden uns im Bereich der „Diagonale“ beziehungsweise im Bereich des öster­reichischen Filmfestivals in einer Situation, wo ich gesagt habe: Das funktioniert gut, und wir haben auf Grund der EU-Osterweiterung eine erweiterte Landschaft in diesem Bereich. Meine Handlungsweise war von dem Gedanken getragen, dass es Cannes,


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Venedig und Berlin schon gibt und dass wir uns daher fragen: Was könnte die Aufgabe einer Stadt wie Graz sein, die im Grunde immer eine Inklination in diesem Raum hatte? Ich habe mich dann entschlossen, dafür eine Ausschreibung zu machen.

Nachdem vom „Diagonale“-Führungsteam einer aus privaten Gründen zurückgetreten ist und ich das „Diagonale“-Führungsteam zweimal entschuldet und zweimal dessen Fortbestand gesichert habe, habe ich aus meiner Verantwortung heraus, weil ich ge­merkt habe, dass das Führungsteam nicht mehr intakt ist, eine Ausschreibung gemacht aus der, wie mir scheint, richtigen Überlegung heraus, diesen Raum für dieses Festi­val, das ein Unikat in Europa wäre und aus dem wir möglicherweise auf die Jahre ein A-Film-Festival machen könnten, aufzumachen.

Die Situation wurde dann in den Zeitungen durchaus so dargestellt, wie ich das ge­schildert habe, aber ich würde nicht sagen, dass das in breiten Kreisen der Filmschaf­fenden so ist, sondern das ist nur bei einem Teil der Filmschaffenden so. Sie werden bei der Diskussion der nächsten Monate sehen, dass es da eine tiefe Kluft innerhalb der Filmschaffenden – Produzenten, Kreative, Kameraleute und so weiter – gibt und dass dieser Konflikt quasi eine Spielwiese gefunden hat, und das ist die „Diagonale“.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrätin Johanna Auer (SPÖ, Burgenland): Sie haben es zwar soeben in Ihrer Antwort schon angesprochen, aber ich frage Sie dennoch: Wie empfinden Sie die Optik des Umstands, dass der Österreichkurator der „Diagonale“, Wolfgang Ainberger, un­mittelbar nach seiner öffentlich geäußerten Kritik, dass die Vorbereitung der diesjähri­gen „Diagonale“ unzureichend wäre, gekündigt wurde?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Entschuldigung, aber das ver­stehe ich irgendwie! Da wurde ein Mann engagiert, und zwar doch um einiges Geld, um einen Österreichschwerpunkt zu organisieren, und den hat er dann nicht organi­siert, und dass man ihn dann kündigt, ist eigentlich eine durchaus logische Folge da­von.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Bundesrat Hösele, bitte.

 


Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Herr Staatssekretär! Abgesehen von der auch und gerade für mein Bundesland wichtigen Frage der „Diagonale“ möchte ich aber doch die eigentliche Frage stellen: In der öffentlichen Auseinandersetzung könnte man ja fast zu der Meinung gelangen, das sei die einzige Maßnahme im Zusammen­hang mit der österreichischen Filmwirtschaft und der Filmkulturpolitik, die seitens des Bundeskanzleramtes gesetzt wird. Welche anderen Maßnahmen haben Sie gesetzt?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Herr Bundesrat! Ich danke Ihnen für diese Frage, weil sie mir Gelegenheit gibt, ein bisserl auszuholen und über das gesamte Thema, das ein relativ schwieriges ist, genauer zu berichten.

Auch wenn Sie es mir möglicherweise nicht abnehmen, sage ich es dennoch: Ich bin ein Mann voll der Begeisterung für den österreichischen Film, und zwar aus verschie­denen Gründen. Der Grund dafür ist nicht nur der, dass wir in diesem Bereich Erfolge haben, und zwar Festivalerfolge, sondern auch der, dass ich glaube, dass es ein Medium ist, das in diesem Lande über Jahrzehnte – und dieses Medium ist in etwa hundert Jahre alt – nicht richtig und nicht zielführend behandelt wurde.

Es ist mir gemeinsam mit dem Herrn Bundeskanzler und dem Herrn Finanzminister ge­lungen, die Mittel für diesen Bereich zu verdoppeln. Was das in einer Zeit wie dieser


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heißt, nämlich Mittel für ein Thema zu verdoppeln, das werden Sie mir möglicherweise nachfühlen können.

Wir haben, abgestimmt auf den Mangel, den wir in diesem Berufsstand haben, nämlich bei der Fernsehfilmproduktion, einen Fernsehfilmproduktionsfonds gegründet, der eine Spitzenfinanzierung enthält. Wir haben aber gleichzeitig auch für dieses in Frage stehende Thema bei der „Diagonale“ jenen Teil der Filmförderung, der sich mit dem Experimentalfilm, mit dem  Arthaus-Kino befasst, um 20 Prozent erhöht, und wir haben durch diese Maßnahmen bezüglich des Geldes, das wir im Österreichischen Filminsti­tut haben, eine Entlastung vorgenommen. Wir befinden uns gerade in Verhandlungen mit dem ORF dahin gehend, dass wir die Film-Fernsehabkommen substantiell anhe­ben werden, aber auch die Rechte verstärken werden, die damit verbunden sind.

Ich sage nur ein Beispiel: Es ist nicht einzusehen, dass der ORF Pay-TV-Rechte an allen österreichischen Filmen hat, aber kein Pay-TV betreiben darf. Also das heißt, dass wir da nachjustieren müssen, und ich bin guten Mutes, dass wir mit der Führung des ORF auf einen grünen Zweig kommen.

 


Präsident Hans Ager: Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Gudenus, bitte.

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Staatssekretär! Welche Rolle hat die „Diagonale“ im internationalen Filmgeschehen eingenommen?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Das war – ich habe das auch immer in meinen Stellungnahmen gesagt – ein gutes Festival. Ich war der Meinung, wir sollten es international besser positionieren, und zwar nicht in Gruppen von Insidern, die durchaus dort waren, sondern so, dass wir da einen neuen Marktzugang für den österreichischen Film, aber gleichzeitig auch für den von Mittelost- und Südosteuropa schaffen.

Dieser Meinung bin ich deshalb, weil ich unlängst in Sofia war und dort die Studios ge­sehen habe, und ich kann Ihnen sagen: Wir haben keine Studios in der Größe, in der Güte und mit dem Preisangebot, wie es sie dort gibt. Ich war unlängst auch in Slowe­nien, und auch dort habe ich ein Studio gesehen, das neu erbaut war und wo die neuesten technischen Einrichtungen vorhanden waren, die es in der Filmnachbehand­lung gibt. Auch solche Studios haben wir in Österreich nicht.

Was will ich damit sagen? – Dass in diesen Breitengraden – ich sage jetzt nur: Slowe­nien hat ungefähr 25 amerikanische Großproduktionen im letzten Jahr betreut – Film­schaffende am Werk sind, wo wir nicht sagen sollten, dass die nur unser Geld wollen. In Wahrheit wollen wir ihre Studios. Ich glaube, wir sollten da zu der Einsicht gelangen, dass der Film nicht nur auf das beschränkt ist, was wir sehr bewundern, nämlich den österreichischen Film und das österreichische Filmschaffen, sondern dass das durch­aus kontextuell zu sehen ist. Wir sind nicht allein auf der Welt, und wir sind kein galli­sches Dorf, auch wenn wir österreichische Filmschaffende sind.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Ob­wohl wir einander in Sachen Medien laufend begegnen, habe ich Ihnen trotzdem nie die Frage stellen können, was Sie eigentlich dazu getrieben hat, Unruhe in einen relativ ruhigen Bereich zu bringen, der zumindest künstlerisch, wie Sie es selber sagen, ordentlich geführt war.

Meine Frage an Sie lautet daher: Wie werden Sie sicherstellen, dass in Hinkunft die Beauftragung der österreichischen Filmwirtschaft mit Fernsehfilmproduktionen durch den ORF nicht ständig von Seiten des ORF als variable Kosten behandelt wird, son-


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dern dass es da eine stärkere Verpflichtung gibt, und zwar durchaus zu Lasten der Ein­kaufspolitik gegenüber so manchen Soap Operas?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Was Sie hier aufgezeigt haben, ist ein sehr großes Problem, das Sie natürlich auch durchschaut haben und wozu Sie mich daher nicht befragen müssen, aber ich sage Ihnen trotzdem die Antwort, die Sie schon wissen: Der Fehler in der gesamten Fernsehlandschaft wurde in den fünfziger Jahren gemacht, als wir Fernsehen national organisiert haben, aber es ist Gott sei Dank ein internationales Medium. Daraus ergeben sich alle Folgeschäden. Das heißt, wir haben keine Produktion, keine Produzentenlandschaft. Das heißt, wir haben kein Kapital, und wir haben einen großen Anbieter. Das ist die Problematik im Groben ge­sehen.

Ich glaube, das, was wir jetzt zu tun haben, ist, da eine sensible, aber entschlossene Justierung zu finden, nämlich, dass wir das schaffen, was teilweise in Deutschland, in Frankreich und in Amerika existiert, nämlich einen freien Produzenten, der kapitalisiert ist. Auf diesem Weg sollten wir ihm helfen. Das, was Sie als Variable im Gegensatz zur Einkaufsproduktion angesprochen haben, ist etwas, was ich mit dem Film-Fernseh­abkommen verändern möchte.

Ich will jetzt hier keine Zahlen nennen, sondern nur so viel sagen: Ich möchte eine substanzielle Erhöhung haben, sodass die Produzenten, von denen ich gesprochen habe, nicht mehr quasi nur Leistungsablieferer beim Institut ORF sind, sondern wirklich eine Spielmöglichkeit haben. Aber dazu müssen wir ihnen die Möglichkeit geben. Sie werden mich produzentenfreundlich sehen, denn wenn wir Produzenten haben, haben wir auch Filmschaffende, Regisseure und Kameraleute. Wir müssen den Alltag organi­sieren, um den Sonntag zu haben. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir nur die Sonntage organisieren und auf die Wochentage vergessen.

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 9. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Bieringer, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schweitzer! Meine Frage lautet:

1288/M-BR/2003

„Wie ist der aktuelle Stand hinsichtlich der Finanzierung der erforderlichen Stadien-Zu­bauten für die Fußball-Europameisterschaft 2008?“

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Herr Abgeordneter! Wir haben in den letzten Wochen intensive Verhandlungen mit den Vertretern jener Bundesländer, in welchen sich die Standorte der Stadien befinden, und auch mit den Vertretern der Gemeinden geführt mit dem Ergebnis, dass wir am Montag den letzten Vertrag, und zwar jenen mit der Stadtgemeinde Wien, unterzeichnen konnten. Somit sind alle vier Standorte fixiert, und die Finanzierung der Stadienbauten beziehungs­weise Ausbauten ist ebenfalls gesichert. In diesem Zusammenhang möchte ich mich insbesondere beim Bürgermeister von Wals-Siezenheim bedanken (Beifall und Heiter­keit bei der ÖVP), der einen nicht unwesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, dass auch der Standort Salzburg gesichert ist. Ich hoffe, dass sich die Stadtgemeinde Salzburg dafür auch dankbar erweisen wird.


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Auf alle Fälle ist damit auch der Zeitplan, was die Errichtung der Stadien und die Ein­haltung der Vorgaben der UEFA betrifft, erfüllt, und wir dürfen uns alle auf eine nicht nur sportlich, sondern auch vor allem wirtschaftlich sehr erfolgreiche Europameister­schaft im Jahr 2008 freuen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Herr Staatssekretär, können Sie die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen der Fußballeuropameisterschaft für Österreich in etwa beziffern?

 


Präsident Hans Ager: Bitte, Herr Staatssekretär.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Frage, weil von Gegnern dieser Bewerbung sehr häufig ins Treffen geführt wird, dabei handle es sich um die Durchfüh­rung von einigen Spielen. Ganz im Gegenteil: Es handelt sich dabei um ein enormes Wirtschaftsprojekt, und wir haben eine Studie in Auftrag gegeben, die Zahlen zutage gefördert hat, die mehr als erstaunlich sind.

Aufgrund der Durchführung der Fußballeuropameisterschaft in Österreich werden wir für einen Zeitraum von einem Jahr 8 700 zusätzliche Vollzeitarbeitsplätze bekommen. Die Kaufkraftsteigerung wird ungefähr 300 Millionen € betragen. Der gesamte Werbe­wert durch die Übertragungen liegt jenseits von 120 Millionen €, und der gesamte Wertschöpfungseffekt wird mindestens 400 Millionen € betragen.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Ing. Klamt, bitte.

 


Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehrter Herr Staatssekre­tär! Welche Unterstützung erfährt der ÖFB von Seiten des Bundes hinsichtlich seiner Vorbereitungsarbeiten für die Fußballeuropameisterschaft 2008?

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Der Bund hat nicht nur die gesamte Garantie für die Durchführung der Fußballeuropameisterschaft übernom­men, sondern auch eine Drittelfinanzierung für alle Stadienbauten beziehungsweise ‑ausbauten zugesichert. Zudem wurden vom Bund die gesamten Verhandlungen mit der UEFA beziehungsweise mit den betroffenen Bundesländern und Stadtgemeinden mitgeführt.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Schennach, bitte.

 


Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Herr Staatssekretär! Sie haben gesagt, dass wir die Vorgaben der UEFA in allen Bereichen erfüllen. Tatsache ist aber, dass Kärnten sehr säumig war und die UEFA sogar eine Nachfrist bis 31. Dezember 2003 eingeräumt hat. Sie behaupten aber nun, dass alle Verträge unter Dach und Fach sind. Darf ich Sie daher fragen: Wer ist künftig der Betreiber, wer sind die Investoren in Kärnten, und wird bis Ende nächster Woche eine EU-weite Ausschreibung, die ja gefordert wird, vorliegen für jenes Projekt, das Sie bis Ende nächster Woche der UEFA übergeben müssen?

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Ich erlaube mir, Sie zu korrigieren: Die Frist 31. 10. für das Zustande­kommen der Verträge wurde von mir gesetzt. Die von der UEFA gesetzte Frist läuft mit 31. 12. 2003 aus. Das heißt, es bestünde sogar noch Zeit, diese Verträge abzuschlie­ßen, aber die Verträge sind, wie bereits erwähnt, schon abgeschlossen.

Am 9. Dezember finden detaillierte Informationsgespräche mit allen vier Standortvertre­tern der Stadien, mit den UEFA-Vertretern und den ÖFB-Vertretern zum Stadium Agreement statt. Bis voraussichtlich 15. April wird das zweistufige Vergabeverfahren


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abgeschlossen sein. Dann kann sich europaweit jeder, der glaubt, etwas vom Stadion­bau und vom Betreiben eines Stadions zu verstehen, bewerben. (Bundesrat Schenn­ach: Die Frage nach dem Betreiber!) – Auch was die Betreiber betrifft, ist jeder, der dazu in der Lage ist, eingeladen, sich um das Betreiben eines Stadions zu bewerben.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Binna, bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Herr Staatssekretär! Der österrei­chische Fußballnachwuchs gehört speziell im Bereich U 15, U 17 und U 19 zur euro­päischen Spitze. Das Problem ist, dass sie in den eigenen Vereinen in der Meister­schaft kaum zum Einsatz kommen, weil immer wieder auswärtige Spieler unseren eigenen Spielern vorgezogen werden.

Welche Schwerpunkte werden gesetzt, um dieses Potential auszunützen und zu garantieren, dass auch das Nationalteam bei der EM 2008 Spitze ist?

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Sehr geehrter Herr Bundesrat! Als Sportinteressierter wissen Sie natürlich, dass wir seitens der Bundes­regierung ein großzügig gefördertes Nachwuchsprojekt auf Schiene gesetzt haben. Unter dem Titel „Challenge 2008“ wird versucht, eine sehr wettbewerbsfähige National­mannschaft heranzubilden. Sie wissen aber auch, dass die Frage des Einsatzes von Nichtösterreichern in Mannschaften der ersten und zweiten Bundesliga einzig und allein eine Frage ist, die zu beantworten den Vereinsverantwortlichen obliegt.

Nichtsdestotrotz haben wir mit den Vereinsverantwortlichen Verhandlungen aufgenom­men, um die Anzahl der Nichtösterreicher zu reduzieren. Das Ganze kann allerdings nur auf Basis eines so genannten Gentlemen’s Agreement basieren. Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, die Anzahl der Nicht-EU-Ausländer innerhalb der nächsten zwei Jahre von jetzt sieben zunächst auf fünf und dann auf vier zu reduzieren (Ruf bei der ÖVP: Bravo! Das ist gescheit!), in der Hoffnung, dass sich auch die Präsidenten, insbe­sondere eines Grazer und eines Wiener Vereines, daran halten werden. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nunmehr zur 10. Anfrage.

Ich bitte den Anfragesteller, Herrn Bundesrat Binna, um die Formulierung der Frage.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Auch meine Frage wäre an den Herrn Bundeskanzler gerichtet. Sie lautet:

1294/M-BR/2003

„Wann werden Sie als Bundeskanzler und Sportminister dem Ministerrat – Bezug neh­mend auf die einstimmig beschlossene Entschließung des Nationalrates – ein Berufs­sportgesetz vorlegen?“

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Noch einmal? – Gut!

Das Berufssportgesetz ist auf Basis zweier Entwürfe, die einerseits von der BSO und andererseits von Professor Schrammel erstellt wurden, so weit fertig gestellt, dass es demnächst dem Fachbeirat zur Diskussion und Beschlussfassung vorgelegt werden kann. Im Anschluss daran wird es sofort in Begutachtung gehen und so, wie es der Fahrplan vorsieht, im ersten Quartal des nächsten Jahres hier im Haus behandelt wer­den.

 


Präsident Hans Ager: Wird eine Zusatzfrage gewünscht? – Bitte.

 


Bundesrat Theodor Binna (SPÖ, Steiermark): Welche Grundsätze sollen in diesem Gesetzentwurf Ihrer Ansicht nach beinhaltet sein?

 



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Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Wir wollen zu einer klaren Regelung des Berufssports kommen, da man in manchen Bereichen momentan in einer gewissen Grauzone tätig ist. Darin wird unter anderem die Stellung des Be­rufssportlers klar definiert. Nach Wünschen der BSO wird es so sein, dass der Berufs­sportler als Selbständiger geführt wird. Es wird die Frage der Ausbildungsentschädi­gung genauso geregelt wie die Frage der Professionalisierung der Trainer beziehungs­weise der im Sport tätigen Manager. Insbesondere wird auch die Frage des Mutter­schutzes im Sport geregelt.

Also: Eine Vielzahl von notwendigen Regelungen werden mit diesem Gesetz endgültig Platz greifen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Mag. Himmer, bitte.

 


Bundesrat Mag. Harald Himmer (ÖVP, Wien): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Haben Sie die Absicht, dem Entwurf der BSO Rechnung zu tragen, also so, wie der Entwurf von der BSO ausgearbeitet worden ist?

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Da sich die BSO einer Fleißaufgabe unterzogen hat, anerkennen wir das in der Form, dass der Entwurf von Professor Schrammel mit den wesentlichen, für den Sport wichtigen Bestandteilen des BSO-Entwurfes verschmolzen wurde. Wir haben das gemeinsam mit den Vertretern der BSO, mit den Vertretern der Dach- und Fachverbände zustande gebracht. Dieser BSO-Entwurf wird daher sicherlich wesentliche Bestandteile des zu beschließenden Berufssportgesetzes ausmachen.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Herr Bundesrat Hagen, bitte.

 


Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Staats­sekretär! Was wird durch das Bundessportgesetz konkret geregelt? Und: Welche Ver­besserungen ergeben sich daraus für die Berufssportler?

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Ich habe diese Frage eigentlich schon bei der Zusatzfrage des Kollegen Binna beantwortet: Der Berufssport bewegt sich zurzeit in einer Grauzone. Es wäre, wenn man nur das Arbeitsrecht her­nimmt, an und für sich schon problematisch, ein Flutlichtspiel über die Bühne zu brin­gen, weil es nicht den Arbeitszeitbestimmungen entspricht. All diese Dinge sollen mit diesem Berufssportgesetz geregelt werden, bis hin zum Mutterschutz im Sport, bis hin zur Ausbildungsentschädigung und so weiter.

 


Präsident Hans Ager: Weitere Zusatzfrage? – Frau Bundesrätin Kerschbaum, bitte.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sie haben es zwar schon kurz angesprochen, ich hätte aber trotzdem noch gerne Ihre persönliche Meinung zu dem Vorschlag, MannschaftssportlerInnen im Rahmen des Berufssportgesetzes als Selbständige einzustufen und damit das Verlet­zungsrisiko auf die Spielerinnen zu überwälzen.

 


Staatssekretär im Bundeskanzleramt Mag. Karl Schweitzer: Es hat eine sehr aus­führliche Diskussion darüber gegeben, ob Mannschaftssportler und -sportlerinnen selb­ständig oder angestellt sein sollen. Und ich kann Ihnen durchaus meine persönliche Position erläutern: Ich glaube, dass Mannschaftssportler und Mannschaftssportlerinnen nicht selbständig sein sollten. Aber es ist der Wunsch der Vertreter des Sports, ins­besondere der BSO, und in diesem BSO-Entwurf ganz besonders deutlich ausgeführt, dass auch Mannschaftssportler und -sportlerinnen selbständig sein sollen.

Wir werden den Entwurf so in Begutachtung schicken, dass auch Mannschaftssportler und -sportlerinnen selbständig sein sollen. Sollte es verfassungsrechtliche Bedenken


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geben, dann werden wir das Ganze überdenken und unter Umständen doch noch auf ein Angestelltenverhältnis übergehen.

 


Präsident Hans Ager: Die Fragestunde ist beendet.

Vertretung von Mitgliedern der Bundesregierung

 


Präsident Hans Ager: Eingelangt ist ein Schreiben des Bundeskanzleramtes betref­fend Ministervertretung.

Ich ersuche die Schriftführung um Verlesung dieses Schreibens.

 


Schriftführerin des Bundesrates Johanna Schicker: „Der Herr Bundespräsident hat am 21. November 2003 ... folgende Entschließung gefasst:

Auf Vorschlag des Bundeskanzlers betraue ich für die Dauer der Verhinderung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll am 27. November 2003 die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer mit der Vertretung. ...

Für den Bundeskanzler: MR Dr. Wiesmüller“

 


Präsident Hans Ager: Dient zur Kenntnis.

Einlauf und Zuweisungen

 


Präsident Hans Ager: Eingelangt ist auch eine Anfragebeantwortung 1942/AB, die dem Anfragesteller übermittelt wurde.

Die Anfragebeantwortung wurde vervielfältigt und ist bereits allen Mitgliedern des Bun­desrates zugegangen.

In diesem Zusammenhang verweise ich auf die im Saal verteilte Liste.

Ferner eingelangt ist ein Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betref­fend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz, mit dem die Haftungsübernahme für von der Gesellschaft „Österreichische Bundesbahnen“ bei der „EUROFIMA“ – Euro­päische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial – aufzunehmende Anleihen, Darlehen und sonstige Kredite geregelt wird, geändert wird.

Dieser Beschluss unterliegt im Sinne des Artikels 42 Absatz 5 Bundes-Verfassungs­gesetz nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates.

Eine weitere geschäftsordnungsmäßige Behandlung des vorliegenden Beschlusses durch den Bundesrat ist daher nicht vorgesehen.

Eingelangt sind weiters jene Beschlüsse des Nationalrates, die Gegenstand der heuti­gen Tagesordnung sind sowie der Kulturbericht 2001 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, die Berichte über die soziale Lage 1999, 2001-2002 und der Österreichische Familienbericht 1999 der Bundesregierung.

Ich habe diese Beschlüsse sowie die soeben erwähnten Berichte den in Betracht kom­menden Ausschüssen zur Vorberatung zugewiesen. Die Ausschüsse haben ihre Vor­beratungen darüber abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstattet.

Ich habe diese Vorlagen sowie die Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjah­res 2003 auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall.


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Behandlung der Tagesordnung

 


Präsident Hans Ager: Auf Grund eines mir zugekommenen Vorschlages beabsichtige ich, die Debatte über die Punkte 2 und 3, 5 bis 7, 8 bis 12, 14 bis 16, 17 bis 25 sowie 27 und 28 der Tagesordnung jeweils unter einem abzuführen.

Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Dies ist ebenfalls nicht der Fall. Wir wer­den daher in diesem Sinne vorgehen.

*****

Bevor wir in die Tagesordnung eingehen, möchte ich an eine in der Präsidialkonferenz getroffene Vereinbarung der Fraktionen erinnern.

Die Fraktionen haben eine freiwillige Redezeitbeschränkung für alle Debattenbeiträge, für welche die Geschäftsordnung keine bestimmten Redezeiten vorsieht, vereinbart. Es wird daher das rote Lichtsignal 2 Minuten vor Ablauf der vereinbarten Redezeit blinken und nach Ablauf der vereinbarten Redezeit dauernd leuchten. – Dies ist zwar ohnehin bekannt, ich wollte jedoch noch einmal daran erinnern, damit das auch wirklich be­achtet wird.

Sind bei einer Debatte mehrere Redner von einer Fraktion zu Wort gemeldet, sollen dem Erstredner bis zu 15 Minuten zur Verfügung stehen.

Obwohl es sich um eine freiwillige Redezeitbeschränkung handelt, wird der den Vorsitz führende Präsident vereinbarungsgemäß nach Ablauf der freiwilligen Redezeit ein kurzes Glockenzeichen geben.

Sollten Debattenredner im Hinblick auf das zu behandelnde Thema von vornherein die Vereinbarung nicht einhalten können, ersuche ich, bei Beginn der Rede darauf hinzu­weisen.

1. Punkt

Wahl eines Ordners für den Rest des 2. Halbjahres 2003

 


Präsident Hans Ager: Wir gehen nunmehr in die Tagesordnung ein und gelangen zum 1. Punkt.

Es liegt mir der Vorschlag vor, Frau Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum zum Ordner für den Rest des 2. Halbjahres 2003 zu wählen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Wahlvorschlag ihre Zustim­mung geben, um ein Handzeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit. Der Wahlvor­schlag ist somit angenommen.

Ich frage die Gewählte, ob sie die Wahl annimmt.

 


Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Ich nehme die Wahl an und danke für das Vertrauen.

 


Präsident Hans Ager: Danke schön.

2. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhoch-


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703. Sitzung / Seite 39

schul-Studiengesetz) geändert wird (217 d.B. und 263 d.B. sowie 6889/BR d.B. und 6892/BR d.B.)

3. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend das Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation (197 d.B. und 264 d.B. sowie 6893/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nun zu den Punkten 2 und 3 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 2 und 3 hat Frau Bundesrätin Herta Wimmler übernommen. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


Berichterstatterin Herta Wimmler: Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge (Fachhochschul-Studiengesetz) ge­ändert wird. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt daher nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Weiters darf ich Ihnen den Bericht des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend das Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Österreich-Slowakei, Wissenschafts- und Er­ziehungskooperation bringen.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls schriftlich vor.

Der Ausschuss für Bildung und Wissenschaft stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Ankündigung einer Dringlichen Anfrage

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich darf noch bekannt geben, dass be­reits vor Eingang in die Tagesordnung ein Verlangen im Sinne des § 61 Abs. 3 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates auf dringliche Behandlung der schriftlichen Anfrage der Bundesräte Schennach, Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanz­ler betreffend den aktuellen Begutachtungsentwurf für ein Bundestierschutzgesetz ein­gebracht wurde.

Im Sinne des § 61 Abs. 4 der Geschäftsordnung wird die Behandlung an den Schluss der Sitzung beziehungsweise nicht über 16 Uhr hinaus verlegt.

*****

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

 


Ich bitte Herrn Bundesrat Todt, das Wort zu ergreifen.


Bundesrat
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10.36

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr verehrte Frau Bundesministerin! Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Fachhochschul-Studienge­setz finden sich einige Verbesserungen, aber auch Änderungen, die von uns abgelehnt werden. Wir meinen, dass der Bedarf an Studienplätzen an Fachhochschulen viel größer ist, als Sie in den nächsten Jahren zulassen wollen.

Wir verlangen einen Ausbau um 10 000 Studienplätze bis zum Jahre 2008. Unser Land braucht mehr Akademikerinnen und Akademiker. Und die Fachhochschulen könnten mehr dazu beitragen, als dies in Ihren Plänen vorgesehen ist.

Es macht Sinn, mehr Frauen und Männer an die Fachhochschulen zu holen, als die Wirtschaft heute braucht. Wer eine gute akademische Bildung hat, findet neue Be­schäftigung auch in anderen Berufsfeldern, zum Beispiel Absolventinnen und Absol­venten von Tourismus-Studien, die mit ihren an den Fachhochschulen erworbenen Kenntnissen der Betriebswirtschaftslehre in anderen Berufen außerhalb des Tourismus akademisch Fuß fassen konnten.

Bei den Fachhochschulen nur eine regionale Bedarfsdeckung zuzulassen, macht an sich keinen Sinn, es macht aber durchaus Sinn, an einer guten Fachhochschule zum Beispiel in Oberösterreich eine Ausbildung anzubieten, die etwa auch in der Steier­mark, in Wien oder in Niederösterreich nachgefragt wird.

Es gibt zu wenig Förderung des Zugangs ohne Matura. Nach der Gründung der ersten Fachhochschulen gab es durchaus ermutigende Zahlen: 11 Prozent der ersten Studen­tinnen und Studenten kamen mit dem Lehrabschluss oder mit der Meisterprüfung an die Fachhochschulen. Seither geht dieser Prozentsatz kontinuierlich zurück. Derzeit sind es 7 Prozent, das ist ein Rückgang um 4 Prozentpunkte, die Anzahl wurde also fast halbiert. Wir vermissen entsprechende Gegenmaßnahmen von Seiten des Ministe­riums.

Die Fachhochschulen haben zurzeit 10 Prozent der Studierenden an den Universitä­ten. Es ist hoch an der Zeit, ein Konzept vorzulegen, das die Universitäten, die Fach­hochschulen, die Akademien an jenen Platz im Bildungssystem stellt, wo sie ihrer Auf­gabe am besten gerecht werden können. Es ist hoch an der Zeit, der unnützen Kon­kurrenz zwischen den Universitäten und den Fachhochschulen ein Ende zu bereiten.

Sie schreiben in diesem Gesetz den Fachhochschulen auch erstmals Studiengebühren vor. Studiengebühren sind nach wie vor unsozial. Weiters wird es mit diesem Gesetz eine nur mangelhafte Mitbestimmung der Studierenden geben.

Unsere Gründe für die Ablehnung dieses Gesetzes sind: Sie schaffen damit zu wenige Studienplätze; die regionale Bedarfsdeckung wird nicht aufgehoben; es gibt keine För­derung von Studentinnen und Studenten mit Berufsausbildung – also ohne Matura –, kein Konzept für ein Bildungssystem, mit dem die Fachhochschulen an jenen Platz gestellt werden, wo sie ihrer Aufgabe am besten gerecht werden; es gibt nur mangel­hafte Mitbestimmungsmöglichkeiten der Studierenden und nicht zuletzt die unsozial gebliebenen Studiengebühren.

Wir lehnen dieses Gesetz ab, wir wollen aber eine möglichst große Förderung der Fachhochschulen. Dazu gab es im Nationalrat seitens der sozialdemokratischen Frak­tion einen Entschließungsantrag, der im Wesentlichen unsere Punkte für das Fach­hochschul-Studiengesetz beinhaltet.

Wir wollen ein Offensivprogramm für Fachhochschulen, eine umfassende Reform des Fachhochschulsektors. Die Praxis der Berufsbedarfsprüfungen soll von einer derzeit stark regional beschränkten Ausrichtung auf österreichweit umgestellt werden. Wir wollen: freie, gleiche und demokratische Wahl von Studierenden, Einbindung der Stu-


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dierenden in die regelmäßige Evaluierung der Lehre und der Lehrenden, Mitbestim­mung bei allen für die Studierenden wichtigen Entscheidungen, Integration von Stu­dierenden und Studienvertretern der Fachhochschulen und Fachhochschul-Studien­gänge in die Österreichische Hochschülerschaft, eine wesentliche Erhöhung des Frauenanteils an den Fachhochschulen – dazu eine entsprechende Strategie –, finan­zielle Anreize für Fachhochschulträger, die vermehrt berufsbegleitende Studiengänge anbieten, flexible Fachhochschul-Studiengänge unter Nutzung neuer Medien, um be­rufstätigen Studierenden die Vereinbarkeit von Studium, Beruf und Familie zu erleich­tern, mittelfristige Erhöhung der Zahl der Studierenden mit atypischem Zugang – also jener Studierenden ohne Matura – zumindest auf 15 Prozent und langfristig auf 20 Pro­zent, Informationsoffensive in den Berufsschulen, Lehrgänge zur Berufsreifeprüfung, Einrichtung von Förderstrukturen für Fachhochschul-Studierende mit atypischer Reife­prüfung und so weiter.

All das wollen wir, um ein ordentliches Fachhochschul-Studiengesetz zu etablieren. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

10.42

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Hösele. – Bitte.

 


10.42

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, wir brauchen kein ordentliches Gesetz zu etablieren, wir brauchen keinen Entschließungsantrag, denn das Gesetz ist ein ordentliches Gesetz, ist ein sehr gutes Gesetz, das die Weiterentwicklung einer Erfolgsstory, die im Gesamten gesehen unbestritten ist, sicherstellt. Viele der von Ihnen angesprochenen Maßnahmen werden ohnehin und zum richtigen Zeitpunkt gesetzt.

Ich habe mir die Debattenbeiträge zu diesem Gesetz im Nationalrat durchgelesen. SPÖ und Grüne haben auch – gleich wie die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen – festgestellt: Erfolgsgeschichte mit kleinen Einschränkungen, aber doch – so Broukal –, oder etwa – so Grünewald –: Erfolgsgeschichte.

Um alle Fakten dazu zu illustrieren, ist jetzt nicht unbedingt die Zeit, aber einige Punkte möchte ich doch anführen. Es ist eine Erfolgsstory seit 1994, seit 1995 mit großem Erfolg und viel Engagement betreut von der Frau Bundesministerin, mit – verzeih bitte diesen Ausdruck, aber ich empfinde es so – sehr liebevoller und mütterlicher Zuwen­dung betreut, und es ist eine wirkliche Erfolgsstory!

136 Fachhochschul-Studienlehrgänge mit 21 000 Studierenden. Man darf jetzt davon nicht nur den Prozentsatz der Frauen als Beispiel anführen, sondern muss die absolu­ten Zahlen heranziehen. Die Steigerung des Frauenanteiles bei den Fachhochschulen ist sogar noch größer als im gesamtuniversitären Kontext. Wir haben mittlerweile mehr weibliche Studierende als männliche Studierende an den österreichischen Hoch­schulen insgesamt. Das möchte ich schon in aller Deutlichkeit festhalten.

2 377 Absolventinnen und Absolventen der Fachhochschulen im Jahr 2002. – Eine Studie hat ergeben, dass 80 Prozent dieser Absolventinnen und Absolventen sich wie­der für das Studium entscheiden würden. Das ist ein über dem europäischen Durch­schnitt liegender Wert und zeigt, wie sehr dieses Studium angenommen wird und welch grundsätzliche Zufriedenheit über die berufliche Integration und die Einlösung der Erwartungshaltung der Studierenden damit verbunden ist.

Es steht eindeutig fest: Fachhochschul-Studienlehrgänge bieten eine wissenschaftlich fundierte und praxisorientierte Berufsausbildung auf Hochschulniveau, die erfreulicher-


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weise auch hervorragende Arbeitsmarktchancen eröffnet. Wir wissen das auch aus dem positiven Echo der Unternehmungen und Institutionen, in denen die Absolventin­nen und Absolventen tätig sind.

Damit diese Erfolgsstory ihre Fortsetzung findet, geht es jetzt in einer neuen Phase der Entwicklung und Konsolidierung der Fachhochschulen vor allem auch um die Qualitäts­sicherung. Es wird in diesem Gesetz erstmals festgehalten, dass die Fachhochschul-Studiengangsträger dazu verpflichtet werden, ein eigenes Qualitätsmanagement zu etablieren. – Etwas, das in der Stellungnahme der Steiermärkischen Landesregierung zu dem Gesetzentwurf im Begutachtungsverfahren und in der Stellungnahme des Ab­geordneten Dr. Grünewald in der Nationalratsdebatte als außerordentlich positiv, par­teiübergreifend bezeichnet wird.

Dieses Qualitätsmanagementsystem ist auch sehr wichtig, weil ja auch an den Univer­sitäten, wo nunmehr diese große Reform 2002 umgesetzt wird, auf Qualitätssicherung ganz besonders Wert gelegt wird.

Um die Zahlen, um die es hier geht im Zusammenhang mit dem Studierendenanteil, in ihrer Gesamtheit zu betrachten: 1971 hatten erst 16,8 Prozent eines Altersjahrganges eine Matura, heute sind es 37,3 Prozent. Der Frauenanteil bei den Maturanten liegt bei 56,8 Prozent. Die Neuzugänge an den Hochschulen insgesamt haben sich in drei Jahr­zehnten von 9 Prozent auf 26,1 Prozent erhöht; Frauenanteil, Frauenquote: 53,6 Pro­zent.

Laut heutigen Zeitungen eilen die Maturanten mehr denn je zu den Hochschulen und Universitäten. Die Zahl der Erstsemestrigen steigt um 7 Prozent, insgesamt knapp mehr als 200 000 Hörer.

Somit komme ich zu einem Punkt, der hier auch als Grund für die Ablehnung angeführt wurde: die verankerte Möglichkeit zur Einführung von Studiengebühren durch den Fachhochschulträger, was allerdings nichts Neues ist, sondern bereits durch das Hoch­schul-Taxengesetz 2001 besteht. Im Fachhochschulbereich wurde diese Möglichkeit folgerichtig von den meisten Trägern bereits in den letzten Jahren genutzt. Im Universi­tätsbereich sind diese Studiengebühren seit damals verpflichtend. – Und ich stelle fest: Nirgendwo in Österreich ist durch Studiengebühren das Bürgerrecht auf Bildung ge­fährdet worden! Das ist auch ganz deutlich feststellbar allein anhand der Inskriptions­zahlen.

Wo stehen wir denn in dieser berühmten Frage, die mich an ideologisch eingefrorene Posthorntöne erinnert, in der internationalen Diskussion? Ich möchte den Postulator des Bürgerrechts auf Bildung, den sozial-liberalen früheren FDP-Politiker und EU-Kommissar Ralf Dahrendorf zitieren, der kürzlich festgestellt hat, Universitäten müsse es freigestellt sein, Gebühren zu erheben, die erforderlich sind, um kostendeckend zu wirtschaften. Die Rolle des Staates müsse sich hier und anderswo darauf beschrän­ken, Ungerechtigkeiten auszugleichen, er könne nicht den ganzen Laden schmeißen. – So weit das Zitat.

Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass jeder, der sich zu einem Studium befähigt fühlt, auch wirklich studieren kann und die materiellen Voraussetzungen dafür geschaf­fen werden. Dies ist durch das Stipendien- und Studiensicherungssystem, das unter Frau Ministerin Gehrer wesentlich ausgeweitet wurde, gewährleistet.

Ein undifferenziertes Gratisstudium für alle nach der Rasenmähermethode oder dem Gießkannenprinzip hingegen wird vielfach als sozial ungerecht eingestuft.

Ich darf den Chefredakteur der sehr angesehenen Hamburger Zeitung „Die Zeit“ – deren Mitherausgeber der ehemalige sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut


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Schmidt ist – zitieren, der kürzlich zum Thema soziale Gerechtigkeit Folgendes ge­schrieben hat:

„Auch hier sprechen die Fakten eine klare, wiewohl ideologievernichtende Sprache. ... Das heißt, ganz kühl ..., dass dergestalt“ – jetzt bezieht er sich auf Marx und Engels Kritik des Gothaer Programms 1875 – „,die höheren Klassen ihre Erziehungskosten aus dem allgemeinen Steuersäckel bestreiten‘ dürfen, wie schon Marx und Engels in der Kritik des Gothaer Programms (1875) beißend vermerkten. Dabei ist es geblieben.“

„Wie Gerechtigkeit“ – so fragt der Chefredakteur – „tatsächlich aussehen würde? ... Wer kann, soll bezahlen; wer nicht kann (aber nur der), soll bekommen. Wenn aber alle ein ,Staatsstipendium‘ gereicht kriegen, vergessen die allermeisten, wie kostbar das Gut Bildung ist.“ – So weit das Zitat.

Es geht um Gerechtigkeit, damit alle das Bürgerrecht und die Zukunftschance Bildung nützen können. Die heute zur Diskussion stehende Novelle trägt im wichtigen Bereich des Fachhochschulwesens wesentlich dazu bei, daher wird unsere Fraktion dieser Novelle sehr gerne zustimmen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

10.50

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Konrad. – Bitte.

 


10.51

Bundesrätin Eva Konrad (Grüne, Tirol): Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich werde es heute einmal anders angehen: Ich beginne mit einigen positiven Punkten und hoffe, dass meine Kritik dann umso ernster genommen wird.

Dass die Fachhochschulen ein sehr wichtiger Bestandteil des österreichischen Bil­dungssystems sind, darin sind wir uns alle einig, und das ist auch absolut zu belegen. In dem Entwurf, der jetzt zur Beschlussfassung vorliegt, gibt es einige sehr positive Aspekte, die ich jetzt herausheben und kommentieren möchte.

Zum Beispiel ist das Qualitätsmanagementsystem im Prinzip eine sehr gute und erfolg­versprechende Sache. In den Erläuterungen zum Gesetz steht allerdings, dass jeder Erhalter ein seinen jeweiligen Bedürfnissen angepasstes eigenes Qualitätsmanage­mentsystem zu etablieren hat. Natürlich ist durch die inhaltliche Breite der Fachhoch­schulen eine genaue Bestimmung in diesem Bereich schwierig, es sollten aber schon Eckpunkte festgelegt werden, die eine Vergleichbarkeit dieser Qualitätsmanagement­systeme garantieren.

Anfügen möchte ich noch: Qualitätsmanagementsysteme sind etwas sehr Schönes, wenn allerdings das Geld nicht da ist, um Qualität zu garantieren, dann bringen auch solche Systeme nichts. – Und das Geld ist momentan weder an der Universität noch in immer größer werdendem Ausmaß an den Fachhochschulen vorhanden.

Zum Thema Doppeldiplom-Programme: Im Zuge einer Angleichung im europäischen Hochschulraum sind auch diese sinnvoll. Wenn man den Bologna-Prozess ernst nimmt, dann kann man auch in diesem Punkt zustimmen.

In Folgendem möchte ich aber zu meiner Kritik kommen.

Wenn man in der Logik bleiben möchte, die im Universitätsgesetz betreffend Studien­gebühren beschritten worden ist, dann müsste man allerdings auch die Bestimmungen über den Erlass und die Rückerstattung aus §§ 11 und 11a des Hochschul-Taxen­gesetzes übernehmen und in diesem Fall auch für Fachhochschul-Studierende gelten lassen.


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Zu Studiengebühren – und da möchte ich meinem Vorredner doch massiv widerspre­chen – muss ich noch einiges sagen.

Studiengebühren sind prinzipiell eine soziale Hürde. Studiengebühren führen dazu, dass nicht alle Menschen Zugang zur Bildung haben. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Sie können Statistiken zitieren, so viel Sie wollen, was Sie nicht sehen, sind Einzelschick­sale. Wenn Sie diese sehen wollen, dann würde ich Ihnen empfehlen, sich einmal für eine Woche oder auch nur für drei Tage – das reicht schon – in ein Sozialreferat der Österreichischen Hochschülerschaft zu setzen, dann würden Sie genug Beispiele dafür kennen lernen, dass Menschen eben aus finanziellen Gründen nicht in der Lage sind, zu studieren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Es müsste Ihnen doch jedes Einzelschicksal viel wert sein, wenn man das ernst nimmt, was man immer sagt, nämlich dass Bildung die nachhaltigste Investition des Staates in sich selbst darstellt.

Zum Thema Standortentscheidungen; diese werden ja in Zukunft nicht mehr vom Fachhochschulrat, sondern von der Ministerin getroffen. Ich denke, das könnte das Problem verstärken, das Fachhochschulen tendenziell schon haben, nämlich dass sie oft als Spielball von lokalpolitischen Interessen verwendet werden.

Das führt mich gleich zum nächsten Problem, und das ist ein ganz grundlegendes. Es fehlt nämlich nach wie vor ein Gesamtkonzept im Bildungssystem, was Fachhochschu­len und Universitäten gemeinsam betrifft. Momentan stehen sich Fachhochschulen und Universitäten eher als Konkurrenten gegenüber; sie betrachten sich auch selbst eher als Konkurrenten. Das ist nicht sinnvoll, denn sie bedienen zwei unterschiedliche Ge­biete. Sie haben unterschiedliche Ansätze und unterschiedliche Ziele und könnten sich also sehr gut ergänzen. Momentan sehen sie zwar, dass sie ähnliche Zielgruppen be­dienen, aber diese Unterscheidung, die sie auch in ihren Zielen und Absichten haben, hat nicht zu einer sinnvollen Zusammenarbeit geführt.

Ich möchte anregen, dass jetzt endlich solch ein Gesamtkonzept erarbeitet wird, und zwar – und das ist mir besonders wichtig, Frau Ministerin – unter Einbeziehung aller betroffenen Gruppen.

Auch die bisherige Interessenvertretung der Studierenden an Fachhochschulen ist kei­nesfalls ausreichend. Sie ist momentan sehr uneinheitlich und eigentlich kaum rele­vant. Auch Fachhochschul-Studierende haben ein elementares Interesse an hochwerti­ger Lehre und an einer funktionierenden Verwaltung, und wie auch auf der Universität gilt, dass die Betroffenen eigentlich die Experten sind, wenn es darum geht, Schwach­stellen aufzuzeigen, Verbesserungsvorschläge zu bringen. Ich würde daher vorschla­gen, dass man eine Vertretungsstruktur für Studierende an Fachhochschulen andenkt, die analog zur momentanen Vertretungsstruktur an pädagogischen Akademien funktio­nieren könnte. In dieser Form könnten sie auch in die ÖH eingebunden werden, und es könnte eine Vertretung der Interessen der Studierenden gebündelt und in stärkerem Maße als bisher erzielt werden.

Besonders wichtig, denke ich, ist, wie schon gesagt, eine Einbeziehung aller Betroffe­nen in die Diskussion. Es gibt Vorschläge von unserer Seite – es gibt nicht nur Kritik –, und ich hoffe, dass diese unsere Vorschläge auch aufgenommen werden. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

10.55

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klamt. – Bitte.

 



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10.56

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Vizepräsidentin! Frau Minis­ter! Hoher Bundesrat! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor allem meine sehr geehrten Damen und Herren Besucher! Es ist natürlich Aufgabe der Opposition, Kritik einzubringen. Konstruktive Kritik ist meiner Meinung nach das Salz in der Suppe der Demokratie, aber es bleibt trotzdem unbestritten, dass die Entwicklung der Fachhoch­schulen in Österreich eine Erfolgsstory ist.

Im Studienjahr 2003/2004 werden 136 Fachhochschul-Studiengänge in Österreich, darunter 17 neue Studiengänge, angeboten. Die Fachrichtungen reichen von Wirt­schaftswissenschaften, Tourismus, technischen Wissenschaften, Informationswesen und Technologien, Medien und Design bis hin zu interdisziplinären Studiengängen.

Offensichtlich wurde seit dem Jahre 1993 eine bestehende Lücke im österreichischen Bildungssystem erfolgreich geschlossen. Ich persönlich hätte mir – und das habe ich in diesem Hause schon einmal ausgeführt – eine stärkere Einbindung der höheren be­rufsbildenden Lehranstalten beziehungsweise der höheren technischen Lehranstalten durchaus vorstellen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! 7 349 Personen – einschließlich des Studien­jahres 2001/2002 – seit Beginn der Studienmöglichkeit an Fachhochschulen, diese Zahl spricht jedenfalls für sich selbst und untermauert den wirklich erfolgreich einge­schlagenen Weg. Dieser Weg muss natürlich fortgesetzt werden und erfordert ein permanentes Anpassen an die tatsächlichen Gegebenheiten. Deshalb befassen wir uns heute auch mit Änderungen des bestehenden Bundesgesetzes über Fachhoch­schul-Studiengänge.

Die sehr dynamische Entwicklung im Bereich des Fachhochschulwesens erfordert selbstverständlich Maßnahmen zur Qualitätssicherung, die analog zu den für die Universitäten geltenden Richtlinien auch für die Fachhochschulen eingeführt werden.

Die Erfolgsgeschichte der Fachhochschulen wird meiner Meinung nach nur dann erfolgreich im Sinne der Studierenden, im Sinne der Wirtschaft und damit im Sinne von uns allen fortgesetzt werden können, wenn weiterhin eindeutig Qualität vor Quantität steht.

Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Novelle liegt in der Anpassung des Fach­hochschul-Studiengesetzes an das Universitätsgesetz 2002, wobei die gesetzlichen Grundlagen für die Doppeldiplom-Programme und die Festlegung der Studienbeiträge in das für den Fachhochschulbereich geltende Regelwerk entsprechend eingebaut werden. – Durchaus begrüßenswerte Maßnahmen, die von der freiheitlichen Fraktion im Bundesrat mitgetragen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir aber noch einige grund­sätzliche Bemerkungen in diesem Zusammenhang. Ich hatte vor kurzem Gelegenheit, gemeinsam mit – leider ist er nicht hier – Herrn Bundesrat Dr. Schnider an einer von der Arbeiterkammer organisierten Enquete zum Thema Bildung im Kongresshaus in Villach teilzunehmen. Es stand bei dieser Enquete außer Streit, dass zielgerichtete Ausbildung die Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessert und hoch qualifizierte, sich den globalen Anforderungen immer wieder anpassende Aus- und Weiterbildung einen ganz wichtigen Stellenwert erhalten muss, um im weltweit immer härter werdenden Wettbewerb bestehen zu können.

Nationalratsabgeordneter Josef Broukal, der diese Enquete in Villach moderierte, stellte eine aus meiner Sicht sehr wichtige Frage. Er stellte die Frage: Wie wecken wir die Sehnsucht nach Bildung? – Versuchen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren des Bundesrates, diese Frage zu beantworten! Es ist nicht leicht, diese Frage


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zu beantworten, das gebe ich zu, weil das Problem ganz einfach sehr vielschichtig ist. Meiner persönlichen Meinung nach ist das gesamte österreichische Bildungssystem von den Kindergärten über die Vor-, über die Grundschulen, über die höheren Schulen bis hin zu den Universitäten gefordert, auf diese Frage Antworten zu finden.

Eine denkmögliche Antwort könnte sein: Erhalten und fördern wir – wir haben gerade heute sehr viel Jugend hier im Saale – die dem Menschen angeborene Neugier über alle Stufen der Ausbildung! Erzeugen wir vor allem in unseren Bildungssystemen keine Verlierer! Gleichen wir Schwächen aus und fördern wir die Stärken der uns anver­trauten Jugend! Fördern wir das Leistungsprinzip im positiven Sinne und halten wir die Sehnsucht nach Bildung in den jungen Menschen wirklich wach! – Wenn lebenslanges Lernen kein Schlagwort bleiben soll, muss dieser mühselige Weg – und dieser Weg ist mühselig – eben beschritten werden.

Finnland ist bereits sehr stark in diese Richtung unterwegs, Finnland ist bereits auf diesem Weg. Bei dieser Enquete in Villach war auch eine Teilnehmerin aus Finnland, aus dem finnischen Bildungssystem anwesend. Mich hat die Stellungnahme dieser Referentin aus Finnland zum starken Abschneiden der Finnen im Quervergleich zu anderen Bildungssystemen fasziniert. Sie meinte nämlich sinngemäß: Ich wundere mich auch über unser sehr positives Abschneiden. Auch unser Schulsystem in Finn­land wurde intern immer wieder kritisiert, und ich bin überrascht, dass Bildungssysteme in anderen Ländern noch schlechter sind.

Vielleicht sollten wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, aus dieser Bescheiden­heit der Finnen im Zugang zum Bildungssystem lernen und unsere doch weit verbrei­tete Selbstzufriedenheit in vielen Bildungsbereichen ganz einfach immer wieder in Frage stellen.

Die Fachhochschulen jedenfalls sind aus meiner Sicht auf einem guten Weg. Schlie­ßen wir auf diesem Weg auch andere Bildungsbereiche mit ein! Fahren wir selbst­kritisch und immer wieder hinterfragend fort und setzen wir verstärkt auf Teamarbeit! Meine sehr verehrten Damen und Herren, es wird uns sehr gut tun. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

11.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, Sie haben das Wort. – Bitte.

 


11.06

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Der Trend zu höherer Bildung ist in Österreich in allen Be­reichen gegeben, er ist überall spürbar, und durch die Bildungspolitik der Bundes­regierung wird darauf auch Rücksicht genommen, damit wir den jungen Menschen mehr Bildung, bessere Bildung, höhere Bildung anbieten.

Diese Gesetzesnovelle zu den Fachhochschulen zeigt auf die Weiterentwicklung ge­rade auch in diesem Bereich. Ich möchte an vier Beispielen diesen Trend zur höheren Bildung aufzeigen.

Österreich hat im Jahre 1997 als erstes Land in Europa die Möglichkeit der Berufs­reifeprüfung geschaffen, die Möglichkeit, dass ein Lehrling nach der abgeschlossenen Lehre oder im Laufe seiner Ausbildung die Berufsreifeprüfung ablegt und damit einen Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten erhält. Das ist einmalig in Europa! In Deutschland kann ein junger Mensch zwar eine Berufsreifeprüfung ablegen, hat da­nach aber nur die Möglichkeit, an eine Fachhochschule zu gehen. Im übrigen Europa gibt es diese Durchstiegsmöglichkeit von der Lehre zu weiterführender Bildung über­haupt nicht.


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Derzeit bereiten sich 7 000 junge Menschen, Lehrlinge, Mädchen und Burschen, auf die Berufsreifeprüfung vor. 435, die die Berufsreifeprüfung abgelegt haben, studieren an den Fachhochschulen. 5 000, die die Berufsreifeprüfung oder Studienberechti­gungsprüfung haben, studieren an den Universitäten.

Im Bereich der Lehre, im Bereich unserer guten Lehrausbildung ist also der Trend zur Höherqualifizierung gegeben. Wir haben dem Rechnung getragen und die Berufsreife­prüfung geschaffen.

Im Bereich der berufsbildenden höheren Schulen wurden seit 1995 zusätzlich 30 000 Ausbildungsplätze geschaffen. Das berufsbildende mittlere und höhere Schulwesen garantiert in besonderem Maße eine gute Ausbildung für die jungen Menschen, einen Einstieg ins Berufsleben. Wir haben im Jahr 1995 101 000 Plätze gehabt und haben jetzt 130 000 Plätze, und wir werden weiter ausbauen.

Für den Bereich der Universitäten haben wir gestern die Zahlen erhalten. Wir hatten im Vorjahr im Vergleichszeitraum 193 000 Studierende, wir haben jetzt 200 000 Studie­rende. Das zeigt ebenfalls, dass es einen verstärkten Trend zu höherer Bildung gibt. Wir haben bei den Erstzugelassenen eine Steigerung um 7 Prozent. Das zeigt, dass unser System der Studienförderung auch voll greift. Wer geeignet ist und wer will, der kann studieren. In Österreich kann niemand aus finanziellen Gründen nicht studieren.

Es ist mir wirklich ein Anliegen, das festzustellen. Wir haben die Studienförderung so ausgeweitet, dass um 10 000 Studierende mehr eine Studienförderung erhalten, und die Zahlen zeigen eindeutig, dass für den, der will und geeignet ist, ein Studium mög­lich ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Der Fachhochschulbereich ist der vierte große Bereich, in dem sich dieser Trend nach höherer Qualifizierung voll abzeichnet. Das Fachhochschulgesetz ist ja unter meinem Vorgänger Erhard Busek beschlossen worden, und dann haben meine Vorgänger – der Kollege Scholten und der Kollege Einem – am Ausbau des Fachhochschulbe­reiches in sehr positiver Weise gearbeitet und dort ihre Akzente gesetzt.

Man muss aber schon sagen: Was in der letzten Zeit dort erreicht wurde, zeigt ganz deutlich, dass Bildung, Ausbildung und höhere Bildung gerade der österreichischen Bundesregierung seit 2000 ein besonderes Anliegen sind. Im Jahr 2000 haben wir 67 Studiengänge gehabt und 11 700 Plätze – jetzt haben wir 136 Studiengänge und 21 000 Plätze!

Meine Damen und Herren! Die Zahlen sind fast verdoppelt worden. 21 000 junge Menschen studieren an den Fachhochschulen in Österreich, bekommen eine gute Ausbildung und sind mit ihrem Studium sehr zufrieden. Eine Befragung zeigt, dass über 80 Prozent sagen, sie würden dieses Studium wieder ergreifen, denn sie haben das beste Rüstzeug für den Beruf und sind erfolgreich im Beruf.

Ich möchte auch einen besonderen Dank an die Fachhochschulträger richten. Sie haben uns im Vorjahr sehr geholfen mit der  „Aktion 600 plus“. 600 Studienplätze sind vom Bund für neue Studierende zur Verfügung gestellt worden, und die Erhalter haben für einen Jahrgang 600 Studienplätze startfinanziert, sodass zusätzlich über 1 300 junge Menschen allein voriges Jahr bei den Fachhochschulen angefangen haben.

Natürlich gibt es noch einiges zu tun. Deswegen werden wir den Fachhochschul-Ent­wicklungsplan III erarbeiten, der ab dem Studienjahr 2005/06 gelten und wichtige Wei­terentwicklungen enthalten wird.

Ein besonderes Anliegen ist mir, dass man Wissen, das sich junge Menschen erwor­ben haben, anerkennt. Ich habe mit dem Vorsitzenden des Fachhochschulrates, Herrn Dr. Raidl, vereinbart, dass wir Modellprojekte entwickeln, wo Absolventen einschlägiger


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höherer Schulen, beruflicher Schulen, in ein höheres Semester der Fachhochschule einsteigen können. Ich glaube, die jungen Menschen schaffen es. Sie sind gut gebildet, und man soll diese gute Bildung, die sie haben, anerkennen.

