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Stenographisches Protokoll

 

 

 

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801. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

 

 

Freitag, 4. November 2011

 

 


Stenographisches Protokoll

801. Sitzung des Bundesrates der Republik Österreich

Freitag, 4. November 2011

Dauer der Sitzung

Freitag, 4. November 2011: 9.02 – 18.12 Uhr

*****

Tagesordnung

1. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz sowie das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden

2. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2010, vorgelegt von der Bun­desministerin für Verkehr, Innovation und Technologie

3. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010

4. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2010 der Bundesministerin für Ver­kehr, Innovation und Technologie

5. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 geändert wird

6. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und die Gewer­beordnung 1994 geändert werden

7. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Finanzprokuraturgesetz geändert wird

8. Punkt: Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 4. März 1996 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen

9. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschi­kistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumge­hung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Pro­tokoll

10. Punkt: Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Re­gierung der Republik Armenien über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen

11. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommis­sion für 2011 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011

12. Punkt: Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über soziale Sicherheit


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 2

13. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 erlassen sowie das Energie-Control-Gesetz und das Preistransparenzgesetz geändert werden

14. Punkt: Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Dienstleistungen (Dienstleistungsgesetz – DLG) und ein Bundesgesetz über das inter­netgestützte Behördenkooperationssystem IMI (IMI-Gesetz) erlassen, das Preisaus­zeichnungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Allgemeine Verwaltungsver­fahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstre­ckungsgesetz 1991 geändert und einige Bundesgesetze aufgehoben werden

15. Punkt: Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsangebots

16. Punkt: Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemis­sionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klima­schutzgesetz – KSG)

17. Punkt: Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Ter­rorismus sowie das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesse­rung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt geändert werden

18. Punkt: Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung geändert wird

*****

Inhalt

Bundesrat

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht der Bundesrätin Dr. Jennifer Kickert ............................................................................................................................. 9

Angelobung des Bundesrates Marco Schreuder ......................................................... 9

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Artikel 50 Abs. 5 Bundes-Verfassungsgesetz betreffend Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Panama zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen ................................................................................... 29

Absehen von der 24-stündigen Frist für das Aufliegen der gegenständlichen schriftlichen Ausschussberichte gemäß § 44 (3) GO-BR ................................................................................................. 30

Personalien

Verhinderung .................................................................................................................... 9

Aktuelle Stunde (10.)

Thema: „Perspektiven des öffentlichen Dienstes“ .................................................. 10

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Grimling ....................................................................................................... 10

Edgar Mayer .................................................................................................................. 12

Cornelia Michalke ......................................................................................................... 15

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................. 17

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 23

Ana Blatnik .................................................................................................................... 24


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 3

Sonja Zwazl ................................................................................................................... 25

Monika Mühlwerth ........................................................................................................ 27

Bundesregierung

Vertretungsschreiben ..................................................................................................... 28

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bundesregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ............................................................. 29

Nationalrat

Beschlüsse und Gesetzesbeschlüsse ............................................................................ 30

Ausschüsse

Zuweisungen .................................................................................................................. 30

Verhandlungen

1. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz sowie das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden (1389 d.B. und 1450 d.B. sowie 8589/BR d.B.)                    31

Berichterstatter: Werner Stadler ................................................................................... 31

Redner/Rednerinnen:

Marco Schreuder .......................................................................................................... 31

Michael Lampel ............................................................................................................. 33

Georg Keuschnigg ....................................................................................................... 35

Hans-Jörg Jenewein .................................................................................................... 37

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 39

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 42

Gemeinsame Beratung über

2. Punkt: Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2010, vorgelegt
von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-437-BR/2011 d.B. sowie 8590/BR d.B.) ......................................................................................................................................... 42

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 43

3. Punkt: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010 (III-442-BR/2011 d.B. sowie 8591/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 42

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 43

4. Punkt: Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2010 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-448-BR/2011 d.B. sowie 8592/BR d.B.) .............................................. 42

Berichterstatter: Wolfgang Beer ................................................................................... 43

Redner/Rednerinnen:

Gerd Krusche ........................................................................................................  43, 61

Karl Boden .................................................................................................................... 46

Friedrich Reisinger ...................................................................................................... 47

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 48


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 4

Michael Lampel ............................................................................................................. 51

Bundesministerin Doris Bures ................................................................................... 52

Anneliese Junker .......................................................................................................... 56

Werner Stadler .............................................................................................................. 57

Franz Perhab ................................................................................................................ 60

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 2, den Bericht III-437-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 63

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 3, den Bericht III-442-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 63

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 4, den Bericht III-448-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen ........................................................................................................................... 63

5. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 geändert wird (1391 d.B., 1057/A und 1418 d.B. sowie 8597/BR d.B.)        ............................................................................................................................... 63

Berichterstatterin: Inge Posch-Gruska ......................................................................... 63

Redner/Rednerinnen:

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................... 63

Wolfgang Beer .............................................................................................................. 64

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................... 65

Franz Pirolt ................................................................................................................... 66

Ewald Lindinger ........................................................................................................... 66

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 67

Gemeinsame Beratung über

6. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und die Gewerbeord­nung 1994 geändert werden (1385 d.B. und 1451 d.B. sowie 8584/BR d.B.) ....................................................................................................... 67

Berichterstatter: Manfred Gruber ................................................................................. 68

7. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem das Finanzprokuraturgesetz geändert wird (1384 d.B. und 1452 d.B. sowie 8585/BR d.B.)                   67

Berichterstatter: Manfred Gruber ................................................................................. 68

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................... 68

Dr. Angelika Winzig ..................................................................................................... 70

Marco Schreuder .......................................................................................................... 70

Michael Lampel ............................................................................................................. 71

Josef Steinkogler ......................................................................................................... 72

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ..................................................................... 73

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 6, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 74

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 7, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 74


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 5

Gemeinsame Beratung über

8. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Proto­koll zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika und Zusatzpro­tokoll zur Abänderung des am 4. März 1996 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkom­men und vom Vermögen (1395 d.B. und 1453 d.B. sowie 8586/BR d.B.) ....... 74

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 75

9. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Abkom­men zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Ver­meidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1411 d.B. und 1454 d.B. sowie 8587/BR d.B.) ............................................................. 74

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 75

10. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Ab­kommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsa­chen (1382 d.B. und 1455 d.B. sowie 8588/BR d.B.)                       74

Berichterstatter: Michael Lampel .................................................................................. 75

Redner/Rednerinnen:

Mag. Reinhard Pisec .................................................................................................... 75

Elisabeth Greiderer ...................................................................................................... 76

Stefan Schennach ........................................................................................................ 77

Staatssekretär Mag. Andreas Schieder ..................................................................... 78

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 8, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 80

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 9, 1. gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen ............... 81

Annahme des Antrages des Berichterstatters zu Punkt 10, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................... 81

11. Punkt: Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2011 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011 (III-423-BR/2011 d.B. sowie 8600/BR d.B.) ................................. 81

Berichterstatter: Franz Wenger ..................................................................................... 81

Redner/Rednerinnen:

Ana Blatnik .................................................................................................................... 82

Edgar Mayer .................................................................................................................. 84

Monika Kemperle .......................................................................................................... 85

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 87

Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek ............................................................. 89

Staatssekretär Dr. Josef Ostermayer ........................................................................ 91

Annahme des Antrages des Berichterstatters, den Bericht III-423-BR/2011 d.B. zur Kenntnis zu nehmen         ............................................................................................................................... 93


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 6

12. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend Ab­kommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über soziale Sicherheit (1408 d.B. und 1426 d.B. sowie 8601/BR d.B.)     ............................................................................................................................... 93

Berichterstatterin: Juliane Lugsteiner .......................................................................... 93

Redner/Rednerinnen:

Franz Pirolt ................................................................................................................... 93

Stefan Schennach ........................................................................................................ 94

Josef Saller ................................................................................................................... 95

Bundesminister Rudolf Hundstorfer ......................................................................... 96

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ..................................................................................................... 97

13. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 erlassen sowie das Energie-Control-Gesetz und das Preistransparenzgesetz geändert werden (1081 d.B. und 1128 d.B. sowie 8581/BR d.B. und 8593/BR d.B.)                        97

Berichterstatterin: Anneliese Junker ............................................................................ 98

Redner/Rednerinnen:

Elisabeth Kerschbaum ................................................................................................ 98

Dr. Magnus Brunner, LL.M .......................................................................................... 99

Christian Füller ........................................................................................................... 100

Johann Ertl .................................................................................................................. 101

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 103

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, 1. gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben und 2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmä­ßige Zustimmung zu erteilen ......................................................... 105

14. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Dienstleistun­gen (Dienstleistungsgesetz – DLG) und ein Bundesgesetz über das internetge­stützte Behördenkooperationssystem IMI (IMI-Gesetz) erlassen, das Preisaus­zeichnungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Allgemeine Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungs­vollstreckungsgesetz 1991 geändert und einige Bundesgesetze aufgehoben wer­den (317 d.B. und 523 d.B. sowie 8582/BR d.B. und 8594/BR d.B.)     ............................................................................................................................. 106

Berichterstatterin: Anneliese Junker .......................................................................... 106

Redner/Rednerinnen:

Johann Ertl .................................................................................................................. 106

Sonja Zwazl ................................................................................................................. 108

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 109

Monika Kemperle ........................................................................................................ 110

Dr. Magnus Brunner, LL.M......................................................................................... 112

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 114

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 116

15. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Ver­einbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinder­betreuungsangebots (1406 d.B. und 1414 d.B. sowie 8595/BR d.B.) ............................................................................................................... 116

Berichterstatterin: Martina Diesner-Wais ................................................................... 116


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 7

Redner/Rednerinnen:

Mag. Bettina Rausch .................................................................................................. 117

Inge Posch-Gruska .................................................................................................... 117

Cornelia Michalke ....................................................................................................... 119

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 120

Notburga Astleitner ................................................................................................... 122

Johanna Köberl .......................................................................................................... 124

Bundesminister Dr. Reinhold Mitterlehner ............................................................. 125

Annahme des Antrages der Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 126

16. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutz­gesetz – KSG) (1255 d.B. und 1456 d.B. sowie 8596/BR d.B.)                             126

Berichterstatter: Klaus Konrad ................................................................................... 127

Redner/Rednerinnen:

Peter Mitterer .............................................................................................................. 127

Josef Steinkogler ....................................................................................................... 128

Elisabeth Kerschbaum .............................................................................................. 129

Michael Lampel ........................................................................................................... 131

Walter Temmel ............................................................................................................ 132

Martina Diesner-Wais ................................................................................................. 133

Bundesminister Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich ................................................... 134

Annahme des Antrages des Berichterstatterin, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 138

17. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Terrorismus sowie das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt geändert werden (674 d.B., 1392 d.B. und 1422 d.B. sowie 8583/BR d.B. und 8598/BR d.B.) .............. 138

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 138

Redner/Rednerinnen:

Monika Mühlwerth ...................................................................................................... 139

Kurt Strohmayer-Dangl ............................................................................................. 141

Efgani Dönmez, PMM ................................................................................................. 142

Monika Kemperle ........................................................................................................ 144

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 146

18. Punkt: Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung geändert wird (1660/A und 1423 d.B. sowie 8599/BR d.B.) ............ 147

Berichterstatter: Christian Füller ................................................................................ 147

Redner/Rednerinnen:

Mag. Christian Jachs ................................................................................................. 147

Manfred Gruber .......................................................................................................... 147

Annahme des Antrages des Berichterstatters, gegen den vorliegenden Be­schluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben ................................................................................................... 148


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 8

Eingebracht wurden

Anfragen der Bundesräte

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Ermittlungen gegen den Kabinettchef der Innenministerin (2845/J-BR/2011)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Inneres betreffend Blaulichtfunk – neue Korruptionsvorwürfe (2846/J-BR/2011)

Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend betreffend Schweizer Protektionismus zu Lasten Vorarlberger Taxiunternehmen (2847/J-BR/2011)

Cornelia Michalke, Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten be­treffend Schweizer Protektionismus zu Lasten Vorarlberger Taxiunternehmen (2848/J-BR/2011)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend kinderpornographische Bilder in der JA Göllersdorf (2849/J-BR/2011)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Ernest Gabmann und das Finanzdesaster „Skylink“ (2850/J-BR/2011)

Dr. Magnus Brunner, LL.M, Edgar Mayer, Cornelia Michalke, Kolleginnen und Kol­legen an den Bundeskanzler betreffend Verlängerung der derzeit geltenden Schwellen­werte-Verordnung beziehungsweise Übernahme in das Bundesvergabegesetz (2851/J-BR/2011)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Landesver­teidigung und Sport betreffend Ministerweisung Aussetzung der Wehrpflicht und Um­stellung auf ein Freiwilligenheer (2852/J-BR/2011)

Hermann Brückl, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend Grundbuch Neu – Umstellung des Grundbuchsverfahrens (2853/J-BR/2011)

Hans-Jörg Jenewein, Kolleginnen und Kollegen an die Bundesministerin für Justiz be­treffend gerichtlich beeideten Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Max Friedrich (2854/J-BR/2011)


 

 


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 9

09.02.11Beginn der Sitzung: 9.02 Uhr

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 801. Sitzung des Bundesrates.

Das Amtliche Protokoll der 800. Sitzung des Bundesrates vom 6. Oktober 2011 ist auf­gelegen, unbeanstandet geblieben und gilt daher als genehmigt.

Als verhindert gemeldet ist das Mitglied des Bundesrates Adelheid Ebner.

09.02.31Einlauf

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Eingelangt ist ein Schreiben des Wiener Land­tages betreffend die Mandatsrücklegung eines Mitgliedes des Bundesrates.

Hinsichtlich des Wortlautes dieses Schreibens verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftliche Mitteilung hat folgenden Wortlaut:

Schreiben des Präsidenten des Wiener Landtages betreffend Mandatsverzicht:

                                                                                                                          „PROF. HARRY KOPIETZ

                                                                                                                                 ERSTER PRÄSIDENT

                                                                                                                     DES WIENER LANDTAGES

Frau

Präsidentin des Bundesrates

Mag. Susanne Neuwirth

1017 Wien

Parlament                                                                                                            Wien, 21. Oktober 2011

04251-2011/0001-MDLTG

Mandatsrücklegung

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Das Mitglied des Bundesrates Dr. Jennifer Kickert hat mit Wirkung vom 21. Okto-
ber 2011 ihr an achter Stelle gereihtes Mandat im Bundesrat zurückgelegt.

Das Ersatzmitglied Marco Schreuder ist mit Wirkung vom 21. Oktober 2011 auf diese Stelle nachgerückt.

Der Wiener Landtag wird voraussichtlich im Jänner 2012 die notwendige Wahl eines Ersatzmitgliedes vornehmen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Prof. Harry Kopietz“

*****

09.02.49Angelobung

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Das neue Mitglied des Bundesrates ist im Hau­se anwesend. Ich werde daher sogleich seine Angelobung vornehmen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 10

Nach Verlesung der Gelöbnisformel durch die Schriftführung wird die Angelobung mit den Worten „Ich gelobe“ zu leisten sein.

Ich ersuche nun die Schriftführung um Verlesung der Gelöbnisformel.

 


9.03.11

Schriftführer Josef Saller: „Sie werden geloben unverbrüchliche Treue der Republik Österreich, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze sowie gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten.“

 


9.03.23

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Ich gelobe.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich begrüße das neue Mitglied des Bundesra­tes recht herzlich in unserer Mitte. (Allgemeiner Beifall.)

09.04.00Aktuelle Stunde

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zur Aktuellen Stunde mit dem Thema:

„Perspektiven des öffentlichen Dienstes“

mit Frau Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek, die ich ganz herzlich bei uns im Bundesrat willkommen heiße. (Allgemeiner Beifall.)

In der Präsidialkonferenz wurde Einvernehmen über folgenden Ablauf erzielt:

Zunächst kommt je eine Rednerin/ein Redner pro Fraktion zu Wort, deren Redezeit je­weils 10 Minuten beträgt. Dann folgt die Stellungnahme der Frau Bundesministerin, die ebenfalls 10 Minuten nicht überschreiten soll. Sodann folgt eine Rednerin oder ein Redner der BundesrätInnen ohne Fraktion und dann je eine RednerIn der Fraktionen mit jeweils einer 5-minütigen Redezeit. Anschließend kommt wieder eine RednerIn der BundesrätInnen ohne Fraktion mit 5 Minuten zu Wort. Zuletzt kann noch eine abschlie­ßende Stellungnahme der Frau Bundesministerin erfolgen, die nach Möglichkeit 5 Mi­nuten nicht überschreiten sollte.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Grimling. Redezeit: 10 Minuten. – Bitte.

 


9.04.56

Bundesrätin Elisabeth Grimling (SPÖ, Wien): Guten Morgen! Sehr geehrte Frau Prä­sidentin! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen des Bundesrates! Wenn man heutzutage eine Bestandsaufnahme des öffentlichen Diens­tes erstellen will, muss man sich zuerst darüber klar werden, was unter dem Begriff „öf­fentlicher Dienst“ überhaupt zu verstehen ist.

Noch immer besteht in Teilen der Bevölkerung die Meinung – oftmals genährt durch mangelhaft recherchierte Berichte in den Medien –, dass der öffentliche Dienst über­wiegend durch Beamte und Beamtinnen ausgeübt wird, die ihre Tätigkeit im beruhigen­den Bewusstsein ihrer sogenannten Privilegien verrichten, wie die Sicherheit des Ar­beitsplatzes und günstige Pensionsregelungen, und nur unwillig auf vorgebrachte An­liegen eingehen.

In Wirklichkeit hat sich dieses Bild längst verändert. An die Stelle des Begriffes, der Be­amte ist der Diener des Staates, ist die Auffassung getreten, der öffentlich Bedienstete ist der Diener des Staatsbürgers.

Ein kluger Vorgesetzter hat mir einmal gesagt: Wenn ein Anliegen an dich herange­tragen wird, dann überlege dir, wie du es im Rahmen der Gesetze erfüllen kannst, und nicht, wie du es ablehnen kannst.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 11

Was gehört alles zum öffentlichen Dienst und wer übt ihn aus? – Die primäre Aufgabe bildet die Vollziehung der Gesetze durch Ämter und Behörden der Gebietskörperschaf­ten und der Körperschaften öffentlichen Rechts, wie dies im föderalistischen System unserer Bundesverfassung festgelegt ist.

Viele Gebietskörperschaften, in erster Linie aber der Bund, haben im letzten Jahrzehnt große Bereiche ihrer wahrzunehmenden Aufgaben in die Privatwirtschaft ausgeglie­dert. Diese Maßnahmen waren nicht immer erfolgreich, das beweisen Finanznöte dies­er Institutionen, denken wir nur an den Universitätsbereich. Ganz zu schweigen von den arbeitsrechtlichen und persönlichen Problemen des betroffenen Personals.

Damit komme ich zur Personalsituation des öffentlichen Dienstes und der arbeitsrecht­lichen Problematik.

In der Nachkriegszeit sah das Gehaltsüberleitungsgesetz 1946 nur öffentlich-rechtliche Bundesdienstverhältnisse vor und war noch von den Grundsätzen der aus der Monar­chie stammenden Dienstpragmatik 1914 geprägt.

Das Bild des pragmatisierten Beamten mit eigenständigen gesetzlich geregelten Besol­dungs- und Pensionsansprüchen mit Rechtsverfolgung im behördlichen Verwaltungs­verfahren blieb erhalten. Erst durch das Vertragsbedienstetengesetz 1948 wurde eine zweite Kategorie von Bediensteten geschaffen, für die ein privatrechtliches Arbeitsrecht gilt.

Die Bundesländer haben diese Regelung im Wesentlichen rezipiert.

Erst nach Abschluss des Staatsvertrages begann bundesweit eine Epoche der Gesetz­gebung, die das öffentliche Dienstrecht laufend umgestaltete. Während das Vertrags­bedienstetengesetz 1948 bis heute weiterbesteht, ist das Beamtendienstrecht durch neue Regelwerke völlig verändert worden, wie das Gehaltsgesetz 1956, das Pensions­gesetz 1965 und das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, unter Beibehaltung des öf­fentlich-rechtlichen Charakters.

Alle diese Gesetze sind durch viele Novellierungen mit Übergangsbestimmungen und Zusätzen fast unlesbar geworden. Erforderlich ist daher nicht nur eine formale Berei­nigung, sondern auch eine umfassende und zeitgerechte Regelung materieller Inhalte.

Auch die Bundesländer waren in ihrem eigenständigen Gesetzgebungsbereich in die­sem Jahr nicht untätig. Da das ursprünglich in der Bundesverfassung verankerte Ho­mogenitätsprinzip aus der Verfassung entfernt wurde, wonach die Dienstrechte des Bundes und der Länder in ihren Grundzügen nicht wesentlich voneinander abweichen durften, bestehen heute Diskrepanzen gegenüber dem allgemeinen Arbeitsrecht in der Privatwirtschaft und bei den Gebietskörperschaften untereinander.

Ungleichheiten werden leider oft in Neidkomplexe umgewandelt. Das ist immer dann der Fall, wenn beim Vergleich Besserstellungen behauptet werden oder tatsächlich be­stehen.

Eine Reform des öffentlichen Dienstes in seiner Vielfältigkeit ist abhängig von einer Re­form der Aufgabenstellung. Diese wiederum ist Gegenstand der heftigen politischen Auseinandersetzungen über Themen wie Verfassungs-, Bildungs-, Heeres- und Ge­sundheitsreform.

Umfassende Dienstrechtsreformen allein sind nicht wirklich wirkungsvoll, wenn eine Zielsetzung hinsichtlich dieser veränderten Aufgabenstellung fehlt. Die Frau Bundesmi­nisterin für Frauen und öffentlichen Dienst hat zu dieser Problematik einen Beirat, be­stehend aus sechs unabhängigen Fachleuten, um eine Expertise ersucht, die nunmehr als Beiratsbericht unter dem Titel „Perspektiven des öffentlichen Dienstes. 7 Thesen – 50 Empfehlungen“ vorliegt (die Rednerin zeigt ein Exemplar des Berichtes) und Ihnen allen zur eingehenden Information und als Diskussionsgrundlage zugegangen ist.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 12

Diese wichtigen Impulse für eine umfangreiche Neugestaltung gründen sich auf die strukturellen Veränderungen, denen der allgemeine Arbeitsmarkt längst unterworfen ist, die aber der öffentliche Dienst nur zögernd wahrnimmt. Dabei sollte in der Öffent­lichkeit aber nicht übersehen werden, dass auch dort bereits wesentliche Modernisie­rungen vorgenommen wurden.

Hierzu möchte ich nur einige Punkte anführen: Das Vertragsbedienstetenreformgesetz hat in zwei wesentlichen Punkten einen De-facto-Angleich bei der Besoldung gebracht.

Durch die gemeinsame Verwendung der Arbeitsplatzbewertungen wurden alle Karrie­ren, die bisher nur Beamtinnen und Beamten möglich waren, auch den Vertragsbe­diensteten eröffnet.

Die Gehaltsansätze wurden unter Beachtung der unterschiedlichen Sozialabgaben an­geglichen. Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Rechtsgrundlagen kann man davon ausgehen, dass die Einkommenssituation heute grundsätzlich gleich ist.

Was die sogenannten Pensionsprivilegien für Beamte betrifft, muss betont werden, dass hier bereits sehr einschneidende Einschränkungen gesetzt wurden, sodass es in Zukunft überhaupt keinen Unterschied mehr geben wird. Für Pragmatisierungen ab dem Jahr 2005 gilt das Allgemeine Pensionsgesetz genauso wie für jeden Arbeiter und Angestellten. Alle derzeit noch vorhandenen Unterschiede sind nur mehr Übergangsre­gelungen.

Die Flexibilität des öffentlichen Dienstes ist viel größer als öffentlich kommuniziert. Der oftmals kritisierte Versetzungsschutz verlangt nur die Beachtung persönlicher, fami­liärer, sozialer und wirtschaftlicher Interessen und sollte dem Bedarf an Flexibilisierung nicht entgegenstehen.

Es liegt in der Natur mancher Dienste, den Dienstort zu wechseln. Ich verweise nur auf Polizisten, Baudienst-Mitarbeiter, Militärs in Auslandseinsätzen und so weiter, die stän­dig mit flexiblen Dienstzeiten an verschiedenen Einsatzorten sind.

Dass darauf geschaut wird, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit beruflichen Belas­tungen umgehen können, ist ja wohl nicht zu viel verlangt.

Das Funktionieren des öffentlichen Dienstes ist das wichtigste Fundament für ein ge­ordnetes Staatswesen im Interesse aller Staatsbürger. Wir alle wünschen uns eine ef­fiziente und schlanke staatliche Verwaltung. Hiefür moderne Rahmenbedingungen zu schaffen ist eine an Bedeutung nicht zu unterschätzende Aufgabe für den Dienstgeber.

Die kompetenten und ambitionierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, über die der öf­fentliche Dienst bereits derzeit verfügt, sind durchaus reformwillig und bereit, an dieser Reform positiv mitzuwirken, wenn man ihre Erfahrung und Vorschläge im Wege der Sozialpartnerschaft berücksichtigt und ihre verantwortungsvolle Rolle für das Gedeihen eines geordneten Staatswesens würdigt. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

9.15


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. Ich erteile es ihm.

 


9.15.16

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Perspektiven des öffentlichen Dienstes“, so­zusagen, wenn man will, vielleicht auch ein Revival auf die Nationalratssitzung vom Mai.

Man könnte vielleicht auch anmerken, dass Sie, Frau Minister, mit der Diskussion im Nationalrat nicht zufrieden waren, und jetzt diskutieren Sie mit den Ländervertretern.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 13

Wir finden es gut, dass wir heute dieses Thema hier entsprechend beleuchten können. (Beifall des Bundesrates Zangerl.) – Man darf durchaus applaudieren! (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

Das heutige Thema gibt sicher einiges her, weil in den Ländern nicht der Reformge­danke, wie er sein sollte, vorherrscht. (Bundesrätin Michalke: In den Ländern ...!) – In den Ländern herrscht er auch nicht überall vor. Ich möchte keine Beispiele zitieren, Frau Kollegin Michalke. Aber Sie haben dann die Möglichkeit, Ihre rhetorischen Ergüs­se vom Rednerpult aus zu verbreiten.

Wenn es auch noch verschiedene Pensions- und Pragmatisierungsprivilegien in den Ländern gibt, ohne Namen zu nennen, so kann der Bund, ausgenommen vielleicht eini­ge staatsnahe Betriebe, von sich aus behaupten, dass Strukturmaßnahmen doch um­gesetzt wurden, insbesondere im Pensionsbereich, dort beginnen sie jetzt wirklich zu greifen.

Ich möchte auch die von Ihnen in Auftrag gegebene Studie, in der es um die wesentli­chen Herausforderungen des öffentlichen Dienstes geht, „Perspektiven des öffentli­chen Dienstes. 7 Thesen – 50 Empfehlungen“, lobend erwähnen. Es ist ein sehr gutes Papier. Ich denke, es braucht aber einiges an Kraft und Anstrengung, um das umzuset­zen. In diesem Beiratsbericht liegt also sehr viel Brisanz.

In Österreich sind etwa 350 000 MitarbeiterInnen im öffentlichen Dienst beschäftigt. Das ist eine gewaltige Zahl, aber das heißt noch lange nicht, dass wir – laut dieser OECD-Studie, die es gibt – im Spitzenfeld liegen, weil wir nur etwa 11,5 Prozent öffent­lich Bedienstete im Vergleich zur Gesamtbeschäftigungszahl haben. Da gibt es von den skandinavischen Ländern ganz andere Quoten zu vermelden.

Es ist aber auch eine Tatsache, dass wir es wie kein anderes Land geschafft haben, im öffentlichen Dienst Personaleinsparungen umzusetzen. Das berühmte Lean Manage­ment, wie es immer wieder zitiert wird, hat wirklich in der Verwaltung Einzug gehalten.

Ich finde, weil ich in diesem Zusammenhang auch ein sehr positives Beispiel erwähnen möchte, die derzeitige Strategie des Sozialministeriums hervorragend, wo bei Pensio­nierungen und Kündigungen nicht automatisch der Arbeitsplatz eingespart wird, son­dern dann, wenn ein behinderter Mensch oder ein Mensch mit Handicap für einen Dienstposten gefunden werden kann, die Person ersetzt wird. Durch diese wertvolle Strategie bekommt ein behinderter Mensch einen Arbeitsplatz. Ich denke, das ist eine sehr, sehr erwähnenswerte Initiative.

Ich sage das sehr bewusst, weil ich seit vielen Jahren im Pflege- und auch im Behin­dertenbereich ehrenamtlich tätig bin und auch weiß, wie schwierig es ist, behinderte Menschen auf einen Arbeitsplatz zu bekommen beziehungsweise ihnen einen Arbeits­platz zu besorgen.

Der bereits zitierte OECD-Bericht hat aber auch Vergleiche der öffentlichen Dienste zum Inhalt, und da zeigt sich eindeutig, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im österreichischen öffentlichen Dienst hervorragend arbeiten, ja sogar wesentlich mehr arbeiten als die Kolleginnen und Kollegen in den anderen 33 bewerteten OECD-Län­dern und – jetzt kommt es! – bei dieser Arbeit aber der Schnitt ihres Verdienstes unter jenem ihrer Kolleginnen und Kollegen in anderen OECD-Staaten liegt. Ja, da schaue ich jetzt doch in einige überraschte Gesichter. Wer hätte das gedacht? Unsere Beam­ten! (Zwischenruf des Bundesrates Köberl.) – So ist es, Herr Kollege.

Deshalb brauchen wir jetzt in diesem Bereich sofort eine Verwaltungsreform, denn da können wir ja viele Milliarden einsparen – wie es von den Medien und von den Besser­wissern immer wieder kolportiert wird. – Es ist, einfach gesagt, auch viel Nonsens da­bei. Es wäre einfacher, konkret zu formulieren, welche Leistungen wir in welcher Quali-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 14

tät den Bürgerinnen und Bürgern anbieten wollen. Was erwartet der Bürger von uns? Das ist der entscheidende Punkt! Also: Open Government und Wirkungsorientierung, das ist die Devise. Deshalb: Der öffentliche Dienst braucht qualifizierte Arbeitskräfte! Und das ist neben dem sicheren Arbeitsplatz, der immer wieder bei diversen Lohnver­handlungen auch ins Treffen geführt wird, ebenfalls ein ganz, ganz wichtiger Faktor.

Von dem derzeitigen Senioritätsprinzip, das wir haben, dass sozusagen 62-Jährige oder Pensionsberechtigte das höchste Einkommen und den höchsten Erwerbslohn ha­ben, können wir uns wirklich langsam verabschieden. Wenn nämlich ein fertig ausge­bildeter Lehrer aus der PÄDAK mit zirka 1 500 € Bruttolohn seine Berufslaufbahn im öf­fentlichen Dienst beginnt, braucht man sich nicht zu wundern, dass wir keine Volks­schullehrer mehr bekommen, denn mit diesem Geld kann man schlicht und einfach kei­ne Familie ernähren.

Das ist, schlicht und einfach gesagt, eine Herabwürdigung der Pädagogen. Dabei soll­ten wir gerade im Volksschulbereich die besten Lehrer haben, und es sollten nicht
nur Frauen diesen Job ausführen, sondern auch eine entsprechende Anzahl von Män­nern. So schaut’s aus, Frau Minister! (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie der Bundesrä­tin Michalke.)

Deshalb ist es auch längst an der Zeit, ein neues Dienst- und Besoldungsrecht zu schaffen. Und, bitte, schieben wir dann nicht immer nur der Gewerkschaft den „Schwarzen Fritz“ oder den Schwarzen Peter zu, sondern: Endlich Fakten auf den Tisch!, und dann können wir auch entsprechend verhandeln. Klar kostet das Geld, auch nicht zu knapp, aber ich denke, um es mit dem Lehrerbeispiel noch einmal zu sa­gen: Das sind wir unserem Bildungssystem schuldig, weil wir nicht nur eine breit ange­legte Bildungsdiskussion wollen, sondern dazu gehören auch entsprechende Para­meter wie Dienst- und Besoldungsrecht und eine zeitgemäße Entlohnung. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesräten der SPÖ.)

Ich bringe dazu jetzt ein Beispiel aus Vorarlberg. Unser Land hat im Jahr 2001 die Pragmatisierungen abgeschafft und mit dem Landesangestelltengesetz ein komplett neues Dienst- und Besoldungssystem geschaffen, dessen wesentlicher Bestandteil die Umverteilung der Lebensverdienstsumme zum Inhalt hat. Die jungen MitarbeiterInnen haben viel höhere Einstiegsgehälter und höhere Vorrückungsstufen. Das Einkommen verflacht sich dann mit 45 Jahren plus – das kommt auf den Einstieg an –, und am Ende des Beschäftigungsverhältnisses werden dann nur noch Indexanpassungen und Lohnabschlüsse lukriert. Also hinten hinaus verläuft die Lohnkurve dann degressiv.

Die Vorarlberger Gemeinden haben in einer umfassenden Reform 2004 diese Gehalts­reform nachvollzogen. Der öffentliche Dienst in Vorarlberg ist deshalb, so wie in eini­gen anderen Bundesländern auch, wieder attraktiv für junge Menschen, die damit in et­wa vergleichbare Löhne mit der Privatwirtschaft aufzuweisen haben.

Wesentliche Bestandteile dieser Gehaltsreform sind neben finanziellen Umverteilungen auch vorgeschriebene MitarbeiterInnengespräche, Aus- und Weiterbildungsvereinba­rungen, Führungskräfteschulungen und, damit verbunden, Leistungsprämien, die dann einen fixen Lohnbestandteil darstellen.

Das neue System ist flexibel, durchlässig und dadurch gekennzeichnet, dass hier nicht unbedingt der Schulabschluss – also Matura oder Fachhochschule oder akademischer Grad – bewertet wird oder entscheidend ist, sondern die Verwendung auf dem entspre­chenden Dienstposten. Selbstverständlich kostet das im Endausbau dem Land Vorarl­berg und den Gemeinden einige Millionen. Aber ich denke, wir sind es im Rahmen ei­ner Verwaltungsreform auch unseren Kolleginnen und Kollegen schuldig, hier entspre­chende strukturelle Maßnahmen zu treffen, um dann motivierte MitarbeiterInnen und einen attraktiven Arbeitsplatz auch mit einer entsprechenden Akzeptanz zu haben. Zu­sätzlich stellt das Ganze dann einen Gewinn für unsere Bürgerinnen und Bürger dar.


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Abschließend sei erwähnt, Frau Minister: Vorarlberger Bundesräte haben des Öfteren, mit Bundesratspräsident Jürgen Weiss an der Spitze, versucht, konkrete Vorschläge für Verwaltungsreformen einzubringen. Ich darf diesbezüglich auch an die Anfragen 2743/J-BR/2010 bis 2746/J-BR/2010 der Bundesräte Dr. Brunner, Michalke und Mayer erinnern, bei denen wir spezielle Schritte aufgezeigt haben. Ich erspare uns, dass ich aus diesen Anfragen zitiere, weil es den Zeitrahmen sprengen würde. Auszugsweise sei erwähnt, dass es sich dabei um die Synergie-Effekte durch Vermeidung bezie­hungsweise Abschaffung von Parallelstrukturen im Bereich des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur, des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Ju­gend sowie des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ge­handelt hat.

Wir haben überall eine freundliche Abfuhr erhalten, weil natürlich dadurch auch Kom­petenzen vom Bund zu den Ländern gewandert wären. Und das geht natürlich schon überhaupt nicht, obwohl es sinnvoll wäre und einiges an Kosten einsparen würde.

Ich wünsche Ihnen, Frau Minister, weil das rote Licht am Rednerpult schon blinkt, zu guter Letzt noch viel Freude und Elan bei den kommenden Lohnverhandlungen. Die ersten Prozentsätze liegen ja auf dem Tisch, und ich denke, so hervorragende Mitar­beiterinnen und Mitarbeiter, wie wir sie im öffentlichen Dienst haben, dürfen sich auch über einen wohlverdienten Lohnabschluss freuen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

9.25


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Michalke. – Bitte.

 


9.25.35

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Minister! Sie haben jetzt die Möglichkeit, gleich zwei Vorarlberger nacheinander zu genießen. Ich kann mir jetzt einige Dinge ersparen, die mein Kollege Edgar Mayer bereits ausgeführt hat, denn die Details hat er mir jetzt dankenswerter­weise schon abgenommen. Aber es sind wichtige Details gewesen, und es gibt trotz­dem noch genügend andere Punkte, die ich ansprechen möchte.

Einer betrifft die Vorlage oder die Zurverfügungstellung dieses Berichts. Leider ist die­ser erst vorgestern Abend zu recht später Stunde per Mail eingegangen, und erst ges­tern lag das Original in den Klubs auf. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Vor Mona­ten! Vor Monaten!) Ich finde das irgendwo sehr schade, denn es ist eine sehr gut erar­beitete Unterlage, und ich finde es schade, dass ich diese erst so spät zur Verfügung gestellt bekommen habe. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Heinisch-Ho­sek.) Die Verteilung ist leider erst vorgestern Abend erfolgt.

Ich habe sie mir dann trotzdem noch verinnerlicht und auch diese 7 Thesen und 50 Empfehlungen gelesen. Zum Teil sind es recht korrekte, bekannte Thesen, und die dazugehörigen Empfehlungen passen auch. Selbstverständlich gibt es auch ein paar politische Vorstellungen, die nicht hundertprozentig den FPÖ-Vorstellungen entspre­chen. Ich möchte da zum Beispiel auf die explizite Forderung für verpflichtende Quo­tenregelungen verweisen. Das kommt für uns so absolut nicht in Frage.

Was mir aber am Ende der Lektüre wie Schuppen vor den Augen gefallen ist und mich eigentlich auch enttäuscht hat, ist die Tatsache, dass offensichtlich bis zum heutigen Zeitpunkt oder zumindest bis zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts der öffentli­che Dienst und somit die Verwaltungsbehörden entweder komplett am Bedarf und der Effizienz vorbeigehandelt haben oder, was offensichtlich eher der Fall ist, die Bediens-


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teten gar nicht anders konnten. In der Privatwirtschaft sind all diese Tatsachen längst bekannt wie zum Beispiel: Das Angebot qualifizierter Arbeitskräfte wird knapp, Qualifi­zierung und Weiterbildungsmaßnahmen sind in jeder Hinsicht enorm wichtig, ebenso Flexibilität, bedarfsgerechter Personaleinsatz, Schaffung von Anreizen, familien- und karrierefreundliche Arbeitszeitmodelle, Attraktivität des Arbeitsplatzes – die Kollege Ed­gar Mayer auch bereits angesprochen hat –, entsprechende Rahmenbedingungen und ganz besonders, was auch explizit in diesem Bericht steht, „marktgerechte“ – dies ist im Bericht unter Anführungszeichen gesetzt – Entlohnung. Und auch, dass der öffent­liche Dienst zunehmend weiblich ist – no na net: Pflege, Schule, Kindergarten sind be­kanntermaßen weiblich, und da hätte es schon Möglichkeiten gegeben, die Entlohnun­gen für diese Frauenarbeitsplätze sozusagen entsprechend anzuheben. Dass das bis­her nicht der Fall ist und es offensichtlich keine marktgerechte Entlohnung gibt, ist für mich sehr enttäuschend.

Also alle diese Schlagworte sind, wie gesagt, in der Privatwirtschaft längst bekannt, und die Lösungsansätze und Umsetzungsvorschläge können nachgelesen werden. Hätte also die Privatwirtschaft nicht schon längst auf diese vom Beirat erarbeiteten Punkte reagiert, würde der Wirtschaftsstandort Österreich heute recht traurig dastehen. Und diese Lösungsansätze und Umsetzungsvorschläge würden auch den Bedienste­ten im öffentlichen Dienst zugutekommen und sie in ihrem Dienst sehr unterstützen.

Ich möchte auch noch ein bisschen auf die Staatsaufgaben der Zukunft eingehen. Wie auf Seite 6 richtig dargestellt ist, wird der Staat auch in Zukunft einen großen Teil der im öffentlichen Interesse der Gesellschaft stehenden Aufgaben, also der öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen haben. Deshalb unterstütze ich auch gerne die Forderung nach einem leistungsstarken Staat und die Aussage, dass für die Leistungsstärke des öffentlichen Dienstes nicht dessen quantitative Größe maßgeblich ist, sondern dessen Kompetenz. Und dafür und für gute Rahmenbedingungen für die Bediensteten ist un­bedingt umgehend zu sorgen.

Ich möchte deshalb natürlich dem Föderalismus das Wort reden, der bedeutet, dass die Staatsaufgaben von verschiedenen Entscheidungsebenen eigenverantwortlich und unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips erledigt werden. Wenn die schon längst überfälligen Verwaltungsreformen, die mein Kollege ebenfalls angesprochen hat und auf die wir Bundesräte auch schon mehrfach hingewiesen haben, endlich umge­setzt würden, wären viel weniger Ebenen oder Instanzen nötig, und das qualifizierte Personal könnte richtig eingesetzt werden.

Es gibt neun Argumente, wie zum Beispiel ein moderner Föderalismus funktioniert und wie er den öffentlichen Dienst beeinflussen kann. Diese möchte ich anführen und dazu jeweils kurz ein Beispiel nennen, obwohl es natürlich dazu jeweils viel mehr an Beispie­len gäbe.

Zunächst einmal: bürgernah. Hier ist zum Beispiel die Kundenorientierung der Verwal­tung wichtig. Die Landesverwaltungen haben zum Beispiel leistungsfähige E-Govern­ment-Portale eingerichtet. Bürgerinformationsstellen und -büros sowie modernes Ver­fahrensmanagement sorgen dort für die rasche Abwicklung von Verwaltungsverfahren. Dazu kommen die unabhängigen Verwaltungssenate als bürgerliche Rechtsschutzin­stanzen.

Dann: effizient und kostengünstig. Zum Beispiel die Schulverwaltung: Die Schulverwal­tung durch die Länder wird weitaus effizienter und damit kostengünstiger als jene durch die Schulbehörden des Bundes bewerkstelligt. So betreut zum Beispiel in der Landes­verwaltung Vorarlberg ein Bediensteter 280 Landeslehrer – in der Bundesverwaltung betreut ein Bediensteter 125 Bundeslehrer; die Ministerialverwaltung ist dabei noch nicht berücksichtigt.


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Innovativ. Zum Beispiel das moderne Dienstrecht, wo die Aufhebung des sogenannten Homogenitätsprinzips im Jahr 1999 den Ländern die Einführung modernerer, leistungs­orientierter Dienstrechtsgesetze ermöglichte, und auch die wirkungsorientierte Verwal­tung mit Projekten wie Steuerung über Zielvorgaben, Globalbudgetierung, Kosten- und Leistungsrechnung.

Dann: demokratisch. Zum Beispiel Bürgerbeteiligungen oder ehrenamtliches Engage­ment – ein Motor für mehr Vielfalt, zum Beispiel bei der Sicherung von Versorgungs­strukturen.

Ein Standortvorteil: Zum Beispiel Standort- und Betriebsansiedelungsmanagement in den Landesverwaltungen hat zu einem befruchtenden Wettbewerb um das bessere Verfahrensmanagement geführt. Die durchschnittlichen Verfahrensdauern von Be­triebsanlageverfahren wurden drastisch gesenkt.

Dann: flexibel, besonders in Krisensituationen. Zum Beispiel Kontrollfunktionen: Auf­sichts- und Kontrollbehörden der Länder haben das entsprechende Know-how und die Strukturen, um rasch und effektiv handeln zu können.

Kooperativ und schließlich zukunftsträchtig. Zum Beispiel die Wohnbauförderung: Bei den Wohnbauförderungsrichtlinien kann rasch und flexibel auf geänderte Gegebenhei­ten reagiert werden und ein zweckentsprechender Einsatz der Fördergelder sicherge­stellt werden. Dadurch wird die Nähe zum Bürger erleichtert, und missbräuchliche Ver­wendung ist viel schwerer möglich.

Es braucht also unbedingt ein rasches Handeln, was die Entrümpelung Österreichs an­belangt, und die 330 Vorschläge, die von den Ländern dem Bund unterbreitet wurden und von denen gerade einmal 40 umgesetzt sind, helfen sicher, dass genug qualifi­ziertes Personal für die anstehenden Staatsaufgaben zur Verfügung steht. Allein die Reformen der Verwaltungsgerichte würden 120 Berufungssenate und Kommissionen überflüssig machen.

Außerdem ist auch noch zu hinterfragen, ob es gegenüber den sogenannten normalen Bediensteten in den Ministerien gerecht ist, wenn zum Beispiel im Justizministerium Richter und Rechtsanwälte zu entsprechend hohen Einstiegsgehältern beschäftigt sind, die zudem auch noch von den obligatorischen Aufrückungen profitieren, oder wenn Ge­haltsempfänger der ÖBB oder der Telekom gut dotierte Positionen innehaben.

Diese Verwaltungsreform hat also absolute Priorität, besonders angesichts der prekä­ren finanziellen Lage, und würde die Umsetzung der Empfehlungen in diesem Bericht enorm erleichtern und ohne Weiteres möglich machen. Das System gehört geändert, und meine kritischen Worte möchte ich auch als Unterstützung für die Bediensteten im öffentlichen Dienst, die wir dringendst benötigen, verstanden wissen. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

9.34


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu einer einleitenden Stellungnahme zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


9.34.50

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Hoher Bundesrat! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Danke für diese drei Wortmeldungen. So unterschiedlich sie waren, so wichtig waren sie auch für mich, denke ich. Wäre es jetzt eine Fragestunde, könnte ich auf jede einzelne Frage auch eingehen und antworten. Es ist aber eine Aktuelle Stunde, und ich war absolut nicht zufrieden mit dem, was Sie gesagt haben. Ich war sehr glücklich darüber, dass wir im Nationalrat das Thema vor einigen Monaten behandelt haben, und habe gedacht, weil es so gut gegangen ist, machen wir es heute im Bundesrat wieder, und dank der so-


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zialdemokratischen Fraktion ist es auch als Thema eingebracht worden. (Beifall bei der SPÖ.)

Das heißt, wenn wir heute über unsere 133 000 öffentlich Bediensteten reden – in Summe sind es, Sie haben die Zahl heute schon genannt, 350 000 Menschen, die in Bund, Ländern und Gemeinden tätig sind; wenn wir die ausgegliederten Bereiche da­zunehmen, dann ist es fast eine halbe Million Menschen –, dann, denke ich, ist es nur recht und billig, auch darüber zu sprechen und danke zu sagen für das, was die Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter geleistet haben, leisten und – die Herausforderungen be­treffend, denn heute möchte ich über die Perspektiven für die Zukunft sprechen – auch leisten werden müssen und hoffentlich auch leisten wollen, wenn wir die Rahmenbe­dingungen entsprechend schaffen.

Frau Kollegin, was Sie zuletzt gesagt haben, motiviert mich schon, eine Frage in den Raum zu werfen: Was wäre, wenn alle Länder sagten, den Bund brauchen wir nicht? Was wäre, wenn der Bund sagte, die Länder brauchen wir nicht? – So können wir Verwaltungsreform sicher nicht machen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich glaube, dass es wichtig ist, immer wieder zu betonen, Verwaltungsreform geht nur miteinander, geht nur gemeinsam. Das heißt, sich Best-Practice-Beispiele aus den Ländern herzunehmen und zu schauen: Wie funktioniert es beispielsweise in Vorarl­berg mit der Abschaffung der Pragmatisierung oder beispielsweise in Niederösterreich mit der vor einigen Jahren durchgeführten Besoldungsreform, die wir uns als Bund für die Berechnung natürlich zum Vorbild genommen haben? Ich darf nur betonen, in Nie­derösterreich hat diese Besoldungsreform zwei bis drei Prozent – eher an die drei Pro­zent, haben wir letztens gehört – der Personalkosten beansprucht. Umgerechnet auf den Bund bedeutet das – ein Prozent sind, wie jetzt für die Gehaltsverhandlungen wie­der neu berechnet wurde, 111,3 Millionen € –, wenn wir diese Besoldungsreform jetzt und sofort machen würden – wogegen ich überhaupt nichts hätte, weil ich auch sage, bei gleichbleibender Lebensverdienstsumme wäre es natürlich wichtig, dass neu ein­steigende junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit höheren Einstiegsgehältern begin­nen können –, um die Rechnung fertig zu denken, 200 bis 300 Millionen €.

Es ist ein bisschen schwierig, so ad hoc zu sagen, das schütteln wir so aus dem Ärmel in sehr herausfordernden, schwierigen Zeiten, wo wir schauen müssen, dass die Staatsfinanzen im Rahmen bleiben. Das heißt: Besoldungsreform selbstverständlich – aber wenn die Mittel sozusagen zur Verfügung stünden, könnten wir es auch angehen.

Ich darf nächste Woche am Montag und Dienstag in Berlin bei einer der größten Ver­waltungsmessen Europas unsere E-Government-Strategie, das „Digitale Österreich“ präsentieren – weil heute auch schon so ein bisschen die Frage angedeutet wurde, wie der Bund denn dasteht, denn einige Länder machen hier schon sehr viel. Ich bin sehr froh darüber, dass in allen neun Bundesländern sehr individuell Strategien entwickelt werden, wie man Verwaltungsvereinfachung, Serviceorientierung am Bürger, an der Bürgerin verbessern und optimieren kann, aber der Bund schläft nicht, meine sehr ge­ehrten Damen und Herren! Der Bund schläft insofern nicht, als wir, genau was „Digita­les Österreich“, unsere E-Government-Strategie, help.gv.at mit 31 Millionen Zugriffen jedes Jahr betrifft, im OECD-Vergleich und bei all diesen Rankings und Wettbewerben, an denen wir uns beteiligen, immer ganz, ganz vorne sind, wenn nicht sogar den ers­ten Platz belegen.

Deswegen ist es wichtig, dass wir dieses Mal Partnerland bei dieser großen Messe in Berlin sein können, wo einfach Verwaltung europaweit, weltweit, international präsen­tiert wird, dass ich dort Österreich vertreten darf, insofern als ich die Fortschritte, die wir im Bereich „Digitales Österreich“, im Bereich E-Government gemacht haben, prä-


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sentieren darf. Es gibt auch einiges vorzuweisen und einiges zu erzählen, was das an­langt. Sie werden es dann nachlesen können.

Apropos nachlesen: Ich muss mich entschuldigen dafür, dass der Beiratsbericht schrift­lich beziehungsweise in Papierform erst vorgestern eingelangt ist. Ich darf aber daran erinnern, dass er bereits vor Monaten präsentiert wurde und seitdem online ist. Das heißt, er blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen, er war medial begleitet, und man hat sehr wohl mitbekommen – weil man auch im Nationalrat schon darüber gesprochen hat –, dass es diesen Bericht gibt. Ich freue mich sehr darüber, und er wurde auch jetzt von allen drei VorrednerInnen lobend erwähnt. Er ist erstellt worden von Universitäts­professoren/-professorinnen, PraktikerInnen aus dem In- und Ausland, und er enthält Thesen und Empfehlungen, an denen wir bereits arbeiten, die aber selbstverständlich weitergedacht werden.

Wir wollen, dass wir fit für das 21. Jahrhundert sind, dass wir als öffentlicher Dienst in Konkurrenz zur Privatwirtschaft bestehen können, und zwar nicht nur mit einer Besol­dungsreform, die auch ein Teil dieses Berichtes ist. Eine Besoldungsreform kann nicht alles sein, muss aber ein wichtiger Teil sein, damit Menschen sich überhaupt bewerben und im öffentlichen Dienst tätig sein wollen. Das ist klar.

Auf der anderen Seite geht es aber um mehr. Wie gehen wir mit den neuen Medien in Zukunft um? Wie können wir Bürger-/Bürgerinnenbeteiligung in Zukunft noch besser gestalten, noch optimieren? Wie können wir Partizipation im Sinne von: „Ich frage die Bürgerinnen und Bürger, ich bekomme ein Feedback und kann darauf reagieren!“, er­reichen? Wie können wir das optimieren? Wie können wir mit dem Begriff „Cloud Com­puting“ als öffentlicher Dienst umgehen? – All diese Fragen gehören beantwortet, und dafür möchte ich mir auch Zeit nehmen.

Ich möchte jetzt vielleicht anhand eines Beispiels – wie ich das auch schon im Natio­nalrat gemacht habe – auch dem Hohen Bundesrat noch einmal näherbringen, was der öffentliche Dienst jetzt schon leistet und was er aufgrund dieser Empfehlungen leisten wird, wenn die eine oder andere Maßnahme hoffentlich schon in einem Jahr, wenn die­se große Debatte in den Bundesländern – ich werde ja in die Bundesländer gehen und diesen Beiratsbericht selbstverständlich mit allen möglichen Experten und Expertinnen auf Länderebene, auf Gemeindeebene, mit Gewerkschaftsvertretern diskutieren – ge­führt sein wird, beschlossen sein wird.

Was können wir jetzt schon? Was wird die Zukunft bringen? – Beispiel: Computer­fachfrau; ich weiß, das sagt man nicht mehr, also: eine junge Frau, die sich als IT-Technikerin beim öffentlichen Dienst bewerben möchte. Sie muss keine schriftliche Be­werbung mehr mit der Post verschicken – wiewohl die Post sich natürlich freuen wird, wenn sie das tut; sie kann es auch tun –, sondern sie kann ganz bequem von zu Hau­se aus übers Internet zunächst einmal nachschauen, was es denn überhaupt für Lehr­stellen im öffentlichen Dienst gibt. Sie kann sich dann, wenn sie das will, weil sie viel­leicht in der Schule schon den Umgang mit diesen Medien geübt, gelernt hat, für die­sen Bereich bewerben.

Ich hoffe ja, dass mittlerweile jede Volksschule mit Computern und Internet ausge­stattet ist, denn der maßvolle Umgang von jüngster Kindheit an ist, glaube ich, das Al­lerwichtigste, was wir unseren Kindern mitgeben können. Wir könnten uns zwar gegen neue Technologien verwahren, aber aufhalten können wir sie schon lange nicht mehr. Das heißt, je früher Kinder damit konfrontiert sind, natürlich in einem Maße, das, wie schon einmal gesagt, nicht überschießend ist, desto besser ist es.

Also: Eine junge Frau bewirbt sich von zu Hause aus, schickt ihre Bewerbung elek­tronisch ab. Sie hat sich vielleicht dafür entschieden, sich als IT-Technikerin in der Ver­waltung im Bereich Landesverteidigung zu bewerben. Sie wird eingeladen und be­kommt diesen Job. Sie macht natürlich eine Lehre und Matura, denn Matura ist längst


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schon Standard bei uns. Ich freue mich, dass weit über 6 000 junge Menschen, die eine Lehre absolvieren, mittlerweile auch Matura machen. Dienstgeberseitig, und zwar nicht nur vom Bund, sondern auch in der Privatwirtschaft, wird das sehr begrüßt, dass „Karriere mit Lehre“ nicht nur ein Schlagwort ist, sondern für die jungen Menschen auch wirklich umsetzbar ist.

Das heißt, die junge Frau aus meinem Beispiel macht Matura und entwickelt sich wei­ter. Sie wird dann vielleicht auch eine Familie gründen wollen. Nehmen wir also an, sie bekommt ein Kind, so hat sie im öffentlichen Dienst selbstverständlich jetzt schon die Möglichkeit, dann, wenn sie zurückkommt, für einige Zeit eine qualifizierte Teilzeitstelle zu bekommen. Wir wollen aber, dass sie auch wieder voll einsteigen kann. Wenn sie einen guten Kinderbetreuungsplatz hat, wenn alles rundherum passt, dann kann sie Tele-Working machen, vorausgesetzt, das passt zum Arbeitsplatz.