Wir werden den weiteren Ausbau der Fachhochschule aber mit Fingerspitzengefühl vorantreiben. Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass in den technischen Studiengängen eine gewisse Sättigung erreicht ist. Wir müssen sehr genau evaluieren: Was sind neue Studiengänge? Was sind moderne Studiengänge, die wir anbieten wollen?, und wir müssen mit der Qualitätssicherung all diese Fragen beantworten: Welche Studien­gänge? Wie viele Studierende? Welche Berufsaussichten? Welche Berufsfelder ent­wickeln sich in der Zukunft, auf die wir die jungen Menschen vorbereiten wollen?

Meine Damen und Herren! Wir werden auch – und das wird der Politik nicht erspart bleiben – sehr ernsthaft und mit großem Fingerspitzengefühl diskutieren müssen, ob Quantität Qualität garantiert – das heißt, ob der ständige weitere Ausbau die Qualität sichert, das heißt, ob ständig mehr Mittel die Qualität sichern. Österreich liegt mit den Ausgaben für Bildung in Europa im Spitzenfeld. Wir müssen schauen, dass wir diese Mittel effizient einsetzen! – Das ist unsere Aufgabe!

Was ich ganz sicher nicht machen werde, ist, eine neue zentrale Steuerung – was dür­fen Universitäten, was dürfen Fachhochschulen? – einrichten. Es ist in jedem Gesetz genau festgelegt, welchen Aufgabenbereich die Angebote im tertiären Bereich haben. Die Universitäten bilden die jungen Menschen auf wissenschaftlicher Basis für ein großes Berufsfeld aus, das ist also eine berufliche Vorbildung. Die Fachhochschulen bieten eine Berufsausbildung mit wissenschaftlicher Basis, aber auf ein genau definier­tes Berufsbild hin ausgerichtet, sie bieten also eine Berufsausbildung und eine wissen­schaftliche Berufsvorbildung. Ich glaube, dass das die Bereiche sind, in denen sich die Universitäten und die Fachhochschulen, wie es im Gesetz steht, bewegen müssen.

Abschließend: Natürlich müssen wir gerade im Bildungsbereich immer wieder neue Herausforderungen annehmen. Ich habe deswegen das Projekt „klasse Zukunft“ ins Leben gerufen, in dem 30 Bereiche definiert sind, in welchen wir die Qualität noch verbessern müssen. Ich bitte alle im politischen Bereich Tätigen, uns dabei zu helfen, denn eines ist schon klar: Wir wollen nicht zufrieden sein, sondern wir wollen weiter­entwickeln, wir wollen verbessern. Es gibt ja den schönen Spruch: Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein! Wir sind derzeit gut. Unsere Lehrer und Lehre­rinnen sind gut, die Bildungseinrichtungen sind gut – wir müssen uns aber trotzdem ständig weiterentwickeln, damit wir auch in Zukunft gut sind, und ich bitte Sie um die Unterstützung dafür. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.14

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall. Die Debatte ist geschlos­sen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen daher zuerst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über Fachhochschul-Studiengänge geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein


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Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir gelangen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. No­vember 2003 betreffend das Protokoll über die weitere Fortführung der Aktion Öster­reich-Slowakei, Wissenschafts- und Erziehungskooperation.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

4. Punkt

Kulturbericht 2001 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur (III-242-BR/2002 d.B. sowie 6894/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 4. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Martina Diesner-Wais übernommen. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Martina Diesner-Wais: Frau Vizepräsidentin! Frau Bundesministe­rin! Meine Damen und Herren des Bundesrates! Der Bericht des Kulturausschusses betreffend den Kulturbericht 2001 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur liegt Ihnen allen bereits in schriftlicher Form vor, daher erübrigt sich dessen Ver­lesung.

Ich komme daher sogleich zur Verlesung des Antrages.

Der Kulturausschuss stellt den Antrag, der Bundesrat wolle den Kulturbericht 2001 der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Kenntnis nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schlaffer. – Bitte.

 


11.17

Bundesrätin Anna Schlaffer (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Vorweg möchte ich festhalten, dass es sich beim vorliegenden Kulturbericht 2001 um ein aufwändig gestaltetes und tech­nisch gut gemachtes Werk handelt, und ich möchte daher allen daran mitwirkenden BeamtInnen ein aufrichtiges Lob aussprechen und ein Dankeschön sagen.

Der Bericht ist anschaulich und für die Betrachter sehr gefällig gestaltet. Durch die im Jahre 2000 begonnene Auslagerung der Bundesmuseen mit autonomen Budgets fehlt ihm jedoch in diesem Bereich die Transparenz früherer Jahre. Ich möchte festhalten, dass ich die gesetzlich bereits 1998 beschlossene Überleitung der österreichischen Bundesmuseen in vollrechtsfähige wissenschaftliche Anstalten für eine richtige Ent­scheidung halte. Aufsehen erregende Meldungen der letzten Monate lassen jedoch vermuten, dass es eine Reihe von Problemen in der Umsetzung einzelner Vorhaben und Arbeiten gibt. Angekündigte Ausstellungen werden mit Hinweis auf Geldmangel abgesagt – siehe die  Klee-Ausstellung –, eine Reihe sich überschneidender Aus­stellungen schaffen unnötige Konkurrenzsituationen, und Umbauarbeiten im erst 2001 eröffneten Museumsquartier lassen ebenso auf Fehlplanungen schließen wie die von vielen Seiten kritisierte Konzeptlosigkeit bei der Albertina. Nicht zu vergessen sind die


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mangelhaften, ja dilettantischen Sicherheitsvorkehrungen im Kunsthistorischen Muse­um, die zum größten Kunstraub der Gegenwart geführt haben. Für mich ist es unver­ständlich, dass es bisher keinerlei Konsequenzen für den dafür verantwortlichen Gene­raldirektor gegeben hat.

Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Situation in den Bundesmuseen ist Besorgnis erregend und nicht dazu angetan, den Ruf Österreichs als Kulturstandort ersten Ran­ges zu festigen. Verschiedene von Ihnen gemachte Aussagen lassen darauf schließen, dass Sie sich der bestehenden Probleme bewusst sind. Sie haben auch erkannt, dass es große Mängel in der Koordinationsarbeit gibt, und haben daher selbst angekündigt, Koordinationsgespräche mit den einzelnen Museumsdirektoren zu führen. Aus der Sicht meiner Fraktion halte ich es daher für höchst notwendig, dass Sie damit auch wirklich beginnen.

Geschätzte Damen und Herren! Mangelhafte Koordination, gegenseitig nicht klar genug abgegrenzte Museumskonzepte, fehlende eigenständige Museumsprofile und unter anderem auch durch die Erweiterung von Ausstellungsflächen erzeugter enormer Konkurrenzdruck der einzelnen Häuser untereinander zeigen eindringlich auf, welch enormen Handlungsbedarf es im Museumsbereich gibt, der einer dringenden Erledi­gung harrt. Mit der Ausgliederung der Bundesmuseen, die so organisiert ist, dass das zuständige Ressort in die Planung und Tätigkeit der einzelnen Häuser mit einbezogen ist, wurde die politische Verantwortung der Frau Bundesminister nicht beseitigt. Es be­steht eine Verantwortung, die auch Verpflichtung ist, Museumspolitik so zu gestalten, dass sie die Menschen tatsächlich erreicht.

Auch wenn im Kulturbericht für das Jahr 2001 ein Ansteigen der Besucherzahlen zu verzeichnen ist, so darf dennoch nicht übersehen werden, dass sich die Besucherzah­len aus lediglich 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung zusammensetzen und die restlichen 70 Prozent überhaupt nicht ins Museum gehen. Da der Staat und damit die SteuerzahlerInnen erhebliche Mittel in die Museen investieren, sieht es meine Frak­tion sehr wohl als eine Aufgabe der Frau Bundesminister an, sich darüber Gedanken zu machen, wie mehr Menschen zu einem Museumsbesuch bewegt werden können, und dafür Konzepte zu entwickeln.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Kultur braucht eine leistungsstarke, wirksame und transparente Förderung. Effiziente Kulturpolitik benötigt innovative Ideen und die Be­reitschaft, politische Verantwortung auch wahrzunehmen. Der vorliegende Kulturbe­richt 2001 ist zwar schön anzuschauen, inhaltlich lässt er jedoch Zweifel am Willen der Frau Bundesminister, eine engagierte Kulturpolitik zu betreiben, aufkommen. Daher kann er auch nicht die Zustimmung meiner Fraktion finden. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

11.22

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Hösele. – Bitte.

 


11.22

Bundesrat Herwig Hösele (ÖVP, Steiermark): Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Sie werden verstehen, dass ich Letztgesagtem meiner Kollegin – was ich bei Damen ungern tue – ganz entschieden widerspreche. Der Bericht ist nicht nur schön anzuschauen, nicht nur gut gestaltet, nicht nur sehr informativ, sondern er ist auch ein Dokument einer außer­ordentlich erfolgreichen Politik! Die Bilanz der Tätigkeit des Jahres 2001, über die ja dieser Bericht erstellt worden ist, zeigt das auf und weist das ganz eindeutig nach. (Beifall bei der ÖVP.)


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Es ist schon schade, wenn man nur um der Kritik willen gewisse Dinge in den Raum stellt und wenn man Opposition nur um der Opposition willen betreibt. Ich kann mir vor­stellen, dass man gegen den Kunstbericht auftritt, weil die Frage der Förderung der Kunst oft kritisch ist, aber angesichts dieser Erfolgsstory der österreichischen Museen, die da dargestellt ist, zu sagen, da gingen nur 2,7 Millionen Staatsbürger hin, das finde ich denn doch etwas verwunderlich. Ich glaube, dass sogar noch weniger österrei­chische Staatsbürger hingehen, weil wir einen außerordentlich hohen Ausländeranteil bei den Besuchern haben. Aber es können in die österreichischen Museen – von den Bundesmuseen über die Landesmuseen bis hin zum Heimatmuseum in Oberwölz – alle Bürger jederzeit hingehen. Sofern ich richtig informiert bin, gibt es am 26. Oktober einen Tag der offenen Tür. Es gibt ganz großartige Museentage, und gemeinsam mit dem ORF wird die „lange Nacht der Museen“ veranstaltet, was ganz neue Schichten erschließt. Dadurch hat das, was in den letzten Jahren investiert worden ist, eine ganz große Attraktivität erfahren.

Eines ist noch viel wichtiger: Das Museumsquartier, das im Jahr 2001, also im Be­richtszeitraum, eröffnet wurde, hat im ersten Halbjahr 800 000 Besucher gehabt. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Schlaffer.) Herr Generaldirektor Seipel, dessen Kopf Sie hier fordern – was meiner Meinung nach wirklich eine arge Sache ist –, ist einer der inter­national erfolgreichsten Museumsdirektoren in Österreich. Er hat in seinem Haupthaus im Jahr 2001 mit einem Plus von 38,9 Prozent abgeschlossen, er hat Ausstellungen in den Bundesländern kuratiert und damit auch hervorragende Synergien erzielt. Ich darf nur darauf hinweisen, dass in der Kulturhauptstadt Europas, der steirischen Landes­hauptstadt Graz, der „Turmbau zu Babel“ von ihm kuratiert wurde, und dafür bin ich ihm zutiefst dankbar. Da gab es 100 000 Besucher! (Bundesrätin Schlaffer: Ministerin Gehrer hat das zu verantworten! Nicht vergessen, bitte!)

Wissen Sie, man kann es sehr billig machen, indem man hier sagt: Die Museen sind heruntergekommen, und der hat dies und jenes verabsäumt! Entschuldigung, aber das muss man sich doch genau anschauen, und man muss vor allem die Gesamtperspek­tive sehen! Das Naturhistorische Museum – weil Sie sich so große Sorgen darüber machen, erwähne ich es – ist im Jahr 2001 unter die Top Ten der Welt gewählt worden; als einziges Naturmuseum!

Der Besucherzustrom – Sie haben es angesprochen – ist sehr gut und liegt bei über 2,7 Millionen. Dazu muss man wissen, dass im Jahr 2001 die Albertina noch nicht ein­mal eröffnet war. Ich habe dieser Tage gelesen, was für einen Zustrom es bei der Dürer-Ausstellung gibt; das ist eine der besten Präsentationen, die es gibt, und zuvor auch die Munch-Ausstellung. Was mich besonders freut, ist, dass es mittlerweile viele Schauen gibt wie im Augenblick zum Beispiel, ebenfalls in Albertina, die Günter-Brus-Schau, über einen Mann, der vor 30 Jahren in Österreich als ein Gottseibeiuns ange­sehen wurde. Heute gehört auch die Avantgarde, über die es sehr kritische Äußerun­gen gegeben hat, schon zu den Besuchermagneten.

Insgesamt möchte ich sagen, dass wir eine sehr, sehr blühende Museumslandschaft haben, weil gerade in den letzten fünf bis zehn Jahren außerordentlich viel investiert worden ist. Um ein Beispiel zu nennen: Auch die Länder und die Privaten nehmen ihre Verantwortung wahr. Stift Admont hat heuer das größte Privatmuseum Österreichs – nicht zuletzt mit Hilfe der Förderungen des Bundesministeriums der Frau Ministerin – eröffnen können. Das Landesmuseum Joanneum in der Steiermark, der größte Muse­umskomplex außerhalb des Wiener Zentralraums, hat heuer 520 000 Besucher; es waren 320 000 im Vorjahr.

Was die Kulturhauptstadt betrifft, waren ja dankenswerterweise viele Kolleginnen und Kollegen mit mir im Mai in Graz. Wir haben damals noch die Baustelle des Kunst­hauses gesehen. Es ist seit zwei Monaten fertig und ein Bauwerk, das sich mit vielen


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internationalen Standards messen kann. Es gab 50 000 Besucher im ersten Ausstel­lungsmonat. Daran kann man sehen, dass – und das ist das Wichtige – die Anteil­nahme, dass die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur in diesem Land steigt und dass wir zu Recht einer der besten Kulturdestinationen der Welt sind, nicht nur für Touristen. Wir sind wirklich ein Kulturland, zwar klein in der flächenmäßigen Größe, aber wir haben eine ganz große Kulturlandschaft. Wenn ich vom Museumsquartier weiter schaue, dann sehe ich da das Naturhistorische Museum, das Kunsthistorische Museum, die Nationalbibliothek, die Albertina, das Ganze noch eingerahmt von den Bundestheatern, und weiters die Musikinstitutionen, und da muss ich sagen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sehr viele solche Kulturmeilen im globalen Rahmen gibt. Darauf können wir sehr stolz sein!

Ich darf abschließend aus dem Bericht – Seite 152 – ein kleines, aber wichtiges denk­malpflegerisches Zeichen herausgreifen. Es ist die Errichtung eines Mahnmals am Schießplatz Feliferhof in Graz. Der Feliferhof ist seit 1869 ein militärisches Übungs­gelände, er wird heute vom Bundesheer verwendet, und es wird auch diese Gedenk­stätte, die dort errichtet wurde, betreut. Ende des Zweiten Weltkrieges erschoss dort ein Sonderkommando der Gestapo 142 Regimegegner. Das Mahnmal, das diese Er­schießungsstätte heute darstellt, wird vom Bundesheer außerordentlich stilvoll ge­pflegt. Ich darf darauf hinweisen, dass auch heuer zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember das Militärkommando gemeinsam mit der Stadt Graz und der Liga der Menschenrechte vor diesem Mahnmal eine gemeinsame Gedenkveranstaltung ab­halten wird. Es ist das auch ein Beleg dafür, dass wir uns nicht nur zu den vielen leuchtend hellen Seiten unserer Geschichte – die auch durch unsere Museen so deut­lich dokumentiert werden – gerne bekennen, sondern uns ehrlich auch mit den dunk­len, auf uns lastenden Schatten der Vergangenheit im Sinne einer humanen Gestal­tung von Gegenwart und Zukunft auseinander setzen.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen mitteilen, dass meine Fraktion den vorliegenden Kul­turbericht 2001, für dessen hervorragende Gestaltung ich den Mitarbeiterinnen und Mit­arbeitern der Frau Minister und für dessen inhaltliche Gestaltung ich der Politik der Frau Ministerin ganz besonders danken möchte, sehr gerne zustimmend zur Kenntnis nimmt. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.30

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. – Bitte.

 


11.31

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Meine Damen und Herren! Die Grünen werden – wie auch im Nationalrat, wie auch im Ausschuss – dem Kulturbericht 2001 ihre Zustimmung geben, denn dies ist eine Dokumentation dessen, was ist. Es ist eine hervorragende Arbeit der Redaktion des Hauses, diesen Kulturbericht in der Form zusammengestellt zu haben, auch – und das Wort „Kultur“ weist schon darauf hin – in einer anderen Form als so manche Berichte, die wir bekommen und die nicht mit dieser Liebe und Aufmerksam­keit, möchte ich einmal sagen, gestaltet wurden. In diesem Sinne ein Dankeschön an die Beamtenschaft, die das gemacht hat!

Was wir aber diskutieren müssen – und wofür Herr Kollege Hösele gleich die General­absolution erteilt hat –, ist natürlich die Kulturpolitik. Was aus der Politik an Maßnah­men herausfließt, ist etwas ganz anderes als ein Bericht. Was den Bericht betrifft, stehen wir nicht abseits, zu sagen: Ja, dieser Bericht ist zu akzeptieren. Aber zu den Maßnahmen stellen wir doch einige Fragen; keine Fragen, die die Frau Ministerin nicht beantworten könnte, sie kennt sie selbst, sie ist ja in diesem Bereich voll involviert.


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Einer der großen Themenbereiche im Zusammenhang mit der Vollrechtsfähigkeit, mit der Positionierung der Museen sind natürlich – jetzt sage ich es einmal anders, Kollege Hösele – Konkurrenzspiele auch mit öffentlichen Mitteln. Das ist etwas Bedauerliches! Die Konferenz, die hierzu stattgefunden hat, wurde später mit „Konferenz der braven Buben“ tituliert. Mit den „braven Buben“ sind die Museumsdirektoren Wiens gemeint, meine Damen und Herren, die sich zwar immer wieder einzeln, aber nicht zusammen kritisch, fordernd und so weiter zeigen. Kaum werden sie einmal zusammen an einen Tisch gebeten, werden sie zu „braven Buben“ und verstummen. Eine wichtige Frage, die sich dabei stellt – und das ist natürlich ein Problem im Zusammenhang mit der Voll­rechtsfähigkeit –, ist: Was kann das Ministerium vorgeben, dass es zu einer tatsäch­lichen Planung im Bereich des Ausstellungswesens und nicht zu solchen Konkurrenz­spielen kommt?

Generell eine tiefe Sorge: Ein Museum ist nicht wie das andere; auch nicht, was die Besucher betrifft, aber vor allem nicht, was die finanziellen Mittel betrifft. Hier ist natür­lich die Gefahr gegeben, dass finanziell sehr potent ausgestattete Museen kleinere, die sich dem zeitgenössischen Bereich widmen, doch etwas an die Wand spielen.

Insgesamt brauchen wir nun durch die Vollrechtsfähigkeit und die Aufgabenstellung der Museen natürlich ein vielfaches Licht, das sich auf die Herren Direktoren wirft. Ich sage das so, und es ist, glaube ich, sogar von einer Kollegin von der ÖVP einmal in einer Diskussion so bezeichnet worden, dass das die letzte Männerdominanz ist. Selbst das Bundesheer bricht auf, aber bei den Bundesmuseen – nehmen wir das Technische Museum einmal aus (Bundesrat Dr. Kühnel: Nationalbibliothek: Auch eine Dame!), ja, Nationalbibliothek – ist das eine fast hundertprozentige Sache, beinahe schon wie bei den Philharmonikern; dort werden wir jetzt allerdings auch schon langsam eine oder zwei Änderungen bekommen.

In dieser Männerdominanz brauchen wir langsam Wunderwuzzis, denn sie sollen nicht nur gute Forscher sein, gute Vermittler, gute Sammler, sondern sie müssen jetzt auch verdammt gute Event-Manager, Marketing-Manager, überhaupt Manager von Groß­betrieben sein. Vielleicht ist nicht jeder in gleicher Weise dazu geeignet. Manchmal ist es fast ein bisschen zu viel des Guten in dem Bereich des Neuen. Deshalb wird diese Ausgewogenheit, die wir hier brauchen – zwischen Kommerz und Kultur, zwischen Kommerz und der Wahrnehmung der Aufgaben des Forschens, aber auch des Sammelns –, schwierig zu finden sein, und manchmal kippt es. Da muss man auf­passen. Merchandising ist heute für jedes Museum wichtig, das gehört dazu, aber es darf nicht überhand nehmen.

Es sind auch insofern Vorkehrungen zu treffen, oder zumindest sind die Museums­direktoren zu ermahnen, dass man in der Öffentlichkeit nicht einfach so locker vom Hocker, sage ich jetzt einmal, Sprüche loslässt wie etwa: Na wenn das Budget nicht ausreicht, dann verkaufe ich ein bissel was aus der Sammlung! – Dazu bietet das Gesetz keine Grundlage, dass Museumsdirektoren von sich aus feststellen können, ich verkaufe etwas aus der Sammlung, aber es ist schon öffentlich gesagt worden. Da wäre es gut, Frau Bundesministerin, wenn Sie auch einmal klar sagen: Es ist nicht der Museumsdirektor der Herr über alles!

Ein Punkt ist – ich glaube, Peter Noever hat das einmal in einer Diskussion gesagt –, dass die Museen im heutigen Zustand die Verwaltung des Erbes sind und dass wir auf eines Bedacht nehmen sollten: Es leben Künstler und Werkschaffende auch heute, und es ist wichtig, nicht nur nach ihrem Tode ihre Werke zu sammeln, anzuschaffen und auszustellen, sondern dass sie das noch zu Lebzeiten erfahren. So manche große Künstler, die wir heute verehren und zu Lebzeiten am Hungertuch nagten, wissen gar nicht, was geschehen ist. Heute haben wir eine andere Situation und andere öffentliche Aufgaben, wir können uns dieser Herausforderung neu stellen. Aber wenn wir


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sammeln und wenn wir neu anschaffen – da war ich immer in Sorge, was die Stadt Wien betrifft, und ich bin froh, dass jetzt auch seitens der Stadt Wien Vorkehrungen für neue Ausstellungsflächen getroffen werden –, dann dürfen wir nicht neue Kunstwerke, zeitgenössische Werke ankaufen und sie dann abseits jeglicher Öffentlichkeit lagern und nicht ausstellen!

Frau Ministerin! Interessant wird sein, wie denn der Rechnungshof-Sonderbericht hier aussehen wird, was das Kunsthistorische Museum betrifft. Aber dazu wird es in den nächsten Tagen, glaube ich, eine Besprechung in Ihrem Hause geben. Darauf warten wir schon gespannt.

Etwas, was ich ganz besonders – und durchaus mit einem Kompliment – hervorheben möchte, ist jener Bereich, den wir unter Restitution verstehen, die Einsetzung eines Raubkunst-Beirates und die Intensivierung der Provenienzforschung. Das ist etwas, von dem man wirklich sagen muss, dass hier etwas geschehen ist. Ich habe versucht, das aus den einzelnen Berichtteilen ein bisschen zusammenzurechnen: Man kann sagen, dass ungefähr 750 geraubte Exponate zurückgegeben wurden. Da sind viel­leicht noch nicht diejenigen dabei, um die es auch in der Öffentlichkeit so symbolisch geht. Ich nenne das Bild „Wally“, den Fall Bloch-Bauer oder Hollegha. Das ist noch nicht dabei, aber ich hoffe, dass es hier doch zu einer Geste der Republik gegenüber Frau Altmann kommen wird.

Ganz zum Schluss zu einem Teil des Berichtes, der sehr kurz gefasst ist; ich möchte ihn trotzdem ansprechen. Frau Bundesministerin, es ist die Frage: Wie sinnvoll ist es, dass ein und dieselbe Gruppe von Künstlern unter verschiedenen Mützen sehr viel Geld bekommt, wenn es doch viele in diesem Bereich gibt, die wenig Geld haben?

Wenn heute die Wiener Philharmoniker als Philharmoniker finanziert werden, wenn sie als Wiener Staatsopernorchester finanziert werden, wenn sie als Hofmusikkapelle finanziert werden und es sich dabei immer um dieselben Personen handelt, stellt sich doch die Frage, wie weit es in diesem Sektor relevant ist, die Hofmusikkapelle auch außerhalb der Hofmusikkapelle unter diesem Titel zu finanzieren. Es ist wichtig, was sie dort machen, aber es handelt sich doch immer wieder um denselben Personen­kreis.

Deshalb meine Frage auch an Sie: Sind Förderungen der Hofmusikkapelle außerhalb der Hofmusikkapelle tatsächlich anzustreben, wie sie derzeit gemacht werden, oder wird dadurch nicht die Situation verzerrt? Es kommt noch dazu, dass die Wiener Phil­harmoniker natürlich auch noch in Salzburg sind. Aber, wie gesagt, es gibt viele Musiker, Musikerinnen, die kämpfen müssen. Jetzt ist das RSO gerade in irgendeiner Form gerettet worden, wo es doch ganz stark auch um die zeitgenössische Musik geht. Deshalb meine Frage auch an Sie: Ist es wirklich sinnvoll, dass in einem Bereich Förderungen im Übermaß fließen, während andere Bereiche kämpfen müssen?

Abschließend sei gesagt: ein guter Bericht, ein interessanter Bericht, eine interessante und sehr kreativ gestaltete Zusammenstellung. Wir wissen, dass im Bereich des Aus­stellungswesens Koordinierungsbedarf herrscht. Ich glaube, dass es eine Verpflichtung der Museumsdirektoren dahin gehend geben muss – verpflichtend sollte auch ein ent­sprechender Bericht sein –, sich einer solchen Koordination auch zu unterwerfen. Sie müssen in irgendeiner Form etwas zurückmelden, sonst werden wir diese Konkurrenz mit öffentlichen Mitteln und Überschneidungen im Bereich des Ausstellungswesens haben. Und diesen Punkt halte ich für den von den Maßnahmen her vorrangigsten, der sich auch aus diesem Bericht ergibt. – Ich danke. (Beifall bei den Grünen, der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP und der Freiheitlichen.)

 


11.42


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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesminister, Sie haben das Wort.

 


11.42

Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Frau Präsidentin! Hohes Haus! Ich bedanke mich für die lobenden Worte für den Bericht. Ich glaube, der Bericht ist in den letzten Jahren enorm ausgeweitet, weiterentwickelt wor­den. Und ich meine, dass es gut ist, derartige Berichte zu geben, denn Information er­höht die Transparenz und erhöht damit auch das Vertrauen in den Bereich der einzel­nen Institutionen. Es ist immer sehr viel Arbeit für meine Mitarbeiter und Mitarbeiterin­nen damit verbunden, diesen Bericht zusammenzustellen. Aber es ist eine sehr wichtige Arbeit.

Ich habe die Redebeiträge sehr aufmerksam verfolgt. Es gibt unterschiedliche Auffas­sungen über die Art und Weise, was Kulturpolitik zu tun hat. Ich glaube, Kulturpolitik kann nicht betrieben werden, Kulturpolitik hat nicht zu verordnen und hat nicht zu zentralisieren.

Ich bin überzeugt davon, dass Kulturpolitik Freiräume geben muss, wachsen lassen muss, Rahmenbedingungen stellen muss, Zielvereinbarungen mit den einzelnen Kul­turträgern abschließen muss, sich aber nicht direkt ins operative Geschäft einmischen darf.

Da sind wir unterschiedlicher Auffassung. Es gibt die alte Auffassung der Anordnungs­kultur, alles wird vom Staat zentral verordnet: Ihr macht dies, ihr macht das. Und es gibt die Kultur der Vereinbarungen. Wir gehen in den verschiedenen Bereichen, bei den Universitäten, bei den Kultureinrichtungen, den Weg, mit Vereinbarungen zu arbei­ten, mit Vereinbarungen, die dann wieder kontrolliert werden, die evaluiert werden, die einer Qualitätskontrolle unterliegen. Ein derartiger Bericht ist eine derartige Qualitäts­kontrolle, weil Sie daraus entnehmen können, was mit den Steuergeldern gemacht wird.

Ich möchte gerne auf die Frage zur Hofmusikkapelle antworten. Die Hofmusikkapelle ist eine 500 Jahre bestehende Einrichtung, eine Einrichtung, die aus Teilen der Wiener Philharmoniker besteht, aus Teilen des Staatsopernchores und aus den Chören der Sängerknaben, die jeden Sonntag um 10.30 Uhr in der Hofmusikkapelle eine Messe singt, die auch Konzerte gibt und ein ganz wichtiger Bestandteil in unserem Kultur­tourismus geworden ist. Diese Hofmusikkapelle hat einen fixen Förderanteil im Budget, einen fixen Budgetanteil, darüber hinaus wird sie nicht gefördert. Wenn sie Konzerte gibt, muss dies mit Eintrittsgeldern finanziert werden. Die Auftritte in der Hofmusik­kapelle bringen Einnahmen durch die Touristen, durch die Einheimischen, die dort hin­kommen. Die Basisförderung stellt Mittel für die Proben, für die nötigen Anschaffungen von Materialien et cetera bereit.

Wir sollten, wie ich meine, stolz sein auf diese Hofmusikkapelle, die in ihrer Tradition einmalig ist und die sogar eingeladen wurde, bei einer Papstmesse im Petersdom in Rom zu singen. Riccardo Muti hat eine besondere Vorliebe für dieses Orchester, denn er mag die jungen Stimmen, die dort singen, und er hat bereits dreimal die Hofmusik­kapelle dirigiert. Ich glaube, das zeugt schon von der Qualität dieser Hofmusikkapelle. Wir werden sie weiterhin in unserem Budget so berücksichtigen, wie wir es jetzt machen, ohne große Erhöhungen, aber auch ohne große Abstriche.

Zur Frage der Museen: Es gab seit den neunziger Jahren eine enorme Entwicklung. In den Jahrzehnten davor waren die Museen die Stiefkinder der Kulturpolitik. Die Museen waren von der Bausubstanz her in schlechtem Zustand, sie hatten teilweise kein Licht, von Klimaanlagen und Sicherheitseinrichtungen überhaupt nicht zu reden. In den achtziger Jahren, später dann in den neunziger Jahren wurde die Notwendigkeit der


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Restaurierung, der totalen Sanierung der Museen endlich erkannt, und es wurde mit den so genannten Museumsmilliarden – noch in Schilling, diese belaufen sich inzwi­schen auf über 3 Milliarden Schilling, also auf über mindestens 210 Millionen € – ein Generalsanierungsplan der Museen angegangen, wo es noch einiges zu tun gibt. Da bitte ich um Ihre Unterstützung. Das Völkerkundemuseum ist nicht fertig saniert, die Außenfassaden der Museen müssen saniert werden. Wir brauchen im Naturhistori­schen Museum eine Hofüberdachung für den zweiten Hof. Da gibt es noch viel zu tun. Wir müssen das schrittweise gemeinsam machen.

Das Ausstellungswesen hat eine enorme Entwicklung erfahren. Was an Ausstellungen angeboten wird, ist wirklich einer Kulturhauptstadt würdig. Daran, dass unser Natur­historisches Museum im letzten Jahr unter die Top Ten der Museen in Europa, ja in der Welt gekommen ist, zeigt sich, welche Qualität erreicht wurde. Das Museumsquartier ist der sechstgrößte Kulturbau der Welt, wurde mit 2 Milliarden Schilling verwirklicht und hat sich ganz enorm entwickelt.

Ich meine also, wir dürfen stolz auf das sein, was wir in den letzten Jahren erreicht haben, wir müssen aber vorwärts schauen und schauen, was noch zu tun ist. Und dazu gehört ganz sicher, dass wir uns gemeinsam das Budget, das für die Museen seit dem Jahr 1997 eingefroren ist, sehr genau anschauen. Wir werden ab dem Budget­jahr 2005/2006 eine Erhöhung von ungefähr 10 bis 12 Millionen € für das Grundbudget der Museen brauchen, und ich bitte Sie dann um Ihre Unterstützung. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

11.48

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke, Frau Bundesministerin.

Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Ebenfalls nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen, und wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stim­menmehrheit. Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichts ist somit angenommen.

5. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streit­sachen (Außerstreitgesetz – AußStrG) (224 d.B. und 268 d.B. sowie 6895/BR d.B.)

6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem im Zusammenhang mit der Erlassung des Außerstreitgesetzes die Notariatsordnung, das Gesetz betreffend die Einräumung von Notwegen, die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung, die Exekutionsordnung, das Ge­richtsorganisationsgesetz, das Tiroler Höfegesetz, das Allgemeine Grundbuchs­anlegungsgesetz, das Liegenschaftsteilungsgesetz, das Ehegesetz, das Todes­erklärungsgesetz 1950, das Kraftloserklärungsgesetz 1951, das Eisenbahnent­eignungsgesetz 1954, das Allgemeine Grundbuchsgesetz 1955, das Scheckge­setz 1955, das Anerbengesetz, das Aktiengesetz 1965, das Bundesgesetz über Notare als Gerichtskommissäre im Verfahren außer Streitsachen, das Personen-


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standsgesetz, das Gerichtsgebührengesetz, das Bundesgesetz zur Durchfüh­rung des Europäischen Übereinkommens vom 20. Mai 1980 über die Anerken­nung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts, das Unterhaltsvorschußgesetz 1985, das Rechtspflegergesetz, das Bundesgesetz zur Durchführung des Überein­kommens vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, das Kartellgesetz 1988, das Jugendwohlfahrtsgesetz 1989, das Kärntner Erbhöfegesetz 1990, das Auslandsunterhaltsgesetz, das Firmen­buchgesetz und das Bundesgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Kulturgütern geändert werden (Außerstreit-Begleitgesetz – AußStr-BegleitG) (225 d.B. und 269 d.B. sowie 6896/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem im Zusammenhang mit der Neuordnung des Außerstreitverfahrens­rechts das Mietrechtsgesetz, das Wohnungseigentumsgesetz 2002, das Woh­nungsgemeinnützigkeitsgesetz, das Heizkostenabrechnungsgesetz, das Richt­wertgesetz, das Sportstättenschutzgesetz, das Landpachtgesetz, die Exekutions­ordnung und das Rechtsanwaltstarifgesetz geändert werden (Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz – WohnAußStrBeglG) (249 d.B. und 270 d.B. sowie 6897/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nunmehr zu den Punk­ten 5 bis 7 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über den Punkt 5 hat Herr Bundesrat Aspöck übernommen, die Berichterstattung über die Punkte 6 und 7 Herr Professor Böhm. – Bitte, zuerst Dr. Aspöck.

 


Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich komme zu Tagesordnungspunkt 5: Bericht des Justizaus­schusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen (Außerstreitgesetz). Der Bericht liegt Ihnen vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht zu Punkt 5.

Ich darf Herrn Professor Böhm um seine Berichte zu den Tagesordnungspunkten 6 und 7 bitten.

 


Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ich erstatte Ihnen zu Tagesordnungspunkt 6 den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Außer­streit-Begleitgesetz. Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Fassung vor. Ich beschränke mich daher auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


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Ich darf Ihnen anschließend auch Bericht zu Tagesordnungspunkt 7 erstatten: Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz. Auch dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Fassung vor, und ich beschränke mich erneut auf die Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Ich danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Hlavac. – Bitte.

 


11.52

Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir begrüßen die Reform des Außerstreitrechts, die schon lange geplant und vorbereitet worden ist. Das alte Außer­streitgesetz stammt in seinen Grundzügen aus dem vorvorigen Jahrhundert. Es ist daher klar, dass es zu einer grundlegenden Novellierung kommen musste. Es ist auch erklärtes Ziel, damit die Bedenken auszuräumen, die im Zusammenhang mit der EMRK erhoben worden sind.

Im außerstreitigen Verfahren wird eine Reihe besonders wichtiger Materien behandelt, von Mietstreitigkeiten bis zu Fragen der Obsorge. Das sind gerade jene Materien, die die Menschen ganz unmittelbar in ihrem Lebenszusammenhang treffen und betreffen. Daher ist es wichtig, praxisorientierte, einfache und flexible, aber eben doch rechts­staatlich korrekte Regelungen zu treffen. Ich denke, dass das im Wesentlichen gelun­gen ist, und möchte den Beamten des Justizressorts für ihre gewohnt ausgezeichnete legistische Arbeit sehr herzlich danken. (Allgemeiner Beifall.)

Im Nationalrat ist eine Entschließung gefasst worden, die eine Evaluierung des § 78 über den Kostenersatz vorsieht. Ich glaube, dass es sehr vernünftig ist, sich einmal an­zusehen, wie sich die neue Regelung auswirkt und ob sie auch tatsächlich den Bedürf­nissen der Menschen entgegenkommt.

Wir können daher diesem Entwurf zustimmen. Aber gerade die Frage der Kostenrege­lung, die wir in dem einen Fall für akzeptabel halten, führt dazu, dass wir dem Wohn­rechtlichen Außerstreitbegleitgesetz nicht zustimmen können. Es wurde behauptet, dass die neue Regelung unter weitgehender Wahrung inhaltlicher Kontinuität erstellt werden soll. Abweichungen seien grundsätzlich nur dort vorzusehen, wo dies wegen der Besonderheiten der Sachmaterie erforderlich sei. Das entspricht unserer Auffas­sung nach nicht ganz den Tatsachen.

Durch die Einführung des Kostenersatzes und der relativen Anwaltspflicht wird das Verfahren in zwei ganz zentralen Punkten verändert und der Mieterschutz ausgehöhlt. Das behauptet übrigens nicht nur die Opposition, das behaupten nicht nur wichtige Nicht-Regierungsorganisationen wie Mietervereinigung, Caritas und Volkshilfe, son­dern das befürchtet auch der Oberste Gerichtshof in seiner Stellungnahme. Dort heißt es: Der eben erwähnte spezifische sozialpolitische Auftrag des Wohnrechtlichen Außerstreitverfahrens erfordert allerdings die Beibehaltung des Ausschlusses des Er­satzes der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung mit Ausnahme von Mutwillensfällen. Der Oberste Gerichtshof zieht daher den Schluss, dass – ich zitiere wieder wörtlich – die Neuregelung daher grundsätzlich abzulehnen ist.


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703. Sitzung / Seite 59

Herr Minister! Sie versuchen den Eindruck zu erwecken, dass die meisten Mieter, die ihr Recht suchen, Querulanten sind. Ich kann Ihnen sagen, dass wir aus Erfahrung in Wien, aber nicht nur in Wien, sondern auch in vielen anderen größeren Städten wissen, dass es immer wieder Vermieter gibt, die ihre Mieter drangsalieren, die ver­suchen, ihre Mieter aus der Wohnung rauszuekeln oder sie zumindest zu übervor­teilen.

Gerade bei der Frage der Festsetzung des Mietzinses oder bei Abrechnungen kann der Mieter nicht immer hundertprozentig Recht erhalten, und zwar aus ganz einfachen Gründen. Die Regelung über die Mietzinshöhe ist überaus kompliziert. Wir wollten da­mals, als die große Novelle gemacht worden ist, klare Mietzinsobergrenzen. Wir haben dafür allerdings keine Mehrheit gefunden. Die Mehrheit der Abgeordneten hat sich dagegen entschieden, und das Ergebnis war ein Kompromiss, der zweifellos kein sehr guter gewesen ist.

Die geltende Regelung ist also überaus kompliziert, und der Mieter ist kein Sachver­ständiger. Selbst bei Sachverständigen ist es so, dass, wenn Sie drei Sachverständige haben, drei verschiedene Beurteilungen zustande kommen, weil eben unterschiedlich gewichtet wird, weil so viele Punkte zu beachten sind, weil so viele verschiedene Ge­sichtspunkte in die Mietzinsregelung einbezogen werden. Daher wird es so sein, dass, wenn jetzt ein Mieter verlangt, dass der Mietzins auf einen bestimmten Betrag herabgesetzt wird, das Ergebnis wahrscheinlich nicht genau dieser Betrag sein wird.

Ein ähnliches Problem gibt es bei den Mietzinsberechnungen beziehungsweise bei den Abrechnungen. Das Gericht hat andere Möglichkeiten, den wahren Sachverhalt her­auszufinden, als ein Mieter, der dann oft überfordert sein wird. Daher führt die neue Regelung zu einem solchen Risiko, dass es sich viele Mieter aus finanziellen Gründen nicht werden leisten können, den Gang zum Gericht zu machen. Der Vermieter ist heute oft ein großer Unternehmer, leider oft auch ein Spekulant, der sich das leisten kann. Das Bild des Vermieters, das Sie sehen, den Hausherrn, der im selben Haus wohnt und ein mehr oder weniger vernünftiges Verhältnis zu seinen Mietern hat, ist eine Idealvorstellung, die es vielleicht in dem einen oder anderen Fall gibt. Das möchte ich nicht bestreiten. Aber es gibt gerade, wie ich gesagt habe, in großen Städten immer wieder Spekulanten, die versuchen, die Mieter rauszuekeln. (Bundesrat Dr. Aspöck: Gemeinde Wien!) Es gibt auch gerade gegenüber ausländischen Mitbürgern den Ver­such, sie zu übervorteilen. Daher ist es einfach sehr wichtig, den Mieterschutz auf­rechtzuerhalten.

Das Außerstreitverfahren dient zur Herstellung des Rechtsfriedens in einer einfachen und flexiblen Weise. Wenn es also im Bereich des Familienrechtes keinen Kosten­ersatzanspruch geben soll, dann wird hier in einem Bereich, der für die Familien ebenfalls von zentraler Bedeutung ist, diese Regelung beschlossen. Der Grund kann wohl nur darin liegen, dass Mieter daran gehindert werden sollen, von ihren Rechten Gebrauch zu machen, dass der Mieterschutz, der den Vertretern der Hausherren und den Neoliberalen schon lange ein Dorn im Auge ist, beseitigt werden soll.

Ich weiß, dass wir hier dieses Gesetz nicht verhindern können, aber wir werden den Menschen klarmachen, wie hier mit ihren Rechten umgegangen wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

11.59

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. – Bitte.

 



Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 60

11.59

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr verehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Frau Kollegin hat schon etliche Dinge vorweggenommen, aber ich möchte auch sagen, dass wir sehr glücklich sind, dass dieses Außerstreitverfahren jetzt gelaufen ist, denn die Neurege­lung des Außerstreitverfahrens ist eine sehr wesentliche Reform, die längst nötig war. Man hat schon in den letzten Jahrzehnten immer wieder versucht, hier etwas weiter­zubringen und das Gesetz, das aus 1854 stammt, zu reformieren. Jetzt ist es Gott sei Dank so weit, das Gesetz umfasst nun 208 Paragraphen – vor 150 Jahren begann es mit 15 Paragraphen. Ich kann nur sagen, die Beamten haben hier wirklich Großartiges geleistet und auch der Herr Minister.

Es ist eine moderne Verfahrensordnung für die meisten Fälle, bei denen Bürger bei Gericht zu tun haben. Das Außerstreitgesetz ist ein Dienstleistungsgesetz für die Men­schen, durch das sie rasch, effizient und bürgerfreundlich zu Recht kommen.

Das Außerstreitgesetz, das Außerstreit-Begleitgesetz und natürlich auch das Wohn­rechtliche Außerstreitbegleitgesetz stellen eine große Reform dar. Wir bekommen damit eine zeitgemäße Verfahrensordnung für die meisten Fragen und Fälle, bei denen Bürger mit dem Gericht zu tun bekommen. Von der Zahl her ist das Außerstreitverfah­ren wesentlich zahlreicher als das Strafverfahren beziehungsweise Strafprozesse bei Gericht. Der Außerstreitpakt ist somit ein Dienstleistungsgesetz für alle Bürger. Darin sind Verfahrensregelungen, aber auch – das hat auch schon Frau Kollegin Hlavac er­wähnt – sehr viele Detailregelungen, unter anderem das Ehe-, Kindschaftsrecht, Sach­walterschafts-, Erbschaftsangelegenheiten, einvernehmliche Scheidung, Unterhalts­ansprüche, Mietrechtsansprüche, Adoptionsverfahren et cetera betreffend, enthalten. All das kann man im Außerstreitverfahren regeln. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Mit diesem neuen Gesetz sollen alle Bürger rasch, effizient und freundlich zu ihrem Recht kommen. So wird auch die Gerichtsbelastung etwas vermindert. Betreffend Scheidung ist ins neue Gesetz eine Aufklärungspflicht des Richters aufgenommen. So soll und hat sich der Richter auch ein Bild von den Kenntnissen des unvertretenen Partners zu machen. Die Aufklärungspflicht des Richters ist eine Schutzform.

Wie ich aus dem Nationalrat hörte und aus dem Bundesratsausschuss weiß, ist für den überwiegenden Teil der Erneuerung mit der Zustimmung aller Fraktionen zu rechnen; kontrovers ist, wie schon gesagt, der wohnrechtliche Teil. Von diesem Teil ist die ge­samte Bevölkerung, ob Vermieter oder Mieter, betroffen. Natürlich ist hier der freie Zu­gang zum Recht für alle – ohne Barriere! – ein besonderes Anliegen, und der Zugang zu Schlichtungsstellen bleibt kostenfrei. Die Kosten des Verfahrens und die Vertretung im Verfahren können nach Obliegenheit in Zukunft ersetzt werden. Allerdings ist dies eine Frage, die fast immer sehr schwierig und auch von den einzelnen Menschen, ob Mieter oder Vermieter, unterschiedlich zu handhaben ist, so auch für das Gericht. Es ist da jeder Fall anders. Oft ist es notwendig, rasch und einvernehmlich zu verfahren und danach zu trachten, zu einem Ende und einem guten Abschluss zu kommen.

Wir werden diesen drei Gesetzen zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

12.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächstem Redner erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort.

 


12.03

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Es ist schon ein historischer Moment,


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703. Sitzung / Seite 61

wenn mit unserer Zustimmung hier ein Gesetz verändert wird, das aus dem Jahr 1854 datiert; so lange wurde auf dieser Basis Recht gesprochen.

Es waren 20 Jahre, aber insbesondere die neunziger Jahre, in denen man die Grund­züge des heute vorliegenden Gesetzes erarbeitet hat. Eigentlich war es, ausgenom­men die Außerstreitregelung im Wohnbereich, zu Beginn des Jahres 2000 fertig. Ich bin froh, dass es heute vorliegt, denn dieses neue Außerstreitgesetz ist eine Materie, die kostengünstiger, direkter und schneller wirksam, bürgernäher ist, die die Folgekos­ten einschränkt und letztlich auch die Gerichte entlastet. Wir werden diesem historisch wichtigen und von der Intention her richtigen Gesetz gerne unsere Zustimmung geben.

Aber eines haben wir nicht verstanden: warum nun in dieser Form, und zwar in so kur­zer Form, das Außerstreitverfahren im Wohnbereich reingenommen wurde und damit ein funktionierendes System gekippt wurde – der Bereich der Schlichtungsstellen, der unkomplizierte Zugang. Wenn man die Stadt Wien hernimmt: Nur 14 Prozent aller Streitigkeiten im Wohnbereich sind an die Bezirksgerichte gegangen – nur 14 Pro­zent! –, der Rest konnte bei den Schlichtungsstellen erledigt werden.

Sie haben es im Außerstreitbereich bei der Familie explizit gemacht: dass es im Fami­lienrechtsbereich eben keine Kosten gibt. Und jetzt führen wir dort, wo die Gemeinden Schlichtungsstellen eingeführt haben und wo die Sachen nichts kosten, einen relativen Anwaltszwang ein, was neue Kosten bringt. Das bedeutet, dass jeder, der heute in Mietrechtssachen – die Mieter sitzen am kürzeren Ast; sagen wir es so, wie es ist – sein Recht begehrt, einem Risiko gegenübersteht, einem Kostenrisiko, vor allem einem Kostenexplosionsrisiko; denn es sind ja keine gedeckelten Kosten.

Das verstehen wir nicht. Und da wäre es wichtig gewesen, Herr Minister – Sie wissen, dass das Miet- und Wohnrecht Materien sind, bei denen man den Titel eines Universi­tätsprofessors braucht und nichts anderes im Leben machen darf, als in diesen Materien zu arbeiten, um sie zu verstehen; so kompliziert ist dieses Recht, es ist ja fast undurchschaubar –, die Kenner, die Experten und Expertinnen und jene, die aus dem Bereich der Schlichtungsstellen seit 1922 so viele wertvolle Erfahrungen gewonnen haben, doch noch einmal zu befragen und zu schauen, warum man jetzt im Wohnbe­reich in den Zivilprozessbereich hineinrutschen muss, obwohl man ihn seit 1922 erfolg­reich draußen gelassen und gesagt hat: Mieter und Mieterinnen haben die Möglichkeit, im Außerstreitverfahren bei Schlichtungsstellen einmal zu begehren, dort kann man ihnen Hilfestellungen geben und es kostet nichts, denn hat schon die Übernahme der Wohnung genug Geld gekostet, sollen wenigstens die Verfahren, die sich daraus ent­wickeln, nicht auch noch zu finanzieren sein. Aber genau das werden wir jetzt ändern.

Ich vermute, dass viele Menschen, viele Mieter und Mieterinnen, nicht zu ihrem Recht kommen werden, weil sie auf Grund der Kosten, die vielleicht auf sie zukommen, einen solchen Gang scheuen werden, obwohl sie vielleicht im Recht wären.

Es tut mir Leid, Herr Minister, aber bei diesem Gesetz werden wir dagegen stimmen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.08

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Universitätsprofessor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.08

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das heute zu beschließende Außerstreitgesetz bildet zweifellos einen Meilenstein der Justizpolitik. Das bisher geltende Außerstreitgesetz – das wurde ja schon erwähnt – stammt aus dem Jahr 1854. Es war schon damals als bloßes Provisorium gedacht – in


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703. Sitzung / Seite 62

Österreich bekanntlich ein Garant für Dauerhaftigkeit! –, und es regelte primär das Ver­lassenschaftsverfahren. Die 19 Paragraphen zu Beginn verdienten nicht einmal die Be­zeichnung als allgemeiner Teil.

Der große Reformator und Verfasser der österreichischen Zivilprozessgesetze Franz Klein plante bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Erneuerung des Außerstreitver­fahrens. Die bewegten Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg und während seines Verlaufs und danach die Nöte der jungen Ersten Republik ließen das Anliegen zurücktreten.

Gewisse Anläufe, das Reformvorhaben wieder aufzunehmen, gab es aber durchaus auch in der Zwischenkriegszeit. Erst nach der politischen und wirtschaftlichen Konsoli­dierung der Zweiten Republik setzten erneut jahrzehntelange Bestrebungen zur Neu­fassung des Außerstreitgesetzes ein. Immer deutlicher kristallisierten sich dabei die Grundelemente einer zeitgemäßen Neuordnung heraus.

Es muss auch betont werden, dass es das Verdienst einer vernünftigen Rechtspre­chung war, dass das so antiquierte wie fragmentarische Stammgesetz von 1854 über­haupt bis heute anwendbar geblieben ist.

Der bereits verstorbene Fachvertreter Professor Winfried Kralik, dem auch ein eigener Alternativentwurf zum ersten Entwurf des Bundesministeriums zu verdanken ist, der bis in das heute vorliegende Gesetz nachwirkt, hat es einmal mit einem mittelalterlichen Weistum verglichen.

Bei aller Anerkennung der rechtsfortbildenden Bemühungen der Rechtsprechung ist jedoch festzuhalten, dass es nicht der Verfassung, insbesondere nicht dem Legalitäts­prinzip des Artikels 18 B-VG, und auch nicht unserer Tradition und unserem Rechts­quellensystem entspricht, wenn die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens und wesentlicher Institute nicht im Gesetz verankert sind, sondern allein auf Richterrecht beruhen.

Unter Berücksichtigung der Neuentwicklungen in Lehre und Rechtsprechung nahm das Reformwerk in jahrelanger Arbeit im Bundesministerium für Justiz zunehmend Gestalt an.

Mit der Qualifikation als großer Wurf oder gar Jahrhundertwerk sollte man gewiss zurückhaltend umgehen, aber in Bezug auf das neue Außerstreitgesetz stehe ich nicht an festzuhalten: Diese Gesetzesreform ist rundum geglückt! – Dank dafür gebührt den Legisten des Ministeriums, neben dem Leiter der Zivilrechtssektion, Herrn Dr. Gerhard Hopf, und Frau Leitender Staatsanwalt Dr. Kloiber ursprünglich insbesondere Herrn Ministerialrat Dr. Leo Feitzinger und danach vor allem dem Leiter des Referats Außer­streitsachen, Herrn Leitendem Staatsanwalt Dr. Michael Stormann. Nicht zuletzt gilt es aber auch, zwei Richter und ihr besonderes Verdienst am Gelingen zu würdigen, die sich für längere Zeit dem Ministerium zuteilen ließen, um das Projekt hauptberuflich zu betreuen. Es sind dies Frau Rat Dr. Maria-Theresia Neuhold – inzwischen wieder nach Graz in das Richteramt, und zwar an das Oberlandesgericht, zurückgekehrt –, die das Grundkonzept erstellte, und Herr Rat Dr. Robert Fucik – ich freue mich, dass er heute anwesend ist –, seither Richter des Oberlandesgerichtes Wien, der dem Werk den fachlichen und systematischen Feinschliff gab und insbesondere das Verlassen­schaftsverfahren und andere Spezialgebiete auf den jetzt erreichten Stand brachte.

Mit Recht hebt der Bericht des Justizausschusses hervor, dass es darum ging, eine moderne, den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, aber auch dem besonders hilfe­orientierten und friedensrichterlichen Charakter des Außerstreitverfahrens Rechnung tragende eigenständige Verfahrensordnung zu schaffen. Verbessert wurde vor allem die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Parteien, die den Anforderungen des Artikels 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention voll genügt, insbesondere


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703. Sitzung / Seite 63

auch im Beweis- und im Rechtsmittelverfahren. Und die mündliche Verhandlung ist künftig grundsätzlich öffentlich.

Der Rechtsschutz wird auch dadurch verbessert, dass jetzt ein so genannter Abände­rungsantrag bei schweren Verfahrensverstößen und auch bei Wiederaufnahmsgründen die nachträgliche Korrektur selbst bereits in Rechtskraft erwachsener Entscheidungen ermöglicht – eine Rechtsschutzlücke, die die Rechtsprechung bisher nicht im Wege der Analogie zur ZPO zu schließen bereit war.

Im Recht zum Schutz minderjähriger Personen wird erstmals sichergestellt, dass auch ihnen in den sie betreffenden Verfahren ausreichende Mitwirkungsrechte zukommen.

Sehr geglückt ist die Neufassung des Verlassenschaftsverfahrens, das bisher allzu bürokratisch überfrachtet war. Auch hiebei ist es gelungen, die internationale Eigen­ständigkeit unserer Nachlassabhandlung zwar zu bewahren, aber seine Institute sinn­voll zu entschlacken und seinen Ablauf zeitgemäß zu adaptieren. Auch die Aufgaben­stellung der Notare wurde nochmals erweitert.

Richtig erscheint insbesondere die Hereinnahme der bisher auf den Prozessweg aus­gelagerten Streitigkeiten um die Erbenstellung – die so genannte Erbrechtsklage – in das eigentliche Verlassenschaftsverfahren.

Ebenso sinnvoll ist die einheitliche Regelung des Abstammungsverfahrens – ob zur Klärung der unehelichen Vaterschaft oder zur Bestreitung der ehelichen Geburt – und seine einheitliche Verweisung in das Außerstreitverfahren. Gleiches gilt für die nun­mehr einheitliche Durchsetzung aller Ansprüche auf Gewährung des gesetzlichen Unterhalts zwischen in gerader Linie verwandten Personen, ob minderjährig oder voll­jährig.

Meines Erachtens ausgewogene Lösungen findet das Gesetz auch in der Frage der Vertretungspflicht, bei der es um den nicht allzu leichten Ausgleich divergierender Interessen von Rechtsanwälten und Notaren ging, und zur angesprochenen Frage des Kostenersatzes. Er wird erstmals in flexibler und billiger Weise eingeführt, zu Recht aber insbesondere in Unterhaltssachen minderjähriger Personen, in Pflegschafts- und in Obsorgeverfahren sowie in Adoptionssachen ausgeschlossen. – All das und noch viel mehr ist nach meiner vollen Überzeugung vorbehaltlos zu begrüßen.

Während das Zivilprozessrecht, solange die Rechtspflege funktioniert, nur Fachleute interessiert – denn welcher Bürger führt im statistischen Durchschnitt schon Pro­zesse?; ich selbst, vielleicht gerade weil es mein theoretisches Fachgebiet ist, habe in der Praxis noch keinen einzigen Prozess in eigener Sache geführt –, ist der Bürger mit dem Außerstreitverfahren vergleichsweise häufiger konfrontiert, sind doch von dieser Form gerichtlicher Rechtsfürsorge Kernbereiche des Privat- und Familienlebens er­fasst. Insofern ist ein verbessertes, modernisiertes, rechtsstaatliche Garantien wahren­des und effizientes, beschleunigtes, vereinfachtes Außerstreitverfahren geradezu die Visitenkarte der Justiz gegenüber den rechtsuchenden Bürgern.

Mit Freude wird meine Fraktion daher diesem Reformgesetz ihre Zustimmung ertei­len. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

12.15

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.15

Bundesrat Dr. Robert Aspöck (Freiheitliche, Salzburg): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Dieser erstklassigen Vorlesung meines Vorredners ist im allgemeinen Teil wirklich nichts mehr hinzuzufügen. (Bundesrat Konecny: Aber sie hat nicht 50 Minuten


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703. Sitzung / Seite 64

gedauert!) Lieber Peter, ich danke dir für diese wirklich großartige Vorlesung! (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Ich möchte mich nur mit zwei kleinen Aspekten betreffend Tagesordnungspunkt 7 beschäftigen, mit dem, was Kollegin Dr. Hlavac und Herr Bundesrat Schennach gesagt haben.

In dieser Debatte hat meines Erachtens den Vogel im Nationalrat Frau Abgeordnete Dr. Gabriele Moser abgeschossen. In ihrer abweichenden persönlichen Stellungnahme versteigt sie sich zur Feststellung, dass nunmehr mit der Kostenersatzpflicht der im Prozess unterlegenen Partei Mietzinsüberprüfung und Betriebskostenüberprüfung totes Recht sind. – Ich möchte mich mit dieser Aussage ein bisschen erschöpfender be­fassen.

Mitnichten, meine Damen und Herren, ist das so! Endlich wurde das Gerechtigkeits­prinzip unseres allgemeinen Prozessrechtes auch im gesamten Mietrecht verwirklicht. Etwas salopp und dafür vielleicht leichter verständlich will ich es so ausdrücken: Wenn einer, wie sich nach der endgültigen gerichtlichen Entscheidung herausstellen sollte, in diesem Fall tatsächlich als Querulant demjenigen, der letztendlich Recht bekommen hat, schon die Zeit stiehlt und ihm auch noch Kosten verursacht hat, dann soll er – wie Professor Böhm richtig ausgeführt hat, auch nur in angemessener Weise – wenigstens diese Kosten ersetzen.

Wir, meine Damen und Herren – damit meine ich den Herrn Justizminister, die Be­amten des Justizministeriums, die hervorragende Arbeit geleistet haben, und unsere gesamte Regierung sowie die heutigen Koalitionspartner –, sind einer Meinung über dieses Gerechtigkeitsprinzip: Keine Belohnung für den, der im Unrecht ist, keine Be­strafung für den, der im Recht ist.

Zurück zum angeblich toten Recht: Meine Damen und Herren von der Opposition, wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass das österreichische Schadenersatzrecht etwa totes Recht ist, weil derjenige, der unberechtigterweise Schadenersatz fordert, dem im Recht befindlichen Gegner dessen Kosten zu ersetzen hat?

Meine Damen und Herren! Wenn ich die Argumente der Opposition, insbesondere auch jene, die im Nationalrat gefallen sind, so betrachte, dann denke ich ganz unwill­kürlich und automatisch an Geistesinhalte, die ich nur mehr aus den Geschichts­büchern kenne, nämlich an Inhalte, wie sie das Rote Wien der zwanziger und dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geprägt haben. – Dass das Mietrecht großteils stets ein Wiener Recht war, steht ja außer Zweifel und wird auch nirgends ernstlich bestritten – und auch du (in Richtung des Bundesrates Mag. Himmer) wirst es, glaube ich, nicht bestreiten.

Nun zu einem weiteren Kritikpunkt der Opposition, der angeblichen Eile unseres Herrn Bundesministers. – Wir haben schon gehört, das gesamte Gesetz stammt aus dem Jahr 1854 – na ja, man könnte irgendwann einmal zu reformieren beginnen. Das hat man auch tatsächlich getan – in der Zweiten Republik –, man hat es in den siebziger und achtziger Jahren in Angriff genommen. Allerdings besteht da ein Unterschied: Der damalige Minister hatte es nicht so eilig. Der Minister war damals nämlich mit vielen anderen Dingen beschäftigt, wie zum Beispiel der Niederschlagung von Strafverfahren.

Der damalige Minister erteilte seinerzeit ständig Weisungen an die Anklagebehörde – und das ist der ganz wesentliche Unterschied zu diesem unserem Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer, der der Anklagebehörde eben keine Weisungen erteilt. Justiz­minister Dr. Böhmdorfer erteilt also keine Weisungen dieser Art, sondern befasst sich lieber voll und ganz mit der Durchführung beziehungsweise Finalisierung längst über­fälliger Reformen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.) Und


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dafür, sehr verehrter Herr Bundesminister, möchte ich dir namens meiner Fraktion so­wie im eigenen Namen einmal hier vom Rednerpult aus sehr herzlich danken. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.20

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


12.21

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Vielen Dank für die lobenden Worte. Ich werde diesen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizministeriums weitergeben, insbesondere an Herrn Sektionschef Dr. Hopf und sein Team, weiters an Frau Dr. Kloiber, Herrn Mag. Haller, Herrn Dr. Fucik, der Richter des Oberlandesge­richts Wien ist, weiters an Herrn Dr. Stormann sowie an Frau Dr. Neuhold, Richterin aus Graz. Sie alle haben federführend an diesem Gesetz mitgewirkt und dieses ge­staltet, und vor allem ihnen gehört dieser Dank – und so wurde es ja auch verstanden und eben als Anerkennung empfunden.

Das Außerstreit-Begleitgesetz hat nahezu die gesamte Zivilrechtssektion des Justiz­ressorts in Anspruch genommen. Das Wohnrechtliche Außerstreitbegleitgesetz – heute zu Unrecht kritisiert, und ich werde dann gleich darauf eingehen – wurde von Herrn Dr. Stabentheiner gestaltet.

Nochmals Dank für Ihre Anerkennung. Es sind hier viele Worte gefallen, die richtig waren. Am ehesten ist das auch dadurch gekennzeichnet, dass von Herrn Professor Dr. Böhm in diesem Zusammenhang von einem „Meilenstein“ gesprochen wurde – und um einen solchen handelt es sich auch tatsächlich!

Natürlich konnten wir auf umfangreiche Vorarbeiten zurückgreifen, auf Vorarbeiten, die insbesondere unter Minister Dr. Michalek gemacht wurden; auch daran soll heute aus­drücklich erinnert werden; ebenso an Herrn Ministerialrat Dr. Leo Feitzinger, der Abtei­lungsleiter war und das Gesetz schon vor vielen Jahren federführend gestaltet und vorbereitet hat.

Nun zu Ihrer Kritik: Ich bedauere, dass Herr Bundesrat Schennach jetzt nicht im Saal ist, ist doch interessanterweise gerade von ihm – und das bin ich von ihm eigentlich nicht gewohnt – die unberechtigtste Kritik gekommen. Nochmals: Es ist schade, dass er jetzt nicht anwesend ist. Zu behaupten, dass ein funktionierendes System zerschla­gen werde und man jetzt vor der Schlichtungsstelle Kostenersatz leisten müsse, das ist bisher noch niemandem eingefallen! Es stimmt nämlich ganz einfach nicht!

Zirka 90 Prozent aller mietrechtlichen Streitigkeiten werden nach wie vor vor der Schlichtungsstelle erledigt werden, und dort ist unverändert kein Kostenersatz zu leisten. Diese Panikmache unter den Mietern ist für mich völlig unverständlich, und ich bitte höflich, das Herrn Bundesrat Schennach auszurichten – oder der Herr Bundesrat möge zu uns ins Ministerium kommen, und wir werden uns Zeit nehmen, mit ihm das Gesetz durchzubesprechen, weil es wirklich unrichtig ist, zu behaupten, dass die Schlichtungsstelle nicht mehr existiere. Das haben zwar andere behauptet, aber Bun­desrat Schennach hat gesagt, dass dort Kostenersatz zu leisten wäre. Das ist falsch – und das war auch nie angedacht!

Wenn das der Grund für Herrn Bundesrat Schennach beziehungsweise für die Fraktion der Grünen ist, gegen das Wohnrechtliche Außerstreitbegleitgesetz zu stimmen, kann ich nur sagen: Überlegen Sie bitte diese Gegenstimme, denn diese wäre auf tönernen Füßen aufgebaut, sozusagen eine Phantom-Gegenstimme, die, wie ich meine, nicht


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703. Sitzung / Seite 66

ganz passend ist für einen österreichischen Bundesrat, da er einem ganz gravierenden Irrtum unterliegen würde.

Was ist eigentlich das Neue an diesem System? – Es wird ergänzt, und zwar für die­jenigen, die sich sozusagen nicht in den „Schutz“ einer politischen Vorfeldorganisation begeben wollen. Momentan funktioniert das System ja wie folgt: Der Mieter hat die Möglichkeit, alleine zu Gericht zu gehen oder sich zum „Mieterbund“ beziehungsweise zur „Mietervereinigung“ zu begeben und dort seine Beiträge zu leisten. Wenn er in ein laufendes Verfahren einsteigen will, kostet ihn das im ersten Jahr 200 € – ansonsten kostet es ihn zirka 43 € jährlich –, und zwar auch dann, wenn er gar keine Streitigkeit mit seinem Hauseigentümer hat. Das ist also eine ganz nette Summe – und man muss wissen, dass Teil dieses Systems auch eine Entgeltleistung des Mieters ist.

Dieses System wird aber nicht angegriffen. Auch die Präsidentin der „Mietervereini­gung“, Frau Abgeordnete Bures, hat ausdrücklich erklärt, dass die Beiträge im Rahmen dieser bestehenden Regelung nicht erhöht werden müssen. Dieses System bleibt un­verändert, und jeder kann weiter zur „Mietervereinigung“ gehen. Nach wie vor auch – ich wiederhole das –: keine Kostenersatzpflicht vor der Schlichtungsstelle.

Was aber war bisher mit jenen, die nicht zu einer politischen Vorfeldorganisation, die also nicht zur „Mietervereinigung“ oder zum „Mieterbund“ gehen wollten, sondern sich eines Anwaltes bedient haben? Diese sind mit einem Anwalt zu Gericht gegangen, haben dort in vielen Fällen Recht bekommen – und mussten sich das auch noch selbst bezahlen. Das ist ungerecht! Deshalb führen wir diesen Kostenersatz ein, und wenn es zu Härtefällen kommt, dann kann und wird der Richter/die Richterin eben nach dem Billigkeitsprinzip diesen Kostenersatz mindern.

Wer das nicht als Fortschritt erkennt, der ist ein Verweigerer des Fortschritts. Wir machen Gesetze aber auch dann, wenn Fortschrittsverweigerer dagegen sind. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.26

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Außerstreitgesetz.


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 67

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Außerstreit-Begleitgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Wohnrechtliches Außerstreitbegleitgesetz.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

8. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und die Reise­gebührenvorschrift 1955 geändert werden (250 d.B. und 273 d.B. sowie 6898/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (SDG) und das Bundesgesetz über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichtsgebührengesetz – GGG) geändert werden (234 d.B. und 274 d.B. sowie 6899/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundes­gesetz über die Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land nach Traun und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988 (235 d.B. und 275 d.B. sowie 6900/BR d.B.)

11. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanzmärkten (Finanzsicherheiten-Gesetz – FinSG) erlassen wird und das Bundesgesetz über das internationale Privatrecht geändert wird (251 d.B. und 272 d.B. sowie 6901/BR d.B.)

12. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch zur Umsetzung der Fair Value-Richtlinie geändert wird (Fair Value-Bewertungsgesetz – FVBG) (176 d.B. und 271 d.B. sowie 6902/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen zu den Punkten 8 bis 12 der Tagesord­nung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über den Punkt 8 hat Herr Bundesrat Dr. Aspöck übernommen. Ich bitte ihn darum.

 


Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Der Titel des Tagesordnungspunktes 8 wurde vom Herrn Präsidenten ja bereits angeführt; der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

 


Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 68

Vizepräsident Jürgen Weiss: Die Berichterstattung über den Punkt 9 hat Herr Bun­desrat Dr. Böhm übernommen.

 


Berichterstatter Dr. Peter Böhm: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich erstatte Ihnen zu Tagesordnungspunkt 9 den Bericht des Justiz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betref­fend ein Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetz.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich daher gleichfalls auf die Antragstellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Berichterstatter über die Punkte 10 bis 12 ist Herr Bundesrat Dr. Aspöck. Ich bitte ihn darum.

 


Berichterstatter Dr. Robert Aspöck: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich komme zu den Berichten zu den Tagesordnungspunkten 10, 11 und 12.

Zunächst der Bericht zu TOP 10. Der Titel wurde Ihnen ja vom Herrn Präsidenten be­reits zur Kenntnis gebracht; der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Daher der Antrag: Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. No­vember 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Nun zum Bericht zum Tagesordnungspunkt 11. Der Titel wurde Ihnen gleichfalls vom Herrn Präsidenten zur Kenntnis gebracht; der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht zu TOP 12. Der Titel wurde Ihnen ebenso vom Herrn Präsidenten zur Kenntnis gebracht; der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Hier der Antrag: Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. No­vember 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Erste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Hlavac. Ich erteile ihr das Wort.

 


12.31

Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Zur Beschlussfassung steht jetzt ein ganzes Paket zivil­rechtlicher Normen, die im Wesentlichen – mit einer Ausnahme – nicht kontroversiell sind. Zwei dienen der Umsetzung von EU-Recht: die Novelle zur Jurisdiktionsnorm, der ZPO und der Reisegebührenvorschrift, die der Anpassung an die Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen dient. Diese Verordnung sieht vor, dass Gerichte im Ausland unmittelbar Beweise aufnehmen können, wenn die Beweisauf­nahme im Ausland auch nach dem Recht des erkennenden Gerichtes zulässig ist und den Bedingungen des Staates, in dem die Beweisaufnahme stattfinden soll, entspricht.

In der ZPO werden die Bedingungen geregelt, unter denen österreichische Gerichte im Ausland Beweisaufnahmen durchführen dürfen. In der Jurisdiktionsnorm wird die um-


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gekehrte Vorgangsweise geregelt, also wenn ein ausländisches Gericht in Österreich Beweise aufnehmen will.

Wir haben gegen diese Regelung keinen Einwand, da es in komplizierten Fällen sicherlich sinnvoll ist, selbst Erhebungen durchzuführen und nicht Rechtshilfe in An­spruch zu nehmen.

Die zweite EU-Norm, die umgesetzt werden soll, ist die Fair Value-Richtlinie, wodurch die Novelle zum Handelsgesetzbuch notwendig geworden ist.

Auch der nächste Punkt der Tagesordnung, das Finanzsicherheiten-Gesetz, hat wirt­schaftlichen Charakter und dient zu mehr Sicherheit, aber auch zu einer Verbesserung von Chancen im Wirtschaftsverkehr.

Wir sind auch damit einverstanden, ebenso mit der Änderung des Gerichtsgebühren­gesetzes.

Die Nutzung des Internet für die Sachverständigenlisten ist sicherlich sinnvoll und arbeitssparend.

Ich komme jetzt zum Tagesordnungspunkt Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land nach Traun und zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes. Die Verlegung des Be­zirksgerichtes Linz-Land nach Traun scheint mir eine akzeptable Vorgangsweise zu sein, nicht jedoch die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes.

Ich möchte eigentlich nicht die ganze Debatte wiederholen, die wir ja schon mehrmals hier geführt haben, möchte aber schon sagen: Wir haben leider den Eindruck, dass sich unsere Befürchtungen in Zusammenhang mit dem Wiener Jugendgerichtshof be­wahrheitet haben, dass es eben zu keiner Verbesserung der Situation jugendlicher Straftäter gekommen ist. Es gab ja den tragischen Fall dieses rumänischen Jugend­lichen, der deutlich aufgezeigt hat, wie vorsichtig man damit umgehen und wie sehr man darauf achten muss, dass Jugendliche nicht mit Erwachsenen in Haft sozusagen in Berührung kommen. Es ist zwar nicht so, dass diese zusammen eingesperrt wären, aber es zeigt sich schon, dass das ein sehr heikler Bereich ist und man da daher vor­sichtig vorgehen sollte.

Jetzt liegt also eine Novelle zum BG Linz vor. Die Linzer Richterinnen und Richter haben sich ja bereits gegen eine Änderung der Jugendgerichtsbarkeit gewehrt, sind jedoch damals genauso wenig gehört worden wie die Wiener Richterinnen und Richter. Das ist etwas, Herr Minister, das ich Ihnen vorwerfen muss, dass Sie eben zu wenig eingehen auf die Bedenken, auf die Wünsche, die von den Betroffenen geäußert werden.

Daher ist es auch kein Zufall, dass es einen „Notstandstag“ der Richterinnen und Rich­ter gegeben hat, bei dem es auch zu sehr erregten Szenen gekommen ist, weil sich eben Richterinnen und Richter missverstanden fühlen.

Ich halte es für ganz wichtig, sich intensiver mit den Betroffenen auseinander zu set­zen. Ich glaube, dass dadurch auch bessere Regelungen zustande kommen würden und es so möglich wäre, manche Probleme hintanzuhalten.

Mir ist klar, dass die jetzige Novelle der nächste, der zweite Schritt ist: eben im Zusam­menhang mit bereits getroffenen Reformen, aber ich bleibe dabei, dass das keine gute Regelung ist. Im Ausschuss haben wir erfahren, dass es jetzt wahrscheinlich doch nicht mehrere Richter sein werden, sondern dass ein Richter/eine Richterin alle Jugendagenden übernehmen wird, was dann bedeutet, dass er/sie sich sozusagen auf Wanderschaft von einem Bezirksgericht zum anderen begeben wird müssen.


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Ich halte das auch nicht für eine sehr glückliche Vorgangsweise – und daher müssen wir diesen Entwurf ablehnen. Es ist schade, dass es nicht möglich gewesen ist, einen gemeinsamen Weg zu gehen: gerade bei einer Materie, die so wichtig ist, wenn es nämlich um das Schicksal von Jugendlichen geht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der Grünen.)

12.36

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


12.37

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich melde mich zu diesen Tages­ordnungspunkten ungewöhnlich früh zu Wort, und zwar deshalb, weil ich nicht möchte, dass eine unsachliche Bemerkung in dieser Debatte hängen bleibt. Diese Materie hat sich viel Sachlichkeit verdient.

Ich muss nun etwas wiederholen, weil Sie, Frau Bundesrätin Dr. Hlavac, das unrichti­gerweise gesagt haben: Die Verlegung des Jugendgerichtshofes war deshalb notwen­dig, weil dort nur 56 Betten zur Verfügung standen, es aber einen Haftraumbedarf für 170 Personen gab: damals! Mittlerweile ist dieser Bedarf sogar noch gestiegen!

Herr Präsident Dr. Jesionek hatte uns diese Dramatik nicht zur Kenntnis gebracht, son­dern hat die Zellen randvoll belegt, sodass die Belegung menschenrechtskonventions­widrig war. Es widersprach der Anti-Folter-Konvention! Sie haben richtig gehört: der Anti-Folter-Konvention!

Es mussten deshalb, vor allem wegen des bedrängten Platzangebotes im Jugendge­richtshof, die Häftlinge und damit auch das gesamte Gericht an einen modernen, funk­tionsgerechten Platz übersiedelt werden: eben in die Justizanstalt Josefstadt. Dort steht für die jugendlichen Häftlinge ein ganzer Trakt, sogar mit Werkstätten zur Ver­fügung, ebenso Freizeiteinrichtungen und anderes mehr. Auch der Herr Bundespräsi­dent hat das begutachtet; jeder Reporter, jeder Journalist kann das gleichfalls tun. Es werden jedoch dort ständige Besuche und Versuche gemacht, diese gesamte Situation zu desavouieren.

Wir mussten damals Häftlinge, mussten diese Jugendlichen – an der Schließe natür­lich – durch ganz Wien fahren, weil sie beispielsweise in Simmering sowie in anderen Haftanstalten untergebracht waren. Insgesamt handelte es sich dabei also um eine menschenrechtswidrige und menschenunwürdige Situation, die durch Überbelag zu­stande gekommen ist. Es bestand auch nicht die Möglichkeit, sich durch Baumaßnah­men zu helfen, steht doch dieses Gebäude unter Denkmalschutz. Man hätte höchstens durch Niederreißen von Mauern die Bettenzahl verringern können, was jedoch sinnlos gewesen wäre.

Diese Situation in Bezug auf eine ordentliche Jugendgerichtsbarkeit stellen wir jetzt auch in Linz her, und zwar im Einvernehmen mit allen Personalvertretern, mit allen Be­troffenen und Beteiligten und unter großem Jubel der Bevölkerung.

Der Sprengel Linz-Land hatte ein Gericht außerhalb seines geographischen Gebietes, und zwar in Linz-Urfahr. – Dieses Gericht gehört in den Gerichtssprengel und kommt jetzt dorthin. Wir stellen dadurch dieselbe Jugendgerichtsbarkeit her, wie sie im „rest­lichen“ Österreich besteht, die funktioniert und anerkannt ist.

Nicht Herr Präsident Jesionek persönlich – dessen Verdienste ich nicht bestreiten möchte – genießt internationalen Ruf, zumindest nicht wegen der Jugendgerichtsbar­keit oder nicht nur wegen dieser, sondern die gesamte österreichische Jugendge­richtsbarkeit verdient und genießt diesen Ruf: von Bregenz bis Wien! Und sie funktio-


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nierte in Bregenz, in Innsbruck und in Salzburg besser – das hat man an den Diver­sionsangeboten gesehen –, als das in Wien beim Gericht des Herrn Präsidenten Jesionek der Fall war. – Das sind die Tatsachen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.40

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogens­perger. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.40

Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte zum Tagesordnungs­punkt 9 Stellung nehmen. Es geht dabei um die Angelegenheiten der allgemein be­eideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher.

Mit diesem Gesetz soll es möglich werden, dass die bisher bei den Landesgerichten geführten analogen Listen der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sach­verständigen und Dolmetscher auf eine EDV-unterstützte Form umgestellt werden. Von Seiten der Rechtssuchenden, aber auch von Seiten der Rechtspflege besteht schon lange der Wunsch danach. Mit dieser elektronisch geführten Liste ist es uns allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetschern möglich, unsere Daten – von Namen, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse bis hin zu den Fachgebieten – laufend zu aktualisieren. Das Ganze wird dann im Internet für jeder­mann abrufbar und einsichtig sein. Bisher musste man zum Gericht gehen, in die Liste hineinschauen, und diese war nicht aktuell, weil sie nur periodisch – vierteljährlich bei den Landesgerichten – aktualisiert wurde. Im Zuge dieser Umstellung soll es auch bei den Sachverständigen- und Dolmetscherausweisen zur Umstellung auf eine so ge­nannte Chipkarte kommen.

Eines möchte ich noch erwähnen, dass nämlich bei den gerichtlichen Verfahren immer häufiger Sachverständige herangezogen werden und daher der Bedarf steigt. Die Aus­bildung und die Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der allgemein be­eideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen wurden in den letzten Jahren stark ausgeweitet und verstärkt. Als Beispiel möchte ich nur die Zertifizierung und den Bildungspass nennen.

Ich möchte mich im Namen aller allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher für diese Schritte herzlich bedanken, da sie für uns eine große Erleichterung darstellen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheit­lichen.)

12.42

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächster erteile ich Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker das Wort. – Bitte.

 


12.42

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Ich möchte zum Tagungsordnungspunkt betref­fend die Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land Stellung nehmen.

Herr Minister! Sie haben sehr wohl Recht damit, dass Traun im Zentrum des Bezirkes Linz-Land liegt. Fakt ist aber bedauerlicherweise auch, dass es teilweise sehr schwie­rig zu erreichen ist. Es gehören beispielsweise Orte wie Wilhering, Leonding und auch Enns zum Bezirk, die zwar eine direkte Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Linz haben, aber keine Verbindung nach Traun. Man muss jetzt also nach Linz und dann weiter nach Traun fahren, was die Dinge sehr verkompliziert. Das ist ein


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Punkt, der sehr wohl Bedeutung hat und durchaus wichtig ist. Aus Sicht der Klientel stellt sich sehr wohl die Frage, wie leicht oder schwierig die Dinge gemacht werden.

Die Jugendgerichtsbarkeit ist im Hohen Haus bereits mehrmals diskutiert worden, wo­bei die Komplexität und Sensibilität dieser Materie betont wurden. Wir haben Experten­informationen aus Oberösterreich – und da würde ich Sie, Herr Minister, um Aufklärung bitten –, dass durch die Verlegung der Jugendgerichtsbarkeit nicht mehr ein Richter zuständig ist, sondern die Zuständigkeit auf mehrere Bezirksgerichte aufgeteilt wird. Das ist die Information, die wir aus Oberösterreich haben. In dieser Form können wir das nicht begrüßen, da am Jugendgericht in Linz rund 200 Jugendstrafverfahren ab­gewickelt werden, 300 Strafverfahren gegen junge Erwachsene, 150 Strafverfahren wegen Verletzung der Unterhaltspflicht – ein wichtiger Punkt! – und eine Menge Pfleg­schaftsverfahren, die einen Riesenschwerpunkt bilden. Bei der Abwicklung dieser sen­siblen Verfahren im Bereich der Obsorge stellt sich schon die Frage, ob es gescheit ist, jetzt jene, die sich über Jahre die Kompetenz angeeignet haben, aus diesen Bereichen herauszunehmen und Richter dafür zuständig zu machen, die zu 95 Prozent mit anderen Materien betraut sind. Man muss nur an die Situation denken, in der sich die Kinder befinden: Zumindest bei den Pflegschaftsverfahren geht es um Kinder vom Säugling bis zum Erwachsenenalter, die mit verschiedensten Problematiken in der Familie wie Alkoholismus, physischer und psychischer Gewalt, anderen Drogenproble­men bis hin zu psychischen Erkrankungen konfrontiert sind. Da geht es dann darum, was mit diesen Kindern zu geschehen hat, ob man sie aus dem Familienverband herausnimmt und in die Obhut anderer Betreuungseinrichtungen, zu Pflegeeltern und so weiter gibt. Dies erfordert wirklich eine professionelle Vorgangsweise, spezifische Kenntnisse und eben diese umfassende Erfahrung, die sich die Richter teilweise über Jahre und Jahrzehnte angeeignet haben. Genau das ist der Punkt – nämlich diese notwendige Zusammenarbeit und der Austausch mit Psychiatern, Pädagogen, Sozio­logen und Betreuungseinrichtungen –, warum wir kritisieren und dagegen sind, dass die Jugendgerichtsbarkeit in dieser Form verlegt wird.

Wir begrüßen die Verlegung des Bezirksgerichts Linz-Land nach Traun ebenfalls nicht – ich erinnere an die Argumentation mit der Erreichbarkeit. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

12.46

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich er­teile ihm das Wort.

 


12.47

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Justizminister! Werte Damen und Herren! Bei einigen Vorlagen in der zusammenge­fassten Debatte handelt es sich – dies wurde auch von den Berichterstattern bereits gesagt – um Anpassungen an EU-Normen und an EU-Richtlinien, zum Beispiel beim Finanzsicherheiten-Gesetz oder bei der Fair Value-Richtlinie beziehungsweise beim Fair Value-Bewertungsgesetz.

Eine nationalstaatliche Angelegenheit ist natürlich die Verlegung des Bezirksgerichtes Linz-Land nach Traun. Damit wird das Bezirksgericht innerhalb eines Sprengels in den Ort mit den meisten Bewohnern, also nach Traun verlegt. Meine Damen und Herren! Es wird dadurch für die Mehrheit der Menschen zu einer beträchtlichen Verkürzung der Anfahrtszeiten kommen. Gleichzeitig wird dadurch natürlich mehreren Menschen zu einem rascheren Zugang zum Recht verholfen. Mit der Verlegung des BG Linz-Land vom so genannten Zentralraum in den so genannten ländlichen Bereich müssten auch Sie, meine Damen und Herren aus der Länderkammer, eigentlich Ihre Freude haben, weil damit auch – und das könnte man auch dazu sagen – der Ausdünnung des länd-


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lichen Raumes entgegengewirkt wird. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Traun ist aber wirklich kein ländlicher Raum! – Bundesrat Konecny: Sagen Sie das einmal dem Bür­germeister von Traun! Sie kennen die Gegend offenbar nicht!)

Meine Damen und Herren! Da die Kosten für Sie immer ein Thema sind, sei erwähnt – und das geht auch aus dem Bericht hervor, wie Sie wissen, wenn Sie die Vorlage ge­lesen haben –, dass die Kosten mehr als vertretbar sind, weil am bisherigen Standort des BG Linz-Land vor allem auch bauliche Investitionen in mindestens der gleichen Größenordnung wie in Traun erforderlich gewesen wären.

Sie wollen einfach dieser Reform und diesem Gesetz nicht zustimmen, weil Sie Dinge vermengen, Herr Kollege Konecny. (Bundesrat Konecny: In diesem Gesetz sind die Dinge vermengt! Wir haben nichts gegen Traun!) Herr Kollege, lassen Sie mich Ihre Gründe festhalten. Von Ihnen, von den Grünen, von einigen, vor allem den Linken in der SPÖ wird immer wieder falsch argumentiert und fälschlicherweise die Zerschla­gung der Jugendgerichtsbarkeit ins Treffen geführt. Als Beispiel nennen Sie immer die Verlegung der Strafvollzugsanstalt in Wien von Erdberg an einen anderen Standort. Herr Kollege Konecny! Erstens hat der Strafvollzug und dessen Standort in keiner Weise mit der Gerichtsstruktur zu tun. Zweitens, Herr Kollege Konecny: Nennen Sie ein Beispiel, nennen Sie einen Fall, wo es auf Grund der Standortfestlegung zu weni­ger Rechtssicherheit gekommen ist, nennen Sie ein Beispiel, wo dadurch die Recht­sprechung beeinflusst war, oder nennen Sie ein Beispiel, wo der Zugang zum Recht ein schlechterer geworden ist. (Bundesrat Konecny: Sie haben es nicht verstanden; Sie müssen es auch nicht verstehen!)

Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hlavac! Sie merken: Ihre Argumentation geht in diesem Bereich wie so oft ins Leere. (Bundesrat Konecny: Was heißt das jetzt wie­der?) Sie haben sich hier falsch positioniert und Sie vermengen, und das unterstelle ich Ihnen: Sie vermengen bewusst den Strafvollzug mit der Rechtsprechung. (Bundesrat Konecny: Das sind wirklich Unterstellungen!)

Herr Kollege Konecny und meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn Ihnen dieses Vermengen bewusst ist und Sie das also bewusst tun, dann sage ich Ihnen auch sehr offen: Dann ist es mir lieber, Sie stimmen dem Tagesordnungspunkt 10 nicht zu! (Bei­fall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

12.51

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Professor Konecny. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.51

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich kann Kollegen Weilharter beruhigen: Auch ohne seine Einladung werden wir dieser Vorlage nicht zustimmen, und zwar nicht deshalb, weil wir etwas vermengen, sondern weil in einer Gesetzesvorlage zwei Sachverhalte, zwischen denen eine Verbindung be­steht – das meint offenbar der Herr Bundesminister –, enthalten sind, von denen wir einem ausdrücklich nicht zustimmen können. Das ist nun einmal so! Wenn Sie anderer Meinung sind, Herr Kollege, so verstehe ich das aus der Koalitionserfahrung heraus, dass man vieles schlucken muss und daher auch einem Gesetz zustimmt, in dem vieles enthalten ist, was man eigentlich nicht mag. Wir als Opposition haben – derzeit, sage ich einschränkend dazu – diese Kröten nicht zu schlucken und müssen nicht trotzdem zustimmen. Ich habe Ihre Erfahrung geteilt, ich fühle mich jetzt um einiges wohler, aber ich weiß ja nicht, ob mich dieses Schicksal nicht noch einmal ereilt. Irgendwo könnte ich es mir auch vorstellen.


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Herr Bundesminister! Ich habe Ihnen sehr aufmerksam in Ihrem Versuch einer Replik zugehört. Und in Wirklichkeit ist mir spontan nur ein Satz eingefallen: Wir haben im Österreich-Konvent die Frage diskutiert, wie das mit der Immunität sei, und ich habe dort – ich bin ein großer Gerechtigkeitsfanatiker – die Meinung vertreten, wenn Abge­ordnete und Bundesräte in dem, was sie in offener parlamentarischer Verhandlung sagen, immun sind, dann wäre es eine Frage der Waffengleichheit, dass all jene, die berechtigt sind, in einer Sitzung des Nationalrates oder des Bundesrates das Wort zu ergreifen, für ihre Ausführungen dort dieselbe Immunität geltend machen können sollten. Das ist eine theoretische Diskussion in einem Arbeitskreis des Österreich-Kon­vents gewesen, Herr Bundesminister, nicht die gesetzliche Realität, und ich fühle mich nach Ihren Ausführungen hier ganz leidenschaftslos dazu veranlasst, zu sagen: Herr Bundesminister, Sie sollten bedenken, dass Sie in Ihren Ausführungen hier keine Immunität beanspruchen können. Was Sie über Herrn Dr. Jesionek gesagt haben, ist in einem derartigen Maß beleidigend und ehrenkränkend und in einem derartigen Maß unrichtig, dass es zweifelsfrei vor Gericht ein Nachspiel haben könnte, wenn Herr Dr. Jesionek Wert darauf legt, mit Ihnen in diesem Forum die Klingen zu kreuzen.

Sie haben sich die Taktik zurechtgelegt, einen Bösewicht zu erfinden, nämlich den, der tatsächlich den internationalen Ruf der österreichischen Jugendgerichtsbarkeit begrün­det hat, und Sie legen da, so als wäre das selbstverständlich, jede Woche noch ein Schäuferl nach. Beim nächsten Mal ist es also vermutlich Herr Dr. Jesionek, der jugendliche Strafgefangene eigenhändig gefoltert und gequält hat. Diese Darstellung des Sachverhaltes der Auflösung des Jugendgerichtshofs Wien, Herr Bundesminister, ist eine skandalöse Verdrehung der Wahrheit, die einfach nur in aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden kann! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Dr. Aspöck: Das ist eine bewusste Missinterpretation der Äußerungen des Ministers!)

Es gibt Auswirkungen dieses Schrittes für die jugendlichen Strafgefangenen, und ich weiß nicht, worin die Vermischung kritikwürdig sein soll. Es hat beim Jugendgerichtshof Wien ein unzureichendes Gefangenenhaus gegeben. Es gibt jetzt eine absolut unzurei­chende und auf die Besonderheit der Jugendlichen, auf ihre schwache Position in der Gefängnishierarchie nicht Rücksicht nehmende Haft im Verband des Landesgerichts, wo es bereits zu Vorfällen gekommen ist, die auch die Öffentlichkeit erreicht haben, die alarmierend sein müssten, aber es offenbar für den Herrn Bundesminister nicht sind.

Ich sage Ihnen in aller Ruhe: Jene merkwürdige Art von Gerechtigkeitsgefühl, die Sie hier zum Ausdruck gebracht haben und die uns in anderen Bereichen seitens dieser Bundesregierung immer wieder begegnet, verdient es einmal, analysiert zu werden. Wie verläuft denn gesellschaftliche Entwicklung? – Gesellschaftliche Entwicklung, ganz egal, ob es um den Tierschutz, die Justiz oder das Arbeitsrecht geht, verläuft in aller Regel so, dass es dort, wo günstige Rahmenbedingungen zusammentreffen, möglich ist, einen Schritt nach vorne zu setzen. Und dieser Schritt nach vorne ist eine Aufforde­rung an alle anderen, ihn nachzuvollziehen. Es ist eine Binsenweisheit, dass es in Ballungsräumen, in denen geradezu in jedem Bereich die Zahl der Fälle größer ist, ein­facher ist, spezifische Maßnahmen zu treffen. Ein Jugendgerichtshof beim Bezirks­gerichtssprengel Ravelsbach – falls der noch nicht aufgelöst ist, er fällt mir nur so spontan ein (Bundesrat Dr. Böhm: Gibt es nicht mehr!) – gibt es nimmer, na gut, beim Nachfolgegericht wird es auch nicht anders sein – lastet naturgemäß nicht einmal den Bruchteil eines Jugendrichters aus. Im Raum Wien ist – man kann auch sagen: be­dauerlicherweise – ein derartiger Jugendgerichtshof mit zahlreichen Richtern sehr wohl ausgelastet gewesen. Die Frage ist, ob es wirklich der richtige Weg ist, gut funktionie­rende Lösungen, die nicht einfach übertragbar sind, deshalb weil sie nicht übertragbar sind, einfach aufzuheben. Und genau das passiert ja nun.


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Wir haben – und ich halte das unter den gegebenen Umständen noch für die relativ ak­zeptabelste Lösung, außer für den Betroffenen möglicherweise – einen Jugendrichter, der sich sozusagen in einen Wanderrichter verwandelt und in einem relativ großen Bereich seine Sachkompetenz, die er sich erworben hat – es geht ja um eine konkrete Person –, als Jugendrichter beim jeweiligen Bezirksgericht mit einer unterschiedlich starken Inanspruchnahme weitergibt oder ausübt. Das ist immer noch die bessere Lösung vom Standpunkt des Jugendlichen und des Jugendgerichtsverfahrens, als jeweils Bruchteile eines Richters zum Jugendrichter zu erklären, dem natürlich das spezifische Wissen, die spezifische Erfahrung fehlen muss. Es hat jeder Mensch auch Grenzen in seiner Kapazität der Lernfähigkeit. (Bundesrat Dr. Kühnel: Warum trauen Sie das einem Richter nicht zu? Sich neue Bereiche zu erarbeiten liegt doch im Wesen der Intellektualität!)

Das Wesen, Herr Kollege, ist das der Spezialisierung. Wir haben hier, so wie auch in vielen anderen intellektuellen Bereichen – das gilt ja auch für die ganze Gesundheits­diskussion, die wir führen – das Problem, dass eben die Ausübung der Jugendgerichts­barkeit nicht etwas ist, das man zwei Mal im Jahr mit der vollen Virtuosität „aus dem Ladel“ herausholt, sondern dass das jener wirkungsvoller tut, der mit dieser Tätigkeit vertraut ist. Genauso wissen wir etwa, dass in kritischen und akuten Fällen kleine Spitäler manchmal überfordert sind, weil der im Moment zu behandelnde Fall dort nur alle heiligen Zeiten einmal auftritt, während er in Mittelpunkt- und Universitätsspitälern häufig behandelt wird und daher mehr Erfahrung vorliegt. Herr Kollege! Das hat nichts mit dem intellektuellen Interesse der Betroffenen zu tun, das ist einfach eine unum­stößliche Lebenserfahrung. (Bundesrat Dr. Aspöck: Daraus folgt dann aber die Ab­schaffung der Bezirksgerichte, weil an ihnen keine Spezialisierung erfolgen kann!)

Unsere Justizpolitik hat tatsächlich immer beinhaltet, dass Spezialgerichte, wenn sie einrichtbar sind, einen höheren Standard der Rechtspflege erreichen können, was auch die internationale Erfahrung und eben auch die internationale Anerkennung der österreichischen Jugendgerichtsbarkeit zeigt.

Die Universalgenies gibt es, aber sie sind selten. (Bundesrat Dr. Aspöck: Bei der Zu­sammenfassung der Gerichte hat Ihnen der Herr Minister erklärt, wie dies zur Speziali­sierung führt!) – Herr Kollege! Sie können sich gerne zu Wort melden. Ich bin auch bereit, auf Zwischenrufe einzugehen, aber meine Bereitschaft, zu warten, bis Ihre Zwi­schenrede abgeschlossen ist, ist limitiert. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das ist keine Rede!)

Die Spezialgerichte haben einen hohen Standard. Auch das Handelsgericht hat einen bekannt hohen Standard und eine immer noch hohe Kapazität, obwohl es nun auch einen schlechten Standort hat. Ich glaube, wir sollten uns sehr gründlich darüber unter­halten, ob hier unter der Behauptung, Privilegien abzuschaffen, nicht Ansätze, bei denen vielleicht erst nach intensivem Nachdenken eine Verallgemeinerung erreicht werden kann, zerstört werden.

Für den Raum Linz ist diese Jugendgerichtsbarkeitsregelung mit Sicherheit ein dra­matischer Rückschritt. Es ist außerordentlich dürftig, was Ihnen in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage dazu eingefallen ist. Natürlich ist ein nicht mehr in der Mittelpunktstadt Linz gelegenes Bezirksgericht nicht geeignet, als Jugendgericht für einen größeren Raum zu fungieren. Das ist sogar jenen, die das verfasst haben, aufgefallen. Daher heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage, die Schaffung einer Sonderzuständigkeit des Bezirksgerichtes Linz – was für die ge­nannten Angelegenheiten logisch gewesen wäre! – liege nicht im Interesse der Par­teien und sonstigen Verfahrensbeteiligten. – Das ist eine kühne Behauptung, denn ge­nau dieser Schritt hätte eine Lösung sein können.


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Linz ist aus dem gesamten Raum günstig erreichbar. Man hätte bei einem um die Jugendgerichtsangelegenheiten aufgewerteten Bezirksgericht Linz sehr wohl auch die Pflegschaftssachen unterbringen, damit eine entsprechende Auslastung – so wie bis­her beim Bezirksgericht Linz-Land – sicherstellen und gleichzeitig erreichen können, dass das – da Linz ein Zentralpunkt ist – ohne Belastung der Bevölkerung und der Betroffenen anwendbar gewesen wäre.

Herr Bundesminister! Sie haben einmal mehr nicht auf Argumente gehört. Sie sind ein­mal mehr drübergefahren, und ich verstehe, warum die Menschen, die als Richter und Staatsanwälte Dienst tun, von einem Notstand der Justiz sprechen. Er ist moralisch zumindest genauso groß wie materiell. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

13.03

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

 


13.03

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich kann zum Thema Jugendgerichtshof nur noch ergänzen, dass die Verlegung tatsächlich darin begründet war, dass der Überbelag der Zellen im Jugendgerichtshofgebäude einfach nicht mehr erträglich war. Frau Abgeordnete Dr. Hlavac hat heute – ich habe das so in Erinnerung und bin sehr sicher, dass es so war, wenn nicht, dann korrigieren Sie mich sofort! – zum Ausdruck gebracht, dass die Jugendlichen in der neuen Umgebung mit Erwachsenen die Zellen teilen müssen. (Bundesrätin Dr. Hlavac: Nein!) – Lesen Sie es nach! Ich glaube, es war so zu verstehen. Sie haben gesagt, dass ein Jugendlicher von einem Erwachse­nen vergewaltigt wurde. (Bundesrätin Dr. Hlavac: Nein! Das habe ich nicht gesagt!) Das kann nur in einer Zelle sein, wo sich beide befinden, nicht? (Bundesrätin Dr. Hlavac: Ich habe einen Fall angesprochen, aber ich habe nicht gesagt, dass Jugendliche und Erwachsene gemeinsam untergebracht werden!) Wie war das mit der Vergewaltigung gemeint? – Ist ja egal. Ich stelle es unabhängig davon klar. Die Sache ist einfach zu wichtig, um dem einen oder anderen zu beweisen, dass er in einem Teil­bereich Recht oder Unrecht hat.

Frau Bundesrätin! Tatsache ist, dass damals Folgendes passiert ist. Hören Sie es sich bitte an, soweit man es erzählen kann! Es ist in der Nacht ein jugendlicher Rumäne eingeliefert worden. Man hat ihn bei zwei anderen jugendlichen Rumänen in einer Zelle untergebracht, auch aus menschlichen Gründen, damit er die Nacht besser über­steht. – Es ist ja ganz normal, dass eine Inhaftierung gerade bei jungen Menschen mit einem Schock verbunden ist. Die Haft war aber unvermeidlich, da es sich um eine richterliche Entscheidung gehandelt hat, ihn in U-Haft zu nehmen. Dort ist das passiert, was dann auch an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Es ist bedauerlich und war für uns Veranlassung, wieder und wieder alles zu bedenken, was notwendig ist, um Derartiges in Zukunft bestmöglich zu vermeiden.

Wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass er die U-Haft gemeinsam mit einem Erwachsenen verbüßt hat, so ist das – ich sage es ausdrücklich! – unrichtig.

Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker! Was die Erreichbarkeit des neuen Bezirksgerichtes Traun anbelangt: Die Bevölkerung sieht es anders. Man musste bisher durch die ganze Stadt Linz fahren und hat jetzt dieses neue Gericht in Traun mit Jubel begrüßt. Wenn man ein Ranking nach Größe erstellen will, so ist Traun die größte Stadt, die bisher kein Gericht hatte. Deshalb war die Bevölkerung sehr zufrieden, und sie ist es auch heute noch.


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Was die Andeutung anbelangt, dass Richter über Jugendliche urteilen könnten, die hie­für nicht ausgebildet sind, muss ich sagen, so stimmt das nicht. (Bundesrat Konecny: Ich habe nicht von Ausbildung gesprochen, sondern von Praxis! Von der von den Rich­tern ausgeübten Praxis!) Es ist im Jugendgerichtshofgesetz geregelt, dass diese Rich­ter eine besondere Ausbildung und Erfahrung haben müssen, und das wird in der Praxis auch durchgehend in ganz Österreich durchgehalten.

Es ist auch sinnvoll, dass man in Pflegschaftssachen den Familienrichter entscheiden lässt und in Strafsachen den Jugendrichter – auch wenn es um denselben Jugend­lichen geht. Herr Professor Konecny! Wenn Sie diese Trennung kritisieren, so nehmen wir das zur Kenntnis nehmen. Es hat sich aber in der Praxis bewährt, dass Richter in ihren Spezialgebieten tätig bleiben, wenn bei Jugendlichen Pflegschaftssachen zu be­wältigen sind. Sie fordern den Spezialrichter in gewissen Bereichen zu Recht, nämlich in Pflegschaftssachen da und in Jugendstrafsachen dort.

Noch einmal zur österreichischen Jugendgerichtsbarkeit: Sie ist weltweit anerkannt (Bundesrat Konecny: Noch!), aber unsere Anerkennung und unser Dank müssen all diesen Richtern gelten, nicht nur einem. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bun­desräten der ÖVP.)

13.07

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Kneiflel. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.07

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin froh, dass ich erst relativ spät zu diesen Gesetzen, die heute zur Debatte stehen, zu Wort komme, weil da wirklich noch einige sachliche Aufklärungen erfolgen müssen.

Herr Professor Konecny! Ich stimme mit Ihnen darin überein, dass Spezialisierung die Qualität erhöht. Das ist richtig – ein Grundsatz aus der Wirtschaft, der auch für die Ge­richtsbarkeit gilt. Im Fall der Verlegung von Linz nach Linz-Land ist das aber gegeben! Es ist das einvernehmlich mit dem Ministerium geregelt worden, und zwar auf Grund eines einstimmigen Beschlusses der Landesregierung, die da eingeschaltet wurde, und auf Grund einer einstimmigen Vereinbarung mit der Personalvertretung.

Ich habe vor zehn Minuten mit dem Personalvertreter Werner Gschwandtner vom Be­zirksgericht Linz-Land telefoniert und ihn gefragt, ob es da Probleme gibt. Er hat gesagt, es ist alles auf Schiene und im Einvernehmen mit den Betroffenen geregelt worden. Der Herr Bundesminister ist auf die Argumente sowohl der Personalvertretung der Richter als auch der Gerichtsangestellten – im konkreten Fall sind es 60 an der Zahl, die betroffen sind – eingegangen.

Zur Sache mit der Verlegung des Bezirksgerichtes Linz-Land: Es ist doch wohl ganz klar, dass das ein Vorteil für die Bevölkerung im Bezirk Linz-Land ist, wenn sie nicht zwölf oder 15 Kilometer von Traun bis an die Stadtgrenze Linz und durch ganz Linz durch ins Mühlviertel hinüberfahren muss! Das Bezirksgericht Linz-Land für den südlich der Donau und südlich der Landeshauptstadt gelegenen Bezirk Linz-Land war in Urfahr. Es sind insgesamt mehr als 130 000 Bewohner potentiell von diesem Gericht betroffen. Beim Bezirksgericht Linz-Land werden es konkret 100 000 Bewohner sein.

Durch die neue Bezirksgerichts-Organisationsreform wird es zukünftig im Bezirk Linz-Land nicht mehr drei, sondern zwei Bezirksgerichte geben, weil es ein großer Bezirk ist und weil das durch die beiden regionalen Zentren – da gebe ich Ihnen Recht, Frau Kollegin Lichtenecker – Enns und Traun gerechtfertigt ist. Es ist also nicht so, wie Sie


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vielleicht vermutet haben, dass dann nur mehr ein Bezirksgericht für den politischen Bezirk Linz-Land zuständig ist, sondern es wird zwei geben.

Das Bezirksgericht Linz-Land wird von Linz in die quasi einwohnergrößte Stadt Traun verlegt. Diese nach der Einwohnerzahl zwanzigstgrößte Stadt Österreichs war bisher ohne Bezirksgericht und wird jetzt mit diesem Sitz bedacht. Es waren alle Parteien einvernehmlich bei der Spatenstichfeier des Bezirksgerichtsgebäudes anwesend, die vor wenigen Monaten stattgefunden hat. Alle haben sich lobend geäußert, allen voran der sozialdemokratische Bürgermeister der Stadtgemeinde Leonding Dr. Peter Schlögl, der voll des Lobes über diese Bezirksgerichtsreform war. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Schau!)

Ich glaube also, dass diese Sache gut gelöst wurde und dass vielleicht manches falsch interpretiert wurde oder manche der heutigen Reden auf Irrtümern aufgebaut sind. Anders kann ich es mir nicht erklären. Ich komme aus diesem Bezirk und glaube, dass diese Organisationsreform eine gute ist.

Diese Reform ist meiner Meinung nach auch gut gelungen, was die Thematik der Jugendgerichtsbarkeit betrifft. Zurückkommend auf meine Behauptung, Spezialisierung erhöhe die Produktion, möchte ich festhalten, dass die oberösterreichische Landes­regierung einhellig vertreten hat, dass der Jugendrichter – es ist dort zurzeit Herr Mag. Thomas Hacker, der dieses Jugendgericht führt – bis zur Errichtung des Bezirks­gerichtsgebäudes in Traun weiterhin in Linz seinen Sitz haben wird. – Auf Drängen der oberösterreichischen Landesregierung ist das auch sichergestellt worden.

Dann ist geplant, dass der Sitz entweder weiterhin dort bleibt oder die von Ihnen an­gesprochene Variante zur Anwendung kommt. – Ich will es nicht so nennen wie Sie; er ist kein „Wanderrichter“. Es ist ja gut, wenn das Amt zum Bürger kommt, wenn er aus Linz hinausfährt. – Das wollen wir ja alle haben, und das ist auch im Sinne der Bürger. Insofern halte ich das für eine gute Lösung. (Bundesrat Konecny: ... die relativ beste Lösung!)

Der Grundsatz, Spezialisierung erhöht die Produktion, ist ja nicht standtortbezogen zu verstehen, sondern personenbezogen. Der Richter behandelt die Fälle, und dies kann er meiner Meinung nach sehr gut als spezialisierte Person am Standort Linz und an zwei Tagen in der Woche im Bezirk Linz-Land tun. (Bundesrat Konecny: Wenn es ihn gibt!) Dafür hat Bundesminister Böhmdorfer gesorgt, und ich danke ihm dafür, dass er auf alle Anregungen der Personalvertretung, der betroffenen Gemeinden und der Lan­desregierung eingegangen ist. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Ich halte auch diese Zweiteilung der Bezirksgerichtssprengel mit Enns im Osten des Bezirkes – zukünftig auch mit mehreren Gemeinden, nämlich der Stadt Enns, Asten, Hargelsberg, Kronstorf, St. Florian, Niederneukirchen und Hofkirchen – für sinnvoll, weil das eine eigene Region ist. Für die restlichen der insgesamt 22 Gemeinden des Bezirkes Linz-Land ist künftig Traun zuständig. Das ist, so meine ich, eine gelungene Reform.

Herr Bundesminister! Ich würde Sie in diesem Zusammenhang noch bezüglich eines anderen Themas um Ihre authentische Interpretation ersuchen. Es hat in den vergan­genen Tagen eine Diskussion über die Vorschreibung von Gerichtsgebühren im Hin­blick auf Wohnraumschaffung, auf Eigentumswohnungen, besonders in Salzburg, Tirol und so weiter gegeben. Diese Vorschreibungen sind erfolgt. Auslöser war ein Erkennt­nis des Verwaltungsgerichtshofes, in dem klargestellt wurde, dass eine Gebührenbe­freiung nur für die Schaffung von Wohnraum zusteht.

Es hat in diesem Zusammenhang eine interessante Diskussion gegeben, und ich glaube, es wäre sinnvoll, darzustellen, wie Ihr Ministerium diese Angelegenheit in Zu-


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kunft betrachtet und wie Sie persönlich auf die Gestaltung der Gebührenvorschreibung für alte Wohnbauförderungsfälle Einfluss nehmen. Für eine solche Klarstellung wäre ich Ihnen sehr dankbar. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

13.15

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte.

 


13.15

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Diese Vorschreibungen sind von den Kostenbeamten auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes heraus­gegeben worden. Wir haben sie mittlerweile zurückgenommen, die betroffenen Bürger sind nicht mehr davon belastet.

Ich habe heute Vormittag einen Brief an die Landeshauptleute unterschrieben, in dem ich sie zu Gesprächen einlade und sie bitte, mir mitzuteilen, ob sie diese Gespräche selbst führen oder Referenten beziehungsweise Vertreter schicken wollen. Sobald der Kreis der Einzuladenden klargestellt ist, wird das Gespräch im Justizministerium statt­finden.

Ziel der Gespräche wird es sein, eine einvernehmliche Regelung zu finden, denn der Justizminister muss ja auch sein Budget in Ordnung halten. Nach der Rechtslage stehen uns diese Beträge zu. Ich hoffe, dass die Landeshauptleute auch ein gewisses Einsehen für unsere Situation haben, aber die Bürger dürfen nicht darunter leiden. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.16

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von den Berichterstattern ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Jurisdiktionsnorm, die Zivilprozessordnung und die Reisegebührenvorschrift 1955 geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen sodann zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher sowie das Bundesgesetz über die Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren (Gerichts­gebührengesetz) geändert werden.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit. Der An­trag ist angenommen.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Bundesgesetz über die Verlegung des Bezirksgerichtes Linz-Land nach Traun und die Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1988.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Novem­ber 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über Sicherheiten auf den Finanzmärkten (Finanzsicherheiten-Gesetz) erlassen wird und das Bundesge­setz über das internationale Privatrecht geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

Wir kommen schließlich zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Handelsgesetzbuch zur Umsetzung der Fair Value-Richtlinie geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, keinen Ein­spruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist angenommen.

13. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend das Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe (208 d.B. und 262 d.B. sowie 6903/BR d.B.)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Wir gelangen nun zum 13. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Giefing. Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Giefing: Herr Präsident! Herr Bundesminister! Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. Novem­ber 2003 betreffend das Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschen­rechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe.

Dieser Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Danke. – Wir gehen in die Debatte ein.

Erster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Liechtenstein. Ich erteile ihm das Wort.

 


13.20

Bundesrat Dr. Vincenz Liechtenstein (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Es geht um das Protokoll Nr. 13 zur Kon­vention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Ab­schaffung der Todesstrafe. Das vorliegende Zusatzprotokoll hat zum Ziel, auf Ebene des Europarates die Todesstrafe vollständig abzuschaffen. Im Bereich der EU befindet sich kein Land, in dem es die Todesstrafe gibt.

Die Todesstrafe ist in der politischen Diskussion in Österreich Gott sei Dank kein Thema. Die EU-Länder sind frei davon. Im Europarat gibt es noch einige Länder, die das betrifft, und deswegen ist dies auch notwendig. Europa ist weitgehend aber prak­tisch der Kontinent, auf dem es keine Todesstrafe mehr gibt. (Bundesrätin Schicker:


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Dem „Arnie“ sollte man das auch sagen! – Bundesrat Mag. Gudenus: Das unterliegt nicht unserer Gesetzgebung!) – Ja, aber darauf haben wir keinen Einfluss.

Die ÖVP tritt für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe ein. Man denke nur an die vielen Hinrichtungen in China, in Japan, natürlich auch in den USA! In den USA ist aber die Situation wenigstens so, dass es vorher ein ordentliches Gerichtsverfahren gibt und eine Begnadigung möglich ist. Aber man muss auch sagen, es gibt Fehlurteile, es hat in den letzten 20 Jahren 107 Justizirrtümer gegeben. Also es ist ganz klar, dass die Todesstrafe abzuschaffen ist. Man muss die Todesstrafe auch im Bereich des Kriegsrechtes, für den Kriegsfall ablehnen. In Österreich ist die Todesstrafe für den Kriegsfall unter der Regierung Klaus im Jahr 1968 abgeschafft worden.

Wir von der ÖVP können die Todesstrafe niemals in Einklang mit unserem Weltbild und unserer christlichen Einstellung bringen. Für uns gilt das Lebensrecht für alle Men­schen ab der Zeugung bis zum natürlichen Tod. Wir hoffen, dass alle Länder des Euro­parates, aber auch die übrige Welt die Todesstrafe endlich aufgibt. – Ich danke. (Beifall bei der ÖVP, den Freiheitlichen und den Grünen.)

13.22

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac. Ich erteile ihr das Wort.

 


13.23

Bundesrätin Dr. Elisabeth Hlavac (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich kann dem Herrn Dr. Liechtenstein zustimmen, dass es in Österreich im politischen System, in der politischen Debatte eine Übereinstimmung dahin gehend gibt, dass die Todesstrafe zu ächten ist und dass es unter gar keinen Umständen gerechtfertigt ist, dass der Staat Menschen tötet.

Das war nicht immer so. Ich habe vor längerer Zeit die Protokolle über die Debatten gelesen, die im Nationalrat und im Bundesrat abgeführt worden sind, als damals im ordentlichen Verfahren die Todesstrafe abgeschafft worden ist. Da gab es noch sehr viele Bedenken dagegen. Ich bin froh, dass das heute nicht mehr so ist.

Ich glaube, dass es auch sehr wichtig ist, dass wir uns hier einig sind über diese Frage, denn es gibt immer wieder schreckliche Verbrechen, angesichts derer in Teilen der Bevölkerung die Frage gestellt wird, ob es nicht doch gerechtfertigt wäre, einen solchen Menschen zu töten. Daher ist es wichtig, dass wir als die politischen Vertreter uns darüber einig sind, dass das ultimative Prinzip „Du sollst nicht töten!“ auch für den Staat gilt und dass die Todesstrafe zur Verrohung der Gesellschaft als Ganzes führt. Ich glaube daher, dass es sehr wichtig ist, dass wir uns hier einig sind.

Sie haben auch die Fehlurteile angesprochen, die gerade auch in den USA bekannt geworden sind. Heute gibt es ja die Möglichkeit der DNA-Analyse, mit der man – lei­der – sehr oft festgestellt hat, dass es zu Fehlurteilen gekommen ist. Und das ist wirk­lich eine ganz entsetzliche Situation, wenn man bedenkt, dass Menschen unschuldig vom Staat zu Tode gebracht worden sind.