Auch in diesem Bereich will der Bund das eine oder andere Mal auch Vorbild für die Privatwirtschaft sein, denn ich glaube, dass in unseren Köpfen noch immer dieser An­wesenheitsfetischismus vorherrscht: Du bist nur dann eine gute Mitarbeiterin/ein guter Mitarbeiter, wenn du möglichst viele Stunden an deinem Arbeitsplatz bist! Vielleicht traut man den Mitarbeitern aber auch nicht zu, dass sie von zu Hause aus die gleiche Leistung erbringen können. Das heißt, Tele-Working greift gut im öffentlichen Dienst, greift selbstverständlich auch schon in der Privatwirtschaft, aber das ist etwas, das noch weiterentwickelt werden kann. Das ist klar.

Wir sind im öffentlichen Dienst natürlich auch sehr auf Weiterbildung bedacht. Unsere Verwaltungsakademie hat steigende HörerInnenzahlen zu verzeichnen. Wir haben in Zusammenarbeit mit der FH Campus Wien einen Lehrgang „Public Management“ ge­startet. Die Ersten sind schon für den Master-Lehrgang angemeldet, und die Nachfrage ist sehr groß. Das heißt, im öffentlichen Dienst bleibt in diesen Bereichen, in denen wir tätig sind – das ist insbesondere Public Management, aber viele, viele andere Bereiche auch –, Weiterbildung kein Schlagwort, sondern ist Wirklichkeit. Die Nachfrage ist, wie gesagt, sehr groß, und wir wollen das auch ermöglichen. An dieser Stelle möchte ich allen Ressorts danken, die das ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, denn das kostet auch etwas, und die meisten Ressorts stellen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diese Ausbildungskosten zur Verfügung. Das heißt, man kann sich umorientieren.

Angenommen, die IT-Technikerin ist nicht mehr glücklich mit ihrem Aufgabenbereich und möchte sich ganz anders orientieren. Auch das wollen wir – und das kommt in die­sem ExpertInnenbericht auch gut zur Geltung – in Zukunft möglich machen, nämlich: rausoptieren in die Privatwirtschaft, nach einiger Zeit wieder zurückkommen. Dabei geht es auch darum, was angerechnet wird für die Zeit in der Privatwirtschaft. – Im Mo­ment nicht viel! Da müssen wir umdenken. Man soll nicht zu viel verlieren, wenn man einige Jahre in der Privatwirtschaft nicht nur schnuppert, sondern auch entsprechendes Know-how erwirbt und dann wieder zurückkommt. Es sollen dann nicht nur zum Bei­spiel drei Jahre angerechnet werden, sondern es muss entsprechend abgegolten wer­den, wenn dieser Wechsel gewünscht wird, und das ist definitiv der Fall.

Das heißt, eine Karriere beim Bund, im öffentlichen Dienst soll in Zukunft nicht mehr so starr erfolgen, wie das vielleicht in unseren Köpfen noch verankert ist, sondern soll sehr flexibel gestaltet sein. So wollen wir ganz einfach noch konkurrenzfähiger werden, zumal wir natürlich auch damit zu rechnen haben – das steht schon in der Präambel dieses Beiratsberichtes –, dass sozusagen das Arbeitskräftepotenzial knapper wird. Das heißt, wir werden uns anstrengen müssen, dass wir die notwendige Attraktivität, die wir als öffentlicher Dienst hoffentlich auch noch in Zukunft haben werden, auch in dem, was wir anbieten – und da geht es, wie gesagt, nicht nur um Besoldungsreform, wiewohl mir diese sehr wichtig ist –, schaffen können.


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Ich glaube, dass dieser Beiratsbericht eine gute Grundlage dafür bietet – und jetzt komme ich zum Organisatorischen –, ein Jahr lang in den Bundesländern mit all den handelnden Personen und Interessierten, aber auch mit den Bürgerinnen und Bürgern Gespräche zu führen. Wir werden ein eigenes Online-Tool anbieten, um Bürgerin-
nen-/Bürgerbefragungen sowie die Inputs, die kommen werden, aufzunehmen und dann auch mit in die Debatte einfügen zu können, denn wir wollen diesen ExpertInnen­bericht praxistauglich machen. Wir wollen ihn auf den Boden bringen, wenn ich das so salopp formulieren darf. Wir wollen schauen, ob dieser ExpertInnenbeiratsbericht auch dem standhält, was er verspricht. Für mich verspricht er in Summe recht viel, weil ich glaube, dass wir als öffentlicher Dienst modern, serviceorientiert und sparsam agieren müssen.

Lassen Sie mich zum Wort „sparsam“ vielleicht noch einige wenige Sätze zum Ab­schluss sagen, weil wir gerade eine sehr große Dienstrechtsnovelle auf den Weg ge­schickt haben – „auf den Weg“ heißt, in Begutachtung geschickt; sie wird dem Natio­nalrat im Dezember zur Abstimmung vorliegen – und wir natürlich aktuell – das ist al-
len Zeitungen zu entnehmen gewesen – damit begonnen haben, die Gehälter für das Jahr 2012 zu verhandeln.

Mir ist wichtig zu betonen, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im öffentlichen Dienst hervorragende Arbeit leisten, wir aber bei den Gehaltsverhandlungen versuchen müssen, uns auf dem Boden der Realität zu bewegen. Es gibt natürlich auch kleine Einkommen im öffentlichen Dienst, es ist nicht so, wie wir uns manchmal vorstellen, dass da nur satte Gehälter eine Rolle spielen. Durch das Senioritätsprinzip, das gebe ich durchaus zu, sehen mit der Zeit, je länger man im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, die Gehälter dann doch so aus, dass viele Leute sehr zufrieden sein können.

Ich nenne auch die Biennalsprünge alle zwei Jahre, womit all unsere Bediensteten, all unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr zufrieden sein können. Wir haben sie noch nie in Frage gestellt, obwohl andere Länder das tun. Bei einem Vergleich sehen wir, dass sehr viele EU-Staaten BeamtInnengehälter, Vertragsbedienstetengehälter selbstverständlich auch, einfrieren, dass etwas weggenommen wird, dass abgebaut wird, und sogar in einigen Ländern Personalabbau betrieben wird.

Bei uns in Österreich gibt es im öffentlichen Dienst einen natürlichen Personalabbau durch Nicht-Nachbesetzen nach Pensionierungen, es gibt aber auch zusätzliches Per­sonal für Bereiche, von denen wir glauben, dass sie ganz wichtig sind, nämlich für die Sicherheit zum Beispiel oder für die Bildung. Die Umstellung auf die Neue Mittelschule benötigt natürlich mehr Lehrerinnen und Lehrer, und die müssen sich erst einmal mel­den. Auch diesbezüglich müssen wir attraktiv sein. Die neue Ausbildung der Leh­rer/Lehrerinnen, die ja in Vorbereitung ist, ist fast fertig. Das neue Lehrer-/Lehrerinnen­dienstrecht, an dem wir gerade arbeiten, betrifft fast ein Drittel aller öffentlich Bediens­teten. Es sind über 100 000 Lehrer und Lehrerinnen, für die wir jetzt ein neues Dienst­recht kreieren, damit alle gute Startbedingungen haben und sich dann modulartig sozu­sagen spezialisieren können. Das heißt, es ist sehr, sehr vieles auf dem Weg.

Ich möchte noch einmal kurz zurückkommen auf die Gehaltsverhandlungen. Auf die kleinen Gehälter besonders zu schauen, das ist mir besonders wichtig, denn unsere öf­fentlich Bediensteten, die nicht so gut verdienen, haben natürlich die hohe Inflation noch mehr zu spüren als vielleicht Besserverdienende. Auf diese soziale Ausgewogen­heit müssen wir schauen. Das meine ich, wenn ich sage, wir dürfen den Boden der Realität nicht verlassen. Die Forderung, die auf dem Tisch liegt, ist exorbitant hoch. Die Staatsfinanzen lassen es ganz einfach nicht zu, dass man so einfach für alle 4,65 Prozent beschließt. Wir werden aber wie jedes Jahr einen Weg finden, davon bin ich überzeugt. Wir werden es auch schaffen, dass mit 1. Jänner 2012 die Gehälter in der Höhe, die wir ausverhandelt haben, angewiesen werden können. Wir haben nicht


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mehr viel Zeit, aber das ist jedes Jahr so, und ich kann sagen, unter Druck ist es zu­meist so, dass etwas Gutes dabei herauskommt, und zwar für alle Beteiligten.

Zur Dienstrechtsnovelle vielleicht noch Folgendes: Sie ist nicht klein, sie ist groß. In dieser Novelle ist ein großes Anti-Korruptionspaket enthalten. Wir haben zum ersten Mal keine „Gratispraktiker“ mehr im öffentlichen Dienst. Es gab ein paar hundert junge Leute, die bis zu einem Jahr gratis in einer Einrichtung des Bundes, in den einzelnen Ressorts gearbeitet haben. Ich verwahre mich eigentlich sehr vehement dagegen – und das schon seit langer Zeit, deshalb bin ich auch froh, dass es gelungen ist, das auch in diese Novelle aufzunehmen –, dass junge Menschen ausgebeutet werden, in­dem sie ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen und dann nicht einmal einen Mindest­lohn dafür erhalten. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Daher haben wir gesagt: 1 300 € für eine Praktikantin/einen Praktikanten, die/der ein Jahr lang im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, und 900 € für diejenigen, die bis zu drei Monaten beschäftigt sind.

Ich könnte noch viel aufzählen, was die Novelle an Neuerungen hervorbringen wird, aber vielleicht doch noch ein letztes Beispiel: Exekutive. Es ist doch oft der Fall, dass ältere Exekutivbeamte/-beamtinnen aus Krankheitsgründen sozusagen in Frühpension gehen müssen, obwohl sie noch gar nicht wollen, aber den Anforderungen eines Dienstes draußen körperlich sozusagen nicht mehr gewachsen sind. Diese Novelle wird nun ermöglichen – und das gilt natürlich auch für andere Bereiche, aber im Spe­ziellen wird das eben die Exekutive ganz besonders betreffen –, dass freiwillig in die Verwaltung gewechselt werden kann, statt in Frühpension gehen zu müssen – eine Dienstunfähigkeit muss natürlich bis zu einem gewissen Maß vorliegen –, ohne, wie das bis jetzt der Fall war, große Gehaltseinbußen hinnehmen zu müssen. Das heißt, das Einkommen bleibt in etwa gleich. Man kann natürlich keine Außendienstzulage beziehen, wenn man im Innendienst ist, das ist klar, aber so weit abfallen wie bisher wird das Einkommen nicht, wenn man bleibt. Wir wollen, dass unsere Bediensteten länger im Arbeitsprozess bleiben, und zwar zu Bedingungen, die ein weitestgehend sorgenfreies Leben ermöglichen und nicht dazu führen, dass man sich vielleicht die Miete nicht mehr leisten kann.

Das heißt, wir haben viele Bereiche miteinbezogen, wodurch, wie ich glaube, die jetzt aufgezeigten Vorwürfe zum Teil ein bisschen entkräftet werden können.

Ich glaube, Verwaltungsreform muss es überall geben – in den Ländern, wo es geht, im Bund, wo es geht, aber miteinander. Das ist das Wichtigste. Gegeneinander haben wir noch nie etwas geschafft. Es wird jetzt zum Beispiel, wie erwähnt, die Verwaltungs­gerichtsbarkeit vereinfacht werden – auch das ist mit den Ländern verhandelt worden; aber nicht nur das, sondern auch einige Bereiche mehr!

Selbstverständlich, Herr Kollege Mayer – er ist jetzt leider nicht anwesend –, würde auch ich mir wünschen: Männer in die Schulen, Männer in die Pflege. Selbstverständ­lich hätte ich das gerne, aber weshalb Männer nicht so gerne in sozialorientierten Be­rufen tätig sind, hat – ich will dieses Thema nicht immer an der Höhe der Gehälter auf­hängen –, glaube ich, auch gesellschaftspolitische Motive. Es liegt nicht wirklich im Mainstream der Männer, zu sagen: Ich habe auch etwas davon, wenn ich Kinder unter­richte – ich spreche jetzt nicht nur von Freizeit, das meine ich nicht –, ich habe in Be­zug auf das Sozialprestige etwas davon, wenn ich in der Pflege tätig bin, denn dort ar­beite ich mit Menschen, mit kleinen und mit älteren Menschen. (Präsidentin Mag. Neu­wirth gibt das Glockenzeichen.)

Ich komme zum Schluss. – Ich bitte Sie, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kol­leginnen und Kollegen: Lesen Sie den Bericht wohlwollend, beteiligen Sie sich im Lau­fe des nächsten Jahres mit uns allen gemeinsam an der Debatte darüber, wie wir Pers­pektiven des öffentlichen Dienstes für das 21. Jahrhundert weiterentwickeln können,


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damit wir modern bleiben, damit wir konkurrenzfähig bleiben und damit wir auch in Zu­kunft vielen jungen Menschen einen guten Arbeitsplatz bieten können! – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

9.55


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke, Frau Ministerin, auch wenn die Rede­zeit beträchtlich überschritten wurde. (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Entschuldi­gung!)

Ich mache nun darauf aufmerksam, dass die Redezeit aller weiteren Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Aktuellen Stunde nach Beratung in der Präsidialkonferenz 5 Mi­nuten nicht übersteigen darf.

Als Erster zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


9.56.12

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Ich habe mir die „ZiB 2“, in der Sie vor zwei Tagen Ihren Auftritt im Studio haben sollten, angesehen. Die Gehaltsverhandlungen haben etwas länger gedauert, weshalb das Interview vor verschlossenen Verhandlungstüren geführt worden ist. Sie haben, wie auch jetzt ange­führt, gesagt, dass der Chef der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Herr Fritz Neuge­bauer, mitunter mit Forderungen vorgeprescht ist, die, wie Sie ebenfalls richtig ange­merkt haben, jeglicher Realität widersprechen. Sie haben weiters angemerkt, dass die BeamtInnen nicht so wie die ArbeiterInnen in der Privatwirtschaft von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen sind.

Die GÖD hat gemeint, dass die abgerechneten Wirtschaftsdaten des Vorjahres heran­zuziehen sind. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem guten Wirtschafts­wachstum von 3,5 Prozent und von einer Inflation von 2,95 Prozent. Ihren Ausführun­gen konnte ich entnehmen, dass die Inflation in etwa die Basis sein wird, worauf man sich im untersten Niveau wird einigen können. Sie haben mehrmals, wie auch jetzt wie­der, Fairness eingefordert, Fairness sei das Gebot der Stunde. Sie haben darüber hi­naus auch jetzt wieder richtig angemerkt, dass es im öffentlichen Bereich sehr viele Einkommen gibt, die von der Inflation besonders geschwächt werden.

Wenn wir schon von Fairness sprechen, dann muss man eines auch ehrlicherweise anmerken, werte Kolleginnen und Kollegen: dass mit einer Erhöhung der Gehälter für die Bediensteten im öffentlichen Bereich um 1 Prozent Mehrkosten in der Höhe von 111,3 Millionen entstehen. Das sind Gelder, die in den Schulen, in den Kindergärten und in der frühkindlichen Sprachförderung fehlen werden. (Bundesrat Kainz: In der Landesverteidigung!) – Auch in der Landesverteidigung, aber das sind hausgemachte Fehler. Weshalb schafft man irgendwelche Flieger an, die man, wenn man davon ab­sieht, dass man sie einmal im Jahr am Heldenplatz herzeigt, nicht braucht? Also das hat andere Gründe, aber gut, darauf möchte ich jetzt nicht näher eingehen.

Ich möchte das jetzt nicht falsch verstanden wissen: Ich bin für eine Gehaltserhöhung, und zwar für jene Bediensteten, die wirklich im niedrigeren Einkommensbereich ange­siedelt sind, und denen gönne ich auch mehr als diese 4,65 Prozent, die in den Raum gestellt worden sind. – Somit sind wir beim eigentlichen Problem. Es gibt im öffentli­chen Bereich eine mit Privilegien sehr gut ausgestattete, aber immer kleiner werdende Beamtenschaft und auf der anderen Seite eine Heerschar von Vertragsbediensteten, die nicht diese Rahmenbedingungen vorfinden, aber trotzdem die gleiche Leistung, wenn nicht sogar mehr erbringen müssen. Da geht die Schere dann auseinander, und in gewissen Bereichen wie zum Beispiel bei der Finanzprokuratur wird das zu einem großen Problem. In der Finanzprokuratur nämlich sind Juristinnen und Juristen tätig, die eine zusätzliche Ausbildung haben müssen, die im Zivilrecht und zusätzlich auch noch im Strafrecht sehr standfest sein müssen.


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Dass diese Leute auch in der Privatwirtschaft höchst gefragt sind und leicht abgewor­ben werden, liegt ganz klar auf der Hand. Auch der Präsident der Finanzprokuratur hat im Ausschuss ganz kurz in einem Nebensatz erwähnt, dass das ein riesengroßes Pro­blem ist, weil ihm dadurch gute Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen abhandenkommen, die sich in hoch komplexe Fälle eingearbeitet haben.

Daher sind die sieben Thesen und die 50 Maßnahmen-Empfehlungen dieses Beira­tes – unter anderem auf den Seiten 16 bis 22 – ein sehr guter Ansatz, wie man dieses Problem in den Griff bekommen kann.

Ich möchte zum Schluss – weil die Lampe hier schon blinkt – noch sagen: Es muss den ArbeitgeberInnen und DienstgeberInnen und auch den ArbeitnehmerInnen und DienstnehmerInnen ganz klar sein: Zu viele Schulden gefährden den Wohlstand; zu teure Pensionsregelungen gefährden den Wohlstand; und zu aufwändige Verwaltun­gen gefährden den Wohlstand. Darüber müssen wir in diesem Haus noch harte, aber faire Diskussionen führen.

Es ist nämlich ganz klar: Den Status quo beizubehalten, jeden Veränderungsvorschlag im Keim zu ersticken und zu jedem Reformvorhaben Nein zu sagen führt in eine Sack­gasse, und das ist meines Erachtens – das sage ich in aller Deutlichkeit – eine Kriegs­erklärung an die Jugend und an die nächste Generation, und das möchten wir nicht! Das möchte ich nicht, und das möchten wir nicht! Deshalb ist es wichtig, dass wir in un­serem Österreich sozialen Frieden auch zwischen den Generationen und ein faires Ös­terreich haben. Darum müssen wir uns alle gemeinsam bemühen, und wir müssen oh­ne parteipolitisches Hickhack noch hart daran arbeiten. – Danke für die Aufmerksam­keit. (Beifall bei den Grünen.)

10.02


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nächste Rednerin: Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


10.02.05

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Frau Präsident! Gospa president! Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Drage kolegice in kolegi! Zuerst möchte ich mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diese Broschüre und diesen Bericht „Perspektiven des öffentlichen Dienstes“ be­danken.

Es geht um Perspektiven, und ich möchte in meiner Rede ganz einfach die Perspek­tiven für Frauen im öffentlichen Dienst aufzeigen. Gerade im Hinblick auf den zu er­wartenden Arbeitskräftemangel stellen Frauen eine große Zielgruppe und eine beson­dere Personalressource für den öffentlichen Dienst dar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist davon auszugehen, dass die Frauenerwerbs­quote in Österreich steigt. Es ist auch davon auszugehen, dass die Qualifikation junger Frauen kontinuierlich steigt.

Im Bericht „Perspektiven des öffentlichen Dienstes“ steht es – ich zitiere –: „Frauen als Zielgruppe für den öffentlichen Dienst nützen. – Der Beirat empfiehlt: In allen Berei­chen bei der Personalpolitik“ – auch in Führungspositionen – „auf Vielfalt zu achten und dabei insbesondere eine angemessene Berücksichtigung von Frauen anzustre­ben. Dafür werden angemessene, verpflichtende Quotenregelungen explizit empfoh­len.“ – Zitat Ende.

Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass es sehr wichtig ist, dass der öffentli­che Dienst gerade in diesem Bereich Vorreiter ist. Ich glaube auch, dass Quoten notwendig sind, und zwar so lange, bis es zu einem gerechten Geschlechterverhältnis kommt.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 25

Der Vorschlag unserer Frau Bundesministerin – und dafür möchte ich mich bei dir be­sonders bedanken! –, eine 50-prozentige Frauenquote im öffentlichen Dienst einzufüh­ren, ist richtungsweisend.

Was heißt das: 50-prozentige Quote? – Mit einer 50-prozentigen Frauenquote soll si­chergestellt werden, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben, und die Statistik besagt, dass dort, wo Frauen und Männer im gleichen Ausmaß arbeiten, wirt­schaftlicher Erfolg vorhanden ist. Im Hinblick darauf glaube ich, dass unser Österreich das ganz einfach nützen muss!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der öffentliche Dienst ist auch ein attraktiver Arbeitge­ber. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Einkommensunterschied zwischen Män­nern und Frauen im öffentlichen Dienst nicht so groß ist wie in der Privatwirtschaft. Ich möchte darauf hinweisen, dass es attraktive Arbeitsbedingungen gibt, dass es familien- und karrierefreundliche Arbeitsmodelle gibt – das hat unsere Frau Ministerin schon erwähnt – und dass es im öffentlichen Dienst keine starren, sondern flexible Karriere-Arbeitsmodelle gibt.

Ich möchte auf etwas hinweisen, was im öffentlichen Dienst ein voller Erfolg ist, näm­lich auf die Einführung des „Papa-Monats“. Das ist ein Erfolg: Bis dato haben bereits 105 Väter diesen „Papa-Monat“ genützt. 105 Väter im öffentlichen Dienst haben sich entschlossen, nach der Geburt unbezahlten Urlaub zu nehmen. – Stellt euch einmal vor, wenn dieser Urlaub bezahlt wäre, wie hoch dann die Motivation wäre!

Es ist aber auch im öffentlichen Dienst noch nicht alles in Ordnung. Faktum ist aber, dass der Frauenanteil höher ist als in der Privatwirtschaft, und Faktum ist, dass es at­traktive Arbeitsbedingungen und karrierefreundliche und familienfreundliche Arbeitsmo­delle gibt.

Liebe Frau Ministerin, ich möchte mich bei dir recht herzlich für deine Kraft, für deinen Einsatz und deine Mühe bedanken. Du hast viel erreicht, und ich weiß, dass du noch viel erreichen wirst! Du bist die richtige Frau am richtigen Platz!

Drage kolegice! Dragi kolegi! Delež žensk v javni upravi mora biti smernica za privatno gospodastvo. – Danke. Hvala. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

10.07


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Zwazl. – Bitte.

 


10.07.23

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Frau Präsident! Frau Bundesmi­nister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als Wirtschaftsvertreterin freue ich mich über die Entwicklung in unserer Verwaltung.

Vieles ist abseits großer Reformdiskussionen geschehen, und es ist etwas spürbar, was selten niedergeschrieben wird: In vielen öffentlichen Einrichtungen gab es in den letzten Jahren in der Service- und Beratungsqualität enorme Fortschritte.

Viele Einrichtungen können mittlerweile ohne Weiteres auch mit der Privatwirtschaft mithalten. Ich denke etwa an unsere Gemeindeämter, an die Bezirkshauptmannschaf­ten oder an die Finanzämter. Viele unserer Beamten und Vertragsbediensteten haben schon längst einen Wandel vom Verwalter zum Gestalter vollzogen. Und jede weitere Maßnahme – wie die geplante Dienstrechtsnovelle – geht in die richtige Richtung, nämlich in Richtung noch mehr Praxisbezug und Serviceorientierung. Dazu gratuliere ich, und dafür bedanke ich mich.

Die Politik, werte Kolleginnen und Kollegen, hat es in der Hand, die entsprechenden Voraussetzungen für eine sparsame und effiziente Verwaltung zu schaffen. Ich erin-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 26

nere nur an unsere Gesetzesinitiative hier im Bundesrat, womit wir es Gemeinden er­möglichen, noch stärker zusammenzuarbeiten und sich auch im hoheitlichen Bereich zu Gemeindeverbänden zusammenzuschließen. Darüber hinaus können durch diese Initiativen auch Bezirksverwaltungsbehörden sprengelübergreifend kooperieren und gut zusammenarbeiten. Gerade diese bundesländerübergreifende Zusammenarbeit im hoheitlichen Bereich bringt wesentliche Einsparungen.

Wir in der Wirtschaft sehen darüber hinaus noch interessante Möglichkeiten, noch effi­zienter zu arbeiten. Wir sollten immer dafür offen sein, dass manche Leistungen ge­nauso gut und vielleicht noch günstiger von der Privatwirtschaft erbracht werden kön­nen. Es ist mir natürlich bewusst, dass das eine sehr sensible Materie ist und dass eine Umsetzung nur in kleinen Schritten möglich ist. Aber wir sollten nicht verabsäumen – und darum bitte ich –, diese Schritte auch zu setzen.

Ich erinnere aber auch an die jüngste Landeshauptleutekonferenz, in der wiederum ein wichtiger Schritt zur Verwaltungsvereinfachung gesetzt wurde: Künftig sollen neun Lan­desverwaltungsgerichte und zwei Bundesverwaltungsgerichte als Berufungsinstanz in sämtlichen Bereichen der mittelbaren Bundesverwaltung und Landesverwaltung zu­ständig sein. Damit werden rund 120 Behördenzuständigkeiten abgelöst.

Darüber hinaus haben die Bundesländer dem Bund 350 Vorschläge gemacht, wo zwi­schen Bund und Ländern Hürden und Doppelgleisigkeiten in der Verwaltung abgebaut werden können. Es werden auch heiße Themen wie Schulverwaltung und Gesund­heitsreform aktiv angesprochen.

Ich denke, ein wesentlicher Motor für die Verwaltungsvereinfachung war und ist die In­formationstechnologie, konkret die Möglichkeit der elektronischen Verwaltung. In die­sem Bereich liegen wir als Österreicher seit 2006 an der Spitze in Europa: Von der elektronischen Gewerbeanmeldung über die Steuererklärung bis zur öffentlichen Be­schaffung ist alles auf elektronischem Weg möglich.

Wir von der Wirtschaftskammer sind zum Beispiel bei der elektronischen Gewerbean­meldung mit eingebunden. Wir nehmen im Jahr an die 16 000 Gründungsberatungen vor. Davon machen sich 6 000 jedes Jahr selbstständig, und die betreffenden Perso­nen haben dann die Möglichkeit, das Gewerbe direkt anzumelden. Die Daten werden am gleichen Tag an die Bezirksverwaltungsbehörde weitergeleitet, und in der Mehrzahl ist damit die Anmeldung zur Selbstständigkeit abgeschlossen. – Ich denke, einfacher geht es wirklich nicht!

Zum Schluss muss ich noch etwas sagen, was mir besonders wichtig ist: Verwaltung und Bürokratie haben mehrere Gesichter. Alles, was wir an öffentlicher Verwaltung ein­sparen, ist natürlich sinnvoll und begrüßenswert! Aber wir müssen noch viel achtsamer sein, weil der Verwaltungsaufwand, der durch die Gesetze für unsere Unternehmen verursacht wird, sich einfach auf unsere Wettbewerbsfähigkeit auswirkt. Das berühmte Wort „Entbürokratisierung“ heißt für mich, dass ein bestimmter bürokratischer Aufwand nicht mehr anfällt. Das darf aber nicht bedeuten, dass der bürokratische Aufwand aus­gelagert wird und wir in der Wirtschaft das dann zu erledigen haben!

Wir leben in einer Zeit, in der immer neue und weitere Dokumentations- und Verwal­tungsvorschriften erlassen werden, und für jedes Thema – und das ist für uns in der Wirtschaft wirklich furchtbar! – wird ein neuer Beauftragter erfunden. Das belastet gera­de unsere klein- und mittelständischen Unternehmen. Hier erwarte ich mir in Zukunft mehr Verständnis und Zurückhaltung, beziehungsweise bitte ich darum!

Ich möchte mich aber bei dir, Frau Bundesminister, recht herzlich für den positiven Be­richt bedanken und freue mich über zukünftige Initiativen in diese Richtung! – Danke schön. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ.)

10.13



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 27

Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Mühlwerth. – Bitte.

 


10.13.21

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war bisher wirklich eine sehr interessante Diskussion. Meine koalitionären Vorredner (Bundesrätin Blatnik: Vorrednerinnen!) haben im Wesentlichen, wenn man von ein paar kritischen Anmer­kungen absieht, den öffentlichen Dienst gelobt und ihm ein gutes Zeugnis ausgestellt. Selbst die Wirtschaftskammer hat dem öffentlichen Dienst Rosen gestreut. (Bundesrat Boden: Sie werden doch das gute Klima jetzt nicht zerstören wollen!) Es sind aller­dings am Ende, um das Ganze ein wenig abzumildern, auch ein paar kritische Anmer­kungen von Ihrer Seite gekommen.

Ich frage mich jetzt aber schon: Wozu brauchen wir eigentlich diesen Bericht? Ich habe diesen durchaus wohlwollend gelesen, wenn man aber in diesen Bericht hineinliest, dann findet man darin auch sehr viele Selbstverständlichkeiten, im Hinblick auf welche man sich fragen kann, wieso das eigentlich nicht schon längst umgesetzt worden ist. (Bundesrat Boden: Diesbezüglich hat Frauenminister Haupt alles versäumt!)

Ich möchte nur wenige Beispiele nennen, etwa die Schaffung einer internen Personal­agentur, die unter Leitung des Bundeskanzleramts darauf achtet, dass ressortübergrei­fende Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen vorgenommen werden. Damit soll ein bundesinterner Stellenmarkt geschaffen werden. Es soll eine stärkere Nutzung internationaler Arbeitsmärkte und eine Verlagerung der Wertschöpfungskette geben, wobei Lohndumping aktiv entgegengewirkt werden muss. – Aha! Das sollte eigentlich ganz normal sein! Dazu brauchen wir wirklich keinen Beirat.

In einigen schlecht bezahlten Branchen, über die heute schon gesprochen wurde – und das sind fast immer nur Branchen, in denen mehrheitlich Frauen arbeiten, und leider sind das genau diese Bereiche, in denen Qualität sehr wichtig für unsere Gesellschaft ist, denken wir etwa an die Kindergartenpädagogen, an die Krankenpfleger und an die Lehrer –, wird allenfalls, wie hier richtigerweise zitiert wird, das Gehalt ein bisschen an­gehoben, aber eben nur ein bisschen.

Es ist da beispielsweise auch die Rede von einer Erhöhung der zeitlichen und örtlichen Flexibilität im Personaleinsatz, etwa durch Teleworking. – Nona! Wenn man das liest, könnte man meinen, dass diese Entwicklung am Ministerium und am öffentlichen Dienst bislang völlig vorbeigegangen ist. Man tut geradezu so, als ob man das Rad so­eben neu erfunden hätte.

Weiters wird die Einrichtung von verpflichtenden Personalentwicklungskonzepten in al­len Bereichen des öffentlichen Dienstes, in denen die Mindestanforderungen wie etwa MitarbeiterInnengespräche, Qualifizierungs- und Fortbildungspläne sowie Organisa­tionsentwicklungsmaßnahmen definiert sind, erwähnt. – Bitte schön: Wo leben Sie? Wir leben im Jahr 2011. All das sind alte Hüte, die in der Privatwirtschaft – diesen Ver­gleich muss man ziehen – längst bekannt sind, und es stünde dem öffentlichen Dienst seit Jahren gut an, wenn er sich dieser Maßnahmen bedient hätte.

Auch das Lehrerdienstrecht wurde heute schon erwähnt. Es wird jetzt schon seit fünf Jahren darüber gesprochen. Jahr für Jahr wurde angekündigt, dass es jetzt bald kommen soll, Jahr für Jahr wurde das aber wieder verschoben. Ich höre heute wieder, dass es quasi auf Schiene ist und eh demnächst kommen wird. – Na ja! Dann warten wir halt einmal, wann es jetzt wirklich kommen wird.

Ich gehöre nicht zu jenen, die jetzt auf den öffentlichen Dienst hinhauen, weil ich den öffentlichen Dienst für eine wichtige Säule in unserem Staat halte und auch der Mei­nung bin, dass diejenigen, die im öffentlichen Dienst tätig sind – vor allem jene, die in


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sensiblen Bereichen wie der öffentliche Sicherheit arbeiten, wo sie oft genug Leib und Leben einsetzen, um für unsere Sicherheit zu sorgen, sowie die Krankenpfleger, die Kindergartenpädagogen, die Lehrer oder die Vertreter des Bundesheeres –, es ver­dient haben, ordentlich bezahlt zu werden. Sie sollen meiner Meinung nach aber auch unter guten Bedingungen arbeiten können, was ja nicht immer der Fall ist. All das ist erst in Entwicklung und noch nicht auf Schiene.

Sie haben heute gesagt, dass es natürlich eine flachere Gehaltskurve geben sollte. Auch das ist ein Thema, über das wir seit Jahren reden. Was hören wir dann immer? – Dafür ist kein Geld da. Im Hinblick darauf müssen Sie sich sagen lassen: Österreich ist jederzeit bereit, nach Griechenland Geld, und sei es nur in Form von Haftungen, zu transferieren, und zwar sehr wohl in dem Bewusstsein, dass das auch schlagend wer­den könnte. Zu den eigenen Leuten, die das im Fall des Falles dann über ihre Steuern zu zahlen haben, sagt man jedoch: Für euch haben wir leider kein Geld. Das wird auf Dauer nicht haltbar sein. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich erwähne aber auch – und das ist uns besonders wichtig –, dass man bei einem ein­heitlichen Dienstrecht, das durchaus richtig ist, sehr wohl auch die einzelnen Segmente entsprechend berücksichtigen muss. Es findet nämlich ein Polizist oder jemand, der seitens des Bundesheers eingesetzt wird, der irgendwann einmal in einen Konflikt hi­neingezogen werden könnte – wir haben das Anfang der neunziger Jahre im Zusam­menhang mit dem Jugoslawienkrieg schon erlebt –, einfach andere Bedingungen vor als jemand, der am Schreibtisch sitzt.

Auch ein Lehrer, der in einem Ballungsgebiet in der Hauptschule unter Umständen 90 Prozent Schüler unterrichtet, die der deutschen Sprache kaum oder gar nicht mäch­tig sind – und von den Erziehungsproblemen wollen wir jetzt gar nicht reden! –, arbeitet einfach unter schwierigeren Bedingungen als jemand, der einen Schreibtischjob hat. Es gibt da ganz unterschiedliche Anforderungen, und wir sind der Meinung, dass das im Dienstrecht natürlich auch berücksichtigt werden muss. Auch darauf warten wir.

Tatsache ist aber, dass wir unsere Beamten und Vertragsbediensteten, also alle, die im öffentlichen Dienst sind, wertschätzen müssen. Das sollten wir sie auch wissen las­sen, und zwar nicht nur über die Bezahlung und über geeignete Arbeitsbedingungen, sondern auch dadurch, dass man das ausspricht, denn sonst läuft man Gefahr, dass man irgendwann einmal trotz all dieser Empfehlungen nur eine Negativauslese vorfin­det, und ich glaube, das wollen wir nicht. (Beifall bei der FPÖ.)

10.19


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Die Frau Bundesministerin hat auf eine ab­schließende Stellungnahme verzichtet.

Die Aktuelle Stunde ist beendet. – Danke schön. (Allgemeiner Beifall.)

Ich begrüße nun Frau Bundesministerin Doris Bures hier bei uns im Bundesrat. – Herz­lich willkommen! (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

10.20.17Einlauf und Zuweisungen

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Hinsichtlich jenes Verhandlungsgegenstandes, der gemäß Artikel 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungsrecht des Bundesrates unter­liegt,

beziehungsweise jenes Schreibens der Bundesministerin für Finanzen gemäß Arti­kel 50 Abs. 5 B-VG betreffend die Aufnahme von Verhandlungen für ein Abkommen mit der Republik Panama zur Vermeidung der Doppelbesteuerung

und der Mitteilungen des Ministerratsdienstes des Bundeskanzleramtes betreffend den Aufenthalt des Bundesministers für Landesverteidigung und Sport Mag. Norbert Dara-


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bos am 3. und 4. November 2011 in Slowenien beziehungsweise am heutigen Tag in Serbien und dessen Vertretung durch die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures

sowie den Aufenthalt des Bundesministers für europäische und internationale Angele­genheiten Vizekanzler Dr. Michael Spindelegger vom 28. Oktober bis 5. November 2011 innerhalb eines EU-Mitgliedstaates

verweise ich auf die im Sitzungssaal verteilten Mitteilungen gemäß § 41 Abs. 1 der Ge­schäftsordnung des Bundesrates, die dem Stenographischen Protokoll dieser Sitzung angeschlossen werden.

Die schriftlichen Mitteilungen haben folgenden Wortlaut:

Schreiben der Bundesministerin für Finanzen gemäß Art. 50 Abs. 5 B-VG:

„Dr. Maria Fekter                                                                                                Bundesministerium für

Finanzministerin                                                                                                                             Finanzen

Frau Präsidentin des Bundesrates

Mag. Susanne Neuwirth

Parlament

1017 Wien                                                                                                   Wien, am 28. Oktober 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Gemäß Artikel 50 Abs. 5 B-VG beehre ich mich Sie davon zu informieren, dass gemäß dem Ministerratsbeschluss der 117. Sitzung des Ministerrates am 19. Oktober 2011 Verhandlungen für ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Panama zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen aufgenommen wurden.

Mit Panama besteht derzeit keine Regelung zur Beseitigung der internationalen Dop­pelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen. Durch den Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens, welches das Wirt­schaftshindernis der doppelten Besteuerung vermeidet, könnte eine wesentliche Grundlage für den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Öster­reich und diesem interessanten Wirtschaftsraum geschaffen werden. Der Aufbau steu­ervertraglicher Beziehungen zu Panama liegt somit auch im Interesse der Förderung des Wirtschaftsstandorts Österreich.

Ich ersuche Sie um entsprechende Kenntnisnahme.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Schreiben des Bundeskanzleramtes betreffend Aufenthalt eines Mitgliedes der Bun­desregierung in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union:

„BUNDESKANZLERAMT ÖSTERREICH

Mag. Stephan LEITNER

MINISTERRATSDIENST

An die

Präsidentin des Bundesrates

Parlament

1017 Wien


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                                                                                                        Geschäftszahl: 350.200/0155-I/4/11

                                                                                                    Sachbearbeiterin: Gabriele MUNSCH

                                                                                              Pers. eMail: gabriele.munsch@bka.gv.at

                                                                                                                                Telefon: 01/531 15/2264

                                                                                                                             Datum: 25. Oktober 2011

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Der Ministerratsdienst des Bundeskanzleramtes teilt mit, dass sich der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Michael SPINDEL­EGGER innerhalb des Zeitraumes vom 28. Oktober bis 5. November 2011 in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union aufhalten wird.

Mit freundlichen Grüßen“

*****

Beschluss des Nationalrates, der gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG nicht dem Mitwirkungs­recht des Bundesrates unterliegt:

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz über die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses für das Jahr 2010 (III-263, III-229 und 1449/NR der Beilagen)

*****

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Eingelangt sind und den zuständigen Aus­schüssen zugewiesen wurden jene Beschlüsse des Nationalrates beziehungsweise je­ne Berichte, die jeweils Gegenstand der heutigen Tagesordnung sind. Die Ausschüsse haben ihre Vorberatungen abgeschlossen und schriftliche Ausschussberichte erstellt.

Absehen von der 24-stündigen Aufliegefrist

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Es ist mir der Vorschlag zugekommen, von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussberichte Abstand zu neh­men.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die mit dem Vorschlag der Ab­standnahme von der 24-stündigen Aufliegefrist der gegenständlichen Ausschussbe­richte einverstanden sind, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhellig­keit.

Der Vorschlag ist mit der nach § 44 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Bundesrates er­forderlichen Zweidrittelmehrheit angenommen.

*****

Ich habe die zuvor genannten Verhandlungsgegenstände auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung gestellt.

Wird zur Tagesordnung das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Behandlung der Tagesordnung

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Aufgrund eines mir zugekommenen Vorschla­ges beabsichtige ich, die Debatte über die Tagesordnungspunkte 2 bis 4, 6 und 7 so­wie 8 bis 10 unter einem zu verhandeln.


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Wird dagegen eine Einwendung erhoben? – Das ist nicht der Fall.

Wir werden daher so vorgehen.

10.22.331. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz sowie das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geändert werden (1389 d.B. und 1450 d.B. sowie 8589/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gehen nun in die Tagesordnung ein und kommen zum 1. Punkt.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Stadler. Bitte um den Bericht.

 


10.22.53

Berichterstatter Werner Stadler: Frau Präsidentin! Geschätzte Frau Ministerin! Ge­schätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Ver­kehr, Innovation und Technologie über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Okto­ber 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Telekommunikationsgesetz 2003, das KommAustria-Gesetz sowie das Verbraucherbehörden-Kooperationsgesetz geän­dert werden.

Der Bericht liegt Ihnen schriftlich vor; daher komme ich gleich zur Antragstellung:

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 3. November 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegen­den Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster gelangt Herr Bundesrat Schreuder zu Wort. – Bitte.

 


10.23.38

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Damen und Herren und neue Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte diese Rede jetzt zum Anlass nehmen, mich kurz vorzu­stellen. Ich bin neu hier und kehre mit großer Neugierde und auch mit großem Engage­ment – wer mich noch aus Wiener Zeiten kennt, wird das wissen – wieder in die Politik zurück. Gleichzeitig komme ich aber mit einer gewissen Skepsis in dieses Gremium.

Ich kann Ihnen Folgendes berichten: Ich bin sehr gut vernetzt mit sehr gut gebildeten, an Politik sehr interessierten Menschen, und als ich diesen Menschen mitgeteilt habe, dass ich in den Bundesrat kommen werde, hatte ich auf interessante, politische Dis­kussionen über meine neue politische Tätigkeit gehofft, musste aber feststellen, dass das Hauptthema der Bundesrat selbst, diese Institution hier ist.

Das fand ich dann bemerkenswert, leben wir doch in einer Zeit, in der wir in gewissem Maße in einer Demokratiekrise leben, in der Menschen nicht mehr politikverdrossen sind, sondern wegen der Politikverdrossenheit verdrossen sind und auch eine große Skepsis gegenüber der Demokratie haben, die von Parteien getragen wird, wie sie in diesem Haus gepflegt wird, und nicht mehr so ganz dieses Gefühl haben, hier reprä­sentiert zu werden, da es mehr um Parteitaktik, mehr um Parteimacht geht und weni­ger um die Anliegen von Bürgern und Bürgerinnen.

Dieses Wissen und diese Skepsis, die mir sozusagen von draußen in dieses Gremium hinein mitgegeben wurden, möchte ich schon auch mitnehmen. Ich finde, wir in diesem Gremium sollten auch sehr ernst nehmen, dass bei vielen Reformvorschlägen, bei vie-


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len Gedanken, wie Demokratie im 21. Jahrhundert funktionieren soll, dieses Gremium sehr wohl in Frage gestellt wird.

Es liegt wahrscheinlich auch an uns selbst, zu überlegen, wie richtige Checks and Ba­lances in der modernen Demokratie und für eine moderne Gesetzgebung ausschauen, welche Kontrollinstrumente wir brauchen, und da kann der Bundesrat sehr viel sein: ein sehr scharfes Instrument oder ein Durchwink-Gremium. Es liegt wohl an uns, was wir dann sind. – Ich wollte diese Bedenken, die mir stark mitgegeben wurden, hier doch äußern, weil ich es für sehr, sehr wichtig halte, dass wir das hier auch einmal diskutieren.

Sehr passend dazu fand ich auch, wenn ich ganz ehrlich bin, Folgendes: Als sozusa­gen Neuer war ich doch überrascht, dass das Thema einer Aktuellen Stunde, welches ein interessantes Thema ist, ...

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Herr Kollege, darf ich Sie bitten, zum Thema zu sprechen! Wir führen hier keine Allerweltsdiskussionen.

 


Bundesrat Marco Schreuder (fortsetzend): Das weiß ich schon, aber ich möchte mich kurz vorstellen, und ich möchte hier schon eines sagen: Draußen wird die Bildungsre­form diskutiert, draußen gibt es ein Volksbegehren, draußen werden Euro-Rettungs­schirme diskutiert und darüber, wie der Euro überlebt (Zwischenruf der Bundesrätin Dr. Winzig), und wir diskutieren die Zukunft der öffentlich Bediensteten. Das ist ein in­teressantes Thema, aber ob es das ist, was den Menschen draußen unter den Nägeln brennt, möchte ich in Frage stellen. – Vielen Dank.

Zum Thema ... (Bundesrat Mag. Klug: Kollege! Ich ..., dass Sie jetzt das erste Mal re­den, aber überstrapazieren Sie es nicht!) – Nein! Wenn Sie das als provokant empfin­den, dass ich so beginne, dann tut es mir leid, aber ich finde, man sollte hier auch eige­ne politischen Statements loswerden dürfen. (Bundesrat Mag. Klug: Nein, aber die Ge­schäftsordnung sollten Sie nicht strapazieren!)

Zum Thema: Wir beschließen hier ein Telekommunikationsgesetz, allerdings nicht mit Zustimmung der Grünen, denn eigentlich dürften wir dieses Thema jetzt, zu diesem Zeitpunkt, gar nicht behandeln. Das heißt, ich dürfte sozusagen gar nicht als Erster zu diesem Thema sprechen, weil es bereits Ende Mai aufgrund von fünf EU-Richtlinien hätte umgesetzt werden sollen – ein Vertragsverletzungsverfahren läuft, das ist auch eine durchaus teure Angelegenheit. Gleichzeitig wurde es dann so schnell gestrickt, dass es eine ausgesprochen kurze Begutachtungsfrist gab, nämlich eine von nur vier Wochen – bei dieser Gesetzesmaterie eine sehr, sehr kurze Frist.

Es gibt auch einiges, das wir an diesem Gesetz kritisieren: Zum einen sind die Band­breiten, Vorgaben, Ideen, Konzepte der Europäischen Union und teilweise auch des Regierungsübereinkommens ambitionierter als es dieses Gesetz ist, und gleichzeitig haben wir, wenn es um Mobilfunkanlagen geht, natürlich immer die große Diskrepanz – die ist jedem Politiker und jeder Politikerin gerade auf lokaler und auf Landesebene be­wusst – zwischen AnrainerInnen-Anliegen und gleichzeitig dem Bedürfnis nach moder­ner Technologie und schnellen Bandbreiten.

Wie wird das gehandhabt? Wo sollen Mobilfunkanlagen stehen? Wie können Anraine­rInnen mitreden? – Das wird aus unserer Sicht nicht klar genug geregelt. Wir wün­schen uns ein unabhängiges Gremium, in dem auch Anrainerinnen und Anrainer ihre Bedenken und Anliegen kundtun können.

Was wir auch kritisieren, ist, dass es beim Mobilfunk-Kataster keine Transparenz gibt, und zwar nach wie vor nicht – das wünschen wir uns nach wie vor; deswegen findet dieses Gesetz auch nicht unsere Zustimmung –, und nach wie vor gibt es hohe Hürden für kleine Anbieter. Das ist vor allem für Menschen auf dem Land ein Problem, bei klei­nen Anbietern, kleinen Providern ist das ein großes Problem.


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Ich möchte noch auf zwei Aspekte eingehen, die mir aus KonsumentInnenschutzgrün­den sehr wichtig sind und die aus unserer Sicht, auch wenn es einige Punkte gibt, die jetzt im Gesetz geregelt sind, was wir auch gut finden, fehlen. Wir alle sind wahrschein­lich selbst schon einmal Opfer von sogenannten Cold Calls geworden, das heißt von unerwünschten Anrufen, wo dann Marketing betrieben wird, obwohl man diesen Anruf gar nicht wollte. Das passiert sehr oft: Ich werde sicher zwei-, dreimal in der Woche an­gerufen. (Zwischenruf bei der ÖVP.) – Also ich weiß nicht: Im Wiener Landtag ist es üblich, bei einer Erstrede nicht zwischenzurufen. Sie dürfen aber gerne. (Bundesrat Perhab: Für die Erlaubnis danke!) – Nein, ich finde, das ist eine Frage des Respekts.

Betreffend Cold Calls sind wir der Meinung, dass da viel schärfere Maßnahmen für Opfer von Cold Calls getroffen werden müssten.

Ein weiteres Dauerärgernis sind die Wartezeiten in Warteschleifen bei kostenpflichti­gen Telefonnummern. Da hat Deutschland gezeigt, wie es geht: Wenn man in der War­teschleife hängt, sollten zusätzliche Mehrwertgebühren nicht anfallen dürfen, sondern erst in dem Augenblick, in dem man verbunden ist. Das fordern wir weiterhin, auch in einem Kommunikationsgesetz, und deswegen können wir leider nicht zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

10.29


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster gelangt Herr Bundesrat Lampel zu Wort. – Bitte.

 


10.30.48

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ge­schätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Ich möchte vorweg kurz zwei Anmerkungen betreffend das anbringen, was mein Vorredner gesagt hat. Erstens: Es liegt an uns, was wir aus dem Bundesrat machen. Und zwei­tens: Wir haben – und ich bin noch nicht lange im Bundesrat, nur knapp über ein Jahr – inzwischen schon zwei Gesetze eingebracht. Also es bewegt sich schon etwas im Bun­desrat, und das liegt auch an den Präsidenten. Und beide Präsidenten, die ich erlebt habe, haben auch marketingmäßig sehr gut für den Bundesrat gearbeitet. Also es
liegt an uns, was wir daraus machen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesra­tes Zangerl.)

Aber nun zum Thema Telekommunikationsgesetz, zu dieser Gesetzesnovelle. Es ist schon sehr interessant, wie manche mit dieser Novelle umgehen. Wir stehen ja für neue Technologien, wir wollen auch diese neuen Technologien. Natürlich bieten uns neue Technologien große Chancen, sie haben aber natürlich auch Risiken. Und diese Risiken müssen wir, vor allem im Bereich des Konsumentenschutzgesetzes, entspre­chend minimieren. Dazu brauchen wir entsprechende Schutzmaßnahmen, wie eben diese Novelle zum Telekommunikationsgesetz.

Geschätzte Damen und Herren, mit der vorliegenden Novelle werden einerseits die Vorgaben der EU aus dem Telekom-Reformpaket umgesetzt, wodurch auch der Wett­bewerb gestärkt wird, und andererseits auch die Investitionen für die Telekombranche durch Risikoverminderung entsprechend verbessert. Was auf der anderen Seite auch umgesetzt wird – und das ist mir besonders wichtig –, ist, dass die Konsumenten­schutzrechte vor allem im Bereich der Mobiltelefonie wesentlich verbessert werden. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

Der rasante Aufwärtstrend der Mobiltelefonie hat dazu geführt, dass auch die Zahl der Beschwerdefälle bei der Streitschlichtungsstelle, wie im Streitschlichtungsbericht 2010 nachzulesen ist, massiv zugenommen hat, und zwar vor allem im Bereich der hohen Rechnungen für Datendienste. Dabei zeigen Erfahrungen auch, dass für Nutzer beim


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Abschluss von Handyverträgen zwei wesentliche Merkmale im Vordergrund stehen: erstens ein topmodernes, multifunktionales Handy und zweitens ein günstiger Preis.

Leider wird den Entgeltbestimmungen, der Vertragsdauer und den Allgemeinen Ge­schäftsbedingungen nicht das Augenmerk geschenkt, das notwendig wäre, um unlieb­same Überraschungen, vor allem bei der Nutzung von mobilen Datendiensten, zu ver­meiden – wobei natürlich sicherlich auch die Werbung der Anbieter mit zahlreichen Zu­ckerln für derartige mobile Geräte noch zusätzlich verwirrend sein kann. Als für die Nutzer erschwerend kommen natürlich noch umfangreiche, juristisch detailreiche Ver­träge dazu sowie die technische Komplexität der Geräte und Dienste.

Ich möchte dazu ein Beispiel, einen Auszug aus dem Internetforum für überhöhte Han­dyrechnungen, bringen. Da steht Folgendes:

„Da die Bedienung des Handys für mich als fast 65-Jährigen in der Handhabung sehr kompliziert war, habe ich versucht, mich erst einmal mit dem Handy vertraut zu ma­chen. Ich habe einen Herzinfarkt hinter mir und benötige das Handy nur, um Kontakt mit meiner Ehefrau aufzunehmen oder um Hilfe herbeizurufen, falls ich bei meinen täg­lichen Spaziergängen nochmals Probleme mit meinem Herzen bekommen sollte. Für das (...) aufwendige Handy entschied ich mich wegen der eingebauten 5-Megapixel-Kamera, weil ich während meinen Spaziergängen leidenschaftlich gerne auch fotogra­fiere.

Nach einer Woche merkte ich, dass mir der Zugang zum Handy gesperrt war. Ich nahm (...) Kontakt mit“ dem Mobilbetreiber „auf. Dabei wurde mir mitgeteilt, dass mein Handyzugang gesperrt worden sei, weil ich bereits schon einen Datentransfer von“ mehr als 8 000 € „hätte. (...) Diesen Datentransfer kann ich mir als Laie und Handyneu­ling nicht erklären. Es kann nur so sein, dass ich in meiner Unwissenheit irgend einen Button angeklickt habe, der diesen Datentransfer verursacht haben könnte. Auf jeden Fall ist es so, dass ich mir keinen wirtschaftlichen Vorteil verschafft habe. Die Daten wurden von mir in keinster Weise genutzt. Ich ging vielmehr davon aus, dass man In­ternet oder GPRS per Handy nur nutzen könnte, wenn man hierzu vorher eine Zu­gangsberechtigung bekommen hätte. (...) Dem war aber, wie ich hinterher erst erfahren musste, leider nicht so. Wie schnell ist man somit in eine ,Kostenfalle‘ geraten, die Not und Unglück über eine Familie bringen kann.“

Eine zweite Aussage, die im Internet unter „help.orf.at“ zu lesen ist:

„Bei einem 12-Gigabyte-Datentarif für 11,90 Euro pro Monat würden weitere 12 GB rund 3.072 Euro kosten, rechnete RTR-Geschäftsführer“ – also der Geschäftsführer der Telekom-Regulierungsbehörde – „Georg Serentschy bei der Präsentation des Streit­schlichtungsberichtes 2010 vor. Dieses Datenvolumen könne man mit Multimedia-An­wendungen schon innerhalb von vier Stunden verbrauchen.“

Daher ist es so, dass immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten in eine Kosten­falle, vor allem bei Verwendung von Smartphones und Nutzung von mobilen Daten­diensten wie zum Beispiel Download von Anwendungen, permanente Mailabfrage und vieles mehr, tappen.

Dies bestätigt auch die Entwicklung der im Jahr 2011 eingebrachten Beschwerdefälle bei der Telekom-Regulierungsbehörde: Von den im ersten Halbjahr 2011 insgesamt eingebrachten 2 556 Beschwerden betreffen bereits 46 Prozent den Bereich Daten­dienst. Da bis jetzt die Mobilfunkanbieter beim mobilen Internet unzureichende Schutz­mechanismen gegen hohe Rechnungen haben, bringt diese Novelle nun den Handy­nutzern einen wesentlich verbesserten Schutz. Daher bin ich besonders stolz, dass die Frau Bundesministerin durch diese Novelle mehr Sicherheit und Transparenz für den Kunden ermöglicht.