Daher ist es selbstverständlich, dass wir froh sind über dieses Protokoll, froh sind dar­über, dass in Europa die Todesstrafe – ich hoffe, für immer – geächtet werden wird. (Beifall bei der SPÖ, den Freiheitlichen und den Grünen sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.25

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich freue mich feststellen zu können, dass der Präsi­dent des Tiroler Landtages unseren Beratungen folgt.

 


Nächster Redner ist Herr Bundesrat Christoph Hagen. Ich erteile ihm das Wort.


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13.25

Bundesrat Christoph Hagen (Freiheitliche, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Auch ich stelle hier fest, dass die Todes­strafe klar abzulehnen ist. Auch ich als christlicher Mensch, als katholischer Mensch habe mir meine Gedanken darüber gemacht. Im Koran, aber auch in anderen Welt­religionen wird das Töten anderer Menschen untersagt. Nur Radikalismus erlaubt das in gewissen anderen Religionen, was klar abzulehnen ist.

Ich möchte aber trotzdem dieses Thema auch dazu nutzen, etwas über die Bestrafung von Straftätern nachzudenken. Die Todesstrafe wurde sicher als letztes Mittel einge­führt. Wie gesagt, sie ist klar abzulehnen. Aber was geschieht mit einem Straftäter, der zum Beispiel einen Menschen vorsätzlich ermordet, grausam und bestialisch ermor­det? Wenn nach der Rechtsordnung in gewissen Ländern, auch in Österreich, Straf­täter, die in Staaten wie Amerika zum Tod verurteilt würden, nach 15 Jahren teilweise die Strafanstalt wieder verlassen dürfen und wieder auf die Bevölkerung losgelassen werden, dann ist das meiner Ansicht nach klar abzulehnen.

Es sollte einmal darüber nachgedacht werden, was eigentlich damals Sinn der Einfüh­rung der Todesstrafe war, ob damit ein gewisses Schreckgespenst erzeugt werden sollte, um die Leute von Straftaten abzuhalten. Es kann nicht sein, dass in einer Straf­anstalt ein Gewalttäter, der in Amerika oder in anderen Staaten zum Tod verurteilt würde, Fünf-Gänge-Menüs serviert bekommt. Ich will es jetzt nicht übertreiben, aber es gibt Strafanstalten, in denen fünf verschiedene Menüs gereicht werden – nicht in ge­richtlichen Strafanstalten, muss ich dazusagen –, die Inhaftierten wirklich verhätschelt werden. Da muss man sich fragen, was man so einem Straftäter, um diesen abzu­schrecken, eigentlich präsentieren kann. Ich muss ganz klar sagen, dass ich gegen den humanen Strafvollzug bin, und denke, wenn jemand etwas Furchtbares getan hat, dann soll er auch dafür büßen, und das mit allen Mitteln. Das sollte man vielleicht für die Zukunft einmal überdenken, um gewisse Maßnahmen in Gefängnissen etwas zu verschärfen. (Präsident Ager übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich denke, in einer zivilisierten Welt – und Europa ist eine zivilisierte Welt, Amerika sollte es auch sein – ist die Todesstrafe klar abzulehnen. In Amerika, das sich immer als Vorzeigestaat oder -gemeinschaft präsentieren will, sollte auch einmal ernsthaft darüber nachgedacht werden, die Todesstrafe abzuschaffen. Europa gibt mit dieser Empfehlung die Linie vor. Das soll auch eine Aufforderung an die ganze Welt sein, die Todesstrafe klar abzulehnen und diesbezüglich ein Umdenken zu bewirken. Man denke nur an die Justizirrtümer, die hier schon angesprochen worden sind: Man kann einen getöteten Menschen nicht mehr ins Leben zurückholen, auch wenn er unschuldig war! Das muss man diesen Staaten, die sich in anderen Bereichen immer als Vor­zeigestaaten präsentieren, einmal klar vor Augen führen.

Ich möchte auch hinweisen auf die Lager in Guantanamo, die Amerika unter men­schenunwürdigen Umständen betreibt. Ich bezeichne diese Menschen dort als lebende Tote, denn die haben keine Rechte, die haben nichts außer dem nackten Leben, und wenn es ihnen möglich wäre, würden sie, glaube ich, das in vielen Fällen wegschmei­ßen, weil sie sich sagen, unter solchen Umständen ist ein Leben unwürdig. Die wissen überhaupt nicht, was mit ihnen geschieht. Es ist nicht nur psychischer Terror, sondern körperlicher Terror. Egal, was diese Menschen getan haben, aber das geht zu weit.

In der Türkei, vielleicht ein zukünftiger EU-Beitrittsstaat, ist die Todesstrafe noch auf­recht, nur wird sie nicht vollzogen, was für mich schon ein großer Schritt ist, wenn ich an frühere Zeiten in der Türkei denke. Da hat sich die Türkei sehr stark nach vorne be­wegt, das finde ich sehr positiv und sollte man auch positiv erwähnen. Es stellt sich mir allerdings die Frage: Was ist, wenn es in der Türkei zu einem Regierungswechsel kommt und wieder eine radikalere Regierung ans Ruder kommt?


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Da komme ich schon zur Dritten Welt. In der Dritten Welt werden Frauen, die angeblich fremdgegangen sind oder vergewaltigt wurden und ein Kind bekommen, in Staaten mit radikal-muslimischer Regierung gesteinigt. Ich meine, angesichts dessen müssen wir in den Weststaaten, in den zivilisierten Staaten einmal darüber nachdenken, ob es nicht notwendig wäre, Maßnahmen zu setzen, um solche Dinge zu unterbinden. Im­merhin bekommen diese Staaten horrende Summen an Entwicklungshilfen. Ich glaube, dass es schon eine Möglichkeit gäbe, mit diesen Entwicklungshilfen eine gewisse Steuerung zu bewirken, um diese Staaten darauf aufmerksam zu machen, dass wir das nicht goutieren und dass Europa oder speziell Österreich solche Maßnahmen klar ablehnt.

Alles in allem möchte ich Sie hier zum Denken anregen, und ich glaube, dass es gut ist, dass hier immer wieder Zeichen gesetzt werden, dass die Todesstrafe ganz klar abgelehnt wird. Sie ist unmenschlich, sie ist nicht menschenwürdig und steht einer zivilisierten Welt diametral entgegen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

13.32

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stefan Schennach. Ich erteile ihm dieses.

 


13.32

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Heute feiern wir einen symbolischen Akt mitten in Europa, den wir jetzt auch vollziehen. Aber, Herr Hagen, bei mir ist wäh­rend ein paar Minuten Ihrer Rede eine innere Sprachlosigkeit eingetreten. Wenn wir die Todesstrafe als eine Wurzel des archaischen Rechtsverständnisses „Aug’ um Aug’, Zahn um Zahn“ verstehen, so meine ich, dass Ihre Gedanken zur Funktion und zum Wesen des Strafvollzuges nicht wahnsinnig weit davon entfernt sind. Ich möchte Ihnen nur sagen, natürlich geht es bei einer Haftstrafe auch um Strafe. Das impliziert das Wort. Aber es geht nicht darum, dass man wegsperrt, demütigt, sondern es geht dar­um, dass die Gesellschaft versucht, Menschen, die abseits des Rechtes und des ge­sellschaftlichen Konsenses gehandelt haben, auch eine Chance auf Integration, Re­integration zu geben, eine Chance auf Wiedergutmachung an den Opfern und sie vor allem zu befähigen, in die Gesellschaft wieder zurückzukehren. Dazu ist zum Beispiel die berufsbegleitende Ausbildung in Gefängnissen notwendig. Deshalb haben mich Ihre Worte schon sehr nachdenklich gemacht, die Sie heute über den Strafvollzug ge­sagt haben.

Die Todesstrafe ist in Österreich 1968 abgeschafft worden, in der Bundesrepublik Deutschland 1949, in der Schweiz 1942. Sie ist heute, so kann man sagen, europäisch geächtet, aber sie ist nicht weltweit geächtet.

Nehmen wir den Monat November 2003 her: Am 24.11. wurde innerhalb von fünf Stun­den in Washington ein Todesurteil verhängt. Am 21.11. wurden vor einer Kulisse von 3 000 Zuschauern zehn Menschen in Vietnam öffentlich hingerichtet. Am 20. Novem­ber wurde ein Finanzbeamter wegen Geschenkannahme in China hingerichtet. Am 20.11. wurde in Texas ein Mörder hingerichtet. Am 19.11. wurden eine Frau und vier Männer in Ho-Chi-minh-Stadt in Vietnam hingerichtet. Am 14.11. wurde in North Carolina ein Mann hingerichtet. Am 8.11. wurde in Neu-Delhi ein Mann hingerichtet. – Das ist die Bilanz eines Monats.

Schauen wir uns weiter ein bisschen in der Statistik um: 1998 wurden 1 625 Menschen in 37 Ländern hingerichtet, 2002 waren es 1 526 in 31 Ländern.

Es fällt immer wieder auf, dass es neben Staaten wie Vietnam, Korea zwei Länder gibt, um deren Auseinandersetzung es uns besonders geht: China und USA. Beide sind


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führende Nationen. Mit Stand 2003 sind 3 700 Gefangene in Amerika zum Tode ver­urteilt. Kollege Hagen hat das angesprochen: Was kostet so ein Strafvollzug? Es gibt auch dazu Untersuchungen. In Amerika betragen die Kosten für eine Hinrichtung so viel wie die Haftkosten eines Gefangenen für 40 Jahre – das sind ungefähr 23 Mil­lionen.

Meine Damen und Herren! Das macht uns zu schaffen und nachdenklich, was da mit Amerika los ist. Und vor allem in einer Frage müssen wir ein ganz besonderes Be­dauern ausdrücken: Die USA haben die Kinderrechtskonvention bis zum heutigen Tage nicht unterzeichnet. Wissen Sie, warum? – Weil es den Vereinigten Staaten die Möglichkeit nehmen würde, Todesurteile an Minderjährigen zu vollziehen. Deswegen ist Amerika neben Somalia nicht bereit, diese Konvention zu unterzeichnen. Es gibt nur zwei Länder auf der Welt, die die Kinderrechtskonvention nicht unterzeichnet haben, um sich die Möglichkeit offen zu halten, die Todesstrafe auch an Minderjährigen zu vollziehen.

Kollege Liechtenstein hat gesagt, es gab 107 Justizirrtümer alleine in den Vereinigten Staaten. Die Frage ist, ob das alles ist. Ich möchte Ihnen dazu nur einen Satz von Albert Camus, einem viel zu jung verstorbenen Dichter, vorlesen, der meint: „Die Todesstrafe ist der vorsätzlichste Mord, mit dem kein geplantes Verbrechen verglichen werden kann. Um einen Vergleich zu ziehen: Die Todesstrafe müsste einen Verbrecher bestrafen, der sein Opfer vorher genau über den Zeitpunkt seines Todes informieren würde und es von diesem Zeitpunkt an auf Gnade und Ungnade ausgeliefert wäre. Im gewöhnlichen Leben aber findet man eine solche Bestie nicht.“

Meine Damen und Herren! Damit geht ein Signal aus, das wir heute hier setzen, auch von Österreich, auch von der übrigen Europäischen Gemeinschaft.

Herr Kollege Liechtenstein hat mich herausgefordert, noch einen kleinen dialogischen Exkurs mit ihm aufzunehmen. Sie haben völlig Recht: Wenn man die Religionen ver­gleicht, dann steht das Christentum der Frage der Todesstrafe tatsächlich am ent­ferntesten. Die lutherische Kirche zum Beispiel sagt, das Gebot „Du sollst nicht töten!“ bedeutet, dass das nicht nur für Einzelpersonen gilt, sondern auch für Gemeinschaften, und daher verhindert es dieses eine Gebot, dass der Staat die Todesstrafe vollziehen kann.

Die katholisch-christliche Lehre sagt auch: Wenn man die Todesstrafe anwendet, würde man den Weg der christlichen Lehre verlassen, denn gerade die christliche Lehre besagt, dass jeder, der eine Sünde begangen hat, die Chance und auch die Möglichkeit haben muss, echte Reue zu zeigen und auch einen Neubeginn zu starten. Würden wir davon abgehen, dann würden wir hier ganz entgegen diesem christlichen Grundwert handeln.

Der deutsche Bischof Kruse meinte einmal: Wenn wir als Christen nicht daran glauben, dass sich jeder Mensch ändern kann, dann leugnen wir die Kraft des Evangeliums. – Insofern, muss man sagen, ist die Todesstrafe vom christlichen und vom abendländi­schen Denken am weitesten entfernet. Und ich erinnere Sie nur an eines: Niemand anderer beruft sich ständig auf das Christentum als die amerikanische Regierung! Ich hoffe, dass auch dort einmal der Funke des Verstandes aufgehen wird. – Danke. (All­gemeiner Beifall.)

13.40

 


Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


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Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird (236 d.B. und 289 d.B. sowie 6888/BR d.B. und 6904/BR d.B.)

15. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend eine Verein­barung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (201 d.B. und 290 d.B. sowie 6905/BR d.B.)

16. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesundheitsorganisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regionalkomitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien (132 d.B. und 291 d.B. sowie 6906/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nun zu den Punkten 14 bis 16 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem abgeführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 14 bis 16 hat Herr Bundesrat Wolfinger über­nommen. Ich bitte darum.

 


Berichterstatter Franz Wolfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des National­rates vom 12. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizin­produktegesetz geändert wird:

Der Inhalt des Gesetzes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.


Bundesrat
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Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patienten­rechte (Patientencharta).

Der Inhalt des Gesetzes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Gesundheitsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 12. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltgesundheitsorganisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der dreiundfünfzigsten Tagung des Regionalkomitees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien.

Hier liegt ebenfalls der Inhalt des Berichtes in schriftlicher Form vor.

Der Gesundheitsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Giesinger. Ich erteile ihr dieses.

 


13.43

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich möchte zur Patientencharta etwas sagen. Dieses Gesetz beinhaltet gemäß Artikel 15a B-VG eine Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Land Vorarlberg zur Sicher­stellung der Patientenrechte. Mit dieser Vereinbarung sind wir als Land Vorarlberg das siebente Bundesland Österreichs, das der Patientencharta beitritt.

Was das Gesundheitswesen betrifft, so ist das Land Vorarlberg in vielem Vorbild. Unser Landesrat Dr. Hans-Peter Bischof, der dafür verantwortlich ist, arbeitet mit sei­nem Team kreativ, verantwortungsvoll und zukunftsorientiert. Schon sehr früh wurde in Vorarlberg erkannt, dass das Gesundheitswesen laufend weiterentwickelt werden muss, damit es zum Wohle der Menschen noch finanzierbar ist. Dadurch wurde auch zum Beispiel die leistungsorientierte Krankenhausfinanzierung als Pilotprojekt in Vor­arlberg gestartet, das dann seit dem Jahre 1997 auf alle Bundesländer Österreichs ausgeweitet wurde.

Ebenso ist das Land Vorarlberg vorbildhaft zum Beispiel bei der Vorsorgeuntersuchung und mit dem neuen Modellprojekt „Vorarlberger Gesundheitsfonds“, das seit dem Jahre 2003, also seit heuer, in Vorarlberg gilt und unter anderem die Vernetzung zwi­schen stationärer und ambulanter Behandlung beinhaltet. Laut Schätzungen treten bei einer Nichtvernetzung zirka 20 Prozent Verlust bei den Kosten auf, da es zum Beispiel auch oft vorgekommen ist, dass dieselben Untersuchungen ambulant und dann noch­mals stationär durchgeführt wurden. Ich kann dies auch aus eigener Erfahrung bestäti­gen. Ebenso werden laut diesem Modell alle für den Gesundheitsbereich Zuständigen an einem Tisch sitzen und gemeinsam planen.

Ich muss in diesem Zusammenhang Bundesministerin Maria Rauch-Kallat, die jetzt dafür zuständig ist, ein Lob aussprechen. Sie ist da sehr offen, und dieses Modell wird nun auch auf alle anderen Bundesländer in Österreich ausgeweitet werden.

Nun zurück zur Patientencharta. Diese Vereinbarung enthält im Wesentlichen das Recht auf Würde und Achtung, Selbstbestimmung und Information, das Recht auf Be­handlung und Pflege, Vertretung von Patienteninteressen und Durchsetzung von An­sprüchen sowie die Möglichkeit einer Begleitperson bei unmündigen Minderjährigen. Ebenso ist bei stationärer Aufnahme von Kindern von bis zu zehn Jahren die Mitauf­nahme einer Begleitperson auf Wunsch möglich, beziehungsweise, wenn dies aus räumlichen Gründen nicht möglich ist, besteht ein umfassendes Besuchsrecht. Das ist sehr wichtig.


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Abschließend möchte ich erwähnen, dass es gerade in der heutigen Zeit notwendig ist, solche gegenseitigen Vereinbarungen zu treffen, auch wenn diese ja vielerorts schon praktiziert werden. Aber leider wird schon seit geraumer Zeit in unserer Gesellschaft auf der ganzen Welt auch über nicht lebenswertes Leben diskutiert. Aber Leben ist immer lebenswert – davon bin ich zutiefst überzeugt! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Schennach.)

13.47

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Giefing. Ich erteile ihm dieses.

 


13.48

Bundesrat Johann Giefing (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns Sozialdemokraten ist es sehr wichtig, dass in einem Land eine Gesundheitspolitik gemacht wird, die für alle Menschen im Land leistbar ist. Wir dürfen dem Menschen auf gar keinen Fall ver­mitteln: Weil du arm bist, musst du früher sterben.

Im Reformdialogprogramm steht unter den Ursachen für die Kostensteigerungen im all­gemeinen medizinischen Bereich als erster Punkt der Faktor alternde Gesellschaft. Die Bevölkerung wird immer älter, gesundheitliche Beeinträchtigungen vor allem am Be­wegungsapparat nehmen zu, und vor allem ältere Menschen, die auf Grund Ihrer Pen­sionsreform künftig weniger Geld zur Verfügung haben werden, laufen Gefahr, sich eine gute medizinische Betreuung nicht mehr leisten zu können. In vielen persönlichen Gesprächen hört man große Verunsicherung bei der älteren Generation, dass sie dem Staat im Hinblick auf die Altersversorgung, aber auch im Gesundheitswesen zu teuer sein könnten.

Mit diesem Gesetzesantrag sollen dem Patienten mehr Rechte gegeben werden: das Recht auf Aufklärung über den Gesundheitszustand, über Zweck und Art der Behand­lung, über Risiken und mögliche Behandlungsalternativen, das Recht auf Einholung auch einer zweiten medizinischen Beurteilung sowie das Recht auf Einsicht in die Krankengeschichte. Unser Ziel ist es auch, die Privatsphäre und Eigenständigkeit der Patienten zu stärken.

Österreich hat sich in den vergangenen Jahrzehnten unter sozialdemokratischer Füh­rung zu einem der wohlhabendsten Länder der Welt entwickelt, zu einem Land, in dem durch soziale Sicherheit dem Land Frieden und den Menschen Zukunft gegeben wurden.

Das österreichische Gesundheitssystem stellt dazu einen wichtigen Beitrag dar. Wir dürfen daher dieses gute System keinesfalls schwächen beziehungsweise überhaupt zerstören.

Die Regierungsparteien mit ihren Selbstbehalten im Gesundheitssystem wollen aus meiner Sicht nichts anderes als einen Griff nach dem Geld der Benachteiligten – die Armen haben leider ein noch höheres Gesundheitsrisiko als die Reichen. Bisher be­stand ein gesamtgesellschaftlicher Konsens, dass das Gesundheitssystem solidarisch über Beiträge und Steuern finanziert wird – und das war auch gut so. Nun wird das Kranken- und das Gesundheitssystem für Ihr böses und ideologisches Spiel zur Um­verteilung zwischen Arm und Reich missbraucht – nachzulesen ist dies im Bericht der WHO.

Die Einführung von neuen Selbstbehalten und die Privatisierung im Gesundheits­bereich werden zu negativen Auswirkungen im Gesundheitssystem führen – dies be­stätigt die WHO. Das ist auch völlig klar, weil dadurch einfach jene Personen, die krank sind, zur Kasse gebeten werden und weil Selbstbehalte insgesamt die Gesundheits-


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situation in unserem Land verschlechtern. Das ist, so meine ich, gerade in Österreich – das doch noch immer ein sehr reiches Land ist – mit Sicherheit nicht angebracht.

Es ist auch eine Tatsache, dass weder die Privatisierung noch die Einführung von Selbstbehalten eine Effizienzsteigerung im Gesundheitssystem bringen werden und dass sie eine solche auch in anderen Ländern nicht gebracht haben. Es wird sich jedoch bald herausstellen, dass die Bürger unseres Landes weniger zum Arzt gehen werden – und das wollen wir eigentlich nicht haben. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Chancen, in Österreich gesund zu bleiben, auch an die soziale Stellung und daran, wie hoch das Einkommen ist, geknüpft sind. Es ist daher sehr wichtig, dass die Ge­sundheitsvorsorge und die Belange betreffend die gesundheitliche Situation in Öster­reich die Aufgabe der öffentlichen Hand und nicht Privatsache der einzelnen Bürgerin und des einzelnen Bürgers sind.

Alle Menschen sollen in unserem Land einen fairen Zugang einerseits zu einer Basis­versorgung, andererseits aber natürlich auch zur Spitzenmedizin haben. Es kann nicht sein, dass die finanziellen Möglichkeiten darüber entscheiden, welche gesundheitlichen Vorsorgen und welche ärztlichen Besuche man sich leisten beziehungsweise nicht leisten kann.

Ein weiterer Punkt – ebenfalls notwendig und entscheidend –: Für Menschen, die in der Gesundheitspflege tätig sind, muss mehr gemacht werden. Ich meine, dass es not­wendig ist, dass HeimhelferInnen eine umfassende Ausbildung bekommen und dass sie arbeitsrechtlich und sozialrechtlich abgesichert werden.

Ganz wichtig wäre auch, dass wir in den Pflegeberufen endlich zu einem bundesweit einheitlichen Ausbildungsbild gelangen und dass die Pflegeberufe auch in den Bundes­ländern anerkannt werden.

Ich meine, im Gesundheitsbereich ist noch sehr viel zu tun. Meine Fraktion wird diesen drei Vorlagen die Zustimmung erteilen, weil damit wichtige Probleme einer Lösung zu­geführt werden. (Beifall bei der SPÖ.)

13.54

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

 


13.54

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Die Patientencharta, könnte man sagen, ist ein klassisches Thema der Länderkammer, des Bundesrates, erstens weil dieser Patientencharta eine Vereinbarung – ein so genannter Staatsvertrag nach Artikel 15a B-VG – zwischen den Ländern und dem Bund zugrunde liegt und zweitens weil – darin sind wir uns, glaube ich, auch einig – Patientenrechte und der Schutz der Patienten, ungeachtet der Gebietskörperschaften, uns allen ein wichtiges Anliegen sind.

Meine Damen und Herren! Diese Patientencharta nach Artikel 15a B-VG wollen alle Bundesländer – außer eben Salzburg und Wien –, beziehungsweise fünf Bundesländer haben diese Vereinbarung schon getroffen – das ist ja auch dem Bericht zu ent­nehmen.

Meine Damen und Herren! Warum – diese Frage muss auch in der Länderkammer be­rechtigt sein – hat Wien diese Vereinbarung noch nicht geschlossen? Warum trifft die Bundeshauptstadt Wien, das Bundesland, diese Vereinbarung mit dem Bund nicht?

In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, ist schon die Frage berechtigt: Ist Frau Stadträtin Dr. Pittermann das nicht so wichtig? Hat sie kein Vertrauen in die Wiener Krankenhäuser oder in die Gesundheitspflege? Wovor


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fürchtet sich Frau Stadträtin Dr. Pittermann oder Bürgermeister Dr. Häupl? Haben sie vielleicht Angst, dass Menschen ein Recht auf Behandlung bekommen? Wollen sie nicht, dass Patienten ein Recht auf Selbstbestimmung und Information haben, oder wollen die Wiener Verantwortlichen – in diesem Fall also Bürgermeister Häupl und Stadträtin Pittermann –, dass die Patienten keine Vertretung ihrer Rechte haben, oder fürchten sich Frau Stadträtin Dr. Pittermann und Bürgermeister Häupl vor der Durch­setzung von Schadenersatzforderungen und Ansprüchen, die in dieser Patientencharta vereinbart sind? – Meine Damen und Herren von der SPÖ! Wenn das die Motive sind, dann sollten Sie die Gesundheitsagenden der Stadt Wien anderen Politikern über­tragen. (Beifall bei Bundesräten der Freiheitlichen und Bundesräten der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Sollte es aber eine reine Dialogverweigerung gegenüber der Bundesregierung sein, dann meine ich, meine Damen und Herren von der SPÖ: Tun Sie es bitte nicht zu Lasten kranker Menschen! Die Patientencharta und somit die Rechte der kranken Menschen sollten uns allen ein uneingeschränktes Anliegen sein, und ich begrüße es daher, dass auch das Bundesland Vorarlberg diese Vereinbarung treffen will.

Ich möchte meine Ausführungen mit einem Zitat von Schopenhauer abschließen: „Ge­sundheit ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Gesundheit.“ (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

13.57

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. Ich erteile ihr dieses.

 


13.57

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident – zum dritten Mal heute –! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich möchte gleich auf die Patientencharta Bezug nehmen, der wir natürlich zustimmen und die wir begrüßen. Dennoch ist dieser Ansatz stark verbesserungsfähig und -wür­dig, nämlich in Bezug auf die Einklagbarkeit der Rechte – das sei an dieser Stelle angemerkt. Dennoch werden wir, wie gesagt, zustimmen.

Das Medizinproduktegesetz ist wichtig, um Qualität zu sichern. Sicherung von Qualität, denke ich, wird in Zukunft im Gesundheitswesen generell eine sehr zentrale Aufgabe sein.

Um die Qualität zu sichern, ist Reform notwendig, und da ich Wert auf Dialog lege, möchte ich auch heute die Gelegenheit dazu nutzen, ein Stück Anregung unsererseits zum Thema Reform, Reformdialog im Gesundheitswesen mitzugeben.

Es ist schon die Wichtigkeit der Gesundheit, sozusagen als höchstes Gut des Men­schen, betont worden: einerseits für die Lebensqualität, andererseits auch für die Ein­kommenssituation – das ist völlig klar. Andererseits ist es natürlich auch so, dass sie auch ein wichtiger Faktor in der Wirtschaft ist. Wie aus einer Studie, die seitens des Ministeriums in Auftrag gegeben und letztes Jahr publiziert wurde, hervorgeht, sind es rund 7 Prozent der Wertschöpfung, die im Gesundheitssektor erbracht werden. Ande­rerseits sind es 385 000 Menschen, die in diesem Bereich tätig sind, und insofern lässt sich sozusagen daraus auch die Wertigkeit ablesen.

Jetzt ist eine Diskussion über die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems ent­brannt – was natürlich verschiedene Gründe hat, wie eben den medizinisch-techni­schen Fortschritt und auch demographische Entwicklung; das ist schon zu sehen.

Aber letztlich muss der gesamte Bereich auch unter anderen Aspekten gesehen wer­den, zum Beispiel auch unter dem politökonomischen Aspekt. – So muss man sich etwa ansehen, was denn die Interessen und Mächtigkeiten der Interessenvertretungen


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wie der Ärztekammer, der Apothekerkammer, der Pharmaindustrie und so weiter sind. Die ÖVP, die immer für marktwirtschaftliche Instrumente und für den Ausbau des Wett­bewerbs ist, ist strikt gegen eine Änderung des Reglements im Bereich der Apotheken, was nicht einzusehen ist, weil das natürlich im Zusammenhang mit einer Zunahme der Zahl der Apotheken und Wettbewerb auch in diesem Bereich steht.

Ein wesentlicher Punkt ist, einmal generell zu fragen, welche die zwei zentralen Punkte im Gesundheitswesen sind: Einerseits muss man die Frage stellen, welches Ausmaß an Gesundheit politisch erwünscht ist, das klar zu definieren und auch dazu zu stehen, und andererseits muss man sich natürlich damit beschäftigen, wie man ein Angebot effizient zur Verfügung stellen kann. Es gibt schon mehrere Ansätze beziehungsweise Modelle auf internationaler Ebene, die sehr interessant sind und die – wie ich denke – auch in Österreich weit stärker vorangetrieben werden müssen.

In weiterer Folge muss man sich dann natürlich die ausgaben- und einnahmenseitigen Ströme ansehen. Im Zusammenhang mit den ausgabenseitigen Strömen wurde jetzt zum Beispiel von der Regierung begonnen, die Generika zu forcieren, was gescheit ist. Weiters ist es sicherlich auch wichtig, dass transparente Arztrechnungen gestellt wer­den. Die Zusammenarbeit von extra- und intramuralem Bereich ist zu verstärken. Posi­tiv wäre es auch, wenn die E-Card irgendwann wirklich eingeführt werden könnte, um zu verhindern, dass Doppel- und Dreifachuntersuchungen gemacht werden. – All das – wie auch die Finanzierung des Vorsorgesystems, die wir für sehr, sehr wichtig erach­ten – sind ausgabenseitige Dinge.

Jetzt möchte ich zu einem Punkt kommen, der in Österreich nur im Zusammenhang mit dem Thema „Selbstbehalte“ diskutiert wird, die in Österreich ohnehin ein sehr hohes Niveau haben, überhaupt in Anbetracht dessen, wie viel die Menschen ohnedies aus ihrer eigenen Tasche finanzieren und dass es ihnen sehr viel wert ist, für ihre Gesund­heit zu sorgen.

Es geht dabei natürlich auch um die Frage der Verbreiterung oder Veränderung der Beitragsgrundlage im Allgemeinen, um durch die Verbesserung der Gesundheitsvor­sorge sozusagen das Erwerbspotential leistungsfähiger zu halten. Auch durch die Er­höhung der Frauenerwerbsquote, die – wie wir wissen – in Österreich nicht wirklich glänzend ist, könnte dazu ein Beitrag geleistet werden.

Durchaus Thema im Hinblick auf die Finanzierung des Gesundheitswesens, die ja für alle Parteien – so zumindest deren Aussagen – sehr wichtig ist, könnte auch die Ein­beziehung von Vermögen und Einkommen aus Vermietung und Verpachtung für die Berechnung der Beitragsgrundlage sein.

Auch die Frage, ob zum Beispiel Leistungen aus Zusatzversicherungen nicht den Kran­kenhäusern oder Ärzten direkt zufließen, sondern in den allgemeinen Topf der Kran­kenversicherungen fließen sollten, müsste erörtert werden.

Es gibt also einige Ansätze, die wir hier gerne auch einmal klar stellen möchten.

Schließen möchte ich damit, dass in der Reformdiskussion auch darauf zu achten ist, dass die EU-Erweiterung – und das wird momentan in der Diskussion absolut vernach­lässigt – eine große Herausforderung besonders auch im Gesundheitswesen für Öster­reich und für die Regierung darstellen wird. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.04

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Giesinger. Ich er­teile ihr dieses.

 



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14.04

Bundesrätin Ilse Giesinger (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Die Rede von Bundesrat Giefing hat mich dazu veranlasst, jetzt noch einmal an das Rednerpult zu treten. Leider ist er jetzt nicht im Saal. Ich hoffe, Sie sagen es ihm dann!

Bundesrat Giefing hat behauptet, dass diese Regierung nicht auf die sozial Schwachen schaut. – Das stimmt einfach nicht, auch wenn Sie das hundertmal sagen! Wenn Sie bei meiner Rede genau zugehört hätten, dann hätten Sie feststellen können, dass gerade in dieser Patientencharta zum Beispiel auch das Recht auf Behandlung und Pflege enthalten ist, und zwar das Recht auf Behandlung und Pflege für jeden.

Zweitens wurde gerade deshalb im Gesundheitsministerium jetzt ein Konzept ent­wickelt, damit das Gesundheitssystem nach wie vor finanzierbar ist und jeder mit dabei sein kann. – Ich möchte Sie bitten, diese Konzepte durchzulesen, denn dann sehen Sie, dass dem auch so ist! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheit­lichen.)

14.05

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Dr. Waneck. – Bitte, Herr Staatssekretär.

 


14.05

Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit und Frauen Dr. Reinhart Waneck: Herr Präsident! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich darf zu­nächst auch ein paar Dinge zu den Vorrednern sagen.

Herr Abgeordneter Giefing hat offensichtlich den WHO-Bericht nicht richtig interpretiert. Da auch über diese Tagung, die im September stattgefunden hat, abgestimmt wird, darf ich einige Punkte betreffend die dort erörterten Inhalte, die auch in den WHO-Be­richt eingeflossen sind, ein bisschen zurechtrücken.

Im WHO-Bericht ist nicht die Rede davon, dass Selbstbehalte unsozial sind. Im Bericht stand lediglich, dass Selbstbehalte, um einen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung eines Gesundheitssystems liefern zu können, so hoch sein müssten, dass sie auf jeden Fall sozial unverträglich sind. – Das steht im Bericht, und das ist auch Maxime der österreichischen Bundesregierung.

Dazu möchte ich sagen: Diese Bundesregierung hat einen einzigen Selbstbehalt ein­geführt, ist aber über Nacht – und das darf man auch in der Politik! – gescheiter gewor­den und hat diesen einzigen Selbstbehalt wieder abgeschafft. Alle anderen 16 Selbst­behalte davor sind allerdings unter sozialdemokratischer Verantwortung eingeführt worden, und das hat zu einem massiven Tohuwabohu geführt, und keiner kannte sich mehr aus. Es wird daher mit ein Teil des Reformdialogs sein, gerade diese 16 Selbst­behalte auf ihre Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen.

Auf der anderen Seite darf ich an dieser Stelle sagen, dass eine geringfügige Beteili­gung wie zum Beispiel in Form einer Rezeptgebühr sehr wohl zweckmäßig ist. Übri­gens konnten wir gestern im Gesundheitsausschuss per Beschluss belegen, dass in der Medizin nicht immer alles teurer wird: Durch die gesplittete Rezeptgebühr, die eine lange Forderung dieser Regierung, aber auch meiner Partei war, wird die Rezeptge­bühr für Generika gesenkt, und zwar um 1,40 € beziehungsweise – und alte Menschen rechnen noch immer in Schilling – um 20 S pro Verschreibung. (Beifall bei den Freiheit­lichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Gerade diese Regierung konnte also zeigen, dass in der Medizin nicht immer alles teurer werden muss, sondern auch etwas billiger werden kann.


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Wie gesagt: Eine geringfügige Beteiligung erhöht gewissermaßen das Kostenbewusst­sein, wobei ich von vornherein sagen, dass immer etwa 17 bis 21 Prozent der Öster­reicher – meiner Meinung nach sind es leider viel zu viele –, die aus sozialen Gründen auf Grund ihrer Einkommenssituation oder familiären Situation nicht in der Lage sind, zum Gesundheitssystem direkt beizutragen, davon ausgenommen sind. Das heißt: Die Armen und Schwachen in Österreich sind von Zuzahlungen immer ausgenommen.

Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass jemand, der ohne mit der Wimper zu zu­cken – was ja sehr gut ist! –, in den Urlaub fliegt und hohe Gebühren für seine Sicher­heit am Flughafen Schwechat hinlegt, auch einen minimalen Beitrag zum Gesundheits­wesen leisten kann.

Es zeigt sich ja, dass Selbstbehalte, wie es sie seit einem Vierteljahrhundert bei einer Reihe von Versicherungen gibt – ich denke nur an die BVA und die Krankenversiche­rungen der Eisenbahner, der Gewerblichen Wirtschaft und der Bauern –, sehr wohl zum Entstehen eines Kostenbewusstseins geführt haben. Und es ist dies auch eine gute Überprüfungsmethode, denn wenn eine Leistung in irgendeiner Weise ausgewie­sen wird, dann denkt man auch darüber nach. – Genau dieser Tatsache hat die Regie­rung Rechnung getragen, indem es seit 1. Jänner 2003 nunmehr eine Dokumenta­tionspflicht für den Versicherten auch seitens der Gebietskrankenkassen gibt, damit jeder sieht, welcher Beitrag für die Gesundheit des Versicherten von der Versicherung geleistet wird. (Beifall des Bundesrates Weilharter.)

Die WHO sagt aber sehr wohl – und auch das ist eine Maxime, die man in Betracht ziehen kann –, dass die öffentliche Verantwortung für die Gesundheit ungeschmälert in jedem Bereich zu erhalten ist. Dennoch ist es vernünftig, sich in gewissen Bereichen, in welchen die Qualität gesichert und eine entsprechende Kontrolle möglich ist, auch privater Dienste zu bedienen, weil diese erwiesenermaßen kostengünstiger arbeiten.

Ich nenne ein einziges Beispiel aus meiner früheren Tätigkeit: Ich bin – wie Sie wissen – Radiologe. Ich war ärztlicher Direktor eines Krankenhauses. Eine Magnet­resonanztomographie-Untersuchung im Wiener AKH oder im Hanusch-Krankenhaus kostet jenseits der 1 000 € mit Wartezeiten von zwei bis drei Tagen für liegende Patenten, und man muss den Termin nehmen, den man bekommt. Wenn dafür heute eine ausgelagerte Einrichtung herangezogen wird, dann bekommt dasselbe Kranken­haus diese Untersuchung um 170 € zu dem Zeitpunkt, zu dem sie der Patient braucht, nämlich sofort. Darin liegt der Unterschied! In diesem Bereich können gewisse private Interessen genutzt werden, selbstverständlich aber unter Wahrung der Qualität und unter Beobachtung der öffentlichen Verantwortung. Und das ist das Einzige, was diese Regierung in dieser Hinsicht plant und umsetzen will!

Zur Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker möchte ich sagen: Ich bin absolut Ihrer Mei­nung, dass diese Patientencharta erstens durchaus ausbaufähig ist und zweitens nicht alles beinhaltet, was man gerne hätte.

Als ich mein Amt vor knapp vier Jahren übernommen habe, war ich – damals übrigens gemeinsam mit Frau Abgeordneter Pittermann, die jetzt Stadtrat in Wien ist – der Meinung, dass das eigentlich ein Verfassungsgesetz sein sollte. Ich vertrat die Auf­fassung, dass die Patientenrechte in Fortsetzung der Menschenrechte sehr wohl als Verfassungsgesetz verankert werden sollten. Damals haben sämtliche Verfassungs­juristen die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen und haben gesagt: Ja nicht damit beginnen!

Wir sind nun froh, dass wir etwas auf die Beine gebracht haben. Ich darf das heute hier zum sechsten Mal positiv vertreten. Inzwischen sind der Vereinbarung sieben Bundes­länder beigetreten, und wenn sich die Bundesräte, die hier die Bundesländer Salzburg und Wien vertreten, dazu entschließen könnten, ein bisschen Druck zu machen, dann


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würde ein Gesetzeswerk vorliegen, das von allen unterschrieben ist. Das wäre dann die Grundlage dafür, um in weiterer Folge – ich weiß, dass es Bereitschaft dazu gibt – zu einem Verfassungsgesetz zu kommen, was, wie ich glaube, der richtige Schritt in die richtige Richtung wäre. Vorarlberg hat diesen Schritt heute vollzogen, und ich hoffe, dass Salzburg und Wien doch einmal folgen werden!

Zum Medizinproduktegesetz darf ich ganz kurz sagen: Anscheinend handelt es sich nur um die harmlose Erfüllung von EU-Richtlinien, es sind aber auch ganz wesentliche Dinge dabei.

Bisher konnten Produkte, in welchen Blutbestandteile enthalten waren, praktisch nicht nach dem Medizinproduktegesetz und nach dem Arzneimittelgesetz kontrolliert wer­den, sondern waren davon ausgeschlossen. Wir wissen aber, dass es heute viele Pro­dukte im medizinischen Bereich gibt, die mit menschlichen Blutprodukten und ähn­lichen Zusätzen versehen sind. Als Beispiel wäre etwa die Gefäßprothese zu nennen, die man für eine bessere compliance bei der Implantation mit Humanalbumin versetzt. Diese Dinge können jetzt entsprechend strikt kontrolliert werden und unterliegen auch der entsprechenden Gewährleistung.

Desgleichen gibt es jetzt für Apparaturen, die Patienten mit nach Hause nehmen, eine Verantwortung desjenigen, der diese verordnet. Dieser hat dafür zu sorgen, dass die Geräte entsprechend gewartet werden und von den Patienten und Patientinnen in entsprechender Weise und vor allem sicher verwendet werden können. – Ich glaube, in dieser Regelung sind sehr wichtige Dinge gleichsam dazwischen versteckt.

Zuallerletzt darf ich sagen: Die WHO-Tagung ist aus wohl überlegten Gründen nach Wien verlegt worden: Wir stehen am Vorabend der EU-Erweiterung, und die WHO hatte den Wunsch geäußert, diese Sitzung in Zentraleuropa durchzuführen. Vielleicht können Sie sich daran erinnern, dass es im Jahre 1958, also knapp nach Wieder­erlangung der Freiheit Österreichs, hier auch eine Sitzung gegeben hat, und zwar als Geste für dieses erst kurz in die Neutralität entlassene Land. Im Jahre 1972 fand hier eine weitere Sitzung statt, und jetzt, nach 30 Jahren, war Wien wieder Tagungsort. Nicht ohne Stolz möchte ich dabei betonen, dass es gelungen ist, diese Tagung hierher zu holen, und zwar zur Zeit der so genannten Sanktionen unter französischer WHO-Präsidentschaft. Unter belgischem Vorsitz hat man sich dann einstimmig für Österreich entschieden. – Die Tagung war in jeder Hinsicht ein voller Erfolg, und wir konnten bei dieser Gelegenheit unser gutes Gesundheitssystem präsentieren.

Lassen Sie mich einen letzten Satz zu diesem Gesundheitssystem sagen: Wir leiden nicht unter Finanzierungsproblemen! Wir haben sicherlich eine hohe Verantwortung für die Finanzierung und für die Sicherung eines entsprechenden Standards. Wenn wir unter etwas zu leiden haben, dann sozusagen unter einer Leistungsexplosion, aber nicht unter einer Kostenexplosion. Die Maßnahmen und die gesamte Entwicklung der letzten Jahre sowohl im Spitalssektor als auch im Medikamentsektor als auch im nie­dergelassenen Bereich haben gezeigt, dass die Kostensteigerungsraten deutlich mehr als die Hälfte unter jenen der früheren Jahre liegen. Im Bereich der Medikamente haben wir 6 Prozent nicht überschritten. Im Gegenteil: Wir lagen bei 4 Prozent bei einem Europadurchschnitt von 10 Prozent. Die Krankenhauskosten sind um 3,3 Pro­zent bei europaweiten Steigerungen von 6 bis 7 Prozent gestiegen, und bei den nieder­gelassenen Ärztekosten betrug die Steigerung 2,5 Prozent.

Sie sehen also, dass hier sehr sorgfältig vorgegangen wird, dass aber die Ansprüche und die Zahl der Leistungen ausgeweitet werden. Diese müssen auch in Zukunft ge­sichert und finanziert werden, und dafür wird diese Regierung sorgen! (Beifall bei Bun­desräten der Freiheitlichen und bei der ÖVP.)

 


14.15


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 94

Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Beschlüsse des Nationalrates erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Novem­ber 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Medizinproduktegesetz geändert wird.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Dies ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Novem­ber 2003 betreffend eine Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patien­tencharta).

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist ebenfalls Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 12. Novem­ber 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Weltge­sundheitsorganisation über die Einrichtungen und Dienste und den der Organisation gewährten Rechtsstatus anlässlich der Abhaltung der 53. Tagung des Regionalkomi­tees für Europa vom 8. bis 11. September 2003 in Wien.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

17. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewer­tungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsgesetz 1970, das Normverbrauchsab­gabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumwein­steuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, die Bundesabgabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Zollrechts-Durchführungsge­setz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat, das Finanzstraf­gesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Ausfuhrerstattungsgesetz geändert werden (Abgabenänderungsgesetz 2003 – AbgÄG 2003) (238 d.B. und 296 d.B. sowie 6890/BR d.B. und 6907/BR d.B.)


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18. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücks­spielgesetz – GSpG) geändert wird (297 d.B. sowie 6908/BR d.B.)

19. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001 geändert wird (237 d.B. sowie 298 d.B. sowie 6891/BR d.B. und 6909/BR d.B.)

20. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz betreffend die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiroler Flughafen­betriebsgesellschaft mbH und von unbeweglichem Bundesvermögen (254 d.B. und 299 d.B. sowie 6910/BR d.B.)

21. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Aus­landsbezug (Devisengesetz 2004) erlassen und das Überweisungsgesetz und das Börsegesetz geändert werden (205 d.B. und 300 d.B. sowie 6911/BR d.B.)

22. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend einen Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs vom 21. März 2003 über eine Änderung des Artikels 10.2 der Satzung des Europäi­schen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank (198 d.B. und 301 d.B. sowie 6912/BR d.B.)

23. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend eine Änderung des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetall­gegenständen (200 d.B. und 302 d.B. sowie 6913/BR d.B.)

24. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förderung und den Schutz von Investitionen (178 d.B. und 304 d.B. sowie 6914/BR d.B.)

25. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Namibia über die Förderung


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und den Schutz von Investitionen samt Protokoll (244 d.B. und 305 d.B. sowie 6915/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nun zu den Punkten 17 bis 25, über welche die Debatte unter einem geführt wird.

Die Berichterstattung über die Punkte 17 bis 20 hat Herr Bundesrat Wolfinger über­nommen. – Ich bitte um die Berichterstattung.

 


Berichterstatter Franz Wolfinger: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend das Abgabenände­rungsgesetz 2003.

Der Inhalt des Gesetzes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens (Glücksspielgesetz – GSpG) geändert wird.

Der Inhalt des Gesetzes liegt in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001 geändert wird.

Der Inhalt des Gesetzes liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundesan­teilen an der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft mbH und von unbeweglichem Bun­desvermögen.

Hier liegt ebenfalls der Inhalt des Gesetzes in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates – soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt – keinen Ein­spruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Die Berichterstattung über den Punkt 21 hat Herr Bundesrat Höfinger übernommen. – Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatter Johann Höfinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich komme zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundes­gesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Aus­landsbezug (Devisengesetz 2004) erlassen und das Überweisungsgesetz und das Börsegesetz geändert werden.


Bundesrat
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Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich darf daher zum Beschluss kom­men.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsident Hans Ager: Die Berichterstattung über die Punkte 22 bis 25 hat Frau Bun­desrätin Gansterer übernommen. – Ich bitte um die Berichterstattung.

 


Berichterstatterin Michaela Gansterer: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staats­sekretär! Sehr geehrte Kollegen des Bundesrates! Ich komme zum Bericht des Finanz­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betref­fend einen Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regie­rungschefs vom 21. März 2003 über eine Änderung des Artikels 10.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend eine Änderung des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen.

Es liegt Ihnen auch dieser Bericht schriftlich vor.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des National­rates keinen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, erstens gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben; zweitens dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich komme zum Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Namibia über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, erstens gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben; zweitens dem Beschluss des Nationalrates im Sinne des Artikels 50 Absatz 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

 


Präsident Hans Ager: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein, die über die zusammengezogenen Punkte unter einem geführt wird.

 


Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Schicker. Ich erteile ihr dieses.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 98

14.25

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekre­tär! Sie werden es nicht glauben, ich spreche zum Abgabenänderungsgesetz, weil unsere Fraktion diesem nicht zustimmen wird. Das möchte ich gleich vorausschicken.

Vielen Teilen dieses Gesetzes würden wir gerne unsere Zustimmung erteilen, weil sie ja Neuerungen betreffen, die sehr zukunftsorientiert sind, wie zum Beispiel die künftige Möglichkeit, Steuererklärungen für die Einkommen- und Körperschaftsteuer durch elektronische Übermittlung abgeben zu können – keine Frage! –, wenngleich sich die derzeitige Möglichkeit noch in Grenzen hält. Ich selbst habe auch probiert, meinen Jah­resausgleich elektronisch durchzuführen, das war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mög­lich, aber das wird schon noch kommen. Ich habe gehört – im Ausschuss hat man es uns gesagt –, dass zurzeit nur ungefähr 5 Prozent der Leute davon Gebrauch machen, weil diese elektronische Übermittlung wahrscheinlich noch nicht in allen Finanzämtern installiert ist. Das ist noch Zukunft, das gebe ich zu; da würden wir sehr gerne zu­stimmen.

Auch die Änderung des Tabaksteuergesetzes ist natürlich auf Grund der EU-Erweite­rung nachvollziehbar, denn es wäre unseren Trafikanten, vor allem in den grenznahen Gebieten, nicht zuzumuten, auf Grund von günstigeren Voraussetzungen in den Bei­trittsländern enorme Umsatzeinbußen hinnehmen zu müssen; damit würde auch eine Existenzgefährdung eintreten. Auch damit wären wir voll einverstanden, wenn diese Materien in eigene Gesetze geflossen wären. Aber so ist es, wie eben des Öfteren in der letzten Zeit, der Fall, dass alles in einem Gesetz vereinnahmt wird, eben in diesem Abgabenänderungsgesetz. Da sind leider auch Sachen dabei, die wir nicht gutheißen können.

Ich komme gleich dazu: Es ist vor allem die Absicht der Bundesregierung, Unterneh­men für nicht entnommene Gewinne besser zu stellen. Sie wissen, Herr Staatssekre­tär, „besser stellen“ bedeutet für uns, wenn alle besser gestellt werden würden. Und Sie wissen ganz genau, dass diese Besserstellung nur gegenüber jenen vorgenommen wird, die es sich auch leisten können, Gewinne in den Unternehmen zu belassen.

Wir meinen, es gibt viele kleine Betriebe – gar nicht mehr Mittelbetriebe, sondern Klein­betriebe und Kleinstbetriebe –, die Jahr für Jahr ums Überleben kämpfen. Ich weiß das aus eigener Erfahrung. Diese Betriebe bauen keine Leute im Oktober, November ab, um sie im Jänner, Februar wieder aufzunehmen, sondern sie wurschteln sich mit ihren lang verdienten Mitarbeitern auch über den Winter durch. Diese haben keine Gewinne, die sie so großzügig im Betrieb belassen könnten, um wieder zu investieren, sondern sie kämpfen ums Überleben.

Deswegen geht uns diese Lösung, die hier im Abgabenänderungsgesetz vorgesehen ist, nicht weit genug, weil unserer Meinung nach nur gewisse Unternehmungen davon profitieren würden. Aus diesem Grund war es auch unser Wunsch – und dieser Wusch ist ja im Nationalrat deponiert worden –, diesen Punkt herauszulösen und extra darüber abzustimmen, weil wir, wie gesagt, mit allen anderen Punkten konform gehen könnten.

Diesem Wunsch wurde leider nicht Rechnung getragen, sodass wir heute dem Ab­gabenänderungsgesetz insgesamt unsere Zustimmung verweigern müssen – eben aus den vorhin genannten Gründen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Dr. Lichtenecker.)

14.29

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. Ich er­teile ihm dieses.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 99

14.30

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Sehr verehrter Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Ich bedauere, dass die Sozialdemokraten hier nicht mitstimmen, weil die großen Änderungen an und für sich schon früher durchgeführt wurden; das ist ja jetzt nur eine kleine gesetzliche Änderung.

Wir hatten im Budgetbegleitgesetz ein Steuerpaket und haben darin verschiedene Maßnahmen geregelt, vor allem für Kleinunternehmer, dass eben der nicht entnomme­ne Gewinn bis zu einem gewissen Betrag, bis 100 000 €, nur mit dem halben Steuer­satz belastet wird. Das finde ich äußerst wichtig, und zwar im Hinblick auf Basel II.

Wir haben das Problem, dass wir eine äußerst geringe Kapitalausstattung haben, vor allem im Fremdenverkehr, und wir müssen daher bestrebt sein, im Hinblick auf Basel II in diesem Punkt Erleichterungen durchzuführen, die Möglichkeit anzubieten, dass ein Gewinn nicht entnommen wird und dann entsprechend steuerlich begünstigt wird. Gerade für die KMUs ist diese Bestimmung eigentlich gedacht. Wir haben bestimmte Berufsgruppen ausgenommen, wir haben das auch mit einem Betrag limitiert, um das nicht zu einem Ansparmodell für irgendwelche freien Berufe werden zu lassen.

Daher bedauere ich das wirklich, das wollte ich nur aufklären. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.31

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger. Ich erteile ihm dieses.

 


14.31

Bundesrat Dipl.-Ing. Heribert Bogensperger (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Ich darf kurz auf den Tagesordnungs­punkt 17, die neue Struktur der Finanzverwaltung, eingehen. In den Bundesländern werden einzelne Finanzämter zu so genannten Wirtschaftsräumen zusammengefasst. Wir haben derzeit 80 Finanzämter, die zu 43 neuen Wirtschaftsräumen zusammenge­fasst werden, wobei die Standorte der einzelnen Finanzämter in den Bezirken draußen erhalten bleiben sollen.

Auf der nächsten Ebene, der Ebene der bisherigen Finanzlandesdirektionen, kommt es zu folgender Umbildung: Es ist bereits mit 1. Jänner 2003 erfolgt, dass der unab­hängige Finanzsenat gebildet wurde, sprich die zweite Instanz herausgelöst wurde. Die verbleibende Ebene der bestehenden Finanzlandesdirektionen soll nun als bundes­weites Expertennetz für Fachbereiche neu gestaltet werden. Einzelne derzeit in den Finanzlandesdirektionen durchgeführte Aufgaben werden auf die untere Ebene, auf die Wirtschaftsräume aufgeteilt und übertragen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die restlichen Finanzlandesdirektionen werden im Abgabenverwaltungsorganisations­gesetz geregelt. Es müssen mit diesem Gesetz, das wir jetzt beschließen sollen, zum Beispiel im Bewertungsgesetz und im Bodenschätzungsgesetz Anpassungen vorge­nommen werden, weil die Finanzlandesdirektionen aufgelöst werden.

In Zukunft soll aus der bisherigen Finanzlandesdirektion als Oberbehörde ein so ge­nanntes Regionalmanagement gebildet werden, das für ein klares Berichtswesen sowie für standardisierte Contracting- und Controlling-Prozesse zuständig ist. Dieses Fachmanagement stellt das Bindeglied zwischen dem Bundesministerium für Finan­zen, den Fachabteilungen auf der einen Seite und den Finanz- und Zollämtern auf der anderen Seite dar. Auf höchster Ebene im Bundesministerium für Finanzen ist es ja bereits zu einem Zusammenschluss der Steuer- und Zollsektion gekommen.

Die Finanzverwaltungsreform ist mitten in der Umsetzung, wobei nach einer Pilotie­rungsphase in den verschiedenen Bundesländern, weitere Schritte gesetzt werden.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 100

Derzeit erfolgt bereits in der Steiermark und in Kärnten die Umsetzung, die Wirtschafts­raumleiter und -teamleiter werden gerade bestellt beziehungsweise sind teilweise schon bestellt worden.

Ein Abschluss der gesamten Reform soll mit 1. Jänner 2006 durchgeführt sein. Wie bei jeder Reform besteht bei den einzelnen betroffenen Mitarbeitern große Ungewissheit, was mit ihnen passiert, welche Aufgabenänderungen in ihrem Arbeitsfeld, in ihrem Arbeitsbereich für sie erfolgen werden, bis hin dass sich langjährige Führungskräfte einem Ausschreibungs- und Hearingverfahren stellen mussten. Es wurde im Zuge die­ser Reform zugesichert, dass die überwiegende Zahl der Bediensteten ihren Arbeits­platz im bestehenden Finanzamt behalten und nicht pendeln wird müssen.

Einen Punkt möchte ich noch zum Schluss erwähnen, der auch stark an uns herange­tragen wird, dass es nämlich für viele kurz vor der Pension stehende Mitarbeiter im Finanzbereich sehr unbefriedigend ist, dass ihre Pensionsansuchen entgegen anderen Beispielen in anderen Ressorts sehr restriktiv behandelt wurden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

14.34

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Dr. Lichtenecker. Ich erteile ihr dieses.

 


14.35

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden dem gut Teil der Punkte 17 bis 25 zustimmen. Eines wollen wir jetzt ... (Bun­desrat Ing. Franz Gruber: Falsch! Geht nicht!) – Doch, doch. Vielleicht bei Ihnen, bei uns nicht. Hören Sie genau zu!

Wir stimmen einem gut Teil der Punkte 17 bis 25 zu, beim Zweckzuschussgesetz ist es ein Problem. Diesbezüglich, mit Verlaub, gestatten Sie mir einen kleinen Ausflug zum Thema Verhandlungen und Verhandlungsmacht! Wenn ich jetzt ganz kurz auf den Transitverkehr und die Transitlösung eingehe, da war das Thema Verhandlungen ein sehr heikles. In einer Zeit, in der innerhalb von neun Jahren sieben Verkehrsminister und -ministerinnen – eine Ministerin hat es ja gegeben – zum Zug kommen, in der alleine die FPÖ vier Minister gestellt hat, deren Halbwertszeit kaum mehr zu unterbie­ten ist, ist es ganz klar geworden, dass es zum Verhandeln mehr braucht: nämlich klare Fakten und natürlich auch das Gespräch sowie einen kontinuierlichen Verhand­lungspartner, der auch ein gewisses Gewicht in die Sache legt.

Dass uns beziehungsweise der Regierung das nicht gelungen ist, haben wir ja diese Woche schmerzlich erleben müssen. Aber wem es, so scheint es, tatsächlich gelungen ist, das ist der Landeshauptmann von Kärnten. Er hat nämlich erreicht, dass für den Bau der B 100, der Drautal-Straße in Kärnten, wesentlich mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden als sonst in den anderen Bundesländern, die davon auch betroffen sind.

Der Verfassungsgerichtshof hat dieses Zweckzuschussgesetz aufgehoben. Was macht die Regierung? – Sie sagt: Okay, wenn dem so ist, dann bekommen die anderen Län­der auch mehr. – Und das, denke ich, kann ja nicht im Sinne einer ordentlichen und vernünftigen Gebarung sein, außer man sagt sich, wir müssen Prioritäten setzen und einem mächtigen Mann im Süden doch Recht geben. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

14.37

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Weilharter. Ich erteile ihm dieses.