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Die Telekom-Regulierungsbehörde bekommt nun erstmals die Möglichkeit, die Betrei­ber zu verpflichten, ihren Kunden kostenlos wirksame Kontrollinstrumente zur Verfü­gung zu stellen. Die Kunden bekommen aber auch die Möglichkeit, kostenlos Daten­dienste zu sperren, des Weiteren eine bessere Information und mehr Transparenz bei Vertragsabschluss, eine Begrenzung der anfänglichen Mindestlaufzeit von Verträgen durch die Kürzung von Vertragsbindungen, eine kostenlose Papierrechnung auf Wunsch der Kundinnen und Kunden, denn zu bedenken ist, dass 60 Prozent der Menschen über 60 Jahre keinen Internetzugang haben, und eine Einspruchsfrist gegen die Rech­nung von 3 Monaten.

Kurz gesagt, die vorliegende, sehr umfangreiche Novelle bringt auf der einen Seite eine Stärkung dieser wichtigen Informations- und Kommunikationstechnologie durch den Wettbewerb und durch Investitionsmöglichkeiten, auf der anderen Seite aber auch bessere und weit über die EU-Richtlinie hinausgehende Konsumentenschutzregelun­gen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei der Frau Bundesministerin und ihren Mitarbeiterin­nen und Mitarbeitern für diese Novelle. Meine Partei wird dieser Novelle auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesra-
tes Zangerl.)

10.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Keusch­nigg. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.38.28

Bundesrat Georg Keuschnigg (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Schreu­der, wir wünschen Ihnen für Ihre Tätigkeit hier im Bundesrat sehr viel Erfolg und Glück. Wir sehen mit Interesse Ihrer Arbeit und Ihren Initiativen entgegen, vor allem auch, wenn Sie die Komplexität unserer Situation hier im Bundesrat sagen wir kennengelernt haben. Sie werden hier viele Möglichkeiten vorfinden, auch manche Grenzen vorfin­den, aber wir wünschen viel Erfolg, und wir werden schauen, welche Initiativen Sie hier setzen wollen.

Zur Tagesordnung, zu unserem Gesetz: Wir haben hier ein Gesetz vorliegen, das ei­nen überaus wichtigen Schritt bei der Ausgestaltung und bei der Weiterentwicklung ei­nes immer größer und dominanter werdenden Wirtschaftssektors und sagen wir Basis-Infrastruktursektors darstellt, der sowohl für den Standort, für die Wirtschaftsstandorte, wie auch immer mehr für die Lebensqualität der einzelnen Bürgerinnen und Bürger ent­scheidend ist. Diesem Sektor wird europaweit höchste Aufmerksamkeit gezollt, weil es bei globaler Betrachtung natürlich wettbewerbsentscheidend ist, dass wir einen schlag­kräftigen und schnellen Sektor haben.

Aus diesem Grund ist die Umsetzung des dritten Telekommunikationspaketes, die wir hier in diesem Gesetz in großen Teilen vornehmen, auch so wichtig. Es hat viele Fa­cetten. Es geht einmal um die Ankurbelung der Investitionen an sich, es geht um die Stimulierung der Marktkräfte, es geht um den Schutz der Konsumentinnen und Konsu­menten. Mein Vorredner Kollege Lampel hat das im Detail ausgeführt.

Es geht auch um die Nutzung der bereits getätigten Infrastrukturgrundlagen für die Zu­kunft. Wir haben das in einem Vorläufer des Telekommunikationsgesetzes geregelt, wo es darum geht, dass Grabungsarbeiten, die bereits durchgeführt wurden, von allen Wettbewerbsteilnehmern genützt werden können. Es geht um die gemeinsame Nut­zung bereits getätigter Glasfaser-Breitbandinvestitionen. Sie wissen ja, dass sowohl die Energieversorger, die Bundesbahnen, die ASFINAG, die Telekom selbst als we­sentlicher Wettbewerbsteilnehmer, als auch viele Kabelnetzbetreiber bereits in Infra-


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struktur investiert haben, die es im Sinne der raschen Entwicklung dieses Sektors wei­terhin zu nützen gilt.

Das Gesetz ist, glaube ich, wichtig und gut und ein wichtiger Schritt nach vorne. Ich möchte mich aus dem Grund hier aber auch einigen Fragen widmen, darunter folgen­de: Wie geht diese Telekommunikationspolitik weiter? Was wir noch nicht geschafft ha­ben  da darf ich Sie, Frau Bundesministerin, ersuchen, vielleicht hier auch einige In­formationen zu deponieren , ist zu beantworten, wie es mit diesem riesigen Problem des internationalen Datenroamings weitergeht, welche Fortschritte da auf europäischer Ebene gemacht werden.

Es ist wirklich hemmend und einfach unverständlich für jeden Bürger und jede Bürgerin und der Nutzung dieses Mediums abträglich, wenn da Preise auftauchen, die einfach in keiner Relation zu denen stehen, die bei nationalen Verträgen gemacht werden; und man muss bei jedem Grenzübertritt beim Datenroaming sehr, sehr genau überlegen. Da haben wir eine riesige Baustelle, die im Sinne der gesamteuropäischen Entwicklung einfach abzuschließen ist und wo wir gute Lösungen brauchen.

Die große Herausforderung bei diesem Telekommunikationssektor ist natürlich die Ausrollung der Glasfaser  „Fiber to the Home“  bis zu jedem Haushalt. Wir stehen da vor einer Herausforderung  nicht nur des Bundes, also der Republik, sondern der Eu­ropäischen Union, der Länder, der Gemeinden und auch der Wettbewerbsteilnehmer. Da geht es um ein Investitionsvolumen von geschätzten plus/minus 5 Milliarden €, die wir, so hoffe ich, im Laufe der nächsten fünf bis acht Jahre in Österreich bewältigen werden. Es gibt viele Anstrengungen, es gibt auf europäischer Ebene das Programm für die Finanzperiode 2014 bis 2020, Connecting Europe, mit einem Budgetansatz von 9 Milliarden €, plus gewissen Möglichkeiten in den europäischen Strukturfonds.

Es gibt in der Bundesregierung, da darf ich Sie auch um etwas Information ersuchen, Frau Bundesministerin, eine so ist die Information, die ich bis jetzt erhalten habe Vereinbarung zwischen Ihrem Ministerium und dem Finanzministerium, dass bei der Versteigerung sowohl der digitalen Dividende wie auch weiterer Frequenzblöcke die ersten 250 Millionen € ins Budget gehen. Die zweiten 250 Millionen € sollen für die In­vestition in Glasfasernetze, den Breitbandausbau in Österreich zur Verfügung gestellt werden. Da stellt sich für mich folgende Frage: Natürlich weiß derzeit niemand, was die Versteigerungen dieser Pakete bringen werden, ich hoffe aber sehr, dass der Erlös deutlich über den 250 Milliarden € liegt, damit ein bisschen Geld für weitere Investitio­nen in die Glasfasernetze übrig bleibt.

Vielleicht können Sie uns auch da informieren, was in der Branche geschätzt wird und ob wir damit rechnen können, dass die Bundesregierung nennenswerte Beträge für den Ausbau der Breitband-Glasfaserinfrastruktur hat. Auch die Bundesländer sind ge­fordert, sie sind auch tätig: Einerseits hat man in einzelnen Bundesländern Analysen in Auftrag gegeben, was bereits an Glasfasernetzen besteht, was da ist, wo Lücken be­stehen, die zu schließen sind. Diese Analysen sollen in weiterer Folge in die Umsetz­ung und Erstellung von Masterplänen münden, und selbstverständlich werden da auch budgetäre Forderungen gestellt werden.

Ein Wort noch zur digitalen Dividende: Im Nationalrat ist ja auch über diese Petition, die von Tiroler BürgermeisterInnen und GemeinderätInnen eingebracht worden ist, dis­kutiert worden. Mir ist bei dieser Diskussion ein entscheidender Punkt abhandenge­kommen. Das große Ziel bei der Versteigerung dieser digitalen Dividende ist ja, dass wir die weißen Flecken auf der Breitbandlandkarte in Österreich beseitigen.

Da wird also ganz, ganz wesentlich und der entscheidende Punkt sein, wie die Verstei­gerungsbedingungen ausschauen, nämlich dass die Bestbieter, die die Zuschläge er­halten, dann innerhalb einer bestimmten Frist diese weißen Flecken definitiv beseitigen


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und tatsächlich da investieren, wo sie möglicherweise beim Start weniger Return on Investment haben, wo sie also nicht das schnelle Geld verdienen. Erst, wenn sie diese Flecken beseitigt haben, sollten sie eigentlich dahin gehen können, wo sie alle hinzie­hen, nämlich in die großen Ballungsgebiete, wo sich das investierte Geld schneller rechnet. Da also die Frage: Wie schaut es mit den Versteigerungsauflagen aus, was können wir da unseren Leuten in den Regionen sagen?

In Summe stehen wir in Österreich im Telekommunikationssektor sehr gut da. Wir sind beim mobilen Breitband führend, wir haben auch einen der niedrigsten Tarife, wenn nicht den niedrigsten Tarif in ganz Europa  das ist ein großer Vorteil. Wir haben einen gewissen Nachholbedarf beim netzgebundenen Breitband-Internet und da hoffen wir, dass wir demnächst diesen Nachholprozess beschleunigen und aufholen können und da in die Zukunft investieren.

Das vorliegende Gesetz ist in Ordnung. Es werden weitere Gesetze folgen, die Volks­partei wird zustimmen. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der SPÖ so­wie des Bundesrates Zangerl.)

10.47


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Jenewein. – Bitte, Herr Kollege.

 


10.47.33

Bundesrat Hans-Jörg Jenewein (FPÖ, Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Minister! Ich bin froh darüber, dass Kollege Schreuder hier – abseits der vorhergehenden Wortmeldungen – das Gesetz auch durchaus kritisch be­äugt hat, denn dieses Gesetz ist auch durchaus kritisch zu beäugen. Ich sage es im Voraus, wir werden diesem Gesetz zustimmen, aber es ist ein Minimalkonsens erreicht worden, wo von uns in der endgültigen Beurteilung festgehalten wurde, dass es besser ist, dieses Gesetz mit den derzeitigen Verbesserungen anzunehmen, als es rundweg abzulehnen und damit wiederum keine Verbesserung für die Konsumenten und für die Endkunden zu erreichen.

Aus unserer Sicht gibt es mehrere wirklich problematische Aspekte, die durch dieses Gesetz nicht repariert werden. Das sind auf der einen Seite, und nahezu jeder von uns kennt diese Systeme, die eingebauten GPS-Empfänger in den Smartphones, die, gera­de was den Datenschutz betrifft, große Probleme mit sich bringen. Sehr viele Anbieter entwickeln heute Anwendungen mit Location-Based-Services. Das ist zwar für den Endverbraucher vielleicht ganz praktisch, aber im Endeffekt kann keiner so genau sa­gen, ob diese Koordinaten gespeichert werden, was damit passiert und ob sie weiter­gegeben werden. Das sind zum Beispiel Dinge, die derzeit noch nicht angegangen wurden und wo man in weiterer Folge sicherlich noch Verbesserungen braucht.

Auch – der Vorredner hat es angesprochen – die Roaming-Gebühren sind nach wie vor problematisch, denn es gibt nach wie vor sehr viele Applikationen, Anwendungen, die auch im Ausland bei ausgeschalteter Roamingverbindung Datenverbindungen auf­bauen. Da entstehen ganz einfach zu hohe Kosten, man kann das ja immer wieder nachlesen. Vor kurzem erst hat sich die Arbeiterkammer beschwert beziehungsweise Beschwerden von Endbenutzern veröffentlicht, dass da ganz einfach Lücken im Sys­tem genutzt werden, und es stellt sich manchmal schon auch die Frage, ob die Betrei­berfirmen das nicht durchaus auch ein bisschen goutieren. Man weiß natürlich, solange man diese Lücken nicht schließt, wird am Ende des Tages die zu bezahlende Gebühr höher.

Das gibt es immer wieder, Sie brauchen sich nur die Zeitungen der letzten zwei Wo­chen durchzuschauen. Ich habe das in der Vorbereitung für heute ein bisschen ge­macht. Es vergeht eigentlich kaum ein Tag, bis zum heutigen Tage übrigens, wo nicht irgendwelche Beiträge in dieser Richtung in den verschiedensten Tageszeitungen sind.


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Die „Kronen Zeitung“ von heute berichtet, dass die Arbeiterkammer eigene Handyver­träge für Kinder fordert, weil die Wertkartenhandys diese Probleme, die da teilweise entstehen, auch nicht reparieren können.

Das heißt, die Arbeiterkammer möchte eigene Verträge für Kinder haben, weil es im­mer wieder dazu kommt, dass Kinder, obwohl das Datenvolumen aufgebraucht ist, ob­wohl sie ihr Telefon eigentlich gar nicht mehr nutzen könnten, trotzdem noch SMS schi­cken können, trotzdem noch Dienste in Anspruch nehmen können, die kostenpflichtig sind und am Ende des Monats dann die Telefonrechnung von 500, 600, 700 € oder mehr kommt. Die Eltern sind dann verzweifelt, weil sie der Meinung waren, dass die Kinder dahingehend geschützt sind und sich trotzdem hohe Kosten entwickeln. Das sind zum Beispiel Dinge, auf die das derzeitige Gesetz nicht eingeht. Da müsste man ebenfalls ein bisschen reparieren.

Ein weiterer Punkt – und das betrifft auch nahezu jeden von uns – sind Mehrwertnum­mern, und da meine ich jetzt nicht Mehrwertnummern, die vielleicht nach Mitternacht über diverse private Fernsehanstalten gesendet werden, sondern zum Beispiel Mehr­wertnummern, die Sie brauchen, wenn Sie bei Ihrer Hausbank anrufen  05er-Num­mern zum Beispiel. Wenn Sie 05er-Nummern anrufen, werden die nicht gleich gewertet wie Festnetznummern. Das heißt, wenn Sie dort mit dem Handy anrufen, zahlen Sie einen höheren Betrag. Sie wollen mit Ihrem Bankbetreuer sprechen und zahlen einen höheren Betrag. Auch das wurde in diesem Gesetz nicht berücksichtigt. Das ist natür­lich zu kritisieren, und da muss man sich auch die Frage stellen, warum das so ist.

Das Problem ist ja seit Längerem bekannt, und auch da hat im Übrigen die Arbeiter­kammer  tut mir leid, dass ich sie immer wieder zitieren muss, aber die setzen sich halt mit den Dingen intensiv auseinander, das ist ja kein Fehler  schon vor Monaten gewarnt, dass es da eine Kostenfalle gibt und dass da Abzocke betrieben wird, vor al­lem von Handybetreibern  und passiert ist nichts. Man hätte jetzt die Chance gehabt, das in dem Gesetz auch zu berücksichtigen. Man hätte die Chance gehabt, das im Ge­setz zu reparieren. Das ist leider nicht passiert.

Mein Vorredner ist schon auf die hohe Dichte der Breitbandanbindung, der mobilen Breitbandanbindung in Österreich eingegangen. Es ist richtig, wir haben am Papier eine relativ hohe Breitbandpenetration in Österreich. Das ist wahr. Das schaut aber in der Praxis meistens etwas anders aus, vor allem wenn Sie sich in die Randgebiete be­geben, vor allem wenn Sie sich außerhalb der Ballungszentren bewegen. Dann fällt diese Breitbandverbindung relativ rasch in sich zusammen.

Auch da wird von den Mobilfunkbetreibern entweder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertröstet, oder man sagt, es wird schon irgendwann einmal ausgebaut werden, im Mo­ment ist nichts geplant. Oder, wenn keine Kostendeckung da ist, wird gänzlich darauf verzichtet. Das ist auch eine unbefriedigende Situation, denn wir wissen, dass auf eu­ropäischer Ebene das Ziel gesetzt wurde, bis zum Jahr 2013 eine Breitband-Grundver­sorgung für die Bürger Europas herzustellen. Man spricht für das Jahr 2020 von einer Übertragungsgeschwindigkeit von 30 Megabit pro Sekunde. Davon sind wir weit ent­fernt.

Die Situation hier in der Ostregion muss ich natürlich als Wiener Politiker erwähnen. Wir haben in Wien eine Situation, wo wir beim Glasfaserausbau – und dazu hat sich auch schon der Vorredner geäußert – im Vergleich zum Beispiel zu Prag oder Buda­pest weit hinterher hinken. Dort funktioniert das seit vielen, vielen Jahren, aber dort wurde ja auch der Ausbau schon sehr früh in Angriff genommen. Im Zuge der Recher­che bin ich darauf gekommen, dass die Stadt Wien im Jahr 1999 bereits angekündigt hat, dass in den Wiener Volksschulen 6 500 PC an die Lichtwellenleiter angeschlossen werden. So hat das die Stadt Wien damals offiziell genannt. Da wurde an die Lichtwel­lenleiter angeschlossen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 39

2004 hat der Wiener Bürgermeister Häupl – ist vielleicht auch für Sie interessant, Frau Ministerin, weil Sie kommen ja aus Wien – dann eine Studie angekündigt, und zwar über den Ausbau und den Aufbau eines Wiener Glasfasernetzes. Von der Studie hat man dann nichts weiter gehört. Im Jahr 2007 wurde dann die Firma „blizznet“ gegrün­det. Diese bietet über Wien Energie an, sprich sie ist eine 100 Prozent-Tochter der Stadt Wien. 2010 standen dann 20 000 Lichtwellenleiter oder Glasfaserkabelanschlüs­se in Wien zur Verfügung. Heute sind es 35 000 Haushalte, die das nutzen können. Das ist jetzt nicht gerade berauschend, vor allem wenn man es eben im Vergleich mit anderen europäischen Städten sieht, die mit Wien vergleichbar sind. Da sieht man auch, dass da die Entwicklung der letzten zehn Jahre leider verschlafen wurde.

Aber ich möchte diesem Gesetz auch etwas durchaus Positives abgewinnen, und ich denke auch, dass das der Grund sein wird, warum wir heute dafür stimmen werden  es sei denn, der Kollege Schreuder kommt noch einmal heraus und agitiert ein biss­chen. Vielleicht stimme ich dann auch dagegen. (Zwischenruf des Bundesrates Schreu­der.)  Ja, probieren wir es aus! Vielleicht funktioniert es.

Es ist zum Beispiel so, dass es jetzt wieder verpflichtend Papierrechnungen gibt. Das ist gerade für die ältere Generation wichtig, das ist auch für Betriebe wichtig. Dem muss man durchaus etwas Positives abgewinnen. Auch die Regelung, dass die Ver­tragsdauer 24 Monate nicht überschreiten darf, ist etwas durchaus Positives, dem man etwas abgewinnen kann. Es gibt Verbesserungen bei den Warteschleifen, da gibt es keine Mehrwertgebühr mehr, wenn man in der Warteschleife hängt.

Das sind kleine Schritte, aber ich glaube, dass dieses Gesetz insgesamt ein Schritt in die richtige Richtung ist. Es ist nicht weniger, aber es ist leider auch nicht mehr. – Dan­ke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

10.55


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesminister Dr. Bu­res. – Bitte.

 


10.55.51

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Ohne Doktor! (Vizepräsident Mag. Himmer: Doris Bures wollte ich sagen!) Es hat in der Bun­desregierung schon einmal Verwirrungen mit akademischen Titeln gegeben. So etwas wollte ich nicht auslösen, daher habe ich das jetzt auch noch einmal erwähnt. (Heiter­keit. Bundesrätin Mühlwerth: Wir wissen das!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bedanke mich recht herzlich für die engagierte Diskussion. Daran merkt man, dass die neuen technologischen Entwicklungen, wie die Frage des Mobilfunks und des Internets, nicht nur Sie alle hier im Raum betreffen, sondern an niemandem vorübergehen. Wir sind in unserem täglichen beruflichen Leben und in unserer Freizeit damit konfrontiert.

Umso wichtiger erscheint es mir auch, dass neue technologische Entwicklungen, die einer Gesellschaft auch große Chancen eröffnen und im Bereich des Internets sogar zu Demokratisierungen von ganzen Gesellschaften führen können, auch Risken mit sich bringen und dass es daher die Aufgabe der Politik ist, durch gesetzliche Schutzbe­stimmungen diese Risken so weit wie möglich hintanzuhalten. Das heißt, bei einem rasanten technologischen Fortschritt geht es darum, dass gesetzliche Schutzbestim­mungen nicht hinten nachhinken, sondern dass man versucht, sozusagen bei allen Chancen, die es gibt, auch die Risken einzuschätzen und konkrete Maßnahmen zu setzen.

Bevor ich doch ein paar Punkte zu dieser – meiner Auffassung nach – wichtigen und so positiven Novelle sage, möchte ich natürlich auch auf die Diskussion eingehen. Zum


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 40

Abgeordneten Schreuder: Er ist jetzt draußen, da er die Praxis des Hauses, nämlich nachdem man Fragen gestellt hat, sich auch die Zeit zu nehmen, die Antwort anzu­hören, am ersten Tag wahrscheinlich nicht so gut kennt. Im Übrigen wollte ich ihm na­türlich auch alles Gute wünschen. Ein bisschen bedauere ich es als ehemalige Frauen­ministerin, dass der Anteil der Frauen bei den Grünen natürlich mit dem Wechsel ge­sunken ist. (Heiterkeit und Beifall bei Bundesräten von SPÖ und ÖVP.)

Ich verhehle aber nicht, dass es da ja auch seitens der Grünen eine große Vorbildwir­kung gibt. Aber ich möchte doch mein Bedauern zum Ausdruck bringen. Frau Kollegin, ich würde Sie bitten, ihm zwei Dinge auszurichten: Das eine Problem, das er angespro­chen hat, das Cold Calling, also unerwünschte Werbeanrufe, das ist ein Problem, das haben wir im letzten Bundesrat gelöst. Wir haben ein Verbot von verdeckten Rufnum­mern erlassen. Wir haben das auch mit harten Sanktionen versehen und die Strafaus­maße erhöht. Das ist ein Problem, das es gegeben hat, das aber der Vergangenheit angehört. Für die Zukunft wurde im letzten Bundesrat dafür eine Novelle beschlossen, wofür ich mich bedanke.

Das Zweite, das er in die Diskussion eingebracht hat, ist die Frage dieser Warteschlei­fen, die tatsächlich eine Belästigung für viele Kundinnen und Kunden darstellen. Auf Initiative des BMVIT wurde bei der RTR ein Expertenteam eingerichtet. Mit dem Sozial- und Konsumentenschutzministerium, mit der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer wird gerade an dieser Problemlösung gearbeitet. Ein Umlegen des deutschen Modells ist aufgrund der Nichtvergleichbarkeit gar nicht möglich. Aber wie gesagt, da gibt es eine sehr engagierte Expertenrunde, die da an einer Problemlösung auch ganz konkret arbeitet.

Der dritte Punkt, vielleicht noch ganz kurz: Es gibt kein Vertragsverletzungsverfahren in der Frage der Umsetzung dieser Richtlinie, sondern es hat ein Mahnschreiben gege­ben, das haben 20 andere Mitgliedstaaten auch erhalten.

Ich stehe auch dazu und bin der Auffassung, dass es nicht um die Geschwindigkeit, sondern um die Qualität eines Gesetzes geht. Wenn wir noch Zeit gebraucht haben, um vor allem im Bereich der Konsumentenschutzregelungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher Verbesserungen zu erreichen, dann nehme ich ein Mahnschreiben der Kommission gerne zur Kenntnis, wenn am Ende des Tages – und das wird mit der Beschlussfassung heute hier der Fall sein – etwas Gutes am Tisch liegt, wo wir viele Fallen, die es leider gibt, was Handyrechnungen betrifft, entschärft haben. Auch das wird der Vergangenheit angehören, wenn wir diese Verbesserungen vornehmen.

Was die Diskussion um internationales Daten-Roaming und dessen Gebühren betrifft, ist zu sagen: Die Drittstaatenregelung ist sozusagen außerhalb des EU-Regelungsre­gimes, weil es natürlich zu einer schweren Wettbewerbsverzerrung führen würde, wür­den wir in Österreich dazu verpflichten, mit ausländischen Drittstaaten Kostenregelun­gen oder -dämpfungen vorzunehmen. Das bedeutet, dass viele Handybetreiber als Kundendienstleistung versuchen, mit Drittstaaten Urlaubspakete abzuschließen. Es gibt viele österreichische Mobilfunkbetreiber, die zum Beispiel mit der Türkei bilaterale Abkommen abschließen, was Gebühren betrifft und ihren Kundinnen und Kunden dann entsprechende Pakete anbieten. Aber eine einseitige Regelung ginge zu Lasten der österreichischen Betreiber und wäre daher auch wettbewerbsfeindlich.

Innerhalb der EU hat die Kommission erst jetzt wieder vorgeschlagen, noch stärkere Maßnahmen zu treffen, nicht nur, was Preisregelungen, sondern auch Aspekte darüber hinaus betrifft. Wir werden Mitte Dezember beim nächsten Telekommunikationsrat unter der polnischen Präsidentschaft dieses Thema noch einmal auf der Tagesordnung haben. Da geht es auch noch um Verbesserungen bei den Roaming-Gebühren inner­halb der Europäischen Union.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 41

Zum Thema Frequenzversteigerungen, also zu den Fragen, wie das Auktionsdesign oder das Versteigerungsdesign ausschaut bzw. ob das mit Auflagen verbunden wird oder nicht, ist zu sagen: Da ist es ganz wesentlich, dass die Republik erstens Interesse daran hat, ohne genau zu wissen, wie viele Millionen Euro diese Versteigerung bringen wird, auf der einen Seite einen hohen Ertrag aus diesen Versteigerungen zu lukrieren, auf der anderen Seite aber auch einen hohen volkswirtschaftlichen Nutzen zu haben.

Natürlich geht es uns beim Breitbandausbau darum, dass wir nicht wollen, dass es ei­ne digitale Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Alt und Jung, Arm und Reich oder Stadt und Land gibt, sondern wir wollen diese digitale Kluft, die wir heute noch haben, schließen. Aber das bedeutet auch: Je mehr Auflagen wir in die Versteigerung einbrin­gen, umso geringer wird der mögliche monetäre Ertrag.

Sie haben es erwähnt – der erste Teil stimmt –: 250 Millionen € werden an das Budget überwiesen; leider nicht mit einem Mascherl. Ich hätte es nämlich für sinnvoll gehalten, dieses Geld für den Breitbandausbau zu verwenden. Und wenn es darüber hinaus Ein­nahmen aus diesem Bereich geben wird, so habe ich immer klar gesagt, diese müssen zur Schließung der digitalen Kluft verwendet werden – nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch, was die soziale Kluft betrifft, was Anwendungen, was den Um­gang, den Zugang zu modernen Kommunikationstechnologien betrifft, weil das natür­lich immer entscheidender wird, weil das damit zu tun hat, welche Chancen man hat, an einer Wissensgesellschaft teilzunehmen.

Aber was Stadt und Land, die Frage der gleichen Chancen des Zugangs auch im länd­lichen Raum angeht, so wird es einen intensiven Ausbau und auch Unterstützung sei­tens des BMVIT geben. Ich sehe das, wie gesagt, als eine der ganz wesentlichen Auf­gaben. Ich würde Sie alle darum ersuchen, mich dabei zu unterstützen. Und wenn wir sagen, wir wollen den ländlichen Raum an moderne Kommunikationstechnologien an­schließen, dann hat das auch etwas mit Landwirtschaftsförderung zu tun. Dann kann Landwirtschaftsförderung nicht nur Agrarförderung sein, sondern dann muss man auch andere Aspekte mit einbeziehen, so auch das Ziel, den ländlichen Raum bestmöglich an diese neuen Kommunikationstechnologien anzuschließen.

Daher sozusagen auch mein Appell an den Kollegen Landwirtschaftsminister, diesen Ausbau des Breitbandes und diese Schließung der digitalen Kluft zwischen Stadt und Land mit zu unterstützen.

Ich glaube, so weit bin ich auf die Diskussionspunkte eingegangen, und ich möchte vielleicht abschließend – vieles wurde ja gesagt und zusammengefasst – festhalten: Es handelt sich nicht nur um die Umsetzung einer EU-Telekommunikationsrichtlinie, bei der es vor allem um wettbewerbsrechtliche Fragen gegangen ist, mit der wir wirklich den Wettbewerb stärken und Maßnahmen setzen, um Investitionsrisken zu minimieren, mit der wir auch vorhersehbarere und planbarere Regulierungen vornehmen werden und neuen Marktteilnehmern Chancen geben, damit diese dann den Wettbewerb auch unterstützen. Vielmehr ist es mir auch darum gegangen, gleichzeitig den Verbrauche­rInnenschutz zu stärken.

Und das geht weit über diese EU-Richtlinie hinaus. Das ist keine Vorgabe der EU. Das ist sozusagen eine Entscheidung, die das Hohe Haus getroffen hat, nämlich zu sagen: Wir wollen eine Stärkung der Verbraucherinnen- und Verbraucherrechte.

Sie haben es gesagt: Es geht vor allem um die Kostenfalle – das betrifft auch Kinder –, und um diese Risken so weit wie möglich hintanzuhalten, wird das Gesetz eine Mög­lichkeit bieten, eine freiwillige, individuelle Kostengrenze festzulegen, bei deren Über­schreitung man verständigt wird. Das halte ich für richtig, denn was für den einen eine hohe Telefonrechnung ist, ist es für den anderen nicht. Jeder setzt seine individuelle Höhe der Telefonrechnung fest und hat dann die Möglichkeit, kostenlos, wenn diese


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Grenze erreicht ist, ein Warn-SMS zu bekommen. Das geht so weit, dass wir die Mög­lichkeit schaffen, dass es zu einer Sperre der Handys kommt. Und genau diese Maß­nahme kann dazu führen, dass wir Kinder vor überhöhten Handyrechnungen schützen oder ihnen den verantwortungsvollen Umgang mit dieser Technologie näherbringen. Das sieht die Novelle auch in der Form vor.

Wir werden auch Vertragsbindungen beim Erstabschluss verkürzen. Wir haben weiters lange Diskussionen über die verpflichtende und kostenlose Papierrechnung auf Wunsch der Kundinnen und Kunden geführt. Da haben die Telekom-Betreiber große Bedenken gehabt, aber ich glaube, wenn wir wissen, dass 60 Prozent jener Menschen, die über 60 Jahre alt sind, gar keinen Internetzugang haben und daher gar keine elektronische Rechnung bekommen könnten, dann ist es zu Recht so, dass es einen Rechtsan­spruch auf Wunsch des Kunden oder der Kundin geben muss, eine kostenlose Papier­rechnung zu bekommen.

Es ist noch eine Reihe an kleineren Maßnahmen dabei, aber jedenfalls können wir zu­sammenfassend sagen: Mit dieser Novelle werden wir den Wettbewerb in einer ganz wichtigen Branche, nämlich der IKT-Branche, stärken. Wir werden bessere Konsumen­tInnenschutzregelungen damit umsetzen, die weit über die EU-Richtlinie hinausgehen.

Diese Novelle betreffend bedanke ich mich sehr herzlich für die engagierte Tätigkeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meines Hauses, und bei Ihnen bedanke ich mich nicht nur für die Diskussion, sondern auch schon für die vernommene breite Zustim­mung. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

11.08


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

11.08.382. Punkt

Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2010, vorgelegt von der Bundes­ministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-437-BR/2011 d.B. sowie 8590/BR d.B.)

3. Punkt

Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010 (III-442-BR/2011 d.B. sowie 8591/BR d.B.)

4. Punkt

Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht 2010 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie (III-448-BR/2011 d.B. sowie 8592/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen zu den Punkten 2 bis 4 der Tages­ordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 2 bis 4 ist Herr Bundesrat Beer. Bitte um die Berichte.

 


11.09.18


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 43

Berichterstatter Wolfgang Beer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Sehr geehrte Mitglieder des Bundesrates! Der Bericht des Ausschus­ses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätigkeitsbericht der Bundesan­stalt für Verkehr 2010, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vorla­ge am 3. November 2011 den Antrag, den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Ver­kehr 2010, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technolo­gie, zur Kenntnis zu nehmen.

Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Tätig­keitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010 liegt Ihnen auch in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 3. November 2011 den Antrag, den Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010 zur Kenntnis zu nehmen.

Der Bericht des Ausschusses für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ge­meinwirtschaftlichen Leistungsbericht 2010 der Bundesministerin für Verkehr, Innova­tion und Technologie liegt ebenfalls in schriftlicher Form vor.

Der Ausschuss für Verkehr, Innovation und Technologie stellt nach Beratung der Vor­lage am 3. November 2011 den Antrag, den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbe­richt 2010 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie zur Kenntnis zu nehmen.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Krusche. – Bitte.

 


11.11.16

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Hohes Präsidium! Sehr verehrte Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Wir haben hier drei teilweise doch sehr umfangreiche Berichte im Rahmen einer Debatte abzuhandeln.

Der erste Bericht, von der Bundesanstalt für Verkehr, beschäftigt sich in erster Linie mit dem Unfallgeschehen und der Unfallvermeidung. Positiv dabei hervorzuheben ist die doch recht beachtliche Zahl an Unterwegskontrollen, vorwiegend von auffälligen Lkws. Der prozentuelle Rückgang an Beanstandungen zeigt, dass man sich damit auf dem richtigen Weg befindet.

Bedauerlich ist jedoch die noch immer sehr hohe Zahl von Unfällen auf den ungefähr 6 200 Eisenbahnkreuzungen in Österreich, wobei bemerkenswert ist, dass sich die Zahl von Unfällen auf technisch gesicherten und technisch ungesicherten Kreuzungen ungefähr die Waage hält. Hier müsste wahrscheinlich noch einiges in Ausbildung und Aufklärung der Kraftfahrer über dieses hohe Gefahrenpotential gesteckt werden.

Der zweite Bericht, von der Schienen-Control GmbH, ist ebenfalls durchaus positiv zu bewerten. Er zählt auch sehr genau zahlreiche Qualitätsmängel, vorwiegend im Be­reich der ÖBB, auf und belegt gewisse Korrekturmaßnahmen, beispielsweise wenn die ÖBB Bestandsstrecken ohne Einstellungsverfahren an andere Organisationen veräu­ßern und somit eine Art kalter Stilllegung vornehmen, wie dies in Niederösterreich mit den Privatbahnen der Fall war. (Bundesrat Kainz: ... investiert!)

Der dritte Bericht hat im Wesentlichen den Vertrag zwischen der SCHIGmbH und der ÖBB-Personenverkehr AG zum Inhalt. Dieser sogenannte GWL-Vertrag deckt sowohl


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 44

Nah- als auch Fernverkehrsleistungen ab. Dabei sind offensichtlich wesentliche juristi­sche Anstrengungen vonnöten, um nicht dem Öffentlichen Personennah- und Regio­nalverkehrsgesetz zu widersprechen.

In diesem Vertrag, der in diesem Bericht dokumentiert ist, sind sämtliche vom Bund zu erbringenden finanziellen Leistungen explizit aufgelistet. Wenn also seitens der ÖBB beteuert wird, auf ihren Strecken wirtschaftlich selbständig zu agieren, wie dies bei der Diskussion über die Einstellung der IC-Verbindungen von Graz nach Linz und Salz­burg – darauf werde ich noch näher eingehen – argumentiert wird, so ist das falsch, denn sie sind gar nicht im Vertrag enthalten und werden daher offensichtlich vonseiten des Ministeriums nicht als notwendig erachtet.

Es wurde auch im gestrigen Ausschuss nach längerem Nachfragen bestätigt, dass sei­tens des Bundes nur die ab dem kommenden Dezember geplanten Kaputtsparfrequen­zen bestellt werden.

Ausgenommen sind auch die Westbahn, die Nordbahn und die Brenner-Achse. Was ist das für ein Zufall! Auf der Westbahn nimmt in Kürze private Konkurrenz den Betrieb auf, die dann im Sinne des Diskriminierungsverbotes ebenfalls GWL-Zuwendungen er­halten müsste; am Brenner sowieso, da preisen ÖBB und Deutsche Bundesbahn die Vorteile der Liberalisierung.

Im Wesentlichen wird also der alte Bestandsfahrplan auf die nächsten zehn Jahre fest­geschrieben, mit all seinen Schwächen und vor allem ohne die gerade für uns Steirer so wichtigen Fernverbindungen. Dieser Vertrag scheint eine überhastete und mutlose Manifestierung eines untauglichen Fleckerlteppichs zu sein.

Bei mir hat dann ein Brief von den ÖBB, den ich vor einem Monat erhalten habe, das Fass zum Überlaufen gebracht. Da heißt es:

Sehr geehrter Herr Bundesrat Krusche! Hochleistungsfähige Strecken, ein landeswei­ter, integrierter Taktfahrplan und die stärkere Verlagerung des Lkw-Verkehrs auf die Schiene – das ist unsere Vision eines effizienten und leistungsfähigen Eisenbahnnet­zes für Österreich im 21. Jahrhundert. Verwirklichen wollen wir diese Vision durch mo­derne und schnelle Strecken, kürzere Fahrzeiten, mehr Angebote im Reiseverkehr, Umsteigen ohne Wartezeiten, bessere Verbindungen von Bahn und Bus, und so wei­ter. – Zitatende.

Das Ganze in Begleitung einer Werbebroschüre ist, muss ich ganz ehrlich sagen, für jeden Steirer, und besonders für einen Obersteirer, als blanker Hohn zu empfinden! Ab Dezember wird ein Viertel aller Fernverkehrszüge von und nach Graz eingestellt. Graz – Salzburg: drei von sechs Zügen werden gestrichen, Graz – Innsbruck: eine Ver­bindung von einer wird gestrichen, Graz – Marburg: vier von sechs Zügen werden ge­strichen.

Frau Bundesminister! Eigenwirtschaftlichkeit kann nicht bedeuten, dass jeder einzelne Zug Gewinn abwerfen muss, zumal die Argumentation der ÖBB mehr als fadenschei­nig ist: 132 Personen, davon 100 mit dem Auto, also nur 32 mit der Bahn, würden täg­lich von Graz nach Salzburg reisen. – Diese Zahlen sind weder nachvollziehbar noch richtig. Tatsache ist vielmehr, dass auf der Gesamtstrecke nie weniger als 200 Perso­nen unterwegs sind, und bei dieser dubiosen Zählung wurden nur jene Personen be­rücksichtigt, die sich am Schalter eine Fahrkarte kauften. Kauf am Automaten, Netzkar­ten, Internet- und Handybuchungen wurden einfach unter den Tisch fallen gelassen. Das ist hochgradig unseriös als Argumentation für eine Einstellung! (Beifall bei der FPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Frau Bundesminister! Lassen Sie die ÖBB endlich richtige Zahlen erheben und auf den Tisch legen, bevor Sie solche Streichungen widerspruchslos tolerieren! Und selbstver-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 45

ständlich müssen dann auch Reisende mit Anschlüssen nach Linz, in das Salzkam­mergut und so weiter berücksichtigt werden.

Gänzlich verschwiegen werden dabei auch jene, die beispielsweise von Graz nach Leoben, Liezen, Schladming, Bischofshofen oder dazwischen fahren.

Meine Erregung als Abgeordneter dieser Region basiert wirklich auf dramatischen Ver­schlechterungen. Von Liezen und Schladming kommt man nur mehr dreimal täglich di­rekt nach Graz. Von Graz nach Leoben entfallen werktags ein Drittel, sonn- und feier­tags die Hälfte aller IC-Verbindungen. Von Bad Aussee muss man zukünftig dreimal umsteigen, bei einer Fahrzeitverlängerung von 2 Stunden 39 Minuten auf 4 Stunden 30 beziehungsweise 4 Stunden 49 Minuten.

Und in einem Interview vom vergangenen Samstag in der „Kleinen Zeitung“, Frau Bun­desminister, sagen Sie: „Laut OECD sind die entscheidenden Faktoren für qualifizier­tes Wachstum und Beschäftigung Investitionen in Forschung und Verkehrsinfrastruktur.“

Sie unterstützen genau das Gegenteil mit dieser Streichorgie, die Sie hier vornehmen! (Der Redner stellt eine Tafel vor sich auf das Rednerpult. – Bundesrat Mayer: Super-Tafel!) Sie unterstützen damit Arbeitsplatzverlust in einer Region, die ohnehin schon von Abwanderung geplagt war. Leoben konnte diesen Trend mittlerweile durch große Anstrengungen stoppen, aber als Sitz internationaler Unternehmen wie Gösser, der Voest, RHI und Sandvik, um nur einige zu nennen, und vor allem der Montanuniversität Leoben mit nunmehr gut 3 300 Hörern – einem neuen Höchststand –, ist man auf eine gute Verkehrsinfrastruktur angewiesen.

Neben der Standortqualität für die Industrie wird auch vielen Gemeinden, die vom Tou­rismus leben, diese Basis entzogen.

Die Tatsache, dass nun der viel zu schwerfällige Railjet auf dieser Strecke von Wien nach Graz fährt, ist kein Ersatz für unsere Region. Semmering- und Koralm-Tunnel werden irgendwann einmal fertig sein, vielleicht in zehn Jahren, wobei ich dazu sagen möchte, ich bekenne mich zu diesen Projekten, aber für die Obersteiermark bedeutet die Fortsetzung dieser Politik, endgültig aufs Abstellgleis geschoben zu werden.

Das von Ihnen tolerierte Beharrungsvermögen der ÖBB, die immer nur weiß, warum etwas nicht geht, und nie konstruktive Vorschläge aufgreift, ist indiskutabel. Es liegen genügend, nicht einmal sehr kostenintensive Vorschläge auf dem Tisch: stufenweiser Ausbau zuerst mit einem 2-Stundentakt und mit Teilungen der Züge in Selzthal nach Salzburg beziehungsweise nach Linz, in der Gegenrichtung Vereinigung, stündliche Verbindungen in einem weiteren Schritt nach Salzburg und Linz – damit hätte Leoben wechselnd einen Stundentakt –, Einsatz moderner, neuer beschleunigungsstarker Zü­ge, die höhere Kurvengeschwindigkeiten erlauben – damit könnte man in knapp drei Stunden in Salzburg und in 3 Stunden 45 Minuten in Linz sein –, und schließlich in wei­terer Folge die Einbindung des Salzkammergutes und Innsbrucks.

Frau Bundesministerin! Ich fordere Sie auf: Prüfen Sie diese Vorschläge ernsthaft, und halten Sie Ihr Versprechen, das Sie vor einem Jahr gegeben haben, ein! Da haben Sie nämlich betont, die innerösterreichischen Nord-Süd-Verbindungen stärken zu wollen. Dieser geplante Kahlschlag kann in unserer Region nicht akzeptiert werden! Das be­weisen auch zahlreiche Stellungnahmen und Resolutionen von Bürgermeistern, auch Ihrer Fraktion. Betreiben Sie nicht Sterbehilfe für eine krisengeplagte Region, sondern helfen Sie bei der Wiederbelebung – aber nicht, indem Sie für einen schlechteren Fahr­plan, als wir ihn jetzt haben, vom Land 1 Million € verlangen!

Wenn Sie hier Ihr Versprechen halten, dann können wir diesem Bericht im nächsten Jahr vielleicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

11.22



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 46

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Boden. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.22.41

Bundesrat Karl Boden (SPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir debattieren heute drei Berichte unter einem, wobei ich glaube, dass jeder einzelne davon es wert wäre, einzeln debattiert zu werden. Es hat sich bereits im Aus­schuss gezeigt, dass wir mit der vorgegebenen Zeit bei weitem nicht ausgekommen sind, so intensiv und interessant waren die Diskussionen.

Ich werde mich daher nur auf einen konzentrieren, damit es nicht allzu viele Verwechs­lungen gibt. Ich konzentriere mich auf den Bericht der Bundesanstalt für Verkehr, kurz genannt BAV, der jährlich von der BAV erstellt wird und von der Frau Bundesministerin jedes Jahr bis Ende Mai dem Parlament vorgelegt und auch veröffentlicht wird.

Die Hauptaufgaben der BAV sind Unfalluntersuchungen für alle Verkehrsträger – aus­genommen ist davon die Straße, dort führt natürlich die Polizei die Untersuchungen durch –, Unfallursachenforschung, die Verbesserung der Verkehrssicherheit, der Luft­fahrtsicherheit, vor allem aber auch der Schifffahrtsicherheit und der Sicherheit der Seilbahnen. Ganz wichtig für mich sind vor allem die Sicherheitsempfehlungen, die die BAV abgibt, um die Zukunft im Verkehrsbereich sicherer zu gestalten.

Die BAV beschäftigt 42 Mitarbeiter. Davon sind 13 mobile Fahrzeugprüfer unterwegs, die die Lkw überprüfen, 13 Mitarbeiter für die Unfalluntersuchungen und vier Mitarbei­ter für den Straßenverkehrssicherheitsdienst zuständig.

Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen bringen, die für mich ganz wichtig sind, um Verglei­che zum Vorjahr anstellen zu können.

Im Verkehrsbereich Schiene haben wir bei 1 384 gemeldeten Ereignissen einen Rück­gang um 60 Ereignisse. Das heißt, die Anzahl der Unfälle ist um 31 verringert worden, die Anzahl der Störungen wurde ebenfalls um 29 verringert. Es wurden, wie aus die­sem Bericht ersichtlich ist, 127 Sicherheitsempfehlungen abgegeben. Ich glaube, ge­nau da müssen wir ansetzen, um die Zukunft sicherer zu gestalten.

Im Verkehrsbereich Luftfahrt hat es mit 1 511 gemeldeten Vorfällen einen Anstieg um rund 24 Prozent gegeben, und bei der Schifffahrt wurde ebenfalls ein Anstieg um 20 Prozent verzeichnet. Lediglich die Seilbahnen konnten ihre Zahl gleich halten.

Zu den technischen Untersuchungen, Unterwegskontrollen: Auch hier wurde sehr gute Arbeit geleistet. Es wurden 109 398 Fahrzeuge untersucht, ein doch sehr beträchtlicher Teil, und dabei wurde bei 21 Prozent der Fahrzeuge Gefahr in Verzug festgestellt. Ich denke, 21 Prozent der Fahrzeuge, die im Straßenverkehr nichts verloren haben, das ist doch eine etwas hohe Zahl. Daher bin ich der Meinung, dass man diese Prüfzüge ver­stärken sollte. Aus dem Bericht geht auch hervor, dass hiefür wesentlich mehr Budget aufgewendet wird.

Bei 33,9 Prozent der Fahrzeuge sind schwere Mängel festgestellt worden. Das heißt, ein Drittel der Fahrzeuge auf unseren Straßen ist so schwer beschädigt, dass sie abge­stellt werden müssen.

Die Erfahrung zeigt, dass, wenn Prüfzüge irgendwo aufgestellt sind, Ausweichrouten in Anspruch genommen und Wartezeiten in Kauf genommen werden. Aus dem Bericht geht aber auch hervor, dass durch die ständigen Kontrollen eine wesentliche Verbes­serung im Bereich der gravierenden Mängel festgestellt werden kann.

Also auch für die Zukunft gilt: mehr untersuchen, mehr kontrollieren. Dann kann man, glaube ich, sagen, in Zukunft wird es sicher Verbesserungen auf diesem Sektor geben.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 47

Geschätzte Damen und Herren! Das war einer der Berichte, zu denen ich sprechen wollte. Diesen Bericht nehmen wir gerne zur Kenntnis und stimmen auch den anderen gerne zu. – Danke. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

11.28


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Reisin­ger. – Bitte, Herr Kollege.

 


11.28.34

Bundesrat Friedrich Reisinger (ÖVP, Steiermark): Hohes Präsidium! Geschätzte Frau Bundesministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Geschätzte Damen und Herren! Der Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr befasst sich, wie wir schon gehört haben, in erster Linie mit Fragen der Sicherheit. Ich stelle daher am Beginn mei­ner Rede an Sie die Frage: Wie sicher fühlen Sie sich eigentlich, wenn Sie mit dem Au­to, mit der Bahn, mit dem Flugzeug unterwegs sind? Fühlen Sie sich wirklich sicher? (Rufe bei der SPÖ: Ja! Ja!) Aber ich frage Sie auch: Wer ist für unsere Sicherheit ver­antwortlich? (Bundesrat Boden: Ja, wir fühlen uns schon sicher!) – Fühlen Sie sich si­cher? Schön.

Wer ist für unsere Sicherheit verantwortlich? – Jeder ist für seine Sicherheit selbst ver­antwortlich. Sie sind aber auch für die Sicherheit des anderen verantwortlich. Aber auch der Staat, die Politik, in unserem Fall das Verkehrsministerium, hat hier eine sehr gro­ße Verantwortung und ist für die Sicherheit im Verkehr verantwortlich.

Jeder in unserem Land darf sich auch darauf verlassen, dass die Gesetze und die Ver­ordnungen ein höchstmögliches Maß an Verkehrssicherheit gewährleisten. Und so gibt es natürlich eine Reihe an Bestimmungen, die zwar nicht immer angenehm sind, deren Einhaltung aber doch lebenswichtig ist.

Mich verwundert es schon, dass es laut dem vorliegenden Tätigkeitsbericht noch im­mer sehr viele Fahrzeuge gibt, die in einem technischen Zustand sind, der eigentlich erschreckend ist. Es ist wirklich besorgniserregend, wenn laut diesem Bericht zirka 100 000 Lkws kontrolliert werden und davon mehr als 80 000 teils schwere Mängel auf­weisen. Diese Fahrzeuge stellen ein sehr großes Sicherheitsrisiko dar und werden in der Regel von Frächtern betrieben, meist aus osteuropäischen Ländern, welche vor­wiegend zu Dumpingpreisen unterwegs sind und auch jenen österreichischen Fräch­tern das Leben schwer machen, die sich an die sehr hohen österreichischen Standards halten.

Die Bundesanstalt für Verkehr hat aber auch die Aufgabe, Unfälle zu untersuchen und Unfallursachen zu erforschen und die daraus gewonnenen Empfehlungen an die Politik weiterzugeben. Im vorliegenden Tätigkeitsbericht habe ich diese sicher sehr wichtigen Empfehlungen leider nicht finden können. Da ich aber davon ausgehe, dass es welche gibt, möchte ich wirklich darum ersuchen, in Zukunft diese auch im Bericht aufzulisten, damit auch wir Abgeordneten darüber Bescheid wissen, gewisse Probleme thematisie­ren können und auch unseren Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten können.

In diesem Zusammenhang darf ich auch ein Problem ansprechen, das besonders jetzt in der dunklen Jahreszeit sehr aktuell ist. Immer wieder kommt es zu schweren Unfäl­len, weil Fußgänger erst zu spät gesehen werden. Eine Verpflichtung, dass reflektie­rende Kleidung, reflektierende Armbänder oder Ähnliches getragen werden müssen, würde, glaube ich, so manches Menschenleben retten. So gäbe es viele Beispiele  (Bundesrätin Kerschbaum: Jeder Fußgänger soll etwas Reflektierendes anziehen? Super! Eine gute Idee!) – Warum nicht? (Bundesrätin Kerschbaum: Vielleicht sollten sich die Autofahrer bemühen, etwas zu sehen! Da dürfte es auch keine schwarzen Au­tos geben!) Wenn es der Sicherheit dient, gibt es viele Maßnahmen, die, wie ich vorhin schon gesagt habe, zwar nicht angenehm sind, aber Menschenleben retten können.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 48

So gibt es viele Beispiele, Beispiele, die zeigen, dass es noch sehr viel zu tun gibt, um die Sicherheit auf den Straßen und im Verkehr zu gewährleisten. Mir ist schon klar, dass man nie alle Unfälle verhindern kann, ich meine aber schon, dass die Politik und hier im Besonderen auch das Verkehrsministerium eine sehr große Verantwortung hat, damit wir uns nicht nur sicher fühlen, sondern auch wirklich sicher unterwegs sein kön­nen. – Danke. (Beifall und Bravoruf bei der ÖVP sowie Beifall bei Bundesräten der SPÖ.)

11.33


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kersch­baum. – Bitte.

 


11.33.27

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Also, Herr Kollege Reisinger, das mit der Kleidung empfinde ich schon ein bisschen als eine Verwechslung von Ursache und Wirkung, denn wie komme ich als Fußgängerin dazu – schwarz macht bekanntlich schlank –, plötzlich eine Warnweste in Leuchtfarben anzu­ziehen, nur damit mich die Autofahrer sehen? Auf dem Gehsteig werden sie mich hof­fentlich auch in Schwarz nicht überrollen. (Beifall bei den Grünen. – Bundesrat Gruber: Aber wenn man runtersteigt vom Gehsteig!) – Wenn man runtersteigt vom Gehsteig. (Heiterkeit.) Die Straße ist auch für uns Fußgänger in Nicht-Leuchtfarben da.

Frau Ministerin, anschließen möchte ich mich – das betrifft eigentlich nicht Sie, sondern eher die Präsidiale – der leichten Kritik vom Herrn Kollegen Boden, dass wir diese drei Berichte jetzt in einem diskutieren. Wir haben im Ausschuss gesehen, was alles drin­nen steht und wie wichtig die Berichte eigentlich sind. Abgesehen vom Zeitpunkt der Diskussion, der möglicherweise zum Teil auch ein halbes Jahr verspätet ist, wäre es wirklich eine sinnvollere und auch weniger chaotische Diskussion, wenn wir nicht drei Berichte in einer Debatte abwickeln würden.

Ich möchte mich wie immer bedanken bei der Schienen-Control GmbH, bei der Bun­desanstalt für Verkehr und auch bei den Beamten des Bundesministeriums für die Vor­lage der Berichte. Dem Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht werden wir nicht die Zustimmung geben. Für uns ist es eher ein Geheimwirtschaftlicher Leistungsbericht, aber darauf gehe ich später noch ein. Den Bericht der Schienen-Control GmbH und na­türlich auch den Bericht der Bundesanstalt für Verkehr werden wir gerne zur Kenntnis nehmen und danken für die wirklich übersichtlichen Berichte.

Ich möchte kurz, weil ich eigentlich schon gerne eine Diskussion über diese drei Be­richte hätte, weil sie alle spannend sind, auf alle drei eingehen, zuerst auf den Bericht der Bundesanstalt für Verkehr.

Es ist heute schon angesprochen worden, wir hatten auch im Ausschuss eine längere Diskussion über nicht technisch gesicherte Eisenbahnkreuzungen und technisch gesi­cherte Eisenbahnkreuzungen. Interessant ist schon, dass zwei Drittel der Eisenbahn­kreuzungen nicht technisch gesichert sind und 50 Prozent der Unfälle dort passieren, und auf einem Drittel technisch gesicherter Anlagen passieren auch 50 Prozent der Unfälle. Das heißt, es passieren relativ mehr Unfälle auf technisch gesicherten Anla­gen, und da sollte man sich schon einmal die Frage stellen, woran es liegt und ob es wirklich so erstrebenswert ist, dass wir alle unsere Eisenbahnkreuzungen technisch si­chern, wenn es relativ mehr Unfälle auf solchen Kreuzungen gibt. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Das ist leider so, das steht so im Bericht. Unfallursache ist, wie im Bericht er­sichtlich, so gut wie in allen Fällen Unaufmerksamkeit des Autolenkers, ob Pkw oder Lkw, der halt  (Bundesrat Gruber: Die Sonne blendet!) Entweder blendet die Sonne oder sie haben nicht gesehen, dass das Lamperl leuchtet und stehen dann zwischen den Schranken eingeklemmt und kommen nicht mehr weg.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 49

Ich denke, es ist sicherlich wichtig, dass wir da noch besser, noch intensiver bei der Schulung ansetzen. Es passiert ja auch schon. Ich habe vor kurzem erst Führerschein­fahrten mit meinem Sohn gemacht und dabei mitbekommen, das wird jetzt in den Fahr­schulen wirklich dezidiert gelehrt. Das ist gut so und auch wichtig.

Wie gesagt, meiner Meinung nach sollte man sich überlegen, wie wichtig diese techni­sche Sicherung von Eisenbahnkreuzungen ist, wenn es sicherheitsmäßig offensichtlich nicht gar so viel bringt.