 



Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 101

14.37

Bundesrat Engelbert Weilharter (Freiheitliche, Steiermark): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Werte Damen und Herren! Bei der Sichtung der Vorlage zum Tages­ordnungspunkt 17 ist man verleitet zu sagen, der Herr Staatssekretär, der Herr Finanz­minister sind lernfähig und haben die Kritik am Budgetbegleitgesetz Ernst genommen. Waren noch 83 Gesetze in das Budgetbegleitgesetz verpackt, so sind es in der heuti­gen Vorlage zum Abgabenänderungsgesetz nur mehr 20.

Meine Damen und Herren! Sollte diese Vorgangsweise schon in Richtung transparen­tes Steuer- und Abgabensystem gehen und verstanden werden, dann sind Sie, Herr Staatssekretär, aber vor allem der Herr Finanzminister optisch zumindest auf dem richtigen Weg.

Wir wissen aber alle, meine Damen und Herren, wie so oft im Leben kommt es nicht auf die Optik, sondern auf den Inhalt an. Und gerade was den Inhalt betrifft, wird im Steuerrecht noch viel zu tun sein. So ist es doch der Hartnäckigkeit meiner Partei zu verdanken, dass es mit 1. Jänner 2004 zur ersten steuerlichen Entlastung, zumindest der so genannten kleinen Einkommensbezieher kommt. Wenn für diesen Schritt, für diese erste Maßnahme, Herr Staatssekretär, die elektronische Möglichkeit der Ab­gabenerklärung eingeführt wird, dann entspricht das aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion durchaus einer zukunftweisenden Vorgangsweise.

Es darf aber dabei nicht übersehen werden, meine Damen und Herren, dass viele Menschen in unserem Land noch keinen Zugang zu diesem elektronischen Daten­transfer haben. Ich denke da im Speziellen an die ältere Generation, ich denke aber auch an den ländlichen Raum, wo die Möglichkeiten auch noch sehr begrenzt sind.

Meine Damen und Herren! Unabhängig von Alter und Standort darf das Abgaben- und Steuerrecht zu keiner Zweiklassengesellschaft führen. Es braucht daher sehr viel Gefühl und Augenmaß, und es müssen die von mir genannten Situationen berück­sichtigt werden. Gerade deshalb gibt es auch keine Verpflichtung zur elektronischen Abgabenerklärung, sondern muss parallel dazu auch das so genannte händische Abgabensystem aufrecht erhalten bleiben.

Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Die Abschaffung der acht oder neun Landes­finanzdirektionen und die Schaffung des unabhängigen Berufungssenates an deren Stelle mag durchaus richtig sein, aber dass damit die Zahl der Finanzämter von 80 auf 43 reduziert wird, erfüllt mich mit großer Betroffenheit. Der Weg zum Finanzamt wird länger und zeitaufwändiger, weil die Zahl der Standorte reduziert wird und weil dabei nach den so genannten Wirtschaftsräumen bestimmt wird. Da denke ich im Besonde­ren an eingeschränkt mobile Menschen. Ermöglichen wir diesen auch den gleichen Zu­gang zum Recht? Das müssen wir uns dabei fragen! Werden schwächere Wirtschafts­räume benachteiligt? Das ist dabei auch eine Frage!

Meine Damen und Herren! Weil diese Fragen von großer Bedeutung sind, wird sicher der Herr Staatsekretär darauf replizieren. Aber die Antwort kann nur sein, dass wir bemüht sind, ein einfaches, durchschaubares, transparentes Abgabensystem zu schaf­fen, und in dieser Hinsicht, Herr Staatsekretär, ist noch einiges zu erledigen.

Wir, die Freiheitlichen, meine Fraktion, sind gerne bereit, Ihnen dabei zu helfen. Begin­nen Sie damit, dass dem ersten Schritt der Steuerreform 2004 ein zweiter, ein großer, transparenter Steuerreformschritt folgt und es zu keiner Benachteiligung kommt! Die Chance geben wir Ihnen heute, indem meine Fraktion das Abgabenänderungsgesetz nicht beeinsprucht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

 


14.43


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 102

Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Staatssekretär Dr. Finz. Ich erteile ihm dieses.

 


14.44

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Dr. Alfred Finz: Ich möchte zu­nächst eine Berichtigung zur Neuorganisation der Finanzverwaltung vornehmen. Es gibt derzeit sieben Finanzlandesdirektionen und nicht acht oder neun, und durch die Zusammenführung der 80 Finanzämter in 43 Wirtschaftsräume wird kein einziges Finanzamt geschlossen. Also der Weg des Bürgers zum Finanzamt bleibt gleich. Es wird nur eines erfolgen: Es wird eine gemeinsame Steuerung pro Wirtschaftsraum sein. Das heißt, zwei bis drei Finanzämter arbeiten wie eine Einheit mit verschiedenen Standorten zusammen, und dadurch ist ein automatischer Kräfteausgleich möglich.

Wenn Sie sich anschauen, wie heute Betriebsprüfungen durchgeführt werden, dann werden sie sehen, dass es bei bestimmten Finanzämtern dreijährige Intervalle gibt, während es in Ballungsräumen, vor allem in Wien, zehnjährige Intervalle gibt, weil die Besetzung der Finanzämter so unterschiedlich ist, weil sehr schwer und nur über Dienstzuteilung und dergleichen mehr ein Kräfteausgleich stattfinden kann. Durch die Zusammenfassung in Wirtschaftsräume sollen das Service und der interne Arbeitsaus­gleich verbessert werden. Das ist Sinn und Zweck dieser ganzen Organisation.

Wir nehmen aber mit dieser Reform weiters auch noch eine Dezentralisierung vor. Es werden Agenden, die bisher in der Finanzlandesdirektion beheimatet waren, wie zum Beispiel Budgetvollzug, Personalverwaltung, in die Wirtschafträume verlagert. Es wer­den sehr attraktive Dienstposten geschaffen werden. Wir befinden uns noch in Ver­handlungen, und es schaut nach einem positiven Abschluss aus. Es werden dabei mehr Dienstposten herausschauen, und im Sinne des Wunsches, dass der Staatsbür­ger Steuergesetze verstehen soll, wird pro derzeitigen Standort des Finanzamtes nach dem gleichen Schema ein Informationsbüro eingerichtet. Das soll der Beratung für Arbeitnehmer dienen, soll aber auch der Beratung für so genannte KMUs dienen, die sich aus finanziellen Gründen keinen Steuerberater leisten können. Wir wollen damit die Unterstützungsfunktion wesentlich verstärken.

Außerdem soll dort mit Hilfe der Elektronik – etwas, was Sie auch erwähnt haben – die Möglichkeit geboten werden, dass die Abgabenerklärung, die händisch vorgenommen wurde, gleich in eine elektronische Abgabenerklärung umgesetzt wird. Die elektro­nische Abgabenerklärung, die wir ja schon bei der Arbeitnehmerveranlagung haben – es gibt sicher noch ein paar Ausstattungswünsche hinsichtlich der EDV –, ist eine Re­volution im steuerlichen Wesen. Wir gehen nämlich vom Misstrauensprinzip ab. Bisher musste man bei jeder Veranlagung alle Belege dazugeben. In Zukunft gibt man keine Belege mehr ab. Man kann die Steuererklärung elektronisch übermitteln, und zwar mit einem sehr bedienerfreundlichen EDV-Programm, wo man wirklich von Taste zu Taste geführt wird. Man hat eine Help-Funktion, und man hat auch eine Hotline, man kann also auch anrufen, man kann probeweise sofort mit einem Knopfdruck erfragen, was es für ein Ergebnis gibt, und man sieht, ob man eine Gutschrift oder noch eine Zahllast hat. Ich glaube daher, dass das eine sehr gute Einrichtung ist.

Das Ganze wird elektronisch übermittelt. Über Nacht erfolgt eine Bearbeitung, und bereits am nächsten Tag wird von einem virtuellen, einem so genannten elektronischen Finanzbeamten ein Steuerbescheid über das Internet zurückgeschickt. Das verkürzt die Bearbeitungszeit enorm. Es hat, wie Sie wissen, früher die Bearbeitung wochen­lang, mitunter sogar monatelang gedauert. Jetzt erfolgt das Ganze in einem Tag.

Zusätzlich gibt es quasi eine Plausibilitätskontrolle: Es wird mit den vorjährigen Werten verglichen. Es gibt einen Kennzahlenkatalog. Es wird mit einschlägigen Branchen ver­glichen. Wenn zum Beispiel ein Blumenhändler eine Steuererklärung macht, dann wird


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 103

diese mit jener von anderen Blumenhändlern verglichen, wird geschaut, wie da der Aufwand, das Ertragsverhältnis und dergleichen mehr ist. Nur dort, wo das über einen gewissen Schwellenwert hinausgeht beziehungsweise wo zusätzlich mit einem Zufalls­generator die Notwendigkeit festgestellt wird, wird die Vorlage von Belegen verlangt, und erst dann beschäftigt sich ein echter Finanzbeamter damit.

Das ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung. Steuergesetze sollen vereinfacht werden. Das nehmen wir uns für die große Steuerreform vor. Hoffentlich gelingt es. Es wird auf jeden Fall vereinfacht werden, weil so genannte Bagatellgesetze, die mehr Arbeit machen, als sie an Vorteilen bringen, wegfallen werden. Aber es müssen auch schon im bestehenden Verfahren Verbesserungen gemacht werden. Es ist unser er­klärtes Ziel: Für alle Staatsbürger soll der Zugang zum Recht auf alle Fälle gleich sein!

Wir haben aber noch eine weitere Verbesserung vorgenommen. Mit der Schaffung der so genannten Finanzgerichte – „unabhängige Finanzsenate“ ist die übliche Bezeich­nung – ist die Stellung zwischen Finanzamt und Bürger gleichgemacht worden. Das ist ein kontradiktorisches Verfahren vor einem unabhängigen Finanzrichter, der mit der Sache bisher nichts zu tun hatte. Der Nachteil der bestehenden Organisation war es, dass man sich im Fachbereich Auskünfte geholt hat, wie der Fall behandelt werden soll, und dann hatte mitunter derselbe Beamte das Berufungsverfahren durchzuführen. Es wird von Wissenschaft und Lehre anerkannt, dass die jetzige Lösung ein Fortschritt ist. Außerdem werden sämtliche Erkenntnisse – nicht nur fallweise, so wie bisher – in eine für jeden zugängliche Internetbibliothek gestellt, sodass man sehen kann, welche Erkenntnisse es gibt. Auch das soll der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dienen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

14.48

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet ist als Nächster Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich erteile ihm dieses.

 


14.48

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Vorerst: Ihre Worte in Gottes Ohr! Ich habe bereits im zuständigen Ausschuss darauf hingewiesen, welche Auswirkungen der Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz be­sonders im ländlichen Raum hat. Grundsätzlich ist, sehr geschätzter Herr Staats­sekretär, eine Neuordnung in der Finanzlandschaft zu begrüßen. Sie ist auch, wie Sie wissen, in einem Positionspapier des Zentralausschusses der Gewerkschaft der Fi­nanzbeamten vom August 2001 von den Mitarbeitern der Finanzämtern so festgehal­ten worden. Eines sei aber auch erlaubt zu sagen: Eine Senkung unserer Steuer­belastung ist damit leider nicht verbunden.

Wir Österreicher sind ja Meister im Steuerzahlen. Bei der Körperschaftsteuer liegen wir mit einem Höchststand von 34 Prozent mit Italien und Holland, wo sie noch höher ist, an der Spitze. Bei der Einkommensteuer haben wir einem Höchstsatz von 50 Prozent. Auch da liegen nur Holland und Schweden darüber. Da wünsche ich mir – aber es ist ja angekündigt worden – eine baldige Umsetzung der Steuerreform. – Das nur am Rande.

Hohes Haus! In diesem Beschluss wurde aber auf die geographische Lage im länd­lichen Raum nicht Rücksicht genommen. Ich meine damit die topographischen Gege­benheiten in den grenznahen Gebieten des Außerfern und im tirolerischen Raum rund um Kiefersfelden. Dort pendeln sehr viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und haben auf Grund dieser Maßnahme keine Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen.


Bundesrat
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703. Sitzung / Seite 104

Was die Zusammenfassung der Finanzämter betrifft – und Sie wissen, wo der Fern­pass ist –, halte ich es für unverantwortlich, mit dem Finanzamt Landeck eine Zusam­menlegung vorzunehmen, denn das hat eine Verschlechterung der Infrastruktur zur Folge.

Es liegt somit auf der Hand, dass im grenznahen Raum auch Teilbetriebe in das benachbarte Ausland auswandern oder sich nicht in unserem Raum ansiedeln. (Zwi­schenruf bei der ÖVP.) – Wenn Sie die Gegebenheiten kennen, sehr geehrter Herr Kollege, dann können Sie mir nur Recht geben.

Zu begrüßen ist jedoch die personelle Aufstockung bei den Betriebsprüfern, wenn­gleich auf Grund dieser Beschlüsse Arbeitsplätze durch die Halbierung der Zahl der Finanzämter – das ist heute schon angeklungen – schlichtweg verloren gehen. (Bun­desrat Dr. Kühnel: Da haben Sie nicht zugehört!) Damit findet eine Zerschlagung – das ist so, glauben Sie mir, und das sage ich Ihnen als Bürgermeister eines der großen Orte Tirols! – von guten Organisationsstrukturen statt und kann in diesem Sinne keine Verbesserung für die Bürger darstellen, geschätzter Herr Kollege.

Nun zum Thema Flughafen Innsbruck: Als Tiroler Bundesrat und auch persönlich be­grüße ich die Veräußerung von Bundesanteilen an der Tiroler Flughafenbetriebsgesell­schaft mbH an das Land Tirol beziehungsweise an die Stadt Innsbruck, obwohl sich der Bund damit der Verantwortung entzieht. Ich meine, dass es daher notwendig ist, nach der Veräußerung der Bundesanteile – aber das ist nicht Sache des Bundesrates und nicht Gegenstand dieser Diskussion, aber es sei erwähnt – von Seiten des Landes und von Seiten der Stadt Innsbruck die umliegenden Gemeinden der Landeshaupt­stadt – wer sich dort ein bisschen auskennt, der wird mir beipflichten – einzubinden, um eine umfassende Gesamtheit und Neuorientierung des Flughafens für die Zukunft zu erreichen. – Ich bedanke mich. (Beifall bei der SPÖ.)

14.52

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Vizepräsi­dent Weiss. – Bitte.

 


14.52

Bundesrat Jürgen Weiss (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Dr. Lichtenecker hat sich kri­tisch mit dem Zweckzuschussgesetz auseinander gesetzt, aber offenbar ist ihr, wie man ihrer Abwesenheit entnehmen kann, das Thema doch nicht so wichtig, wie sie es uns mit ihrem Debattenbeitrag weismachen wollte.

Wenn sie hier wäre, würde ich ihr persönlich sagen, aber ich sage es jetzt sozusagen stellvertretend ihrer Kollegin (Bundesrätin Kerschbaum: Ich werde es ihr ausrich­ten!) – ich sehe das bei Ihnen in guten Händen, Frau Kollegin Kerschbaum –, dass der Verfassungsgerichtshof mitnichten das Zweckzuschussgesetz aufgehoben hat. Er hat lediglich eine kleine Bestimmung über Betreiben des Landes Tirol, das sich bei der Zuteilung einer Sonderfinanzierung für die Drautal Bundesstraße übergangen fühlte, aufgehoben, und zwar zu Recht, wie der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat. Die­ser Mangel wird nun ausgeglichen. Es ist keineswegs so, dass der starke Mann aus dem Süden jetzt mehr Geld bekäme, sondern er leistet in diese einvernehmliche Lösung ebenso wie der „starke Mann“ ganz aus dem Westen 4 Millionen € zugunsten des Landes Tirol. Das heißt also, der Sachverhalt ist geradezu entgegengesetzt der Darstellung, die Frau Kollegin Dr. Lichtenecker hier gebracht hat.

Im Zusammenhang mit dem Zweckzuschussgesetz, das in einem Zusammenhang mit der Übertragung der Bundesstraßen an die Länder steht, ist allerdings an die seiner­zeitige Entschließung des Bundesrates zu erinnern, wonach der Bund mit den Ländern


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 105

Verhandlungen darüber führen soll, wie die Finanzierung dieser Übertragung über das Jahr 2008 hinaus sichergestellt werden kann. Da hat sich bisher – außer einem Hin­weis auf die anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen – relativ wenig getan. Man merkt natürlich die Absicht dahinter und kann das aus Sicht des Bundes verstehen, aber ich möchte es nicht unerwähnt lassen.

Nun zum Abgabenänderungsgesetz: Natürlich kann man über die Beseitigung der Finanzlandesdirektionen und der Hauptzollämter, die ja auch ein Teil dieses Gesetzes­beschlusses ist, reden. Das kann eine organisatorisch durchaus gut abfederbare Maß­nahme sein, aber der Bund hat es leider verabsäumt, mit den Ländern ausführlich dar­über zu reden.

Die Reform der Finanzverwaltung ist unter den Beratungsgegenständen des Öster­reich-Konvents im zuständigen Ausschuss ausdrücklich genannt. Diese Beratung ist jetzt sozusagen vorweggenommen, und es stellt sich die Frage, was dann dort noch zu beraten sein wird, vielleicht die Standorte der restlichen Finanzämter oder was auch immer. Aber jedenfalls: Die Reform der Finanzverwaltung ist im Wesentlichen damit vorweggenommen.

Eine entsprechende Beratung mit den Ländern wäre auch insofern wichtig gewesen, als die Kosten-Nutzen-Rechnung in der Regierungsvorlage reichlich unklar geblieben ist. Es wird lediglich angenommen, dass durch Verwaltungsoptimierung nicht quantita­tiv bemessbares Einsparungspotential vorhanden sei. Nun könnte man natürlich sagen, dass durch die Beseitigung der Finanzlandesdirektionen allein – und das ist Inhalt dieses Gesetzes – überhaupt kein finanzieller Mehraufwand eintritt, sondern im Gegenteil. Einer Verringerung von Ausgaben wäre allerdings die Folgewirkung, näm­lich die Neugliederung dieses Aufgabengebietes, gegenüberzustellen. Diesbezüglich hat auch der Rechnungshof zu Recht festgestellt, dass das nicht nachvollziehbar dar­gestellt ist.

Da tritt der bemerkenswerte Fall ein, dass ein Gesetzentwurf des Finanzministeriums den eigenen Maßstäben, nämlich dem Bundeshaushaltsgesetz und dessen § 14, abso­lut nicht Rechnung trägt.

Reden mit den Ländern wäre auch deshalb nicht schlecht gewesen, weil im kurzen Begutachtungsverfahren von Seiten mehrerer Länder massive Zweifel an der Verfas­sungsmäßigkeit der Verordnungsermächtigung im § 2 geäußert wurden. Insbesondere das Land Salzburg hat in einer sehr ausführlichen Stellungnahme darauf hingewiesen, dass einerseits die Verordnungsermächtigung zu unbestimmt gehalten sei und dass zweitens – laut einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes – die Schaffung neuer Behördentypen mit Außenwirkung nicht durch eine Verordnung, sondern nur durch ein Gesetz erfolgen könnte. Diese neuen Organisationseinheiten werden zu einem Teil sicherlich auch diese Außenwirkung haben, ja auch haben müssen; es ist schade, dass man auf diese fundierten Einwände von Länderseite gar nicht eingegangen ist.

Die Vorgangsweise an sich hat den Vorarlberger Landeshauptmann in einer ersten Stellungnahme zu der Feststellung veranlasst, es sei kein guter Stil – ich formuliere das höflich, was er gesagt hat, obwohl ich hier unter dem Schutz der Immunität stünde. Es ist tatsächlich befremdlich, dass im Oktober ein Begutachtungsverfahren zu zwei getrennten Gesetzentwürfen gemacht wurde, nämlich zum Abgabenänderungsgesetz und zum Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, dass dann in der Regierungsvor­lage – auf den ersten Blick gar nicht leicht erkennbar – plötzlich hinten beim Abgaben­änderungsgesetz auch das zweite Gesetz angehängt war, dass kurz nach Einbringung der Regierungsvorlage im Nationalrat der Finanzausschuss getagt hat und dann ganz kurz darauf der Nationalrat. Also man hat das in großer Eile über die Bühne bringen wollen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 106

Herr Kollege Weilharter hat in puncto Sammelnovelle das Finanzministerium als lern­fähig angesehen, weil im Gegensatz zum Budgetbegleitgesetz nur mehr 27 Punkte oder so ähnlich enthalten seien. Auch dieses Gesetz stellt eine Art missbräuchliche Ausführung der Gestaltungsmöglichkeit mit einer Sammelnovelle dar, weil Abgabenän­derung und der Inhalt der Steuergesetze mit der Organisation der Finanzbehörden und der Zollämter nur insoweit etwas zu tun haben, als für beide dasselbe Ministerium zu­ständig ist. Das ist aus diesem Grund auch ein Grenzfall der Zustimmungsfähigkeit und erinnert neuerlich an die Aktualität unseres Anliegens, in solchen Fällen differenziert abstimmen zu können, so wie das beim Nationalrat in zweiter Lesung möglich ist.

Die Vorgangsweise ist jedenfalls aus Sicht des Landes Vorarlberg keine sehr gute Be­gleitmusik für vertrauensvolle Diskussion im Österreich-Konvent, wenn wichtige Teile aus diesem Bereich vorweggenommen werden.

Frau Kollegin Schicker hat sich mit der Möglichkeit, etwa die Einkommensteuererklä­rung oder die Arbeitnehmerveranlagung elektronisch abwickeln zu können, befasst. Der Herr Staatssekretär hat das schon ausgeführt.

Ich kann dazu berichten: Ich habe das selber auch versucht, sobald das möglich war, und ich kann die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs nur unterstützen. Es ist außerordentlich benutzerfreundlich gestaltet, das Ausfüllen des Formulars fällt eigent­lich leichter, als hätte man es schriftlich vor sich, man wird aktiv durch das Formular geführt, denn es gibt zum Beispiel auch Hinweise darauf, dass in einem Feld gar keine Eintragung möglich ist oder dort eine notwendig ist – das ergibt sich aus dem Sinn­zusammenhang der Formulargestaltung. Es funktioniert auch, es abzusenden, und es funktioniert auch die elektronische Zustellung des Bescheides.

Einen Schönheitsfehler hat das Ganze natürlich: der Betrag, der am Schluss zu zahlen ist (Bundesrat Konecny: Der ist nicht virtuell!), ist nach wie vor zu hoch. Aber auch diesbezüglich wissen wir das Anliegen der Steuerreform bei der Regierung in guten Händen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Ko­necny.)

15.01

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster ist Herr Bundesrat Helmut Kritzinger zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 


15.01

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Hoher Bundesrat! Herr Staatssekretär! Ich komme ebenfalls auf den Flughafen zu sprechen, denn das interes­siert uns Tiroler schon ganz besonders. In der Flughafenbetriebsgesellschaft gibt es ein Stammkapital von 10 Millionen €. Dass wir nun die Anteile des Bundes, der 50 Pro­zent des Kapitals besessen hat, auch erhalten, nämlich 25 Prozent die Stadt Innsbruck und 25 Prozent das Land Tirol, ist ein mächtiger Auftrieb. (Vizepräsidentin Haselbach übernimmt den Vorsitz.)

Die regionalen Flughäfen werden, glaube ich, überhaupt an Bedeutung gewinnen, schon allein deshalb, weil die Mobilität des Menschen zunimmt. Insbesondere im Ge­schäftsbereich ist rasches Handeln erforderlich. Auch der Tourist – ein ganz wichtiger Faktor für Tirol, das wissen Sie alle – will in kurzer Zeit möglichst viele Ferienplätze erreichen.

Innsbruck besitzt einen sympathischen Flughafen, der nahe ist und all das bietet, was man sich erwartet: Parkplätze, gute Gästeunterkünfte, vor allem Bequemlichkeit für den Passagier. Hinzu kommt das rasche unbürokratische Service, das der Innsbrucker Flughafen zu bieten hat. Wer erlebt nicht gern die eindrucksvolle Bergkulisse in Inns-


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bruck? Viele Gäste, die zum ersten Mal nach Innsbruck kommen, bleiben stehen und staunen.

Innsbruck hat auch durch seine zentrale Lage einige Vorteile. Wichtige Wintersport­zentren in Nord- und Südtirol sind innerhalb einer Stunde erreichbar. Das genießen besonders die Urlauber aus den Niederlanden, aus Großbritannien, aus Schweden, aber auch Urlauber aus Wien. Der Flughafen ist zudem eine Drehscheibe für viele Kongressteilnehmer. Es war zum Beispiel der VW-Kongress mit 15 000 Händlern aus 65 Ländern in Innsbruck. Die Kongressteilnehmer waren vom großen Dienstleistungs­zentrum, das gleichzeitig auch der größte Arbeitgeber in Innsbruck ist, begeistert.

Drei regionale Fluggesellschaften haben in Innsbruck ihre Heimatbasis, nämlich die Air Alps, die Welcome Air, und – ja mit der Tyrolian haben wir jetzt ein bisschen Sorgen, denn die AUA will den Namen Tyrolian zum Leidwesen vieler Tiroler eintrocknen, was voraussehbar war. Wir werden sehen, wie sich das entwickelt. Jedenfalls ist die Stre­cke Innsbruck – Wien für die Austrian Airlines die rentabelste Strecke überhaupt. Man kriegt kaum einen Platz, wenn man sich nicht rechtzeitig anmeldet. Mir ist das schon öfters so ergangen.

Der Bund hat, ich wiederhole das, gut daran getan, die Aktien an das Land und an die Stadt zu verkaufen. Die Stadt erhielt zudem noch 128 Hektar an Grund, der der Zivil­luftfahrt zur Verfügung steht.

Für die Sicherung der Leistungsfähigkeit, für zukünftige Betriebsansiedlungen, für Ver­kehrsanbindungen zu nationalen und internationalen Zielorten, für all das ist der Flug­hafen Innsbruck ein ganz wichtiges Zentrum, das in den nächsten Jahren als Arbeitge­ber, aber auch als Devisenbringer, als großer Devisenbringer für Österreich eine immer größere Rolle spielen wird. Die Regierung hat gut daran getan, nicht nur den Besitz, sondern auch die Verantwortung dafür der Stadt und dem Land Tirol zu übergeben. Das zustimmende Nicken des Kollegen Wiesenegg werte ich als positives Zeichen. Die Stadt und das Land Innsbruck werden sicherlich die gesamte Umgebung, insbeson­dere die Außerferner, berücksichtigen, wo immer es möglich ist. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

15.06

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es liegen keine weiteren Wortmeldun­gen vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist daher geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen daher zur Abstimmung, die über die vorliegenden Beschlüsse des Natio­nalrates getrennt erfolgt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuerge­setz 1988, das Körperschaftsteuergesetz 1988, das Umgründungssteuergesetz, das Umsatzsteuergesetz 1994, das Bewertungsgesetz 1955, das Bodenschätzungsge­setz 1970, das Normverbrauchsabgabegesetz, das Energieabgabenvergütungsgesetz, das Tabaksteuergesetz 1995, das Alkoholsteuergesetz, das Biersteuergesetz 1995, das Schaumweinsteuergesetz 1995, das Mineralölsteuergesetz 1995, die Bundesab­gabenordnung, das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, das Zollrechts-Durchfüh­rungsgesetz, das Bundesgesetz über den unabhängigen Finanzsenat, das Finanzstraf-


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gesetz, das Kommunalsteuergesetz 1993 und das Ausfuhrerstattungsgesetz geändert werden.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz zur Regelung des Glücksspielwesens geändert wird.


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Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Zweckzuschussgesetz 2001 geändert wird.

Ich bitte neuerlich jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Bundesgesetz betreffend die Veräußerung von Bundes­anteilen an der Tiroler Flughafenbetriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung und von unbeweglichem Bundesvermögen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates, soweit dieser dem Einspruchsrecht des Bundesrates unterliegt, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Wir kommen weiters zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Bundesgesetz über den Kapital- und Zahlungsverkehr mit Auslandsbezug, es ist dies das Devisengesetz 2004, erlassen und das Überweisungsgesetz und das Börsegesetz geändert werden.

Ich bitte wieder jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend einen Beschluss des Rates in der Zusammensetzung der Staats- und Regierungschefs vom 21. März 2003 über eine Änderung des Artikels 10.2 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken und der Europäischen Zentralbank.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Weiters kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend eine Änderung des Übereinkommens betreffend die Prüfung und Bezeichnung von Edelmetallgegenständen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Das ist Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Jemen über die Förderung und den Schutz von Investitionen.

Da der vorliegende Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereichs der Länder regelt, bedarf er gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz des Bundes-Verfas­sungsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte ferne jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Es ist dies wieder die Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit an­genommen.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 13. No­vember 2003 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Namibia über die Förderung und den Schutz von Investitionen samt Protokoll.

Da der vorliegende Beschluss ebenfalls Angelegenheiten des selbständigen Wirkungs­bereichs der Länder regelt, bedarf er gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG der Zustimmung des Bundesrates.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

Ich bitte ferner jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, um ein Handzeichen. – Das ist wieder Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, dem gegenständlichen Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen, ist somit an­genommen.


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26. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 13. November 2003 betreffend ein Bundesge­setz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz geändert wird (248 d.B. und 279 d.B. sowie 6916/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zum 26. Punkt der Tagesordnung.

Die Berichterstattung hat Frau Bundesrätin Auer übernommen. Ich bitte um den Be­richt.

 


Berichterstatterin Johanna Auer: Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Genera­tionen und Konsumentenschutz über den von der Frau Präsidentin genannten Be­schluss des Nationalrates.

Der Beschluss liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 24. November 2003 mit Stimmeneinhelligkeit den An­trag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu er­heben.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Ing. Gruber. Ich darf ihn bitten, das Wort zu ergreifen.

 


15.16

Bundesrat Ing. Franz Gruber (ÖVP, Kärnten): Frau Präsident! Herr Staatssekretär! Hoher Bundesrat! Wer das Kinderbetreuungsgeld während der gesamten Bezugsperi­ode in voller Höhe erhalten will, muss zehn Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen durch­führen lassen. Das hat immer wieder zu Härtefällen geführt, deshalb nun diese neuen Regelungen, die für Geburten ab 1. 1. 2002 gelten werden. Und das ist auch gut so, sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Fraktion wird diesem Gesetz des National­rates gerne die Zustimmung geben.

Aber eines möchte ich schon auch sagen: Wenn ihr, liebe Freunde von der SPÖ be­ziehungsweise von der linken Hälfte, von Reparatur sprecht, wenn ihr von fehlenden Kinderbetreuungseinrichtungen und von subventioniertem Abzug der Frauen vom Arbeitsmarkt sprecht, so kann ich nur sagen: Was habt ihr 30 Jahre gemacht? – Ich glaube, gar nichts! (Heiterkeit bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Und die Freiheitlichen brauchen nicht so zu lachen. Lieber Herr Altpräsident Klamt! Ihr habt den Frauen den so genannten Kinderscheck auch nur zugeschickt (der Redner hält das entsprechende Dokument in die Höhe), eingelöst wurde er nie. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wir von der ÖVP haben das Kinderbetreuungsgeld ausgearbeitet und eingeführt. Der Familienpartei ÖVP ist es zu verdanken, dass es mit dem österreichweiten Kindergeld ein international vorbildliches Modell zur Förderung der Familien gibt. (Bundesrätin Schicker: Mir wird schlecht!) Diese finanzielle Entlastung hat den Besorgnis erregen­den Trend zu immer weniger Kindern sozusagen verlangsamt. Nicht alle Familien haben das Glück, die Eltern oder engagierte Nachbarn in unmittelbarer Nähe, einen Kindergarten in zumutbarer Entfernung und mit bedarfsgerechten Öffnungszeiten zu haben.


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Die Folgen leer stehender Kinderzimmer sind dramatisch: Die Bevölkerungspyramide droht zu kippen, die Pensionssysteme geraten durcheinander.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir von der Kärntner Volkspartei werden mit unserer Familienoffensive ein auf die Bedürfnisse junger Menschen zugeschnittenes Kin­derbetreuungsprogramm umsetzen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Ing. Klamt. – Bundesrat Mag. Gudenus: Mit unserer Hilfe! Gell, Herr Kollege?)

Die Kärntner Familie wird einen Anspruch auf beitragsfreien Kindergartenbesuch aller Kinder zwischen drei und sechs Jahren haben. Angesichts dessen muss ich mich schon fragen: Wo bleibt das Rote Wien? – Bei euch kostet ein durchschnittlicher Kin­derbetreuungsplatz bis zu 300 €. Wo bleibt eure gesellschaftliche Verpflichtung? – Ja, das hätte ich bald vergessen: die ist beim Defizit der ÖBB. (Bundesrätin Auer: Das ist jetzt aber eine tiefe Lade gewesen!)

Wir von der ÖVP sind der Meinung, dass wir, wenn wir es nicht schaffen, den Gebur­tenrückgang zu stoppen, uns über alle anderen politischen Zukunftsthemen langfristig keine Gedanken mehr zu machen brauchen (Bundesrat Schennach: Eine Villacher Faschingsrede!), deshalb die Familienoffensive der Kärntner Volkspartei (Bundesrat Schennach: Dann müssen wir jetzt „Lei, lei“ sagen!): Beitragsfreier Kindergarten­besuch, bedarfsgerechte Öffnungszeiten, flächendeckendes Angebot und mobile Be­treuung durch Tagesmütter. (Der Redner wird mit jedem Wort lauter. – Bundesrätin Schicker: Wir sind nicht schwerhörig! Sprechen Sie etwas leiser, bitte!) Kärnten wird zur kinderfreundlichsten Region Österreichs werden, und Österreich wird mit dem jetzt zu beschließenden Gesetz zum kinderfreundlichsten Land beziehungsweise zur kin­derfreundlichsten Region Europas. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Frei­heitlichen. – Bundesrat Schennach: Eine schlechte Faschingsrede!)

15.20

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Kollege Gruber, es tut mir nur Leid, Sie darauf hinweisen zu müssen, dass die Wenigsten von uns in Kärnten wahlberech­tigt sind. (Heiterkeit und Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Weiters zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Schicker. – Bitte.

 


15.20

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Frau Vizepräsidentin! Herr Staatssekretär! Ich werde jetzt mit gedämpfter Stimme fortfahren, denn ich glaube, wir alle hören noch recht gut. Die Wortwahl des Kollegen Gruber war schon ein bisschen auf den Villacher Fasching abgestellt.

Lieber Kollege Gruber! Nur eine Anmerkung zu Ihren Ausführungen: Sie haben ge­meint, die ÖVP als Familienpartei hat das Kindergeld eingeführt. – Ja. Und die soziale SPÖ hat die Pension für die Bauern eingeführt. Jetzt sind wir quitt! Sind wir quitt? (Zwi­schenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) Okay. (Staatssekretärin Haubner nimmt auf der Regierungsbank Platz.)

Frau Staatssekretärin, jetzt kann ich Sie ansprechen, sonst hätte ich Herrn Staatssek­retär Finz mit meinen Fragen quälen müssen! Mit dieser Änderung des Kinderbe­treuungsgeldgesetzes werden, wie Kollege Gruber bereits ausgeführt hat – einen Satz hat er ja in normaler Tonlage vorgetragen, und diesen zitiere ich jetzt auch noch –, Härtefälle, wie sie in der Vergangenheit durch die verspätete Nachweislegung über Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen entstanden sind, aus der Welt geschafft. Und das ist gut so, Frau Staatssekretärin.

Nicht unerwähnt in diesem Zusammenhang möchte ich lassen, dass sich durch die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes die Vereinbarkeit von Beruf und Familie nicht verbessert hat. Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Auch eine OECD-Studie rät zu


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Änderungen im Zusammenhang mit Kindergeld und Teilzeit für Eltern, weil sie eben zu der Erkenntnis gekommen ist, dass in Österreich Beruf und Familie einfach schwer ver­einbar sind. Das ist eine Tatsache, der Sie in Zukunft auch Rechnung tragen müssten, wenn Sie Erfolg in der Familienpolitik haben wollen. (Beifall der Bundesrätin Bachner.)

Außerdem, so denke ich, ist durch das Auslaufen beziehungsweise durch die Nichtwei­tergewährung der so genannten Kindergartenmilliarde der Ausbau der Kinderbetreu­ungseinrichtungen, vor allem auf flexible Öffnungszeiten bezogen, sehr ins Stocken geraten, wenn nicht gar zum Stillstand gekommen. Und wenn man mir auch sagt, das sei Ländersache: Es hat etwas gebracht. Mit der Einführung der Kindergartenmilliarde konnten viele neue Kinderbetreuungseinrichtungen mit längeren Öffnungszeiten ge­schaffen werden.

Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Die Länder haben kein Geld, sie sind ausgeblutet. Der Bund ist wieder am Zug, und ich bitte Sie, da etwas zu tun. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.23

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Klamt. – Bitte.

 


15.23

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Frau Vizepräsidentin! Frau Staatssekretärin! Hoher Bundesrat! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir be­fassen uns beim gegenständlichen Tagesordnungspunkt mit Änderungen des Kinder­betreuungsgeldgesetzes. Härtefälle in Zusammenhang mit unzureichend nachgewiese­nen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen werden ausgeräumt. – Eine durchaus positive Initiative.

Lieber Freund – ich darf so sagen – Bundesrat Ing. Franz Gruber! Wir Kärntner rücken ja in Wien an und für sich auch über Parteigrenzen hinweg zusammen, jetzt schlägt sich aber anscheinend schon ein wenig der Wahlkampf in Kärnten nieder. Aber, lieber Freund Ing. Gruber, du musst auch zur Kenntnis nehmen, dass das Kindergeld in seiner Gesamtheit wirklich eine freiheitliche Erfolgsgeschichte darstellt. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Bundesrat Mag. Gudenus: So ist es! Bravo!)

Wir Freiheitlichen haben mit diesem Kinderbetreuungsgeld bewiesen, was man bewe­gen kann, wenn man mit dem Herzen bei der Sache ist. Der Weg vom Kärntner Kinder­betreuungsscheck, den politische Mitbewerber – ich kann mich noch sehr gut daran erinnern – als nicht gedeckt verunglimpften, bis zum bundesweiten Kinderbetreuungs­geld war durchaus steinig. Aber Stein für Stein wurde aus dem Weg geräumt, bis der Durchbruch gelang.

Ich möchte in diesem Zusammenhang von dieser Stelle aus allen, die in Kärnten über Pilotprojekte mühselige Kleinarbeit leisteten, und allen, die an der bundesweiten Umsetzung mitarbeiteten, herzlich danken. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleichberechtigung ist gut. Ich ziehe den Hut vor jedem Mann, der zumindest versucht, an die Leistungen der Frauen in Zusammen­hang mit der Kinderbetreuung heranzukommen. (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Ich lasse es mir aber nicht nehmen, insbesondere den Müttern für ihre übermenschlichen Leistungen in der Kindererziehung die größte Wertschätzung auszusprechen. Diese Leistungen sind mit Geld allein nicht aufzuwiegen.

Mit dem Kinderbetreuungsgeld haben wir wenigstens ansatzweise ein starkes Zeichen der Anerkennung gesetzt. Es dürfen natürlich noch weitere Zeichen folgen, wobei es unser Ziel sein muss, die viel zitierte Wahlmöglichkeit für Frauen noch besser abzu­sichern.


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Der von der Opposition in Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld in den Raum gestellte Vorwurf des Zurückdrängens an den Herd wurde aus meiner Sicht durch die Realität eingeholt. Die Frauen des 21. Jahrhunderts, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen sich kaum mehr in eine ungewollte Richtung drängen. Das haben auch die Damen und Herren von der Opposition wohl oder übel zur Kenntnis nehmen müssen.

Mir ist auch klar, dass das Kinderbetreuungsgeld Verbesserungen bei den Betreuungs­einrichtungen nicht ausschließt.

Wir alle sind aufgefordert, unser Bestes zu geben, damit die Chancengleichheit der Frauen gegenüber den Männern kein Schlagwort bleibt, sondern in der Familie und im Beruf konsequent umgesetzt wird. Meine uneingeschränkte Anerkennung haben die Frauen jedenfalls heute schon. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

15.28

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


15.28

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Wir werden der Reparatur – und es ist eine Reparatur – dieses Kinderbetreuungsgeldgesetzes zustimmen. Leider ist diese Reparatur für mich nicht weitgehend genug.

Ich habe selbst zwei Kinder. Ich kann sagen, ich bin kein Übermensch und weiß, dass das doch ziemlich anstrengend ist. Ich habe gehört und gelesen, dass 90 000 Kinder­betreuungsplätze fehlen, und ich weiß genau, wie schwierig es ist, in Niederösterreich einen Betreuungsplatz für ein unter dreijähriges Kind zu finden; wir haben schon einmal darüber gesprochen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) Nicht in allen Gegenden ist das so einfach wie bei Ihnen. Ich weiß auch, dass es in vielen Gegenden sehr schwie­rig ist, Kinderbetreuungsplätze, Hortplätze für Kinder, die schon in die Schule gehen, zu finden. (Weiterer Zwischenruf bei der ÖVP.) Das stimmt. Möglicherweise gibt es bessere und schlechtere. Ich weiß nicht, wie viele Hortplätze ihr übrig habt.

Ich weiß auch, wie schwierig es ist, nach fünf bis sechs Jahren Pause wieder ins Be­rufsleben einzusteigen. Man bekommt einen Halbtagsjob für die nächsten zehn Jahre und hat fast kein Einkommen. Und ich weiß auch ganz genau, wie schwierig es dann – nach all diesen Entbehrungen – einmal sein wird, von seiner Pension leben zu können.

Mit dem Kinderbetreuungsgeldgesetz haben jetzt mehr Frauen die Möglichkeit, zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben – mit diesem Kinderbetreuungsgeldgesetz ist es aber auch für viel mehr Frauen schwieriger geworden, Beruf und Familie zu verein­baren. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.29

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekre­tärin Haubner. – Bitte.

 


15.30

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren Bundesrätinnen und Bundesräte! Ich freue mich, dass es Überein­stimmung darüber gibt, dass mit der Änderung des Kinderbetreuungsgeldgesetzes jetzt etwas verbessert wird. Betonen möchte ich: Da wird nicht „repariert“, sondern wir ver­bessern etwas! Aber in Bezug auf den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, den wir sehr stark mit Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und Gesundheitsvorsorge verbinden,


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bleibt im Grunde genommen alles so bestehen, wie es bereits ist. Wir verbessern jedoch für Mütter und Väter die Möglichkeit der längeren Fristerstreckung. Nichts wird sich hingegen daran ändern, dass Mütter/Väter – eben so wie bereits bisher – den Nachweis der vorgeschriebenen zehn Untersuchungen erbringen müssen.

Ich kann mich noch an Folgendes erinnern: Sozusagen in der Entstehungsphase des Kinderbetreuungsgeldes bestand in allen Fraktionen große Einigkeit darüber, Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen eben damit zu verknüpfen, ob dann Kinderbetreuungsgeld ausbezahlt wird – dann, wenn diese Untersuchungen tatsächlich gemacht wurden.

Auf Grund verschiedener Umstände – weil es eben einfach einmal passieren kann, dass man zwar bisher alle notwendigen Untersuchungen absolviert, jedoch dann ein­mal eine Frist übersieht – haben wir hier eine Verbesserung herbeigeführt, sodass eben nicht jene Eltern bestraft werden, die diese Untersuchungen nachweisen können. Das war mir persönlich ein ganz besonders großes Bedürfnis. Ich bin froh darüber, dass wir diesbezüglich eine gemeinsame Regelung gefunden haben, die ja auch im Nationalrat schon so beschlossen wurde, sodass ich davon ausgehe, dass das auch heute hier im Bundesrat die notwendige Zustimmung finden wird.

Als Verbesserung wurde noch zusätzlich eingeführt, dass in besonderen Härtefällen, dass in besonderen Ausnahmesituationen gänzlich davon abgesehen werden kann, darüber einen Nachweis erbringen zu müssen; das sind jedoch wirklich Ausnahmefälle. Wir haben jedenfalls alle Möglichkeiten geprüft, damit diese gute finanzielle Leistung für die Familien Österreichs tatsächlich den Familien zugute kommt.

Kurz zu dem, was meine Vorrednerinnen gesagt haben: Diese gute Familienleistung ist auch im OECD-Bericht als solche angeführt worden – und wir sollten daher die Kirche im Dorf lassen und nicht alles vermischen. Der OECD-Bericht hat sich im Besonderen mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschäftigt, und es ging – das möchte ich zur Richtigstellung sagen – um den Zeitraum 2000 bis 2001, um einen Zeitraum also, zu dem wir noch keinerlei Erfahrungen und keine wirklichen Daten in Bezug auf das Kinderbetreuungsgeld hatten, da damals noch mehr Mütter/mehr Väter das so ge­nannte alte Karenzgeld bezogen haben.

Aus diesem OECD-Bericht geht ganz klar hervor, dass Österreich, was die finanzielle Leistung im Zusammenhang mit dem Kinderbetreuungsgeld anlangt, in Europa wirklich einzigartig dasteht. Das sage ich aus vollster Überzeugung, und ich habe es mir nicht nehmen lassen, gemeinsam mit den Experten, die diesen OECD-Bericht für Österreich erstellt haben – und das muss ich auch dazusagen: seitens unseres Ministeriums wurde dieser Bericht in Auftrag gegeben –, bei der Präsentation dieses Berichtes dabei zu sein. Ich halte nichts davon, wenn mit falschen Daten und Zahlen argumentiert wird.

In diesem OECD-Bericht kommt ganz klar zum Ausdruck, dass Österreich – wie viele andere Länder auch – im Bereich der Vereinbarkeitsmaßnahmen noch weitere Wei­chen stellen muss. Aber das ist ja auch nichts Schlechtes; wir wissen ohnehin, dass das notwendig ist. In diesem OECD-Bericht wurde auch darauf hingewiesen, dass es in Österreich gute Ansätze gibt im Bereich Elternteilzeit – das ist besonders positiv er­wähnt worden –, ebenso aber auch im Bereich familienfreundlicher Maßnahmen in den Betrieben. Und in diesem Zusammenhang wurde besonders lobend das Audit Familie und Beruf erwähnt sowie der Hinweis gegeben, dass da noch mehr zu tun ist. Der Ansatz ist jedenfalls, wie uns attestiert wurde, richtig.

Wir haben diese Signale nicht nur verstanden, sondern haben eben bereits in der Ver­gangenheit die ersten Schritte gesetzt, und wir werden mit großer Nachhaltigkeit ge­rade in diesem Bereich, eben was die Familienfreundlichkeit der Unternehmen anlangt, gemeinsam mit der Wirtschaft noch mehr tun. Im Budget wurden ja dafür auch mehr finanzielle Mittel vorgesehen.


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Ich möchte mich recht herzlich bedanken dafür, dass Sie, meine Damen und Herren hier im Bundesrat, auch meiner Meinung sind, dass diese Verbesserung des Kinderbe­treuungsgeldes den Kindern und Eltern gebührt, diesen zugute kommt – und ich danke Ihnen allen für Ihre Ausführungen hiezu. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

15.34

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall. Die Debatte ist daher geschlossen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Hand­zeichen. – Es ist dies Stimmeneinhelligkeit.

Der Antrag, keinen Einspruch zu erheben, ist somit angenommen.

27. Punkt

Bericht über die soziale Lage 1999 (III-219-BR/2001 d.B. sowie 6917/BR d.B.)

28. Punkt

Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002 (III-243-BR/2003 d.B. sowie 6918/BR d.B.)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zu den Punkten 27 und 28 der heutigen Tagesordnung, über welche die Debatte wieder unter einem abge­führt wird.

Ich möchte nur darauf hinweisen, dass wir in 25 Minuten für den Aufruf der Dringlichen Anfrage unterbrechen. Jetzt aber werde ich versuchen, dass noch so viele RednerIn­nen wie möglich drankommen.

Die Berichterstattung über die Punkte 27 und 28 hat Herr Bundesrat Klamt übernom­men. – Bitte.

 


Berichterstatter Ing. Gerd Klamt: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Frau Staats­sekretärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generatio­nen und Konsumentenschutz betreffend den Bericht über die soziale Lage 1999.

Dieser Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, sodass ich mich auf den Antrag beschränke und diesen verlese.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt somit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht über die soziale Lage 1999 zur Kenntnis nehmen.

Weiters bringe ich den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend den Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002.

Dieser Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich beschränke mich des­halb auf die Verlesung des Antrages.


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Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt so­mit den Antrag, der Bundesrat wolle den Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002 zur Kenntnis nehmen.

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Danke für die Berichte.

Wir gehen in die Debatte ein, die, wie gesagt, über die zusammengezogenen Punkte unter einem abgeführt wird.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Bachner. – Bitte.

 


15.38

Bundesrätin Roswitha Bachner (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wenn man sich die Berichte über die soziale Lage so anschaut, nimmt man einmal aufs erste Hinschauen eine Auflistung von Daten und Zahlen wahr: eine Auflistung der Unter­schiede zwischen den Geschlechtern und dem Sozialsystem. Schaut man sich die einzelnen Daten und Zahlen etwas genauer an, kann man schon sehr viel mehr daraus entnehmen – und je genauer man hinschaut, so ist es mir zumindest bei der Vorberei­tung gegangen, umso beklemmender wird einem dabei.

Interessant vor allem im Bericht über 2001 bis 2002 – dazu habe ich das Vorwort des Herrn Bundesministers Haupt ganz deutlich gelesen –, was dieses Vorwort umspannt: die Erklärung, dass der Staatshaushalt konsolidiert werden musste, über Lobes­hymnen zur Familienpolitik, wie wir sie hier auch gerade gehört haben, besonders über die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes, und eine Erklärung über die notwendigen Maßnahmen zur Sicherung des Pensionssystems, wobei natürlich nicht darauf verges­sen wurde, den Hinweis einzufügen, wie wichtig die Eigenvorsorge dabei ist.

Das Vorwort enthält weiters eine Erklärung zur Familienhospiz, auch auf die gesund­heitspolitischen Erfolge wird hingewiesen, bis hin zu der Feststellung – und da hat, denke ich mir, die ureigenste Eignung und berufliche Heimat des Herrn Ministers durchgeschlagen –, in der, mit nicht weniger Stolz als bei den anderen Punkten, drin­steht: Österreich ist ein vorbildliches Land in der Bekämpfung von BSE und Maul- und Klauenseuche. – Und: Vor kurzem wurde das Projekt Schweinedatenbank zur Seu­chenprävention und zur Verbesserung der Lebensmittelqualität auf Schiene gebracht. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Diese Punkte sind im Vorwort des Herrn Ministers zum Bericht über die soziale Lage enthalten.

Natürlich ist auch dieser Punkt sehr wichtig, denn Lebensmittel konsumieren wir alle, und wir wollen auch, dass wir gesund sind. Aber wenn man dann zur nächsten Seite umblättert und zur Zusammenfassung kommt, denke ich mir, es könnte im Vorwort ein anderer Schwerpunkt gesetzt werden. Da kommt man nämlich den Tatsachen oder der Wahrheit schon etwas näher. Es wird in diesem Bericht zum Beispiel auch festgestellt, dass die gesamten Sozialausgaben auf 29,1 Prozent des BIP gestiegen sind, obwohl sie im Jahr 1997 und 1998 um 0,2 bis 0,3 Prozent niedriger waren.

Dann steht hier weiter – dabei beziehe ich mich nicht auf den gesamten Bericht, son­dern wirklich nur auf einige Punkte, die mich aber besonders betroffen gemacht haben –: In vielen Fällen reicht das Erwerbseinkommen nicht aus, um einen mittleren Lebensstandard zu finanzieren. Die meisten allein erziehenden Frauen können mit ihrem Erwerbseinkommen keinen mittleren Lebensstandard finanzieren.

Und weiter heißt es: Auch wenn in einem Haushalt mehr als eine Person erwerbstätig ist, reicht oft das Erwerbseinkommen alleine nicht aus, einen mittleren Lebensstandard zu erzielen.


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Meine sehr geschätzten Damen und Herren des Bundesrates! Schaut man sich die Entwicklung bei den armutsgefährdeten oder in akuter Armut lebenden Menschen an – und ganz besonders die Entwicklung bei den Frauen, weil sie noch um 13 Prozent höher betroffen sind als die Männer –, dann muss man sich fragen: Worauf ist diese Entwicklung zurückzuführen?

Für mich ist der Befund relativ einfach zu erstellen: Diese Entwicklung zeigt mittlerweile die Auswirkungen der Belastungspolitik, die in den letzten Jahren gemacht wurde. Das dürfen wir hier in diesem Raum nicht vergessen, und das schlägt sich auch in den sehr fundiert aufgelisteten Zahlen nieder. Da spiegelt sich dann in den Zahlen die Wahrheit wider: Unfallrentenbesteuerung, Ambulanzgebühr; Wegfall der kostenlosen Mitver­sicherung; allein die Pensionsreform 2000 hat eine Leistungskürzung um 1,3 Milliar­den € bedeutet; die zu niedrigen Pensionsanpassungen über all die Jahre hinweg. Und: der rapide Anstieg der Arbeitslosenzahlen!

Als besonders treffsicher für die sozial Schwachen erwies sich jedoch die Kürzung der Familienzuschläge zum Karenzgeld, zum Arbeitslosengeld und zur Notstandshilfe. Die für unterhaltsberechtigte Angehörige gezahlten Zuschläge wurden mit dem Treffsicher­heitspaket von 49 € auf 29 € im Monat herabgesetzt. Für Arbeitslose mit Kindern führt allein diese Maßnahme nicht selten zu Leistungskürzungen um 10 Prozent. Das schlägt sich natürlich in den Zahlen dieses Berichtes nieder.

Damit habe ich mich wirklich nur auf wenige Beispiele bezogen. Aber ich kann auf Grund der vorhergehenden Debatte natürlich auch bestätigen – wenn man sich in die­sem Bericht zur sozialen Lage das Thema Frauen genau anschaut, und zwar jetzt nicht nur im Unterschied zu den Männern; man soll es ja nicht immer nur an den Männern messen –, wie die Frauen in unserem Land leben und welche Voraussetzungen sie haben, wenn sie Kinder zu betreuen haben, wenn sie Alleinerzieherinnen sind.

Ich möchte das Kinderbetreuungsgeld nicht unbedingt nur in die negative Ecke stellen, es ist für viele, viele Frauen sicher eine Errungenschaft und eine Hilfestellung, kein Zweifel. Aber es bedeutet auch viele Gefahren, und davor soll man die Augen nicht verschließen! Wir wissen, aus dem derzeitigen Unterschied vor allem bei den Einkom­men resultieren die weiteren Lebenssituationen bis zum Alter, weil ja die Pensionen – aber, falls es bei Berufsunterbrechungen notwendig ist, auch die Leistungen dazwi­schen – aus der Einkommenssituation resultieren. Das heißt, dass genau diese Maß­nahmen die Situation der Frauen in diesem Land noch prekärer machen. Ich denke mir, dass da wirklich die Zeit gekommen ist, gegenzusteuern.

Natürlich schaut so ein Bericht sehr nüchtern aus. Das sind Zahlen, das sind Daten, und sie machen einen beim Lesen wenig betroffen. Ich kann Ihnen aber sagen, ich habe in meiner langjährigen Gewerkschaftstätigkeit sehr viel mit Beratungstätigkeit und zu einem hohen Prozentsatz vor allem mit Beratungstätigkeit für weibliche Mitglieder zu tun gehabt. Wenn man sich die Schilderungen der Lebenssituation dieser Frauen anhört, wenn man sich die Lebensumstände dieser Frauen ansieht, dann kann ich nur sagen: Es ist höchst an der Zeit, dass sich die Politik ändert und dass die Regierung ihren Zugang zur Politik ändert!

Ich fürchte mich schon vor dem nächsten Bericht, denn dort werden wir die Auswirkun­gen der Pensionsreform 2003 zu sehen bekommen, und da werden die Zahlen wesent­lich grausamer ausschauen, als sie jetzt schon sind. – Danke. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

15.45

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Saller. – Bitte.

 



Bundesrat
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15.46

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Staats­sekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich mir den Bericht über die soziale Lage näher angesehen habe, ist mir das Kapitel über Armut und Armutsgefährdung ins Auge gestochen. Dieses Kapitel ist in einem wohlhabenden Land nicht sehr attraktiv, aber auch darüber sollte man nachdenken und etwas sagen.

Wenn man über Armut und Armutsgefährdung redet, dann meint man eigentlich immer nur die Gruppe der Obdachlosen, aber das ist natürlich ein völliger Trugschluss. (Bun­desrätin Bachner: So ist es!) Armut und Armutsgefährdung bleiben in Österreich – wenn auch natürlich in einem wesentlich geringeren Maße als in den anderen EU-Staaten – ein ernstes Problem und eine Herausforderung, überhaupt für die Sozial­politik.

Damit man weiß, wovon man redet: Ende der neunziger Jahre – und diese Zahlen haben sich nur geringfügig geändert – waren in Österreich 900 000 Personen, das sind 11 Prozent der Bevölkerung, von Armutsgefährdung betroffen, davon 340 000 von akuter Armut. Und damit man auch da weiß, wovon man redet: Armutsgefährdung bedeutet 60 Prozent des Medianeinkommens. Dieses liegt jetzt bei 667 €, und davon haben diese Leute nur 400 €! Dazu kommen bei der aktuellen Armut noch alle Dinge des täglichen Lebens, sprich Wohnung, Heizung und so weiter, und das erschwert das Ganze noch zusätzlich.

Besonders betroffen – einige Gruppen sind ja schon angeführt worden – sind unbe­schäftigte Alleinerziehende, Personen in Haushalten ohne Beschäftigung, allein leben­de ältere Personen, langzeitarbeitslose Frauen und, nicht zu vergessen, kinderreiche Familien. Der Zusammenhang zwischen Armut und sozialer Ausgrenzung ist beson­ders ausgeprägt – auch das darf man nicht vergessen –, und ebenfalls der Zusam­menhang, was den Gesundheitszustand betrifft.