Ein weiterer Diskussionspunkt waren auch schon die Lkw-Kontrollen. Da möchte ich nur etwas ein bisschen richtigstellen: Diese Unmengen von wirklich aus dem Verkehr zu nehmenden Lkws und massiv schadhaften Lkws ergeben sich auch daraus, dass bei den Kontrollen nicht alle untersucht werden, sondern in erster Linie die, die augen­scheinlich schon etwas haben.

Noch einmal zum Kollegen Reisinger: Das hat nicht unbedingt damit etwas zu tun, ob das ein österreichischer Lkw ist oder ein nichtösterreichischer, sondern da werden eben die aus dem Verkehr gezogen und überprüft, die augenscheinlich nicht ganz so optimal unterwegs sind. (Zwischenruf des Bundesrates Ertl.)

Na ja, erstens einmal ist es ja bekanntlich so, dass auch schon sehr viele österrei­chische Frächter mit nichtösterreichischen Lkws ihre Arbeiten erledigen, und außerdem glaube ich, ob ein Lkw in einem guten oder schlechten Zustand ist, das kann man nicht mehr am Kennzeichen feststellen. Das, glaube ich, ist ein großer Irrtum, und das solltet ihr euch vielleicht selber einmal anschauen, ob das noch so ist. (Bundesrat Ertl: Am Allgemeinzustand erkennt man es, wie du zuerst gesagt hast!) Diese Erkenntnis habe ich aus dem Bericht nicht gezogen, dass die österreichischen Lkws um so viel besser unterwegs wären als die ausländischen. Ich weiß nicht, woher der Kollege Reisinger das hat. (Ruf bei der ÖVP: Sicher besser unterwegs!) – Weil du es sagst, natürlich!

Zum Bericht der Schienen-Control GmbH. Wer die Berichte kennt und sie so wie ich normalerweise sehr schätzt, wird möglicherweise so wie ich vermissen, dass sich die Schienen-Control GmbH mit der Übernahme der Nebenbahnen in Niederösterreich be­fasst hätte, nämlich auch damit, was mit diesem Vertrag zwischen Bund und Land und dem Side Letter, den es zuerst nicht gegeben hat und dann schon gegeben hat, war und wie das dann war mit der Ausschreibung von Strecken, die schon Interessenten gefunden hätten, aber vom Land irgendwie nicht als Interessenten gesehen wurden. Also ich hätte mir wirklich gewünscht, dass sich die Schienen-Control GmbH diese Vor­gänge genauer anschaut und untersucht und das in den Bericht aufnimmt. Ich vermis­se diesen Teil, aber vielleicht kommt es beim nächsten oder übernächsten Mal.

Aber nun zu dem Bericht, dem wir heute nicht zustimmen können und den wir auch nicht zur Kenntnis nehmen werden, zum Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht. Im Normalfall ist es ja so, dass wir sagen, einen Bericht, auch wenn er uns inhaltlich nicht passt, nehmen wir zur Kenntnis, wenn er umfassend genug ist. Beim Gemeinwirt­schaftlichen Leistungsbericht kann man nicht sagen, dass er umfassend genug ist. Ich vermisse darin nämlich schon einiges an Information.

Auf Seite 4 des Berichts ist beschrieben, wie der Vertrag zustande kam, über den be­richtet wird. Unter anderem hat der Rechnungshof geprüft, und in einem Schlussbericht vom August 2010 – das ist auch schon ein Weilchen her – hat der Rechnungshof Emp­fehlungen abgegeben, nämlich: Konkretisierung der verkehrspolitischen Ziele, Ausar­beitung von Erfolgsindikatoren, klare Definition des Grundangebots, Prüfung, unter welchen Gesichtspunkten Bahnangebot zweckmäßig ist, Prüfung, welche Bahnstre­cken mittelfristig im Wettbewerb vergeben werden können, transparente und nachvoll­ziehbare Bewertung der gemeinwirtschaftlichen Leistung, streckenbezogen eine Kos­ten- und Einnahmenzuordnung, Qualitätsvorgaben, Pönale-Regelung, längerfristige Laufzeit.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 50

Wenn man dann den Rest des Berichts liest, muss man feststellen, davon findet man überhaupt nichts. Da frage ich mich: Was ist das für ein Vertrag, in dem drinnen steht, dass der Bund in den nächsten zehn Jahren eine nicht unerkleckliche Summe für ge­meinwirtschaftliche Leistungen der ÖBB ausgibt? Das ist eine Liste – die aber kein Fahrplan ist, denn es kann sich schon noch etwas ändern, haben wir im Ausschuss ge­hört – von Zügen, die in den nächsten zehn Jahren fahren sollen. Und das war‘s. Aber es steht nicht drinnen, wie man auf den Preis kommt. Es steht nicht drinnen, welche Qualität diese Züge haben müssen. Es steht drinnen, dass das irgendwo stehen soll – aber es steht nicht im Bericht drinnen.

Ich denke mir: Warum sollten wir einen Bericht zur Kenntnis nehmen, in dem nicht die Grundlagen stehen über den Vertrag, von dem wir reden und in dem wir eigentlich auch nicht mitreden können über das, was Sie da bestellt haben oder nicht?

Kollege Krusche hat es schon gesagt: Im Prinzip haben wir in den letzten Jahren im­mer wieder Kürzungen im Fahrplan gehabt, sei es jetzt auf der regionalen Ebene, auf der nationalen Ebene oder der internationalen Ebene. Bei durchgehenden Verbindun­gen ins Ausland bleibt der Nachtzug jetzt zweimal stehen, wodurch das Umsteigen we­niger attraktiv ist.

Es wäre schon interessant, zu erfahren, wie Sie auf diesen Vertrag gekommen sind. Ich sehe nicht ein, weshalb ich dem auch noch meine Zustimmung geben soll, wenn es mir inhaltlich nicht gefällt und ich außerdem noch bemängeln muss, dass keine einzige Begründung drinnen steht, wie Sie auf die Zahlen kommen.

Seit Jahrzehnten – und Jahrzehnte sind es, glaube ich schon; zumindest die Zeit, die ich aktiv verfolgen kann, und das sind inzwischen Jahrzehnte – tritt jeder neue ÖBB-Konzernmanager an mit der massiven Forderung oder mit dem tollen Ausblick: Wir werden jetzt die Kosten senken und Personal abbauen! – Ich würde mir einmal einen Manager wünschen, der sagt: Wir wollen jetzt die Qualität steigern und den öffentlichen Verkehr ausbauen!

Und wenn man sich anschaut, was mit den Kosten passiert ist in den letzten Jahren: Die Kosten sind nicht gesunken, sehr wohl aber ist das Angebot reduziert worden.

Was sich herausgestellt hat und was interessanterweise im Bericht der Schienen-Con­trol drinnen steht, ist, dass die ÖBB zwar ihr Angebot reduziert hat und ihre Kosten of­fenbar gesenkt hat, dafür aber die ÖBB-Personenverkehr AG einen größeren Gewinn eingefahren hat. Das finde ich „super“! Was haben wir als Steuerzahler jetzt von einem höheren Gewinn der ÖBB-Personenverkehr AG, wenn auf der anderen Seite der Bund die Löcher wieder stopft beziehungsweise die Finanzierung dieses Gewinns übernimmt?

Das Einzige, was man davon hat, ist, dass die Managerboni steigen. Und das kann für mich kein Grund sein, so einem Vertrag, so einem Bericht zuzustimmen, noch dazu, wo die Gewinne der ÖBB-Personenverkehr AG da drinnen auf 10 Prozent begrenzt werden. 10 Prozent Gewinn würde ich mir in manch anderem Bereich wünschen!

Ziel eines solchen gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrages müsste es meiner Mei­nung nach sein, dass die Bevölkerung in diesem Land ein attraktives Angebot von öf­fentlichem Verkehr zur Verfügung gestellt bekommt, auch im Hinblick darauf, dass es in Zukunft immer mehr zu einer sozialen Frage werden wird, ob jemand öffentliche Ver­kehrsanbindungen in einer Region hat oder nicht. Wenn nicht, werden sich viele Men­schen die Mobilität in einer solchen Region nicht mehr so leicht leisten können.

Ziel einer gemeinwirtschaftlichen Leistungsvereinbarung kann meiner Meinung nach nicht sein, dass die ÖBB-Personenverkehr AG einen höheren Gewinn einfährt, und deshalb werden wir diesen Bericht eben nicht zur Kenntnis nehmen. (Beifall bei den Grünen.)

11.44



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 51

Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


11.44.38

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Bei meiner Rede werde ich mich auf den Punkt 4, den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht, konzen­trieren.

Der Gemeinwirtschaftliche Leistungsbericht, der ja jährlich aufgelegt werden sollte, umfasst die vom Bund bestellten Leistungen für den öffentlichen Verkehr. Meiner Mei­nung nach ist der Leistungsbericht 2010 umfassend und klar beschrieben, mit Statisti­ken und Auswertungen für das betroffene Jahr 2010 detailliert ausgearbeitet. Erstmals enthält dieser Bericht ein klares Leistungsverzeichnis von Kilometern, Zugmaterial und Bestellungen in den einzelnen Bereichen.

Die ÖBB und die Privatbahnen erbringen ja Leistungen, die Eisenbahnverkehrsunter­nehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht beziehungsweise nicht im gleichen Umfang oder nicht unter gleichen Bedingungen übernehmen würden, da entsprechen­de Kostendeckungen fehlen würden.

Die Kosten des Schienenpersonenverkehrs können vielfach nicht alleine durch Tarif­einnahmen gedeckt werden, um ein Angebot, welches aus verkehrs-, regional-, sozial- und umweltpolitischen Gründen, sogenannten gemeinwirtschaftlichen Interessen, er­stellt wurde, sicherzustellen.

Ich war, bevor ich Bundesrat wurde, jahrelang in einer leitenden Position in einem pri­vaten Eisenbahnverkehrsunternehmen in Ostösterreich im Bereich Personenverkehr tätig. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Das ist die Realität: Bestellungen der öf­fentlichen Hand und damit sozusagen eine Abgeltung für erbrachte Leistungen sind un­umgänglich, und zwar auch in entsprechender Höhe, um einen leistungsfähigen, be­darfsgerechten, sicheren, effizienten, qualitativ hochwertigen öffentlichen Schienenper­sonenverkehr für die Bahnkunden zu organisieren.

Das bisherige System bei den gemeinwirtschaftlichen Leistungen bestand ja haupt­sächlich aus der Tarifbestellung. Jedoch wurde – und das wurde ja schon erwähnt – aufgrund des Regierungsprogramms und aufgrund von zwingendem EU-Recht gemäß PSO-Verordnung und aufgrund der Ergebnisse auch aus dem Prüfbericht des Rech­nungshofes das bisherige Bestellsystem gemeinwirtschaftlicher Leistungen vollkom­men novelliert. Nun bedient sich das BMVIT bei der operativen Durchführung der Be­stellung der Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft mbH, die die entspre­chenden Verträge mit den EVUs abschließt, wobei einzusetzendes Wagenmaterial, Fahrplan und entsprechendes Qualitätsniveau vorgegeben werden.

In den Verträgen sind die vom Bund bestellten Verkehrsleistungen klar definiert, die Leistungsabgeltung ist transparent und kontrollierbar. Die EU-Verordnung ist voll erfüllt; die Rechnungshofanregungen sind entsprechend berücksichtigt.

Diese neuen Verträge sehen auch eine Reihe von Kontroll- und Sanktionsmöglich­keiten vor, wenn die Leistungen der EVUs nicht entsprechend erbracht werden, wobei kundenrelevante Faktoren wie Pünktlichkeit, Sauberkeit, Beschwerdemanagement, Fahrgastinformation und so weiter, um nur einiges zu nennen, von besonderer Bedeu­tung sind, sozusagen ein Bonus-Malus-System.

Was, glaube ich, für beide Seiten besonders wichtig ist, ist eine längere Vertragsdauer, damit eine Planungssicherheit, was die Organisation von Eisenbahnverkehr betrifft, auch für die EVUs gegeben ist. Mit der ÖBB wurde ja bereits dieser neue Vertrag ab­geschlossen; mit den Privatbahnen steht analog zur ÖBB der Abschluss kurz bevor.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 52

Ich möchte aber noch zwei wesentliche Punkte aus dem sehr positiven Leistungsbe­richt 2010 hervorheben.

Erstens: die Ausschüttung gemeinwirtschaftlicher Leistungen. Ab dem Jahr 2008, in welchem die Frau Bundesministerin das Verkehrsressort übernommen hat, ist die Ab­geltung für gemeinwirtschaftliche Leistungen an die ÖBB und Privatbahnen wesentlich gestiegen. Betrug im Jahr 2007 die Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen für Güter- und Personenverkehr noch 620 Millionen €, waren es im Jahr 2008 bereits 674 Millionen € und sind es im Jahr 2010 bereits 731 Millionen €, was eine Steigerung gegenüber 2007 um 18 Prozent bedeutet.

Zweitens darf man bei den Förderungen, bei den Unterstützungen auch den Umwelt­faktor der Bahn nicht vergessen, aber nicht nur, weil dieses Thema – Klimaschutzge­setz – heute ohnehin noch auf der Tagesordnung steht. Der Bahnverkehr spart pro Jahr 3,4 Millionen Tonnen CO2, wobei 1,6 Millionen Tonnen auf den Personenverkehr entfallen. Der CO2-Ausstoß des Schienenverkehrs liegt bei rund 19 g pro Personenkilo­meter, der CO2-Ausstoß eines durchschnittlichen Pkws ist neunmal so hoch.

Kurz gesagt, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Sicherer, effizienter, qualitativ hochwer­tiger und transparent organisierter öffentlicher Schienenpersonenverkehr ist eine we­sentliche Voraussetzung für die wirtschaftliche, soziale und umweltgerechte Entwick­lung eines Landes. Daher sind entsprechende Abgeltung, sogenannte gemeinwirt­schaftliche Leistungen, für die Eisenbahnverkehrsunternehmen, ÖBB und die Privat­bahnen in entsprechender Höhe unbedingt erforderlich.

Ein paar Anmerkungen zu Reden von vorhin: Weniger Geld ausschütten und mehr Qualität und einen engeren Taktplan – das alles wird’s in Zukunft sicherlich nicht spie­len. Ich komme von einem Eisenbahnverkehrsunternehmen und kann daher sagen: Man muss auch bereit sein, in Zukunft für Eisenbahnverkehrsunternehmen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, damit ein qualitativ hochwertiger Schienenpersonenverkehr möglich ist.

Abschließend: Dank an Frau Bundesministerin Bures, Dank an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für diesen ausführlichen Bericht! (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bun­desräten der ÖVP.)

11.51


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesministerin Bures. – Bitte.

 


11.51.10

Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie Doris Bures: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundesrat Lampel, ich möch­te den von Ihnen ausgesprochenen Dank zurückgeben, weil Sie wirklich prägnant zu­sammengefasst haben, wie sehr sich das Leistungsangebot der österreichischen Bah­nen verbessert hat. Das auszusprechen ist wichtig, da im Zuge dieser Debatte – die­sen Eindruck habe ich jedenfalls – möglicherweise Fehlinformationen aufgetaucht sind. Deshalb möchte ich das hier schon klarstellen und auch sagen, dass ich meine, dass das eher eine Form der politischen Auseinandersetzung ist als eine wirklich sachliche Auseinandersetzung. Da aber die Sitzungen des Bundesrates via TV übertragen wer­den, halte ich es schon für notwendig, einiges sozusagen wieder auf den Boden der Realität zurückzubringen, und diese Gelegenheit möchte ich jetzt gerne nutzen.

Bedanken möchte ich mich aber zunächst für die relativ breite positive Bewertung drei­er Berichte, wobei man bei diesen drei Tagesordnungspunkten – zumindest auf den ersten Eindruck – vielleicht fragen könnte, was die denn eigentlich miteinander zu tun haben. Wenn man aber in der Verkehrspolitik immer mehr davon ausgeht, zu sagen, dass es um eine gesamtheitliche Betrachtung der Mobilität geht, dass es um die Frage


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 53

der Mobilität im öffentlichen Verkehr, dass es um die Bahnen und um den Bericht über deren Leistungsvertrag geht, dann muss man das natürlich auch in Verbindung bringen mit den entsprechenden Kontrolleinrichtungen und deren Berichten.

Im Zusammenhang mit der Frage der Mobilität muss man natürlich immer auch die Frage der Verkehrssicherheit mitbetrachten, und da geht es eben auch um Gemein­samkeiten in diesen drei Berichten: Es geht dabei um zentrale Mobilitätsfragen, um die Frage umweltfreundlicher Verkehrsmittel, es geht um Kontrolle und um Sicherheit im Straßenverkehr.

Was den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2010 betrifft, möchte ich den Bereich Unfallursachenforschung hervorheben, da dieser – neben den Kontrollmaß­nahmen – eine sehr wichtige Aufgabe darstellt. Es ist doch wirklich entscheidend, zu wissen, was die Ursachen eines Unfalls sind, um eben in Zukunft Prävention betreiben und sowohl menschliches Leid als auch wirtschaftlichen Schaden hintanzuhalten zu können. Es stellt einen wesentlichen Beitrag zu mehr Verkehrssicherheit dar, wenn wir im Bereich Unfallursachenforschung immer auf der Höhe der Zeit sind.

Nun gleich auch zum Thema Überprüfungen von Lkw: Das ist eine wichtige und zen­trale Aufgabe, denn das Risiko, bei einem Lkw-Unfall getötet zu werden, ist viermal so hoch wie bei einem Pkw-Unfall. Daher: So viele Kontrollen wie möglich, damit wir auf unseren Straßen Lkw in einem ordentlichen technischen Zustand haben, denn ist das nicht der Fall, birgt das ein enorm hohes Gefahrenpotenzial in sich. Daher ist es eine der Aufgaben der BAV, Kontrollen in Bezug auf den technischen Zustand von Lkw durchzuführen. Es war daher eine meiner ersten Maßnahmen, die ich als Verkehrsmi­nisterin getroffen habe, eine Mittelaufstockung für den Bereich BAV vorzunehmen.

Im ersten Jahr meiner Verantwortung als Verkehrsministerin ist es in Bezug auf den Schwerpunkt Verkehrssicherheit gelungen, und zwar trotz richtiger und wichtiger Budgetkonsolidierung, die finanziellen Mittel hiefür von 2008 auf 2009 um 68 Prozent zu erhöhen, was natürlich auch bedeutet, dass eine erhebliche Verbesserung der tech­nischen Ausstattung erreicht werden konnte.

Ich bedanke mich bei der BAV und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für deren Leistungen sowie für die Durchführung wirklich wichtiger Aufgaben, wobei ja auch im nun hier behandelten Bericht klar zum Ausdruck kommt, wie wesentlich deren Tätigkeit für den gesamten Bereich Verkehrssicherheit ist.

Nun zum Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH 2010, ein Bericht, anhand des­sen man erkennen kann, dass die Kontrolle der Liberalisierung des Schienennetzes – eine sehr wesentliche und wichtige Aufgabe – sehr genau und gewissenhaft vorge­nommen wurde, wobei aus diesem Bericht ebenso hervorgeht, dass eine Liberalisie­rung im Bahnnetz nicht nur im Güterverkehr, wo wir sie schon haben, sondern auch im Personenverkehr seitens meines Ministeriums, auch was die behördlichen Verfahren betrifft, sehr professionell umgesetzt wurde.

Besonders freue ich mich, dass jene Frau, die für diesen Bericht verantwortlich zeich­net, nämlich die damalige Geschäftsführerin der Schienen-Control Gesellschaft, Frau Mag. Ursula Zechner, jetzt Sektionschefin in meinem Hause ist und dass sie dort für die größte Sektion im BMVIT zuständig ist. Ich habe in meinem Ministerium eine Ge­schäftsordnungsreform mit der Zielsetzung Verwaltungsreduktion vorgenommen; das heißt, wir haben im BMVIT nicht mehr fünf Sektionen, wie das in der Vergangenheit der Fall war, sondern nur mehr vier. Und die Sektionen, die zusammengelegt wurden, sind jetzt sozusagen die große Mobilitätssektion, in der alle Verkehrsträger zusam­mengefasst sind – egal, ob Luftfahrt, Schifffahrt, Straßenverkehr oder Schienenver­kehr –, denn in der Verkehrspolitik geht es eben um eine Gesamtbetrachtung.

Es geht um Straßen- und Schienenverbindungen, es geht darum, die Verkehrssys­teme so zu organisieren, dass sie sicher und umweltfreundlich sind, und da bedarf es


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eben einer Gesamtbetrachtung, und zwar nicht nur seitens der politisch Verantwortli­chen, sondern auch was die Organisation des BMVIT betrifft. Nochmals: Ich freue mich sehr, dass Frau Mag. Ursula Zechner diese ganz wichtige Funktion der Leiterin der Mobilitätssektion übernommen hat.

Zum Bericht selbst: Es wurden hier einige Dinge erzählt, die nicht im Bericht stehen. So steht beispielsweise nicht im Bericht, dass weniger Eisenbahn gefahren wird. Diese Zeile gibt es nicht im Bericht – und sie wäre auch falsch, denn dann könnte ich diesem Bericht nicht zustimmen, weil das Gegenteil der Fall ist. Darauf werde ich aber dann noch beim Thema Gemeinwirtschaftlicher Leistungsbericht eingehen. (Vizepräsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Es steht natürlich nichts in diesem Bericht, was die Übertragung von Nebenbahnen an das Land Niederösterreich betrifft, denn das ist mit 1. Jänner 2011 in Kraft getreten – und hiebei geht es um den Bericht über das Jahr 2010. Daher kann das nicht in diesem Bericht stehen, aber es wird natürlich im nächsten Bericht darauf Bezug genommen.

In diesem Bericht steht aber – und das möchte ich noch erwähnen, damit hier nicht nur über Dinge gesprochen wird, die nicht im Bericht stehen –, dass es eine der Vorga­ben, die wir gesetzt haben, war, dass die Pünktlichkeit bei der Bahn zu steigern ist, dass sich die Menschen darauf verlassen können müssen, pünktlich an ihrem Arbeits­platz zu sein und dass die Kinder pünktlich und sicher mit der Bahn in die Schule kommen.

Während im Jahr 2009 – nachzulesen im Bericht 2010 – eine Pünktlichkeitsrate von 90,5 Prozent bei den Personenzügen gegeben war, ist es im Jahr 2010 gelungen, das auf 94 Prozent zu steigern.

Und was noch nicht im Bericht steht, aber worüber ich Sie informieren möchte, ist, dass es in den ersten neun Monaten dieses Jahres gelungen ist, die Pünktlichkeitsrate auf 97 Prozent zu erhöhen. Das ist, wie ich meine, ein Erfolg und zeigt, dass, was die Kundenorientierung der Österreichischen Bundesbahnen betrifft, da wirklich viel ge­schehen ist und dass sich die Österreicherinnen und Österreicher auf eine pünktliche und leistbare Bahn verlassen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, was den dritten Bericht betrifft, nämlich den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht 2010, ist es mir ganz wichtig, festzuhalten, dass es nicht darum geht, Geld der SteuerzahlerInnen in Form von Subventionen an Unternehmen sozusagen abzuliefern, sondern dass es mir darum geht, dass, wenn man eine Leistung möchte, für diese Leistung auch bezahlt wird. Sie, meine Damen und Herren Bundesräte, kommen aus den Bundesländern und wissen daher von den Gemeinden her, dass sich öffentlicher Verkehr nicht selbst finanziert.

Da muss die Politik sagen, ja, mir ist es wichtig, dass wir in Wien eine U-Bahn haben, mir ist es wichtig, dass wir Straßenbahnen und Autobusse in den Städten haben, dass wir die ländliche Region mit öffentlichen Verkehrsmitteln versorgen, und es ist mir wich­tig, dass wir Bahnverbindungen auch dort haben, wo sie eben nicht eigenwirtschaftlich geführt werden können, weil wir aus umweltpolitischen und verkehrspolitischen Über­zeugungen dahinter stehen. Deshalb geschieht das auch in dieser Form, dass es einen gemeinwirtschaftlichen Leistungsvertrag gibt, wo es klare Kriterien gibt, wo es natürlich Qualitätskriterien gibt, die einzuhalten sind, wo es Pünktlichkeitskriterien gibt und wo Eisenbahnunternehmen, die ÖBB und 20 Privatbahnen, Leistungen erhalten, damit wir ein ordentliches, umweltfreundliches öffentliches Verkehrsnetz in Österreich haben.

Ein ordentliches öffentliches Schienenverkehrsnetz bedeutet eben, dass es nicht so ist, dass weniger Eisenbahn gefahren wird. Es werden heute so viele Bahnkilometer zu­rückgelegt wie noch nie in der Zweiten Republik. Mit der Eisenbahn fahren heute so viele Männer, Frauen und Kinder wie noch nie in der Zweiten Republik. Ich kann es Ih-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 55

nen in Zahlen sagen: Während im Jahr 2007 92 Millionen Kilometer Eisenbahn gefah­ren wurden, sind es im Jahr 2011 95,3 Millionen Kilometer. Es wird nicht weniger ge­fahren, es werden nicht Bahnen zugesperrt, sondern es wird so viel gefahren wie noch nie in diesem Land, und das ist auch gut so. Das betrifft auch einzelne Verbindungen, weil ich nicht möchte, dass der Eindruck entsteht, es gibt nur Kürzungen im Fahrplan. Es gibt dort Kürzungen, wo es auch dem Steuerzahler und der Steuerzahlerin nicht zu­mutbar ist, dass wir Geisterzüge fördern. Es kann die Bahn, die ein Massenverkehrs­mittel ist, dort geführt werden, wo viele Menschen von einem Punkt zum anderen kom­men.

Gehen wir auf die Punkte ein, schauen wir es uns ganz konkret an.

Sie haben so getan, als würde zwischen Salzburg und Graz kein Zug mehr fahren, als wäre die Eisenbahn dort stillgelegt worden und es würden die Gänseblümchen auf den Gleisen wachsen. 251 Züge fahren jeden Tag zwischen Salzburg und Graz – 251 Züge jeden Tag auf dieser Strecke! –, 90 zwischen Salzburg und Bischofshofen, 41 zwi­schen Bischofshofen und Selzthal, 120 zwischen Selzthal, St. Michael, Bruck und Graz. Wir sollten also bei der Wahrheit bleiben.

Ich bin eine Verbündete, wenn es darum geht, dass noch mehr Bahn gefahren wird, dass noch mehr Menschen dazu gebracht werden, dass sie sagen, ich lasse das Auto stehen, ich komme mit der Eisenbahn schneller, umweltfreundlicher und sicherer zu meinem Arbeitsplatz. Aber dann engagieren wir uns gemeinsam und diskutieren wir nicht so, als würde die Sparkeule drohen und als würden Bahnstrecken in Österreich stillgelegt, denn, wie gesagt, das Gegenteil ist der Fall.

Ich kann Ihnen auch etwas sagen, was die Zuschüsse für das Bahnfahren in diesen beiden Bundesländern betrifft: Vom Jahr 2006 bis zum Jahr 2010 sind die Mittel für die Bahn im Bereich Salzburg um 86,4 Prozent gestiegen und damit auch die Leistungen. In der Steiermark waren es um 116 Prozent mehr, und das auch an Leistungen. Auch das ist gut so. Aber es ist, wie gesagt, eine Tatsache, dass nicht weniger gefahren wird, sondern es fahren so viele Züge wie noch nie in der Zweiten Republik. Wir unter­stützen seitens des Bundes den öffentlichen Verkehr in einer Höhe, wie das noch nie der Fall war.

Was mir in diesem Bereich auch noch wichtig ist, ist, dass wir natürlich auch sehen müssen, wo es völlig unwirtschaftlich ist, dass Eisenbahn gefahren wird. Wir können nicht fordern, dass die Bahn schwarze Zahlen schreibt, und anderseits, dass die Bahn auch mit einer so geringen Zahl von Fahrgästen fahren soll, dass man jedem ange­sichts der Kosten einen Kleinwagen kaufen könnte.

Wir haben nicht einen Fleckerlteppich, wo gefahren wird, sondern wir haben ein Ge­setz, das das Zielnetz definiert, das klar die verkehrspolitischen Leistungen des Bun­des festschreibt. Laut diesem Gesetz sind wir verpflichtet, 60 Millionen Kilometer zu fahren. Sie haben gehört, 95 Millionen Kilometer sind es mit den Ländern gemeinsam, die wir tatsächlich fahren. Das heißt, es gibt das verkehrspolitische Konzept, das fest­legt, was sind die zentralen Verkehrsachsen auf der Eisenbahn. Da gibt es auch die transeuropäischen Netze, die TEN-Strecken, die klar definiert sind. Daher ist es so, dass wir diese Investitionen in die zentralen Netze, auch in die Infrastruktur tatsächlich benötigen.

Natürlich habe ich gesagt, dass der Ausbau der Infrastruktur für einen Wirtschafts­standort entscheidend ist, entscheidend für die Beschäftigung und entscheidend dafür, gegen den Klimawandel vorzugehen. Es ist wichtig, umweltfreundlichen öffentlichen Verkehr zur Verfügung zu stellen. Aber ich würde Sie dann auch ersuchen, dass Sie mich, wenn wir Milliarden in diese umweltfreundliche Bahn investieren, dabei unterstüt­zen und sagen, ja, das ist viel Geld, das investiert wird, das ist aber für den Wirt­schaftsstandort, für die Beschäftigung, für die Mobilität der Menschen und für unsere


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Umwelt gut investiertes Geld. Das vermisse ich dann bei all jenen, die hier immer eine gute Bahnkapazität fordern. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend noch ein Punkt, weil mir das auch wichtig ist, was die Liberalisierung des Bahnnetzes betrifft: Ja, auf der Westbahn gibt es keine Zuschüsse, weder für ein Pri­vatunternehmen noch für die ÖBB. Das ist das bestausgebaute Schienennetz, das wir haben. Wir haben aus gutem Grund Milliardeninvestitionen in die Westbahn getätigt. Wir werden mit Ende nächsten Jahres den Lainzer Tunnel eröffnen. Man wird dann mit der Bahn von Wien Zentrum nach St. Pölten Zentrum 25 Minuten brauchen. Wir wer­den von Wien Zentrum in einer Stunde 15 Minuten in Linz Zentrum sein. Versuchen Sie das nicht mit dem Auto, würde ich Sie bitten! Das heißt, das ist eine Strecke, die von jedem, auch wenn Private fahren, eigenwirtschaftlich geführt werden kann.

Dort, wo wir die Pendlerinnen und Pendler aus den Regionen zu ihrem Arbeitsplatz bringen, brauchen wir gemeinwirtschaftliche Leistungen, aber nicht auf Strecken, wo man, ob, wie gesagt, privat oder der Bund Eigentümer ist, zu Recht auch beim Bahn­fahren ein Geschäft machen kann. Und deshalb ist das so.

Ich bedanke mich auch für diesen Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbericht, der die ei­gentlichen Leistungen der Bahn widerspiegelt. Ich würde all jene, die davon reden, es wird nicht gefahren, es wird gekürzt, ersuchen, ihn noch einmal durchzulesen. Dann werden Sie sehen, das Gegenteil ist der Fall. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der ÖVP.)

12.07


Vizepräsident Reinhard Todt: Als nächste Rednerin gelangt Frau Bundesrätin Junker zu Wort. – Bitte.

 


12.07.14

Bundesrätin Anneliese Junker (ÖVP, Tirol): Geschätzter Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin Bures! Meine Damen und Herren! In meiner Rede werde ich mich mit dem Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH beschäftigen und möchte mit den gemeinwirtschaftlichen Leistungen beginnen. Sie haben das mit der Westbahn jetzt ganz toll verteidigt, aber ich komme noch darauf zurück, ich kann Ihnen nicht ganz recht geben.

Anfang des Jahres haben die ÖBB einen neuen Vertrag über die gemeinwirtschaftli­chen Leistungen ausverhandelt. Die ausführende Gesellschaft ist die SCHIG, also die Schieneninfrastruktur-Dienstleistungsgesellschaft. Darin wird die Vergabe von 573 Mil­lionen € an gemeinwirtschaftlichen Leistungen pro Strecke geregelt. Bislang wurden die gemeinwirtschaftlichen Leistungen immer bezogen auf die Anzahl der beförderten Fahrgäste, der gefahrenen Zugkilometer und die Einhaltung von Qualitätskriterien, wie wir schon gehört haben, gewährt. Mit dem neuen Vertrag wird – ich sage es jetzt ganz vereinfacht – der Zuschuss pro Strecke ermittelt, und es werden entsprechende Zah­lungen an die ÖBB bis 2019 zugesichert. Das heißt, auf Strecken, wo ein Verlust ein­gefahren wird, aber der Bund Interesse an deren Aufrechterhaltung hat, wird ein Zu­schuss gewährt. Strecken wie die Westbahn, die positiv bilanziert, wie Sie schon aus­geführt haben, erhalten keine Leistungen mehr. Somit ist die Westbahn, was die ge­meinwirtschaftlichen Leistungen betrifft, nicht mehr relevant. Ich glaube schon, dass sie dadurch benachteiligt wird.

Diese Benachteiligung wird im Bericht dadurch sichtbar, dass angemerkt wird, dass die Wettbewerbsfähigkeit so nicht wirklich gesichert ist. Aber das BMVIT hat in den Ver­handlungen immer darauf hingewiesen, dass dies unbedenklich ist. Aufgrund der ge­schickten Verhandlungen der Frau Ministerin Bures mit dem BMF – in Klammern: der Brenner Basistunnel wurde in das Rahmenprogramm aufgenommen – wurde dann auch der Vertrag unterschrieben.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 57

Ich muss Ihnen einfach zu Ihrem tollen Verhandlungsgeschick gratulieren, auch wenn es für mich als Tirolerin, die ich für Wirtschaftsfragen zuständig bin, nicht immer positiv ist. Auch bei der Unterinntalmaut, die gestretcht auf drei Jahre eingeführt wird, haben die Verhandler der Tiroler Landesregierung festgestellt, es war das Beste, das bei den Verhandlungen herauszuholen war.

Ich darf Ihnen also gratulieren, obwohl ich sagen muss, für die Tiroler Wirtschaft ist das Verhandlungsergebnis schmerzlich, denn die Kosten, die auf die Wirtschaft, auf unsere Klein- und Mittelbetriebe zukommen, sind erheblich. Man kann sie nicht einfach so leicht damit abtun, dass man sagt, die sind enthalten und da brauchen wir nichts mehr zu machen.

Der zweite Punkt, das Vertragsverletzungsverfahren, kommt im heurigen Bericht mei­ner Meinung nach etwas zu kurz. In den Vorjahren wurde da wesentlich mehr geschrie­ben. Es wird jetzt ganz knapp abgehandelt, wobei ein Teil überhaupt weggelassen wur­de, nämlich jener, wo darauf hingewiesen wurde, dass die Besetzung der Aufsichtsräte mit Vorständen aus der Holding die entsprechende Unabhängigkeit nicht gewährleistet. Da steht überhaupt nichts mehr davon drinnen. Vielleicht könnte man das das nächste Mal wieder aufnehmen.

Zum Güterverkehrskorridor-Vertrag der EU: Ich glaube, dass das ein Erfolg für Öster­reich ist. Die Verhandlungen sind toll geführt worden. Darin sind neun Korridore und drei betreffen Österreich. Das ist einmal Korridor 3, die Brenner-Achse, Korridor 5 sind zwei Strecken mit Teilung in Graz, und Korridor 7 ist die sogenannte Nordstrecke, wo­bei die Tatsache, dass bei Korridor 5 über den Semmering der Koralmteil aufgenom­men wurde, wirklich sehr positiv für Österreich ist. Ich möchte dazu nur bemerken, dass die Konkurrenz mit Korridor 6, also mit Ungarn, schon sehr groß ist und dass man von österreichischer Seite intensive Verhandlungen darüber führen sollte, dass das schnell über die Bühne geht.

Mein vierter und letzter Punkt sind die europäischen Grenzen im Personenverkehr. Wenn man das liest, dann muss man feststellen, es ist direkt spannend, wie EU-weit versucht wird, wirtschaftliche Weiterentwicklung, Wettbewerbsentwicklung zu verhin­dern. Österreich hat es ja ganz schmerzlich mit Italien miterleben können, wo die ÖBB und die Deutsche Bahn zunächst mit Trenitalia von München, Innsbruck, Verona nach Mailand fuhren, dann wurde als Partner die private LeNORD genommen, woraufhin die italienischen Behörden keine Trassen mehr zugewiesen und den Zugang zum Bahnhof Mailand Zentrum verweigert haben. Als Grundlage dafür wählten sie die im 3. Eisen­bahnpaket angeführte angebliche Gefährdung des Gleichgewichts gemeinschaftlicher Verträge.

Es gab dann einen Aufschrei in allen Medien in Österreich, vor allem in Tirol. Dies wur­de dann mit dem BMVIT und der Frau Bundesministerin einer Lösung zugeführt. Wir dürfen ja wieder fahren.

Ich hoffe nur, dass in Österreich solche Praktiken nicht eingeführt werden und somit der Eisenbahnverkehr in seiner Attraktivität auch nicht gestört wird und dass gemein­wirtschaftliche Leistungen auch positiv bilanzierenden Strecken vielleicht das eine oder andere Mal doch zugeführt werden. – Danke. (Beifall bei der ÖVP, bei Bundesräten der SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.13


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Stadler. Ich er­teile es ihm.

 


12.13.40

Bundesrat Werner Stadler (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Ministerin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Mayer! (Bundesrat


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 58

Mayer: Alles in Ordnung, Herr Kollege!) Passt. (Heiterkeit.) Jetzt geht es unter ande­rem auch um die ÖBB. Es ist zu erwarten, dass Stadler am Rednerpult ist.

Bevor ich auf einige Aussagen des Kollegen Krusche eingehe, zu Tagesordnungs­punkt 3: Tätigkeitsbericht der Schienen-Control GmbH, es handelt sich um einen sehr umfassenden und sehr informativen Bericht, ein paar Worte. Meine Vorredner und Vor­rednerinnen haben sich bereits positiv dazu geäußert, ebenso die Frau Bundesministe­rin. Also kann ich meine Ausführungen zu diesem Punkt sehr kurz halten. Das Jahr 2010, das im Zeichen der beginnenden wirtschaftlichen Erholung stand, hat natür­lich auch positive Auswirkungen auf den Schienengüterverkehrsmarkt gehabt.

Betrachtet man den Schienengüterverkehr im gesamten österreichischen Schienen­netz, so zeigt sich, dass nach dem Einbruch 2009 im Jahr 2010 das Niveau von 2008 erreicht wurde, sei es beim Aufkommen, bei den Nettotonnen als auch bei der Netto­verkehrsleistung, bei den Nettotonnenkilometern. Die Zahlen von 2008 wurden sogar übertroffen. Lediglich bei den Bruttotonnenkilometern blieben 2010 die Zahlen unter dem Wert von 2008. Dem Bericht ist allerdings zu entnehmen, dass die Auslastung der Züge besser war und dass die Produktionsabläufe optimiert wurden.

Die Frau Ministerin hat auch schon kurz von der Liberalisierung gesprochen, die ja im Güterverkehr auch bei uns bereits verstärkt zu spüren ist. Ich habe schon einige Male über diese Liberalisierung ein paar Sätze verloren. Die privaten EVUs steigerten laut Bericht 2010 den Marktanteil beim Aufkommen auf 20 Prozent und bei der Verkehrs­leistung auf 13 Prozent. Das gilt für den Güterverkehr. Beim Personenverkehr fielen die Wachstumsraten insgesamt geringer aus.

Vergleicht man also die Zahlen im Berichtszeitraum 2010 mit den Zahlen 2009, kann man erfreulicherweise eine sehr positive Entwicklung im Güterverkehrssektor feststellen.

Die Frau Bundesministerin hat betont, dass im Personenverkehr im Berichtszeitraum an die 240 Millionen Reisende befördert wurden, also ein erheblicher Anstieg gegen­über den Vorjahren. Das ist wirklich eine positive Entwicklung, ein positiver Aspekt. Da sind im Personenverkehr, wie gesagt, die Privatbahnen eher geringfügig vertreten. Es wird in Zukunft, wie wir wissen, ab Fahrplanwechsel 2011/12, also ab Dezember, die Westbahn AG geben, die auf der Westbahnstrecke Züge für den Personenverkehr füh­ren wird. Somit wird der Marktanteil der Privaten im Bericht 2012, denn 2011 wird sich dies nicht mehr so auswirken, höher sein. Momentan liegt er im Personenverkehr bei zirka 12 Prozent.

Zwei Punkte noch, die auch schon ganz kurz angesprochen wurden und dem Bericht zu entnehmen sind, die die Menschen bewegen und eine Menge Arbeit für die Schie­nen-Control oder die Schlichtungsstelle bedeuten, das sind die Pünktlichkeit und die aus Unpünktlichkeit resultierenden Beschwerden. Die Frau Bundesministerin hat be­reits darauf hingewiesen, dass die Pünktlichkeit stark gestiegen ist. Im Berichtszeit­raum 2010 lag sie, wie sie schon gesagt hat, bei 94 Prozent.

Ich habe es eingangs schon gesagt, das wissen auch alle, dass ich seit fast 40 Jahren in diesem Unternehmen arbeite und täglich die neuesten Daten über die Pünktlichkeit im Personenverkehr auf meinen Dienstlaptop bekomme. Ich kann das nur unterstrei­chen und bestätigen, was die Frau Bundesministerin über den bisherigen Schnitt im Jahr 2011 gesagt hat, dass nämlich fast 97 Prozent der Personenzüge in Österreich pünktlich unterwegs sind.

Was die Verspätungen betrifft, möchte ich mich jetzt speziell als ÖBBler nicht auf die Nachbarbahnen ausreden, muss aber doch betonen, dass gerade im Fernreiseverkehr die meisten Verspätungen auf verspätetes Eintreffen von Zügen aus den Nachbarlän­dern zurückzuführen sind, was sich natürlich auch auf die Pünktlichkeit in Österreich


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 59

auswirkt. Die Pünktlichkeit im innerösterreichischen Verkehr liegt sicher bei weit mehr als 97 Prozent. – Das zum vorliegenden Bericht.

Ich möchte mich bei der Frau Bundesministerin bedanken und bei allen, die zum Ent­stehen des Berichts beigetragen haben, und bitte Sie, Frau Bundesministerin, dass Sie dies in Ihrem Haus weitergeben. Und ich kann auch gleich sagen, die SPÖ-Fraktion wird den Bericht positiv zur Kenntnis nehmen.

Herr Kollege Krusche, es ist immer sehr leicht, und es hat schon Zeiten gegeben, da habe ich mich eigentlich noch mehr aufgeregt, da ist der Blutdruck immer mehr gestie­gen: Als einer der Betroffenen von früher einmal über 60 000 Mitarbeitern, jetzt einer von knapp über 40 000 Mitarbeitern kann ich auf der einen Seite Ihre Kritik, Ihre Anre­gung als Obersteirer, wie Sie sich bezeichnen, verstehen, wenn man dort regionaler politischer Vertreter ist. Aber man muss auch so ehrlich sein und einmal das Grund­sätzliche in den Vordergrund stellen. Es kann nicht sein, dass man bei jeder sich bie­tenden Gelegenheit das Unternehmen ÖBB an den Pranger stellt – immer wird über die Verluste gesprochen – und auf der anderen Seite ... (Bundesrätin Mühlwerth: Darf man das nicht?)

Sie können es schon, aber dann müssen Sie auch ehrlich sein und beide Seiten se­hen. Man kann nicht nur auf der einen Seite als regionaler Vertreter dafür stehen. Es schaut zwar in der Region gut aus, wenn man dort steht und sagt: Diese Bahn, dieser Zug muss erhalten bleiben, in jede Ecke des Landes muss alle zwei Stunden, jede Stunde oder vielleicht auch alle drei Stunden ein Zug gehen. (Zwischenruf des Bundes­rates Dönmez.)

Ich glaube, das ist mittlerweile schon berichtigt worden. Aber es kann nicht sein, dass man das nur verlangt, da braucht man auch Unterstützung. Man braucht nicht nur die Unterstützung der Politik, sondern auch die Unterstützung der Fahrgäste, das heißt, die Züge müssen auch angenommen werden. Dort wird das gefordert, aber auf der an­deren Seite, bei anderen Gelegenheiten, auch hier heraußen immer wieder über die Wirtschaftlichkeit schlecht oder negativ geredet.

Irgendwo müssen Sie sich einmal entscheiden: Stehen wir dazu, dass heute der öffent­liche Verkehr überall ausgebaut wird? – Dann kostet das Geld, dann muss das irgend­jemand zahlen, sei es das Land, sei es der Bund oder seien es auch die Gemeinden. Oder stehen wir dazu, dass ein Unternehmen heute wirtschaftlich geführt wird und dass wir wirklich nur noch dort hinfahren ... (Bundesrätin Mühlwerth: ... kann bei den Zuschüssen, die der Bund gibt, nicht die Rede sein!) Frau Kollegin Mühlwerth, Sie ha­ben sicher die Gelegenheit, Sie können sich zu Wort melden und da heraußen Ihre Beiträge oder Ihre Gedanken zur ÖBB und zur Wirtschaftlichkeit einbringen.

So ist es immer leicht, Politiker zu sein: auf der einen Seite in der Region zu stehen und zu sagen, ja, das brauchen wir, da sind wir dafür, da unterstützen wir euch, aber dann da heraußen und zu anderen Gelegenheiten immer nur zu schimpfen und die ÖBB oder ein Unternehmen zu verteufeln. Ich glaube, da muss man auch so ehrlich sein, dass man das, was man da herinnen sagt oder was man oft in anderen Bespre­chungen und Ausschussberatungen von sich gibt, auch in der Öffentlichkeit sagt. – Aber das ist, wie gesagt, Ihre Art, Politik zu treiben, damit müssen Sie selber fertig wer­den.

Nur kurz zu einer sehr vagen Aussage, die Kollegin Elisabeth Kerschbaum gemacht hat – sie ist jetzt leider nicht hier –: Ich meine das nicht als Kritik, aber wir haben auch im Ausschuss schon sehr intensiv diskutiert über die technisch nicht gesicherten bezie­hungsweise technisch gesicherten Eisenbahnkreuzungen. Sie hat gesagt, die Sinnhaf­tigkeit von technisch gesicherten Eisenbahnkreuzungen ist zu hinterfragen; ich glaube, das ist schon eine vage Aussage. Ich komme selber aus einer Gemeinde, durch die ei­ne Hauptstrecke hindurchführt und in der eine nicht gesicherte Eisenbahnkreuzung gar


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 60

nicht vorstellbar wäre. Dort gibt es drei technisch gesicherte Eisenbahnkreuzungen! Da muss man schon sagen, ich könnte es mir nicht vorstellen, dass dort keine technisch gesicherte Eisenbahnkreuzung wäre.

Wir haben im Ausschuss auch kompetente Aussagen auf Fragen erhalten, wofür ich mich sehr bedanken möchte. Es ging um die Unfälle und um deren Ursachen. Dort ist wirklich zum Vorschein gekommen, oder die Zahlen, die wir dort bekommen haben, ha­ben uns gezeigt, dass nur ganz selten beziehungsweise heuer, glaube ich, überhaupt kein Fall aufgetreten ist, dass ein technisches Gebrechen auf der Eisenbahnkreuzung, irgendwo am Ampellicht, die Ursache des Unfalles gewesen wäre, sondern eigentlich war es wirklich nur Selbstverschulden.

Zum Abschluss kann ich daher aufgrund meiner Erfahrungen aus der eigenen Gemein­de sagen, dass man da oft eine Risikobereitschaft sieht. Da versuchen Autolenkerin­nen und ‑lenker – ich weiß nicht, gibt es da Wettbewerbe? –, ob es sich ausgeht, dass man noch durchkommt, wenn das rote Licht schon 30 oder 40 Sekunden vorher leuch­tet, nachher die Schranken niedergehen. (Rufe bei der ÖVP: Ein rotes Licht leuchtet hier auch schon lang! – Heiterkeit bei der ÖVP.) Ich hoffe, Kollege Perhab, du bist bei deinen Redebeiträgen auch immer so aufmerksam und schaust auf die Lampe hier am Rednerpult.

Ich bin ohnehin schon fertig, aber es ist mir wichtig, das zu sagen: Diese Risikobereit­schaft ist oft natürlich ebenfalls zu hinterfragen, denn auf diese Weise kommt es auch zu Unfällen, leider auch zu tödlichen Unfällen.

Grundsätzlich: Noch einmal herzlichen Dank für den Bericht! – Danke für die Aufmerk­samkeit. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.25


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Perhab. Ich erteile es ihm. (Bundesrat Mag. Klug: Aus der Steiermark!)

 


12.25.23

Bundesrat Franz Perhab (ÖVP, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Frau Bundesministerin! Keine Angst, ich werde das Zeitvolumen nicht überstra­pazieren, aber der Redebeitrag von Herrn Kollegen Krusche hat mich als einen, der ebenfalls Abgeordneter aus diesen Regionen ist, doch dazu bewegt, hier eine differen­ziertere Stellungnahme abzugeben.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich möchte mich ausdrücklich dafür bedanken, dass unter Ihrer Ägide für die Steiermark, was die Infrastruktur der Österreichischen Bundesbahn betrifft, Großartiges geleistet wird. Es sind zwei Großprojekte in der Stei­ermark in Umsetzung, die wir jahrzehntelang herbeigesehnt haben, und ich bedanke mich, aus der Region Schladming kommend, dafür, dass das Infrastrukturpaket für die Ausrichtung der alpinen Skiweltmeisterschaft in unserer Region bereits umgesetzt wird. Daher: Herzlichen Dank!

Trotz dieser Dankbarkeit darf ich aber doch auch nicht verhehlen, dass uns natürlich eine etwaige potenzielle Verdünnung des Taktverkehrs zwischen Graz und Salzburg – zwischen Graz und Linz ist sie ja, glaube ich, schon Realität – als regionale Abgeord­nete schon betroffen macht. Ich melde mich deswegen, weil ich genau weiß, was mor­gen im Pressedienst von Herrn Kollegen Krusche im Bezirk Liezen und im Bezirk Leo­ben drinsteht. Da steht nämlich drin: ÖVP- und SPÖ-Bundesräte winken Einstellung des Taktverkehrs Graz - Salzburg durch den Bundesrat. (Bundesrätin Mühlwerth: So etwas habt ihr ja noch nie gemacht!)

Erstens einmal, Herr Kollege Krusche, reden wir heute über den Gemeinwirtschaftli­chen Leistungsbericht 2010. Aus Aktualitätsgründen natürlich auch meine Bitte an die


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 61

Frau Bundesministerin: Vielleicht könnte man an Herrn Generaldirektor Kern herantre­ten, um die Fakten doch noch einmal zu überprüfen oder zu evaluieren! Es gibt näm­lich eine Studie, heute in der „Kleinen Zeitung“ publiziert, des Institutes für Geografie und Raumforschung in Graz. Da kommen diese Wissenschaftler – und ich bin nicht da­für bekannt, dass ich nur Studien interpretiere, sondern ich habe schon auch selbst ei­ne Meinung dazu –, auf Zahlen, die mir zu denken geben.

Es wurde nämlich in den internen ÖBB-Berechnungen berechnet, dass in diesen sie­ben Zügen, die zwischen Graz und Salzburg täglich verkehren, im Schnitt 35 Direkt­gäste pro Zug drinnen sind und dadurch der Zug – darüber brauchen wir nicht zu de­battieren – natürlich betriebswirtschaftlich nicht zu führen ist. Vergessen wurde dabei, dass 150 Fahrgäste entlang der Bahnstrecke bei diversen Haltestellen zusteigen und dadurch die Rechnung schon anders ausschaut: Sie kommen damit auf 760 000 po­tenzielle Fahrgäste in einem Jahr, die dann verloren wären und die indirekt bewirken, dass ungefähr 400 000 zusätzliche Autofahrten möglich wären – hochgerechnet.

Jetzt bin ich als Ennstaler geprüft auf der Straße, wir haben nach wie vor ein riesiges Straßenproblem. Wenn wir eine nicht leistungsfähige oder eine nicht angebotsorientier­te Bundesbahn haben, dann haben wir in dieser Beziehung natürlich ein Mega-Pro­blem in der Region. (Bundesrätin Mühlwerth: Also hat Krusche doch recht, oder?) – Ich rede jetzt von der fachlichen Ebene, Frau Kollegin, und nicht mehr von der politi­schen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Ich würde wirklich bitten, Frau Ministerin, vielleicht können wir diese Argumente doch noch einmal überprüfen und einen gut österreichischen Kompromiss finden: Wir führen weniger, aber qualitativ höherwertige Züge, und das mit größeren Anbindungen in den süddeutschen Raum. Warum schaffen wir das nicht? – Mit einmal Umsteigen, vielleicht in Bischofshofen oder in Salzburg, muss oder sollte der deutsche Gast – wir würden es uns wünschen – in unsere Region kommen, auf einem hohen Qualitätslevel; und dann, glaube ich, würde es auch so sein, dass diese Züge vermehrt angenommen werden.

Das wäre heute meine Bitte, und ich denke, anlässlich des Gemeinwirtschaftlichen Leistungsberichtes fürs nächste Jahr nehmen wir von der ÖVP-Fraktion den für 2010 natürlich zur Kenntnis. Wie es nächstes Jahr ausschaut, können wir nicht sagen, aber auf keinen Fall ist es so, dass wir damit einer Verdünnung oder einer Reduzierung un­serer Zugsverbindung zwischen Graz und Salzburg zustimmen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.29


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Bitte, Herr Bundesrat Krusche.

 


12.30.04

Bundesrat Gerd Krusche (FPÖ, Steiermark): Herr Kollege Perhab, ich werde dich in meinem Pressedienst als einzigen steirischen Abgeordneten, der sich zu diesem The­ma geäußert hat, lobend erwähnen.

Frau Bundesminister, ich habe ursprünglich gedacht: Fernsehen sei Dank, Sie werden also in Ihrer Antwort vielleicht auf die steirischen Probleme eingehen. Offensichtlich würden Sie das ohne Fernsehen überhaupt nicht der Mühe wert finden. Aber Sie ha­ben mich trotzdem enttäuscht, Sie sind nämlich überhaupt nicht darauf eingegangen. (Zwischenrufe bei der SPÖ.) Sie haben nur mehrmals wiederholt, dass sich das Ange­bot der Bahn insgesamt verbessert hat. Das ist sehr schön, und ich freue mich auch für die niederösterreichischen Kollegen, wenn sie zukünftig durch Lainzer-Tunnel und Wie­nerwald-Tunnel schneller nach St. Pölten kommen.

Aber wir sitzen hier im Bundesrat, das ist die Länderkammer; ich bin vom steirischen Landtag entsandt und habe daher die Aufgabe, auch ganz besonders steirische Inter-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 62

essen wahrzunehmen. Sie sind auf diese Argumente überhaupt nicht eingegangen. Kollege Perhab hat das kurz angesprochen, mit diesen angeblich nur 35 Fahrgästen, die direkt fahren.

Ich habe bereits gesagt, dass in diesen Zahlen – und ich habe diese Erhebungsmetho­de von einem Eisenbahngewerkschafter mitgeteilt bekommen – nur die Schalterkarten berücksichtigt wurden und alle anderen nicht. Sie sind mit keinem Wort darauf einge­gangen, dass Sie offensichtlich diese von den ÖBB vorgelegten Zahlen kritiklos hin­nehmen und meinem Wunsch nicht entsprechen werden, die ÖBB aufzufordern, end­lich fundierte, seriös recherchierte Zahlen als Basis für die angebliche Unwirtschaftlich­keit der Züge vorzulegen.

Von der Wirtschaftlichkeit der ÖBB generell, Herr Kollege Stadler, habe ich eigentlich überhaupt nicht gesprochen. (Bundesrat Stadler: Heute nicht!) Ich wage jetzt nur – weil Sie mich darauf gebracht haben – zu behaupten: Wenn wir vielleicht weniger Geld in Spekulationen und in ungarische Bahnen verspekuliert hätten, dann hätten wir Geld für die lokalen Züge. (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stadler: Genau Sie sagen das! – Weitere Zwischenrufe bei SPÖ und FPÖ. – Bundesrat Stadler: Wann ist das passiert, Herr Kollege?)  Ja, die Schulden haben wir heute noch. (Bundesrat Stadler: Denken Sie zurück! – Bundesrätin Mühlwerth: 600 Millionen haben Sie ...!) Deswegen würde ich ... (Bundesrat Gruber: Wisst ihr, wer damals Verkehrsminister war?) – Jetzt kommt die alte Leier wieder! (Bundesrat Stadler: Keine alte Leier! Das sind Tatsa­chen!)  Ja, ja. (Bundesrat Stadler: Mit dem müsst ihr leben!)

Würde man seitens der ÖBB die Züge auf der Westbahn so beurteilen (anhaltende Zwischenrufe bei der SPÖ – Vizepräsident Todt gibt das Glockenzeichen) – eine Ruhe da! –, dass man nur jene Fahrgäste, die von Wien nach Salzburg oder Bregenz fahren, zählt, dann müsste man auf der Westbahn wahrscheinlich etliche Züge einstellen. (Bundesrat Stadler: Dann sind Sie aber schon lange nicht mehr gefahren mit dem Zug! Da müssen Sie einmal mit dem Zug fahren!)

Wenn Sie sagen, es gibt ohnehin genügend Regionalverbindungen, so muss ich Ihnen schon sagen: Es geht ja um die Attraktivität der Verbindungen. (Bundesrat Stadler: Du hast ja keine Ahnung!) Wenn ich in fünf oder sechs Stunden oder noch länger mit drei­mal Umsteigen nach Salzburg komme, so wird das niemand annehmen. Genau das war auch die Methode, wie man seinerzeit schon die Graz-Linz-Verbindungen einge­stellt hat, nämlich mit dem Argument, sie werden nicht angenommen – no na net! Wenn man mit einer ewigen Fahrzeit, mit unattraktiven, alten Zügen, wie das dort der Fall war, fährt, dann ist klar, dass das nicht angenommen wird. (Bundesrat Stadler: Dann bist du aber schon 30 Jahre nicht mehr mit dem Zug gefahren!)

Man sollte sich endlich einmal überlegen: Wie kann man etwas machen?, und nicht nur: Wie kann man es begründen, wenn man etwas nicht machen will?! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Stadler: Du fährst wahrscheinlich mit der Pferdekutsche herum!)

12.34


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? (Bundesrat Gruber: Ihr habt vier Verkehrsminister gehabt, und bei jedem ist es schlechter geworden! – Bundesrat Krusche: Die ÖBB war immer rot! – Weitere Zwischenrufe.)

Ich frage noch einmal: Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Berichte erfolgt getrennt.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 63

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht der Bundesanstalt für Verkehr 2010, vorgelegt von der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Tech­nologie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit, der Antrag ist somit angenommen.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Tätigkeitsbericht der Schienen-Con-
trol GmbH 2010.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest, der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Gemeinwirtschaftlichen Leistungsbe­richt 2010 der Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit, der Antrag ist somit angenommen.

12.35.515. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 geändert wird (1391 d.B., 1057/A und 1418 d.B. sowie 8597/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen zu Punkt 5 der Tagesordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Posch-Gruska. Bitte um den Bericht.

 


12.36.19

Berichterstatterin Inge Posch-Gruska: Sehr geehrte Frau Minister! Herr Präsident! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Ich bringe den Bericht des Landesverteidigungs­ausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Auslandseinsatzgesetz 2001 geändert wird. Der Be­richt liegt Ihnen schriftlich vor.

Der Landesverteidigungsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Novem­ber 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Dönmez. Ich erteile es ihm.

 


12.37.02

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Regierungsvorlage möchte sozusagen in nationales Recht verwandeln, was eigentlich praktisch schon völ­kerrechtlich verankert ist. Es ist an sich ein gutes Ansinnen, nur besteht das Problem darin, dass die Substanz dieses nationalen Gesetzes wieder nicht klar geregelt ist und wir uns auf derselben Ebene wie jetzt weiterbewegen.

Wir werden deswegen nicht zustimmen können, denn wir wollen Rechtssicherheit ha­ben, wenn wir schon den Aufwand betreiben, wenn wir uns schon die Mühe machen, innerstaatlich eine Art Rechtsgrundlage für die Auslandseinsätze der Soldatinnen und Soldaten zu schaffen, die wir insgesamt sehr unterstützen. Wir wissen ja, dass im Ko­sovo Wesentliches geleistet wird, dass im Libanon sehr gute Arbeit geleistet wird. Die Soldatinnen und Soldaten vor Ort verdienen Unterstützung, sie verdienen auch Rechts­sicherheit.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 64

Diese Rechtssicherheit ist unseres Erachtens durch diese Vorlage nicht gewährleistet. Sie beschränkt sich sozusagen auf das, was völkerrechtlich ohnehin bereits Grundlage ist. Deswegen schließen wir uns auch der Kritik des Innenministeriums und der Arbei­terkammer an, die ebenfalls in diese Richtung vorstößt.

Sehr geehrte Frau Ministerin, wir appellieren noch einmal, dass dieses Gesetz konkre­tisiert werden muss. Sonst haben wir dieselbe Situation wie jetzt, dass Befugnisse erst auf dem Verordnungsweg festgemacht werden oder Befugnisse sich sowieso im allge­meinen Bereich der völkerrechtlichen Grundlagen bilden und die SoldatInnen dann, wenn es um Rechtsauseinandersetzungen in Österreich geht, auch nicht bessergestellt sind.

Deshalb werden wir diesem Tagesordnungspunkt nicht unsere Zustimmung erteilen. – Danke für die Aufmerksamkeit. (Beifall bei den Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

12.39


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Beer. Ich erteile es ihm.

 


12.39.22

Bundesrat Wolfgang Beer (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundesräte! Seit mehr als 50 Jahren macht Österreich diese Auslandseinsätze, insgesamt auf drei Kontinenten und in 13 Missionen. Durch die veränderten Rahmenbedingungen ist es – wie es auch Kollege Dönmez schon angesprochen hat – eigentlich notwendig geworden, dieses Gesetz, das wir heute hier auch beschließen werden, für die Rechtssicherheit der Sol­datinnen und Soldaten auszuarbeiten und auch zu verwirklichen.

Der Rechnungshof hat in einem Bericht bereits darauf hingewiesen und gefordert, dass bei EU-geführten Einsätzen die Rules of Engagement Gültigkeit haben. Diese regeln das Verhalten der militärischen Kräfte im Auslandseinsatz und formulieren das aus. Nur haben wir das Problem, dass diese Regeln mit unseren österreichischen Gesetzen nicht immer kompatibel sind. Da diese Kompatibilität mit der österreichischen Rechts­ordnung nicht zu 100 Prozent gegeben ist, haben wir immer wieder die Probleme ge­habt, dass Österreich Vorbehalte anmelden musste und die Aufgaben von österreichi­schen Soldaten daher nicht in vollem Umfang durchgeführt werden konnten.

Durch dieses Gesetz, das wir heute hier beschließen, können nun alle Aufgaben mit der nötigen gesetzlichen Deckung durchgeführt werden. Das sind im Großen und Gan­zen Aufgaben zur Krisenbewältigung und polizeiähnliche Aufgaben. Darunter fallen un­ter anderem Personenkontrollen, Fahrzeugkontrollen, Hausdurchsuchungen, die Durch­setzung von Sperrgebieten, auch Ausgangssperren, bis hin zur Bewältigung von De­monstrationen und Aufständen sowie Festnahmen.

Aber auch körperliche Gewalt und der Einsatz von Waffen werden damit geregelt. Die­se Vor-Ort-Einsätze sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen in den österreichischen Ge­setzen nur ungenügend geregelt. Mit diesem Gesetz wird nun Rechtssicherheit ge­schaffen – und nicht nur ein halbes, kleines, wieder nicht ausreichendes Gesetz einge­führt.

Bei den Bereichen, in denen sich Österreich engagiert, geht es eigentlich immer nur um friedenssichernde Maßnahmen oder den Wiederaufbau und auch immer nur um Hilfsaktionen. Österreich genießt, nicht zuletzt durch diese Maßnahmen, einen ausge­zeichneten Ruf, ein wunderbares Ansehen in der ganzen Welt.

Doch obwohl es sich da um Friedensmissionen handelt, kann es auch zu Gefährdun­gen von Leib und Leben unserer Soldatinnen und Soldaten kommen; und wir sind auf­gerufen, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich auch unsere


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Soldatinnen und Soldaten im Verteidigungsfall nicht unterschiedlichen Interpretationen aussetzen müssen, damit da Rechtssicherheit besteht. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

12.43


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


12.43.28

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Die Republik Österreich hat seit über einem halben Jahrhundert Einheiten und Einzelpersonen zu Auslandseinsätzen verschie­denster Art in alle Teile dieser Welt entsandt und hat sich durch das große Engage­ment, die gute Ausbildung, die Professionalität und die Führungsqualität der eingesetz­ten Kräfte hohe Anerkennung in der Staatengemeinschaft verdient.

Derzeit befinden sich österreichische Einheiten im Kosovo, in Bosnien und Herzegowi­na sowie im Nahen Osten im Einsatz. Dabei sind sie nicht nur mit Katastropheneinsät­zen, Einsätzen zur Trennung von Konfliktparteien oder zur Überwachung von Waffen­stillstandsvereinbarungen konfrontiert, sondern werden verstärkt auch bei aktiven Frie­denssicherungen zu Durchsetzungsaufgaben, Krisenbewältigungen und polizeiähnli­chen Aufgaben abkommandiert.

In Fällen der Ausübung von Befugnissen durch österreichische Organe, die in Rechte Dritter eingreifen, stellt sich natürlich die Frage nach deren innerstaatlichen rechtlichen Grundsätzen. Die Ausübung solcher Befugnisse kann nach völkerrechtlichen Regelun­gen von Personen- und Fahrzeugkontrollen über Hausdurchsuchungen, die Durchset­zung von Sperrbereichen und Ausgangssperren bis hin zur Bewältigung von Demons­trationen und Aufständen reichen.

Zur Durchsetzung dieser Befugnisse kommen nach den völkerrechtlichen Regelungen auch Festnahmen, der Einsatz körperlicher Gewalt bis hin zu lebensgefährdendem Waffengebrauch in Betracht. Diese im Rahmen der Befugnisausübung gesetzten Handlungen entsprechen überwiegend den Tatbildern unseres Strafrechts, weshalb für die Straffreiheit dieser Handlungen ein entsprechender Rechtfertigungsgrund gegeben sein muss.

Für diese Fälle kommt über die dem innerstaatlichen Strafrecht und dem Völkerge­wohnheitsrecht bekannten Rechtfertigungsgründe wie Notwehr und Nothilfe hinaus ein zusätzlicher Rechtfertigungsgrund in Betracht, nämlich – was überaus wichtig ist – die Ausübung von Amts- und Dienstpflichten aufgrund einer ausdrücklichen Befugnisnorm.

Die völkerrechtlichen Grundlagen, insbesondere das Mandat beziehungsweise die in­ternationale Einsatzanweisung, bilden zwar die entsprechende Grundlage für die Be­fugnisausübung, jedoch ist die Anwendung dieser Normen durch ein österreichisches Strafgericht nicht immer optimal gelaufen. Mit dieser Änderung des Auslandseinsatzge­setzes wird die notwendige Rechtssicherheit für unsere im Auslandseinsatz befindli­chen Kräfte geschaffen. Der § 6a regelt diese Aufgaben und Befugnisse im Auslands­einsatzgesetz, wobei im Abs. 2 die Befugnisse in neun Punkten detailliert angeführt sind.

Abschließend möchte ich noch festhalten, dass seit 1960 in den unterschiedlichsten Ländern dieser Welt mehr als 90 000 Soldatinnen und Soldaten sowie Exekutivorgane in Auslandseinsätzen eingesetzt wurden. Das ist angesichts der Größe unseres Lan­des eine überaus beachtliche, bemerkenswerte Anzahl. Wenn man bedenkt, dass Ös­terreich derzeit auf drei Kontinenten Truppen in 13 Missionen mit knapp 1 400 Mann stellt, so ist es doch unsere Pflicht, ihnen neben der Ausrüstung und den Schutzme­chanismen, die es bereits gibt, auch den rechtlichen Rahmen zur Seite zu stellen. Da-


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her ist dieser Gesetzesbeschluss mehr als notwendig. Wir geben dazu gerne unsere Zustimmung. – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

12.46


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


12.47.09

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen im Bundesrat! Die Auslandsein­sätze haben sich von der Sinnhaftigkeit her in den 50 Jahren kaum verändert. Das Ziel ist nach wie vor die Friedenssicherung beziehungsweise der Umbau zu demokrati­schen Strukturen und letzten Endes eine Veränderung hin zu Rechtsstaatlichkeit in die­sen Staaten.

Was sich aber sehr wohl verändert hat, ist natürlich die Sichtweise von außen und die Wahrnehmung der Allgemeinheit – und diese ist im Laufe der Zeit eine wesentlich sen­siblere geworden. Unsere Soldaten bewegen sich letzten Endes in einer Rechtslage, die von drei Rechtgebern bestimmt ist. Das ist einerseits das Völkerrecht, andererseits das Recht am Einsatzort und letzten Endes das Recht, mit dem sie entsendet sind, nämlich das österreichische Gesetz.

Daher ist es natürlich nötig, die Rechtslage so aufzubauen und so herzustellen, dass sich diese Soldaten weniger in einem Rechtskonflikt befinden und die tägliche recht­liche Gratwanderung vielleicht eingedämmt beziehungsweise abgestellt werden kann. Da, glaube ich, Efgani Dönmez, könnten wir schon sagen: Wenn es sich verbessert, könnten wir dem noch zustimmen.

Aber insgesamt zum Militär oder zum Bundesheer: Heute hatten wir das Thema Beam­te und öffentlicher Dienst im Blickfeld. Da habe ich ein ungutes Gefühl. Wir hungern aus, wir reden von Abschaffung. Die Beamten und Beamtinnen im Bundesheer leben in Ungewissheit, was ihre Existenz in der Zukunft angeht. Ich selber war gerne Prä­senzdiener und bin für die allgemeine Wehrpflicht, weil die Landesverteidigung letzten Endes etwas ist, das uns alle angeht.

Nun noch einmal zurück zum Gesetz: Natürlich werden wir zustimmen, weil dieses Ge­setz letzten Endes fast eine Arbeitsplatzevaluierung für die im Einsatz befindlichen Sol­daten und Soldatinnen ist. – Danke. (Beifall bei FPÖ, SPÖ und ÖVP.)

12.49


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Lindinger. – Bitte.

 


12.49.45

Bundesrat Ewald Lindinger (SPÖ, Oberösterreich): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben schon gehört, Öster­reich hat eine sehr lange Tradition, wenn man das schon so bezeichnen kann, was die Auslandseinsätze unserer Soldatinnen und Soldaten im Dienste der Friedenssicherung und Krisenbewältigung betrifft. Begonnen haben diese Einsätze eigentlich mit Katastro­phenhilfseinsätzen und mit dem Dienst in den sogenannten Pufferzonen zwischen den Konfliktparteien und Konfliktstaaten.

Viele österreichische sogenannte Blauhelme waren auf Zypern, auf den Golanhöhen, im Nahen Osten im Einsatz. Derzeit befinden sich unsere Einheiten noch im Nahen Osten, im Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, das sind die Haupteinsatzorte und ‑regio­nen. Diese Einheiten brauchen aber Sicherheit und die Gewährleistung, dass sie rechts­staatlich tätig sind. Mit dieser Änderung des Auslandseinsatzgesetzes 2001 bekommen diese Einsatzgruppen rechtliche Sicherheit.

Ich habe mich persönlich bei einem Besuch auf Zypern, nämlich Anfang 2001 in Fama­gusta im Camp Duke Leopold V, überzeugen können, wie wichtig unsere Blauhelme


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 67

dort in dieser Pufferzone zwischen Nord- und Südzypern sind. Wenn man das Land sieht – es ist ja heute schon Mitglied der Europäischen Union –, dann weiß man, wel­chen Einsatz sie da geleistet haben.

Ich war auch bei unseren Soldatinnen und Soldaten in Visoko bei Sarajevo, gerade nach dem Vertrag von Dayton im Dezember 1995, als der Vertrag abgeschlossen wur­de und die Bedingungen für die Friedensverhandlungen gesetzt wurden. Ich war auch im Juni 1996 in Bosnien-Herzegowina und habe mich bei mir persönlich bekannten Of­fizieren und Unteroffizieren in Visoko überzeugen können, dass Österreich mit seinen Einsätzen einen sehr hohen Status, hohe Anerkennung gefunden hat, gerade was die Errichtung von Infrastruktur und die Hilfestellung bei der Organisation betrifft  in Zei­ten, als es in diesen Ländern nicht so friedlich war.

Als Wahlbeobachter habe ich auch das Camp Casablanca in Suva Reka im Kosovo besucht. Auch da habe ich mich überzeugen können, dass unsere Einheiten sehr viel gute Arbeit leisten, bei der Bevölkerung sehr anerkannt sind und gerne gerufen wur­den, wenn Not war und Hilfe geleistet werden musste.

Gerade heute haben wir wieder in den Medien hören können, dass unsere Soldatinnen und Soldaten auch andere Einsätze leiten. Wenn nämlich in Sarajevo ein Paragleiter abstürzt und der Hubschrauber des österreichischen Bundesheeres gebraucht wird, dann leisten unsere Bundesheersoldaten, die in diesen Ländern im Einsatz sind, Unter­stützung.

Wenn wir an unsere 1 400 Soldatinnen und Soldaten denken, die im Ausland für den Frieden Dienst leisten, dann brauchen sie auch eine rechtliche Absicherung. Aus die­sen Gründen stimmen wir diesem Gesetz gerne zu. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.53


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Somit gelangen wir zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

12.54.13 6. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und die Gewerbeordnung 1994 ge­ändert werden (1385 d.B. und 1451 d.B. sowie 8584/BR d.B.)

7. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzprokuraturgesetz geändert wird (1384 d.B. und 1452 d.B. so­wie 8585/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nunmehr kommen wir zu den Punkten 6 und 7 der Ta­gesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 6 und 7 ist Herr Bundesrat Gruber. Ich bitte um die Berichte.

 


12.54.46


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 68

Berichterstatter Manfred Gruber: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kollegin­nen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsgesetz 2007 und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden.

Der Bericht ist Ihnen schriftlich zugegangen; ich komme daher gleich zur Antragstel­lung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

Ich komme zum zweiten Bericht des Finanzausschusses, nämlich über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Fi­nanzprokuraturgesetz geändert wird.

Auch hiezu liegt Ihnen der Bericht schriftlich vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung:

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates kei­nen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Mag. Pisec. – Bitte.

 


12.55.58

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrte Damen und Herren! Mit diesem Gesetz über die Abänderung des freien Gewer­bes des Finanzdienstleistungsassistenten – an und für sich schon ein komplizierter Na­me – wurde das Gewerbe des Wertpapiervermittlers mit Befähigungsnachweis ge­schaffen.

Der Gedankengang, einen neuen Namen einzuführen, ist sicherlich gut. Verpasst wur­de da eine Chance – es ist nämlich das ganze Gesetz eine verpasste Chance –, ein­deutig Ordnung zu schaffen. Warum? – Festgeschrieben wird hier ein neuer Befähi­gungsnachweis. Doch auf Anfrage im Finanzausschuss konnte mir nicht mitgeteilt wer­den, wie dieser neue Befähigungsnachweis aussehen soll.

Zeit hatte die Bundesregierung, von der jetzt niemand anwesend ist, genug; denn an­lässlich der Pleite von Lehman Brothers im Spätherbst 2008, infolge des Konkurses und der Subprimekrise war es ein Anliegen aller fünf Parteien im Parlament, mit einem Entschließungsantrag dieses Gesetz zu ändern. Dies wurde bis heute nicht umgesetzt.

Ein Wertpapiervermittler, um das kurz zu erklären, darf in Zukunft ausschließlich Ak­tien, derivative Produkte, Anleihen und Zertifikate handeln. Nun ist der Begriff „derivati­ves Produkt“ schon sehr schwierig. Auf eine akademische Diskussion über die Frage, was das ist, würde ich mich hier nicht gerne einlassen.

Da wurde verabsäumt, Klarheit zu schaffen. Neben dem Wertpapiervermittler wird es weiterhin geben: den Versicherungsmakler, den Versicherungsagenten, den Vermö­gensberater, den Bankbeamten, den Bankangestellten, der am Schalter gegenüber dem Konsumenten und gegenüber dem Investor alles darf – und nun wird es eben auch die­sen Wertpapiervermittler geben.

Da wurde verabsäumt, Klarheit zu schaffen, vor allem den Konsumenten und den In­vestoren gegenüber; denn die hätten gerade aufgrund der Verunsicherung und der Skandale in den letzten Jahren ein Anrecht darauf, Klarheit zu bekommen.

Ein Anrecht, Klarheit zu bekommen, hat auch die gesamte Finanzbranche. Sie leidet nämlich unter dem schlechten Image, das in den letzten Jahren erzeugt wurde. Sie lei-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 69

det darunter, dass eben kein entsprechend hoher Ausbildungsstandard gewährleistet wird. Mit diesem Gesetz wurde das weiter verpasst.

Wenn man sich den österreichischen Kapitalmarkt – und damit die Wiener Börse – im Detail anschaut, um zu sehen, wer dort eigentlich tätig ist ... (Staatssekretär Mag. Schie­der betritt den Sitzungssaal.) – Grüß Gott, Herr Staatssekretär! (Staatssekretär Mag. Schieder: Grüß Gott!) – Damit sind wir schon bei der Sache. Dort ist der öster­reichische Staat mit seinen Staatsanleihen tätig. Mehr als 60 Prozent der Anleihen no­tieren österreichische Schuldverschreibungen, Obligationen und eben der Staat per se.

Wir haben es heute mit einem Gesamtemissionsvolumen der Republik Österreich von 174 Milliarden € zu tun, nur 20 Milliarden € davon sind private Unternehmensanleihen, und sogar im Jahr 2010 hat allein der österreichische Staat 32 Milliarden € an der Wie­ner Börse begeben.

Das ist unfassbar, weil mit diesem enorm hohen Emissionsvolumen Kapitalaufbringung für die privaten Unternehmen wesentlich erschwert wird. Der Kapitalmarkt erfüllt ja ei­gentlich eine sinnvolle Aufgabe. Er ist dazu da, damit sich die Unternehmen refinan­zieren können, damit die Unternehmen Eigenkapital sowie Fremdkapital in Form von Anleihen aufnehmen können, um damit die Unabhängigkeit, die dringend notwendig ist für österreichische Firmen, von den Banken zu reduzieren.

Der Staat ist heutzutage omnipräsent in allen unseren Lebensbereichen. Ich darf kurz zusammenfassen: Wir haben es mit einer Abgabenquote von 45 Prozent zu tun, dabei sind schon 3 Prozent uneinbringlich. Ich nehme an, deswegen wird ja auch die Finanz­prokuratur aufgerüstet. Wir haben es mit einer Ausgabenquote des österreichischen Staates von 52 Prozent zu tun. Das ist ein unfassbar hoher Prozentsatz. Es ist der Zweithöchste in ganz Europa. Dieser gehört auf jeden Fall auf unter 40 Prozent ge­drückt. Ich möchte erwähnen, das Schweizer Modell hat überhaupt nur 35 Prozent.

Wir haben es mit unheimlich hohen Lohnnebenkosten zu tun. Wenn wir dem Arbeit­nehmer heute 100 € brutto zahlen, erhält er mickrige 34 €. Den Rest kassiert der öster­reichische Staat. Ich möchte den österreichischen Staat als Leviathan-Modell bezeich­nen, der uns alle mit seinen hohen Belastungen für Arbeitnehmer, für Arbeitgeber, zu tributpflichtigen Marionetten degradiert hat. (Bundesrat Steinkogler: Das hat aber mit Wertpapieren nichts zu tun! – Zwischenruf des Bundesrates Tiefnig. – Bundesrätin Dr. Winzig: Wir haben aber noch Triple A!) – Das hat mit dem Wertpapierbereich des­wegen zu tun, weil – wie ich zuvor gerade erwähnt habe – sich der österreichische Staat am Kapitalmarkt mit enormen Summen refinanziert und gerade der österreichi­sche Staat ein besonderes Interesse an diesem Kapitalmarkt hat, der funktionieren muss und sollte.

Daher ist es auch kein Wunder, dass mit diesem Wertpapiergesetz keine Klarheit ge­schaffen wurde, weil die Schadensfälle – wie auch im Finanzausschuss berichtet wur­de – enorm gestiegen sind. Die Finanzprokuratur muss daher aufrüsten – zu Recht. Die Finanzprokuratur ist wichtig, damit in Österreich keine griechischen Verhältnisse herrschen.

Was wir jedoch ablehnen ist, dass den KMU-Betrieben im Jahr 2009 die Verfahrens­hilfe gestrichen worden ist, und die finanzschwachen KMU-Betriebe hiedurch eindeutig benachteiligt werden. Hier wurde keine Äquivalenz zwischen der starken Finanzproku­ratur und den heute leider Gottes schwachen KMU-Betrieben hergestellt.

Aus diesem Grund lehnen wir beide Gesetze ab. Das Erste wäre sinnvoll gewesen. Ich würde es eine verpasste Chance nennen. Beim Zweiten ist keine Äquivalenz zu erken­nen. – Danke (Beifall bei der FPÖ.)

13.02



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 70

Vizepräsident Reinhard Todt: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Winzig. – Bitte.

 


13.02.21

Bundesrätin Dr. Angelika Winzig (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, dass es wichtig ist, Anlageberatungsberufe neu zu regeln, insbesondere den Finanzdienstleistungsassistenten. Herr Kollege Pisec hat ja die Leh­man Brothers erwähnt, aber der Finanzdienstleistungsassistent hat nichts mit den Leh­man Brothers zu tun, denn der hat keine Produkte gemacht, er hat nur in der Praxis be­raten.

Was wir in den letzten Jahren im Bereich der privaten „Häuslbauer“ oder auch im Be­reich der Fremdwährungsfinanzierung von KMU-Betrieben erlebt haben, war für viele leider existenzbedrohend und das ist es auch noch in Zukunft. Sie brauchen nur an die Endfälligkeitsmodelle bei Firmengebäudefinanzierungen zu denken. Es wurde mittels Fonds und Versicherungen in der Ansparungsform finanziert. Das Ganze wurde mit ei­nem Fremdwährungskredit abgedeckt. Das und eine unüberschaubare Laufzeit von mehr als 20 Jahren, das birgt natürlich ein Risikopotential. Dafür bräuchten diese Be­triebe wieder hohe Eigenkapitalquoten, die aber gerade diese Betriebe dann leider nicht aufweisen können.

Es ist auch ein Irrglaube, dass jeder Unternehmer, der gut in seiner Branche arbeitet, sich auch bei Finanzdienstleistungen auskennt. Darum ist es auch wichtig, dass unsere zukünftigen Berater gut geschult sind, und das wird der neu geschaffene Finanzver­mittler auch gewährleisten. Es wurde damit eine Verbesserung der Beratungsqualität, eine Verbesserung der Rechtssicherheit für die Kunden, auch mehr Verantwortung für die Konzessionsträger und eine effizientere Aufsicht erreicht.

Ja, es stimmt, es sind einige Punkte der Wirtschaftskammer Österreich leider nicht in Betracht gezogen worden. Wir hätten den Wunsch gehabt, dass der Wertpapiervermitt­ler auch für Banken und Versicherungen tätig sein darf, dadurch würde sein Markt nicht eingeschränkt sein. Auch eine Haftpflichtversicherung anstelle der Solidarhaftung für die Wertpapierunternehmen ist von Herrn Minister Hundstorfer abgelehnt worden.

Aber ich kann Ihnen versichern, Herr Kollege Pisec, die Wirtschaftskammer wird sich dafür einsetzen, dass der Befähigungsnachweis und die richtige Ausbildung gewähr­leistet sein werden.

Mir tut es auch leid, dass nicht alle Punkte der Wirtschaftskammer umgesetzt worden sind. Trotzdem ist es ein sinnvolles Gesamtpaket, dem wir gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.04


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schreuder. Ich erteile es ihm.

 


13.05.08

Bundesrat Marco Schreuder (Grüne, Wien): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, wenn wir über dieses Ge­setz sprechen, sollte man sich noch einmal an den historischen Zusammenhang erin­nern. Das war ein sehr erfolgreicher gemeinsamer Antrag aller Fraktionen im National­rat, auch nach der Erfahrung der Finanzkrise von 2008. Zu Recht haben sehr viele Ini­tiativen, wie beispielsweise der VKI, darauf hingewiesen, dass es eine Unmenge an Anlageberatern und -beraterinnen, Vermögensberatern und -beraterinnen und unfass­bar viele Pakete gibt, die angeboten worden sind. Die sind so kompliziert, dass sie am Ende niemand verstanden hat, und leider die Berater und Beraterinnen, die die Pro-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 71

dukte übernommen oder angeboten haben, zum Teil auch nicht. Von denen wussten sie im Grunde nicht viel. Warum nicht? – Weil keine Ausbildung oder keine Befähigung für diesen Beruf des Wertpapiervermittlers gefragt war.

Im Zusammenhang, wie man das regeln kann und welche Voraussetzungen solche Personen haben sollten, wurden oft sechs Forderungen kundgetan: das Verbot von py­ramidenspielartigen Vertriebssystemen für Finanzinstrumente, die Offenlegungspflicht für Provisionen, eine detaillierte Informationspflicht zu möglichen Verlusten, die Schaf­fung eines neuen Berufsbildes des freien Anlageberaters auf Honorarbasis statt Provi­sionen, Ausbildungsstandards für angestellte Finanzberater im Vier-Augen-Prinzip und die Abschaffung des Finanzdienstleistungsassistenten als freies Gewerbe.

Der letzte Punkt wird jetzt umgesetzt, die anderen Punkte fehlen in diesem Gesetz. Das finden wir ausgesprochen bedauerlich, weil nach wie vor große Verwirrung und Unsicherheit in diesen Punkten herrschen. Wir wissen es ja alle. Hier geht es tatsäch­lich um Menschen, die ein Haus bauen und dafür einen kleinen oder einen größeren Kredit aufnehmen wollen, um Menschen, die etwas mit ihrem Vermögen machen wol­len, und die hier unsicheren Geschäftsmodellen – um es einmal vorsichtig auszudrü­cken – ausgesetzt sind.

Wir bekritteln an diesem Gesetz auch, dass es noch nicht definiert ist, welcher Befähi­gungsnachweis zukünftig erbracht werden soll. Da wird wohl eine zusätzliche Verord­nung notwendig sein. Vielleicht kann uns das der Herr Staatssekretär heute noch erklä­ren, wie das in Zukunft gemacht werden soll. Wir hätten einmal gerne ein Gesetz, das mehr Antworten gibt statt neue Fragen zu stellen und das hier klarere Regelungen und Rechtssicherheit bietet, gerade für die kleinen Menschen, die ihr Vermögen anlegen wollen.

Man sollte aber natürlich auch etwas Positives sagen. Den ausbildungsfreien Wertpa­piervermittler gibt es nicht mehr. – Und das finden wir gut so.

Die anderen Punkte hätten wir gerne noch umgesetzt. Es gibt Signale aus dem Natio­nalrat, dass die Arbeitsgruppe weiter daran arbeiten möchte. Das hoffen wir. Wir hoffen auch, dass wir uns weiter mit diesem Thema beschäftigen können und dass es hier ei­ne noch bessere Regelung geben wird, der auch wir dann zustimmen können. – Vielen Dank. (Beifall bei den Grünen.)

13.08


Vizepräsident Reinhard Todt: Nächster Redner: Herr Bundesrat Lampel. – Bitte.

 


13.08.54

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geschätzter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Schreuder hat es vorhin richtig gesagt: Alle wollten es und jetzt gibt es auf einmal andere Töne zu hören. Es ist sicherlich ein Schritt, und weitere Schritte müssen folgen.

Mit der vorliegenden Novelle werden die Finanzdienstleistungsassistenten also abge­schafft. Diese oft als „Keiler“ bezeichnete und meist für große Finanzvertriebe tätige Berufsgruppe war im Zuge der Finanzkrise massiv in Kritik geraten. Sie durften theore­tisch auch ohne Vorkenntnisse Aktien und andere Anlageprodukte verkaufen.

Mit dieser Gesetzesnovelle wird aus dem bisherigen freien Gewerbe ein reglementier­tes Gewerbe der sogenannten Wertpapiervermittler. Aber es ist nicht nur ein neuer Na­me, unter dem die heutigen Finanzdienstleistungsassistenten zukünftig arbeiten wer­den. Durch die neuen Ausbildungskriterien, den Fort- und Weiterbildungserfordernis­sen wird die Qualität und Sicherheit von Wertpapiervermittlern mehr denn je verbes­sert.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 72

Potentielle Wertpapiervermittler haben eine Befähigungsprüfung abzulegen und müs­sen danach alle drei Jahre ab Beginn der Gewerbeberechtigung eine Weiterbildung in einem Umfang von mindestens 40 Stunden mit Zertifizierung durch eine unabhängige Ausbildungsinstitution oder andere zertifizierte Stelle nachweisen.

Gerade in einer Branche, in der man immer auf dem Laufenden sein muss, ist eine op­timale Weiterbildung eine sinnvolle und notwendige Regelung. Das höhere Bildungsni­veau soll die Beratungsqualität steigern und einen Anreiz für die Hauptberuflichkeit schaffen. Bereits als Finanzdienstleistungsassistenten tätige Vermittler haben in einer Übergangszeit die Befähigungsprüfung abzulegen und der Behörde den Prüfungsnach­weis vorzulegen, wobei der Befähigungsnachweis noch zu diskutieren ist.

Durch die strengeren Kriterien hat der Konsument bessere Chancen. Er hat zum Bei­spiel mehr Transparenz bei Abschluss des Wertpapiergeschäftes, mehr Sicherheit auch durch die Solidarhaftung der Wertpapierfirmen und Wertpapierunternehmungen und der Konsument darf aufgrund der Ausbildungsbestimmungen für den Wertpapiervermittler auf wirklich fachgerechte Beratung vertrauen.

Mit der Änderung des Wertpapieraufsichtsgesetzes und der Gewerbeordnung ist, glau­be ich, ein im Sinne des Schutzes der kleinen Anlegerinnen und Anleger und im Sinne der Konsumentinnen und Konsumenten ein erster wichtiger Schritt in die richtige Rich­tung gesetzt worden, wobei weitere Schritte folgen sollten.

Meine Partei wird daher dieser Gesetzesnovelle auf jeden Fall zustimmen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.12


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Steinkogler. – Bitte.

 


13.12.12

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Geschätzte Damen und Herren! Es wurde schon viel gesagt. Pro­fessionalisierung und Qualitätssicherung bei der Anlageberatung sind die wichtigsten vorliegenden Änderungen der Reform des Wertpapieraufsichtsgesetzes und der Ge­werbeordnung, denn durch diese Reformierung der Anlageberatungsberufe wird der bisherige Finanzdienstleistungsassistent durch den Beruf des Wertpapiervermittlers er­setzt. Durch diese Novelle wird erstmals ein reglementiertes Gewerbe für Wertpapier­vermittler geschaffen. Berater müssen künftig eine fachliche Schulung von mindestens 40 Stunden vorweisen. Dieses Wissen muss alle drei Jahre in einem Lehrgang aktuali­siert werden.

Grundsätzlich ist diese Novelle wichtig und richtig. Die großen Bösewichte, wie es heu­te schon gesagt wurde, waren aber in der Vergangenheit bei Gott nicht die Finanz­dienstleistungsassistenten. Nein, sie haben nur jene Produkte verkauft, die von den Fi­nanzgurus und den Finanzjongleuren, wie AMIS oder MEL, um nur einige zu nennen, geschaffen und angepriesen wurden. Nicht die Finanzdienstleistungsassistenten waren die Erfinder. Die Erfinder sind in einer anderen Etage zu suchen.

Wenn wie vor einigen Tagen von einer Großbank publik wird, dass sie über 5 Milliar­den CDS, also sogenannte Giftpapiere, außerbilanziell angehäuft hatte und durch ent­sprechende Verlustabschreibungen auch die Aktienbesitzer zum Handkuss kamen, wird deutlich, dass die Verursacher nicht die sogenannten kleinen Finanzdienstleis­tungsassistenten oder in Zukunft die Wertpapiervermittler waren und sind, sondern die­se in den höchsten Etagen zu suchen sind. Sie sind für den gigantischen Vertrauens­verlust gegenüber unserem Finanzsystem hauptverantwortlich.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 73

Also lassen wir deshalb die Kirche im Dorf. Trotzdem wird durch die heutige Be­schlussfassung die Beratungsqualität und die Rechtssicherheit und somit auch der Konsumentenschutz entsprechend gestärkt. (Beifall bei der ÖVP.)

13.14


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Staatssekretär Mag. Schie­der, den ich herzlich im Bundesrat begrüße. – Bitte.

 


13.14.44

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Bundesräte! Ich darf mich für die herzliche Begrüßung bedanken und meiner Freude Ausdruck verleihen, deinen Vorsitz hier im Bundesrat genießen zu dürfen.

Zum Thema an sich. Wie Herr Bundesrat Schreuder schon richtig angemerkt hat – und auch da freut es mich, einem ehemaligen gemeinsamen Kollegen aus den Zeiten des Wiener Landtags hier wieder auf parlamentarischem Boden wieder zu begegnen –, es ging auf einen Fünf-Parteien-Antrag, also auf einen Entschließungsantrag aller Partei­en, zurück, der festgelegt hat, es solle eine Reform der Anlageberufe geben.

Warum kam es zu diesem Antrag? – Es haben sich natürlich im Zuge der Finanzkrise die Schwächen, auch im Vertriebssystem, besonders eklatant dargestellt und es wurde notwendig, diese Schwächen zu beseitigen, um so in Folge Lehren aus der Krise zu ziehen und ein besseres System aufzustellen.

Die Novelle, die heute hier vorliegt, folgt vier Prinzipien, nämlich einer besseren Bera­tungsqualität, weil das oft der Kritikpunkt war, mehr Konsumentenschutz, weil das der zweite Kritikpunkt war, dass gerade bei dieser Form des Vertriebssystems nicht nur die Beratungsqualität nicht immer den Erfordernissen entsprochen hat, sondern auch der Konsumentenschutz ins Hintertreffen geraten ist, eine bessere Aufsicht und eben mehr direkte Verantwortung der Anbieter.

Wie gesagt, das ist ein Bereich, der einerseits viele Menschen betrifft und wo vieles falsch gelaufen ist. Auch wenn die Produkte an sich das Problem waren, war natürlich auch ein mangelhafter Vertriebsweg ein Problem, wenn er nicht die Beratungsqualität in dem Ausmaß sichergestellt hat, wie es oft war. Sehr oft haben wir auch miterlebt, dass die Kauf- oder die Veranlagungsentscheidung nicht auf einer Beratung oder einer vernünftigen Veranlagungsstrategie gefußt hatte, sondern einfach aufgrund eines Na­heverhältnisses zu dem Verkäufer entstanden ist. Das ist natürlich gerade bei Vermö­gensveranlagung eine sehr schlechte Entscheidungsgrundlage.

Deswegen haben wir die wesentlichen Neuerungen jetzt in der Novelle festgelegt: eine umfassende Aus- und Weiterbildungsverpflichtung für Wertpapiervermittler in der Form des gebundenen Gewerbes, so wie es auch die Vorredner schon angesprochen ha­ben, die Begrenzung der Mehrfachvermittlung, um so klar zu machen, für wen und wie viele gearbeitet wird, die Begrenzung der Tätigkeit auf bestimmte Unternehmen, um auch hier Einhalt zu gebieten und die Führung eines öffentlichen Registers bei der Fi­nanzmarktaufsicht, um auch die Aufsicht und die Transparenz zu verbessern.

Welche Aus- und Weiterbildungserfordernisse in welcher Art und Weise angerechnet werden, ist noch Gegenstand der Gespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium ei­nerseits und der Wirtschaftskammer andererseits. Das wird noch am Verordnungsweg im Detail festgelegt, weil das natürlich noch genau geklärt werden muss, welche spezi­fischen Aus- und Weiterbildungen und welche Art der Anerkennung es geben wird. Aber das Grundprinzip, nämlich dass sowohl für die Aufnahme des Gewerbes eine grundsätzliche Ausbildung als auch für den Betrieb des Gewerbes eine laufende Fort-und Weiterbildung notwendig ist, ist hier im Gesetz festgelegt worden.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 74

Damit ist das Gesetz ein kleiner, aber ein sehr wichtiger Beitrag für eine umfassende Reform der Finanzmärkte, in der wir uns befinden, wo wir schon einiges erledigt haben, wo Sie heute mit Ihrer Beschlussfassung wiederum einen weiteren Schritt für eine Re­form der Finanzmärkte und der Regulierung derselben leisten, wo wir auch wissen, dass im globalen und im europäischen und auch im österreichischen Maßstab sicher­lich noch weitere Schritte zu einer sinnvollen Regulierung der Finanzmärkte folgen müs­sen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

13.18


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen dazu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Wertpapieraufsichtsge­setz 2007 und die Gewerbeordnung 1994 geändert werden.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

Nun kommen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Ok­tober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Finanzprokuraturgesetz geän­dert wird.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Das ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist angenommen.

13.20.068. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Protokoll zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Südafrika und Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 4. März 1996 unterzeichneten Abkommens zur Vermei­dung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (1395 d.B. und 1453 d.B. sowie 8586/BR d.B.)

9. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Ge­biete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll (1411 d.B. und 1454 d.B. sowie 8587/BR d.B.)

10. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Abkommen zwi­schen der Regierung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien über Zusammenarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen (1382 d.B. und 1455 d.B. sowie 8588/BR d.B.)

 



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 75

Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gelangen nunmehr zu den Punkten 8 bis 10 der Tagesordnung, über welche die Debatte unter einem durchgeführt wird.

Berichterstatter zu den Punkten 8 bis 10 ist Herr Bundesrat Lampel. Bitte um die Be­richte.

 


13.21.07

Berichterstatter Michael Lampel: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika und Zusatzprotokoll zur Abände­rung des am 4. März 1996 unterzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppel­besteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme sogleich zum nächsten Bericht des Finanzausschusses über den Be­schluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stim­menmehrheit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich komme nun gleich zum dritten Bericht des Finanzausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Abkommen zwischen der Regie­rung der Republik Österreich und der Regierung der Republik Armenien über Zusam­menarbeit und gegenseitige Amtshilfe in Zollsachen.

Der Bericht liegt Ihnen ebenfalls in schriftlicher Form vor; ich komme sogleich zur An­tragstellung.

Der Finanzausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mag. Pisec. Ich erteile es ihm.

 


13.23.33

Bundesrat Mag. Reinhard Pisec (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Südafrika ist nicht nur ein großes Land mit über 5 000 Kilometern Küste, es ist zuletzt auch aufgenommen wor­den in die Gruppe der aufkommenden Schwellenländer, der BRICS-Staaten, die insge­samt schon ein Drittel des Welthandelsvolumens ausmachen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 76

Südafrika ist auch kein armes Land. Es ist sehr reich an Bodenschätzen und hat es so­gar geschafft, vor Kurzem Finanzhilfe an die marode Europäische Union anzubieten, weil diese mit ihrer Staatsverschuldungspolitik hinten und vorne nicht mehr zurecht­kommt. Der südafrikanische Rand ist mittlerweile stabiler als der Euro. Für einen, der mit der Realwirtschaft zu tun hat, ist es heute unheimlich schwierig, mit der Währung des Euro überhaupt noch zu handeln. Die Volatilitäten sind nicht in den Griff zu krie­gen. Und das ist ein Thema der Politik. (Staatssekretär Mag. Schieder: Da ist aber ein Rechenfehler in Ihrem Programm! Da haben Sie einen Virus!)

Südafrika wird vom ANC regiert, Südafrika wird schlecht und recht von Jacob Zuma regiert, hat aber eine exzellente Oppositionspolitikerin, Helen Zille, die 2008 zur World-Bürgermeisterin von Kapstadt gewählt wurde – ein Titel, von dem der Wiener Bürger­meister kilometerweit entfernt ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Der Wiener Bürgermeister ist auch deswegen kilometerweit entfernt, weil es Helen Zille geschafft hat, die Finanzen von Kapstadt, die Misswirtschaft von Kapstadt und die Kor­ruption in den Griff zu kriegen. Da darf ich wieder einen Vergleich mit Wien machen: In Wien ist ein Drittel der gesamten Neuverschuldung des Jahres 2010 aus Spekulations­geschäften entstanden, aus dem Fremdwährungskreditgeschäft. Wenn man sich mit Spekulation ein bisschen auseinandersetzt, so ist es ein absolutes No-Go, eine Dop­pelspekulation zu machen, wie es Wien gemacht hat: einerseits auf die Zinsen zu spe­kulieren und andererseits auf die Währung, wie es beim Franken-Kredit gemacht wur­de. (Zwischenrufe bei ÖVP und SPÖ.) – Linz gehört auch dazu, aber ich rede von Wien, denn ich bin als Wiener Abgeordneter hier im Bundesrat.

Dieses Doppelbesteuerungsabkommen ist im Prinzip eine Textvorlage aus dem OECD-Bericht. Das wurde hier einfach übernommen, aber auf die österreichischen Ge­gebenheiten wurde nicht Rücksicht genommen.

Was sind die besonderen österreichischen Gegebenheiten? – Das ist unser Bankge­heimnis gewesen, auf das wir stolz gewesen sind und das dem Schweizer Modell, das es dort heute noch gibt, sehr ähnlich war. Von dem haben wir Abstand genommen. Da­bei wäre es gerade für Österreich wichtig, den Bankensektor neu aufzustellen. Der Bankensektor ist zu schwergewichtig in Österreich, der gehört systematisch gesundge­schrumpft, kleiner gemacht und verstärkt. Die österreichischen Banken haben heutzu­tage Schwierigkeiten, überhaupt die Eigenkapitalquote von 9 Prozent aufzubringen.

Aus diesem Grunde sind wir nicht bereit, diesen Doppelbesteuerungsabkommen so­wohl mit Südafrika als auch mit Tadschikistan – ein kleines, aber ein sehr schönes Land – zuzustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

13.26


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Greiderer. – Bitte.

 


13.27.02

Bundesrätin Elisabeth Greiderer (ÖVP, Tirol): Sehr geehrter Herr Vizepräsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wie schon erwähnt, wurde dieses Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung zwischen der Republik Österreich und der Repu­blik Südafrika schon am 4. März 1996 abgeschlossen. Die Abänderung dieses Abkom­mens und auch der anderen wurde deshalb notwendig, da sie nicht mehr den neuen OECD-Standards entsprechen, was die steuerliche Transparenz und Amtshilfebereit­schaft betrifft.

Österreich hat schon zirka hundert solcher Abkommen zur Vermeidung der Doppelbe­steuerung beschlossen. Es wird nicht gewollt, dass doppelt besteuert wird, es soll da-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 77

mit aber Steuerumgehung sehr wohl verhindert werden. Das ist eine wichtige Voraus­setzung für gute Handelsbeziehungen, kommt der österreichischen Wirtschaft und Ex­portwirtschaft zugute und schafft und sichert Arbeitsplätze.

Mit der Republik Tadschikistan haben wir zurzeit noch kein Doppelbesteuerungsab­kommen. Da hier aber die wirtschaftlichen Beziehungen laufend zunehmen, begrüße ich dieses Doppelbesteuerungsabkommen, zumal es dann auch für österreichische Fir­men einfacher sein wird, Investitionen in Tadschikistan zu tätigen.

Zur Vereinbarung mit Armenien ist zu sagen, dass es hier um die Amtshilfe zwischen beiden Staaten in Zollsachen geht, was eine wirksame Maßnahme gegen Schmuggel sein kann und auch in Bezug auf Drogenhandel ein entsprechendes Einschreiten er­möglicht.

Da wir in diesem Jahr schon einige Doppelbesteuerungsabkommen diskutiert und be­schlossen haben, kennen wir ja die Argumente der FPÖ. Sie befürchtet leider immer den gläsernen Menschen und hilft damit nur den Steuerhinterziehern und den Geldwä­schern.

Wir machen das ja schließlich nicht aus Jux und Tollerei, sondern diese Abkom-
men werden laufend vom Global Forum der OECD geprüft und einer sogenannten Peer Review unterzogen, das sind regelmäßige Expertenüberprüfungen, die eben die Einhaltung dieser Fragen kontrollieren. Es ist jedenfalls für uns wichtig, diesbezüglich positive Bewertungen und somit keine wirtschaftlichen Nachteile hier in Österreich zu haben.

Zusammenfassend möchte ich noch einmal sagen: Damit wir hier in Österreich nicht nur aus dem Wirtschaftswachstum anderer Staaten, sondern überhaupt aus dem Welt­handel einen entsprechenden Nutzen ziehen können, ist es wichtig, solche Verträge zu haben. Und deswegen bitte ich Sie auch um Zustimmung. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

13.29


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Schen­nach. – Bitte.

 


13.30.25

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­schätzte Herren Staatssekretäre! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Ich weiß nicht, Herr Kollege Pisec, Sie hätten über Ihre Rede schreiben können: Es lebe die Steuerhinter­ziehung!, denn ich sehe keinen einzigen vernünftigen Grund, den Sie hier heute vorge­tragen haben, außer dass Sie es gerne haben, dass man auf Steuerhinterziehung nicht draufkommt.

Ich weiß, das ist eine blöde Geschichte, denn nur so ist man zum Beispiel auf den Fall Meischberger und Hochegger draufgekommen. Die haben ja auch das Geld – das wa­ren 10 Millionen – nach Zypern geschafft, und das hat dann einen weiteren Skandal ausgelöst. Es ist blöd, wenn steuerliche Systeme transparent werden, denn dann kommt man nämlich auf verschiedene Dinge drauf.

Doppelbesteuerungsabkommen schaffen Transparenz. Das hat überhaupt nichts mit der Wertigkeit der Rand-Währung zu tun, die zugegebenermaßen eine sehr starke Währung geworden ist, und es ist ja auch wichtig, dass es wirtschaftlich starke Staaten zum Beispiel in Afrika gibt, aber Doppelbesteuerung hat mit der Währung überhaupt nichts zu tun. Also Sie reden irgendwie wie ... – Na ja, ich will jetzt keinen Vergleich ziehen, um keinen Ordnungsruf zu bekommen. Aber das Wichtige ist ja, dass ein Dop­pelbesteuerungsabkommen auch Sicherheit für viele Menschen schafft, die in beiden Staaten tätig sind, damit man zum Beispiel nicht zweimal besteuert wird, es schafft aber auch Sicherheit für das Finanzamt. (Präsidentin Mag. Neuwirth übernimmt wieder den Vorsitz.)


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 78

Wir hatten ja diesen Fall des Doppelbesteuerungsabkommens mit Schweden. Da ist man draufgekommen, dass man, wenn man in Schweden gesagt hat, man ist in Öster­reich besteuert, in Schweden nicht besteuert wurde, ohne lange nachzuschauen, wenn man gesagt hat, man ist in Schweden besteuert, hat man das in Österreich nicht tun müssen. Das war eine extreme Lücke. Ein Staatsgesamtes funktioniert jedoch nur, wenn jeder auch ordnungsgerecht seine Steuern zahlt.

Wenn Sie dieses Protokoll und auch das Zusatzprotokoll lesen, so geht es darin ei­gentlich um einen gesicherten Datenaustausch. Wie kann man gegen einen gesicher­ten Datenaustausch sein? – Nur dann, wenn man möchte, dass man Steuern hinterzie­hen kann.

Und es geht darum, Belastungen zu minimieren, damit man nicht zweimal für ein und dieselbe Leistung besteuert wird.

Tadschikistan, ein Armenhaus im Zentralkaukasus – neben Kirgisistan –, anders als die Nachbarstaaten, die alle Gas- und Ölvorkommen haben, ein armes Land. Wir ha­ben bisher keine Beziehungen im Bereich des Doppelbesteuerungsabkommens ge­habt, aber es ist insofern wichtig, als dadurch auch neue Maßstäbe gesetzt werden. Tadschikistan steht ja unter einer gewissen Beobachtung als Transferland für den Han­del mit Produkten, die wir in Europa nicht gehandelt haben wollen. Und ein auf OECD-Niveau abgeschlossener Vertrag fordert von einem Vertragsstaat eine Anstrengung im eigenen staatlichen System. Das heißt auch gegenüber Tadschikistan.

Gegen das Abkommen mit Armenien zu sein, das ist ja überhaupt Nonsens. Wenn man wünscht, dass der Schmuggel blüht, wenn man wünscht, dass die Markenpiraterie ihren Unfug treibt, dann kann man hier aufstehen und sagen: Ich bin dagegen, denn ich möchte, dass weiterhin Alkohol, Tabakwaren und so weiter geschmuggelt wer­den! – Dieses Abkommen mit Armenien inkludiert nicht nur die Doppelbesteuerung, sondern auch einen ganz massiven Kampf gegen den Schmuggel und gegen die Pro­duktpiraterie. (Zwischenruf des Bundesrates Mitterer.)

Nein, ich habe kein Wort von Armenien gehört, aber er hat gegen die Doppelbesteue­rungsabkommen gesprochen. Ich weiß nicht, wie lange wir hier in diesem Hohen Haus über den Sinn und Zweck und die Maßnahmen von Doppelbesteuerungsabkommen sprechen, aber das ist so irgendwie wie der Pawlowsche Reflex bei der FPÖ: Man hört Doppelbesteuerungsabkommen, Transparenz, Steuergerechtigkeit und weiß: Aha, da müssen wir dagegen sein!

Im Übrigen ein kleiner Hinweis: Der Wiener Bürgermeister war bis zum Jänner Vorsit­zender aller Bürgermeister der Internationalen Bürgermeistervereinigung. Das muss die Kollegin aus Kapstadt erst noch schaffen. Jetzt ist es der Bürgermeister von Istan­bul. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

13.35


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt der Herr Staatssekretär. – Bitte.

 


13.35.33

Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen Mag. Andreas Schieder: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Zwei grundsätzliche Antworten. Zuerst zum Sinn oder Nichtsinn von Doppelbesteuerungsabkommen, wie schon oft hier und auch andernorts in diesem Haus begründet.

Ich halte es einerseits für richtig und wichtig, Doppelbesteuerungsabkommen abzu­schließen und zweitens auch in der Form, wie die OECD-Novelle es uns nicht vor­schreibt, aber nahelegt, nämlich durch Inanspruchnahme ausgeweiteter Transparenz­möglichkeiten. Denn in Zeiten der immer moderner und schneller werdenden Verbre-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 79

chen, des Schwarzgeldwaschens und all dieser Vorkommnisse bewirken nur diese In­formations- und Transparenzmöglichkeiten sowie die dazu notwendige Gesetzgebung, dass man diesen Dingen auch auf die Schliche kommt und hinterdrein sein kann im Sinne von Ermittlung. Genau das sieht dieses OECD-Musterabkommen in seiner neu­en Form, wie wir es hier mit diesem Abkommen auch abschließen, vor, und das halte ich für richtig.