Trotz hoher Effektivität der großen Sozialleistungen der Regierung bei der Linderung des Armutsrisikos – das muss man auch sagen! – können Teile dieser Bevölkerungs­gruppen der Armut oft nur schwer entrinnen. Es müssten daher Modelle sozialer Grundsicherung weiterentwickelt werden. Dies hat zur Folge, dass in EU-Staaten nationale Aktionspläne zur sozialen Einschließung und zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung geschaffen worden sind. So gibt es zahlreiche Maßnahmen der Regierung, die sich dieser Armutsprävention widmen.

Die Bildungspolitik gehört neben der Sozial- und Wirtschaftspolitik mit Sicherheit zu den Grundpfeilern der Armutsbekämpfung und der Bekämpfung sozialer Ausgrenzung. Unser Bildungssystem in seiner Vielfalt – das wissen wir alle – ist auch europaweit wirklich als sehr gut zu bezeichnen. Es gibt Verbesserungen bei Jugendlichen mit un­zureichendem Schulerfolg, bei körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen, bei ge­schlechtsspezifischen Barrieren sowie beim Ausbau der Kommunikationstechnologien.

Bezüglich des Erwerbslebens muss die Vollbeschäftigung das Ziel der Regierung blei­ben. Die Bekämpfung von Langzeit-, Frauen- und Jugendarbeitslosigkeit ist und muss auch weiterhin das Hauptziel bleiben, um dem entgegenzuwirken. Es gibt zahlreiche Schwerpunkte. Besonderes Augenmerk ist bei armutsrelevanten Maßnahmen auch den regionalen Gegebenheiten zu schenken. Für die Vereinbarkeit von Familie und Be­ruf spielen zahlreiche Maßnahmen eine große Rolle. Finanzielle Absicherung, Kinder­betreuungseinrichtungen und Erwerbschancen sind hier besonders zu vernetzen.

Gesundheitspolitik – ich habe sie schon angesprochen – verfolgt das Ziel, einen glei­chen Zugang zu den medizinischen Versorgungsleistungen zu ermöglichen. Es dürfen keine unterschiedlichen Leistungen nach sozialem Status, Alter, Einkommen und so weiter – die Liste ließe sich fortführen – erfolgen. Es geht darum, unser gutes System


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trotz des großen Kostendrucks – und das wissen wir, gerade im Gesundheitssystem – insbesondere hinsichtlich Armutsgefährdung zu gewährleisten.

Wichtig ist das Kapitel Wohnungspolitik gerade in diesem Zusammenhang. Da gibt es viele Herausforderungen. Wohnsicherung für sozial benachteiligte Gruppen bedarf der besonderen Zusammenarbeit von Anbietern, sozialen Diensten und auch der Verwal­tung.

Es gibt natürlich einen nicht unwesentlichen Zusammenhang zwischen Kaufkraft und Armutsgrenze. Bei sinkender Kaufkraft nähert man sich logischerweise schneller der Armutsgrenze. Ich verhehle hier durchaus nicht meine Enttäuschung über die soeben durchgeführte Pensionsanpassung 2004. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.) Wenn auch ein Bündel von Maßnahmen für Senioren geschaffen worden ist – ich möchte jetzt nicht alle Maßnahmen aufzählen, die sehr wohl positiv waren –, ist ge­rade hinsichtlich der Kaufkraft die Inflationsabgeltung für alle dringend anzustreben.

Abschließend darf ich feststellen, dass wir gemeinsam alles zu tun haben, die Situation bezüglich Armutsgrenze und akuter Armut nicht zu unterschätzen und Strategien zur Bekämpfung der Armut zu entwickeln. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

15.52

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Frau Bundesrätin Kerschbaum, darf ich Sie fragen, ob Sie mit 8 Minuten auskommen werden? – Das ist die Zeit, die uns jetzt noch zur Verfügung steht. (Bundesrätin Kerschbaum: Sicher!)

Dann erteile ich Ihnen das Wort. – Bitte.

 


15.53

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Kollege Saller, ich habe jetzt schauen müssen, in welche Richtung Sie weggehen. Als ich vorhin Ihre Ausführungen über die soziale Grundsicherung, an der wir alle arbeiten sollen, gehört habe, habe ich mir gedacht: Es ändert sich vielleicht doch noch etwas! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Zum Sozialbericht möchte ich sagen: Meines Wissens ist er im Nationalratsausschuss noch nicht beschlossen worden, was mich etwas verwundert hat. Ich weiß nicht – der eine aus dem Jahr 1999 ist etwas überwuzelt, der andere wieder ist sehr frisch und noch nicht beschlossen. Aber es geht ja mehr um den Inhalt der Sache.

Die Ausgaben für die Arbeitslosigkeit sind laut diesem Sozialbericht im Zeitraum von 1990 bis 2000 um drei Viertel gestiegen, und zwar nicht dadurch, dass die einzelnen Personen mehr Geld bekommen hätten, sondern einfach dadurch, dass es mehr Leis­tungsbezieher geworden sind. Die Konsequenz aus diesem Bericht: Statt der Not­standshilfe gibt es zukünftig nur noch Sozialhilfe. Die zahlt das Land, und dann belastet es den Bund nicht mehr so.

Ein weiterer Punkt in dem Bericht ist die Sozialversicherung. 96 Prozent der Ausgaben in der Sozialversicherung werden in Leistungen für die Versicherten gesteckt. Die Kon­sequenz, die wir daraus ziehen, ist, dass wir von der Pflichtversicherung zur Versiche­rungspflicht kommen wollen. Welche private Versicherung wird dann nur 4 Prozent Verwaltungsaufwand verrechnen?

75 Prozent der Pensionsleistungen liegen unter 1 000 €. Mit der Pensionsreform, die wir heuer beschlossen haben, wird diese Gruppe sicher noch größer.

Was wir heute schon zweimal gehört haben: 11 Prozent der Bevölkerung sind armuts­gefährdet – das sind 888 000 Personen –, und 4 Prozent sind von akuter Armut be­troffen.


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Ich finde, der Bericht ist sehr informativ, aber die Konsequenzen daraus sehe ich ein­fach nicht. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

15.55

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Herr Bundesrat Gudenus, genügen Ihnen 6 Minuten?

Ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.

 


15.55

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Die Frau Präsidentin fordert mich zu etwas auf, was mit „Sechs“ zu tun hat, und zwar mit 6 Minuten. Ich komme der Aufforderung nach. (Heiterkeit.)

Es geht um die Berichte über die soziale Lage: den Sozialbericht 1999 und den Sozial­bericht 2001. Insbesondere von Bedeutung zu sein scheint mir im Sozialbericht 1999, dass die Vorbereitung des Kindergeldes schon andiskutiert worden war, sodass dies dann auch tatsächlich eingeführt werden konnte.

Im Jahre 1999 wurde auch die Kriegsgefangenenentschädigung für die Wiederaufbau­generation eingeführt. Ich gebe zu – und viele von uns wissen es –, es ist ein geringer Betrag, den diese Aufbaugeneration bekommt, und er wird sehr streng dem Gesetz nach ausgezahlt, ganz anders als bei denjenigen, die dem Versöhnungsfondsgesetz unterliegen.

Das Armutskapitel für die Vierjahresperiode von 1994 bis 1997 umfasst 240 000 Men­schen, die langzeitarmutsgefährdet waren, davon damals 80 000 mit akuter Langzeit­armut.

Zum Sozialbericht 2001 – 2002: Wir haben vor wenigen Minuten gehört, dass der Meilenstein dieses Sozialberichts das Kinderbetreuungsgeld ist. Ob es jetzt die ÖVP an sich reißt oder die FPÖ (Bundesrat Schennach: Die Mutterschaft!), oder ob wahr­scheinlich glücklicherweise auch SPÖ und Grüne sagen, das ist eine Idee, die uns allen zugute kommt: Wir haben es alle gemacht. Ich glaube, wir haben es alle geschaf­fen, wenn auch Vaterschaft und Mutterschaft bei den Freiheitlichen gemeinsam in einer Partei sind. Aber ich freue mich, wenn es die anderen für sich arrogieren: Das zeigt, es ist ein gutes Werk! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Es wurde in dem Zeitraum auch die Behindertenmilliarde für 22 000 Menschen, die in 700 Projekten unterstützt werden, geschaffen. Es wurde die Familienhospiz stark betont und unterstützt. Es wurde die Erstellung eines gesamtösterreichischen Gesund­heitsplanes ermöglicht, es wurden Gruppenpraxen eingeführt, die für die medizinische Betreuung der österreichischen Bevölkerung sicherlich von Bedeutung sind.

Die damalige Seuche BSE – heute redet ja niemand mehr davon – war etwas, was uns auch hier im Hohen Haus stark beschäftigt hat. Das wurde vorbildlich bekämpft, zum Nutzen der österreichischen Bauern, zum Nutzen der österreichischen Konsumenten und auch zum Nutzen derjenigen, die unsere Produkte exportiert haben, welche dann im Ausland konsumiert worden sind.

Die Errichtung einer Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit ist ein weiterer Schritt gewesen, der sich in dieser Zeit besonders auszeichnet.

Die Sozialausgaben über den Zeitraum beider Berichte liegen relativ konstant zwi­schen 28 und 29 Prozent. Österreich liegt damit sehr gut, im europäischen Vergleich im oberen Mittelfeld und knapp über dem EU Durchschnitt.


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Ich hoffe, ich habe „Sechs“ nicht überschritten. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

15.59

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Es ist bis 16 Uhr nur noch kurz Zeit. Ich sehe, der Herr Staatssekretär ist schon im Saal.

Wir unterbrechen jetzt die Beratungen über diesen Tagesordnungspunkt und gehen in die Debatte zur Dringlichen Anfrage ein.

Dringliche Anfrage

der Bundesräte Stefan Schennach, Albrecht Konecny, Kolleginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den aktuellen Begutachtungsentwurf für ein Bundestierschutzgesetz (2128/J-BR/03)

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gelangen nun zur Verhandlung der Dringlichen Anfrage der Bundesräte Stefan Schennach, Prof. Albrecht Konecny, Kolle­ginnen und Kollegen an den Bundeskanzler betreffend den aktuellen Begutachtungs­entwurf für ein Bundestierschutzgesetz.

Da die Dringliche Anfrage inzwischen allen Bundesrätinnen und Bundesräten zugegan­gen ist, erübrigt sich deren Verlesung durch die Schriftführung.

Ich erteile nun Herrn Bundesrat Schennach als erstem Anfragesteller zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort.

 


16.00

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! In der Biographie des Herrn Staatssekretärs Morak und in meiner war es nicht vorgesehen, dass wir uns an diesem Tag hier wiederfinden und über den Tierschutz in Österreich zu diskutieren beginnen, nämlich der Medien-Staatsekretär der Regierung und der Medien-Sprecher der Grünen, aber es zeigt, wie breit dieses Thema auch in der Bevölkerung diskutiert wird und dass es nicht wie damals, so wie früher bei Ihnen, des Kollegen Steinbichler und anderer bedurfte oder vielleicht des Veterinärmediziners Herbert Haupt aus der Regierung, dieses Thema zu diskutieren, denn 1996 – und daran sollten wir uns alle heute erinnern – haben beinahe eine halbe Million Menschen das Tierschutz-Volks­begehren in Österreich unterschrieben, und hinter dieser halben Million stehen wahr­scheinlich noch einmal so viele.

Man kann also sicher sagen, dass in Österreich 1 Million Menschen von dem Gedan­ken um den Tierschutz beseelt ist und sich in dieser Richtung engagiert. Deshalb auch von hier ein Dank an die NGOs, an die Organisationen und verdienten Persönlich­keiten, die seit zehn Jahren und länger unermüdlich um ein neues Recht im Bereich des Tierschutzes kämpfen, wie zum Beispiel der Verein gegen Tierfabriken, die „Vier Pfoten“, der Bund der Tierversuchsgegner, die Bio-Bauern, die erstmals die artge­rechte Haltung auf die Tagesordnung brachten.

Ziel all dieser Bemühungen, dieser Tausenden ehrenamtlichen Stunden von Men­schen, die sagen: Tier ist nicht Sache!, war es, den Tierschutz als eine Zielbestimmung in die österreichische Bundesverfassung aufzunehmen. Ziel war weiters die Errichtung einer unabhängigen Tieranwaltschaft und nicht zuletzt – und deshalb betone ich die Tausenden Stunden auf den Straßen, bei Protesten vor Legebatteriekäfigen, ange­sichts fürchterlicher Zustände bei der Nerztierhaltung und so weiter – die ideelle und finanzielle Förderung des Tierschutzes.


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Man muss sich in diesem Zusammenhang fragen: Was haben denn die vorzeitigen Neuwahlen gebracht? – Ich habe damals hier vom Rednerpult aus gesagt, dass sie zwei Dinge gebracht haben, nämlich: eine Veränderung der Kräfte innerhalb der Bun­desregierung und den Bundestierschutz. – Damals haben Sie alle applaudiert, heute nicht.

Jetzt haben wir den Entwurf eines Bundestierschutzgesetzes, aber ich sage Ihnen, meine Damen und Herren – und auch die öffentliche Diskussion zeigt das –: Das, was derzeit vorliegt, ist eine Karikierung dessen, wofür diese Menschen seit 1996 und länger eingetreten sind. Dieser Entwurf zum Tierschutzgesetz ist ein Skandal!

Im österreichischen Tierschutzbereich – und das sagen Rechtsexperten; lassen Sie mich noch einen kleinen gedanklichen Ausflug machen – herrscht ein Vollzugsnot­stand. Tierschutzvergehen gelten in Österreich als Kavaliersdelikte. Wissen Sie, wie hoch der Prozentsatz von Anzeigen wegen Tierquälerei ist? – 0,0002 Prozent! Das heißt in anderen Zahlen: Nur jede fünftausendste Tierquälerei kommt überhaupt zur Anzeige! Ganz anders als in allen anderen Strafsachen gibt es nur 12 Prozent Verurtei­lungen. – Die Mathematiker unter Ihnen können dann weiter rechnen, was ein Zwölftel von 0,0002 ist.

Dabei ist die Aufnahme von Tierrechten in den Rechtskodex eine uralte Materie. Im  Kodex Hammurabi – der Herr Professor Böhm lächelt; er weiß, wovon ich rede; das ist der älteste Rechtskodex des Königs von Babylon und stammt aus der Zeit von un­gefähr 1600 vor Christi – ist zum ersten Mal festgeschrieben worden, dass es einen Unterschied zwischen Personen, Tieren und Sachen gibt. In Österreich aber und auch in der EU wurde in den letzten Jahrzehnten zwischen Tieren und Sachen keine Tren­nung vorgenommen. Gerade im Nutztierbereich ist das Tier nur ein Produktionsfaktor, und seit Jahrzehnten ist das die Grundlage, die ideelle Grundlage der Massentier­haltung und damit der – sagen wir es so, wie es ist – Tierquälerei.

Der Agrarbereich kennt und will ihn nicht, und genau deshalb wehrt sich auch die ÖVP so, der Agrarbereich will keinen individuellen, sondern nur einen kollektiven Tier­schutz. Was heißt „kollektiver Tierschutz“? – Das Tier ist nur Teil der Produktions­stätte.

Genau deswegen haben Hunderttausende Menschen unterschrieben! Sie wollen eine Tieranwaltschaft, und zwar eine Tieranwaltschaft, die von sich aus Rechte erklärt und einklagt. Aber dieser vorliegende Entwurf, meine Damen und Herren, hat, so heißt es in der politischen Sprache, hat blinde Flecken, und zwar blinde Flecken überall dort, wo es um den Agrarbereich, um den Landwirtschaftsbereich geht. Dieser Entwurf hat aber nicht blinde Flecken, er hat eine epidemische Blindheit durch den gesamten Entwurf hindurch. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Dass die Forderung nach einer Tieranwaltschaft keine Traumtänzerei ist, meine Damen und Herren, zeigen einige Beispiele im nahe gelegenen Ausland. Gerade hier wird ja immer die Schweiz in vielen Debatten als so vorbildlich gelobt. Der Kanton Zürich hat einen eigenen Rechtsanwalt für Tierschutz in Strafsachen. In der Schweiz wurde der Kreatur unmittelbares Recht zugesprochen, und Deutschland hat ein Grund­gesetz geschaffen, genau das, was wir für Österreich seit Jahrzehnten fordern. Das heißt, der Staat schützt auch in der Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere. Das ist eine Formulierung, die Sie uns nicht geben wollen. Diese Formulierung wollen Sie uns auch in diesem Entwurf, der nun vorliegt, nicht geben.

Ein Rechtsgut Tierschutz bedeutet, meine Damen und Herren, dass der Tierschutz für die Staatsorgane bindend wird, und daher ist es notwendig, eine solche Staatsziel­bestimmung zu machen.


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Aber auch aus ethischer Sicht muss man festhalten: Es gibt keinen Unterschied, grundsätzlich sind alle Tiere gleich, unabhängig von ihrer Art und unabhängig von der Form der Nutzung. Aber der Entwurf, den Sie hier diskutieren, bedeutet letztlich einen Zwei-Klassen-Tierschutz: auf der einen Seite die Rechte für Pudel & Co – und auf der anderen Seite die Rechte für Legebatteriehennen und für Schweine.

Das, meine Damen und Herren, ist unanständig! Tierschutz – und das kommt auch in diesem Entwurf zu wenig heraus – ist Menschenschutz. Das bedeutet Lebensmittel­sicherheit, das bedeutet Förderung der Tiergesundheit.

Kommen wir nun zu Ihrem Entwurf im Detail. – Was ist von den drei zentralen Forde­rungen – Zielbestimmung, Tieranwaltschaft und Förderung des Tierschutzes – geblie­ben? – Ein kleiner, mickrig kleiner Tierschutzbeirat ohne Funktion.

Nun muss ich – und der Herr Staatssekretär hat ja heute in der Fragestunde zu einem ganz anderen Thema bereits darauf hingewiesen – noch mehr ins Detail gehen als Sie. Sie haben ja betont, was es da für Neuerungen gibt.

Meine Damen und Herren, zu diesen „Neuerungen“: In diesem Gesetz steht drinnen: Verbot der Pelztierhaltung. – Wissen Sie, was Stand des Gesetzes derzeit schon ist, was gesetzliche Realität ist? – Keine Pelztierhaltung in Österreich. Also ist das keine Neuerung!

Das Verbot der Wildtierhaltung im Zirkus haben Sie angesprochen. Verbot der Wildtier­haltung im Zirkus – ab 2005 bereits gesetzliche Realität.

Verbot des Kupierens von Rute und Ohren beim Hund – eine „Neuerung“. Verbot des Kupierens von Rute und Ohren beim Hund ist bereits Realität; Artikel-15a-Verein­barung.

Nächste „Neuerung“: Verbot von Stachelhalsbändern und elektrisierenden Ausbil­dungsgeräten. – Es ist das Verbot von Stachelhalsbändern und elektrisierenden Aus­bildungsgeräten bereits gesetzliche Realität; 15a-Vereinbarung.

Bei der nächsten „Neuerung“ kommen wir zur Abschwächung dessen, was ist, und das ist gerade aus Sicht des Bundesrates besonders bedauerlich, weil einige Bundeslän­der, vor allem zum Beispiel Salzburg, sich bemüht haben, in einer offenen Diskussion und vielleicht auch, was Salzburg angeht, unter dem Eindruck der Tiertransporte über die Grenze – auch in Tirol gab es diese Diskussion – beispielhaft voranzugehen. Dort gab es bereits Mindestanforderungen bei der Tierhaltung im außerlandwirtschaftlichen Bereich. Dieser Entwurf schiebt das aber in die Verordnungsermächtigung ab. Mindest­anforderungen an die Tierhaltung bei landwirtschaftlichen Nutztieren fallen nunmehr unter eine Verordnungsermächtigung. Oder: Verbot der dauernden Anbindehaltung. Das ist in mehreren Bundesländern so definiert, und das gibt es bereits – aber in die­sem Entwurf ist das nicht definiert!

Meine Damen und Herren! Wir wollten mit dem Bundestierschutzgesetz die Zersplitte­rung bekämpfen: neun Bundesländer – neun unterschiedliche Regelungen, wie man mit Tieren umgeht, wie man – sagen wir es einmal pathetisch – auch einen gewissen Respekt gegenüber Tieren hat. Das wollten wir vereinheitlichen. Wir wollten, dass ein Schwein in Vorarlberg gleich behandelt wird wie ein Schwein in Wien oder ein Schwein im Burgenland. Aus diesen neun Regelungen wollten wir eine machen.

Sie machen aber nicht aus neun eine – Sie machen aus neun 17! So haben wir uns – und das hat sogar schon einmal Jürgen Weiss hier gesagt – das Abtreten von födera­len Rechten nicht vorgestellt: dass nun acht Ministerien, inklusive Bundeskanzleramt, dafür zuständig sind. Es werden natürlich keine Bundes-Tierschutzämter errichtet, son-


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dern es geht über die mittelbare Bundesverwaltung an die Landeshauptleute, und die Landeshauptleute beauftragen wieder jene Landesräte, die das vorher besorgt haben.

Meine Damen und Herren! Jetzt ist niemand mehr für etwas zuständig! Vorher war zu­mindest noch die Zuständigkeit bei neun noch erkennbar, und man konnte sagen, dass es drei, vielleicht vier Bundesländer gibt – übrigens zeichnet sich die absolute Öde in Niederösterreich ab –, die sich bemüht haben, zumindest etwas zu verändern. Aber jemand hat sich in diesen Entwurf überall hineingeschlichen, nämlich der Landwirt­schaftsminister, er hat nahezu ein Vetorecht gegen alles!

Zum Beispiel ist das Kupieren von Ohren, Schwanz und Schnabel eines Tieres künftig generell verboten. Ausnahme: landwirtschaftliche Nutztiere.

Qualzüchtungen sind verboten. – Ausgenommen: die Landwirtschaft.

Es gibt ein Verbot beim schmerzhaften Eingriff bei Tieren. – Ausgenommen: die Land­wirtschaft.

Was man ja zumindest hätte hoffen können angesichts einer aufwachenden, ja schon wachen Konsumentenbewegung, die wir auch in Österreich haben: dass man zumin­dest – etwas, das manche Supermarktkette bereits von sich aus macht – das Stallsys­tem kennzeichnen lässt, dass man sagt: artgerechte Tierhaltung, wie auch immer, Bodenhaltung und so weiter, im Sinne eines Tiergerechtigkeitsindexes. Nichts davon! Nichts! Das läuft maximal wieder auf ein Freiwilligkeitspickerl hinaus, etwas, was wir schon haben und was uns keine Rechtssicherheit gewährt.

Herr Direktor Pechlaner, der nun zum Zeitzeugen für dieses Gesetz wird, hat am 10. April 2003 im Parlament erklärt: Für mich gibt es keinen vernünftigen Grund, der gegen eine österreichweit einheitliche Regelung des Tierschutzes spricht, außer das Parlament würde sich dazu versteigen, eine bundeseinheitliche Regelung auf einem Niveau zu verabschieden, das für die Tiere in einzelnen Bundesländern eine Ver­schlechterung bedeutet.

Herr Pechlaner! Sie haben sich mit diesem Satz zum Kronzeugen gegen diesen Ent­wurf gemacht! (Bundesrat Mag. Gudenus: Der ist ja nicht anwesend!) Herr Pechlaner spricht, wie ich meine, hier für diesen von der ÖVP geschriebenen Entwurf. Ich sage hier an die Adresse des Herrn Pechlaner – er tritt ja auch medial in diesem Zusammen­hang auf –: Für die Legehennen wird es schlechter, denn in mindestens drei Bundes­ländern gibt es bessere Regelungen als hier. Das heißt, Sie haben hier eine gute Idee pervertiert, indem Sie eine Nivellierung nach unten gemacht haben. In genau fünf Bun­desländern ist bereits die Käfighaltung von Legehennen nicht mehr erlaubt!

Der Herr Staatssekretär hat auch die Vollspaltböden in der Schweinehaltung angespro­chen. Das ist in Salzburg, Tirol und Wien verboten, aber in dem vorliegenden Entwurf gibt es kein generelles Verbot, dafür allerdings einen Blankoscheck für den Landwirt­schaftsminister. Er kann ermächtigen, ermächtigen und ermächtigen! Er kann die Haltung von landwirtschaftlichen Nutztieren ermächtigen, er kann die Haltung von Wild­tieren ermächtigen, er kann die Haltung von Tieren im Zirkus, von Tieren im Rahmen gewerblicher Tätigkeiten ermächtigen, er kann beim Transport von Tieren ermächtigen, er kann die Kennzeichnung von Stallsystemen ermächtigen, er kann nähere Bestim­mungen hinsichtlich des Schutzes von Tieren bei der Schlachtung und Tötung festset­zen und auch in diesem Bereich ermächtigen, er kann bei den Schlachthöfen ermäch­tigen, er kann bei den Stachelhalsbändern ermächtigen, er kann bei der Ausbildung von Diensthunden der Sicherheitsexekutive ermächtigen.

Das ist der „Veto-Minister“, der Macht-Minister, der nun tun kann, was er will, und die­ses Gesetz verdient den Namen Tierschutzgesetz nicht! Es ist ein Tiergesetz für den


Bundesrat
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Herrn Landwirtschaftsminister, aber eine Bankrotterklärung für den Tierschutz in Öster­reich!

Eines an die Adresse der – wie soll ich sagen? – Parteichefin der FPÖ gerichtet: Ich meine, in Ihren Reihen waren einige, die diese Initiativen unterstützt haben. Sie haben einen sachkundigen Minister, der zwar nicht zuständig ist, aber sachkundig, und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die FPÖ bei dieser Nivellierung des Tierschutzes und bei diesem Entwurf eines Feigenblattes unter dem Namen „Bundestierschutzge­setz“ einmal mehr über den Tisch ziehen lässt.

Deshalb, meine Damen und Herren: Nützen wir die Gelegenheit! Noch ist das Gesetz nicht im Nationalrat, noch ist das Gesetz draußen, noch haben wir die Möglichkeit der öffentlichen Debatte. Wir könnten diesen Gesetzentwurf zum Beispiel im Geiste des­sen, was bei der parlamentarischen Enquete von Festetics und Pechlaner – Pechlaner sollte, glaube ich, seine eigene Rede nachlesen, die er im Nationalrat gehalten hat – gesagt wurde, überarbeiten.

Es wäre gut, wenn die ÖVP endlich sagen würde: Wir können vielleicht mit einem Zeh über den Schatten springen! – mit einem ganzen Fuß rechnen wir ohnehin nicht –, und endlich diese Blockadepolitik aufgeben würde, diese Blockadepolitik, die sie seit zehn, 15 Jahren betreibt, was den Tierschutz betrifft. Dann könnten wir hier aus dem Bun­destierschutzgesetz noch etwas Sinnvolles machen.

Ansonsten kann ich nur sagen: Versuchen wir wieder, mit jenen Bundesländern auf föderaler Basis zu arbeiten, die bezüglich des Tierschutzes einen beispielhaften Weg vorangegangen sind, und ersparen wir uns das Trauerspiel Tierschutzgesetz! – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.20

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zur Beantwortung der Dringlichen An­frage hat sich Herr Staatssekretär Morak zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Staatssekre­tär.

 


16.20

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Franz Morak: Frau Präsidentin! Werte Kolle­ginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich habe es heute schon in der Frage­stunde sagen dürfen und ich sage es noch einmal: Ich würde ersuchen, dass wir aus so einer Materie, die vielen von uns, auch mir persönlich, sehr nahe geht, keine Reli­gionskriege machen.

Es sind heute viele Dinge hier zitiert worden. Herr Bundesrat Schennach, ich weiß, Sie sind in vielen Dingen, die wir auf sachlicher Ebene miteinander teilen, ein sehr wohl­meinender Kollege. Ich würde Sie aber dennoch bitten: Schauen Sie sich den Entwurf noch einmal an! Schauen Sie sich an, mit welcher Akribie er von allen, die daran beteiligt waren, bearbeitet worden ist! Ich sage Ihnen nur beispielsweise zu dem Punkt Qualzüchtungen: Das Verbot gilt auch für die Landwirtschaft! Noch einmal: Einige Punkte, die Sie hier angeführt haben, die stimmen so nicht, wie Sie sie dargestellt haben. Daher: Lesen Sie sich den Entwurf noch einmal durch! Ich bitte um eine faire und gute Diskussion in diesem Zusammenhang.

Wie Sie wissen – es ist schon angeklungen –, hat der Bundeskanzler dieser Woche diesen Entwurf der Öffentlichkeit präsentiert und zur Begutachtung ausgeschickt. Ich glaube, wir sollten auch die Begutachtungszeit nützen und das fair und, soweit das möglich ist, sine ira et studio diskutieren. Ich weiß, es ist eine sehr heiße Materie, und zwar heiß in dem Sinne, dass wir sehr betroffen sind von den Bildern, die wir in diesem Zusammenhang im Kopf haben, die teilweise über das Fernsehen kommen. Aber ich


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sage Ihnen auch gleich: Teilweise sind sie natürlich nicht aus Österreich, sondern mög­licherweise aus anderen Teilen der Welt.

Dieser Gesetzentwurf – davon bin ich fest überzeugt und auch viele Leute, die daran mitgearbeitet haben – ist ein Meilenstein in Bezug auf die Tierschutzgesetzgebung in Österreich, ein einheitliches Recht für alle Tiere in Österreich. Man sollte den Direktor Pechlaner in diesem Falle nicht denunzieren. Sie wissen ganz genau, wie engagiert er ist. Sie kennen auch seine Erfahrung, und Sie wissen auch, dass er durchaus in der Lage ist, sich eine unabhängige Meinung, ganz gleich, welche Regierung auch immer am Werk ist, zu bilden und sie auch zu sagen, und zwar so zu sagen, dass sie wirklich alle hören. Wenn er davon spricht, dass dieser Entwurf das modernste Tierschutzge­setz Europas enthalte, dann würde ich Sie bitten, darüber einmal nachzudenken.

Ihm und den beiden anderen Experten Universitätsprofessor Dr. Troxler für den Be­reich landwirtschaftliche Nutztiere und Mag. Gsandtner, dem für den Heimtierbereich der MA 60 zuständigen Leiter, sei für ihr Engagement in den letzten Wochen beson­ders gedankt. Zusätzlichen Dank möchte ich hier an dieser Stelle auch Stadträtin Mag. Brauner, die den Experten Mag. Gsandtner für die erforderliche Beratungszeit zur Verfügung gestellt hat, sagen.

Natürlich bin ich mir und wahrscheinlich jeder, der hier sitzt, dessen bewusst, dass der eine hier oder dort noch weitere Maßnahmen setzen möchte, aber unser Ziel war es, für alle Tiere in ganz Österreich gleich gute Bedingungen zu schaffen und nicht für einige Tiere exzellente, für andere nur akzeptable oder gar schlechte zu haben. Das müssen all jene bedenken, die mit pauschalen Forderungen kommen: Auch im Bereich des Tierschutzes bewegen wir uns im Rahmen von Realitäten, sei es gesetzlicher, aber auch wirtschaftlicher Natur.

Wir sind selbstverständlich für konstruktive Vorschläge im Rahmen der Begutachtung offen, die Begutachtungsfrist ist sechs Wochen. Für die parlamentarischen Verhand­lungen hoffe ich im Sinne gemeinsamer, jenseits der Parteipolitik stehender Gespräche auf konstruktive Beiträge aller Parlamentsparteien. Dieses Engagement ist umso mehr einzufordern, als es im Interesse der Tiere unerlässlich ist.

Zu den Fragen 1, 2, 4, 6, 8, 9, 10, 11 und 13:

Die Fragen sind nach dem vorliegenden Entwurf für ein Tierschutzgesetz des Bundes Regelungsgegenstand von Durchführungsverordnungen, die von einer einheitlichen Stelle zu erlassen sein werden. Entsprechend dem Vorschlag der drei Experten wird dies der Bundesminister für Gesundheit und Frauen sein. In Bezug auf landwirtschaft­liche Nutztiere wird dies im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geschehen.

Insbesondere möchte ich darauf hinweisen, dass im Bundestierschutzgesetz keine Ermächtigung, sondern eine Verpflichtung zur Erlassung solcher Verordnungen vor­gesehen ist. Es war der ausdrückliche Wunsch der drei Experten, dass neben einem stringenten Gesetz möglichst viele Detailbereiche in Form von Verordnungen geregelt werden, um eine rasche Berücksichtigung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gewährleisten. Es ist vorgesehen, dass die betreffenden Verordnungen bereits bei der parlamentarischen Beschlussfassung über das Gesetz vorliegen und gleichzeitig mit dem In-Kraft-Treten des Tierschutzgesetzes gelten.

Zur Frage 3:

Dem Standard der staatsrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Ländern gemäß Artikel 15a B-VG über den Schutz von Nutztieren in der Landwirtschaft entsprechend gilt das Verbot der dauernden Anbindehaltung auch für landwirtschaftliche Nutztiere. Eine „dauernde Anbindehaltung“ liegt nach den Erläuterungen dann vor, wenn die Be-


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wegungsmöglichkeit von Tieren in der Weise eingeschränkt wird, dass sie ihren Stand- beziehungsweise Liegeplatz nie verlassen dürfen.

Zur Frage 5:

Im Zusammenhang mit der Überwachung und Kontrolle des Tierschutzes in der Land­wirtschaft darf ich auf die im § 35 des Entwurfes vorgesehene Verpflichtung zur syste­matischen Kontrolle verweisen. Die nähere Ausgestaltung soll, wie dies auch in Vorarl­berg geschehen ist, im Verordnungsweg geregelt werden.

Zur Frage 7:

Fragen zur Regelung des Handels und der Kennzeichnung von Lebensmitteln sind nicht Gegenstand des Tierschutzgesetzes. Im Übrigen ist seitens des Bundesministe­riums für Gesundheit und Frauen vorgesehen, diese Frage bei der bevorstehenden Überarbeitung des Lebensmittelrechtes zu berücksichtigen.

Zur Frage 9:

Die jeweils höchsten Standards sind gerade von denjenigen Bundesländern aufgestellt worden, in denen die wenigsten praktischen Anwendungsfälle vorhanden sind. Daher muss ein bundesweites Tierschutzgesetz auf eine Ausgewogenheit im Sinne gesamt­österreichischer Interessen Rücksicht nehmen. – Ich habe bereits in der heutigen Fragestunde auf die Auswirkungen eines österreichweiten Verbots der Käfighaltung von Legehennen anhand des Beispiels der Schweiz hingewiesen.

Zu den Fragen 10 und 11:

Ja, das Kupierverbot und das Gebot, dass besonders schmerzhafte Eingriffe nur von einem Tierarzt und nach wirksamer Betäubung vorgenommen werden dürfen, gilt grundsätzlich auch für landwirtschaftliche Nutztiere. Zur Frage der Verordnung verwei­se ich auf die Beantwortung des ersten Fragenkomplexes betreffend Verordnungen.

Zur Frage 12:

Das Verbot der Qualzüchtungen gemäß § 5 Abs. 2 Z 1 ist ein allgemeines Verbot, wie ich es am Anfang schon gesagt habe, und gilt demnach auch für landwirtschaftliche Nutztiere.

Zur Frage 14:

Die Beantwortung der Frage 14 fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes­kanzleramtes.

Zur Frage 15:

Nach dem vorliegenden Entwurf ist die Einführung einer Kennzeichnung serienmäßig hergestellter Elemente für die bauliche Ausstattung der Unterkünfte und Haltungs­vorrichtungen, die den Anforderungen einer modernen Tierhaltung nach diesem Bundesgesetz entsprechen, vorgesehen. Das Nähere dazu wird vom Bundesminister für Gesundheit und Frauen im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft geregelt. Gerade weil intendiert ist, eine solche Bestimmung zu vollziehen, ist es notwendig, im Gesetz eine Formulierung zu wählen, die es ermöglicht, bei der vorgesehenen Festlegung durch Verordnung noch mehrere fachlich sinnvolle Modelle zu prüfen. An einem Regelungsmodell wird in Expertenkreisen seit längerem gearbeitet. Insbesondere wird zu berücksichtigen sein, dass das Regelungsmodell sinnvoll umsetzbar und mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften insbesondere betreffend die Freiheit des Warenverkehrs und des Wett­bewerbs vereinbar ist.


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Zur Frage 16:

Es bestehen Vorbehalte, ob durch die Einrichtung einer Tieranwaltschaft wirklich ein besserer Tierschutz gewährleistet werden kann. Ich darf in diesem Zusammenhang insbesondere auch auf die Ausführungen von Direktor Pechlaner anlässlich eines ORF-Interviews vom 24. November 2003 verweisen, in dem dieser die Tierschutzan­waltschaft, wie sie im Tierschutzvolksbegehren vorgesehen ist, als unbrauchbar ein­stufte.

Im Entwurf des Tierschutzgesetzes ist dementsprechend vorgesehen, dass jedes Bun­desland einen Tierschutzbeauftragten hat und im Tierschutzrat der Bundesregierung sitzt, und zwar im einzigen Ministerium, das für Tierschutz zuständig ist, nämlich dem Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, in dem auch die Veterinärverwaltung angesiedelt ist.

Darüber hinaus gibt es auch einen Tierschutzrat, der die Verordnungen mit vorbereitet und beurteilt. Im Tierschutzrat treffen sich auch die Tierschutzbeauftragten der Bun­desländer. Damit ist auch unter Berücksichtigung der sonstigen im Gesetzentwurf vor­gesehenen Mechanismen und Strukturen, wie beispielsweise verpflichtende Kontrolle, Verbesserungsauftrag, wirksame Verwaltungsstrafe, bis hin zu Tierhaltungsverbot, im Ergebnis eine sehr gute Lösung gefunden worden.

Meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.31

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass gemäß § 61 Abs. 7 der Geschäftsord­nung die Redezeit eines jeden Bundesrates mit insgesamt 20 Minuten begrenzt ist.

Zum Wort gemeldet ist als Erster Herr Bundesrat Konecny. – Bitte.

 


16.31

Bundesrat Albrecht Konecny (SPÖ, Wien): Frau Präsidentin! Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Ich war ziemlich fassungslos, als ich den Entwurf dieses Bundes­gesetzes durchgesehen habe, aber ich gestehe freimütig: Ich bin nach Ihren Erläute­rungen dazu, Herr Staatssekretär, noch um einiges fassungsloser!

Es gibt naturgemäß – dafür gibt es auch umgangssprachliche Formulierungen – eine beträchtliche Reserve der Bevölkerung bei politischen Erklärungen, die relativ knapp vor Wahlen erfolgen. Aber wenn wir schon über neue Bundesgesetze sprechen, dann wäre vielleicht im Zuge der Konventsberatungen eine Verfassungsbestimmung ange­bracht, dass bei Erklärungen von ÖVP-Politikern vor Wahlen so ein Warnhinweis wie auf den Zigarettenpackungen aufscheinen muss (Beifall bei der SPÖ), dass das nicht so ganz ernst zu nehmen ist.

Frau Rauch-Kallat hat uns – vor der Wahl naturgemäß – versprochen, dass wir nicht mit einer Anhebung des Pensionsantrittsalters rechnen müssen. Der Herr Bundeskanz­ler hat uns ein bundeseinheitliches Bundestierschutzgesetz versprochen. Er hat tat­sächlich eines eingehalten: Es gibt mehrere Seiten Text, über denen das Wort „Bun­destierschutzgesetz“ steht. Formal hat er, nach einiger Nachhilfe, dieses Versprechen gehalten, inhaltlich nicht. Eines ist klar: Die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz ist ja nicht von verrückt gewordenen Zentralisten erhoben worden, die bei dem Gedanken, es könnte neun Landestierschutzgesetze geben, irgendwie Bauchschmerzen bekommen haben. Dahinter stand die Überlegung, dass – und ich habe das heute in einem ganz anderen Zusammenhang schon einmal gesagt – der in jeder Einzelfrage erreichte höchste Standard, den ein pionierhaftes Bundesland für


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möglich hält, Bestandteil unserer Gesamtrechtsordnung werden soll, dass wir im Sinne einer Best-Practice-Politik uns aus neun Landesgesetzen die besten Bestimmungen zusammenholen und daraus ein Gesetz machen.

Der Herr Bundeskanzler muss da irgendetwas missverstanden haben. Es ist ziemlich genau das Gegenteil geworden. Wir haben uns oder Sie haben sich, wir ja nicht, aus neun Landesgesetzen die Lücken und die Fehler geholt und haben darüber „Bundes­tierschutzgesetz“ geschrieben. Ich werde Ihnen dann noch zu der sorgfältigen Vorbe­reitung etwas sagen, Herr Staatssekretär. Sie haben – Sie nicht, entschuldigen Sie, ich sage immer „Sie“, aber Sie sitzen halt stellvertretend hier, Sie haben sich Ihr Schicksal ausgesucht, da müssen Sie sich auch im Tierschutz attackieren lassen; das ist nicht Ihre eigentliche Profession, das ist mir durchaus bewusst, ich bitte also pauschal um Entschuldigung, es wird noch ein paar Mal vorkommen.

Es ist klar, die Vorbereitungen dieses Gesetzes sind mit Experten durchgeführt wor­den, aber man hat sich redlich bemüht, all jene draußen zu halten, die die Intentionen des Volksbegehrens irgendwo zu vertreten bereit waren: die Proponenten des Tier­schutz-Volksbegehrens, die Vertreter der wichtigsten Tierschutzorganisationen, aber natürlich auch – das wäre uns am Herzen gelegen – die Vertreter des Konsumenten­schutzes und in aller Bescheidenheit auch die Oppositionsparteien, die ja schließlich dieses Tierschutz-Volksbegehren und die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Gesetz so lebhaft vertreten haben. All die wurden aus dieser Expertenrunde draußen gehalten, und das ließ nun tatsächlich das Schlimmste befürchten, was erfolgreich noch übertroffen wurde. (Vizepräsident Weiss übernimmt den Vorsitz.)

Wir werden mit Sicherheit schon aus grundsätzlichen Erwägungen einem Gesetz, das an sich nur die Fortsetzung von Verordnungsermächtigungen ist, aus verfassungs­rechtlichen, gar nicht aus Tierschutzgründen, nicht die Zustimmung geben können. Die österreichische Rechtsordnung, die österreichische Verfassungsordnung verlangt sehr klar, dass in Bundesgesetzen determiniert wird, was die Richtung und der Inhalt von Verordnungen sein kann. Ganz leidenschaftslos und völlig vom Thema abgehoben die­sen Gesetzestext zu lesen, das heißt nur – über weite Strecken, sage ich einschrän­kend dazu –, einen juristischen Text zu lesen, der Anknüpfungspunkte für freihändig formulierbare Verordnungen bietet, was über weite Strecken offensichtlich auch sein einziger Zweck ist. Dass das gelegentlich in den absurden Widersinn hineingeht, werde ich Ihnen dann an sprachlichen Beispielen zeigen. Das ist nicht der Sinn eines Ge­setzes, das dem Verordnungserlasser, den Bundesministerien völlig freie Hand lässt, wie die Realität, die gesellschaftliche Realität des Tierschutzes ausgestaltet wird.

Herr Bundesminister! Diese Bundesregierung hat uns auch heute eine Fülle von Detail­gesetzen auf den Tisch gelegt. Ich glaube, dass es der Parlamentarismus aushält, Fortschritte auf dem Gebiete des Tierschutzes in regelmäßigen Abständen gesetzlich zu beschließen. Das Argument, dass das über Verordnung rascher ginge, ist hanebü­chen und durchsichtig. Das Parlament wird jedes Jahr im Dezember aufgefordert, alles noch schnell zu beschließen, damit es am 1. Jänner in Kraft treten kann. Manches davon ist sehr unfreundlich. Für den Tierschutz wäre der Gesetzgeber bereit, sehr gerne ein paar Überstunden einzulegen, von den Regierungs- bis zu den Oppositions­parteien. Da arbeiten wir gern so schnell, wie die Beamten Verordnungen zu schreiben in der Lage sind. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es ist nicht akzeptabel, dass ein nicht einmal mittleres Niveau der praktischen Schutz­bestimmungen zur Anwendung kommt, und es ist nicht akzeptabel, dass Beispiel gebende Lösungen – auch von der politischen Farbe her gesagt –, die in sehr unter­schiedlichen Bundesländern erreicht wurden, nun gekappt werden. Herr Staatssekre­tär, es ist auch nicht akzeptabel, dass Sie Regelungen, die sich die Bundesländer gemeinsam in 15a-Verträgen gegeben haben und die Sie jetzt da hineinschreiben, als


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Erfolg und als neuen Standard dieses wundervollen Bundestierschutzgesetzes für sich reklamieren.

Das ist kein taugliches Gesetz! Es beschert noch länger die Möglichkeit, in Österreich Legebatterien zu betreiben. Es bringt einen Zwei-Klassen-Tierschutz, und es bringt die­sen Zwei-Klassen-Tierschutz insbesondere, weil es im besten Fall vage ist. Sie haben uns die Verordnungen gleichzeitig mit dem Bundesgesetz versprochen, das könnte eine andere Art der Debatte möglich machen, jetzt liegen sie jedenfalls im Entwurf nicht vor.

Es kann nicht so sein, dass Hund und Kanarienvogel strengstens geschützt sind, aber dass die große Masse der Tiere, die natürlich in der Landwirtschaft leben und produ­zieren müssen, diesem Gesetz weitestgehend entzogen wird.

Ich bitte Sie, mir jetzt zuzuhören, weil das wirklich ein Stück wunderbarer Vorbereitung und einer geradezu atemberaubenden Formulierung ist.

Sie haben gesagt, es sei alles so gründlich vorbereitet. Ich lese – mit ein paar Aus­lassungen, aber Sie können es gerne kontrollieren – einen Text vor.

§ 32 schreibt vor, dass die Tötung von Tieren nur so erfolgen darf, dass ungerechtfer­tigtes Zufügen von Schmerzen, Leiden, Schäden und schwerer Angst vermieden wird.

Absatz 2 normiert, dass ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden darf, „wenn es vor Beginn des Blutentzugs betäubt worden ist.“ Dann geht der Text folgendermaßen weiter – ich bitte, das mit den Ohren zu genießen –:

„Ausnahmsweise bedarf es keiner Betäubung, wenn ...

... die Behörde eine Bewilligung ... erteilt“. Diese darf aber „nur insoweit erteilt werden, als“

a) Religionsvorschriften,

„b) ... fachgerecht, ...

c) das Tier betäubt wird.“

Also: Die Schlachtung ohne Betäubung darf nur erfolgen, wenn das Tier betäubt ist. – Herr Staatssekretär Morak! Das spricht nicht für eine präzise Vorbereitung dieses Gesetzes. Es ist schlichtweg Unsinn – das wissen Sie auch. Die Experten, die so „hin­gebungsvoll“ daran gearbeitet haben, sollten solche Bestimmungen, wo es evident ist, und ein paar andere, wo meine sprachlichen Kenntnisse mir das nahe legen, aber meine fachlichen Kenntnisse nicht ausreichen, das zu verifizieren, sowie ähnliche Un­sinnigkeiten noch eliminieren.

Es ist das ein Begutachtungsentwurf, der vom Bundeskanzleramt kommt. Die Zustän­digkeit wurde offensichtlich dadurch erklärt, dass der Bundestierschutz zur Chefsache erklärt wurde, was, wie wir seit den Transitverhandlungen wissen, eher einer gefähr­lichen Drohung gleichkommt.

Das Bundeskanzleramt wird offensichtlich auch die Begutachtungsergebnisse bearbei­ten. Ist das eine richtige Vermutung? – Herr Staatssekretär Morak! Ich darf Sie herzlich bitten, dieses Gesetz samt den hoffentlich vorbereiteten Verordnungen nach Einlangen der Begutachtungen einem Expertengremium vorzulegen, in dem gerne die Herren, die Sie genannt haben, aber auch all jene, die Sie nicht drinnen haben wollten, sitzen sollten.

Ich glaube, dass wir uns finden können, aber wir können uns nicht auf der Basis schrankenloser Verordnungsermächtigungen, einer faktischen Ausnahme für die Land­wirtschaft und damit eines Zwei-Klassen-Tierschutzes finden. Das, was wir wollen, was


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die Unterzeichner des Volksbegehrens wollten und was die österreichische Öffentlich­keit will, ist ein Bundestierschutzgesetz, das zusammensammelt, was wir in neun Tier­schutzgesetzen und ein paar Artikel-15a-Verträgen an besten Regelungen haben, und die jeweils höchsten Standards zu einer bundeseinheitlichen Regelung vereint. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

16.43

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Bieringer. Ich erteile ihm das Wort.

 


16.43

Bundesrat Ludwig Bieringer (ÖVP, Salzburg): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Haubner! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Morak! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Konecny, Herr Kollege Schenn­ach, ganz verstehe ich die Aufregung nicht! (Beifall bei Bundesräten der ÖVP.) Die Regierung respektive der Herr Bundeskanzler hat einen Entwurf eines einheitlichen Tierschutzgesetzes vorgelegt. Dieser Entwurf geht sechs Wochen in Begutachtung. Alle dafür zuständigen Stellen des Bundes, der Länder, der Interessenvertretungen ha­ben die Möglichkeit, ihre Stellungnahme dazu abzugeben. (Bundesrat Boden: Genau das machen wir!) Dann wird, so wie es in Österreich Brauch ist, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zugeleitet, und nach der Zuleitung des Entwurfs, eben der Regie­rungsvorlage, wird in den dafür zuständigen parlamentarischen Gremien verhandelt.

Der Herr Bundeskanzler hat, sofern ich das richtig im Kopf habe, erklärt, dass die Ver­ordnungen, die in diesem Gesetz enthalten sind, gleichzeitig vorliegen müssen. Warum daher diese Aufregung?

Fest steht, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass mit diesem neuen Tier­schutzgesetz ein Versprechen umgesetzt wird, nämlich: den Tieren in ganz Österreich denselben Schutz zu geben. Wir stellen damit sicher, dass alle Tiere vom Bodensee bis zum Neusiedlersee denselben Schutz bekommen und gleich behandelt werden und gleich gut geschützt sind.

Manche sagen: Mit diesem Gesetz wird Österreich zum Vorreiter in Europa werden.

Es ist mit den Bundesländern beraten worden, die ja jahrzehntelange Erfahrung in die­sem Bereich haben, und es ist bei den führenden Experten des Tierschutzes Rat und schließlich Begleitung gesucht worden; die Vorschläge sind in dieses Gesetz eingear­beitet worden. Hier ist insbesondere – der Herr Staatssekretär hat es bereits gesagt – Herrn Dr. Pechlaner, Herrn Dr. Troxler und Herrn Mag. Gsandtner für deren fachliche Unterstützung zu danken.

Wie schaut das nun konkret aus? – Die Pelztierhaltung wird verboten. Stachelhalsbän­der oder elektrische oder chemische Dressurgeräte sind nicht erlaubt. Kupieren ist ver­boten, außer es liegen veterinärmedizinische Gründe zum Schutz und zum Wohl des Tieres vor. Tiere müssen in Zukunft von allen – auch von privaten – Haltern in ganz Österreich artgerecht und nach den gleichen Kriterien gehalten werden. Die ständige Anbindehaltung wird verboten. Wildtierhaltung im Zirkus wird ebenfalls verboten. Tier­handlungen und Tierheime brauchen künftig tierschutzrechtliche Bewilligungen. Die Behörde muss sich – nach dem Wiener Modell, das zu begrüßen ist – um entlaufene Tiere kümmern.

Auch in der Landwirtschaft wird es eine Vorwärtsstrategie geben. Es soll ein Pickerl für Stalleinrichtungen geben, das für eine tierschutzgerechte Ausführung von Ställen bürgt. Das soll von Experten ausgearbeitet werden.

Beim Schächten, rituellem Schlachten nach jüdischem oder islamischem Brauch, soll eine Betäubung des Tieres erforderlich sein.


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Bund, Länder und Gemeinden sind in Zukunft verpflichtet, das Verständnis der Öffent­lichkeit für den Tierschutz zu fördern. Vergehen gegen den Tierschutz, gegen die art­gerechte Tierhaltung sowie die Quälerei von Tieren werden einheitlich bestraft. Die Strafen liegen zwischen 3 750 € und 15 000 €.

Die Situation des Tierschutzes in Österreich wird künftig transparent und nachvollzieh­bar sein, weil es Berichte der Bundesländer geben wird, die dann in einem Tierschutz­rat behandelt werden, um dort auf Expertenebene weitere Verbesserungsmöglich­keiten vorschlagen zu können.

Natürlich möchte so mancher hie und da noch weitere Maßnahmen setzen, aber das Ziel war es, für alle Tiere in ganz Österreich die gleichen guten Bedingungen zu schaf­fen – und nicht für einige Tiere exzellente, für andere Tiere nur akzeptable oder gar schlechte Bedingungen zu haben. Das müssen all jene bedenken, die mit pauschalen Forderungen kommen. Auch im Bereich des Tierschutzes bewegen wir uns im Rahmen von Realitäten, sei es gesetzlicher oder auch wirtschaftlicher Natur.

Dieses Gesetz erfüllt die modernsten Ansprüche. Direktor Pechlaner – auch das hat der Herr Staatssekretär gesagt – hat in einem ORF-Interview sogar davon gesprochen, dass es das modernste Tierschutzgesetz Europas sei. Das Tier steht im Mittelpunkt. Seine Haltung wird einheitlich für ganz Österreich auf hohem Niveau geregelt.

Der Tierschutz bekommt mit diesem Gesetz einen neuen, noch höheren Stellenwert, und Österreich ist damit sicher ein guter Platz für Tiere.

Wir sind für konstruktive Vorschläge im Rahmen der Begutachtung offen, aber auch in den parlamentarischen Beratungen, und wir gehen davon aus, dass diese Beratungen gut verlaufen werden, weil es die Tiere verdient haben und weil die Tiere in diesem Land nicht zehn verschiedene Tierschutzgesetze brauchen, sondern nur eines – und das soll das beste von Europa werden! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

16.49

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächste Rednerin ist Frau Bundesrätin Dr. Lichten­ecker. Ich erteile ihr das Wort.

 


16.50

Bundesrätin Dr. Ruperta Lichtenecker (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin Haubner, willkommen auch im Bundes­rat! Herr Staatssekretär Morak! Hohes Haus! Herr Bundesrat Bieringer, Ihre Aussage, dass wir ein einheitliches Tierschutzgesetz brauchen, ist ganz richtig, und das ist ein guter Beginn und ein guter erster Schritt, aber ein noch besserer Beginn wäre es gewesen, auch die Tierschutzorganisationen zu Rate zu ziehen, zu fragen, was denn da wichtig wäre, ebenso die Opposition. Wenn sich sogar die Abgeordneten von der FPÖ darüber beschweren, nicht einbezogen worden zu sein, so ist das doch ein Signal dafür, dass da nicht sehr umfassend gearbeitet wurde.

Nachdem heute Herr Direktor Pechlaner in aller Regelmäßigkeit zitiert wird, möchte ich – bei allen Qualitäten, die ich an ihm schätze, und seiner Fachkompetenz – doch hier sagen: Herrn Direktor Pechlaner sozusagen als oberste Instanz für das Thema Tierschutzgesetz in Österreich zu bezeichnen ist doch, gelinde gesagt, etwas über­zeichnet. (Zwischenruf bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Parteiisch!) Gleichzeitig ignoriert man jedoch die Expertinnen und Experten im Bereich Tierschutz, und das ist doch ein herber Schlag auch gegen die 500 000 Unterzeichnerinnen und Unterzeich­ner dieses Volksbegehrens.

Noch einmal zu dieser einheitlichen Regelung: Es ist gut so, aber nur dann, wenn diese Regelung nicht hinter die Regelungen der Länder zurückfällt. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)


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Dies wäre mit all den Verordnungsermächtigungen durchaus möglich, die hier einge­zogen worden sind, womit einer entsprechenden Auslegung des Gesetzes Tür und Tor geöffnet würden.

Tiere sind keine Gegenstände, sie sind leidensfähige Wesen mit eigenen Bedürfnis­sen, die zu beachten und zu respektieren sind.

Ich möchte jetzt auf die Landwirtschaft eingehen, die heute von Ihnen schon zentral angesprochen wurde, nämlich dass sie die Masse der Tiere ausmacht.

Letztlich ist es so, dass eine verfehlte Agrarpolitik über weite Felder in Österreich die Landwirte und Landwirtinnen zu Rationalisierungs- und Industrialisierungsprozessen zwingt, was zur Folge hat, dass mit Hormonen, Betablockern, Antibiotika und Sonsti­gem gearbeitet wird, was letztendlich über die Nahrungskette beim Menschen landet. An diesem Beispiel sieht man deutlich, dass Tierschutz sehr wohl auch Menschen­schutz ist. In diesem Sinne ist eine artgerechte und artspezifische Haltung erforderlich und soll in das Gesetz auch aufgenommen werden.

Ein wichtiger Punkt im ersten Bereich ist das Verbot der durchgängigen Vollspaltbö­den. Beim Verbot der Käfighaltung von Geflügel – Herr Staatssekretär Morak ist nicht mehr anwesend (Bundesrat Konecny – in Richtung Staatssekretär Mag. Schweitzer, der auf der anderen Seite der Regierungsbank Platz genommen hat, zeigend –: Andere Seite!) – Sie sind jetzt auf einmal für Tierschutz zuständig? Okay. (Staatssekre­tär Mag. Schweitzer: Jeder ist ein Tierschützer, nehme ich an! – Heiterkeit.) Super, ist gut, aber es war das Argument von Herrn Morak, dass das Verbot der Käfighaltung für Legehennen nicht möglich ist, weil sonst in Österreich die Eierversorgung zusammen­bricht.

Jetzt zitiere ich den Herrn Bauernvertreter Grillitsch, der, nehme ich an, weiß, wovon er spricht. Er sagte: Hier geht es um eine Hand voll Betriebe, aber die brauchen Über­gangsregeln! – Ich denke, das ist ein guter Ansatz.