Zweitens muss man auch ganz klar sagen, es ist das österreichische Bankgeheimnis in seinem Grund und Wesen nicht betroffen hinsichtlich des Schutzes von Spareinlagen, Bankeinlagen und so weiter von Steuerösterreichern in Österreich.

Zu Ihrer Einschätzung Wiens hat Ihnen, sehr geehrter Herr Bundesrat, ein Wiener Bun­desrat ja schon eine richtige Antwort gegeben. Ich habe auch gemerkt, dass der Wie­ner Vizepräsident gerade erst das Podium mit der Salzburger Vizepräsidentin ge­tauscht hat, sodass er daher als einer der Wiener Bundesräte gemeinsam mit den an­deren Wiener Bundesräten zur Verfügung steht, Ihnen die Stadt so zu zeigen, wie sie wirklich ist, denn offensichtlich haben Sie ein falsches Bild der Wienerstadt.

Es ist auch im Verhältnis zu Kapstadt genau umgekehrt: Die Stadt Wien finanziert eine Schule in Südafrika, in einem Township in Kapstadt, aus Wiener Steuermitteln unter privater Beteiligung, weil es ein Anliegen ist, dort eine bessere Ausbildung zu or­ganisieren. Es sind auch sehr oft Politiker der Stadtregierung, des Landes Südafrika, aber auch der Provinz- oder der Bezirksverwaltungen in Wien zur Fortbildung, weil sie sich Verwaltungsmaßnahmen ansehen wollen, wie eine Stadt gut verwaltet werden kann, wie eine Stadtpolitik gut funktionieren kann, wie viele Detailserviceeinrichtungen dieser Stadt gut organisiert sind. Also offensichtlich sind auch der Eindruck und das Image in Kapstadt genau das Umgekehrte dessen, von dem Sie gesprochen haben

Aber zurück zum Kernthema. Südafrika ist der wohl wichtigste Handelspartner am afri­kanischen Kontinent. Südafrika hat 23 Prozent des BIP von Gesamtafrika, und schon von daher sieht man, welche wirtschaftliche Bedeutung das Land Südafrika hat. Zirka ein Drittel der österreichischen Lieferungen nach Afrika geht nach Südafrika, und das Handelsvolumen beträgt knapp 1 Milliarde €. 2010 waren es rund – es ist ungefähr gleich – 446 Millionen € Export und 524 Millionen € Import. Allein daran sieht man schon, wie wichtig es ist, mithilfe von Doppelbesteuerungsabkommen von vornherein klare, nachvollziehbare Rahmenbedingungen für die Handelsbeziehungen zu schaffen.

Mit Tadschikistan sind die Wirtschaftsbeziehungen, auch im Vergleich mit Südafrika, noch relativ gering, allerdings mit einem großen Ausbaupotenzial. Sie entwickeln sich auch stetig weiter. 2010 haben sich die österreichischen Exporte gegenüber dem Jahr 2009 um sage und schreibe 20 Prozent erhöht. Und man darf eines nicht verges­sen bei all dieser Dynamik: Tadschikistan war die ärmste der Sowjetteilrepubliken, konnte aber seine Wirtschaftsleistung massiv ausbauen und erhöhen. Die Bevölkerung in Armut betrug 1991 noch über 90 Prozent, 2009 waren es – noch immer sehr viel – nur mehr über 50 Prozent.

Das heißt, es gibt dort eine enorme Wohlstandserhöhung, die aber noch nicht ausrei­chend ist, es ist noch Wesentliches zu tun, aber es ist ein Land, das doch auch ein gro­ßes Potenzial hat. Allerdings unterliegt das Land gerade aufgrund der Krise großen Schwankungen, und es ist von dem Anstieg bei Nahrungsmittel- und Energiepreisen besonders stark betroffen, nämlich im negativen Sinn, dass die Menschen das massiv zu spüren bekommen. Gerade schwankende Wirtschaftsdaten machen deutlich, wie wichtig es ist, klare und nachvollziehbare Regeln für Wirtschaftsbeziehungen – auch im Verhältnis zwischen Österreich und Tadschikistan – zu schaffen.

Zum Zollabkommen mit Armenien nur zwei Punkte: Armenien ist leider einer der „wich­tigen“ – unter Anführungszeichen; im negativen Sinne – Umschlagplätze für Waren un-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 80

klarer Herkunft. Das heißt, es ist einer jener Orte, von denen viele Dinge herkommen, die bei uns als Schmuggel und illegale Raubkopien die Zollverwaltung betreffen. Daher ist ein Abkommen zur verbesserten Zollzusammenarbeit ganz wichtig im Kampf gegen internationalen Schmuggel, quasi zur Ermöglichung einer besseren Zusammenarbeit der österreichischen und der europäischen Zollbehörden.

Zollermittlungen haben immer zwei Seiten: wenn die Waren das eine Land verlassen und wenn die Waren in das andere Land – in diesem Fall Österreich – eingeführt wer­den. Daher ist eine Zusammenarbeit, eine Stärkung der armenischen Zollbehörden, sodass sie Schmuggelware, illegale Ware, verbotene Substanzen und Produkte, Medi­kamentkopien und all diese Sachen schon beim Export erkennen, sehr wichtig. Wenn sie schon einen Teil beim Export, bei der Ausreise aus Armenien, und wir einen Teil bei der Einreise abfangen, dann haben wir in Summe mehr Schmuggelware abgefan­gen und Wichtiges für den Wirtschaftsstandort Österreich getan.

Sehr oft hat man damit auch für die Gesundheit der Österreicherinnen und Österrei­cher etwas getan, weil der Schmuggel mit illegalen Waren nicht nur Raubkopien be­trifft, wodurch Wirtschaftsunternehmen betroffen sind, sondern sehr oft auch illegale Substanzen, die die Leute einnehmen und dadurch einen gesundheitlichen Schaden erleiden. Daher ist es ganz besonders wichtig, mit den Ländern, in denen es in diesem Bereich noch viel Durchlässigkeit gibt, Zollabkommen zu schließen und in der Aus- und Weiterbildung der Zollbehörden sehr stark zu kooperieren, weil Österreich ein großes Know-how hat und weil das letztlich dazu führt, dass der internationale Warenverkehr von dem, was wir nicht wollen, bereinigt wird, nämlich von Schmuggel, illegalen Sub­stanzen und Waren.

In diesem Sinne freut es mich, dass der Hohe Bundesrat – wie ich den Reden der Mehrzahl der Rednerinnen und Redner entnehmen konnte – heute diese Vorlagen po­sitiv abstimmen wird. Sie dienen letztlich dem Wirtschaftsstandort Österreich und der wirtschaftlichen Weiterentwicklung unseres Exportlandes. (Beifall bei der SPÖ, bei Bundesräten der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

13.42


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen hiezu liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Die Abstimmung über die gegenständlichen Beschlüsse des Nationalrates erfolgt ge­trennt.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend das Protokoll zwischen der Republik Österreich und der Republik Südafrika und das Zusatzprotokoll zur Abänderung des am 4. März 1996 un­terzeichneten Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 81

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte nun jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Nun gelangen wir zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Ok­tober 2011 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Repu­blik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerumgehung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen samt Protokoll.

Da der gegenständliche Beschluss Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsberei­ches der Länder regelt, bedarf dieser der Zustimmung des Bundesrates gemäß Arti­kel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz.

Wir gelangen zunächst zur Abstimmung, gegen den vorliegenden Beschluss des Natio­nalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu er­heben, ist somit angenommen.

Nun lasse ich über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss des National­rates gemäß Artikel 50 Abs. 2 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Abkommen zwischen der Regierung der Republik Ös­terreich und der Regierung der Republik Armenien über Zusammenarbeit und gegen­seitige Amtshilfe in Zollsachen.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

13.45.4711. Punkt

Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öffentli­chen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommis­sion für 2011 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010/2011 (III-423-BR/2011 d.B. sowie 8600/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 11. Punkt der Tages­ordnung.

Ich begrüße Herrn Staatssekretär Dr. Ostermayer ganz herzlich bei uns im Bundes­rat. – Herzlich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen.)

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Wenger. Bitte um den Bericht.

 


13.46.19

Berichterstatter Franz Wenger: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Bundesministe­rin! Herr Staatssekretär! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Verfassung und Föderalismus über den Bericht des Bundeskanz-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 82

lers und der Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst an das Parlament zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2011 und zum 18-Monatspro­gramm des Rates für 2010 und 2011.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Ausschuss für Verfassung und Föderalismus stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 den Antrag, den gegenständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Blatnik. – Bitte.

 


13.47.16

Bundesrätin Ana Blatnik (SPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Gospa pre­sident! Sehr geschätzte Frau Bundesministerin! Gospa zvezna ministrica! Sehr geehr­ter Herr Staatssekretär! Spoštovani gospod državni sekretár! Dieser Bericht ist ein ge­meinsamer Bericht des Bundeskanzlers und der Bundesministerin für Frauen und öf­fentlichen Dienst zum Arbeitsprogramm der Europäischen Kommission für 2011 und zum 18-Monatsprogramm des Rates für 2010 und 2011.

Es ist ein umfassender Bericht, ein umfassendes Nachschlagewerk über die Vorhaben der Europäischen Union im Bereich der Gleichstellung von Frauen und Männern. Die Maßnahmen basieren auf sechs Schwerpunkten:

erstens: gleiche wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen und Männern;

zweitens: gleiches Entgelt für gleiche und gleichwertige Arbeit;

drittens: Gleichstellung in Entscheidungsprozessen;

viertens: Schutz der Würde und Unversehrtheit – der Gewalt gegen Frauen ein Ende setzen;

fünftens: Gleichstellung in der Außenpolitik;

sechstens: Querschnittsfragen in Geschlechterrollen und Rechtslage.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte in meiner Rede auf die Wichtigkeit des Bereichs der Gleichstellung von Frauen und Männern eingehen. Die Frauenpolitik war und ist immer bestrebt, sich für den Kampf um Selbstbestimmung über das eigene Le­ben, für den Kampf um Unabhängigkeit, für den Kampf um Eigenständigkeit von Frau­en einzusetzen. Nur: Die Lage in Österreich – aber nicht nur in Österreich, in Europa und auch weltweit – hat sich nicht verbessert. Die Gehaltsschere ist leider größer ge­worden. Ich glaube, die gläserne Decke ist auch im 21. Jahrhundert kein Slogan, son­dern aktueller denn je.

Wie kommt es zu diesen Einkommensunterschieden? – Zu diesen Einkommensunter­schieden kommt es, weil leider über 40 Prozent der Frauen noch Teilzeit arbeiten; fast jede zweite Frau arbeitet Teilzeit. Fragen muss man sich auch, ob immer und überall die Kollektivverträge eingehalten worden sind. Der Unterschied resultiert auch daraus, dass es unterschiedliche Zulagen, unterschiedliche Einstufungen, eine unterschiedli­che Anrechnung der Vordienstzeiten und auch unterschiedliche Arbeitsbewertungen gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fakt ist, dass seit 30 Jahren gleicher Lohn für gleiche Arbeit gesetzlich festgeschrieben ist – und trotzdem besteht noch eine Einkommens­differenz. Trotzdem verdienen Frauen für gleichwertige Arbeit um ein Drittel weniger, und das deswegen, weil sie Frauen sind.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 83

Fakt ist, dass Frauen nach wie vor schlechtere Karten auf dem Arbeitsmarkt haben.

Fakt ist – und das habe ich schon erwähnt –, dass über 40 Prozent der erwerbstätigen Frauen Teilzeit arbeiten.

Fakt ist auch, dass Frauen noch immer zum Großteil unbezahlte Arbeit verrichten.

Fakt ist auch, dass Frauen einem größeren Armutsrisiko ausgesetzt sind.

Und Fakt ist leider auch, dass sich Frauen noch immer für typische Frauenberufe ent­scheiden, die schlecht bezahlt sind und in denen es keine Aufstiegsmöglichkeiten gibt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskriminierung von Frauen in Einkommensfragen ist für mich eigentlich unmenschlich. Sie ist beschämend für das 21. Jahrhundert und für die Frauen eine Diskriminierung und eine Demütigung. Es wurde schon viel getan – da möchte ich mich noch einmal bei der Frau Bundesministerin recht herzlich bedan­ken –, um diesen Einkommensunterschied zu minimieren.

Ich möchte Beispiele aufzählen: Einkommensbericht; bei Stelleninseraten müssen Löh­ne angegeben werden; der Gehaltsrechner, der am 3. Oktober 2011 online gegangen ist, mit dessen Hilfe Frauen herausfinden können, wie viel sie wirklich verdienen kön­nen, wie viel sie verlangen können.

Ich möchte da auch das einkommensabhängige Kindergeld und die zusätzlichen 50 Millionen €, die für den Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen bis 2014 für die Bundesländer reserviert sind, erwähnen. Ich möchte auch den Papa-Monat betonen – ich habe ihn heute schon einmal erwähnt –, der vor allem im öffentlichen Dienst ge­setzlich verankert ist. Ich wünsche mir eigentlich, dass das auch für die Privatwirtschaft gelten sollte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir uns das europäische Ranking anschauen, müssen wir erkennen, wir liegen hinsichtlich der Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im untersten Drittel. Da müssen noch weitere Schritte vollzogen werden.

Was können wir eigentlich tun, um diese Gleichstellung zwischen Männern und Frauen zu erreichen? – Ich glaube, wir müssen gesellschaftliche Maßnahmen setzen: Ausbau der Kinderbetreuung, vor allem bei den unter Dreijährigen. Wir haben jetzt Gott sei Dank die Neue Mittelschule. Der Ausbau der Ganztagsschulen wäre für die Eltern, aber vor allem für die Frauen sicherlich ein Vorteil und eine Erleichterung. Ich meine aber auch, dass wir Frauen motivieren müssen, dass sie sich nicht nur für typische Frauenberufe entscheiden, sondern dass sie auch typische Männerberufe wählen, zum Beispiel Berufe in der Technik. Ich glaube auch, dass wir eine Berufsorientierung in al­len Bereichen brauchen und dass wir Bewusstseinsbildung betreiben müssen.

Man muss auch Rollenbilder verändern. Man soll den Frauen Mut machen, Karriere­chancen zu ergreifen und auch einzufordern. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass mehr Frauen in Führungspositionen vertreten sind und dass mehr Frauen Mandate bekom­men. Es sollte auch ein frauenförderndes Budget geben, man würde es für Maßnah­men für Wiedereinsteigerinnen benötigen, für präventive Maßnahmen für die Sicherheit der Frauen und auch für die Berufsorientierung. Weitere Punkte sind: mehr Väter in Karenz und Papa-Monat für die Privatwirtschaft.

Ich möchte mich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für diesen Bericht recht herzlich bedanken. Unsere Fraktion wird diesen Bericht selbstverständlich zur Kenntnis nehmen.

(Bundesrätin Blatnik setzt ihre Ausführungen in slowenischer Sprache fort.) – Danke. Hvala lepa. (Beifall bei der SPÖ sowie bei Bundesräten der ÖVP.)

13.56


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Mayer. – Bitte.

 



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 84

13.56.39

Bundesrat Edgar Mayer (ÖVP, Vorarlberg): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Mi­nisterin! Herr Staatssekretär! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Blatnik hat die Themenschwerpunkte dieses Berichts bereits referiert, ich denke, das kann ich mir er­sparen.

Eigentlich ist die EU-Präsidentschaft Ungarns beendet, und es hat bereits die polni­sche EU-Präsidentschaft begonnen. Wir beleuchten also 18 Monate, die im Prinzip ab­geschlossen sind. Zur Ehrenrettung ist zu sagen, dass dieser Bericht schon vor länge­rer Zeit bei uns eingetroffen ist und natürlich auch einige Bereiche in die polnische Prä­sidentschaft hineinreichen. Deshalb kann man durchaus auch zum aktuellen Segment davon sprechen.

Ich möchte einige Passagen herausstreichen, unter anderem natürlich auch die Gleich­stellung von Männern und Frauen, weil es ein wichtiges und für mich als Arbeitnehmer­vertreter ein ganz besonderes Thema ist. Ich möchte das aber nicht so spezifisch ma­chen wie du, liebe Kollegin Blatnik, weil ich mich dann von euch beiden in die Mitte ge­nommen fühle. (Bundesrätin Blatnik: Ist das nicht schön? Ist das nicht schön?) Ich denke, dass dieses Thema von euch ausreichend und richtig referiert werden wird.

Ich möchte etwas über die Donauraumstrategie sagen. Da wird man jetzt vielleicht fra­gen, wie ein Vorarlberger dazu kommt, etwas zur Donauraumstrategie zu sagen (Zwi­schenruf bei der ÖVP), er hat ja mit der Donau praktisch nur zu tun, wenn er in Wien ist. Der Bundesrat hat im Mai dieses Jahres auf Initiative unseres Präsidenten Gottfried Kneifel eine Enquete abgehalten, die wichtige Impulse für die Weiterentwicklung dieser Strategie gebracht hat.

Wir wissen inzwischen, was man unter dieser Donauraumstrategie alles subsumieren kann, und es wird auch im Rahmen der polnischen EU-Präsidentschaft sehr intensiv an diesem Thema gearbeitet. Es basiert auf wichtigen Kernprinzipien: keine neuen Gel­der, keine neuen Institutionen und keine neue Gesetzgebung. Inhaltlich sind folgende vier Bereiche zu definieren: Vernetzung der Donauregion, Umweltschutz in der Donau­region, die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, Investitionen in Human Resources und Stärkung der Donauregion insgesamt.

Wie sieht dazu die österreichische Position aus? – Österreich hat die Lancierung einer EU-Strategie für den Donauraum vorgeschlagen und seither aktiv unterstützt. Das ge­hört zu den außenpolitischen Prioritäten Österreichs. Inhaltlich wurden von Österreich Themen wie Sicherheit und Governance vorgeschlagen, und das wurde dann auch in diesen Aktionsplan mit aufgenommen. Weitere wesentliche und wichtige Themen sind: Binnenschifffahrt, Ausbau multimodaler Verkehrsknoten, nachhaltige Energieversor­gung, Hochwasserschutz und Wassermanagement, Umweltschutz, Arbeitsmarkt, Zu­sammenarbeit im Bereich Bildung und Kultur und nachhaltiger Tourismus. – Das in al­ler Kürze zur Donauraumstrategie.

Ich möchte noch ein Beispiel vom Arbeitsmarkt zitieren, das in diesem Bericht auch an­geführt wird, denn vermeintlich zusätzliche Brisanz ergab sich für Österreich durch die Aufhebung der Übergangsfristen der Beschränkungen für die Arbeitnehmerfreizügig-
keit für insgesamt acht im Jahr 2004 beigetretene EU-Mitgliedstaaten mit Stichtag 1. Mai 2011. Es wurden negative Auswirkungen auf den heimischen Arbeitsmarkt be­fürchtet. In diesem Zusammenhang gab es eine interessante Initiative der Sozialpart­ner, nämlich eine vierteilige Konferenzreihe für Betriebsräte und Betriebsrätinnen in Österreich. Es sind insgesamt 945 BetriebsrätInnen in Schulungen in Wien, Graz, Linz und Salzburg auf diese Thematik vorbereitet worden. – Eine sehr gute Initiative, die es unbedingt zu erwähnen gilt.

Dieses Schreckensszenario, das insbesondere auch die Freiheitliche Partei verbreitet hat – das muss ich euch jetzt schon auch ganz kurz um die Nase schmieren, auf gut


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Vorarlbergisch –, dass Zehntausende Einwanderer unseren Arbeitsmarkt überschwem­men und die Österreicher dann in die Arbeitslosigkeit treiben würden, war wieder ein­mal ein typischer blauer Rohrkrepierer. Das in aller Deutlichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Zwischenruf der Bundesrätin Michalke.)

Wir haben nach wie vor die gleiche Situation auf dem Arbeitsmarkt. Wir haben den gleichen Facharbeitermangel wie vorher, und es haben sich durch diesen 1. Mai 2011 im Prinzip kaum Veränderungen ergeben. Das in aller Deutlichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen! (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen.)

Hinsichtlich der Gleichstellung von Männern und Frauen kann ich, wie gesagt, das un­terstützen, was Kollegin Blatnik gesagt hat. Ich möchte aus diesem großen Bereich nur zwei Beispiele herausnehmen und diese nicht unerwähnt lassen, weil da die Kommis­sion auch entsprechenden Druck macht.

Mit den politischen Leitlinien und der Bewertung der einzelstaatlichen Beschäftigungs­politiken wird die Kommission genau beobachten, mit welchen Strategien die Mitglied­staaten für eine stärkere Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und soziale Eingliede­rung von Frauen sorgen. Und in einem zweiten Schwerpunkt ist beispielsweise ge­plant, 2011 in enger Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern zu untersuchen, wie die Lohntransparenz verbessert werden kann und welche Auswirkungen Vertragsformen wie Teilzeit oder befristete Arbeitsverträge auf die Lohngleichheit haben.

Es ist deshalb auch wichtig, dass die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen und Männer zu den prioritären Vorhaben der polnischen Präsident­schaft gehört, die derzeit leider etwas zu kurz kommt, aber das ist eben auf die Pro­bleme in Griechenland und den EU-Rettungsschirm zurückzuführen. In der Wahrneh­mung, auch der medialen Wahrnehmung, der polnischen Präsidentschaft würde man sich wirklich einen stärkeren Zugang wünschen, unsere polnischen Freunde hätten sich das verdient.

Meine Fraktion wird diesem Bericht selbstverständlich gerne die Zustimmung geben. (Beifall bei ÖVP, SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.03


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bun­desrätin Kemperle. – Bitte.

 


14.03.12

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Frau Bundesminister! Herr Staatssekre­tär! Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Bundesrates! Kollege Mayer hat gemeint, dass er jetzt zwischen zwei Rednerinnen drankommt und mit Frauenthe­men konfrontiert ist. (Bundesrätin Blatnik: Schön!) Dazu muss ich sagen, dass es auch andere Themen gibt, für die wir Frauen uns interessieren und für die wir auch prädestiniert sind. (Beifall bei SPÖ und Grünen sowie des Bundesrates Mayer.)

Grundsätzlich ist es ja so, dass Artikel 23f Absatz 2 B-VG dazu auffordert, dass jeder Minister/jede Ministerin dem Nationalrat und dem Bundesrat Bericht darüber erstattet, welche Reformen, welche Vorhaben Rat und Kommission haben, und die österreichi­sche Position dazu bekannt gibt.

Dieser Bericht ist geprägt von einem ambitionierten Arbeitsprogramm, das so auch
im Jänner 2011 vorgelegt wurde – Stand dieses Arbeitsprogramms ist der 25. Jän­ner 2011. Mittlerweile wissen wir aber, dass sich doch einiges verändert hat und vieles von den Turbulenzen und Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise beziehungs­weise der Staatsdefizite und -schulden einiger Mitgliedstaaten überschattet wurde.

Das Arbeitsprogramm sah unter anderem vor: Bewältigung der Wirtschaftskrise und Schaffung von Grundlagen für einen Aufschwung, Wachstumsbelebung zur Schaffung


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von Arbeitsplätzen, Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Verhandlungen über einen modernen EU-Haushalt und Stärkung der Rolle der EU auf dem internationalen Parkett.

Ich möchte hier nur einige Punkte herausgreifen und Anmerkungen dazu machen.

Österreich machte beim Europäischen Rat im Februar seine Position zur Nuklearener­gie deutlich. Schon damals machte Österreich dem Rat klar, dass für uns gerade auf diesem Sektor Sicherheit Vorrang hat und es keine finanzielle Unterstützung aus Ge­meinschaftsmitteln für die Kernenergie geben soll.

Mittlerweile hat in verschiedenen Staaten ein Umdenken stattgefunden, ausgelöst auch durch Vorkommnisse, die wir lieber nicht gesehen hätten und nicht haben wollten. Auf­grund dessen geht uns in dieser Beziehung das Umdenken zu langsam. Wir würden uns wünschen, dass es da raschere Fortschritte, ein rascheres Umdenken gäbe.

Die Einführung der Europäischen Bürgerinitiative als Neuerung des Vertrags von Lissa­bon bringt Möglichkeiten der Teilhabe der BürgerInnen, Möglichkeiten, sie hinsichtlich relevanter Themen zu sensibilisieren und diese Themen auf europäischer Ebene ein­zubringen, wie dies zum Beispiel bei der europäischen Finanztransaktionssteuer von SPÖ und SPD angedacht war. Niemand hatte vor zwei Jahren gedacht, dass die Fi­nanztransaktionssteuer ein europäisches Thema sein könnte. Zwischenzeitlich ist es ein weltweites Thema geworden und beschäftigt nunmehr auch den G-20-Gipfel.

Im Gegensatz zur Finanztransaktionssteuer bewegt sich bei Maßnahmen hinsichtlich der Vielfalt der Beschäftigungsstruktur in Führungsetagen in der Europäischen Union nicht sehr viel bis gar nichts. Es drängt sich dabei das Bild auf, dass sich die EU-Kom­mission im Grünbuch „Europäischer Corporate Governance-Rahmen“ nur widerwillig damit auseinandersetzen will. Für tatsächlich und tagtäglich gelebte Unternehmenspra­xis ist das jedoch entscheidend. Freiwillige Verhaltensregeln haben lediglich dazu beigetragen, die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise noch weiter anzuheizen. Freiwillig geht hier gar nichts.

Unternehmen könnten zum Beispiel öffentlich darlegen, welche konkreten Maßnahmen gesetzt werden, um mehr Vielfalt in den Führungsgremien zu erreichen. Zudem bedarf es Kontrollmechanismen, durch die eine Überprüfung der tatsächlichen Aktivitäten mög­lich ist.

Ein erheblicher Missstand aus österreichischer Sicht – und da komme ich zum Bereich Frauenpolitik – ist vor allem der Umstand, dass in den Vorständen, Aufsichtsräten und Geschäftsführungen der Top-200-Unternehmen der Frauenanteil laut einer Untersu­chung 2011 um beinahe 1 Prozentpunkt gegenüber 2010 gesunken ist, nämlich von 5,3 auf 4,4 Prozent. Besonders problematisch stellt sich hier die Lage bei börsennotier­ten Unternehmungen dar. Untersuchungen von Mitte 2011 zeigen, dass nur zwei weib­liche Vorstände in börsennotierten Gesellschaften vertreten sind. Dies entspricht einer Frauenquote von 0,9 Prozent.

Österreich hat zwar im Zusammenhang mit Maßnahmen zu mehr Einkommenstrans­parenz – meine Vorrednerin Kollegin Blatnik hat bereits darauf hingewiesen – heuer ei­niges vorgelegt, aber Vielfalt herrscht derzeit lediglich in jenen Ländern, in denen eine Frauenquote bereits gesetzlich verankert ist. Dies ist zum Beispiel in Norwegen, Spa­nien, Frankreich und den Niederlanden der Fall. Daher wäre es nur gerecht und müss­te gefordert werden, in der EU eine einheitliche Regelung dazu herbeizuführen. (Beifall bei der SPÖ sowie der Bundesrätin Kerschbaum.)

Die weiteren Aufgaben und Treffen des Europäischen Rates hatten unter anderem und vor allem die Stabilisierung der Mitgliedstaaten und des Euro zum Inhalt, vom Europäi­schen Stabilitätsmechanismus über Europa 2020, Koordinierung der Wirtschaftspolitik


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bis hin zur Besteuerung des Finanzsektors. Die Vorschläge reichten weit, manche gin­gen für uns viel zu weit, wie zum Beispiel der „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“, der Wettbewerb um die niedrigsten Löhne, um die niedrigsten Sozialstandards und um das niedrigste Sozialsystem. Hier war ebenfalls Druck notwendig, und ich glaube, SPÖ und ÖGB waren hier einer Meinung, haben sich dagegen ausgesprochen beziehungsweise haben Maßnahmen gesetzt, dass dies nicht der Fall wurde.

Was Europa allerdings braucht, ist ein Sozialpaket für Wachstum und Beschäftigung mit einem zusätzlichen Schwerpunkt auf Forschung und Entwicklung, unter Einbezie­hung der Sozialpartner. Ähnlich sah auch die EU-Wirtschaftsregierung eine einseitige Ausrichtung auf Sparpolitik und Einschränkung betreffend antizyklische Fiskalpolitik vor.

Durch eine Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte geraten vor allem Länder mit einem Leistungsbilanzdefizit in den Fokus, während es kaum Druck auf Staaten mit zu schwacher Binnennachfrage gibt. Weitere Schritte in eine neoliberale Wettbewerbs­union drohen.

Immerhin ist es gelungen, eine Schutzklausel gegen Eingriffe in die Tarifautonomie zu verankern.

Ebenso gerieten mit der Krise umlagefinanzierte Pensionssysteme unter erhöhten Druck. Aufgrund der schlechten budgetären Lage ist die Tendenz gegeben, bei staatli­chen Versorgungssystemen vorschnell Einsparungen zu propagieren, zugleich aber kapitalgedeckte und marktbasierende Pensionssysteme als Lösung darzustellen. Das ist in unseren Augen gerade in der Krise der falsche Weg.

Damit es in Zukunft nicht weiterhin zu permanenten Angriffsversuchen auf Tarifver­träge, Sozialleistungen und Pensionssysteme kommt, ist es an der Zeit, eine politische Schutzklausel gegen jegliche derartige Eingriffe auf EU-Ebene vorzusehen.

Kollege Mayer hat ja auch bereits erwähnt, dass es zu positiven Beispielen im Hinblick auf die Arbeitsmarktöffnung gekommen ist. Er hat uns da mit den vier Konferenzen ein, wie ich glaube, sehr positives Beispiel gebracht. Darüber hinaus gab es natürlich un­zählige Aktivitäten, die auch darüber informierten, gerade im Grenzbereich zu Ungarn, der Slowakei und Tschechien. Es gab dort noch einzelne Großkonferenzen, um auch dort den Menschen die Angst zu nehmen, die in diesem Zusammenhang zuvor von ei­nigen ordentlich geschürt wurde.

Das Arbeitsprogramm für die kommenden Monate muss daher enthalten: Soziales auf hohem Niveau EU-rechtlich endlich festschreiben, Kaufkraft stärken, Finanztransak­tionssteuer rasch einführen und EU-BürgerInnen, egal, ob Griechen, PensionistInnen oder arbeitslose Jugendliche in Spanien oder in Irland, Perspektiven für ein menschen­würdiges Leben und Visionen zu geben. Denn eines steht außer Streit: Ein Europa der Armut hat sicher keine Zukunft! Daher arbeiten wir für ein Europa mit einem sozialem Hintergrund und einer positiven Zukunft für uns alle.

Wir werden das Arbeitsprogramm zur Kenntnis nehmen. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.14


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächste zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.14.38

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Frau Ministerin! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle­gen! Ich empfinde diesen Bericht als vorbildlich. Ich würde mir wünschen, dass alle Mi­nisterien solche Berichte abliefern, wo wirklich bei jedem Punkt eine verständliche und


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relativ deutliche österreichische Position vermerkt ist. Ich kann nur gratulieren und mir wünschen, dass es mit Ihren Berichten so weitergeht. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)

Das Einzige, das mir nicht so gut gefällt, ist der Zeitpunkt, zu dem wir diesen Bericht diskutieren. Es ist schon erwähnt worden: Der Bericht liegt seit Jänner auf. Und unge­fähr drei Seiten des Berichtes beschäftigen sich damit, wie wir die österreichischen Me­dien zu mehr Berichterstattung über Europa bringen könnten und wie wir das alles an­legen könnten – wir haben jetzt Medien hier. Jetzt, ein Jahr, nachdem das vorgelegt wurde, im Nachhinein diskutieren wir darüber (Bundesrätin Mühlwerth: Genau!), was denn da die Position gewesen wäre oder ob irgendetwas anderes gescheiter gewesen wäre, und das ist ein bisschen kontraproduktiv.

Ich würde mir wirklich wünschen, dass man sich künftig Zeit nimmt – und das ist eine Bitte an die Damen und Herren auf der Regierungsbank –, diese Berichte wirklich rela­tiv bald zu diskutieren, nachdem sie erstellt wurden. (Staatssekretär Dr. Ostermayer: Wir machen nicht die Tagesordnung!)

Natürlich, ich kann schon verstehen, es ist nicht immer einfach, man möchte Themen zusammenfassen, und ich kann auch verstehen, dass nicht jeder Minister immer in den Bundesrat kommen will, um einen Bericht zu diskutieren, aber es müsste sich schon machen lassen, dass solche Dinge rascher erfolgen. Das wäre mir wirklich ein Anlie­gen.

Hinsichtlich der Frauenpolitik kann ich im Prinzip nur das unterstreichen, was Ana Blat­nik und auch Frau Kemperle gesagt haben. Nur eine Geschichte: Ich wäre auch sehr dafür, dass man endlich ernsthaft über Quoten gerade in börsennotierten Unterneh­mungen redet. Ich glaube, das ist die einzige Möglichkeit, dass sich wirklich etwas än­dert. In unserer Partei sind Quoten schon relativ lange festgeschrieben, auch wenn das dann nicht immer seine Auswirkungen hat – das ergibt sich so, wenn verschiedene Länder delegieren können. (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth.) Wir werden daran arbeiten, auch das zu verbessern. Aber das ist ein Gremium, das von vielen Sei­ten beschickt wird, wodurch es nicht so einfach ist, die Parität auch wirklich herzu­stellen, aber wir arbeiten daran und überlegen uns schon etwas dazu. (Zwischenruf bei der ÖVP.)

Na ja, aber wir haben einen Ausgleich, denn wir haben auch schon Phasen gehabt mit drei Frauen und einem Mann, also insgesamt haben wir etwa einen Ausgleich. (Zwi­schenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Arbeitet ihr auch daran, dann arbeiten wir auch da­ran! Ein Drittel, Hälfte plus. (Bundesrätin Mühlwerth: Das ist heute nicht mehr so ein­fach!) Genau.

Ein Punkt, den ich im Zusammenhang mit den Quoten und all dem Drum und Dran er­wähnen möchte – ich denke, das ist wirklich ganz wichtig –: Quoten locken Frauen, sich doch zu bewerben und zu versuchen, einen bestimmten Job zu bekommen, aber es ist auch total wichtig, am Selbstbewusstsein der Frauen zu arbeiten. Denn ich weiß auch aus unserer Partei: Wir haben bei vielen Mandaten immer wieder sehr viele Be­werber und sehr wenige Bewerberinnen. Das liegt jedoch nicht an der Qualifikation, sondern schlicht und einfach daran, dass es sich viele Frauen nicht zutrauen. Und da­ran, glaube ich, müssen wir auch ganz stark arbeiten. (Demonstrativer Beifall der Bun­desrätin Blatnik.)

Ein Punkt in diesem Bericht, den ich herausgreifen möchte, der gar nicht unbedingt mit Frauenpolitik zu tun hat, der mir aber auch sehr wichtig ist, ist das Thema direkte De­mokratie beziehungsweise in diesem Fall das Europäische BürgerInnenbegehren. Es ist die österreichische Position dazu vermerkt. Es ist festgehalten, dass Österreich den erreichten Kompromiss und damit die möglich gewordene Verabschiedung der Verord­nung zur Europäischen Bürgerinitiative begrüßt, da damit die baldige direkt-demokrati­sche Einbindung der UnionsbürgerInnen in die Europapolitik möglich wird.


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Ich bin auch sehr froh darüber, dass es jetzt ein Europäisches BürgerInnenbegehren geben wird, würde aber doch bitten, dass man bei der direkten Demokratie schon deut­lich unterscheidet zwischen Begehren, Befragen und Entscheiden. Das Problem, das wir haben – nicht nur in Europa, sondern auch in Österreich –, ist, dass BürgerInnen zwar begehren können und manchmal auch befragt werden, aber nur ganz, ganz sel­ten Entscheidungen treffen dürfen, und dass diese Entscheidungen dann auch nicht immer unbedingt verbindlich sind. In kleinen Bereichen, auf Gemeindeebene, gibt es das immer öfters, aber im Großen gibt es das nicht.

Ich würde mir wünschen, dass unser Ziel ist – auch das Ziel, das künftig als österrei­chische Position vertreten wird –, dass man wirklich die direkte Demokratie und den Volksentscheid stärkt. Und da liegt auch bei der Europäischen BürgerInnenbeteiligung doch noch ein weiter Weg vor uns.

Ich merke das bei uns: Wir haben jetzt wieder ein Volksbegehren laufen, das Bildungs-Volksbegehren, und wenn man mit den Leuten redet, dann kommt immer öfter zurück: Es hilft ja eh nichts, denn die tun dann ohnedies, was sie wollen. Und wenn man sich anschaut, wie viele Volksbegehren in Österreich abgehandelt wurden, wenn sie über­haupt abgehandelt wurden – nämlich dass sie irgendwann einmal in irgendeinem Aus­schuss verkommen und dann vielleicht zwei Jahre später vergessen sind –, dann kann man das auch nachvollziehen.

Daher, glaube ich, ist es ganz, ganz wichtig, dass man den Menschen, die sich noch für Politik interessieren und die sich einbringen wollen, vermittelt: Ihr könnt euch auch einbringen!, und nicht nur: Wir hören euch zwar zu, aber wir tun dann, was wir wollen!

Insofern bitte ich, diese Position erstens einmal auf europäischer Ebene zu vertreten, und ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir in der Nationalratssitzung am 19. Ok­tober einen Entschließungsantrag betreffend direkte Demokratie eingebracht haben, weil es eben auch in Österreich so ist, dass, wenn jetzt das Bildungsvolksbegehren von drei Millionen Menschen unterschrieben würde, dies immer noch nicht heißt, dass das auch passieren muss.

Deshalb wäre es uns ein ganz wichtiges Anliegen, dass, wenn Volksbegehren ein be­stimmtes Ausmaß an Unterstützung erhalten, dann auch verpflichtend eine Volksab­stimmung darüber erfolgen muss. Es muss natürlich – dies dazu in Richtung FPÖ – auch noch auf der richtigen Ebene erfolgen. Wir können über europäische Angelegen­heiten, wo ihr oft gerne hättet, dass wir darüber abstimmen können, nicht national ab­stimmen. Aber im Prinzip sollte es darum gehen: Wenn es ein Volksbegehren gibt, wenn viele Menschen sagen: Wir wollen etwas!, dann sollte man auch die Menschen darüber abstimmen lassen. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie bei Bundesräten von FPÖ und SPÖ.)

14.21


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesministerin Heinisch-Hosek. – Bitte.

 


14.21.40

Bundesministerin für Frauen und öffentlichen Dienst Gabriele Heinisch-Hosek: Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Danke für das Lob über die Klarheit des Berichtes. Wir sind nur die falsche Adresse, was den Zeitpunkt des Auf-die-Tagesordnung-Setzens anlangt. Das gebe ich jetzt zurück an euch. Aber okay, das muss man das nächste Mal ein bisschen anders timen. Wir sind bereit, wir sind da.

Ich wollte ganz kurz zwei sehr allgemeine Anmerkungen zur Gleichstellungspolitik ma­chen, weil das ja mein Thema ist. Zum einen glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir den Rückenwind aus der Europäischen Union so stark spüren, dass sich hier etwas


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tut. Was meine ich damit? – Ich meine damit, dass wir es geschafft haben, dass wir uns für staatsnahe Unternehmen jetzt selber verpflichtend einen Quotenstufenplan auf­erlegen. Das wäre, glaube ich, so schnell nicht gegangen, wenn nicht Viviane Reding als zuständige EU-Kommissarin hier sehr gepusht hätte. Und natürlich ist und bleibt es mein Ziel, die gleichen Regelungen auch für die Privatwirtschaft zu schaffen, weil in den 200 Topunternehmen, wo in Vorstandsetage und Aufsichtsrat nicht einmal zehn Prozent Frauen, in den Vorständen nicht einmal fünf Prozent Frauen vorhanden sind, auch noch Änderungen nötig wären.

Ja, ich bin auch für Freiwilligkeit, nur: Freiwilligkeit soll sich nicht zu lange ziehen, so­dass wir nicht noch, ich weiß nicht, wie viele Jahre warten müssen, bis sich hier etwas verändert. Das heißt, mein nächstes Vorhaben ist selbstverständlich, im Corporate-Governance-Kodex für die ATX-Unternehmen ebenfalls einen Quotenstufenplan, natür­lich im ersten Schritt in Form einer Selbstverpflichtung, festzulegen.

Das heißt, dieser Rückenwind ist gut und wichtig. Den spüren wir, glaube ich, auch durch die Vorgabe und das Ziel, dass wir jedem dritten Kind unter drei Jahren einen Kinderbetreuungsplatz anbieten sollten. Ja, es ist wieder gelungen, für drei Jahre Geld vom Bund zur Verfügung zu stellen, dass wir mehr Kinderbetreuungsplätze schaffen. Es waren nämlich 24 500 Plätze in diesen drei Jahren, wo die Finanzierung stattge­funden hat, und 9 000 Arbeitsplätze. Das ist wirklich ein hervorragendes Ergebnis und durchaus herzeigbar, und wir rechnen mit 5 000 Plätzen pro Jahr. Wir haben dann noch immer nicht 33 Prozent, aber vielleicht – wer weiß? – geht es nicht nur schneller, sondern vielleicht sagen wir, das ist uns so wichtig und es ist so elementar, nämlich die elementare Bildung hier voranzutreiben – denn jede dieser Einrichtungen ist natürlich eine Bildungseinrichtung und keine Aufbewahrungsstätte; ich glaube, darüber sind wir uns einig –, dass wir hier auch schneller vorankommen können.

Es gibt aber auch Bereiche, wo wir innerhalb der Europäischen Union sagen können, das haben wir schon, und ihr könnt uns das – wenn wir ein Best-Practice-Beispiel haben – auch nachmachen. Das war unlängst, als ich vor zwei Wochen in Krakau war, der Fall, als wir zwei Schwerpunkte besprochen haben. Es waren die Familienminis­ter/-ministerinnen und die Gleichstellungsminister/-ministerinnen eingeladen, um über den Vorschlag über eine europäische Mutterschutzrichtlinie zu debattieren, ob man die Zeit des Mutterschutzes nicht ausweitet. Die ist momentan 14 Wochen – als Vorschlag von der Europäischen Union – und soll auf 16 Wochen ausgeweitet werden. Es gibt so­gar Vorschläge für 20 Wochen. Das würden wir aufseiten Österreichs für zu lang hal­ten. Wir haben mit unserer 16-Wochen-Regelung – acht Wochen vor, acht Wochen nach der Geburt eines Kindes –, glaube ich, das richtige Mittelmaß getroffen. Alles da­rüber hinaus, jede Woche, kostet zig Millionen Euro, aber nicht nur das: Es würde auch bedeuten, dass sozusagen Frauen, wenn sie das wollen, nicht zu lange aus dem Ar­beitsprozess gehalten werden oder direkt in die Karenz gleiten können, um dann selbst zu bestimmen, wie lange sie diese Zeit in Anspruch nehmen wollen. Und wir wollen ja auch Väter in Karenz, das ist ganz klar.

Das heißt, darüber wurde diskutiert, und da gab es natürlich sehr unterschiedliche Standpunkte, weil die Politiken in den einzelnen Ländern auch sehr unterschiedlich sind. Manche haben über den Mutterschutz hinaus gar nichts, da gibt es keine Absicherung oder Karenz. Die hätten natürlich gern die 20 Wochen gehabt, damit sie überhaupt etwas haben. Und andere sagen, uns sind schon 14 Wochen zu viel, wie in Frankreich zum Beispiel. Da ist es noch viel kürzer, weil danach die Absicherung gut ist.

Ich will damit nur sagen, dass es da sehr unterschiedliche Standpunkte gibt. Und sich hier anzunähern, ist natürlich Sinn und Zweck dieser Treffen. Es ist ein guter Austausch erfolgt.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 91

Der zweite Punkt, der diskutiert wurde, war, Best-Practice-Beispiele aus den einzelnen Mitgliedstaaten auszutauschen. Da konnte ich natürlich – was vorhin gerade vorgele­sen wurde – hinsichtlich gesetzlicher Maßnahmen zur Lohntransparenz freudig berich­ten, dass wir mit den Einkommensberichten eine gesetzliche Maßnahme schon auf den Weg gebracht haben, wiewohl wir 2014 dann 42 Prozent aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst haben werden und dann erst sehen werden: Greift diese Maßnahme? Hat sich etwas verändert? Haben wir einige Plätze gutmachen können im internationalen Vergleich, was die Lohnschere anlangt? – Da sind wir noch immer Vor­letzte in der EU. Das heißt, das Ziel ist schon, dass wir es mit diesen Einkommensbe­richten schaffen, dass die massive Lohnschere kleiner wird.

Diese beiden Beispiele wollte ich einfach nur anführen, um auf der einen Seite zu sa­gen: Wir brauchen diese Vorgaben, die Richtlinienvorschläge!, und auf der anderen Seite anzumerken: Wir können auch eine Vorreiterrolle einnehmen, etwas berichten und einfach gute Beispiele für andere Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Uni­on geben, dass hier auch etwas weitergeht!

In diesem Sinn finde ich diesen Bericht nicht nur brauchbar, sondern auch sehr klar for­muliert und wichtig. Und die klaren Positionen Österreichs, nämlich mit aller Pragmatik auch zu sagen, was Sache ist, und nicht schöne Sätze niederzuschreiben und sich dann nicht genug vorstellen zu können, halte ich für eine wichtige und gute Vorgangs­weise, und ich glaube, dass das wie in der Vergangenheit auch in der Zukunft so ge­handhabt werden wird. – Herzlichen Dank. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

14.27


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt nun Herr Staatssekretär Ostermayer. – Bitte.

 


14.27.36

Staatssekretär im Bundeskanzleramt Dr. Josef Ostermayer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Frau Bundesministerin! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundes­räte! Geschätzte Frau Kerschbaum, ich komme gerne zu Ihnen – egal, ob dies am Jah­resbeginn oder am Jahresende ist. Also wenn es beim nächsten Mal am Jahresbeginn auf die Tagesordnung genommen wird, komme ich – und kommen wir, kann ich, glau­be ich, sagen (Bundesministerin Heinisch-Hosek: Sicher!) – genauso gerne her.

Es hat aber auch etwas Interessantes an sich, wenn es am Ende der Periode diskutiert wird. Man sieht dann nämlich: Was von den Plänen ist eingetreten? Wie haben sich die Dinge entwickelt? Also wenn man sich zum Beispiel den Zeitplan anschaut, wann Europäische Räte stattfinden wollen, dann sieht man jetzt, dass ungefähr doppelt so viele stattgefunden haben, weil natürlich aufgrund des Schulden-/Finanzkrisenthemas, Griechenlandthemas laufend informelle Räte dazwischen stattfinden. Ich glaube, allein in den letzten zwei Wochen haben zwei stattgefunden.

Es hat also auch im Rückblick etwas Interessantes an sich. Für mich jedenfalls war es so, als ich jetzt den Bericht noch einmal gelesen habe, wo ich mir angeschaut habe: Wo sind Aktualisierungen, wo haben Aktualisierungen stattgefunden? Und man sieht auch, wie sich bestimmte Dinge entwickeln, die auch wir – ich sage jetzt nicht nur wir als Regierung oder der Bundeskanzler, sondern generell, auch im Parlament – unter­stützt haben, wo wir gemeinsame Beschlüsse gefasst haben, wie sich diese Dinge wei­terentwickelt haben.

Das Thema Finanztransaktionssteuer wurde schon erwähnt. Also der Vorschlag, den Kommissionspräsident Barroso vorgelegt hat, deckt sich in extrem weiten Bereichen mit dem, was wir ungefähr vor einem Jahr dann als konkrete Maßnahme vorgeschla­gen haben. Darauf gedrängt wurde ja vom Bundeskanzler, auch von anderen, seit Be-


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ginn 2009 – ich glaube, im Dezember 2008 ist der Beschluss im Parlament, also die Entschließung zu einer Finanztransaktionssteuer, gefasst worden –, und es ist immer­hin ein Thema, wo am Beginn ganz wenige dafür waren. Selbst die Bundeskanzlerin Merkel war beim allerersten Gespräch, bei dem ich dabei war, nicht sofort begeistert. Mittlerweile unterstützen es viele. Es gibt auch noch welche, die nicht begeistert sind, insbesondere Großbritannien, wo es natürlich aufgrund des Bankenplatzes London auch in gewissem Ausmaß nachvollziehbar ist. Es ist mittlerweile Thema beim G20-Gipfel – das wurde ja erwähnt –, wo man dann auch sieht: Wer ist noch dagegen, wer ist dafür? Also die USA haben sich noch nicht so erfreut dafür ausgesprochen. Aber wenn man betrachtet, wo wir begonnen haben und wo wir jetzt stehen, zeigt sich, dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen.

Es hat aber auch andere Entwicklungen, insbesondere im Bankenbereich, gegeben, die vor der Finanzkrise undenkbar gewesen wären: dass man darüber diskutiert, Schattenbanken zu regulieren, dass man das Thema „Steueroasen“ ganz intensiv in den Fokus nimmt, dass wir die Diskussion der Trennung zwischen Investmentbanken und Geschäftsbanken haben – etwas, wo viele Experten meinen, dass die Aufhebung dieser Trennung, also die Beseitigung des Glass-Steagall Acts, ganz stark mit ein Grund dafür war, dass wir jetzt dort sind, wo wir sind.

Aber wenn man sich die ganze Diskussion vergegenwärtigt, also die Dinge, die ge­schehen sind, die viele Kritik, die es, manchmal durchaus auch berechtigt, an der Euro­päischen Union gibt, wenn man den Vergleich zieht, dann kann man sagen: Der Ver­gleich macht sicher! Ich meine den Vergleich zwischen der letzten großen Krise dieser Art, die es in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts gegeben hat, und jetzt. Worin hat das gemündet? Und worin hat es gemündet bei all den Unzulänglichkeiten, die natürlich die Menschen täglich auch erleben können, die wir auch erleben kön­nen? – Wir haben in Österreich im Vergleich die niedrigste Arbeitslosigkeit europaweit, aber auch insgesamt sind viele Katastrophen sozusagen vermieden worden. Dass wir da in einem permanenten Prozess stehen, wissen wir, und dass wir noch lange und wahrscheinlich viele Jahre über dieses Thema diskutieren werden, das wissen wir auch.

Das führt natürlich auch dazu, dass gewisse andere Themen – Kollege Mayer hat die Themen erwähnt, die die polnische Präsidentschaft hatte – dadurch im medialen Fo­kus, aber auch im zeitlichen Aufwand in den Hintergrund rücken. Ja, das ist so! Aber, wie gesagt, der Vergleich macht sicher. Man sollte nicht alles schlechtreden, sondern man sollte auch erkennen, was durch diese Europäische Union erreicht worden ist. Es gibt einen britischen Historiker, Timothy Garton Ash, der sagt: Natürlich kann man kri­tisieren, wie lange die Entscheidungen in der Europäischen Union dauern, auf Grund der Verfassungen, die in Europa herrschen, aber wenn man vergleicht: Was war vor der Europäischen Union?, dann sieht man: Da haben zwei große Länder in Europa aufeinander geschossen!, und das konnte genau durch diese Europäische Union ver­mieden werden. – Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

Ich wollte noch einen letzten Aspekt zur Frage der Europäischen Bürgerinitiative er­wähnen. Auch da hat die späte Behandlung des Berichts einen Vorteil, nämlich: Im Vergleich zum Jahresbeginn wissen wir jetzt viel genauer Bescheid über den Zeitplan, über den Ablauf. Ich kann Ihnen berichten: Mittlerweile haben 25 der 27 Mitgliedstaa­ten ratifiziert. Bei Griechenland und Belgien ist es noch offen. Die Griechen werden demnächst in Rom hinterlegen, bei den Belgiern ist das auch zu erwarten. Daher kann man annehmen, dass diese Regelung mit Dezember oder spätestens mit Jänner 2012 in Kraft tritt. Wir haben auch noch unsere Aufgaben zu erfüllen, also das entsprechen­de Gesetz zu machen, und ab 1. April besteht dann diese neu geschaffene Möglich­keit.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 93

Ansonsten danke ich für die lobenden Worte für den Bericht. Es soll für uns die Latte sein, dass wir es im nächsten Jahr wieder so gut machen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesrates Dönmez.)

14.33


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, den ge­genständlichen Bericht zur Kenntnis zu nehmen, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.33.5812. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend Abkommen zwi­schen der Republik Österreich und der Republik Moldau über soziale Sicherheit (1408 d.B. und 1426 d.B. sowie 8601/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir gelangen nun zum 12. Punkt der Tages­ordnung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Lugsteiner. Bitte um den Bericht.

 


14.34.16

Berichterstatterin Juliane Lugsteiner: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Ich bringe den Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsu­mentenschutz über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Republik Moldau über sozia­le Sicherheit.

Der Bericht liegt in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antragstellung.

Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Ich begrüße Herrn Sozialminister Hundstorfer ganz herzlich bei uns im Bundesrat. Herz­lich willkommen! (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Mitterer.)

Wir gehen in die Debatte ein.

Als Erster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Pirolt. – Bitte.

 


14.35.24

Bundesrat Franz Pirolt (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Grundsätzlich sind Sozialversiche­rungsabkommen zwischen Ländern positiv zu werten, auch die vorliegenden Abkom­men bezüglich Versicherungszeiten und Ähnlichem. Ich möchte aber auch sagen, dass wir Freiheitlichen, wenn es um gute Gesetze und um gut ausgearbeitete Vorlagen geht, dem auch gerne zustimmen.

Ich möchte aber vielleicht noch auf die Erläuterungen des Gesetzestextes im allgemei­nen Teil eingehen. Da steht drinnen, es bedarf keiner Zustimmung des Bundesrates gemäß Artikel 50 Abs. 2, weil damit ja keine selbständigen Wirkungsbereiche der Län­der berührt werden.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 94

Weiters steht auch drinnen, auf Grund der historischen und geographischen Nähe zwi­schen Rumänien und Moldau war naheliegend, dass nach Rumänien auch mit Moldau dieses Abkommen über soziale Sicherheit abgeschlossen wird. Grundsätzlich fehlen mir aber da weitere grundlegende Leistungsbereiche, was zumindest das Krankenver­sicherungs- und Unfallversicherungswesen angeht, wie sie üblicherweise bei länder­übergreifenden Vereinbarungen doch gegeben sind.

Das vorliegende Abkommen bezieht sich auf ausdrücklichen Wunsch der Republik Moldau nur auf den Bereich der Pensionsversicherung und die dafür anzuwendenden Rechtsvorschriften bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit. Doch eine Begründung dafür ist in der Vorlage nicht angegeben.

Weiters betrifft das Gesetz einen Personenkreis von rund 350 Personen. Nicht verifi­zierbar ist die Anzahl der in Moldau tätigen Österreicher.

Insgesamt wäre ein soziales Gesamtpaket sinnvoll gewesen. Daher wird die freiheitli­che Fraktion diesem Gesetz nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

14.37


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Schennach. – Bitte.

 


14.37.35

Bundesrat Stefan Schennach (SPÖ, Wien): Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Das Abkommen über die soziale Sicherheit im Bereich der Pensionsversicherung mit Moldawien bietet einen Schutz für ein Land mit 4,5 Mil­lionen Einwohnern, von denen 1,5 Millionen Einwohner aus sozialen Gründen im Aus­land leben. Aus sozialen Gründen heißt, dass Moldawien das ärmste Land Europas ist. Es ist das einzige Land Europas, in dem Österreich Entwicklungshilfe leistet und Part­ner der Entwicklungszusammenarbeit ist. Es gibt in Moldawien ein Durchschnittsein­kommen von unter 200 €. Der Großteil des Landes ernährt sich von jenem Geld, von jenem geringen Geld, das die 1,5 Millionen Menschen, die im Ausland davon leben, an das Land zurücküberweisen.

Jetzt wissen wir schon, dass von diesen 1,5 Millionen Menschen sehr viele – ich würde einmal sagen, fast die Hälfte – unter sozial unerträglichen Arbeitsbedingungen oder fast schon in Versklavung ihrem Erwerb im Ausland nachgehen. Umso wichtiger ist es aber für ein Land wie Moldawien, Sicherheit für eine so hohe Anzahl von Menschen, die sich im Ausland befinden, die aber im Ausland auch noch in verschiedenen Staaten tätig sind, im Bereich der sozialen Sicherheit zu bekommen.

Meine Damen und Herren! Ich selber kenne das Land recht gut. Ich war zuletzt mit dem Geschäftsführer der CDU im Deutschen Bundestag in diesem Land. Es ist eigent­lich unvorstellbar, dass wir nur so wenige Flugstunden von Wien entfernt eine sozia-
le Situation vorfinden, wo man sagen kann, das Land kann seine Einwohner nicht er­nähren.

Im Ranking, wie Staaten von den Überweisungen – insbesondere von quasi Sozial­transfers in diesem Fall – ihrer im Ausland befindlichen Menschen leben, liegt heute Moldawien an der Spitze. Natürlich nicht im Zusammenhang mit der Gesamtsumme, denn was die Mexikaner aus den USA in die Heimat zurücküberweisen, macht natür­lich eine wesentlich höhere Summe aus, aber prozentuell gesehen liegt heute Molda­wien diesbezüglich an der Spitze.

Es ist wichtig und richtig, und ich finde, das war auch die richtige Entscheidung der ös­terreichischen Bundesregierung und des Außenamtes, die Entwicklungszusammenar­beit mit Moldawien weiterzuführen, insbesondere im Bereich der Berufsausbildung – man kann Armut nur dann bekämpfen, wenn man die Leute befähigt, entsprechende


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 95

Berufe zu ergreifen –, im Bereich der Armutsbekämpfung und, für Moldawien ganz wichtig, im Erringen von sauberem Wasser, von Wasser-Ressourcen.

Dieses Land, dieses kleine ehemalige Fürstentum, stand lange unter dem osmani­schen Einfluss, dann unter dem zaristischen Einfluss und dann unter sowjetischem Einfluss. Die sowjetische Epoche hat Moldawien zum Produzenten von Wein erklärt. Sie können dort mit dem Auto 300 Kilometer weit fahren, und zwar innerhalb eines Weinkellers. Man kann in Moldawien mit dem Auto zum Beispiel eine Strecke gleich der von Wien bis Salzburg in einem Weinkeller fahren. Dass das heute wirtschaftlich eine sehr schwierige Situation ist, mit einem Produkt, das kaum jemand will, zu reüs­sieren und seine Menschen zu ernähren, das kann man sich in etwa vorstellen.

Die Schweiz ist dort ebenso aktiv wie Österreich.

Was vielleicht interessant ist für diese unsere Debatte, ist, dass es dort eine Minder­heit, eine nicht zu kleine Minderheit gibt, Menschen, die sich als Moldawier fühlen, nämlich die Gagausen. Das sind christliche Türken, die in etwa eine Autonomie haben wie die Südtiroler in Italien, das heißt eine sehr fortschrittliche.

Wir schließen nun ein Sozialabkommen mit einem Staat, der tatsächlich um seine wirt­schaftliche Existenz ringt und der bemüht ist – seit 1992 ist Moldawien ein unabhängi­ger Staat, der darum bemüht ist –, irgendwie eine Form von sozialer Sicherheit zu schaffen. Das Tageseinkommen in Moldawien macht 2 € aus, und das muss man sich auch einmal unter moldawischen Verhältnissen auf der Zunge zergehen lassen. Inso­fern ist dieses Abkommen etwas ganz Wichtiges. Es schafft Sicherheit. Wenn man zum Beispiel im Ausland Pensionsansprüche erwirbt, so sollen diese dann, wenn man in der Pension zurück in die Heimat geht, auch ausbezahlt werden.

Es gibt wenige Österreicher, die dort sind. Österreich hat dort keine Botschaft, nur ein Verbindungsbüro der Entwicklungszusammenarbeit, trotzdem sind Österreicher aktiv in Moldawien, insbesondere bei sogenannten Mikroprojekten. Sehr viele Mikroprojekte – weil mir Frau Präsidentin Zwazl gerade zunickt, muss ich das sagen – sind ganz bei­spielhaft im Bereich der Frauenförderung tätig, unterstützen die Frauen darin, wirt­schaftlich unabhängiger zu werden. Wir wissen, was vielen Frauen, gerade moldawi­schen Frauen, die in der Diaspora leben, wiederfährt – insofern sind das ganz wichtige Projekte.

Wir stimmen diesem Abkommen sehr, sehr gerne zu. – Danke. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.44


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Saller. – Bitte.

 


14.44.04

Bundesrat Josef Saller (ÖVP, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Ab­kommen zwischen Ländern im sozialen Bereich sind, glaube ich, wichtig, notwendig und auch gut. Wenn Österreicher in der Republik Moldau arbeiten, verdienen, Steuern zahlen und wenn, umgekehrt, Moldawier hier bei uns verdienen, Steuern zahlen, arbei­ten, dann ist die logische Folgerung, dass Pensionsversicherungszeiten mit all ihren Leistungen angerechnet werden. Der Wunsch beider Vertragsparteien – der Republik Moldau und der Republik Österreich – war es, das soziale Abkommen in dieser Form abzuschließen und keine zusätzlichen, sagen wir einmal, Zwangsbeglückungen durch­zuführen. So ist es auch zu verstehen, dass es sich ausschließlich um den Bereich der Pensionsversicherung, um die damit verbundenen erworbenen Pensionsansprüche und die Zusammenrechnung von Versicherungszeiten handelt.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 96

Wichtig ist auch, festzuhalten, dass sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer eine klare Rechtsstellung gegeben ist. Ebenso wichtig ist natürlich, dass Selbständige und Unselbständige gleich behandelt werden.

Abkommen in der vorliegenden Form gibt es genug, wir haben in der Vergangenheit schon viele ähnliche oder gleiche Abkommen abgeschlossen. Sie dienen der Gerech­tigkeit und gereichen zum Wohle aller Betroffenen. Vor allem auch Mitarbeiter und Mit­arbeiterinnen von Hilfsorganisationen, die in diesem Land arbeiten, können Betroffene sein, und gerade für diese Gruppe ist sicherzustellen, dass sie für ihre Arbeit im Dienst der Allgemeinheit nicht zusätzlich noch bestraft werden.

Dieses Abkommen ist eine gute Sache. Die ÖVP-Fraktion wird dieser Vorlage zustim­men. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.46


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Zu Wort gelangt Herr Bundesminister Hunds­torfer. – Bitte.

 


14.46.33

Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz Rudolf Hundstor­fer: Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Bundesrates! Herr Bundesrat Schennach hat ja schon so manches ausgeführt, gestatten Sie mir trotzdem noch 3 Minuten Ergänzung.

Ich habe die Debatte mit der Freiheitlichen Partei ja schon im Nationalratsplenum ge­führt, und ich muss sagen, mir wäre es am liebsten, man sagt gleich, was man will. Fakt ist: Sie wollen das Abkommen nicht! – Punkt.

Wir haben aber etliche Abkommen, die nicht den gesamten Bereich des Sozialsystems umfassen. Dieses Abkommen mit Moldawien ist überhaupt nichts Neues. Wir haben etliche Abkommen, die nur die Pensionsversicherung regeln, wir haben viele, die alles regeln.

Moldawien – die wirtschaftliche Situation dort ist schon erklärt worden – hat ausdrück­lich darum ersucht, im Bereich der Krankenversicherung nichts zu regeln, weil es sich die Kosten, die aus einem Krankenversicherungs-Abkommen entstehen könnten, schlichtweg nicht leisten kann. Wir haben dann diesen Schritt gemacht und für die Pen­sionsversicherung eine Regelung geschaffen.

Ende September waren rund 345 – vielleicht sind es heute 350, ich weiß es nicht ganz genau – moldawische Staatsangehörige in Österreich ordentlich beschäftigt, ordnungs­gemäß angemeldet. Das heißt, ordnungsgemäß im Dienstverhältnis irgendwo in dieser Republik stehend sind 345 moldawische Staatsangehörige. Es gibt auch ein paar Ös­terreicherinnen und Österreicher in Moldawien, nämlich – und darauf dürfen wir in Österreich, glaube ich, stolz sein, dass wir das getan haben – in der Organisation Concordia, die ursächlich von Pater Sporschill gegründet wurde, der aber den Vor­sitz zwischenzeitlich abgegeben hat. Pater Sporschill hat sich mit 1. Oktober aus vieler­lei Gründen aus der Concordia zurückgezogen.

Über die Concordia werden 400 Menschen in Moldawien beschäftigt, und ein Teil davon sind Österreicherinnen und Österreicher, Menschen aus allen möglichen Teilen Österreichs, die Pater Sporschill mit seiner ihm eigenen Methode engagiert hat, die für die Altenbetreuung in Moldawien sorgen. 25 Suppenküchen, zehn Sozialzentren, Tau­sende Menschen werden pro Tag von dieser Stiftung versorgt. Über diese Stiftung wird deren Existenz abgesichert. Diese 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind notwen­dig, um die 25 Suppenküchen und die zehn Sozialzentren am Leben zu erhalten, und ein Teil davon sind, wie gesagt, Österreicherinnen und Österreicher.

Das kleine Österreich hat darüber hinaus als einziges Land Europas noch etwas ge­macht: Ich habe im Sommer einen Sozialattaché in Moldawien etabliert. Wir haben nur


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 97

drei Sozialattachés, mehr nicht. Einer sitzt in Zagreb, einer in Belgrad, und der dritte sitzt jetzt in Moldawien und ist verantwortlich für die Zusammenarbeit mit der Organisa­tion der Entwicklungshilfe, mit der ADA, sowie für das nächste Projekt, das wir gemein­sam mit der Diakonie vorhaben. Die Concordia kann sich nicht um ganz Moldawien kümmern, das geht sich schlichtweg nicht aus. Die Diakonie wird mit Unterstützung auch meines Hauses in einem weiteren Teil Moldawiens ebenfalls die Altenbetreuung übernehmen.

Wir arbeiten gemeinsam mit Moldawien auch an der Donauraum-Strategie, weil es, glaube ich, schlichtweg darum geht, diesem Land eine Chance zu geben, sich selbst aufzubauen, sich selbst zu etablieren. Erschreckend, dramatisch nämlich ist, dass man quasi in eineinhalb Stunden – so lange fliegt man von Wien in die moldawische Haupt­stadt – in einer völlig anderen Welt sein kann, und die Situation in dieser anderen Welt ist erschütternd, wirklich erschütternd. Ich kann das sagen, ich war selbst erst dort.

Es sind mittlerweile auch ein paar österreichische Firmen dort tätig: ein Autozulieferer mit 2 000 Mitarbeitern, eine große österreichische Firma, die die Entsorgung in der Hauptstadt vornimmt; nicht die Firma Saubermacher, sondern die andere. Auch die Fir­ma STRABAG ist dort tätig, und so weiter. Wir sind dabei, uns in Moldawien wirtschaft­lich zu etablieren.

Ohne dieses Engagement, das sage ich ganz offen, wäre auch die Concordia nicht finanzierbar, denn die Concordia bekommt keinen Euro öffentliches Geld von Österreich. Es wird alles privat aufgestellt, privat finanziert. Das Jahresbudget der Concordia nur für Moldawien umfasst 6 Millionen €, privat aufgestellt, wie gesagt. Das heißt, da müssen schon viele mitwirken. Kein Euro Steuergeld, alles privat finan­ziert! Die einzige Unterstützung erfolgt in Form meines Sozialattachés, dem ich gestat­tet habe, 10 bis 15 Prozent seines Tagespensums – nicht mehr – dort umzusetzen, wo seine Hilfe gebraucht wird. (Beifall bei SPÖ und Grünen.)

Was ich damit sagen will: Das ist ein weiterer Schritt zur Integration eines armen Lan­des, zur Wegbereitung in unser gemeinsames Europa. Ich möchte Sie darum ersu­chen, diesem Abkommen zuzustimmen. – Danke schön. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und Grünen sowie des Bundesrates Zangerl.)

14.53


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen hiezu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

14.53.3213. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 erlassen sowie das Energie-Control-Ge­setz und das Preistransparenzgesetz geändert werden (1081 d.B. und 1128 d.B. sowie 8581/BR d.B. und 8593/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Wir kommen nun zum 13. Punkt der Tagesord­nung.

Zu diesem Tagesordnungspunkt begrüße ich ganz herzlich Herrn Bundesminister Dr. Mitterlehner bei uns im Bundesrat. – Herzlich willkommen! (Allgemeiner Beifall.)


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 98

Berichterstatterin zu Tagesordnungspunkt 13 ist Frau Bundesrätin Junker. Bitte um den Bericht.

 


14.53.49

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzter Herr Minister Mitterlehner! Meine Damen und Herren! Ich bringe den Bericht des Wirt­schaftsausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 be­treffend ein Bundesgesetz, mit dem das Gaswirtschaftsgesetz 2011 erlassen sowie das Energie-Control-Gesetz und das Preistransparenzgesetz geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor. Ich komme daher zum Antrag.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag,

1. gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben,

2. dem vorliegenden Beschluss des Nationalrates gemäß Artikel 44 Abs. 2 B-VG die verfassungsmäßige Zustimmung zu erteilen.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kerschbaum. – Bitte.

 


14.55.04

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden der nun vorlie­genden Gesetzesnovelle nicht zustimmen. (Rufe bei SPÖ und ÖVP: Na geh!) Da ich gesehen habe, dass laut Rednerliste nach mir noch vier Pro-RednerInnen zu Wort kommen werden, werde ich mich auf die Begründung unserer Nicht-Zustimmung be­schränken. Es gibt natürlich auch in diesen Gesetzesvorlagen einige Punkte, die wir begrüßen, aber ich konzentriere mich jetzt darauf, weshalb wir sie leider ablehnen müs­sen.

Es geht um den Enteignungsparagraphen. Wenn größere oder kleinere Gasleitungen gebaut werden sollen, gibt es langfristige Pläne, und wenn diese langfristigen Pläne beschlossen sind – und die beschließt eben nicht die öffentliche Hand allein –, dann besteht öffentliches Interesse und es können Grundstücke für eine Trasse enteignet werden. Unser Problem ist eben, dass dieses öffentliche Interesse nicht von einer un­abhängigen Behörde festgestellt wird – selbst dann wäre es schwierig –, sondern dass da auch Gaswirtschaftsunternehmen mitreden können beziehungsweise sogar müs­sen. Und das ist das Problem: dass diejenigen, die die Leitung mehr oder weniger bau­en wollen, auch mitbestimmen können, wo sie gebaut werden soll, und dass dann, wenn das festgelegt ist, auch enteignet werden kann.

Ich frage mich überhaupt, weshalb öffentliches Interesse an neuen Gasleitungen, und zwar Erdgasleitungen, bestehen soll. Erdgas ist, wie wir wissen, ein fossiler Energieträ­ger, geht, wenn auch langsamer als alles Mögliche andere, irgendwann zu Ende. Mei­ner Meinung nach ist es schon bescheuert – das ist, glaube ich, ein Wort, das man hier noch verwenden darf –, in Österreich noch den Ausbau eines Erdgasnetzes voranzu­treiben, noch dazu, ohne dabei Biogaseinspeisung zu bevorzugen. (Bundesrat Per­hab: Was ist das? „Bescheuert“?) – Bescheuert, ja, das ist ein deutscher Ausdruck. Auf Österreichisch würde ich möglicherweise einen Ordnungsruf dafür bekommen, das will ich jetzt nicht riskieren.

Ich bin der Meinung, dass neue Erdgasleitungen kein öffentliches Interesse mehr sind. Wir sollten dazugelernt haben und wissen, dass erneuerbare Energien und die Versor­gung mit erneuerbaren Energien öffentliches Interesse sein müssen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 99

Diesen Enteignungsparagraphen gibt es ja prinzipiell jetzt schon im Gesetz. Wir hätten ihn gerne entfernt, ursprünglich auch das BZÖ und die FPÖ, leider ist die FPÖ inzwi­schen anderer Meinung. Das heißt, es gibt diese Enteignungen bereits. Erst vor Kur­zem ist in Niederösterreich der Fall eingetreten, dass ein Landwirt eben keine große, breite Erdgas-Ferntransportleitung vor seiner Haustür haben wollte und sich dagegen gewehrt hat. Letztendlich ist die Enteignung angeordnet worden. Der Landwirt wird auch diesen Bescheid höchstgerichtlich bekämpfen, und zwar genau mit dem Argument, dass die Förderung eines fossilen Energieträgers nicht mehr im öffentlichen Interesse sein kann.

Die positiven Dinge, die diese Gesetzesnovelle hervorbringen wird, werden, wie ge­sagt, heute sicher noch erwähnt werden, das kann ich mir sparen. Mir bleibt zu sagen: Wir können leider nicht mitstimmen. (Beifall bei den Grünen.)

14.58


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bun­desrat Dr. Brunner. – Bitte.

 


14.58.36

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Liebe Kollegin Kerschbaum, ich hoffe, das „i“ bei Rednerinnen war als ein großgeschriebenes zu verstehen, also dass nach dir noch einige Pro-RednerInnen kommen! Wir können heute hier im Bundesrat nach einigen Verzögerungen doch das Gaswirtschaftsgesetz diskutieren.

Die Gaskrisen zwischen Ukraine und Russland, aber auch all die Diskussionen um die Nabucco-Pipeline halten uns und halten Europa zwar in Atem, aber ohne dass wir wirk­lich konkrete Auswirkungen für uns Konsumenten und Konsumentinnen spüren.

Dieses Gaswirtschaftsgesetz gibt uns die Möglichkeit, das 3. EU-Binnenmarktpaket umzusetzen; etwas, das wir für den Strom ja bereits gemacht haben. Jetzt werden auch im Gasbereich entsprechende Liberalisierungsschritte vorgenommen, und somit ist auch das laufende Vertragsverletzungsverfahren Gott sei Dank endlich vom Tisch – so hoffen wir zumindest!

Wir hatten wirklich genügend Zeit. Ich erinnere daran, dass diese Gesetzesvorlage be­reits im März 2011 im Ausschuss des Nationalrates behandelt worden ist, genügend Zeit also auch, um uns mit diesen Inhalten, die wir heute diskutieren, in Ruhe ausein­anderzusetzen – und das ist in den letzten Wochen und Monaten auch passiert und hat ja schlussendlich auch noch zu der einen oder anderen Änderung in diesem Gesetz geführt.

Dieses Gaswirtschaftsgesetz steht natürlich auch in direktem Zusammenhang mit dem Atomausstieg in Deutschland. Das muss man sich doch auch vor Augen halten, weil wir selbst mit einem sehr ambitionierten Programm beim Ausbau der erneuerbaren Energie – was wir ja in Österreich mit dem Ökostromgesetz eigentlich vorbildhaft um­gesetzt haben – und mit mehr Energieeffizienz allein die Versorgungssicherheit in Eu­ropa nicht sicherstellen können. Deswegen brauchen wir diese ganz wichtige Brücken­technologie des Erdgases – das hat auch die stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag letzthin bei einem Energiereferat in Fuschl ganz eindrucksvoll und auch klar festgehalten –, und für diese Brückentechnologie Erdgas brauchen wir in Österreich, in ganz Europa, natürlich entsprechende Leitungen und Netze, so wie selbst­verständlich auch beim Strom.

Das Entscheidende bei diesem Gesetz ist aber auch, dass die Kundeninteressen in den Mittelpunkt gerückt werden und hier vor allem ein wesentlich schnellerer Lieferan­tenwechsel von bisher zirka acht Wochen auf nunmehr nur noch drei Wochen möglich


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 100

werden soll. Das soll, so wie auch im Strombereich, durch eine neu zu schaffende Zählpunktdatenbank, die von der neutralen Verrechnungsstelle, der AGCS, geführt und betrieben wird, ermöglicht werden. Diese Lösung über diese Datenbank bei der AGCS beschleunigt nicht nur den Lieferantenwechsel – also ein Vorteil für den Konsumen­ten –, sondern ist darüber hinaus auch noch sehr effizient und kostengünstig. Und es wird auch niedrigere Gebühren für An- und Abschaltungen geben, es wird mehr Wett­bewerb geben und auch gesicherte Netzausbaupläne.

Was Diskussionen hervorgerufen und Meinungen über die letzten Monate gespalten hat – Frau Kollegin Kerschbaum hat das auch angesprochen – ist das sicher sehr, sehr heikle Thema der Enteignung, und dieses Thema war natürlich auch ein Mitgrund, wa­rum es zu diesen Verzögerungen bei der Beschlussfassung gekommen ist. Hier hat es sich die Politik in den ganzen Diskussionen aber wirklich nicht einfach gemacht und die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ganz intensiv beachtet, weil eine Enteignung – das ist der Politik schon klar – etwas ist, mit dem man eben ganz behutsam umgehen muss, etwas, das erst ganz am Schluss stehen darf: ganz am Schluss, wenn wirklich alle anderen Möglichkeiten ausgelotet wurden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Umsetzung dieser EU-Binnenmarktrichtlinie mit dem heutigen Gaswirtschaftsgesetz ist wirklich ein gutes Gesetz für alle Konsumenten, für alle Verbraucher. Es ist ein gutes Gesetz für den Binnenmarkt, auch für mehr Wett­bewerb im Binnenmarkt – und dadurch ist es auch ein gutes Gesetz für uns alle. (Bei­fall bei ÖVP und SPÖ.)

15.03


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Füller zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.03.40

Bundesrat Christian Füller (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Im November 2010 wurde hier im Hohen Haus mit dem Beschluss des ElWOG 2010 ein großer Teil des 3. EU-Bin­nenmarktpakets einer Neuregelung zugeführt. Der Inhalt dieses damaligen Beschlus­ses betraf den Elektrizitätsbereich. – Kollege Brunner hat bereits einige wichtige Punk­te in seinem Redebeitrag angeführt.

Ebenfalls im November 2010 wurde im Nationalrat ein Entschließungsantrag zum Gas­wirtschaftsgesetz beschlossen, diesen dann einer baldigen Umsetzung zu unterziehen.

Heute, elf Monate später, in der heutigen Sitzung des Bundesrates, beschäftigen wir uns mit diesem Inhalt. Wir können zwar nicht von einer schnellen Umsetzung dieses Entschließungsantrages sprechen, aber ebenso wenig kann behauptet werden, dass im Zuge dieser Umsetzung etwas durchgeboxt oder durchgepeitscht worden wäre oder dass man nicht das notwendige und entsprechende Augenmerk auf viele Bedürfnisse gelegt hätte. Entsprechend der Wichtigkeit des Gaswirtschaftsgesetzes hat man sich also die notwendige Zeit gegeben, um sich der Diskussion und der Auseinandersetzung mit den Inhalten zu stellen.

Wie beim Zustandekommen des ElWOG 2010 ist es gelungen, trotz europäischer Vor­gaben eine meiner Meinung nach an die österreichische Situation angepasste Lösung zu erreichen.

Das Gesetz konnte dementsprechend ausgestaltet werden, sodass bewährte Struktu­ren erhalten bleiben können und sich die Rahmenbedingungen an gesamtgesellschaft­lichen Notwendigkeiten orientieren. Was jetzt auch machbar ist, ist, ein Mehr an Wett­bewerb – eine Forderung, die immer wieder, und zwar von allen, in den Diskussionen aufgestellt wurde – zu ermöglichen und andererseits einen großen Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Gaskundinnen und -kunden zu legen, zumal wir alle wissen, dass


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es für die Menschen immer schwieriger wird, ihre Rechnungen, auch ihre Gasrech­nung, zu bezahlen beziehungsweise diese für viele Menschen immer weniger leistbar geworden ist.

Ein besonders heikler und vielfach diskutierter Punkt im Gesamtpaket ist die Thematik des Leitungsbaus und die Fragen von Enteignungen im Leitungsbau – Kollegin Kersch­baum, du hast das angesprochen. Kollege Katzian hat in der Nationalratssitzung vom 19. Oktober einen entsprechenden Entschließungsantrag eingebracht.

Die Lösung, wonach öffentliches Interesse nur dann vorliegt, wenn die Leitung auch im von der E-Control genehmigten Netzentwicklungsplan enthalten ist, und das öffentliche Interesse auch per Bescheid bekräftigt werden muss, hilft, glaube ich, davon bin ich überzeugt, Rechtssicherheit zu schaffen und den leichtfertigen Umgang mit Enteignun­gen hintanzustellen und zu verhindern. (Bundesrätin Kerschbaum: Aber wer schreibt den Netzentwicklungsplan?) – Bitte? (Bundesrätin Kerschbaum: Wer schreibt den Netzentwicklungsplan?) – Ich glaube, dass das eine Verbesserung ist, also es wird si­cher keinen leichtfertigen Umgang damit geben.

Ich bin überzeugt davon, dass wir mit diesem Paket für die Herausforderungen eines sich stets verändernden Energie- und Gasmarktes gut aufgestellt und auch gerüstet für die Zukunft sind. Mit dem ElWOG 2010, dem Ökostromgesetz und nun dem Gaswirt­schaftsgesetz ist man große Vorhaben angegangen und hat diese auch umgesetzt.

Zusätzlich wurden rechtliche Rahmenbedingungen angepasst, die unserer zukünftigen Energieversorgung und Energiesicherheit dienen sollen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.06


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Ertl zu Wort gemeldet. – Bitte.

 


15.07.13

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister! Unserem Verhandlungsleiter im Nationalrat Norbert Hofer darf ich hier von dieser Stelle aus herzlichen Dank sagen für die Verhandlungen im Zuge des Gaswirtschaftsgesetzes. Er hat vor allem in den Leitungsdurchgängen die Rechte der Grundeigentümer eingefordert. Ich glaube ... (Bundesrat Perhab: Das ist die Rede vom Kollegen Jury im Nationalrat! – Heiterkeit der Bundesrätin Zwazl.) – Danke für den Zwischenruf, Herr Kollege Perhab. (Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Ich glaube, dass durch die Zwischenschaltung der E-Control die Rechte der Grundeigentümer bes­ser positioniert worden sind. Im öffentlichen Interesse wird das somit nicht so ohne Weiteres durchgesetzt werden können. (Bundesrätin Kerschbaum: ... von Bürgerrech­ten!)

Man spricht bei der Gaswirtschaft von öffentlichem Interesse. Natürlich ist auch der Kli­maschutz von öffentlichem Interesse, aber in diesem Zusammenhang muss man se­hen, dass die oberste Priorität die Versorgungssicherheit haben muss. (Vizepräsident Mag. Himmer übernimmt den Vorsitz.)

In einem weiteren Schritt sollte man danach trachten, dass Österreich nicht nur ein Gastransitland wird, sondern es sollten auch Verbrauchsabgaben für den Gastransport eingehoben werden. Es wäre ein richtiger Schritt in die richtige Richtung, wenn wir nicht nur die Infrastruktur zur Verfügung stellten, sondern dafür auch entlohnt würden.

Wir werden dem Gaswirtschaftsgesetz unsere Zustimmung geben, aber viel lieber wä­re es uns, würden wir das Ökostromgesetz auf ganz neue Beine stellen. Ebenso wäre es uns lieber, würden wir die Förderungen für erneuerbare Energie oder die Umstel­lung auf erneuerbare Energie ändern. Ich darf Ihnen diesbezüglich ein kurzes Beispiel aus Niederösterreich bringen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 102

Eine Familie möchte umstellen von der Gaswirtschaft, also von einer Gastherme, einer Zentralheizung, auf einen Pelletofen. Niederösterreich hat da eine Förderung vorgese­hen, genauso hat der Bund eine Förderung vorgesehen. Der Umsteller setzt sich mit dem Land Niederösterreich in Verbindung und gibt bekannt: Ich habe jetzt diesen Pel­letofen, ich möchte um die Förderung einreichen. (Bundesrätin Zwazl: Man muss vor­her einreichen und nicht nachher!) – Das ist beim Bund, das ist beim Bund. (Neuerli­cher Zwischenruf der Bundesrätin Zwazl.) – Nein, nein, so ist es nicht! (Bundesrätin Zwazl: Ja, ja, ja!)

Daraufhin fragt das Land Niederösterreich: Womit haben Sie bis jetzt geheizt? Haben Sie eine Heizung? – Da musste der Förderungswerber natürlich sagen: Ich habe eine Gaszentraletagenheizung, aber ich möchte auf erneuerbare Energie, auf einen Pellet­ofen umstellen.

Daraufhin kommt die Antwort vom Land: Sie haben ja eine Heizung, da bekommen Sie keine Förderung. – Das ist eine Farce, diese Förderung! (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Frau Kollegin Zwazl! (Bundesrätin Zwazl: Also geben Sie mir den Namen! Ich glaube das nicht!) Dann hat natürlich das Land Niederösterreich sofort auf die Bundesförde­rung verwiesen und hat gesagt: Versuchen Sie es beim Bund!, und hat sogar die Tele­fonnummer dazugegeben.

Dort wurde angerufen, und gemeldet hat sich die Kommunalkredit. (Zwischenruf des Bundesrates Perhab.) Zuerst war man ein bisschen verdutzt, warum sich die Kommu­nalkredit meldet, aber wir haben dieselbe Geschichte noch einmal erzählt. Und die Kommunalkredit hat dann gesagt: Es tut mir leid, da bekommen Sie keine Förderung, Sie hätten nämlich vorher einreichen müssen. (Bundesrätin Zwazl: Ja! – Bundesrätin Junker: ... vorher einreichen!)

Ich sehe daher, diese Förderungen werden offensichtlich, was das Land Niederöster­reich anlangt, falsch an die Unternehmen weitergegeben, denn die Unternehmen ge­ben diese Tipps betreffend die Förderungen. (Bundesrätin Zwazl: Nein, nein, nein! ... die Unternehmen!) Und die Unternehmen glauben, dass man Förderungen für ihre Pro­dukte bekommt, wenn man sie kauft; tatsächlich sieht es ganz anders aus.

Ich finde, es ist eine Farce, dass man den Konsumenten derartig falsch informiert und dann einfach die Förderungen nicht zuerkennt. (Bundesrat Kainz: Die Hotline des Lan­des anrufen, ganz einfach!) Dieser Förderungsdschungel gehört geändert. (Bundesrat Kainz: Es gibt umfassende Informationskanäle des Landes!) – Kollege! Das ist unge­fähr so: Wenn du heute für dein Batterie-Fahrrad eine Förderung haben willst, wird dir vorgeschrieben, du musst dein Auto verkaufen. (Bundesrätin Zwazl: Na geh, geh!) So geht es dem Förderungswerber mit der Zentralheizung: Er müsste seine Zentralhei­zung herausreißen und dann kann er die Förderung bekommen. (Bundesrätin Zwazl: Die Förderung für die Räder gibt es nicht mehr, die ist ausgelaufen! – Weitere Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Ich darf noch auf die Energie-Hauptstadt von Europa hinweisen: Diese Energie-Haupt­stadt im Burgenland, Güssing, hat Mittel und Wege gefunden und ist mittlerweile, wie schon gesagt, die Energie-Hauptstadt von Europa.

Allein mit den Kosten für die Nabucco-Pipeline würde Gesamtösterreich auf erneuerba­re Energie umgestellt werden können, und es könnten damit Hunderttausende Arbeits­plätze geschaffen werden. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenruf der Bundesrätin Kersch­baum.)

15.13


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mit­terlehner. – Bitte, Herr Minister.

 



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 103

15.13.07

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Ertl, da sind Ih­nen jetzt, glaube ich, irgendwie ein paar Dinge durcheinandergekommen (Beifall bei der ÖVP – Zwischenruf des Bundesrates Ertl), denn das, was Sie jetzt geschildert ha­ben, hat mit dem Gaswirtschaftsgesetz zunächst einmal nichts zu tun. Es hat auch nichts mit dem Ökostromgesetz zu tun; es hat meiner Meinung nach nicht einmal et­was mit der thermischen Sanierung zu tun, weil diese Information von Ihnen jetzt ganz einfach nicht korrekt war.

Es mag sein, dass es diesen Fall gibt – ich glaube nicht, dass er sich wirklich so abge­spielt hat –, denn es gibt die ganz klare Information, und die haben die meisten – ich würde sagen, fast alle – auch in der Weise aufgenommen, dass es bei der thermischen Sanierung zwei Ansatzpunkte gibt. Der eine ist der Betrieb, der eine Betriebssanierung macht, was die Energie anbelangt, und der zweite Ansatzpunkt ist eben die Effizienz in Gebäuden und in sonstigen Bereichen, die mit der Heizung verbunden sind, und zwar immer mit dem Zweck, dass die entsprechende Verbesserung, nämlich mit einem Energieausweis nachgewiesen, was die Werte anbelangt, nachweisbar ist. – Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt ist, zunächst kommt der Kostenvoranschlag und dann die Einrei­chung bei den Bausparkassen. Dann kommt in einem weiteren Schritt auch die Kom­munalkredit zur Wirkung und macht die Abwicklung. Aber all das, was Sie gesagt ha­ben, kann einfach meines Erachtens in der Praxis nicht so stattgefunden haben. (Bun­desrat Ertl: Das ist die Praxis, was ich Ihnen gesagt habe!) – Das ist ein recht Unge­schickter, wenn er so vorgeht. Ich hoffe, er hat nicht bei Ihnen die Beratung bekommen (Heiterkeit und Beifall bei ÖVP und SPÖ), denn so bekommt er wirklich weder dort noch da etwas.

Und vor allem: Ich glaube, dass in der Vergangenheit – wir haben jetzt praktisch das dritte Jahr ... (Bundesrätin Mühlwerth: Es wäre nicht das erste Mal, dass man eine fal­sche Auskunft bekommt!) – Es mag möglich sein, dass da und dort auch eine falsche Auskunft vorkommen kann, in dem Bereich glaube ich aber nicht, weil sich das durch­aus etabliert hat. Dass es da Landesförderungen und Bundesförderungen gibt, und dass in dem Zusammenhang wirklich niemand mehr so trivial informiert: Sie haben ei­ne Heizung, und weil Sie eine Heizung haben, bekommen Sie keine Förderung (Bun­desrat Ertl: Genau das habe ich auch gesagt!), das ist jetzt schon allgemeines Wis­sen. – Aber ich möchte mich auch gar nicht mit Ihnen über diese Sache auseinander­setzen.

Sie haben das im Zusammenhang mit dem Ökostromgesetz und als Grund angespro­chen, warum wir es novellieren sollten. – Das haben wir gerade neu beschlossen, und erfreulicherweise haben vier von fünf Parteien zugestimmt – in dem Fall die FPÖ nicht, obwohl der angesprochene Nationalratskollege Norbert Hofer hier auch inhaltlich sehr gut mitgewirkt hat. Das gilt in dem Fall auch für das Gaswirtschaftsgesetz, weil es eine grundvernünftige Vorgangsweise ist, dieses Gesetz zu beschließen.

Es gibt den einen Grund, das ist das Formalerfordernis seitens der EU: Die EU sagt, wir müssen die Energie-Liberalisierungsrichtlinie umsetzen, und wir haben da – Herr Kollege Brunner hat es erwähnt – das ElWOG und bestimmte andere Landesgesetze, aber vor allem auch das Gaswirtschaftsgesetz zu vollziehen. Tun wir das nicht, bekom­men wir eine entsprechende Strafe. – Das ist der Formalaspekt, und wir wollen an sich nicht haben, dass dieser zum Tragen kommt.

Der zweite Punkt geht etwas ins Inhaltliche hinein, nämlich auf der Suche nach den Gründen: Was wird mit dieser Richtlinie bezweckt? – Bezweckt wird mehr Wettbewerb. Einige von Ihnen haben es schon angesprochen: Im Endeffekt habe ich genau die


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Vorteile, die ich beim ElWOG habe, jetzt auch im Gaswirtschaftsbereich, nämlich dass ich beispielsweise den Lieferantenwechsel wesentlich schneller, besser und zu für den Kunden geschützteren Konditionen vollziehen kann. Es ist ein Unterschied, ob ich acht Wochen brauche oder ob ich drei Wochen brauche.

Es gibt auch das Bemühen, das haben wir im Zusammenhang mit dem Ökostromge­setz zugesagt, den elektronischen Anbieterwechsel zu forcieren – das war unter ande­rem ein Grund, warum das BZÖ im Nationalrat nicht zustimmen wollte. Wir werden das aber in beiden Fällen vorbereiten – dazu brauchen wir aber leider eine Gesetzesände­rung –, denn in Zeiten der elektronischen Kommunikation sollte auch das durchaus möglich sein. Das ist ein Grund.

Ein weiterer Grund: Es gibt wesentlich bessere Rechte für die Verbraucher, was das Verfahren anbelangt, aber auch eine Trennung zwischen Erzeuger und Netzbetreiber. All das soll zu mehr Wettbewerb führen.

Damit verbunden ist ein weiterer Aspekt, der in dem Zusammenhang wichtig ist, das ist die energiepolitische Entwicklung. Richtig ist, dass Fukushima zu einer langsamen Än­derung im Bereich der Erzeugung, aber auch im Bereich des Verbrauches führen wird. Ich sage deswegen langsam, weil ja vielen aufgefallen ist, dass 45 Prozent der Berich­te über Fukushima in deutschsprachigen Medien waren. Der Rest der Welt hat dieses Thema eigentlich – leider, muss man sagen – nicht so verfolgt wie wir und wie unsere Kollegen in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch in der Schweiz, in Belgien und anderswo – beispielsweise hat das auch Italien so gesehen.

Was heißt das in der Konsequenz? Nach wie vor ist das eine nationale Angelegenheit: die Möglichkeiten der Erzeugung, der Energiemix – jeder Staat entscheidet für sich al­lein. Aber die Konsequenz, wenn Deutschland aussteigt, ist eine internationale, daher wird die Brückentechnologie, weil man sich ja versorgen muss – die Industrie, die Haus­halte –, eine wichtige Sache werden, und da sind sich alle Experten einig, dass das Erd­gas sein wird.

Frau Kerschbaum! Sie haben angesprochen, Erdgas wäre gar nicht mehr verfügbar, aber es wird wahrscheinlich am längsten verfügbar sein. (Bundesrätin Kerschbaum: Habe ich erwähnt! Es ist endlich!) Sie haben gesagt: relativ lange. – Es wird 300 bis 400 Jahre lang verfügbar sein. Im Endeffekt wird dauernd etwas Neues entdeckt, ins­besondere neue Felder in Turkmenistan, aber auch was die Technologie anbelangt, gibt es verbesserte Verfahren.

Auch was die CO2-Relation anbelangt, ist Erdgas eine relativ vernünftige Technologie. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.) Dennoch muss man sagen, es ist eine fossile Technologie und ein fossiler Rohstoff, und wir bemühen uns auch in der Ener­giestrategie, Erdgas und auch Erdöl zu reduzieren. Das gelingt mit erneuerbarer Ener­gie, das gelingt auch mit Energieeffizienz, aber Faktum ist, ich brauche in dem Zusam­menhang natürlich auch Übergänge, und da ist das Erdgas wichtig.

Und wenn ich Erdgas habe ... (Bundesrätin Kerschbaum: Dann brauche ich neue Lei­tungen, aber nicht mehr!) – Schauen Sie, ich kann ja auch, was ich in den Speichern habe, nicht unbedingt immer unentwegt transportieren, wenn eben kein Wind geht oder keine Sonne scheint, und brauche Umwandlungstechnologien. Und die Umwandlung auch in Gasform wird ein entscheidender Punkt, wie auch die Speicherfähigkeit.

Wie auch immer brauche ich dafür Leitungen, und wenn ich keine Leitungen habe, brauche ich mich mit alternativen Möglichkeiten gar nicht zu beschäftigen, auch mit der ganzen Wasserstofftechnologie und vielen anderem mehr. – Ich brauche das überall!

Daher ist die Leitungsfähigkeit wichtig, und wenn wo eine Leitung sein soll, wird man sehr oft ein öffentliches Interesse haben. Wer stellt das öffentliche Interesse fest? – Es


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ist natürlich eine Frage, wer jetzt der Netzbetreiber und der Netzplanersteller und vieles andere mehr ist. Aber im Endeffekt macht die Regulierungsbehörde die Entschei­dung  und zwar keine Formalentscheidung, sondern auch eine inhaltliche Prüfung. Die Gefahr, dass da wirklich über jemanden drübergefahren wird, sehe ich als relativ gering, denn in den vergangenen elf Jahren, seit es die ganzen neuen gesetzlichen Regelungen gibt, haben wir acht Zwangseinräumungen von Durchleitungsmöglichkei­ten gehabt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es ist ein wichtiges Recht und ich fin­de, es ist vernünftig geregelt worden, da natürlich die gerichtliche Überprüfung dann auch noch möglich ist, und so haben wir eine Ausgewogenheit.

Im Endeffekt ist es so, dass wir mit dieser Umsetzung – auch der zeitliche Aspekt ist angesprochen worden – beides erreicht haben. Wir haben das nicht durchgepeitscht, das ist schon gesagt worden. Wir haben es im Nationalrat eigentlich schon vor Mona­ten beschlossen gehabt. Jetzt wird es auch mit der notwendigen Mehrheit verabschie­det. Im Nationalrat ist es schon verabschiedet worden, jetzt geschieht dies eben auch im Bundesrat. Damit können wir der EU sagen, wir haben das jetzt auch weitestgehend umgesetzt und erfüllt. Das sollte sich für die Betroffenen in Richtung Versorgungssi­cherheit auswirken, es sollte sich in Richtung mehr Wettbewerb auswirken. Wenn Sie die Preise im Erdgasbereich anschauen, sehen Sie, dass diese enorm gestiegen sind. Mehr Wettbewerb, was Quellen anbelangt, was auch Routen anbelangt, tut uns allen in dem Bereich gut. Daher wahren wir mit diesem Gesetz auch unsere Möglichkeiten.

In diesem Sinne bedanke ich mich bei allen, die zustimmen, für diese Zustimmung. Das ist wichtig für den Konsumenten, für die Sicherheit des Standortes Österreich.  Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

15.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Die Debatte ist somit geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Der gegenständliche Beschluss bedarf nach Artikel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsge­setz der Zustimmung des Bundesrates bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder des Bundesrates und einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abge­gebenen Stimmen.

Zunächst stelle ich die für die Abstimmung erforderliche Anwesenheit der Mitglieder des Bundesrates fest.

Wir gelangen zur Abstimmung über den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist die Stimmenmehrheit. Der Antrag, keinen Einspruch zu erhe­ben, ist somit angenommen.

Ich lasse nun über den Antrag abstimmen, dem vorliegenden Beschluss gemäß Arti­kel 44 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz die verfassungsmäßige Zustimmung zu er­teilen.

Ich bitte jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die diesem Antrag zustimmen, um ein Handzeichen. – Das ist ebenfalls die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit unter Be­rücksichtigung der besonderen Beschlusserfordernisse angenommen.

Ausdrücklich stelle ich die verfassungsmäßig erforderliche Zweidrittelmehrheit fest.


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15.23.18 14. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Dienstleistungen (Dienst­leistungsgesetz – DLG) und ein Bundesgesetz über das internetgestützte Behör­denkooperationssystem IMI (IMI-Gesetz) erlassen, das Preisauszeichnungsge­setz, das Konsumentenschutzgesetz, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensge­setz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwaltungsvollstreckungs­gesetz 1991 geändert und einige Bundesgesetze aufgehoben werden (317 d.B. und 523 d.B. sowie 8582/BR d.B. und 8594/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 14. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Junker. Bitte um den Bericht.

 


15.23.41

Berichterstatterin Anneliese Junker: Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzter Herr Minister Mitterlehner! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Wirtschaftsausschus­ses über den Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bun­desgesetz, mit dem ein Bundesgesetz über die Erbringung von Dienstleistungen und ein Bundesgesetz über das internetgestützte Behördenkooperationssystem IMI erlas­sen, das Preisauszeichnungsgesetz, das Konsumentenschutzgesetz, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991 und das Verwal­tungsvollstreckungsgesetz 1991 geändert und einige Bundesgesetze aufgehoben wer­den, liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher zur Antragstellung.

Der Wirtschaftsausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 03. November 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Ertl. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.25.00

Bundesrat Johann Ertl (FPÖ, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Zur Dienstleistungsrichtlinie: Die einen sagen, diese Dienstleis­tungsrichtlinie wäre die angestrebte Vollendung des Binnenmarktes. Sie würde den Markt öffnen, damit die Dienstleister in ganz Europa endlich ohne Behinderungen ar­beiten können, unnötige Bürokratie würde abgebaut, Hunderttausende zusätzliche Ar­beitsplätze würden entstehen, geschützte Sektoren wie die Daseinsvorsorge blieben verschont, auch die Rechte der ArbeitnehmerInnen würden nicht betroffen sein, Öster­reich würde zu den Hauptnutznießern zählen.

Andere wiederum sagen, diese Dienstleistungsrichtlinie wäre bisher der radikalste, um­fassendste Angriff auf die Sozialsysteme der EU-Staaten. Die Dienstleistungsrichtlinie würde nicht den Binnenmarkt vollenden, sondern den Demokratieabbau vorantreiben. Die Dienstleistungsrichtlinie wird für massivstes Lohn- und Sozialdumping verantwort­lich gemacht. Es gebe kaum mehr Konsumentenschutz, und auch die Umgehung des Umweltschutzes würde diese Dienstleistungsrichtlinie nach sich ziehen. Sie würde zu enormen Rechtsunsicherheiten führen.

Unterschiedlicher können die Meinungen und die Standpunkte über ein und dieselbe Sache wohl kaum sein, was die Emotionen auch hochgehen lässt. (Zwischenruf bei der ÖVP.  Ruf bei der SPÖ: Man merkt’s!) Die Dienstleistungsrichtlinie gilt für die Erbrin­gung eines breiten Spektrums von Dienstleistungen von Privatpersonen und Unterneh­men mit nur wenigen Ausnahmen. Diese Bereiche für die Dienstleistungsrichtlinie sind


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Handel und Vertrieb einschließlich Groß- und Einzelhandel mit Gütern und Dienstleis­tungen.

Die meisten Dienstleistungen betreffen freie Berufe wie Rechts- und Steuerberater, Ar­chitekten, Ingenieure, Wirtschaftsprüfer und Vermessungsingenieure, Bau- und Hand­werksdienstleistungen, unternehmensbezogene Dienstleistungen – zum Beispiel Un­terhaltung von Büroräumen –, Unternehmensberatung, Veranstaltungsorganisation, Einziehung von Forderungen, Werbung und Personalbeschaffung, Tourismusdienste – zum Beispiel Reisebüros –, Dienstleistungen im Freizeitbereich, Sportzentren und Frei­zeitparks, Geräteinstallation und Wartung, Informationsdienstleistung – zum Beispiel Internetportale, Nachrichtenagenturen, Computerprogrammierung –, Beherbergungs- und Gastronomiedienstleistungen, Hotels, Restaurants und Catering-Dienstleister, Ver­mietung und Leasing einschließlich der Autovermietung, Dienstleistungen im Immobi­lienwesen, Unterstützungsdienste im Haushalt – zum Beispiel Reinigungskräfte, Gärtner und private Kinderbetreuung.

Von dieser Dienstleistungsrichtlinie sind aber ausschließlich ausgenommen: Finanz­dienstleistungen, elektronische Kommunikationsdienste hinsichtlich Materien, die durch andere Gemeinschaftsinstrumente geregelt sind, Verkehrsdienstleistungen, die unter an­derem unter Artikel 5 des EG-Vertrages fallen und Gesundheitsdienstleistungen, die von Angehörigen eines Berufes im Gesundheitswesen gegenüber Patienten erbracht wer­den, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, wenn diese Tätigkeiten einem reglementierten Gesundheitsberuf vorbehalten sind.

Weiters sind dies Dienstleistungen von Leiharbeitsagenturen, private Sicherheitsdiens­te, Glücksspielaktivitäten, bestimmte soziale Dienstleistungen, die vom Staat durch die vom Staat beauftragten Dienstleistungsunternehmen oder von anerkannten gemeinnüt­zigen Einrichtungen erbracht werden und Tätigkeiten von durch den Staat bestellten Notaren und Gerichtsvollziehern. Man sieht da eindeutig den Unterschied: Dort, wo kei­ne Konzerne oder der Staat tätig sind, herrscht die freie Marktwirtschaft. (Beifall des Bundesrates Mag. Pisec.)

Dort, wo die Konzerne tätig sind, braucht sich niemand einer Konkurrenz zu stellen. Die Freiheit des Marktes wird eingeschränkt, die Freiheit des Geldes aber nicht. Die gibt es in Europa ja bereits, die Freiheit des Geldes. Das Geld fließt vor allem in Rich­tung Brüssel oder in Richtung Griechenland oder in Richtung Euro-Rettungsschirm. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, Ziel dieses Dienstleistungsgesetzes ist es, einen echten Binnenmarkt für Dienstleistungen zu schaffen, aber im Vordergrund stehen Verwal­tungsvereinfachungen für ausländische Dienstnehmer. Verwaltungsvereinfachungen für inländische Klein- und Mittelbetriebe, die seit Jahren von uns gefordert werden, sind nicht in Sicht, obwohl sie von der Regierung versprochen wurden.

Aufgrund der Tatsache, dass wir an die Ostländer, an die neuen EU-Mitgliedsländer angrenzen, müssen wir davon ausgehen, dass es, wie bereits angeführt, zu Sozial­dumping und Lohndumping kommen wird. Mittlerweile sind die Grenzen zu diesen EU-Ländern alle geöffnet worden, und wie die Arbeiterkammer bereits dokumentiert und berichtet hat, kommt es zu diesem Lohndumping. Für 2,50 € die Stunde arbeiten mitt­lerweile Beschäftigte aus diesen Ländern in Österreich. (Zwischenrufe der Bundesrätin Junker. Bundesrätin Zwazl: Na, na! Das haben wir im Ausschuss schon !)  Das stimmt! Ich habe extra noch einmal nachgeschaut, Frau Präsidentin. Und sie müssen auch die Wohnung noch selber bezahlen. Das habe ich gestern im Ausschuss gar nicht erwähnt. (Zwischenrufe bei der ÖVP. – Bundesrat Mayer: Aber es geht vielen Menschen so, dass sie ihre Wohnungen selber bezahlen müssen!)

Ja, aber nicht, wenn ich nur 2,50 € in der Stunde verdiene, Kollege Mayer. Die Umset­zung dieses Gesetzes ist katastrophal! Bei der Umsetzung wird es auf neun Landesge-


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setze herunter gebrochen. Das ist eine Lösung, die auch nicht in unserem Sinne ist. Es werden sich höchstwahrscheinlich in jedem einzelnen Bundesland kleinere Änderun­gen ergeben, und wir werden wieder für jedes Bundesland ein anderes Gesetz haben. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

15.32


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Frau Bundesrätin Zwazl. – Bit­te, Frau Kollegin.

 


15.32.59

Bundesrätin Sonja Zwazl (ÖVP, Niederösterreich): Herr Präsident! Herr Minister! Lie­be Kolleginnen und Kollegen! In Österreich werden 5 von 10 € durch Ausfuhren unse­rer Waren und Dienstleistungen verdient. 5 von 10 €! Jedes zehnte österreichische Un­ternehmen ist im Auslandsgeschäft tätig. Bezogen auf die Exportwertschöpfung pro Einwohner nimmt Österreich den achten Platz unter allen exportierenden Ländern der Welt ein.

Das ist ein toller Platz, den wir da haben, und er zeigt, wie wichtig für uns der Export ist. Die Wertschöpfung und Steuerleistung bleiben bei uns. Neben der Aufbauarbeit war das der zweite Grundpfeiler dafür, dass wir uns zu einem wohlständigen Staat ent­wickeln konnten. In Zentral-, Ost- und Südeuropa nimmt Österreich eine bedeutende Rolle ein und konnte sich in vielen Ländern als maßgeblicher oder sogar größter Inves­tor etablieren. Und gerade unsere klein- und mittelständischen Unternehmen haben dadurch ihren heimischen Standort, ihre Betriebe gestärkt.

Zurückzuführen ist es in erster Linie darauf, dass unsere UnternehmerInnen gut unter­wegs sind, dass wir gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben  und vollkommen zu Recht erwarten sich diese Leute von der Politik, also von uns, dass wir sie in diesem Streben zumindest nicht behindern, sondern nach unseren Möglichkeiten bestens un­terstützen. Und vollkommen zu Recht erwarten sich diese Menschen auch von uns, dass wir einen positiven Beitrag zum Image unseres Wirtschaftsstandortes leisten.

Bei allen gilt: Europa ist unser Hauptmarkt. Unsere Top-Exportpartner sind Deutsch­land und Italien, aber bereits die Plätze sechs und sieben werden von Tschechien und Ungarn eingenommen, an zehnter Stelle liegt Polen. In diesen Ländern, wie Ungarn und Polen, können wir nur schauen, dass wir unsere Potentiale auch ausschöpfen. Un­ternehmer, die sich auf diesen Märkten betätigen, sprechen aber nicht von Export. Un­sere benachbarten Länder werden von diesen Unternehmungen als erweiterter Heim­markt gesehen, und das darf und kann ganz einfach keine Einbahnstraße sein.

Geht es nach einem Teil der Opposition, so sollen wir nach außen die Türen aufma­chen können, aber von innen dürfen sie sich nicht öffnen lassen. (Bundesrat Ertl:  innen auch ändern!) Natürlich müssen wir mit ungleichen Bedingungen, wie zum Bei­spiel  von dir angesprochen  mit unterschiedlichem Lohnniveau, leben. Aber da gibt es auch deutliche Entwicklungen, und da muss man auch aufpassen.

Schauen wir zum Beispiel in die Region Bratislava. Bratislava hat 80 Prozent des Lohn­niveaus und jetzt manchmal sogar schon etwas mehr als Wien. Wir wissen heute nicht, wie sich unser Europa entwickelt, doch wir wissen, der gemeinsame Wirtschaftsraum, der EU-Binnenmarkt und damit verbunden die Dienstleistungsfreiheit sowie die Arbeit­nehmerfreizügigkeit sind ganz einfach Säulen unserer Europäischen Union.

Das geht weit zurück in die Geburtsstunde der Union, denn begonnen hat alles mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1957. Da war alles vom Gedanken geprägt, dass durch eine geordnete wirtschaftliche Zusammenarbeit der Grundstein für ein friedliches Zusammenleben gelegt wird. Dieses Wirtschaftsprojekt ist in Wirklichkeit ein Friedensprojekt geworden. Das ist für uns Grund genug, dass wir für diese europäische Idee weiter arbeiten und uns einsetzen.


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In Wirklichkeit ist ja das Gesetz, das wir heute beschließen, nur ein Nebenschauplatz. Seit 2009 sind wir mit der Legalisierung des einheitlichen Ansprechpartners säumig. Wir hoffen, dass wir durch das einfache Bundesgesetz und die neun Ländergesetze ei­nen Weg finden, die Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof zu verhindern. Dies alles ist notwendig, weil die Opposition auf diesen Nebenschauplätzen Stärke de­monstrieren möchte.