In Oberösterreich haben wir Grünen die Forderung eingebracht, dass Investitionsförde­rungen gegeben werden sollen, um von der Käfighaltung auf eine artgerechte Haltung umzustellen. – Daher die Aufforderung an die Regierung, in der Begutachtungsphase auch solche Thematiken zu berücksichtigen.

Die so genannte flächengebundene Nutztierhaltung ist generell wichtig beziehungs­weise der richtige Schritt in einer ökologisch artgerechten Agrarwirtschaft. Das heißt nichts anderes, als dass die mögliche Zahl der Tiere, die gehalten werden darf, ent­sprechend den Futterflächen, die man entweder selbst besitzt oder anpachtet, für einen Hof festgelegt wird.

Verbot von Medikamenten bei Tierfütterungen und Verbot der Verabreichung von einer Menge von Hormonen und anderen Produkte: Das ist das, was wir in diesem Zusam­menhang fordern! All das wäre im Landwirtschaftsbereich ein großer Fortschritt und wäre in diesem Sinne natürlich auch umfassend in das Tierschutzgesetz einzubezie­hen. Letztlich handelt es sich ja, was die landwirtschaftlichen Produkte betrifft, auch um KonsumentInnenschutz. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Generell – da haben Sie Recht, wir reden über alle Tiere – ist es auch so, dass tat­sächlich zu überlegen ist, ob man den Tierschutz in die Verfassung aufnimmt und ihm damit wirklich jenen Stellenwert zubilligt, der ihm auch zusteht.

Die Tierschutzanwaltschaft und die Forderung danach wurden so einfach abgetan, aber ich denke, die Tierschutzorganisationen wissen sehr wohl, wie wichtig und bedeu­tend sie wäre. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)


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Genauso wichtig ist auch die Förderung des Tierschutzes, aber nicht nur in ideeller, sondern auch in finanzieller Hinsicht.

Die letzte Aufforderung, die ich an die Regierung und daher an Sie, Herr Staatssekre­tär, richte, ist: die Bedenken und die Vorschläge, die an Sie herangetragen werden, mit einzuarbeiten, sodass wir in Österreich tatsächlich ein schlagkräftiges, ein wirkungsvol­les Tierschutzgesetz bekommen, das tatsächlich einheitlich ist und einen nachhaltigen, sicheren Schutz bietet. – Danke. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

16.56

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Ing. Klamt das Wort. (Bundesrat Schennach – in Richtung des Bundesrates Ing. Klamt –: Durch­setzen!)

 


16.57

Bundesrat Ing. Gerd Klamt (Freiheitliche, Kärnten): Herr Präsident! Frau Staatssekre­tärin! Herr Staatssekretär! In der heute zur Debatte stehenden Dringlichen Anfrage gibt es sicherlich einige Ansätze, die sich mit meinen persönlichen Überlegungen und mit freiheitlichen Überlegungen decken. Ein Bundestierschutzgesetz, welches sich am je­weils niedrigsten Niveau der geltenden Landesgesetze orientiert, ist auch nicht nach meiner Vorstellung.

In diesem Zusammenhang hätte ich auch eine Anregung an den Österreich-Konvent: Vielleicht ist doch der Bundesrat das geeignete Gremium dafür, bestehende Landes­gesetze bundesweit zu koordinieren. Als Bundesräte hätten wir ganz sicher immer das Ziel vor Augen, das höchste Niveau zu halten und uns nicht dem niedrigsten Niveau anzunähern.

Am derzeit aktuellen Begutachtungsentwurf – man muss klar festhalten: Es ist ein Ent­wurf! – ist aus Sicht der Freiheitlichen noch einiges zu ändern. Wir Freiheitliche wollen schon auf Grund der Kompetenzverlagerung einen Beschluss mit Zweidrittelmehrheit erreichen – da muss es noch Verhandlungen geben. Ein bundeseinheitliches Gesetz auf Basis von Artikel-15a-Vereinbarungen ist, würde ich sagen, doch zu wenig. Die Mindestanforderungen für die Tierhaltung sollen nicht bloß durch Verordnung festge­legt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schächten muss klar und eindeutig ver­boten werden!

Hinsichtlich der Legebatterien muss die Diskussion in die Richtung gehen, dass die Größe der Kleingruppenkäfige und die Qualität der Ausgestaltung im Vordergrund zu stehen haben.

Für schwere Tierquälerei muss es Mindeststrafen geben.

Bei Wiederholungstätern muss das Haltungsverbot zwingend ausgesprochen werden können. Beim Tiertransport und bei Tierversuchen muss es schärfere Regelungen ge­ben. Die Kontrolle muss optimal gewährleistet sein. Ein Ombudsmann sollte analog zur Bundesheer-Beschwerdekommission Beschwerden entgegennehmen und behandeln können und den parlamentarischen Gremien entsprechend Bericht erstatten. Um- und Neubauten im Rahmen der Landwirtschaft beziehungsweise der gewerblichen Tier­haltung müssen behördlich geprüft und genehmigt werden.

Ich bin sicher, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass in der letzten Fassung freiheitliche Handschrift erkennbar sein wird – ich hoffe, auch die Handschrift der anderen Fraktionen, denn letztendlich sollte solch ein Gesetz einstimmig beschlossen werden im Sinne der Österreicherinnen und Österreicher. Das ist mein Appell an die Opposition, konstruktiv mitzuwirken.


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Letztendlich sollte etwas herauskommen, was meinem Schlusssatz gerecht wird: Tiere sind ganz einfach keine Dinge, sondern Tiere sind Mitgeschöpfe. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen, der ÖVP und den Grünen.)

17.01

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Wiesenegg. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.02

Bundesrat Helmut Wiesenegg (SPÖ, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Bürger­meister Bieringer! Wir Bürgermeister sind grundsätzlich sehr vernünftige Leute, daher halte ich fest: Mit dieser heutigen Anfrage übt der Bundesrat etwas aus, was alle Frak­tionen fordern, nämlich ein Stellungnahmerecht, bevor der Nationalrat ein Gesetz be­schließt, das niemandem dient, geschätzter Herr Kollege. Das sei zu Beginn vermerkt. (Bundesrat Bieringer: Es ist ein Begutachtungsentwurf!)

Wenn wir heute – und das sage ich dazu – über das neue Tierschutzgesetz zu disku­tieren beginnen, dann sei an die erste Stelle der Schutz der Tiere gestellt, weil sie eben keine Lobby haben. Ich denke, dass ich als langjähriger Vorsitzender des Tierschutz­vereins es mir erlauben darf, zu sagen, dass der Schüssel-Begutachtungsentwurf, wie ich ihn nenne, ein Papier ist, das sofort überdacht werden muss oder schubladiert werden sollte. (Bundesrat Bieringer: Worüber sollen wir diskutieren, wenn nicht über einen Begutachtungsentwurf?)

Geschätzter Herr Kollege! Es ist dieser Begutachtungsentwurf nichts anderes als ein Verschlechterungsentwurf, mit dem – und hier müssen die Tiroler Bundesräte beson­ders aufpassen – das gute Tiroler Tierschutzgesetz klar ausgehebelt wird. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Geschätzte Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Staatssekretär! Ich bin hier im Einklang mit meinem Kollegen van Staa, der ja bekanntlich der Landeshauptmann von Tirol ist, und mit vielen KollegInnen Ihrer Fraktion, und ich sage Ihnen von dieser Stelle aus: Dieser Begutachtungsentwurf ist ein Schlag ins Gesicht von uns Tierfreunden und von jenen, die dieses Volksbegehren unterzeichnet haben.

Geschätzte Damen und Herren! Das ist auch eine Frage der Ethik. Daher muss heute von hier aus ein Signal ausgehen, dass das nicht nur ein Kompromiss, wie durch den Staatssekretär am Vormittag ausgeführt wurde, zwischen dem EU-Tierschutz und unserem Tierschutz ist, sondern umgekehrt. Wenn Sie, geschätzte Damen und Herren der ÖVP und vielleicht auch der Freiheitlichen Partei, bei dieser Gesetzwerdung uns, die Tierschutzorganisationen, überhaupt nicht eingebunden haben, dann zeugt das schon von mangelnder Vielseitigkeit, wie Sie an dieses Gesetz herangegangen sind.

Ich bin sehr glücklich – das sage ich von dieser Stelle aus –, dass dieses Gesetz viel­leicht platzen wird, und ich bin sehr froh, dass es gekippt wird.

Ich zitiere zum Schluss einen Satz, der mir immer als Leitlinie dient: „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz.“ – Danke. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Grünen.)

17.04

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Dr. Schnider. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.05

Bundesrat Dr. Andreas Schnider (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der einen


Bundesrat
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Seite bin ich einfach sehr dankbar dafür, dass es diese Anfrage gibt, auf der anderen Seite muss man sich natürlich fragen: Muss es denn unbedingt eine Dringliche An­frage sein? Da wird meiner Meinung nach etwas übersehen, das wir jetzt schon öfters von den Vorrednern gehört haben: Es macht den Anschein, als handle es sich hier um ein fertiges Gesetz. Das ist es aber nicht, sondern es ist ein Entwurf. Deswegen freue ich mich auch, dass es Anfragen gibt, denn nur so kann aus einem Entwurf auch ein Gesetz werden. (Bundesrat Mag. Gudenus: Bravo!)

In Richtung Professor Konecny möchte ich im Zusammenhang mit Begutachtung schon zumindest zwei Dinge sagen. Das eine ist – meiner Erinnerung nach hat Bun­desrat Schennach auch immer davon gesprochen –, dass so geredet wird, als ginge es um Ermächtigungen zu irgendetwas. Ich denke jedoch, es ist uns hier allen klar, dass es natürlich zum Großteil um Verordnungsverpflichtungen des Ministers geht und dass diese auch ausreichend determiniert sind. Warum? – Weil sich alle erstens auf § 1, auf die Zielsetzung – mein Vorredner hat das gerade angesprochen: Schutz des Lebens, das steht dort drinnen –, und zweitens auf § 13, nämlich die Grundsätze der Tierhaltung – ich brauche sie jetzt wohl auch nicht extra aus dem Entwurf vorzulesen, weil das sonst meine Zeit sprengen würde –, beziehen müssen!

Zweitens: Die Grundsätze der Tierhaltung gelten für alle Tiere, das muss man einmal ganz klar herausstellen, und das will ja letztlich auch dieser Entwurf.

Anfragen sind großartig, wir brauchen viele Impulse, aber ob es heute wirklich eine Dringliche sein muss, weiß ich nicht. Ich sehe dahinter einfach die Befürchtung, dass man nicht genug Zeit zum Sprechen lässt, doch ich meine, die ist ja jetzt gegeben: Man hat sechs Wochen lang die Möglichkeit, sich einzubringen.

Die Regierung greift eine Forderung auf, die seit Jahren ausgesprochen wird bis hin zum Tierschutz-Volksbegehren 1996. Diese Forderung ist ein einheitliches Bundesge­setz. Ich frage mich aber, warum wird dann hier jetzt die Forderung laut, und zwar be­vor das Gesetz fertig ist, sich sofort wieder in die neun Schneckenhäuser zurückzuzie­hen und zu sagen: Nein, lassen wir lieber alles so, wie es ist, denn es kann alles nur schlechter werden!? – Eine solche Position halte ich in einer Demokratie für recht frag­würdig, weil diejenigen, die das sagen, damit einem demokratischen, parlamentari­schen Prozess keine Chance geben. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

Die Zielsetzung ist auch ganz klar: Tierschutz ist unteilbar. Wenn wir sagen, wir haben neun Bundesländer und wollen ein Bundesgesetz, betrifft das unsere Bundesländer im Zusammenhang mit unserem Land Österreich. Das ist wichtig: Unteilbar. Es werden hier auch alle Bereiche angesprochen, wo es um Tiere geht – ob das jetzt Zootiere, Heimtiere, Nutztiere oder andere sind. Damit wird ein Meilenstein gesetzt, denn daran hat sich noch keiner herangetraut, sondern ist eben einfach über viele Steine, die auch hierher gelegt werden, darüber gefallen.

Dann möchte ich etwas sagen – das sage ich jetzt auch ganz bewusst –: Ich denke, es ist wirklich gut, dass man Visionen hat. Ich unterstreiche das auch. Im Grunde muss man allerdings schon auch aus den Visionen ganz konkrete Ziele machen, die umsetz­bar und auch verträglich sind. Der Maßstab muss schon in gewisser Weise auch ein Augenmaß für unterschiedliche Anliegen sein, die heute bereits angesprochen worden sind. Aber etwas möchte ich schon zurückweisen: Herr Bundesrat Schennach hat gesagt, dass für uns und für alle, die in der Landwirtschaft tätig sind, Tiere so quasi nur Teil der Produktionsstätte sind. Das weise ich hier im Namen aller Bäuerinnen und Bauern zurück! Das kann es ja wohl nicht sein! (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrat Schennach: Sind es nun Bauern oder nicht, die Hühner in Legebatterien auf der Fläche eines A4-Blattes halten?)


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Warum? – Meinen Sie denn wirklich allen Ernstes, dass Bauern bewusst ihre Tiere quälen und dann vielleicht auch noch der Meinung sind, dass das irgendetwas mit Pro­duktion zu tun hat? Das denke ich nicht, und das weise ich hier im Namen der Bäuerin­nen und Bauern strikt zurück! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheit­lichen. – Bundesrat Schennach: Und was ist mit den Legebatterien?)

Sie wissen ganz genau, dass im Jahr 2003 solche Legebatterien überhaupt nicht mehr eingerichtet worden sind, in keinem Bundesland! Sie wissen, dass es eine klare EU-Rechtsvorschrift gibt, die besagt, dass das bis 2012 überhaupt weg sein muss. Tun wir also nicht so, als gäbe es nicht schon Rechtsgrundlagen, auf die wir uns voll stützen können und auch müssen!

Aber etwas muss ich schon zur Produktion sagen. Ich weiß nicht, ob wir uns da auch einig werden könnten. Es ist nicht ganz nebensächlich, ob wir auch Eigenprodukte in diesem Land hier haben, bei denen wir ganz genau feststellen können, woher diese Produkte kommen. Oder wollen wir es eher so wie bei anderen? – Wir machen strenge Gesetze und ganz restriktive Bestimmungen, sodass dann nichts mehr übrig bleibt, dass überhaupt nicht mehr von Eigenprodukten die Rede sein kann, und dafür im­portieren wir es dann eben aus jenen Ländern, wo das alles viel, viel schlimmer und ärger möglich ist. – Das möchte ich hier schon zur Diskussion stellen, und ich meine, es ist nicht unwichtig, darüber nachzudenken.

Das heißt, ich bin sehr wohl – und dazu bekenne ich mich auch, das hat auch mit Augenmaß zu tun – dafür, dass wir hier für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen haben. Ich weiß, das ist nicht immer ganz einfach, aber genau darüber sollten wir hier in diesem Hohen Haus auch debattieren.

Und wenn wir darüber reden – über Gesetze, und ich habe das schon angesprochen –, dann sollten wir nicht vergessen, dass die europäische Dimension und ihre Gesetz­gebung hier Grundlage ist und wichtig ist. Wenn man sich diesen Entwurf samt Anmer­kungen durchliest, kommt man sehr wohl darauf, was hier alles mit einbezogen und mit bedacht worden ist.

Ich bin kein Jurist – das können hier in diesem Haus andere besser –, aber etwas muss schon klar sein: Das Gesetz ist der Standard, ist die hohe Ebene, und wenn man schon von Verordnungen redet, dann kann es also nicht so sein, dass diese Verord­nungen irgendetwas hineinnehmen, sondern die können nur bestimmte Dinge diffe­renzieren. Ich habe den Verdacht – vielleicht stimmt das auch nicht –, dass bei vielen hier in diesem Raum einfach eine Skepsis besteht, nämlich die Skepsis: Wird das nicht alles dadurch aufgeweicht? Ich habe diese Skepsis nicht, denn auf etwas baue ich schon auch – und das ist, glaube ich, bei jedem Gesetz in Zukunft sehr, sehr wichtig –: Gerade wenn man von Rahmengesetzen spricht, hat man auch eine gewisse Eigen­verantwortung. Ich weiß nicht, ob es im Sinne aller hier herinnen wäre, alles bis zum letzten Jota mit Gesetzen zu regeln. (Bundesrat Konecny: Wenn es möglich und sinn­voll ist schon!) Dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn manches dann Tausende von Gesetzesvorlagen und Gesetzen nach sich zieht, wo man sich dann schon fragen muss: Wer kennt sich da zum Schluss noch aus? Dies nur, um kurz auf unseren zurzeit tagenden Konvent zu verweisen. (Bundesrat Schennach: Die Skepsis speist sich aus der Erfahrung von zehn Jahren Widerstand der ÖVP!)

Herr Bundesrat Schennach! Ich stehe doch hier und sage: Wir wollen ein einheitliches Bundesgesetz! Und Sie waren derjenige, der hier gestanden ist und quasi gesagt hat: Lassen wir lieber die Finger davon! Sie wollen ja nicht einmal über den Entwurf, der hier vorliegt, debattieren, und ich möchte aber gerne darüber debattieren und möchte nachher darüber reden, wie das ist. Tut mir Leid, das so sagen zu müssen. (Beifall bei


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der ÖVP. – Bundesrat Konecny: Das machen wir ja gerade, aber damit sind Sie ja auch wieder nicht einverstanden!)

Lassen Sie mich meinen nächsten Punkt bringen, der die Tieranwaltschaft betrifft. Ist es nicht wirklich problematisch – auch in Anbetracht des Konvents –, dass wir da wie­der eine neue Struktur, wieder neue Behörden überlegen? Es gibt doch Amtstierärzte, oder gibt es die nicht? Trauen wir denen keine Fachkompetenz zu? Das möchte ich hier fragen.

Und noch etwas möchte ich sagen – nur, um das auch von der Sprache her klarzule­gen –: Es heißt nicht Tierschutzbeirat, sondern Tierschutzrat. (Bundesrat Schennach: Und das ist ein Beirat!) Und wenn ich mir anschaue, wer da drinnen sitzt – Professor Konecny hat vorhin gesagt, er wolle wissenschaftliche Begleitung und Experten –: Bitte, da sitzen doch welche drinnen! Und es ist doch nicht wahr, dass da nur ÖVP-Mit­glieder drinsitzen. Ich habe da schon eine Rückfrage: Woher wissen Sie denn ... (Bun­desrat Konecny: Ich habe kein Wort zum Beirat gesagt!) Sie haben nur gefordert, dass man die Experten mehr einbezieht. Ich möchte Ihnen sagen, die Experten wurden ein­bezogen, die sitzen sogar im Rat drinnen! (Bundesrat Konecny: Dazu habe ich nichts gesagt!) – Entschuldigung, Sie können sich dann ohnehin zu Wort melden, ich würde das hier nur gerne fertig ausführen. (Bundesrat Schennach: Das ist eben Dialog! – Bundesrat Konecny: Wenn Sie sich schon auf meine Äußerungen beziehen, dann zitieren Sie wenigstens annähernd das, was ich gesagt habe!)

Jawohl, ich werde mir das zu Herzen nehmen, allerdings möchte ich in Bezug auf die Wissenschaftler schon etwas sagen: Wenn man heute so tut, als wüsste man jetzt schon, welche ÖVP-Mitglieder da drinsitzen werden, dann muss ich wirklich staunen, denn ich würde gerne wissen, woher man weiß, dass hier lauter ÖVP-Vertreterinnen und -Vertreter drinnen sein sollen. Das möchte ich hier einfach fragen. (Bundesrat Schennach: Wetten, dass es in dem Gremium eine lupenreine ÖVP-Mehrheit geben wird!)

Dieser Tierschutzrat ist, so wie er angedacht ist, ein fachlich sehr kompetentes Gre­mium, und ich finde auch, die Grundidee mit dem Tierschutzbeauftragten aus den Län­dern ist nicht schlecht. Woher Sie da das Vokabel „zahnlos“ nehmen, weiß ich nicht.

Ich hoffe wirklich, dass es uns gelingt – ganz bewusst, auch bei aller Härte der Ausein­andersetzung –, dass wir gemeinsam zu solch einem Gesetz kommen. Ich möchte hier nur bitten, dass wir nicht vorzeitig sagen: Stopp! Da können wir sowieso nichts mehr einbringen, da verändert sich nichts mehr. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Sie sagen stopp!) Man hat, so meine ich, bei allen Fraktionen gemerkt: Jeder möchte hier etwas einbringen. (Bundesrat Konecny: Darum diskutieren wir ja da!) Aber, Herr Professor, ich habe doch bereits einleitend gesagt: Ich finde es großartig, dass Sie hier eine Anfrage stellen, aber das, was ich eben fragen möchte, ist, ob es nicht günstig wäre, nicht eine Dringliche Anfrage zu stellen. Ich möchte einfach dazu raten, was auch Herr Pechlaner, der schon so oft zitiert wurde, als Studiogast bei der „ZiB 3“ zum Schluss gesagt hat, als Frau Fenderl zu ihm gesagt hat: Wenn man Ihnen zuhört, dann wird es ja möglicherweise zu einer Vier-Parteien-Einigung kommen. Er antwortete darauf ganz einfach und schlicht: Vorausgesetzt, dass jemand wirklich alles liest und versteht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

17.16

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Als nächster Rednerin erteile ich Frau Bundesrätin Kerschbaum das Wort.

 



Bundesrat
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17.17

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Kollege Schnider! Sie wollten wissen, warum wir eine Dringliche Anfrage eingebracht haben? – Letztendlich ist es ja so, dass wir hier versuchen, Impulse in dieses Gesetz zu bringen, und wenn wir das nicht jetzt machen, dann ist es zu spät, denn dann ist das Gesetz fertig und dann wird sicher nichts mehr geändert. Wenn wir es erst im Nationalrat besprechen, wird sich nicht mehr sehr viel tun. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Sie wollten auch wissen, warum wir dieses Gesetz als „zahnlos“ bezeichnen. – Das Gesetz ist für mich auch deshalb zahnlos, weil ein Großteil der Tiere, die betroffen sind, einfach nicht geschützt wird – jedenfalls nicht in diesem Gesetz –, sondern der Herr Bundesminister ... (Bundesrat Dr. Schnider: Sie haben vom zahnlosen Beirat ge­sprochen!) – Okay, das Gesetz ist auch zahnlos.

Die Verordnungen, die da getroffen werden sollen – ich möchte dazu nur kurz den Ab­schnitt aus dem Gesetzentwurf vorlesen –: Unter Bedachtnahme auf die Zielsetzung § 1 – das ist der Schutz des Tieres – und die sonstigen allgemeinen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, den anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sowie unter Berücksichtigung der ökonomischen und ökologischen Auswirkungen hat der Bundesminister für Gesundheit und Frauen im Einvernehmen mit dem Bundes­minister für Land- und Forstwirtschaft für die Haltung von eigentlich allen Wirbeltieren durch Verordnung Mindestanforderungen festzulegen. – Es ist nicht näher definiert, wie weit jetzt der Schutz des Tieres Vorrang hat und wie weit die ökonomische Seite Vor­rang hat, ich denke aber, das ist gerade in der Landwirtschaft das, womit ein Gesetz steht und fällt.

So wie Sie bin auch ich nicht der Meinung, dass irgendjemand ein Tier zum Scherz quält – die wenigsten machen das –, sondern die meisten Landwirte, die Hühner auf diesem geringen Platz halten beispielsweise, machen das ja nur aus ökonomischen Gründen. Das ist mir schon klar und bewusst. Aber wenn der Minister jetzt in seiner Verordnung berücksichtigen beziehungsweise abwägen muss: Was ist mir wichtiger, der Schutz des Tieres oder die Ökonomie?, dann weiß ich bei Beschluss des Gesetzes nicht – da habe ich keine Ahnung davon –, was der Minister verordnen wird. In seiner „Pressestunde“ am Sonntag hat er auch nicht so agiert, als wäre die Abschaffung der Legebatterie-Haltung sein Ziel, denn er hat ebenso wie zuvor der Herr Staatssekretär den Vergleich mit der Schweiz gebracht, wo jetzt angeblich Eier aus China importiert werden. Ich denke nicht, dass die Schweizer die Eier aus China importieren. (Rufe bei der ÖVP: Sicher!) – Vielleicht gibt es etwas Näheres als China auch noch. Sollte das jedoch der Fall sein, müsste ich sagen: Dann ist der Transport noch zu billig!

Es gibt in Österreich auch schon Supermärkte, die Eier aus Käfighaltung gar nicht mehr anbieten, und die sind auch nicht eingegangen. Die Menschen wollen einfach Sicherheit! (Bundesrat Ing. Haller: Welcher Supermarkt ist das? Den gibt es nicht!) – Das können wir nachher klären, ich möchte hier keine Werbung machen. Es gibt ihn schon, eine ziemlich große Kette sogar.

Es ist jedenfalls bestimmt so, dass der Konsument Sicherheit haben möchte. Ich glau­be, er will sehr wohl Eier aus artgerechter Tierhaltung kaufen, aber er möchte auch die Sicherheit, dass es auch so ist. Das würde durch ein Gesetz jedenfalls besser gegeben sein als durch die Pickerl, die wir jetzt haben. (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bundesrat Ing. Haller: Es gibt auch Käfighaltung, die ist nicht ökonomisch!) – Noch schlimmer!

Wir werden einem bundeseinheitlichen Tierschutzgesetz, das den Schutz eines Groß­teiles der Tiere nicht regelt, sicher nicht zustimmen. Da ist es mir noch lieber, dass es


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neun Landestierschutzgesetze gibt, noch dazu, wo bei uns im Land Niederösterreich der zukünftige „heilige“ Erwin Pröll – er hat neulich in irgendeiner Abendsendung ge­sagt, dass er den „Heiligen Erwin“ anstrebt – verantwortlich ist. (Bundesrat Konecny: Aber nicht, dass er es zur Chefsache macht! – Bundesrat Schennach: Herr Schnider! Blasphemie!) Darauf verlasse ich mich! Er wird jetzt der „Heilige Erwin“ und hat auch vor der Wahl versprochen, dass er Käfighaltung verbieten wird. In diesem Fall würde ich mich doch lieber auf ihn verlassen und hoffen, dass es ein vernünftiges niederöster­reichisches Tierschutzgesetz gibt. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

17.21

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.21

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Frau Staatssekretärin! Herr Staatssekretär! Kollegen und Kolleginnen! Die vorangegangenen Redebeiträge kann ich vielleicht so zusammenfassen: Der eine spricht von der Fassungslosigkeit gegen­über diesem Entwurf – und zwar mein Freund und Kollege Professor Konecny –, der andere spricht fast euphorisch von einem europareifen Modell – Kollege Bieringer –, und ich als Seniorensprecher für meine Fraktion kann eigentlich nur neiderfüllt auf die­sen Gesetzentwurf blicken.

Warum neiderfüllt? – Hier ist beabsichtigt, aus neun Landesgesetzen ein noch mit vielen Mängeln behaftetes österreichweites Tierschutzgesetz zu machen, so wie es auch mehrfach versprochen wurde. Aber was haben wir Senioren? – Wir haben acht Landespflegegesetze, und in Wien – die misslichen Beispiele sind ja in den letzten Wo­chen oft genug genannt worden – werden Senioren nach dem Beherbergungsgesetz in Lainz und ähnlichen Unterbringungsorten gepflegt oder auch weniger gut gepflegt. Daher gelten meine volle Sympathie und mein Neid dem Vorhaben, ein einheitliches bundesweites Tierschutzgesetz zu schaffen. – Ich komme zum Schluss noch darauf.

Ich weiß, wir Menschen fühlen uns manchmal den Tieren überlegen, aber jetzt möchte ich manchmal fast ein Tier sein, weil die besser gehalten werden! (Heiterkeit und Bei­fall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Natürlich sind in diesem Gesetz nicht alle Punkte enthalten, die wir seit Jahren bespre­chen. Ich erinnere mich nur – und das sehr gerne, weil es ein gutes Diskutieren war – an die Gespräche mit dem damaligen Verkehrsminister und späteren Bundeskanzler Klima. Wir haben sehr oft unter vier oder sechs Augen über den Tiertransport gespro­chen. Es ist wirklich ein leidiges und oft sehr peinigendes Thema, wie Tiere transpor­tiert werden.

Es ging darum, ob man Tiere lebend oder tot transportieren soll. Ich hoffe, es gelingt noch in den folgenden Gesprächen, in dieses Gesetz den Tottransport aufzunehmen. (Bundesrätin Schicker: Geht ja nicht! Ist ja EU-Bestimmung!) Es ist auch viel ökonomi­scher, Tiere tiefgekühlt, ausgeweidet, das Horn und all das, was man nicht braucht, weggeschnitten zu transportieren, sei es innerhalb Österreichs oder sei es zum Export in die Levante, nach Nordafrika, wohin auch immer.

Vom Transportieren der Tiere über weite Strecken sind uns grausame Bilder be­kannt. – Es sind sicher nicht die grausamsten, die es gibt, aber es ist arg genug, was man sich vorstellen kann. Das darf doch nicht weiter die Wirklichkeit des Tieres sein, von welchem wir behaupten, es solle uns zum Nutzen sein und es brauche unsere Hilfe! Wir müssen der Schöpfung Tier helfen, so weit es möglich ist. (Demonstrativer Beifall der Bundesrätin Schicker.)


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Herr Kollege Schnider hat gesagt, bewusst halte der Bauer das Tier nicht schlecht. – Mit wenigen Ausnahmen – die muss man überall bei solchen Dingen sehen – ist es meist die materielle Unfähigkeit des Bauern, den Tieren eine tiergerechte Haltung zu ermöglichen. – Tiergerecht versteht sich aus unserer Sicht, denn was weiß ich, was das Tier gerne haben möchte, aber wir wollen doch einmal feststellen, dass wir glau­ben, für das Tier manches verbessern zu können. Das ist mit ungeheuerlichen Geld­mitteln verbunden, und da müssen wir vielleicht auch hilfreich einspringen, denn das Tier gehört tiergerecht gehalten.

Dann gibt es einen Punkt, den ich herausheben möchte, nämlich das Schächten. Ich glaube, am Thema Schächten zeigt sich am ehesten eine Kulturschranke zwischen den Moslems und den Juden auf der einen und den Christen auf der anderen Seite. (Bundesrat Schennach: Bitte, bitte! Verrennen Sie sich nicht!) Das Schächten – Kollege, bleiben Sie ruhig! – hat einen hohen Stellenwert bei diesen beiden Religions­gemeinschaften. Ich habe gerade vor dieser Sitzung mit einem Herren gesprochen, der Mediziner und Moslem ist. Er sagt, das Schächten ist, wenn es ordnungsgemäß gemacht wird, die schnellste Todesart für das Tier. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Stimmt!)

Die Frage ist: Wird es immer ordnungsgemäß gemacht? – Weil es nicht immer ord­nungsgemäß gemacht wird, müssen wir die Betäubung für das Schächten einfordern. Aber wird nicht bei uns auch oft schon bei der Betäubung in großen Schlachthäusern zu Lasten des Tieres etwas großzügig umgegangen? – Betäubung ja, aber dann wirklich Betäubung, und nicht die Tiere halbbetäubt abmurksen, ausweiden und alles, was damit zusammenhängt! (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.) Damit, so meine ich, ist das Thema Schächten für mich erledigt. (Bundesrat Schenn­ach: Ich habe Schlimmeres erwartet!) Es soll ordnungsgemäß, dem Religionsritus entsprechend geschächtet werden können, aber nach Betäubung. (Staatssekretär Mag. Schweitzer – in Richtung des Bundesrates Schennach –: Ich habe das genau mitverfolgt! Das war malevolent!)

 


Vizepräsident Jürgen Weiss (das Glockenzeichen gebend): Bitte keine Zwiege­spräche!

 


Bundesrat Mag. John Gudenus (fortsetzend): Es wurde heute hier auch schon erwähnt, dass ein Tier ein Geschöpf ist. Manche sagen: Mitgeschöpf – das ist ein komischer Begriff, wie Mitbürger. Ich weiß auch nicht, warum ein Bürger ein Mitbürger sein soll. Bleiben wir also bei Geschöpf. Es gibt eine Rangordnung der Schöpfung. Das sehe ich durchaus fast egozentrisch, aber ich schließe uns alle mit ein. Der Mensch ist der oberste Teil, dann kommt das Tier, dann die Pflanze und dann die Sache. Uns ist all dies vom Schöpfer anvertraut worden, es ihm zu Ehr ordnungsgemäß, der Situation und dem Gegenstand, dem Tier, der Pflanze, der Sache konform zu pflegen und einan­der weiterzugeben. Halten wir uns daran, nicht egoistisch, sondern dem Schöpfer ent­sprechend zu handeln! (Allgemeiner Beifall.)

17.28

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor. Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Fortsetzung der Tagesordnung

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich nehme die Verhandlungen zur Tagesordnung wie­der auf. Wir setzen die Verhandlungen über die Tagesordnungspunkte 27 und 28, Be­richte über die soziale Lage 1999 sowie 2001 bis 2002, fort.


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Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


17.29

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen, Kolleginnen, Bundesräte! Der Bericht zur sozialen Lage hat auch Berüh­rungspunkte mit dem eben behandelten Thema. Erstmals finden sich veterinärmedizi­nische Aspekte im Sozialbericht.

Insgesamt finden wir in dem uns heute hier vorliegenden Bericht zur sozialen Lage in seinem Grundaufbau durchaus dieselbe Sorgfalt angewandt, wie wir sie traditioneller­weise aus dem Haus Sozialministerium gewohnt sind. Es sind die einzelnen Themen­komplexe sehr genau, wissenschaftlich und sorgfältig beleuchtet. Was sich aber ver­ändert hat, sind die Behandlung des Ergebnisses und der Umgang damit. Die Schluss­folgerungen zum Bericht über die soziale Lage durch die derzeitige Bundesregierung bleiben im Vergleich zu früheren Bundesregierungen aus oder gehen in eine andere Richtung.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die derzeitige Bundesregierung den Wert dieser Analyse nicht wirklich erkennt. Der Bericht über die soziale Lage ist eine sehr fundierte Analyse über den gesellschaftlichen Zustand, die leider derzeit von der Bundesregierung häufig ins Gegenteil verkehrt wird.

Eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient, würde die Gelegenheit – diesen um die Hälfte abgespeckten und auf zwei Jahre zusammengefassten Bericht – nützen, um über eine Neuorientierung nachzudenken und tatsächlich vieles Verbesserungswürdige zu finden.

Sozialpolitik ist im Moment vor allem das Feld, auf dem nach Einsparungsmöglichkei­ten gesucht wird, getrieben von einer inneren Einstellung, die sich in Begriffen aus der Vergangenheit so anhört: Ich zitiere den derzeitigen Parlamentspräsidenten Khol mit der „sozialen Hängematte“, die heutige Regierungspartei FPÖ mit der „Sozialschmarot­zer“-Kampagne, Begriffe, die der Bundeskanzler häufig verwendet, wie „Besitzstands­wahrer“ – diskriminierende Begriffe, die den Boden für eine Einsparungspolitik aufbe­reiten. Das Wort „Reform“ wird umgedeutet, indem man damit nicht Verbesserung, sondern immer Abbau meint.

Es ist gerade das Feld der Sozialpolitik, das diese Bundesregierung als Zielscheibe be­nützt, um mit der Behauptung, der Wohlfahrtsstaat hätte zu viel Fett angesetzt und wir könnten uns vieles in der Sozialpolitik nicht mehr leisten, Einsparungen umzusetzen. In einem Nebensatz gesagt: Wenn wir uns vieles nicht mehr leisten können, dann liegt es vor allem an der falschen Wirtschaftspolitik, denn richtige Wirtschaftspolitik ist eigent­lich die beste Sozialpolitik. Nur so ist es auch zu erklären, dass Österreich in Wirklich­keit ein wesentlich höheres Defizit hätte als die von dieser Regierung getadelte deut­sche Bundesrepublik, wenn wir dieselbe niedrigere Abgabenquote hätten. Es wird hier den Menschen mit sehr verlogenen Argumenten Sand in die Augen gestreut.

Ein wesentlicher Teil der Sozialpolitik fehlt in diesem Bericht, und zwar deshalb, weil die Kompetenzen aufgeteilt wurden: der Bericht über die Beschäftigungslage, über die Erwerbstätigkeit und natürlich auch über die Folgen und Auswirkungen der Arbeits­losigkeit.

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Wenn Sie diesen Bericht als Lesestoff ernst nehmen, dann würden Sie schnell zur Erkenntnis kommen, dass die Sozialpolitik weiter auszubauen wäre, dass es genügend Betätigungsfelder für Refor­men geben würde, dass es nicht genügen wird, aus der Vergangenheit geerbte innova­tive soziale Gesetze zu verwalten, sondern dass auch heute Innovation gefragt ist.


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Gerade bei der Umsetzung der notwendigen Reformziele zeigt sich aber deutlich der Unterschied in Österreich. Die skandinavischen Länder, die sehr wohl auch Reform­ziele erreicht haben, sind zum Beispiel einen anderen Weg gegangen. Das sind jene Länder, die mittlerweile gleichzeitig auch beim Wirtschaftswachstum in Europa führend sind – nicht zufällig, das sollte man immer wieder betonen!

Das größte Manko in diesem Bericht ist das Fehlen des gesamten Komplexes der Er­werbsarbeit. Auch eine Aufstellung der von Minister Haupt zu verantwortenden Chaos-Aktivitäten fehlt: Hauptverband, Ambulanzgebühren, Unfallrentenbesteuerung. Bei der Unfallrentenbesteuerung ist noch immer offen, wie es weitergeht. Tausende Unfallrent­ner wissen nicht, wie die Gesetzeslage jetzt tatsächlich aussieht und wie sie zu ihrem Geld kommen werden.

Weiters bedaure ich, dass den Verfassern zum Kapitel Gesundheitsvorsorge im Be­trieb nicht mehr eingefallen ist, denn als einzige Aktivität die Errichtung einer europäi­schen Kontaktstelle in der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zu erwähnen. Gerade da wäre ein riesiges Feld an Aufgaben zu erfüllen, wenn man erreichen will, was ja die Regierung zu ihrem Programm gemacht hat, nämlich dass die Menschen länger in Beschäftigung bleiben. – Dann muss man die Gesundheitsvorsorge im Be­trieb wesentlich verbessern. Dort liegt ein wesentlicher Hebel, und es genügt nicht, als einzige Aktivität die Errichtung einer Kontaktstelle anzuführen.

Positiv zu erwähnen ist, dass in diesem Bericht erstmals der Zusammenhang zwischen Armut und der Zunahme von atypischen Beschäftigtenverhältnissen erwähnt und ana­lysiert wird, der ja unleugbar bekannt war, jetzt aber in den Auswirkungen auch wissen­schaftlich nachgewiesen wird. Dies wäre auch ein Feld für sozialpolitische Gegenmaß­nahmen, um die Menschen vor der Armutsfalle zu schützen.

Wenn Sie, die Mehrheitsfraktionen, heute die Kenntnisnahme des Berichts in Verfol­gung der Parteidisziplin beschließen, dann sollten Sie den Wert dieses Berichts nicht nur im Gewicht des Papiers sehen, sondern zur Kenntnis nehmen würde für mich heißen, die Ergebnisse, die darin enthalten sind, die Analysen, die Grundlagen zur Kenntnis zu nehmen und die Sozialpolitik in Österreich wieder zu beleben! – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

17.38

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Helmut Kritzinger. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.39

Bundesrat Helmut Kritzinger (ÖVP, Tirol): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Hohes Haus! Herr Kollege Gumplmaier! Berichte sind immer stümperhaft. Wir wissen es ja, und ich glaube, bei jedem Bericht kann man die Rosinen herauspicken oder, wie man sagt, die Haare aus der Suppe herauslesen. Das Wichtigste ist meiner Ansicht nach: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! Das gilt für Österreich, das gilt für unsere sozia­len Belange und für die Gesundheit. (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Einige Gedanken zur Gesundheit in Österreich: Ein Gutach­ten der OECD stellt das österreichische System als eines der effizientesten im Bereich der Gesundheit dar, nach dem finnischen. Wir sind also von allen damals untersuchten europäischen Ländern an zweiter Stelle, was die Gesundheit, was die Effizienz des Systems und die Zufriedenheit damit anbelangt.

Aber natürlich, auch dieses System ist an die Grenze der Finanzierbarkeit gestoßen. Das wissen wir. Ursachen dafür sind die Bevölkerungsentwicklung mit der hohen Lebenserwartung – alte Menschen brauchen einmal mehr medizinische Betreuung –, eine immer teurer werdende Medizin, zum Beispiel die Entwicklung der Diagnosege-


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räte, neue Behandlungsmethoden, neue Behandlungsgeräte, Transplantationschirurgie und so weiter, aber auch neue Krankheiten wie Aids, die eine sehr aufwendige Be­handlung erfordern, Körperzustände, die therapeutisch behandelt werden, besser behandelt werden als früher, wofür teure Medikamente notwendig sind.

In diesem Gesundheitssystem gibt es eine Vielzahl an Mitspielern: Vertrags-, Wahl-, Alternativärzte, Bezirkskrankenhäuser, private Krankenanstalten, Landeskrankenhäu­ser, Universitätskliniken, Ambulatorien, Therapeuten für alles und jedes, eine Pharma­industrie, die Apotheken, bis hin zum Roten Kreuz und dem ÖAMTC mit den Hub­schrauber-Bediensteten. Alle diese Leistungsbringer sind aus meiner Sicht viel zu wenig miteinander vernetzt. Daneben gibt es eine Vielzahl von Zahlern in dieses Ge­sundheitssystem: Sozialversicherungen, die aber am wenigsten bei der Leistungser­bringung mitzureden haben, private Zusatzversicherungen, Gemeinden, Länder und zu guter Letzt den Bund.

Punktuelle Eingriffe in dieses System führen nicht zum Ziel, beispielsweise die Ambu­lanzgebühr, wir haben es alle erlebt. Absicht war, die Patienten weg von den Spitals­ambulanzen hin zu den niedergelassenen Ärzten zu bringen. Abgesehen von dem hohen administrativen Aufwand und den zahlreichen Ausnahmen hat diese Ambulanz­gebühr die Krankenkassen zur Kasse gebeten, da ihr Beitrag an die Krankenhäuser nicht reduziert wurde, sie aber jetzt für die Arztbesuche zahlen mussten. Die soziale Krankenversicherung ist mit ganz wenigen Ausnahmen in den roten Zahlen.

Beitragserhöhungen führen zu höheren Lohnnebenkosten, was in Anbetracht der Wirt­schaftslage und der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft auch nicht den Stein des Weisen bringt. Beitragserhöhungen können nur der allerletzte Schritt sein, wenn alle anderen Reformschritte nicht mehr ausreichen. Der Gesetzgeber hat den Kranken­kassen schon vorgeschrieben, ihre Verwaltungskosten im Jahre 2003 trotz aller Preis­erhöhungen auf das Kostenniveau von 1999 zurückzufahren. Darüber hinaus wird man überlegen müssen, wie viel Krankenversicherungsträger letztlich die soziale Kranken­versicherung administrieren. Also eine Zusammenlegung aller Krankenversicherungs­anstalten wird notwendig sein.

Macht die Aufrechterhaltung der berufsständischen Sozialversicherungen überhaupt einen Sinn? Auch eine Frage, die einer Antwort bedarf. Was muss ein öffentliches Gesundheitssystem leisten, und zwar für alle Bürger? Wir wollen keine Zweiklassen­medizin oder nur eine Medizin für Junge, wie sie in England praktiziert wird. Was muss das System, sprich: Sozialversicherung, dafür aufwenden? Was ist dem einzelnen Ver­sicherten überhaupt zumutbar? Also es geht um die Frage der Selbstbehalte. Selbst­behalte sind ja nichts Neues. Es gibt ja schon jetzt einige, zum Beispiel die Rezeptge­bühren, und es gibt Krankenversicherungen, für die das System des generellen Selbst­behaltes selbstverständlich ist: jene der Beamten, der Selbständigen, aber auch der Eisenbahner.

Wie können die Schnittstellen verbessert werden? Zum Beispiel: Wenn ein Patient von seinem behandelnden Arzt auf Grund seiner festgestellten Diagnose ins Krankenhaus überwiesen wird, werden sämtliche Untersuchungen dort neuerlich durchgeführt.

Brauchen wir diese derzeitige Anzahl von Krankenhausbetten? Das ist auch eine Frage. Wie kann man die Betriebsausstattung und die Organisation von Krankenhäu­sern verbessern und rationalisieren? Wie lässt es sich erreichen, dass kostengünsti­gere Heilmittel, Generika, verschrieben werden? Wie kann der Missbrauch bekämpft werden? Kann die Prävention verbessert werden? Wie können wir die Einstellung der Bevölkerung zur Gesundheit grundsätzlich verbessern? Kann ich mit individuellen Bei­tragssätzen für Raucher, Trinker et cetera einen Anreiz schaffen?


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Wie können wir die betriebliche Gesundheitsförderung verbessern, um die Gesundheit von Arbeitnehmern möglichst lange zu erhalten? Wie können wir die Finanzströme koordinieren, die Milliarden € gezielt in unser Gesundheitssystem einbringen?

Es ist, meine Damen und Herren, derzeit einiges, sehr vieles im Laufen, und ich bin überzeugt, es läuft auf einer guten Schiene. Das ist für uns ein großer Hoffnungsträger und Hoffnungsschimmer.

Es wird nicht überall gleichzeitig die Möglichkeit gegeben sein anzusetzen, vielmehr wird man oft punktuell vorgehen müssen, zum Beispiel bei den Medikamenten. Aber man versucht es, und ich habe das Gefühl, es ist Energie, es sind gute Gedanken da­hinter. Mit der Wahrung von Ansprüchen, Besitzständen und Kompetenzen allein wird nichts passieren – zum Schaden für unser gesamtes Gesundheitssystem. Am Funktio­nieren unseres sozialen Systems sind wir alle hoch interessiert, meine Damen und Herren. Aus dem Grund bin ich froh, dass die Regierung Akzente setzt und gesetzt hat, die uns alle positiv in die Zukunft schauen lassen. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen. – Bundesrat Ing. Franz Gruber: Bravo!)

17.47

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Bundesrat Franz Wolfinger. Ich erteile ihm das Wort.

 


17.48

Bundesrat Franz Wolfinger (ÖVP, Oberösterreich): Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssekretär! Frau Kollegin Bachner! Ich habe natürlich auch den Sozialbericht sehr genau durchgelesen, und es ist nicht so, wie Sie ausgeführt haben, dass lauter Dinge drinnen stehen, die nicht gut sind, sondern es sind wirklich auch ein paar sehr positive Dinge darin enthalten, und die werde ich Ihnen auch jetzt noch einmal bringen.

Wir sind natürlich auch nicht mit allem einverstanden – diese Punkte werde ich Ihnen auch sagen.

Meine Damen und Herren! Hoher Bundesrat! Der Bericht über die soziale Lage für das Jahr 2001 und 2002 ist ein großer Schritt zur Lösung der Zukunftsprobleme der älteren Generation in unserem Land. Für die Bundesregierung war es eine große Herausforde­rung, den Staatshaushalt zu konsolidieren und dem Konjunkturabschwung erfolgreich zu begegnen. Es gelang in vielen Bereichen in der Sozial- und Gesundheitspolitik, richtungsweisende Akzente zu setzen. (Bundesrätin Dr. Lichtenecker: Welche?) – Wir haben es heute schon gehört. Hören Sie mir zu! Ich habe Ihnen auch zugehört.

Österreich ist ein Vorreiter auf dem Gebiet der Familienleistungen. Einen Meilenstein stellt die Einführung des Kinderbetreuungsgeldes dar – wurde heute bereits diskutiert. (Bundesrätin Bachner: Des Öfteren!) Endlich haben alle Eltern Anspruch auf diese Leistung. Die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Kinderbetreuung ist dadurch leich­ter geworden.

Weitere familienpolitische Verbesserungen stellen die Erhöhung der Familienbeihilfe, des Mehrkinderzuschlages, des Zuschlages für behinderte Kinder sowie das Pflege­geld ab Geburt dar. Bisher war es erst ab dem dritten Lebensjahr möglich, das Pflege­geld zu erhalten. Außerdem wurde die Behindertenmilliarde eingeführt, und es konnten über 700 Projekte unterstützt werden, in deren Rahmen 22 000 Menschen im Arbeits­markt integriert wurden. Außerdem wurde für Menschen, die im Sommer 2002 durch das Hochwasser geschädigt wurden, ein Betrag von über 10 Millionen zur Verfügung gestellt. Zudem wurde die Versehrtenrente für Schwerstversehrte deutlich angehoben.

Trotz der angespannten Wirtschafts- und Finanzlage wurde den Pensionisten die volle Teuerungsrate von 1,5 Prozent abgegolten – und ein Wertausgleich gewährt. Wichtig hier zu erwähnen ist auch die überdurchschnittliche Erhöhung der Ausgleichszulagen-


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richtsätze, und zwar sowohl für Alleinstehende als auch für Ehepaare. Diese Maß­nahme stellt einen wichtigen Schritt zur Armutsbekämpfung in unserem Lande dar.

Zum Thema Pensionssystem. Unser Pensionssystem muss für die Zukunft tragfähig bleiben, um nachfolgenden Generationen einen gesicherten Lebensstandard bieten zu können. Es wäre unverantwortlich, nichts zu tun! Nichts zu tun würde nämlich bedeu­ten, Beiträge zu erhöhen und Leistungen zu kürzen.

Wir haben das ja heute bereits öfters gehört: Auf Grund der geänderten demogra­phischen Entwicklungen in den letzten Jahren sind diese Änderungen notwendig. Ein Beispiel sei hier angeführt, damit man sieht, wie sich das entwickelt hat: Die durch­schnittliche Lebenserwartung ist in den letzten 30 Jahren – erfreulicherweise! – um 8,3 Jahre gestiegen, die durchschnittliche Lebensarbeitszeit jedoch gesunken. Hat man vor 30 Jahren noch zirka 42,7 Jahre lang gearbeitet, sind es heute gerade einmal 37 Jahre. Gleichzeitig hat sich aber die Pensionsbezugszeit – im Jahre 1970 waren es 8,3 Jahre – auf 20,3 Jahre im Jahre 2001 erhöht, also mehr als verdoppelt. Und das soll in Zukunft finanziert werden?!

Nur durch die Pensionsreform geben wir den jüngeren Generationen die Chance auf eine existenzsichernde Pension im Alter. Mit der Mitarbeitervorsorge und der Zukunfts­vorsorge wurden die zweite und dritte Säule der Altersversorgung ausgebaut.

Diese Bundesregierung hat auch Wort gehalten: kein Eingriff in bestehende Pensio­nen! (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ.) – Dazu hat man von Ihrem Parteivorsitzenden Gusenbauer etwas ganz anderes gehört! (Bundesrätin Schicker: Reden wir am 30. Jänner weiter! Da kommt die erste Auszahlung!) – Kein Eingriff in bestehende Pen­sionen!

Frau Kollegin, was die Frauen anlangt, wurden drei besondere Maßnahmen gesetzt; Frau Staatssekretär Haubner wird das sicherlich noch erläutern. Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld werden 24 Monate als Beitragsjahre angerechnet. Pro Kind wer­den bei der Durchrechnung drei Jahre herausgenommen; die Bemessungsgrundlage für die Kindererziehungszeiten wurde auf 150 Prozent erhöht.

Weiters: Die Harmonisierung der Pensionssysteme wird Schritt für Schritt umgesetzt werden. (Bundesrätin Bachner: Das werden wir bald sehen!) Und auch die Politiker sind nicht ungeschoren davongekommen: Politikerpensionen werden gleich behandelt (Ruf bei der ÖVP: Das schmerzt die SPÖ!); bei den Altpensionen gab es eine Kürzung um 15 Prozent.

Was noch anzuführen ist – Kollege Gudenus hat es vorhin erwähnt –: Weiters wurde all jenen, die im Zuge des Zweiten Weltkrieges in Kriegsgefangenschaft in mittel- oder osteuropäischen Staaten geraten sind, eine Entschädigung, die so genannte Kriegs­gefangenenentschädigung, ausbezahlt. Über 25 000 Personen konnten und können davon profitieren. An dieser Stelle möchte ich meinem Chef, dem ehemaligen Landes­hauptmann von Oberösterreich, Dr. Ratzenböck, herzlich danken, war es nämlich er, der diese Initiative gesetzt und das vorgeschlagen hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Hervorzuheben ist auch die Einführung des Bundespflegegeldes im Jahre 1993. Ich sage Ihnen: Das war ein Meilenstein in der Sozialpolitik! So haben beispielsweise in Österreich im Jahre 2002 über 279 000 Menschen ein Bundespflegegeld erhalten und über 52 000 Menschen Pflegegeld von den Ländern. Der Bund hat im Jahre 2001 1,4 Milliarden € aufgewendet, um die Pflegegelder auszahlen zu können; dazu kom­men noch die Pflegegelder der Länder.

Erwähnen möchte ich auch noch die begünstigte Weiterversicherung in der Pensions­versicherung für pflegende Angehörige, etwas ganz Wichtiges, da diese Menschen eben ihren Arbeitsplatz aufgeben und zu Hause eine zu pflegende Person betreuen.


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Diese pflegenden Angehörigen brauchen für die freiwillige Weiterversicherung in der Pensionsversicherung nur mehr einen Betrag von 10,25 statt bisher 22,8 Prozent bezahlen. Dafür Voraussetzung ist jetzt – das wurde geändert; früher konnte man das erst ab den Pflegestufen V, VI oder VII machen –, dass der zu Betreuende in der Pflegestufe IV ist; also auch eine sehr positive Regelung.

Weitere Maßnahmen im Rahmen der Seniorenpolitik: die Verankerung der Alterssiche­rung in der Bundesverfassung und eine erweiterte Mitbestimmung der älteren Genera­tion durch den Österreichischen Seniorenrat sowie Einrichtung der Bundessenioren­beiräte und die Einrichtung von Bürgerbüros für Jung und Alt.

Unter dem Motto „Unsere Welt menschlicher gestalten!“ wurden die Voraussetzungen für Begleitung und Betreuung schwer kranker Menschen durch ihre Angehörigen ge­schaffen: Die Familienhospizkarenz wurde eingeführt. Auch dafür ein herzliches Dan­keschön. Ich meine, auch das ist eine ganz wichtige Sache.

Was die Zukunft betrifft, ist festzuhalten, dass es einen verstärkten Dialog von Alt und Jung geben muss, um die bestehenden Probleme und Herausforderungen in unserem Land aufzugreifen und in einem generationenübergreifenden Dialog gemeinsame Lö­sungen zu entwickeln. Nicht Generationenkonflikt, sondern Generationendialog ist gefragt!

Abschließend möchte ich mich bei den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die für die Erstellung dieses Berichtes verantwortlich zeichnen, aufs Allerherzlichste bedanken. Dieser Bericht ist ein umfangreiches und ein interessantes Nachschlagewerk für alle, die an Sozialpolitik interessiert sind.

Unsere Fraktion wird diesen Bericht dankend zur Kenntnis nehmen.

Frau Staatssekretär, jetzt möchte ich noch etwas anbringen, was mich von meiner be­ruflichen Tätigkeit her wirklich bedrückt. Wenn die Zahlen richtig sind, dass es angeb­lich bei der Pensionsversicherungsanstalt 3 000 unerledigte Pensionsanträge gibt und angeblich 7 000 Anträge auf Pflegegeld offen sind, dass die Begutachtungen sehr lange dauern, so sind es unhaltbare Zustände.

In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen folgenden Fall schildern: Eine Frau aus Oberösterreich erkrankte an multipler Sklerose. Und diese Mutter von drei minderjähri­gen Kindern hat am 26. November 2002, also ziemlich genau vor einem Jahr, einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. – Dieser Antrag ist noch immer nicht erledigt; die Gutachten sind noch immer nicht da! Das kann doch so nicht weitergehen! Mir wurde gesagt, dass diese Verzögerung daran liege, dass die Begutachter angeb­lich sehr wenig für solche Gutachten bezahlt bekommen und daher einfach nichts tun, wenn ich das so sagen darf.

Ich würde Sie wirklich bitten, Frau Staatssekretärin – ich hoffe da auf Ihre Unterstüt­zung –, diesbezüglich endlich etwas zu unternehmen, denn die Betroffenen können wirklich nicht verstehen, dass sie ein Jahr oder sogar noch länger auf ihre Pensions­entscheidung warten müssen. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.)

Frau Staatssekretär Haubner, nicht nur jetzt, sondern auch bereits in der Vergangen­heit gab es sehr viele Fälle, in denen der Pensionsantrag abgelehnt wurde, sodass diese Menschen zum Sozialgericht gehen mussten beziehungsweise müssen, um zu ihrem Recht zu kommen. Und auch da eine ähnliche Situation: Verfahrensdauer zwi­schen ein und zwei Jahren! Das sind Zustände, die man ändern könnte, ja sollte.

Ich würde Sie bitten, Frau Staatssekretär, sich das anzuschauen. Wenn Sie konkrete Fälle genannt haben wollen: Ich kann Ihnen diese Beispiele jederzeit liefern, haben wir doch im Jahr zirka 500 Vertretungsfälle, die wir übernehmen – egal, ob es da um


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Pensionsablehnungen oder Pflegegeldänderungen geht. Ich kann Ihnen hiezu, wie gesagt, wirklich einige Beispiele bringen. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, wenn wir diesbezüglich Unterstützung von Ihnen, Frau Staatssekretär, bekommen würden.

Ich habe bereits gesagt: Wir sind nicht mit allem einverstanden. Die Ambulanzgebühr war eine Sache, die man ... (Bundesrätin Schicker: Ein Flop!) – Ein Flop, ja! (De­monstrativer Beifall des Bundesrates Schennach.) Die Unfallrentenbesteuerung war eine Sache, die die Betroffenen nicht verstehen können (Bundesrat Boden: Wieso habt ihr dann zugestimmt?), und ich hoffe nur, dass für das Jahr 2003, wo ja angeblich wiederum eine Besteuerung erfolgen sollte, doch noch ein Kompromiss gefunden werden kann, sodass man das auch zurücknimmt. Erfreulich ist jedenfalls, dass das für das Jahr 2004 steuerfrei sein wird; die Zusage ist da. Und jetzt hoffe ich, dass in den Verhandlungen auch noch für das Jahr 2003 ein Kompromiss gefunden werden kann.

Als positiv darf ich abschließend noch anmerken, dass mit 1. Jänner 2004 die erste Etappe der Steuerreform kommen wird, wovon auch sehr viele Pensionisten profitieren werden, denn es gibt sehr viele, die ein Einkommen von unter diesem Satz von 14 500 € haben. Werden wir sehen, was hier herauskommen wird. Ich bin jedenfalls guten Mutes. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundes­räten der Freiheitlichen. – Bravorufe bei der ÖVP.)

18.00

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zu Wort gelangt Frau Staatssekretärin Haubner. – Bitte, Frau Staatssekretärin.

 


18.00

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ihnen liegt der Sozialbericht 1999 bis 2001 vor, und in der Analyse, dass es ein umfassender und guter Bericht ist, sind sich, so denke ich, alle hier vertretenen Parteien einig. Es ist natürlich auch logisch, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Opposition andere Vorstellungen haben, was die Folgewirkung und die politischen Konsequenzen betrifft, als jene der Regierungsparteien. (Präsident Ager übernimmt den Vorsitz.)

Eines möchte ich aber schon sagen: dass die Sozialausgaben gemessen am BIP in Österreich nach wie vor 28 bis 29 Prozent betragen. Damit liegen wir – weil heute schon die skandinavischen Länder angesprochen wurden – gleich nach den skandina­vischen Ländern im guten europäischen Mittelfeld. Aber mir ist schon klar, Zahlen alleine sind immer zu wenig, sondern man muss sich anschauen: Wo sind die Dinge, wo wird etwas getan, und wo brauchen es Menschen ganz besonders? Daher bitte ich – ich verstehe zwar die politische Argumentation –, ein bisschen davon Abstand zu nehmen, immer von einem Abbau der Sozialleistungen und einem Raubbau an den Sozialleistungen zu sprechen.

Diese Bundesregierung hat sich dazu verpflichtet, die Mittel effizient einzusetzen, und zwar dort, wo sie besonders gebraucht werden, für jene Menschen, die sie besonders brauchen: Das sind die „kleinen Leute“, das sind die Pensionisten, das sind jene, die Beeinträchtigungen haben, die Menschen mit Behinderungen, und das sind vor allem die Familien, die sehr stark auch von den Frauen geprägt werden.

Dieser Bericht zeigt uns, dass gerade der Ansatz, der 2000/2001 begonnen wurde, ein richtiger ist: Es wurde die Behindertenmilliarde eingeführt, es wurden die Familienleis­tungen erhöht, und es wurde in dieser Zeit – um hier drei Beispiele zu nennen – auch der Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepartner erhöht, der jetzt neuerlich erhöht wird und mit 1. Jänner 2004 1 000 € betragen wird.


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Der Ansatz ist richtig, und die politische Konsequenz, die die Bundesregierung daraus zieht, ist diejenige, dass wir sagen: Wir müssen besonders darauf achten, dass die Alterssicherung nachhaltig gewährleistet ist. Gerade eine Umfrage, die heute veröffent­licht wurde, was die Menschen besonders bewegt und besonders betroffen macht, zeigt ganz klar, dass wir hier sehr viel Handlungsbedarf haben. Die Menschen wollen nämlich die Sicherheit haben, dass sie im Alter eine Pension haben, von der sie auch leben können.

Und genau das versuchen wir mit allen Maßnahmen, die gesetzt werden, auch in Zu­kunft zu garantieren. Herr Kollege Wolfinger hat ja schon sehr vieles im Detail gesagt, und ich bin ihm sehr dankbar dafür, denn man mag zwar sagen: Ja, ist eh alles recht und schön!, aber wenn man das ganze Paket zusammen nimmt, meine Damen und Herren, dann ist es wirklich ein Pensionssicherungspaket! Und die Harmonisierung der Pensionssysteme ist jetzt dann der Meilenstein, an dem wir alle gemessen werden, denn dass es bisher Ungerechtigkeiten im Pensionssystem gegeben hat, war klar, weil wir unterschiedliche Pensionssysteme hatten und weil auch so viele Sonderrechte be­standen. Die Sonderrechte aber versteht niemand mehr.

Daher bitte ich wirklich darum, auch im Bereich der Harmonisierung alle konkreten Ideen und Anliegen einzubringen. Wir haben ja die ersten zwei runden Tische schon abgehalten, und da sind auch die Sozialpartner eingebunden. Ich finde das richtig und gut, denn das kann nur ein gemeinsames Paket sein. Hier geht es unter anderem auch – und das ist ja heute schon angeschnitten worden – um die berühmten Ersatz­zeiten: um die Ersatzzeiten für Kindererziehung, für Pflege, für Zivildienst, für Präsenz­dienst, bezüglich deren es gerade für die Frauen so wichtig ist, dass sie auch eine dementsprechende Bewertung bekommen. Wir haben in einem ersten Schritt bei der Pensionsreform des Sommers 2003 festgelegt, dass die Bemessungsgrundlage im Rahmen des Ausgleichszulagenrichtsatzes erhöht wird, und zwar – man könnte jetzt sagen, das ist zu wenig – jährlich um 2 Prozent. Aber wir werden uns im Zusammen­hang mit der Harmonisierung hier einiges überlegen müssen.

Wir werden uns auch überlegen müssen: Wie gehen wir damit um, wenn Frauen im Zusammenhang mit Kinderbetreuung oder Pflege Teilzeit arbeiten? Wie berechnen wir in Zukunft diese Zeiten, die gesellschaftspolitisch so wichtig und wertvoll sind? – Daher wird auch diese Bundesregierung an der Harmonisierung gemessen werden, und ich sage: Es ist ein richtiger und wichtiger Schritt!

Jene, die es besonders brauchen, sind die Familien, die heute schon sehr stark ange­sprochen wurden – und im Grunde lebt jeder von uns in einer Familie, ob man jetzt Kinder hat oder nicht. Wir haben in diesem Bereich sehr viel zu tun. Aber natürlich wissen wir auch, dass gerade Kinder zu haben eine Garantie dafür ist, dass die Gene­rationensolidarität auch in Zukunft gewährleistet ist. Ich will jetzt nicht das Kinderbe­treuungsgeld überstrapazieren – auch wenn es sehr positiv ist –, weil es heute schon so oft erwähnt wurde, aber es ist einfach ein wichtiger Beitrag auch zur Existenzsiche­rung, zur Existenzsicherung der Familien. Und es muss unser Ziel sein, wie dies auch im Sozialbericht festgehalten ist, dass die Armut vermindert wird, dass die Menschen nicht ärmer werden, sondern dass diejenigen, die es brauchen, eben in besonderem Maße bekommen.

Hier möchte ich auch wieder auf die Frauen eingehen – die Frauen, die nach wie vor die Familienarbeit machen. Diese Bundesregierung hat erstmals Familienarbeit wirklich auch bewertet; bisher waren diese Zeiten verloren: verloren für die Pension, ein Nach­teil, wenn es durch Familienarbeit zu einer Berufsunterbrechung gekommen ist. Erst­mals wird hier der richtige Schritt gesetzt. Das ersuche ich in diesem Zusammenhang auch mit zu bedenken.


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Daher, so sage ich, sind wir sicher auf einem richtigen Weg, der noch nicht zu Ende sein kann. Herr Kollege Gumplmaier hat bedauert, dass in diesem Bericht die Beschäf­tigungssituation nicht angeführt wird. Das verstehe ich, weil soziale Sicherheit sehr viel mit Erwerb, mit Arbeitsplatzsicherung und mit einem guten Arbeitsplatz zu tun hat. Wir wissen alle, dass eigenständige Alterssicherung gerade für Frauen untrennbar damit verbunden ist, dass Frauen auch ein entsprechendes Einkommen haben, neben den zusätzlichen Leistungen, die der Staat zuschießt. Daher ist, glaube ich, auch die mit 1. Jänner 2004 in Kraft tretende Steuerreform – sie wurde heute schon angespro­chen – in diesem Zusammenhang ein erster wichtiger Schritt, weil sie sehr viele Arbeit­nehmerinnen und Arbeitnehmer und vor allem Frauen, Alleinerzieherinnen mit kleinen Einkommen, begünstigen wird. Der nächste Schritt muss – etwas, was immer wieder im Besonderen mein Anliegen ist – die Anhebung des Alleinverdienerabsetzbetrages sein, der in den letzten 15 Jahren nicht dementsprechend positiv verändert wurde.

Daher sage ich: Das, was uns vorliegt, ist ein Zustandsbericht bis zum Jahre 2002. Der Sozialbericht wird Gott sei Dank alle zwei Jahre gemacht, denn ich denke, man sollte hier nicht zu große zeitliche Differenzen vorgeben, wie das beim Familienbericht, der nur alle zehn Jahre aufliegt, der Fall ist. Ich bin daher sehr froh, dass der Sozialbericht alle zwei Jahre gemacht wird.

Ich denke, die Schwerpunkte, die wir als politische Konsequenz aus diesem Bericht ziehen, sind, dass es darum geht, die Alterssicherung nachhaltig zu gewährleisten, Menschen mit Beeinträchtigungen, mit Behinderungen Chancen vor allem auch am Arbeitsmarkt zu geben – durch die Behindertenmilliarde oder, wie jetzt, durch die Ein­führung und Verbesserung der persönlichen Assistenz am Arbeitsplatz; hier muss Geld investiert werden! –, und vor allem auch jene Fragen zu beantworten, die die Familien und im Besonderen die Frauen im Bereich der eigenständige Sicherung betreffen.

Daher: Wenn dieser Weg von allen Verantwortlichen konsequent weitergegangen wird, dann sehe ich dem nächsten Sozialbericht nicht mit Grauen entgegen, wie ein Redner der Opposition gesagt hat, sondern sehr positiv, und freue mich schon darauf, dass wir den Sozialbericht 2004 hier diskutieren. – Danke schön. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

18.10

 


Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist auch nicht der Fall.

Die Abstimmung über die vorliegenden Berichte erfolgt getrennt.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht über die soziale Lage 1999.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Das ist Stimmenein­helligkeit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Bericht über die soziale Lage 2001 bis 2002.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmen­mehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.


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29. Punkt

Österreichischer Familienbericht 1999 der Bundesregierung (III-208-BR/2000 d.B. sowie 6919/BR d.B.)

 


Präsident Hans Ager: Wir gelangen nun zum 29. Punkt der Tagesordnung.

Da der gewählte Berichterstatter Johann Kraml krank gemeldet ist, fällt die Berichter­stattung gemäß § 45 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates der Ausschuss­vorsitzenden Roswitha Bachner zu. – Ich bitte um den Bericht.

 


Berichterstatterin Roswitha Bachner: Geschätzter Herr Präsident! Frau Staatssek­retärin! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz betreffend „Österreichischer Familienbericht 1999 der Bun­desregierung“:

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Ausschuss für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz stellt so­mit den Antrag, der Bundesrat wolle den Österreichischen Familienbericht 1999 der Bundesregierung (III-208-BR/2000) zur Kenntnis nehmen.

 


Präsident Hans Ager: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. Ich erteile ihr dieses.

 


18.12

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Der Familienbericht ist aus dem Jahr 1999. Er ist im Jahr 2000 in der Bundesratskanzlei eingelangt. Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, war: Warum hat es drei Jahre lang gedauert, bis wir das vor­gelegt bekommen? (Staatssekretärin Haubner: Das habe ich mich auch gefragt!) – 1999 war ich noch nicht im Bundesrat; Sie waren, glaube ich, auch nicht wirklich dafür zuständig. Aber gut, wir können jetzt trotzdem darüber reden.

Als ich mir den Bericht durchgelesen habe, bin ich draufgekommen: Die Studien, die darin zitiert werden, sind zum Teil noch viel älter! Es gibt da eine Studie aus dem Jahr 1990 – diese war eigentlich schon bei der Erstellung des Berichtes ein ziemlich alter Hut. In dieser Studie – EVS heißt sie – wird „die verstärkte Berufstätigkeit der Frau ambivalent beurteilt.“ – Das steht so im Bericht. Ich frage mich: Wer beurteilt die Berufstätigkeit der Männer?

Diese 13 Jahre alte Studie beschäftigt sich nicht damit, ob Familie und Beruf vereinbar sind, sie beschäftigt sich vielmehr mit dem Glauben der Menschen: dem Glauben zum Beispiel, dass Vorschulkinder unter der Berufstätigkeit der Mütter leiden, oder dem Glauben, dass die meisten Frauen Heim und Kinder wollen. (Demonstrativer Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.) – Ich bin auch eine Frau, auch ich will Heim und Kinder – aber ich will auch einen Beruf! Und ich frage mich: Wollen die Männer nicht Heim und Kinder? Also was soll jetzt mit dieser Studie ausgesagt werden? – Ich kenne allerdings nicht sehr viele Männer, die, nur weil sie Heim und Kinder wollen, deshalb ihren Beruf aufgeben.

Dann gibt es eine weitere Studie, die ein bisschen aktueller ist, sie stammt aus dem Jahr 1992 und erklärt, dass fast die Hälfte der 20- bis 39-Jährigen meinen, es sei ideal, wenn Mütter zumindest in den ersten Jahren zu Hause bleiben – wie lang die „ersten Jahre“ dauern, steht in der Studie nicht drinnen –, und im Gegensatz dazu seien nur


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acht Prozent der Befragten der Meinung, dass die Vollzeit-Erwerbstätigkeit von Müttern ideal sei.

Im Vergleich dazu – das wird auch angeführt – tendieren in Belgien 59 Prozent zum Ideal der Vollzeiterwerbstätigkeit von Müttern. Da frage ich mich wieder: Was sagt diese Studie aus? – Entweder sind die Belgierinnen alle Rabenmütter, weil sie nicht zu Hause bei ihren Kindern bleiben wollen; möglicherweise ist es aber auch so, dass die Österreicherinnen keine Karrierechancen für eine Vollzeitbeschäftigung sehen und deshalb gleich sagen, sie bleiben lieber zu Hause.

Auf der anderen Seite stellt sich wieder die Frage: Wie ist es mit den Vätern? – Die Väter kommen in diesem Familienbericht sehr selten vor.

Dann gibt es noch ein weiteres Kapitel: „Gelebte Beziehungen“. – Darin werden andere Formen von Partnerschaften als die Ehe als „vorübergehend“ bezeichnet – also das sei eigentlich etwas, was nur vorher oder nachher passieren kann, aber „normal“ ist die Ehe. Das geht bis hin zu der Aussage, dass Lebensgemeinschaften als Alternativen zur Ehe selten absichtlich gewählt werden.

Also ich weiß nicht, ob ich in irgendeinem elitären Kreis groß geworden bin. Ich kenne sehr viele Menschen, die sehr bewusst nicht die Ehe wählen, sondern eine Partner­schaft einfach ohne Trauschein. (Bundesrätin Bachner: So ist es!)

Interessant an diesem Kapitel ist auch noch, dass keinerlei Quellen angegeben sind. Das heißt für mich, es steht jetzt nicht ganz klar fest, ob das eine Studie aus dem Jahr 1960 ist oder ob das einfach ein Stimmungsbild der Autorin ist.

Dann gibt es noch ein weiteres Kapitel: „Die Familienpolitik – in der Falle der Selbstver­ständlichkeit der Familie“. – Da wird eine Weiterentwicklung der familienpolitischen Maßnahmen vom Lastenausgleich zu einem Leistungsausgleich gefordert. Betreu­ungs- und Erziehungsleistungen direkt und individuell persönlich abzugelten, soll eine wirtschaftliche Mindestsicherung für eine spezielle Lebensphase ergeben und damit Wahlfreiheit für Beruf oder Familie bringen.

Auch wenn mir die Leistung für meine Familienarbeit abgegolten wird, sehe ich aber nicht, warum ich dadurch die Wahlfreiheit für den Beruf haben sollte! Bösartig könnte man auch herauslesen: Gebt den Frauen eine Mindestsicherung, dann kommen sie gar nicht auf die Idee, dass sie auch arbeiten gehen könnten!

Dann gibt es noch ein Kapitel „Familien mit einem behinderten Kind“. In diesem schei­nen überhaupt nur Mütter auf; Väter gibt es bei diesem Problembereich offensichtlich gar nicht – wie so oft in diesem Bericht.

Und unter dem Kapitel „Recht der Familie“ wird schlussendlich sogar gefordert, das Recht auf Ehe in der Verfassung festzuschreiben. Glücklicherweise steht nicht drinnen, warum das so sein sollte oder wozu das gut sein sollte; das ist nicht näher erläutert. (Bundesrat Mag. Himmer: Wen man heiraten muss, steht auch nicht drinnen!) – Das ist ein Glück, ja.

Ausnahmen bestätigen die Regel: Es gibt auch in diesem Familienbericht einige aktuelle und wirklich interessante Kapitel. Das Kapitel „Familien im Auf und Ab des Lebens“ wirft interessante Fragen auf wie: Probleme der AlleinerzieherInnen, fehlende Pensionen und Sozialversicherungen für die Frauen, Probleme von Scheidungskin­dern, Stieffamilien und neue Herausforderungen der Gesellschaft.

Trotzdem, im Großen und Ganzen erzählt uns dieser Familienbericht von einer Idylle, die es vielleicht in den sechziger Jahren gegeben haben könnte: mit Vater, Mutter, Kind oder mehreren Kindern, Mutter zu Hause am Herd, und Vater erwirtschaftet ein großes Einkommen, womit man sich das Haus am Land leisten kann. – Dass diese


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Idylle nicht immer vorzufinden ist und bei weitem nicht so verbreitet ist, wie in diesem Bericht vermittelt wird, das wird großteils ignoriert. Aus diesem Grund werde ich auch dem Bericht nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

18.18

 


Präsident Hans Ager: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Fröhlich. Ich erteile ihr dieses.

 


18.18

Bundesrätin Christine Fröhlich (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Staatssekretärin! Ich habe auch ein paar Dinge aus dem Familienbericht 1999 herausgesucht, und ich möchte diese Punkte hier auch ein bisschen darstellen.

Die Familie im Wandel – diese ist aber nicht in der Krise. Die Familie bleibt das zent­rale Leitbild der Österreicherinnen und Österreicher. (Beifall bei der ÖVP und den Frei­heitlichen.) Es gibt aber weniger Kinder und Eheschließungen, jedoch mehr Schei­dungen. Außerdem geht der Trend dahin, später zu heiraten und später Kinder zu kriegen. – Das sind einige der zentralen Aussagen des Familienberichtes 1999.

Zahlreiche Wissenschafter unterschiedlichster Fachrichtungen haben sich mit den aktuellen Entwicklungen rund um das Thema Familie auseinander gesetzt und umfas­sendes Zahlenmaterial zusammengetragen. Die Bandbreite der Analysen umfasst dabei demographische oder rechtspolitische Fragestellungen ebenso wie ökonomische und familienpolitische. In der Langfassung hat der Familienbericht, der dem Nationalrat alle zehn Jahre vorgelegt werden muss, mehr als 12 000 Seiten.

Die vielfach geäußerten Behauptungen, dass sich die Familie in der Krise befindet, kann der Bericht nicht bestätigen. Untersuchungen zeigen, dass sich am Stellenwert von Ehe und Familie in den vergangenen Jahrzehnten wenig geändert hat und dass Familie, Partnerschaft und Elternschaft nach wie vor äußerst geschätzte Werte darstel­len. Die Kernfamilie ist, wie die Zahlen belegen, auch heute noch die weitaus häufigste Lebensform. Große Einbrüche sind für die vergangenen zehn Jahre nicht festzustellen.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konstatieren aber doch einen gewissen Wandel. Zwar werden alternative Lebensformen meist in der Phase des jungen Er­wachsenenalters gewählt, die Zahl der kinderlosen Paare nimmt aber zu, es kommt aber auch zu späteren Geburten. Auch bei den Eheschließungen ist in den letzten zehn Jahren ein Rückgang – bei gleichzeitigem Anstieg der Zahl der Scheidungen – festzustellen. 1998 betrug die statistische Kinderzahl pro Frau 1,34. Das ist der nied­rigste jemals in Österreich festgestellte Wert.

Wenig geändert hat sich dem Bericht zufolge an der Aufteilung der Familienarbeit zwi­schen Männern und Frauen. Zwar befinden sich Rollenbild und Selbstverständnis der Männer im Wandel, der überwiegende Beitrag zur Erholung sowie zur Hilfe für Fami­lienmitglieder und deren Pflege wird aber nach wie vor von den Frauen geleistet. Zudem sind die Mütter immer noch Hauptbetreuungspersonen und widmen sich den Kindern, auch wenn sie erwerbstätig sind.

Umfangreiches Zahlenmaterial macht den Familienbericht 1999 zum wertvollen Nach­schlagewerk in Sachen Familie. So zeigt die Bevölkerungsstatistik, dass die Bevölke­rung Österreichs nach einer stetigen, vor allem durch Zuwanderung bedingten Wachs­tumsphase seit 1993 stagniert. Auch in den nächsten Jahrzehnten wird die Einwohner­zahl – so die Prognose – nicht mehr wachsen. Ab dem Jahr 2020 ist sogar mit einem Bevölkerungsrückgang zu rechnen, da das wachsende Geburtendefizit bei gleich blei­bender Zuwanderung nicht mehr ausgeglichen wird. Die individuelle Lebenszeit steigt allerdings sehr deutlich.


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Der Bericht bietet auch eine Reihe von Lösungsansätzen, damit man die sich daraus ergebenden Probleme in den Griff bekommen kann. So wäre es nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglich, dem Geburtenrückgang entgegen­zuwirken, indem man Rahmenbedingungen schafft, die es den Frauen und Männern leichter machen, Verantwortung für ein Kind zu übernehmen. Genannt werden dabei die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie durch ausreichende Teilzeitarbeits­plätze, neue Arbeitszeitmodelle und ausreichende Betreuungsmöglichkeiten, Wieder­einstiegshilfen, Forcierung von Kontakthaltestrategien, Elternbildung und -beratung und ausreichend finanzielle Unterstützung sowie das Kinderbetreuungsgeld, das seit 1. 1. 2002 schon einen großen Beitrag dazu geleistet hat.

So weit die nüchternen Fakten aus dem Bericht. Nicht angesprochen werden die essentiellen Probleme, die sich daraus ergeben. So werden durch die Überalterung der Bevölkerung die Pensionszahlungen zu einem schwer wiegenden finanziellen Problem, das ohne einschneidende Maßnahmen von Seiten der Politik nicht in den Griff zu be­kommen ist. Durch den stetigen Zuzug von ausländischen Mitarbeitern wird der Aus­länderanteil an der Bevölkerung in manchen Regionen zu einer echten Nagelprobe. Die steigende Ausländerfeindlichkeit ist eine Begleiterscheinung dieser Entwicklung.

Es wird also an uns liegen, auch durch die Durchsetzung von unpopulären Maßnah­men Voraussetzungen zu schaffen, die eine friedliche und eine gute Zukunft in unse­rem Lande gewährleisten. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

18.25

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster ist Herr Bundesrat Reinhard Todt zu Wort gemel­det. Ich erteile ihm dieses.

 


18.25

Bundesrat Reinhard Todt (SPÖ, Wien): Sehr verehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte zunächst zu entschuldigen, dass ich etwas erkältet bin!

Wenn wir uns heute mit dem Familienbericht aus dem Jahre 1999 beschäftigen, so bietet das natürlich auch eine gute Gelegenheit, Vergleiche zwischen der Situation bis 1999 und der heutigen Situation zu ziehen, und ich möchte es wagen, jetzt einige solcher Vergleiche zu ziehen.

Ich komme zu einem Befund, der für die heutige Situation nicht sehr gut ausschaut. (Bundesrat Mag. Himmer: Das überrascht nicht!) – Natürlich überrascht das nicht, Herr Kollege Himmer! Das ist halt einfach so! Ich möchte aber auch die verschiedenen Sichtweisen darstellen. Sie können ja dann gerne dagegen reden!

In den letzten Jahren wachsen die steuerlichen Belastungen. Die steigenden Preise, die steigenden Wohnungskosten und die Stagnation der Einkommen belasten in be­sonderer Weise die Familien. Die Bundesregierung stellt sich gerne als besonders familienfreundlich dar. (Bundesrat Bieringer: Das ist sie auch!) Tatsache ist aber leider, dass dem nicht so ist.

Zunächst darf ich daran erinnern, wer in der Vergangenheit tatsächlich für Familien Politik gemacht hat: In der Zeit von 1970 bis 1999 wurde die Zahl der Kinderbetreu­ungsplätze in Österreich mehr als verdoppelt. Die Zahl der Karenzgeldbezieherinnen wurde sogar verdreifacht. Die Kindersterblichkeit ist durch den Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens in diesen dreißig Jahren um 90 Prozent zurückgegangen! Die Zahl der Kinder, die eine höhere Bildung bekommen konnten, wurde in dieser Zeit ver­doppelt. Die Zahl der Arbeitsplätze ist jährlich durchschnittlich um 25 000 gestiegen, und die Familieneinkommen haben sich in dieser Zeit versechsfacht.


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Meine Damen und Herren! Das war Familienpolitik! Das, was uns heute geboten wird, sind meiner Auffassung nach hingegen Lippenbekenntnisse, und diese Politik führt im Prinzip zu immer mehr Belastungen, auch wenn Sie das in Ihrer Wortmeldung zuerst ein bisschen schöngeredet haben. (Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte mich hier aber auch mit dem viel bejubelten Kinderbetreuungsgeld beschäf­tigen. – Dieses Kinderbetreuungsgeld hat nachweislich dazu geführt, dass die Chan­cen der Frauen auf eine Rückkehr ins Erwerbsleben gesunken sind. Das bestätigt auch eine OECD-Studie. (Bundesrätin Roth-Halvax: Das stimmt nicht!) Das bestätigt eine OECD-Studie! (Beifall bei der SPÖ.)

Kritik übt die OECD auch am generellen Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Daher ist die Bundesregierung eigentlich gefordert und müsste im Hinblick auf diese Studie Schritte setzen.

Es gibt noch ein paar Punkte, die ich erwähnen möchte. – Die neue Teilzeitregelung der Regierung muss dringend überarbeitet werden, weil auf Grund der Beschränkun­gen in Bezug auf die Firmengröße zwei Drittel der Zielgruppe von vornherein davon ausgeschlossen sind.

Noch ein Punkt: Die Bundesregierung hat das Budget für die Rückkehr der Frauen ins Berufsleben gekürzt und die Kindergartenmilliarde ersatzlos gestrichen. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.)

Aber es gibt ja nicht nur diese OECD-Studie, es gibt auch eine andere Studie. Kollege Gruber! Hören Sie zu! Ich spreche jetzt vom Arbeitsklimaindex. Aus dieser Studie geht hervor, dass sich eine Frau in Österreich, wenn sie sich heute für Kinder entscheidet, oft gleichzeitig gegen eine berufliche Karriere, dafür aber für eine unzureichende Altersversorgung und ein dramatisch niedriges Lebenseinkommen entscheidet. (Bun­desrat Dr. Kühnel: Das stimmt doch nicht!) – Herr Kollege! Herr Kühnel! Ich sage Ihnen nur, was eine Studie aussagt! (Bundesrat Dr. Kühnel: Das stimmt nicht, auch wenn Sie es tausendmal sagen!)

Ich lese Ihnen weiter vor: Laut Arbeitsklimaindex geben 15 Prozent der erwerbstätigen Mütter an, dass ihr Einkommen zur Deckung ihrer Lebensbedürfnisse nicht ausreicht. 30 Prozent dieser Beschäftigtengruppe gehen davon aus, dass ihre Pension nicht zum Leben reichen wird. (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Ich lehne das Kindergeld nicht ab! Ich habe nur klar und deutlich gesagt, wohin dieses Kinder­geld führt! Das ist die Situation, ganz einfach! (Bundesrat Dr. Kühnel: Lehnen Sie das Kindergeld auf Grund dieser OECD-Studie ab?)

Ich bin für das Kindergeld, ich bin aber auch für Maßnahmen betreffend die Schaffung von Kinderbetreuungseinrichtungen und Wiedereinstiegshilfen für Frauen! Für solche Maßnahmen bin ich! (Bundesrat Dr. Böhm: Sind Sie jetzt dafür oder dagegen?) Ich bin nicht gegen das Kindergeld, aber ich bin für Maßnahmen in ganz Österreich, wie sie derzeit auch in Wien gesetzt werden, dass es nämlich die Möglichkeit gibt, dass die Fraueneinkommen gehoben werden. Wir haben in Wien österreichweit das dichteste Kinderbetreuungsnetz. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.)

Herr Gruber! Hören Sie mir zu! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) Ich sage es Ihnen gerne! Für die Drei- bis Sechsjährigen hat Wien einen Deckungsgrad von 97 Prozent und in der Altersgruppe der Dreijährigen einen Deckungsgrad von 57 Pro­zent. (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Himmer.) – Andere Bundesländer haben das auch nicht! (Bundesrat Bieringer: Was Sie sagen, stimmt nicht!)

Noch einmal in aller Ruhe, ich möchte Ihnen noch etwas sagen. (Zwischenruf der Bun­desrätin Roth-Halvax.) Auf Grund der sozialen Tarifgestaltungen sind mehr als ein Drittel dieser Plätze gratis, und wir haben in Wien mit Abstand die meisten Kindergar-


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ten- und Schülerhortplätze und zudem auch die größte ganztägige Betreuung an den Schulen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.)

Das verstehen wir darunter, dass berufstätige Frauen Familie und Kinder auch mit dem Beruf vereinbaren können. Das sind einfach Tatsachen, die Sie auch sehen müssen! (Bundesrat Dipl.-Ing. Bogensperger: Und was kostet das?) Ich habe Ihnen gesagt: Das geht nach dem Einkommen! Da gibt es eine soziale Staffelung! Und für ein Drittel der Kinder wird nichts bezahlt! (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) In Niederöster­reich gibt es aber kaum Kinderbetreuungseinrichtungen! Reden Sie doch nicht! Schauen Sie sich Ihre Statistiken an! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Frau Kollegin! Ich möchte Ihnen gerne etwas sagen! Ich spreche jetzt Sie als Gewerbe­treibende an! (Neuerlicher Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax. – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.) – Entschuldigung! Da habe ich jetzt die Falsche erwischt! Das kann passieren! (Lebhafte Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Wenn sich die Tumulte wieder gelegt haben, kann ich weiter sprechen! – Sie schaffen diese Kinderbetreuungseinrichtungen nicht. Damit können wir Ihnen auch den Spiegel vorhalten und Sie auffordern, doch einfach mehr für Kinderbetreuungseinrichtungen zu tun! Sie tun auf diesem Gebiet einfach zu wenig! (Bravoruf des Bundesrates Ko­necny. – Beifall bei der SPÖ.)

Ich möchte noch ein paar Problemkreise ansprechen, die auf uns zukommen werden. Auch die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten geht zu Lasten eines normalen Fami­lienlebens, und sie wird überall dort zu seiner besonderen Belastung, wo keine be­darfsorientierten Kinderbetreuungseinrichtungen in ausreichender Zahl vorhanden sind. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Das müssen Sie den Gewerbetreibenden sagen!) Das sind einfach die vorhandenen Fakten! (Zwischenruf des Bundesrates Mag. Him­mer.)

Herr Kollege! Ich habe mich hier nicht gegen die Verlängerung von Ladenöffnungszei­ten ausgesprochen! Ich habe nur aufgezeigt, dass, wenn sie verlängert werden, man auch entsprechende Einrichtungen schaffen muss, in welchen die Kinder betreut wer­den können. Das sind einfach Tatsachen! (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.)

Die Arbeiterkammer kritisiert etwa, dass die Familieneinkommen immer stärker durch die steigenden Wohnungskosten belastet werden. Hohe Mieten mögen Immobilien­besitzer und Immobilienfonds sowie deren Anleger freuen. Familien geraten durch hohe Mieten aber in existentielle Probleme. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo hat errechnet, dass die Kosten für ein Kind durchschnittlich etwa 500 € pro Monat betra­gen, und diese Kosten steigen mit zunehmendem Alter des Kindes.

Die Familien gehören zu den Schwächsten in der Gesellschaft. Sie müssen daher von einer sozialen Gesellschaft die stärkste Unterstützung bekommen, und sie müssten daher auch von der Politik die stärkste Unterstützung bekommen. Stattdessen werden mit der Steuerreform, die am 1. 1. 2004 in Kraft tritt, jene Unternehmen steuerlich ent­lastet, die durch die steuerlichen Begünstigungen nicht entnommener Gewinne ohne­hin schon Gewinne machen. Die Schwachen dagegen werden zusätzlich belastet. So werden zum Beispiel die Heizkosten durch die Einführung einer Energieabgabe auf Kohle und Koks und durch die Erhöhung der Energieabgabe auf Erdgas sowie durch die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Heizöl massiv erhöht.

Meine Damen und Herren! Das ist keine familienfreundliche Politik! (Bundesrat Ing. Franz Gruber: Was ist mit Holz?) Es gibt viele Familien, die nicht mit Holz heizen können, wenn Sie das so ansprechen, weil sie andere Heizungen haben und daher auf die anderen Energiestoffe angewiesen sind! (Bundesrätin Haselbach: Wenn man ein


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eigenes Haus hat und eine entsprechende Heizung eingebaut ist, dann hat man solche Probleme nicht!)

Ich darf Ihnen auch noch ganz klar sagen: Die Kosten für die Familien nehmen auch für Bildung zu. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Kühnel.) – Herr Kühnel! Sie kommen aus dem ersten Bezirk! Dort gibt es genügend Leute, die sich all das leisten können! Ich komme aus einem anderen Bezirk, wo sich das viele auf Grund der Politik, die Sie betreiben, nicht mehr leisten können! (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist ein Faktum, dass die Kosten, die in den Familien für Bildung anfallen, immer mehr zunehmen. Immer häufiger werden von Schulen finanzielle Beiträge von den El­tern verlangt. (Zwischenruf des Bundesrates Kneifel.) – Stimmt das nicht? Es werden von Schulen finanzielle Beiträge von den Eltern verlangt, um den Kindern mehr Lehr­angebote machen zu können. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.)

Ich sagen Ihnen: Ich weiß, wovon ich spreche! Ich bezahle jedes Jahr zu Beginn des Schuljahres für meine Tochter in diese Kasse mit hinein! (Weiterer Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) – Das glaube ich schon! Ich bezahle das auch, und daher glaube ich das auch!

Noch ein Satz betreffend die Studiengebühren. – Ich habe das heute in meinem Refe­rat zum Thema Fachhochschulen schon gesagt: Die Einführung der Studiengebühren ist in erster Linie eine zusätzliche Belastung für Eltern, die ihrem Kind ein Hochschul­studium ermöglichen wollen. Ich darf daran erinnern, dass wir in Wien zeitgleich mit der Einführung der Studiengebühren durch die Bundesregierung die Studentenfreifahrt eingeführt haben, was zumindest eine gewisse Entlastung für die Leute gebracht hat. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax.) – Es ist einfach so! Ich möchte Ihnen das einfach nur sagen!

Ich möchte zudem darauf hinweisen, dass die Verteuerung der Gesundheitskosten im besonderen Maße die Familien trifft, denn Kinder sind eben auch häufiger krank.

Bemerkenswert ist auch, dass immer mehr Familien in Österreich Probleme beim Ein­kauf von Gütern des täglichen Bedarfs haben. Selbst Grundnahrungsmittel wie Brot, Fleisch und gesundes Obst und Gemüse werden immer teurer. Und ich erwähne auch den hohen Konsumdruck, dem Kinder und somit auch Eltern ausgesetzt sind. Auch das ist in vieler Weise finanziell und psychisch belastend. So ist es kein Zufall, dass wir erst kürzlich wieder lesen konnten, dass die Verschuldung der privaten Haushalte in Österreich rasant zunimmt, dass es immer mehr Privatkonkurse, Exekutionen und Zwangsversteigerungen gibt.

Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Ich meine einfach, dass Sie Ihre Augen nicht länger davor verschließen dürfen, dass die gerechte Verteilung der Güter und Reichtümer in unserer Gesellschaft nicht mehr funktioniert. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) Österreich ist das drittreichste Land der EU, und dennoch sind 13 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, und darunter sind viele Familien. (Bundesrat Ing. Franz Gruber: 10 Prozent davon sind Bauern!)

Ich sage Ihnen daher: Hören Sie auf, sich in die eigene Tasche zu lügen! Ändern Sie die Politik zugunsten der Schwächsten in der Gesellschaft! Fördern Sie mit Steuer­geschenken nicht jene, die sich ohnehin etwas leisten können! Geben Sie denen, welche die Hilfe der Gemeinschaft brauchen, nämlich den Familien, denn dann werden Lippenbekenntnisse in der Folge auch tatsächlich bessere Lebensverhältnisse für Familien in unserem Land schaffen! (Beifall bei der SPÖ.)

18.40

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster ist Herr Bundesrat Mag. Gudenus zu Wort gemel­det. – Bitte.

 



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18.40

Bundesrat Mag. John Gudenus (Freiheitliche, Wien): Herr Präsident! Frau Staatssek­retärin! Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf das Thema eingehe, möchte ich noch zur Dringlichen Anfrage betreffend den Tierschutz folgende Bemerkung machen: Ich finde es ausgesprochen zweckmäßig, bevor ein Gesetz ein solches wird, also zu einer Gesetzesinitiative eine Debatte abzuhalten. Das erspart uns manchmal andere Novel­len. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Jetzt zum vorgesehenen Thema Familie: Dazu gehören Generationen und Konsumen­tenschutz. Ich finde es ... (Bundesrat Ing. Franz Gruber: ... das System Prinz­horn ...!) – Ja, du hast Recht, wie immer. – Wenn 4,8 Milliarden €, rund 70 Milliarden Schilling, für Familie, Generationen und Konsumentenschutz ausgegeben worden sind, erwartet man sich natürlich, dass auch Großes passiert. Ich kann Ihnen sagen, Kolle­ginnen und Kollegen, ich meine, es passiert Großes.

Dieses Geld wird gut angelegt, wird unseren Familien gegeben. Ich darf das aufglie­dern: 4,8 Milliarden € wurden 2003 in den Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen einge­zahlt. Als Familienbeihilfen wurden 2 Milliarden € ausbezahlt, für das Kinderbetreu­ungsgeld inklusive Zuschuss wurden 864 Millionen € ausbezahlt. Der Pensionsbeitrag wurde mit 130,8 Millionen € beglichen, die Krankenversicherung mit 72 Millionen € und so weiter. In den Händen der Frau Staatssekretärin wird das Geld nicht nur verwaltet, sondern auch gut verwaltet. Darüber müssen wir sehr froh sein. (Beifall bei den Frei­heitlichen und der ÖVP.)

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Jugendförderung, welche mit 6,7 Millionen € ver­anschlagt wurde, und die Basisförderung für die Jugendorganisationen mit 2,6 Millio­nen €. Aber das ist nicht das, was ich im Besonderen sagen möchte.

Vielmehr möchte ich mich dagegen aussprechen, wenn behauptet wird, dass sich die Familie in der Krise befindet. Sie ist nicht in der Krise, zum Glück hat das auch nie­mand hier behauptet. Aber es hat der Stellenwert einer notifizierten Ehe, sei es vor dem Altar oder am Standesamt, etwas an Bedeutung verloren. Die Kernfamilie besteht jedoch weiter: Das sind Mutter, Vater, Kind, Kinder. Wir müssen bedauern, dass es zu wenige Kernfamilien gibt, Familien also, die den Anspruch Vater, Mutter und Kinder darstellen.

Die Zahl der kinderlosen Paare nimmt zu. Ich kann nur hoffen, dass manche von ihnen noch zu Kindern kommen. Speziell wenn man alt ist, wird einem manches abgehen. Da wir heute schon darauf hingewiesen haben, dass der eine oder andere in einem Pfle­geheim ist, so ist es betrüblich, wenn ihn niemand besuchen kommt. Wer soll ihn denn besuchen kommen, wenn nicht die eigenen Angehörigen? Wie man merkt, kommt auch die eine oder andere Gesundheitsstaatssekretärin nicht zu Besuch. (Bundesrat Bieringer schaut fragend.) – Pardon, Stadträtin! Entschuldigung! Die Gesundheits­stadträtin kommt nicht zu Besuch. Ich danke für das erschreckte Innehalten von Freund Bieringer. Danke vielmals! Genau so ist es gemeint.

Dass Frauen im Durchschnitt nur 1,34 Kinder haben, sei beklagt, aber trotzdem sind Mütter immer noch die Hauptbetreuungspersonen für Kinder und widmen sich auch ihren Kindern. Das ist die traditionelle Rollenverteilung. Das kam von meinem Vorred­ner Todt ein bisschen unglücklich. Du hast ein bisschen unglücklich formuliert, dass Frauen keinen Job haben. – Ja, aber ist es nicht Aufgabe genug, im Haushalt für die Familie tätig zu sein? Ja, das ist eine Aufgabe! (Bundesrätin Auer: Dann sollen aber die Männer ...! Ist es nicht Aufgabe, Vater zu sein?) Wenn eine Frau andere Tätig­keiten nebenbei noch zustande bekommt, kann man nur sagen: Prima! Auch das ist eine Doppelaufgabe. Aber grundsätzlich ist es Aufgabe einer Frau, Mutter zu sein und zu Hause zu sein. (Zwischenrufe.)


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Liebe Kollegin! Mein konservatives Weltbild ist so. Ich lasse anderen ihr Weltbild. Ich bin hier, um mein Weltbild darzulegen und ein anderes zu akzeptieren. Aber ich muss es ja nicht in mich aufnehmen. (Bundesrat Dr. Böhm: Noch nicht!) – Noch nicht, nein. Das Gesetz ist noch nicht in Vorbereitung, Herr Kollege.

Es ist auch erstaunlich, dass so viele junge Menschen noch bei ihren Eltern wohnen. – Meine Frau beklagt es, denn auch unsere Kinder wohnen noch zu Hause. Sie sind aber noch unter 30. – Dieser Umstand geht aus manchen Berichten hervor, ich finde das auch gar nicht schlecht. Es ist nicht abträglich, wenn Kinder mit ihren Eltern gerne zusammenwohnen. Das spricht für die Kernfamilie, das spricht nicht für eine aufgelöste Familie, die es vielleicht auch geben mag.

Betrüblich ist der starke Geburtenrückgang in den letzten zehn Jahren, der ja dazu führte, dass wir einen Geburtendurchschnitt von 1,34 pro Frau haben. In Spanien ist er geringer, in Italien ist er geringer, aber in Irland gibt es 1,92 Kinder und in Norwegen 1,86 Kinder pro Frau. Was ist dort anders? Was ist dort besser gelaufen? (Zwischenruf der Bundesrätin Roth-Halvax. – Bundesrat Bieringer: Dort sind die Männer fleißi­ger!) – Ja, wahrscheinlich. Die langen Nächte in Norwegen, nicht wahr, Frau Kollegin? (Bundesrätin Bachner: Ich würde mich nicht so beschweren!)

Man kann doch sagen, dass die Post-Achtundsechziger manche Krusten aufbrachen und manches in Bewegung brachten. Aber manches, was sie gebracht haben, dazu kann man im wahrsten Sinne des Wortes sagen: Hier wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Und an diesen Folgen leidet unser Pensionssystem und wird es in Zukunft leiden.

Die Väterkarenz hat erfreulicherweise zugenommen. 1999 waren es 1 353 Väter, jetzt sind es schon 2 286 Väter, die die Väterkarenz in Anspruch nehmen. Wir können uns freuen: Im Jahre 2002 war eine Zunahme der Gebärfreudigkeit um 3,6 Prozent Kinder vorhanden. Nur, was heißt das: 3,6 Prozent Kinder mehr? – Das ist in Wirklichkeit ein Ansteigen auf 1,35 Kinder pro Mutter und macht noch lange nicht den großen Sprung aus, den wir uns erwarten.

Wir meinen, dass die OECD-Studie, die Kollege Todt vorgestellt hat ... Herr Kollege Todt! Was sagen Sie zu der hohen Arbeitslosigkeit? – Diese hohe Zahl der Arbeits­losigkeit führt zwangsläufig dazu, dass viele früher arbeitende Frauen unter diesen Arbeitslosen sind, die nicht ins Berufsleben zurückkehren, aber ihre Arbeit in der Familie finden. In dem Moment, in dem die Konjunktur anspringen wird – wir hoffen alle, dass das möglichst bald der Fall sein wird; das liegt nicht nur an dieser Bundes­regierung oder an irgendeiner Bundesregierung, das liegt an der weltwirtschaftlichen Lage insgesamt –, werden wir auch weniger Arbeitslose unter den Frauen haben. Die Frauen werden wieder an ihren Arbeitsplatz, an dem sie wahrscheinlich gerne gearbei­tet haben, zurückkehren.

Das Kinderbetreuungsgeld an sich, welches besonders unter der Mitwirkung der Frau Staatssekretärin in Österreich Wirklichkeit geworden ist, zeigt ja seine positiven Aus­wirkungen auch in anderen Ländern. Zum Beispiel wird in Norwegen das Kinderbetreu­ungsgeld sehr stark angenommen. Wie ich vorhin sagte, ist in Norwegen auch eine viel höhere Geburtenrate pro Frau als in Österreich vorhanden.

Das Kinderbetreuungsgeld bringt auch einen sozialen Umverteilungseffekt, Kollegen und Kolleginnen von den Sozialdemokraten, nämlich dass Familien mit einem sehr niedrigen Familieneinkommen dieses Kinderbetreuungsgeld gerne in Anspruch neh­men, mit dem man manche Schwäche im Einkommen auszugleichen imstande ist.


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Unter dem Strich kann man sagen: Das Kinderbetreuungsgeld trägt dazu bei, dass eine mögliche Armut verschiedener Bevölkerungskreise in weiten Bereichen hintange­halten werden kann.

Kinder und Familie sind nicht nur Privatsache. Die Freiheit – und ich gehe jetzt nicht ins Detail (Bundesrätin Bachner: Danke!) – der einen kann nicht mit dem Leben des ande­ren bezahlt werden. Ich spreche mich daher eindeutig gegen die Abtreibung aus.

Die Zukunft unseres Volkes geht uns hier alle an, und deswegen sind dieses Kinderbe­treuungsgeld und dieser Bericht sehr zu bejahen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

18.51

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste ist Frau Staatssekretärin Haubner zu Wort gemel­det. Ich erteile ihr dieses.

 


18.51

Staatssekretärin im Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz Ursula Haubner: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt uns jetzt ein Bericht aus dem Jahre 1999 vor. Von einer Kollegin wurde gefragt: Warum erst jetzt? – Es liegt sicher nicht auf Seiten des Ministeriums, dass dieser Bericht erst jetzt zur Behandlung vorliegt, sondern dafür sind andere parla­mentarische Gegebenheiten ausschlaggebend.

Ich bedauere es einerseits, einen – man könnte sagen – alten Bericht zu diskutieren, aber dieser Bericht zeigt andererseits auch auf, wo Handlungsfelder sind, und weist darauf hin, wo Handlungsbedarf besteht. Ich glaube, das ist eine Möglichkeit, auch zu fragen: Wurde gehandelt? Wird gehandelt? Was wird für die Familien getan?

Ich möchte dir, lieber Kollege Gudenus, auch recht herzlich für deine Position, deine wertvolle Position und positive Haltung zur Familie danken, auch wenn manches dis­kussionswürdig ist. (Heiterkeit bei der SPÖ und der ÖVP.) Aber grundsätzlich: Die Werthaltung zur Familie als eine wesentliche Basis unserer Gesellschaft, das unter­stütze ich zu 100 Prozent. Ich bedanke mich recht herzlich, dass du wieder einmal den Wert der Familie in deinem Debattenbeitrag zum Ausdruck gebracht hast. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich möchte sagen: Es sind Handlungsfelder in diesem Familienbericht aufgetreten. Ich möchte zwei oder drei herausgreifen: In diesem Bericht werden bessere Rahmenbe­dingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert – wir haben hier heute schon einiges diskutiert –, also mehr Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Ich möchte hier auch im Besonderen darauf eingehen, weil ich einfach die Diskussion nicht für ziel­führend halte, ständig mehr, ein Mehr an Quantität in der Kinderbetreuung zu fordern und ständig ein Land dem anderen aufzurechnen und zu sagen, wo wie viele Kinder­betreuungsplätze fehlen.

Ich denke, wir sollten uns auch ein bisschen genauer mit der Studie der Statistik Austria befassen, die ganz klar festgestellt hat, dass bis zum Jahr 2002 in Österreich zusätzlich 41 000 Betreuungsplätze für Kinder geschaffen wurden – für Kinder zwi­schen 0 und 15 Jahren – und dass aus Sicht der Eltern noch in etwa ein Bedarf für 42 000 Kinder gegeben ist. Und das ist sehr unterschiedlich in den einzelnen Bundes­ländern.

Ich halte nichts davon, einfach flächendeckend zu sagen: In ganz Österreich fehlen so viele Plätze, jetzt müssen wir wieder eine Kindergartenmilliarde ausschütten. Ich halte mehr davon, sich mit den Vertretern der Länder zusammenzusetzen und ganz spezi­fisch regional die Dinge zu erarbeiten und zu schauen: Was fehlt konkret? Wo fehlt es konkret? – Und manchmal ist es ja nicht der Betreuungsplatz selbst, sondern sehr oft


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ist es die Öffnungszeit, die Öffnungsdauer, sehr oft besteht die Möglichkeit, über Ge­meindegrenzen hinweg gemeinsam etwas zu tun.

Und genau das haben wir seitens unseres Ressorts, seitens der Bundesregierung jetzt gemacht. Wir hatten zwei Mal eine Zusammenkunft, einen Runden Tisch mit den Län­dervertretern, wobei es ein sehr konstruktives Gespräch gab. Wir arbeiten weiter und wir werden im nächsten halben Jahr ein österreichweites Paket vorstellen: Wie schaut es in den Bundesländern aus? Was brauchen wir noch? Und: Wo kann der Bund unab­hängig von den Ländern noch unterstützend eingreifen? (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Es ist einfach sinnvoller, zuerst einmal wirklich den Bedarf und die Notwendigkeiten quasi auf dem Tisch zu haben und dann zu fragen: Wie können wir das finanzieren?

Es kann nicht so sein, wie es in der Vergangenheit war, dass zum Beispiel ein Bundes­land von dieser Kinderbetreuungsmilliarde noch etwas zurückzahlen muss, weil das Geld damals nicht investiert wurde. Es ist besser, Geld zu geben, wenn man weiß, was damit gemacht wird. Daher möchte ich mich hier auch bei den Ländern sehr herzlich bedanken. Ich bitte, dass auch Sie als Ländervertreter weitergeben, dass wir hier einen sehr guten Weg gefunden haben.

Die Länder sind natürlich auch diejenigen, denen jetzt seitens der Familienzuschüsse einiges mehr übrig bleibt, denn der Bund übernimmt die Kosten für das Kinderbetreu­ungsgeld. Dadurch sind Mittel in den Ländern frei, die ganz speziell für die Kinder­betreuung eingesetzt werden können. Ich bitte Sie, in diese Richtung in Ihren Ländern aktiv zu werden und darauf zu achten, dass wir mit den frei werdenden Mitteln auch die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern können.

Eines noch – weil es heute angeschnitten wurde; das zeigt auch die Studie der Statistik Austria –: Kinderbetreuung, außerhäusliche Kinderbetreuung kostet sehr viel Geld. Davor dürfen wir nicht die Augen verschließen! Es tut mir Leid, sagen zu müssen, dass in Wien die Kinderbetreuungsplätze am teuersten sind. Das ist nicht meine Erfindung, sondern das geht ganz klar aus dieser unabhängigen Studie hervor. Daher müssen wir uns auch in Zukunft überlegen: Wie kann Kinderbetreuung noch besser unterstützt werden?

Ich bin eine vehemente Anhängerin der so genannten Subjektförderung, also dass man Eltern Geld in die Hand gibt und sich diese dann am freien Markt die beste Kinderbetreuung aussuchen. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Und wenn das die Großeltern sind, wenn das die Tagesmutter ist oder wenn es der öffentliche Kindergarten oder die private Einrichtung ist, Eltern haben selbst zu ent­scheiden, was für ihr Kind am besten ist. Ich denke, das sollte auch der Weg einer fort­schrittlichen Familienpolitik sein.

Eines möchte ich noch sagen, weil es vorhin wieder so eine hitzige Diskussion wegen des Kinderbetreuungsgeldes gab. Herr Kollege Todt hat auch, glaube ich, die OECD-Studie zitiert. Ich habe in einer meiner ersten Wortmeldungen auch darauf geantwortet. Wenn wir schon Studien haben und zitieren, dann möchte ich auch den Zwischenbe­richt des ÖIF erwähnen, den wir als begleitende Evaluierung für das Kinderbetreuungs­geld in Auftrag gegeben haben. Man kann ja nicht einfach eine Maßnahme einführen und dann sagen: Okay, das ist so, das ist gut oder weniger gut, sondern man muss das ja auch wissenschaftlich begleiten.

Hier haben wir einen Zwischenbericht. Diesbezüglich bitte ich, einmal die Fakten zur Kenntnis zu nehmen, Sie brauchen sie gar nicht zu bewerten, aber einfach zur Kennt­nis zu nehmen: Die positive Beurteilung des Kinderbetreuungsgeldes – wir haben ja


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die Kindergeldbezieherinnen und -bezieher gefragt – hat sich in den letzten eineinhalb Jahren noch verstärkt. Rund zwei Drittel der befragten Bezieher beziehungsweise Be­zieherinnen sehen im Kinderbetreuungsgeld gegenüber dem früheren Karenzgeld die bessere Maßnahme. Ein Viertel neue Bezieherinnen sind dazugekommen, nämlich Hausfrauen, Schülerinnen, Studentinnen und Bäuerinnen.

Die Pensionsbegründung und der längere Bezug des Geldes sind etwas, was die Be­zieherinnen und Bezieher besonders schätzen. Die pensionsbegründenden Zeiten – etwas ganz, ganz Wichtiges im Bereich der sozialrechtlichen Absicherung – und der längere Bezug des Geldes für zweieinhalb beziehungsweise drei Jahre werden, wie gesagt, besonders geschätzt. Wenn wir sozusagen in den Endspurt des ersten Durch­ganges kommen, hoffe ich, dass dann, etwa im nächsten halben Jahr, auch verstärkt Väter in die Väterkarenz einsteigen werden. Zum Teil steigen sie ja schon ein; die Zahlen sind natürlich noch nicht zufrieden stellend, aber es sind, ich gebe dir Recht, wesentlich mehr geworden.

Weil es immer heißt: Zurück an den Herd! Etwas, was auch wichtig ist, ist Folgendes: Von Jänner bis Dezember 2002 hat sich die Zahl jener Bezieherinnen und Bezieher, die über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus erwerbstätig gewesen sind, verdoppelt. Das muss man auch einmal sagen. Bisher war es ja nur möglich, im Rahmen der ge­ringfügigen Beschäftigung nebenbei zu arbeiten.

21 Prozent der armutsgefährdeten Familien, deren jüngstes Kind zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahre alt ist, wurden durch das Kinderbetreuungsgeld über das Exis­tenzminimum gehoben. – Das ist keine Erfindung des Sozialministeriums, sondern eine klare Feststellung des Österreichischen Institutes für Familienforschung, das dieses Kinderbetreuungsgeld evaluierend begleitet (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Es ist, glaube ich, wirklich wichtig, und zwar unabhängig von diesem Familienbericht 1999 – und ich habe vorhin schon gesagt, dass ich es bedauere, dass nur alle zehn Jahre die Erstattung eines Familienberichtes vorgesehen ist; aber das kann man natürlich auch ändern, wenn es politischer Wille ist –, dass wir in die Zukunft schauen. Nächstes Jahr jährt sich zum zehnten Mal das „Internationale Jahr der Familie“, und ich kann sagen: Wir arbeiten bereits an verschiedenen Maßnah­men, und ich freue mich jetzt schon darauf, nächstes Jahr im Rahmen einer Bundes­ratssitzung darüber zu diskutieren, was in den letzten zehn Jahren in der Familien­politik geschehen ist.

Wir alle sind uns darin einig, dass Familien am stärksten unterstützt werden müssen – das ist ganz klar! –, dass wir eine Politik zugunsten der Familien machen müssen, denn Familie ist, wie es heute hier ein Debattenredner gesagt hat, nicht out. Familie funktioniert noch, auch das Familiennetzwerk funktioniert noch, was man sehen kann, wenn man sich zum Beispiel den Bereich der Pflege anschaut. Das wollen wir erhalten!

Daher gilt es, alles in die Familien zu investieren, nicht zuletzt auch deswegen, weil sie natürlich ein Wirtschaftsfaktor sind. Das hat die Kinderkostenstudie des Wifo auch ganz klar aufgezeigt. Daher müssen wir in den Bereich Familie investieren, die Familie mit Leistungen seitens des Staates unterstützen, aber wir müssen die Familien auch steuerlich entlasten und steuerlich besser stellen, damit mehr Geld in ihren Taschen bleibt. – Danke. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

19.02

 


Präsident Hans Ager: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.


Bundesrat
Stenographisches Protokoll
703. Sitzung / Seite 163

Wird von der Berichterstattung ein Schlusswort gewünscht? – Das ist ebenfalls nicht der Fall.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den vorlie­genden Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Dies ist die Stimmen­mehrheit.

Der Antrag auf Kenntnisnahme des Berichtes ist somit angenommen.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

Einlauf

 


Präsident Hans Ager: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt neun Anfragen – 2125/J bis 2133/J – eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin ist Donnerstag, der 18. Dezember 2003, 9 Uhr, in Aussicht genommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen jene Vorlagen in Betracht, die der Natio­nalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Einspruchsrecht be­ziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen, sowie die Wahl der beiden Vizepräsidenten sowie der Schriftführer und der Ordner für das erste Halb­jahr 2004.

Die Ausschussvorbereitungen sind für Dienstag, den 16. Dezember 2003, ab 14 Uhr vorgesehen.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss der Sitzung: 19.04 Uhr

 

Impressum:

Parlamentsdirektion

1017 Wien