Wir können das hier, auf der Ebene des Bundesrates, leider nicht mehr ändern, doch mir bleibt in diesem Zusammenhang nichts anderes, als meiner wirklich großen Enttäu­schung Ausdruck zu verleihen über das Bild, das wir hier abgeben. Und jetzt frage ich mich schon: Welches Bild zeigen wir unserer Jugend? Die Dienstleistungsfreiheit ist ja nichts anderes als eine konsequente Fortsetzung der europäischen Idee, von der Rei­sefreiheit bis zum Austausch von Schülern, Lehrlingen und Studenten.

Zeigen wir doch unserer Jugend das Bild der Vielfältigkeit, der gegenseitigen Wert­schätzung, der Offenheit! Zeigen wir doch nicht das Bild von Verschlossenheit, Ver­bohrtheit! Vieles liegt in unserer Hand, und wir tragen in diesem Moment auch die Ver­antwortung dafür. – Danke schön. (Beifall bei ÖVP und SPÖ sowie des Bundesra-
tes Dönmez.)

15.38


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte, Herr Kollege.

 


15.38.33

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Eines vorweg: Wir werden, genauso wie unsere Kollegen im Nationalrat, diesem vorliegenden Dienstleis­tungsgesetz nicht zustimmen (Bundesrätin Mühlwerth: Auch eine Enttäuschung!), und zwar aus mehreren Gründen, aber folgendem Hauptgrund: Solange die Einset­zung eines Untersuchungsausschusses nicht Minderheitenrecht wird, werden wir die­ses Gesetz, und wahrscheinlich auch noch andere, blockieren. (Beifall bei den Grü­nen. Ruf bei der ÖVP: Jetzt habt’s den Vorsitz gekriegt!)

Man kann jetzt natürlich darüber diskutieren, ob das gut oder schlecht ist, aber wir hät­ten auch ein paar Verbesserungsvorschläge gehabt. Aber so weit hätte es ja gar nicht kommen müssen. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Dass man keine Zweidrittelmehrheit er­reicht, hat ja eigentlich nur damit zu tun, dass man bei allen Themenbereichen, die mit Europa zu tun haben, keine Zustimmung der zwei Rechtsparteien, also FPÖ und BZÖ, erhält.

Man wird auch im Laufe der Untersuchungsausschüsse noch merken, wie dringend notwendig es ist, zu der Erkenntnis zu gelangen, dass die Einsetzung eines solchen Ausschusses auch ein Minderheitenrecht sein soll.

Wäre der öffentliche Druck nicht so groß geworden, dann wäre der Untersuchungsaus­schuss, den wir vor kurzem eingesetzt haben, wahrscheinlich nicht in dieser Breite, in dieser Tiefe und in dieser Dichte zu organisieren gewesen. Der ist sozusagen nur des­halb eingesetzt worden, weil wir Grüne und auch andere den öffentlichen Druck ent­sprechend aufgebaut haben. Aber darauf kann man sich nicht immer verlassen, das müsste nämlich auch von alleine gehen. Und darum ist es so wichtig, dass das ein Minderheitenrecht wird (Bundesrat Kainz: Aber keine Dienstleistung!), denn dann hat es sich nämlich „ausgeschmiert“ in dieser Republik und dann braucht man auch nicht Leute in den eigenen Reihen zu haben, die sich letztlich die Frage stellen: Was war überhaupt mei’ Leistung?, und dergleichen mehr. Das könnten wir uns alles ersparen. Das könnten wir in der Zukunft viel schneller und leichter verhindern und gleich prophy­laktisch vorgehen. (Bundesrat Mayer: Was euer Verhalten bei der Dienstleistung an­geht, das ist genauso schwach!)


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Wir wollen dieses Gesetz auch deshalb verhindern, weil wir der Überzeugung sind, dass diese Vorlage auch zu verfassungsrechtlichen Problemen führen wird. Und falls die Frage auftauchen sollte, warum denn dann die Landtage, als deren Repräsentan­ten wir hier sitzen, zugestimmt haben, so war eines der Hauptargumente: die Strafzah­lungen – die Strafzahlungen, die dann auf die Länder zukommen können.

Da stellt sich schon die Frage, wie da tatsächlich argumentiert worden ist und welche Argumentationsstränge, die in dieser Form gar nicht stimmen, aufgebaut wurden, um Beschlussfassungen in kürzester Zeit zu erreichen.

Ich glaube, dass der richtige Weg jener gewesen wäre, hier im Hohen Haus, hier im Parlament die Verhandlungen weiterzutreiben, sie weiterzuführen und auch die Punkte, die, wie ich glaube, verbesserungswürdig sind, mit hereinzunehmen.

Einerseits müsste mit der Genehmigungsfiktion sehr sorgsam umgegangen werden – das ist, denke ich, ein wichtiger Bereich; da hätte es mit Sicherheit auch Veranke­rungen gegeben, um das sicherzustellen –, und zweitens muss man anmerken, dass dieser einheitliche Ansprechpartner ein Fortschritt beim Thema Information ist. Aber das, was wir auch haben wollen, ist ein Informationsgleichgewicht, dass auch Nach­barn, betroffene Anrainer und so weiter diese Stelle nützen und Informationen bekom­men können. Das wäre eine massive Verbesserung gewesen.

Dieser einheitliche Ansprechpartner hätte nämlich dazu verpflichtet werden können, eben auch Informationen darüber zu geben, ob Ansuchen zu einem bestimmten Pro­jekt eingelangt sind, welche Behörden das Ansuchen zum Stand des Verfahrens er­mittelt und übermittelt haben .

Also auch da hätte es Verbesserungen geben können. Und auch die Kommission wird diesbezüglich sicher noch einige Nachbesserungen einfordern. Im Beirat sind jetzt die Ministerien vertreten, der Kanzler, interessanterweise die Landwirtschaftskammer, die Wirtschaftskammer und die Arbeiterkammer, aber keinerlei Umweltverbände, keine NGOs aus dem Umweltbereich. (Bundesrat Tiefnig: Sozialpartner!) Auch da wäre es aus unserer Sicht klug gewesen, diese mit ins Boot hereinzunehmen, dann hätte man sich auch diese durchaus berechtigte Kritik ersparen können.

Aber das wurde eben nicht berücksichtigt. Aus diesen und den anderen genannten Gründen werden wir dieser Vorlage unsere Zustimmung nicht erteilen. – Danke. (Bei­fall des Bundesrates Schreuder.)

15.43


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kem­perle. – Bitte.

 


15.43.52

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Bundesminister! Geschätzte Da­men und Herren des Bundesrates! Es ist ja einiges an Gründen gekommen, die wahr­scheinlich nicht wirklich mit der Dienstleistungsrichtlinie zu tun haben, sondern mit per­sönlichen Befindlichkeiten. Ich glaube, das ist der schlechteste Ratgeber überhaupt, wenn man über Dinge sachlich diskutiert und versucht, eine bestmögliche Vorausset­zung für gerade so ein Thema, wie es die Dienstleistungsrichtlinie ist, zu finden.

Wir wissen, dass diese Dienstleistungsrichtlinie für den Binnenmarkt zu gelten hat und dass sie bereits 2009 hätte umgesetzt werden müssen. Wenn wir es bis 28. Dezember nicht machen, werden wir unser zweijähriges Jubiläum haben, wo sie nicht umgesetzt worden sein wird. Letztendlich ist Österreich säumig, diese Richtlinie umzusetzen; die EU-Kommission hat sich ja bereits an den EuGH gewandt.

Das Ziel dieser Dienstleistungsrichtlinie – ich glaube, dass es einfach notwendig ist, das in Erinnerung zu rufen – ist, rechtliche und administrative Hindernisse für den Han-


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del im Dienstleistungssektor zu beseitigen und damit Wachstumspotenzial der Dienst­leistungsmärkte in Europa freizusetzen. Die in der Richtlinie vorgesehenen Vereinfa­chungsmaßnahmen sollen das Leben erheblich erleichtern, indem sie für KMUs und nicht, wie vorher so süffisant festgestellt wurde, für Großunternehmen et cetera gilt. Sie soll wirklich für Klein- und Mittelunternehmen und Verbraucher für Transparenz im Bin­nenmarkt sorgen, wenn sie Dienstleistungen erbringen oder diese in Anspruch neh­men.

Gemäß den Richtlinien müssen Mitgliedstaaten die Verfahren und Formalitäten für Dienstleistungserbringer vereinfachen, was wiederum Klein- und Mittelunternehmen und den VerbraucherInnen zugutekommt. Vor allem aber müssen sie nicht gerechtfer­tigte und unverhältnismäßige Aufgaben beseitigen und einiges erheblich erleichtern – ich erwähne das nur, um hier nicht die Litanei jener fortzusetzen, die zuvor gesprochen haben. Ich bin mir beim Verlesen dieser einzelnen Punkte vorgekommen wie in einem Krämerladen. Das war wie ein Auszug aus dem Register für Waren aller Art, die ange­führt worden sind.

Das heißt, es geht um die Niederlassung von Unternehmungen, wenn zum Beispiel na­türliche oder juristische Personen eine dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat errichten wollen, und die grenzüberschreitende Erbringung von Dienstleistungen, wenn zum Beispiel ein Unternehmen Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat anbie­ten will, ohne dort eine Niederlassung zu errichten.

Zudem müssen Mitgliedstaaten einheitliche Ansprechpartner haben, es ist ausdrücklich auf einen einheitlichen Ansprechpartner hinzuweisen. Das ist das, was, glaube ich, du, Kollege Dönmez, kritisiert hast, aber hiemit ist die Voraussetzung für diesen Ansprech­partner geschaffen.

Im Falle Österreichs ist im Gesetz je nach Wirkungsbereich auch auf Landesebene ein gesetzlicher Dienstleister zu definieren. Man soll über die Dienstleistungserbringer not­wendige Informationen erhalten und Verwaltungsformalitäten erledigen können. Diese müssen sowohl aus der Ferne als auch elektronisch zugänglich sein.

Notwendige Anpassungen Österreichs sind durch das vorliegende Bundesgesetz grundsätzlich erfüllt. Neu geschaffen allerdings werden das Dienstleistungsgesetz so­wie das Bundesgesetz über das internetgestützte Behördenkooperationssystem IMI. Anpassungen erfolgen weiters im Preisauszeichnungsgesetz und im Konsumenten­schutzgesetz.

Im Vorfeld hat es Ängste und Sorgen gegeben, über die Gefahr einer Erosion von Qua­litätsstandards und Sozialstandards wurde debattiert sowie darüber, dass die Daseins­vorsorge gefährdet sein könnte. Und es hat dazu ausführliche Stellungnahmen und De­batten gegeben.

Das Gesetz sieht die Ausnahmen der Anwendbarkeit vor, wenngleich der EuGH Mitte des Jahres die Ausnahme von Notaren als Diskriminierung festgestellt hat. Ich glaube, dieses Gesetz haben wir heute auch zur Beschlussfassung auf der Tagesordnung. Un­geachtet dessen ist aber davon auszugehen, dass zum Beispiel nicht wirtschaftliche Dienstleistungen von allgemeinem Interesse oder Verkehrsdienstleistungen sowie so­ziale Dienstleistungen, die vom Staat durch von ihm beauftragte Dienstleistungserbrin­ger oder gemeinnützige Einrichtungen zu erbringen sind, außer Frage stehen.

In Ländern, die die Richtlinie bereits umgesetzt haben, sind, soweit bekannt ist, diese Befürchtungen, die ich vorhin erwähnt habe, nicht eingetreten, und auch bei uns sind diese Dinge in dem Ausmaß, wie Sie, Herr Bundesrat Ertl, es skizzieren wollten, nicht eingetreten. (Bundesrat Ertl: Fragen Sie bei der Arbeiterkammer nach!) – Ich werde das Beispiel, das Sie immer wieder heranziehen, noch näher erläutern. Es gibt auch andere Dinge, die man vielleicht noch besprechen könnte, die aber, wie gesagt, nichts damit zu tun haben, sondern auf einer ganz anderen Grundlage basieren.


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Es hat geheißen, dass zum Bespiel polnische Installateure – wie bereits gesagt, die Befürchtungen sind nicht eingetreten – die Preise für das Installationsgewerbe unter­graben werden.

Ähnlich waren die Befürchtungen betreffend Arbeitsmarktöffnung Österreichs am 1. Mai dieses Jahres, der sogenannte große Run; die überfüllten Busse mit ausländi­schen Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sind nicht gekommen. (Bundesrat Ertl: Da wüsste ich noch etwas!) Ich weiß nicht, welches Szenario Sie jetzt, nach der sehr guten, geregelten Arbeitsmarktöffnung, wieder vorbringen wollen, um Ängste zu schüren.

Österreich hat sich nämlich sehr gut darauf vorbereitet. Österreich hat sich mit dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vorbereitet. Lohn- und Sozialdumping ist eine sozialpolitisch nicht erwünschte Erscheinung, die einerseits dazu führt, dass ArbeitnehmerInnen nicht das ihnen zustehende Entgelt bekommen und die anderer­seits auch einen fairen Wettbewerb zwischen Unternehmen verhindert. Die Regelun­gen gelten nicht nur für grenzüberschreitende Tätigkeiten nach Österreich, sondern auch für in Österreich ansässige Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.

Ich glaube, dass gerade das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz an Ihnen, an Ihrer Fraktion vorbeigegangen ist, und ich glaube, dass das Grundlage auch eines geregelten Arbeitsmarktes in diesem Zusammenhang ist.

Dieses Bundesgesetz berührt nicht die Ausübung der Grundrechte und das Recht, Kol­lektivverträge auszuhandeln, abzuschließen, durchzusetzen sowie Arbeitskampfmaß­nahmen zu ergreifen. Die 2,50 €, die Sie immer erwähnen, das ist nicht aufgrund der Arbeitsmarktöffnung passiert, sondern aufgrund dessen, was wir alle miteinander nicht wollen, nämlich dass es schwarze Schafe gibt. (Bundesrat Ertl: Aber es hat sie gege­ben!) Und die gibt es – egal, ob es die Arbeitsmarktöffnung gegeben hätte oder nicht. Und damit ist, gesamt gesehen, gesichert, dass, auch wenn die Dienstleistungsrichtli­nie auf selbständige Tätigkeiten abzielt, dem Lohn- und Sozialdumping ein Riegel vor­geschoben wurde und wird, weil die Maßnahmen dazu und die Prüfungen relativ streng gehandhabt werden.

Laut Studie der WU Wien, die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit im Jahr 2005 in Auftrag gegeben wurde, stellen sich die ökonomischen Effekte der Richtli­nienumsetzung für Österreich in Bezug auf Beschäftigungswachstum, Investitionen, Ar­beit und Produktivität positiv dar. In konsumentenpolitischer Hinsicht sind durch das Dienstleistungsgesetz positive Auswirkungen für die Dienstleistungsempfänger, insbe­sondere die VerbraucherInnen, zu erwarten. Der Dienstleistungserbringer hat dem Dienstleistungsempfänger Informationen über sich und seine Dienstleistungen klar, verständlich und rechtzeitig vor Abschluss des Vertrags oder Erbringung der Dienst­leistung zur Verfügung zu stellen.

Verbesserte Informationen und Transparenz werden VerbraucherInnen in die Lage ver­setzen, fundierte Entscheidungen zu treffen. Dem Gesetz wird meine Fraktion da-
her die Zustimmung erteilen. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundesra­tes Dönmez.)

15.54


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dr. Brun­ner. – Bitte.

 


15.54.42

Bundesrat Dr. Magnus Brunner, LL.M (ÖVP, Vorarlberg): Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Ich finde das, was heute hier abgeht und was in den letzten Monaten rund um die Dienstleistungsrichtlinie in Österreich alles abgelaufen ist, ziemlich verantwor­tungslos. Es nehmen einzelne Parteien bewusst in Kauf, dass Österreich dazu ver-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 113

pflichtet wird, im laufenden Vertragsverletzungsverfahren Strafzahlungen leisten zu müs­sen.

Wir haben auch schon im Ausschuss gehört, dass wir die dritte Stufe erreicht haben, also doch schon relativ weit fortgeschritten sind: Es wird nicht, wie man meinen mag, mit inhaltlichen Argumenten gearbeitet, sondern – du hast es eigentlich relativ klar dar­gestellt (in Richtung des Bundesrates Dönmez) –, nein, es wurde verknüpft mit der offenen Einigung zum Untersuchungsausschuss. (Bundesrat Schreuder: Das wurde unterschrieben! Fragen Sie Ihren Klubobmann!) Also soll noch jemand diese Verknüp­fung verstehen! Das finde ich doch einigermaßen bedenklich, was hier alles abläuft.

Gott sei Dank gibt es die Bundesländer, die etwas pragmatischer in dieser Angelegen­heit sind und die Initiative des Bundesministers zu dieser Ersatzlösung über die neun Landesgesetze aufgreifen und jetzt für diesen Plan B auch in die Bresche springen. Natürlich wäre es einfacher gewesen – man hat sich mit dem Kompromiss auch schon einverstanden erklärt –, ein Bundesverfassungsgesetz zu beschließen, was aber eben nicht möglich ist. (Bundesrat Schreuder: Doch! ... Untersuchungsausschuss ...! – Ge­genruf der Bundesrätin Zwazl.) – Aber was hat das bitte miteinander zu tun? Das ist genau die Frage. (Bundesrat Schreuder: Das hat mit Handschlagqualität zu tun!)

Wir wollen dieses Gesetz heute beschließen, um eben solche Strafzahlungen zu ver­hindern, liebe Kollegen von den Grünen, über die sich sicher die Opposition zuerst auf­regen wird. Das soll wohl noch jemand verstehen – und die Zuseher werden es wahr­scheinlich auch nicht wirklich verstehen – und sich eine eigene Meinung darüber bil­den.

Falls die Strafzahlungen dann doch fällig werden, bin ich schon gespannt, wie Sie an die Bevölkerung herantreten und dann auch die Verantwortung dafür übernehmen wer­den. (Beifall bei der ÖVP. – Bundesrätin Zwazl: Sehr richtig!)

Gerade im Hinblick auf die Aktualität eines wirklich integrierten Binnenmarktes für Dienstleistungen und um das große Potential eines Wirtschaftswachstums und auch die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zu realisieren, kann man nur noch­mals auch an dieser Stelle auf die Dringlichkeit der Umsetzung dieser Dienstleistungs­richtlinie hinweisen, denn – das hat Frau Präsidentin Zwazl schon erwähnt – diese Dienstleistungsrichtlinie ist ja keine Einbahnstraße.

Unsere kleinen und mittleren Unternehmungen in Österreich sehen sich vielfach sol­chen bürokratischen Hindernissen und Diskriminierungen gegenüber, die sie daran hin­dern, ihre Leistungen auch in anderen EU-Ländern erbringen und uneingeschränkten Nutzen aus dem EU-Binnenmarkt ziehen zu können. Und unsere Unternehmen sind nun einmal stark exportorientiert. Wir eröffnen auf der einen Seite mit der Umsetzung dieser Richtlinie den heimischen KMUs große Chancen, auf der anderen Seite kann es entsprechend großen Schaden anrichten, wenn wir diese Richtlinie heute nicht um­setzen.

Mir tut ja eigentlich wieder einmal, so wie letztes Mal, meine liebe Kollegin Conny Mi­chalke etwas leid, denn sie muss aus parteipolitischen oder aus parteitaktischen Grün­den schon wieder dagegen stimmen, wie auch schon beim Ökostromgesetz (Oh-Rufe des Bundesrates Mayer), obwohl sie aufgrund ihrer persönlichen und aufgrund ihrer wirtschaftlichen Einstellung ja eigentlich dafür sein müsste. Aber auch das muss na­türlich jeder mit seinem Abstimmungsverhalten und mit sich selbst ausmachen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Bundesrates Zangerl.)

15.58


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminister Dr. Mitterlehner. – Bitte, Herr Minister.

 



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 114

15.58.35

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist, was die inhaltliche Seite anbelangt, vieles schon gesagt worden, nämlich dass es in einer Zeit, in der die Wirtschaftskrise gerade Vergangenheit ist – glauben wir zumindest; die nächste droht schon wieder –, einfach notwendig ist, dass wir auf die Stärke Europas setzen, mit ei­ner Kraft insgesamt und mit einer Zielgruppe von rund 550 Millionen Bürgern, und nicht ständig darauf warten, was Amerika mit einem wesentlich kleineren Markt tut. Daher ist das Ziel, dass wir die Freiheiten des Marktes, die Vorteile der Dienstleistungserbrin­gung im internationalen und insbesondere im europäischen Gefüge anstreben, ein äu­ßerst positives.

Wir können das auch aus den Zahlen nachvollziehen. Wir haben uns im Dienstleis­tungsbereich in den letzten Jahren, etwa von 2000 bis 2010, von 14 auf 41 Milliarden € gesteigert. Das ist ein wichtiger Faktor – Frau Präsidentin Zwazl hat es angespro­chen – unserer Export-Darstellung. Eine Tätigkeit ist natürlich überall im Wirtschaftsge­schehen keine Einbahnstraße, und gerade mit der Dienstleistungserbringung waren viele Ängste verbunden. Sie können sich noch an die Herkunftslanddiskussion erin­nern, dass praktisch jemand bei uns in Österreich nach den Regeln, Gegebenheiten und Rahmenbedingungen, wie sie in seinem Land herrschen, tätig sein könnte.

Da wir sehr hohe Standards haben, war die Furcht und die Angst vorhanden, da könn­ten wir benachteiligt werden. Diese Bedenken sind alle im Wesentlichen ausgeräumt worden, vor allem in der Endabschätzung, wenn es um die Frage geht: Exportieren wir mehr oder importieren wir mehr, haben wir größere Chancen oder größere Risken? An den von mir vorhin erwähnten Zahlen sehen Sie, dass wir von den 41 Milliarden insge­samt einen Überschuss von 13 Milliarden haben. Also es kommt um 13 Milliarden mehr herein als hinausgeht. Das heißt im Klartext, dass eigentlich unsere Klein- und Mittel­betriebe genau von diesem Austausch profitieren.

Da muss ich sagen, gerade die Freiheitliche Partei, hier im Bundesrat weniger, aber insbesondere im Nationalrat und in verschiedensten Interventionen, weist immer darauf hin, wie katastrophal die Dienstleistungserbringung in der Schweiz wäre, wo wir nicht geschützt sind, wo wir nichts tun, weil wir dort eben keine entsprechende Absicherung haben. Und das, was man dort beklagt, stellen wir auf dieser Seite jetzt sicher. Daher ist es eigentlich nicht sehr konsistent, was Sie hier machen. Eigentlich müssten Sie mitstimmen.

Herr Ertl, heute ist nicht Ihr Tag, glaube ich. (Heiterkeit.) Also füllen Sie bitte keinen Lottoschein aus, denn das wird vielleicht nicht zum Erfolg führen. (Neuerliche Heiter­keit.) – Scherz beiseite, aber das, was Sie zitiert haben, war einfach nicht, nämlich von den einzelnen Gruppen, die betroffen sind, das Richtige. Es ist richtig von der Frau Kol­legin angesprochen worden: Bei den Notaren haben wir eine spezifische Situation, wo es schon eine OGH-Entscheidung gibt. Bei allen anderen Berufsgruppen gibt es eben, deswegen sind sie ausgenommen, entsprechende spezifische Regeln. Deswegen ist die Situation, wie sie ist, nicht, dass man jetzt nur Klein- und Mittelbetriebe oder Ge­werbe dem aussetzen will, sondern das ist genau der Sinn und Zweck, dass man dort den Wettbewerb forcieren möchte.

Wir haben ja den einheitlichen Ansprechpartner schon realisiert, wir haben nur die ent­sprechende gesetzliche Deckung nicht.

Was ist passiert in den zwei Jahren? – Wir haben bis jetzt 150 000 Anfragen zu beant­worten gehabt. Es waren in etwa 2 000 Personen aus anderen Ländern persönlich da und haben sich vor Ort informiert. Es ist also im Endeffekt genau das Gleiche, was un­sere Unternehmen tun. De facto hat sich das schon eingespielt und ist nicht mit Nach­teilen verbunden, weil wir, wie richtig dargestellt worden ist, im Bereich Lohndumping


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und im Bereich sonstiger Verpflichtungen oder Gefahren andere Richtlinien haben: die Entsenderichtlinie und vieles mehr, auch eine entsprechende gesetzliche Handhabe.

Daher: Vom Inhaltlichen her gibt es eigentlich nichts, wogegen man sein könnte.

Jetzt kommt die politische Seite, und da muss ich sagen, die finde ich insgesamt ein bisschen peinlich. Warum?

Wir haben im Jahr 2006 die Präsidentschaft geführt und im Rahmen dieser Präsident­schaft die Dienstleistungsrichtlinie genau gegen diese Vorbehalte, wie es sie früher ge­geben hat, Befürchtungen bezüglich Herkunftsland und Ähnliches, durchgesetzt, weil wir geglaubt haben, es ist eine Chance. Mittlerweile hat sich das auch als eine solche herausgestellt – und dann ist ausgerechnet das Vorsitzland Österreich unter den weni­gen dabei, die jetzt noch säumig sind.

Jetzt kommen wir zum Grund der Säumigkeit. Es geht nämlich nicht darum, dass heute die Grünen nicht zustimmen. Im Bundesrat würde ich sogar dringend empfehlen, dass die Grünen nicht zustimmen und auch alle anderen, die nicht der Regierung angehö­ren, nicht zustimmen. Warum? – Es wäre ausgesprochen peinlich, wenn wir genau für die Nichtregelung in der Verfassung auf einmal eine Verfassungsmehrheit hätten. Das wäre ja widersinnig! (Heiterkeit bei der ÖVP.)

Die Vorgangsweise ist ja deswegen so gewählt worden, weil wir die Kompetenzde­ckungsklausel nicht bekommen haben. Das heißt nichts anderes, als dass in der Ver­fassung nicht genau geklärt ist, wie wir auf der landesgesetzlichen Ebene, wo ja ei­gentlich die Kompetenz der Länder gegeben ist, diese Umsetzung machen und die ein­heitlichen Ansprechpartner realisieren können. Dafür brauche ich eine Deckung, und wenn ich die Verfassung damit ändere, brauche ich eine verfassungsmäßige Mehrheit. Um nichts anderes geht es, und das ist der Hintergrund.

Die Grünen argumentieren jetzt, sie stimmen deshalb nicht zu, weil einer Vereinba­rung, die von den Klubobleuten unterschrieben worden ist, in Bezug auf die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nicht entsprochen worden ist. Da kann man darüber diskutieren, da mag möglicherweise der eine oder andere Ansatzpunkt richtig sein. Das ist eine andere Geschichte. Aber richtig bei der Geschichte ist, dass die Grünen das so handhaben, wie sie es brauchen, nämlich: Wo es ihnen taktisch vernünftig, opportun erscheint, stimmen sie zu, wie etwa beim Ökostromgesetz. Das finde ich ja toll, dass zugestimmt worden ist, aber Sie können doch nicht Ihre Verantwortung nach taktischen Gesichtspunkten ausrichten! Das ist, glaube ich, nicht das, was sich der Bürger eigent­lich erwartet. Sie tun es aber. (Beifall bei der ÖVP.) Einmal stimmen Sie mit, und ein­mal stimmen Sie nicht mit und argumentieren mit der Nichteinhaltung der Vereinbarung zu den Untersuchungsausschüssen. Das ist nicht eine ganz klare und stimmige Hal­tung.

Jetzt komme ich zur Frage des Inhalts. All das, was da angesprochen worden ist, weil Sie sich inhaltliche Verbesserungen gewünscht hätten, Herr Dönmez, das sind wirklich, würde ich sagen, Kleinigkeiten. Die Frage zum Beispiel, ob im Beirat eine Umweltorga­nisation drinnen sitzt oder nicht, ist, glaube ich, nicht entscheidend, weil man die auf Beratungsseite durchaus noch einbeziehen könnte. Aber das ist doch nicht Match-ent­scheidend! Wir wären auch gerne dazu bereit gewesen, darum geht es auch gar nicht. Das Gleiche gilt für die Genehmigungsfiktion und Ähnliches, das ist alles schon aufge­klärt worden.

Daher: Es wäre aus meiner Sicht inhaltlich kein Problem für Sie gewesen, da mitzu­stimmen.

Ein Verfahren gegen uns ist ja schon eingeleitet worden. Wir haben jetzt in der Umset­zung den Weg B gewählt. Es ist die Verfahrensvariante mit den Ländern. Im Endeffekt


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 116

setzen die Länder das im eigenen Gesetzesbereich um, was wir eben abgedeckt hät­ten von Bundesseite. Was heißt das aber? Dass rechtlich möglicherweise bestimmte Unsauberkeiten damit verbunden sind – rechtlich, nicht inhaltlich –, nämlich insofern, als wir eben die einzelnen Körperschaften da nicht mit einbeziehen. Die Frage ist näm­lich: Sind die Gemeinden da jetzt berührt oder nicht berührt? Das könnte noch eine rechtliche Bewertungsfrage ergeben.

Daher: Rechtlich schöner wäre die Vorgangsweise gewesen, wie sie von uns vorge­schlagen worden ist und wie sie auch die Rechtsexperten formuliert hätten. Das ist jetzt die Variante B. Aber wer nicht bereit ist, der Variante A zuzustimmen, der darf die Variante B nicht beklagen. Da macht er sich eigentlich selber den Vorwurf, denn hätte er mitgestimmt und hätte er die einzelnen inhaltlichen Punkte ausverhandelt, wäre das Ganze kein Problem gewesen und wäre das auch nicht politisch so problematisch ge­wesen, wie es momentan ist.

Daher ist jetzt das, was wir tun, die einzige mögliche Vorgangsweise, die übrig geblie­ben ist. Sie ist verantwortungsorientiert, sie ist wirtschaftlich orientiert nach Kosten-Nut­zen-Abwägungen. Wir haben das der EU gegenüber dargestellt. Die EU hat uns mitge­teilt, das Verfahren ist eingeleitet, sie warten auf unsere Umsetzung. Drei Bundeslän­der haben das schon getan. Ich glaube, in den nächsten Monaten werden es die ande­ren tun. Daher hoffe ich, dass wir mit dieser raschen Umsetzung vielleicht sogar so über die Runden kommen, dass keine Strafzahlungen fällig werden. Eine Garantie bei all den Unwägbarkeiten, wie es sie in den Landtagen gibt, kann man natürlich nicht ge­ben. Aber dann würde ich wirklich bitten, dass man die Verantwortung dafür nicht im­mer nur der Bundesregierung und den beiden Regierungsparteien gibt, sondern sie vielleicht auch im eigenen Bereich sucht. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Bun­desräten der SPÖ.)

16.07


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Ich sehe, das ist nicht der Fall. Die Debatte ist ge­schlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Stimmenmehrheit fest. Der Antrag ist somit angenom­men.

16.08.1915. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend Vereinbarung ge­mäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des institutionellen Kinderbetreuungsan­gebots (1406 d.B. und 1414 d.B. sowie 8595/BR d.B.)

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Wir gelangen nun zum 15. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatterin ist Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich bitte um die Berichterstattung.

 


16.08.38

Berichterstatterin Martina Diesner-Wais: Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bun­desminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Ich bringe den Bericht des Aus­schusses für Familie und Jugend über den Beschluss des Nationalrats vom 19. Okto­ber 2011 betreffend Vereinbarung gemäß Artikel 15a B-VG über den Ausbau des insti­tutionellen Kinderbetreuungsangebots.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher sogleich zur Antrag­stellung:


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 117

Der Ausschuss für Familie und Jugend stellt nach Beratung der Vorlage am 3. Novem­ber 2011 mit Stimmeneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrats keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Ich danke für die Berichterstattung.

Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gelangt als Erste Frau Bundesrätin Mag. Rausch. – Bitte.

 


16.09.30

Bundesrätin Mag. Bettina Rausch (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute die Gelegenheit, einer Vereinbarung zuzustimmen, eine Vereinbarung zu unterstützen, die die Bundesländer gemeinsam mit dem Bund, genauer gesagt mit dem Bundesmi­nister für Wirtschaft, Familie und Jugend, getroffen haben, eine Vereinbarung, mit der die institutionelle Kinderbetreuung in Österreich weiter ausgebaut wird. Dafür gibt es 10 Millionen € an Zweckzuschuss des Bundes noch im Jahr 2011, und 15 Millionen € werden jeweils in den kommenden drei Jahren vom Bund in die Hand genommen, von den Ländern entsprechend ergänzt, um die Kinderbetreuungsangebote zu verbessern.

Wir haben gesehen, dass mit der Vorgängervereinbarung die Betreuungsquote bei den drei- bis sechsjährigen Kindern in Österreich schon auf 93,4 Prozent gestiegen ist, und wir erwarten uns von der neuen Einigung wieder eine Steigerung, jedenfalls 5 000 wei­tere Betreuungsplätze.

Es werden dabei – und das ist besonders wichtig; Zahlen sind schnell gesagt und Pa­pier ist geduldig – auch konkrete Schwerpunkte gesetzt, die wesentliche Verbesserun­gen bringen sollen. Zum einen geht es darum, die Betreuungsangebote für die Unter-3-Jährigen deutlich zu verbessern. Wir haben das sogenannte Barcelona-Ziel da noch nicht erreicht. Und es wird auch darum gehen, die Öffnungszeiten bei den Kinderbe­treuungseinrichtungen schrittweise deutlich auszubauen, mit dem Ziel, auf 47 Wochen nach diesen drei Jahren zu kommen.

Das sind aus meiner Sicht wesentliche Veränderungen, die dazu führen werden, Kin­dern und Eltern immer mehr der notwendigen Flexibilität in diesem Bereich zu geben. Wir wissen, dass noch vieles zu tun ist, wir haben das auch im Ausschuss diskutiert, das ist auch dem Herrn Minister bewusst, dass immer mehr Flexibilität in diesen Fra­gen gefordert wird, dass es auch heißen wird, die Vereinbarungen nach diesen Jahren wieder neu zu verhandeln.

Jedenfalls freue ich mich, sagen zu können, dass ich und meine Fraktion heute der Vereinbarung zustimmen werden, weil sie jedenfalls in die richtige Richtung geht und weil sie ein Musterbeispiel auch dafür ist, wie Länder und Bund gemeinsam konstruktiv im Sinne der Menschen verhandeln können. (Beifall bei der ÖVP sowie bei Bundesrä­ten der SPÖ.)

16.11


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Zu Wort gelangt als Nächste Frau Bundesrätin Posch-Gruska. – Bitte.

 


16.11.53

Bundesrätin Inge Posch-Gruska (SPÖ, Burgenland): Herr Präsident! Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Diese Artikel-15a-Vereinbarung, die wir heute disku­tieren, bringt nicht nur die Möglichkeit, mehr Kinderbetreuungsplätze zu schaffen, son­dern auch die Chance, mehr Qualität in der ersten Bildungseinrichtung, wenn auch in kleinen Schritten, aber doch, umzusetzen.

Ein wichtiger Fortschritt ist sicherlich die Reduktion der Schließtage, die diese Verein­barung enthält. Dies ist ein weiterer wichtiger Schritt für die bessere Vereinbarkeit von


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 118

Beruf und Familie. Ganz besonders für Alleinerzieherinnen ist es ein wichtiger Schritt, um in der Berufswelt wieder Fuß zu fassen und sich hier wieder verankern zu können.

Diese Schließtage – Kollegin Rausch hat es vorhin schon gesagt – werden jetzt ge­staffelt für die Kindergärten sein, so wie das Geld auch gestaffelt ausbezahlt wird. Bis jetzt ist es so, dass die Kindergärten 30 Wochen im Jahr offen hatten. Bis zum Jahr 2014 soll es schließlich und endlich so sein, dass 47 Wochen im Jahr die Kinderbetreuungs­einrichtungen offengehalten werden.

Aber es soll auch nicht unerwähnt bleiben, dass mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung rund 20 000 neue Betreuungsplätze geschaffen werden. Und es soll auch nicht uner­wähnt bleiben, dass wiederum neue Arbeitsplätze für Kindergartenpädagoginnen und hoffentlich auch für Kindergartenpädagogen geschaffen werden.

Ich möchte heute in der Länderkammer vor allem aber auch darauf hinweisen, dass diese Bundesfördermittel, die hier ausgeschüttet werden, von den Bundesländern ko­finanziert werden. Was mein Bundesland Burgenland betrifft, so sind das in etwa 430 000 € jährlich, die das Land Burgenland ab dem Jahr 2012 drei Jahre lang be­kommt. Gerade für uns ist dieser Zuschuss sehr wichtig, und er hat auch dazu beige­tragen, dass wir jetzt Vorreiter in der Kinderbetreuung sind: unser kleines Land Burgen­land! Und sicherlich auch mit der geringsten Förderung, aber sie wird ja  (Zwischen­bemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.– Machen wir! Das sage ich der Kol­legin Resetar, aber vielleicht sehen Sie sie vorher, weil sie ist ja eine Parteikollegin von Ihnen, aber sie wird es ganz sicher machen. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Bundesminister Dr. Mitterlehner.) – Wirklich wahr? Na dann rufe ich heute gleich an. Das wird sie sicherlich machen, die Kollegin Resetar, denn beim letzten Mal war sie auch so spät dran.

Aber wir sind trotzdem wirklich sehr stolz darauf, und diese Förderung hat uns wirk-
lich sehr geholfen. Wir sind jetzt bei einer Betreuungsquote von 99,9 Prozent bei den
Drei- bis Fünfjährigen, und auch bei den Unter-3-Jährigen haben wir mittlerweile schon 26,9 Prozent erreicht. Das heißt, da sind wir auch schon knapp am Barcelona-Ziel.

Die Reduktion der Schließtage, die ich schon positiv erwähnt habe, stellt aber für die ländlichen Strukturen auch eine große Herausforderung dar. Auch hier, möchte ich sa­gen, ist es mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung gelungen, wieder dort anzusetzen, wo es die Länder und die Gemeinden wirklich brauchen, nämlich, dass wir hier gemeinde­übergreifend kooperieren können und so wirklich zu einer sinnvollen Lösung für Eltern und Kinder kommen können.

Die Gemeinden werden hier sicherlich auch einen hohen Kostenanteil übernehmen. Ich als Bürgermeisterin bin hier natürlich auch betroffen und werde dadurch sicherlich höhere Personalkosten haben. Aber ich möchte sagen, dass ich mit Stolz diese Kosten übernehmen werde, denn hier kann ich in die Bildung unserer Kinder investieren. Wenn ich diese Kosten vergleiche mit den hohen Kosten, die ich in die Straßen investieren muss, dann freue ich mich, dass ich dieses Geld für die Bildung ausgeben kann.

Mit der Artikel-15a-Vereinbarung haben die Gemeinden sicher auch die Möglichkeit, die Personalkosten, die wir gefördert bekommen, wieder zurückzurechnen.

Alles in allem möchte ich sagen, dass es wirklich eine sehr durchdachte Vereinbarung ist. Als kleinen Wermutstropfen möchte ich nur anführen, dass wir jetzt fast ein Jahr da­rauf haben warten müssen, bis diese Anstoßfinanzierung gekommen ist, aber jetzt ha­ben wir sie auch.

Ein Wort möchte ich noch zu den Qualitätsstandards sagen. Vereinbart ist bis jetzt, dass wir mindestens 45 Stunden wöchentliche Öffnungszeiten haben müssen, dass wir an vier Tagen in der Woche mindestens 9,5 Stunden offen halten müssen, dass es das


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Angebot eines Mittagessens geben soll und dass eben maximal fünf Wochen im Jahr geschlossen ist.

Ich denke, dass in der Arbeitsgruppe, die auch eingerichtet wurde, um weitere Quali­tätsstandards festzulegen, wie Gruppengröße, Raumgröße, Personalkosten und so weiter, noch weitergearbeitet wird und dass hier sicherlich noch Qualitätskriterien für unsere Kinder herauskommen können.

Ich darf sagen, dass ich mich für meine Fraktion sehr freue, hier zustimmen zu können. Aber wirklich wieder einmal sehr unverständlich für mich ist es, was ich am 21. Oktober lesen musste, nämlich, dass die FPÖ sagt: Auch den verbohrtesten Linksideologen sollte klar sein, dass diese Vereinbarung mit Qualität nichts zu tun hat. – Ich denke, dass ich hier sehr klar ausgeführt habe, dass da Qualität dahinter ist, und würde wirk­lich die Kolleginnen und Kollegen von der FPÖ auffordern, endlich mit dieser Miesma­cherei aufzuhören, denn wir arbeiten hier wirklich für die Menschen unseres Landes, und die haben sich das auch verdient. (Beifall bei SPÖ und ÖVP. – Bundesrat Mitte­rer: Da müssen wir jetzt unsere Zustimmung noch einmal überdenken! – Bundesrätin Posch-Gruska: Ihr seid aber wirklich leicht zu beeinflussen!)

16.17


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Michalke. – Bitte.

 


16.17.30

Bundesrätin Cornelia Michalke (FPÖ, Vorarlberg): Ich kann jetzt diesen Hinweis nicht ganz nachvollziehen, weil wir diesem Punkt natürlich zustimmen. Ich weiß nicht, was jetzt dieser Hinweis mit der Kinderbetreuung eigentlich soll. (Bundesrätin Posch-Gruska: Die Kollegin Kitzmüller hat das am 21. Oktober gesagt! Ich weiß nicht, warum! Ich verstehe es ja auch nicht!) Es ist offensichtlich an der SPÖ vorbeigegangen, dass wir selbstverständlich dieser Artikel-15a-Vereinbarung zustimmen werden.

Wie bereits gesagt, werden der Bund und die Länder zusätzlich 55 Millionen € bis zum Jahr 2014 vorsehen. Es sind die Rahmenbedingungen schon von den Kolleginnen an­gesprochen worden. Für uns ist es sehr wichtig, dass die Eltern freiwillig auf diese zu­sätzlichen Angebote zurückgreifen können. Die Öffnungszeiten werden sukzessive ausgeweitet, wie das Kollegin Rausch bereits im Detail ausgeführt hat.

Für uns ist auch wichtig der Indikator für die Vereinbarkeit. So sollen die Kriterien des Indikators für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherstellen, dass es speziell für erwerbstätige Eltern ausreichend Kinderbetreuungseinrichtungen gibt.

Die FPÖ fordert aber schon seit langem, dass die Förderung und Ausbildung der Kin­der im Vorschulalter im Kindergarten durchgeführt werden sollen. Die sprachliche För­derung der Kinder ist unumgänglich für den Eintritt in die Volksschule. Es wäre daher eine Sprachstandsfeststellung verpflichtend vor Eintritt in die Primärschule durchzu­führen. Bei der Feststellung von Defiziten bei der Beherrschung der deutschen Spra­che sollte demzufolge verpflichtend die Vorschule besucht werden müssen und an­schließend, nach einem Jahr, eine erneute Sprachstandsfeststellung durchgeführt wer­den. Es ist eigentlich schade, dass dieser Punkt in der gegenständlichen Vereinbarung nicht enthalten ist.

Diese Forderung sollte zwischen Bund und Ländern ebenfalls verhandelt werden, um eine vollständige Weiterführung der ursprünglich formulierten Ziele zu erreichen, was laut Aussage der Auskunftsperson in der gestrigen Ausschusssitzung offensichtlich ja auch passieren soll. Schade ist, dass SPÖ und ÖVP dieser Forderung im Familienaus­schuss des Nationalrates nicht zugestimmt haben.

Ein Manko ist unseres Erachtens auch, dass keine bundesweit einheitlichen Qualitäts­standards und Betreuungsstandards vorliegen. Die ungleiche Behandlung von Kindern


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 120

in Österreich beruht nicht auf ihren unterschiedlichen Bedürfnissen bei außerhäusli­cher Betreuung, sondern ist das Ergebnis der Länderkompetenz und ihrer unterschied­lichen Ausgestaltung. Es sollte überprüft werden, ob zum Beispiel die Privatanbieter, die, wie wir ebenfalls im Ausschuss gestern bereits angesprochen haben, durch eine unterschiedliche Preisgestaltung selbstverständlich den Zugang über den Preis zu regeln versuchen, aber nicht nur über den Preis, sondern auch über entsprechende Kriterienkataloge, die insbesondere für Familien mit migrantischem Hintergrund sehr schwer zu erfüllen sind, dieselben finanziellen Unterstützungen erhalten sollten wie zum Beispiel die öffentlichen Kindergärten, die von den Gemeinden betrieben werden. Die Gemeinden haben dann mit sehr großen Problemen, was die sprachlichen Defizite anbelangt, zu kämpfen und haben einen viel höheren Anteil an dieser Problematik zu bewältigen.

Trotz alledem sind wir für diese bedarfsgerechte und freiwillige Inanspruchnahme der institutionellen Kinderbetreuung durch erwerbstätige Eltern und freuen uns, dass wir diesen Antrag unterstützen dürfen. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

16.21


Vizepräsident Mag. Harald Himmer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


16.21.55

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir hier zu beschlie­ßen haben, ist die Artikel-15a-Vereinbarung, auf die wir schon seit zehn Monaten war­ten, wie es meine VorrednerInnen schon kurz angemerkt haben. Ende 2010 ist sie aus­gelaufen, und dann hat es zehn Monate gedauert, bis man sich entschließen konnte, das auch wirklich umzusetzen.

Wir tätigen heute hiermit einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, jedoch wissen wir jetzt schon, dass die Anzahl der Plätze nicht ausreichen wird. Wir sollten uns, glau­be ich, alle kritisch vor Augen führen, dass dieser Hickhack zwischen Bund und Län­dern und die ideologischen Grabenkämpfe, welche mittlerweile die Qualität von Stahl­beton erreicht haben, die Zukunftsperspektiven unserer Kinder eigentlich einzementie­ren, einbetonieren. Wir müssen diese festgefahrenen Strukturen der letzten Jahrzehnte schleunigst in neue Bahnen lenken.

Es ist leider Gottes nach wie vor beobachtbar, dass mit allen erdenklichen Mitteln da­ran festgehalten wird, den Status quo aufrecht zu erhalten, nur damit eine kleine oder, je nachdem, größere Gruppe von privilegierten Lehrern/Lehrerinnen, Pädagogen/Päda­goginnen ihre Gutzis, die wir ihnen durch unsere Politik eingeräumt haben, nicht aufge­ben müssen. Das wird so nicht mehr weitergehen.

Ich glaube, es reicht auch nicht, dass man das Etikett der Hauptschulen durch (der Redner zögert kurz – Bundesrätin Zwazl: Neue Mittelschulen!) Neue Mittelschulen – danke! – ersetzt. Die Sonderschulen trennen nach wie vor Kinder und Jugendliche in solche mit und ohne Benachteiligung. Kindergärten haben leider Gottes nach wie vor den Status einer Aufbewahrungsanstalt, statt als primäre Bildungsanstalt gesehen zu werden. (Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Lieber Kollege, ich habe Kinder im Kindergartenalter, und ich bringe diese, soweit es geht, sofern es der Dienst zulässt, selber in den Kindergarten. Und wenn ich sehe, zu welchem Betreuungsschlüssel die PädagogInnen dort die Kinder betreuen müssen, dann kann ich hier nicht von einer qualitativ hochwertigen Betreuungseinrichtung sprechen. (Bundesrat Gruber: Der Kin­dergarten ist ja keine Universität.)

Sie bemühen sich, sie reißen sich die Haxen aus, sie geben ihr Bestes. (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 121

Und das Beste war: Letzte Woche hat es am Abend im Kindergarten einen Eltern­sprechtag gegeben. Ich bin dorthin gegangen, ging zur Türe hinein und sah eine Päda­gogin mit einem Gipsarm. Ich sagte: Was ist passiert? Gute Besserung – aber was tun Sie hier? – Ja, hat sie gesagt, ich kann ja nicht daheim herumsitzen, weil die Kollegin­nen sonst so viel Arbeit haben, dass sie nicht mehr zurechtkommen! – Das sind die Realitäten! Da könnt ihr noch so viel dazwischenschreien, das ist leider nun einmal so. (Bundesrat Gruber: Ein Kindergarten ist keine Universität!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! In diesem Bereich zu sparen – das ist das Wichtigste vom Wichtigen, das ist das Fundament für unseren Wohlstand: eine gute Ausbildung! –, das verstehe ich nicht. Wir können wirklich überall anders den Sparstift ansetzen, aber bei der Bildung, insbesondere in der Primärstufe, zu sparen, das ist ein Schuss ins Knie. (Bundesrat Gruber: Lasst doch die Kinder noch ein bisschen Kinder sein!) Denn: Was haben wir davon, wenn Kinder ins Schulalter kommen und nicht einmal der deut­schen Sprache einigermaßen mächtig sind? Diese Kinder haben Probleme, und die ziehen sich dann durch wie ein „roter Faden“. Das sind dann leider Gottes die vorpro­grammierten Arbeitslosen von morgen, die haben es viel, viel schwieriger.

Das, was da in den Kindergärten vorhanden ist, müssten wir, Herr Minister, doch bitte als Potenzial begreifen – und nicht als Problem! Wir haben da Kinder, die zwischen mehreren Kulturen aufgewachsen sind, unterschiedliche Religionen haben oder auch mehrere Sprachen können. Das ist doch eine Ressource! Es kann uns nichts Besseres passieren, das ist ein Geschenk.

Nur müssen wir als Politiker die Rahmenbedingungen entsprechend anpassen. Wenn ich mir anschaue, was für ein Betreuungsschlüssel da vorherrscht, welche Qualitäts­standards wir haben – dass die nämlich nicht verpflichtend sind, sondern teilweise nur freiwillig –, wenn ich mir anschaue, was die Pädagoginnen an Entlohnung bekommen, dann muss ich sagen: Da können wir uns wirklich nicht groß hinstellen und uns rüh­men, denn das ist wirklich beschämend! (Beifall bei Grünen und FPÖ. – Bundesrätin Zwazl: Es gibt ja Landeskindergartengesetze auch! – Zwischenruf des Bundesrates Mayer.) Es ist beschämend, Kollege Mayer!

Ihr könnt jetzt sagen, das ist eine Einzelmeinung von einem grünen Spinner. Aber die­ser Tage läuft eine Aktion, nämlich das Bildungsvolksbegehren. Das hat sich zum Ziel gesetzt, uns Politiker und Politikerinnen daran zu erinnern, dass wir in wesentlichen Bereichen unsere Hausaufgaben nicht gemacht haben. Und wenn wir wirklich selbstkri­tisch sind, müsste uns das zu denken geben. Das ist eine äußerst peinliche Situation für uns, dass wir diese Schiene jetzt sozusagen begehen müssen. (Bundesrat Kneifel: Aber so deppert können unsere Leute nicht sein, wenn wir Vollbeschäftigung haben! Die haben eine gute Ausbildung! Die sind in Ordnung, unsere Leute!)

Nein, Kollege Kneifel, das hat nichts mit Dummheit zu tun, sondern wir geben den in diesem System arbeitenden Menschen, den Menschen, die sich in diesem System be­wegen, also den Kindern und den Eltern, nicht die notwendigen Rahmenbedingungen, sich bestmöglich zu entfalten und zu entwickeln. Ich glaube, das steht wirklich außer Diskussion, da gibt es sicher noch Optimierungsbedarf. (Bundesrat Stadler: Hast du das dem Anschober auch schon gesagt? Der ist in Oberösterreich in der Regierung! Hast du dem das schon einmal gesagt?) Kollege, wir sind nicht im Wirtshaus oder im Bierzelt. Bitte komm, wenn du etwas zu sagen hast, nachher hier heraus und sag es! (Bundesrat Stadler: Hab ich dich am linken Fuß erwischt jetzt?)

Dass wir bei den Qualitätsstandards noch etwas zu verbessern haben, steht, glaube ich, außer Diskussion. Und meine KollegInnen im Nationalrat haben ja auch vorge­schlagen, verpflichtende Qualitätsstandards einzuführen im Rahmen der Artikel-15a-Vereinbarung, also dass der Bund hergeht und sagt: Liebe Länder, ihr, die ihr die Kin­derbetreuungsplätze schafft, bekommt nur unter diesen und jenen Voraussetzungen


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einen Zuschuss! – Die Grünen haben einen diesbezüglichen Antrag eingebracht, aber er hat leider nicht die Mehrheit erhalten.

Wir sehen ja, wie es ausschaut in diesem Land, wenn man gewisse Sachen nicht mit einer Verpflichtung koppelt. Ich bin wirklich kein Anhänger von Verpflichtungen, aber wenn man sich anschaut, wie es zum Beispiel in den Firmen, im Wirtschaftsbereich ist, Frau Präsidentin, dann sieht man, dass nach wie vor in Firmen, insbesondere in den Führungsetagen oder in den Vorständen, die Frauen wirklich noch unterrepräsentiert sind. Das ist sehr, sehr beschämend, und da sieht man, wohin uns diese Freiwilligkeit führt. (Bundesrätin Zwazl: Du redest aber mit einer Präsidentin einer der größten Lan­deskammern! Also bitte!)

Es muss gewährleistet sein, auch in einem kleinen Land wie Österreich mit neun Bun­desländern, dass man zumindest in diesem wirklich wichtigen Bereich einheitliche Standards schafft, damit die Eltern, die die Kinder betreuen, und auch die Kinder, die betreut werden, entsprechende Rahmenbedingungen vorfinden.

Es vergeht wertvolle Zeit, Zeit, die für unsere Kinder wichtig ist und vor allem für die PädagogInnen, die in diesen Einrichtungen tätig sind und die unter erschwerten Bedin­gungen sehr, sehr gute Arbeit leisten.

Einen Punkt möchte ich noch ganz kurz anmerken – ich glaube, jetzt gibt es keine Zwi­schenrufe mehr, jetzt kriegt ihr Lob: gut, brav, super seid ihr! –, und zwar ist wirklich positiv zu vermerken, dass im Bereich frühkindliche Sprachförderung eine Lösung gefunden wurde. Meines Erachtens wäre es nämlich sehr fatal gewesen, wenn darüber keine Einigung erzielt worden wäre, denn das Fundament aller Bemühungen in diesem Bereich – ich glaube, da sind wir uns alle einig – ist die gemeinsame Sprache. (Vize­präsident Todt übernimmt den Vorsitz.)

Bildung und Sprachförderung – auch der verpflichtende Besuch eines Kindergartens – können nicht voneinander getrennt werden, aber das ist für manche dennoch – wie man ja auch an Debattenbeiträgen sowie an Zwischenrufen merkt – eine Herausforde­rung.

Ich bin jedenfalls froh darüber, dass es hierüber doch noch eine Einigung gegeben hat, muss aber ehrlicherweise sagen, dass ich den Weg des Entscheidungsprozesses den­noch ein wenig skurril fand.

Der Artikel-15a-Vereinbarung, wie sie uns jetzt vorliegt, werden wir natürlich zustim­men, weil sie ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Ich hätte mir aber ge­wünscht, dass der Antrag von BZÖ und Grünen im Nationalrat auch eine Mehrheit be­kommen hätte, denn wohin uns in diesem Land Freiwilligkeit gerade bei ideologisch besetzten und machtbehafteten Themen führt, das sehen wir ja tagtäglich – und das ist wahrlich nicht rühmlich! – Danke. (Beifall bei Grünen und FPÖ.)

16.31


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Astleitner. Ich erteile es ihr.

 


16.31.46

Bundesrätin Notburga Astleitner (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Geschätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Die ÖVP ist eine Familienpartei, und wir von der ÖVP setzen uns – so wie unser Herr Minister Mitterlehner – für die Familien ein. (Beifall bei der ÖVP. – Iro­nische Heiterkeit und Oje-Ruf bei der FPÖ.)

Ich finde schon, Herr Kollege, dass in unseren Kindergärten und Schulen – das kann ich hier auch als Bezirksschulinspektorin sagen – hoher Standard und große Qualität


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vorherrschen. Diese Artikel-15a-Vereinbarung betrachte ich – so wie meine Vorredne­rinnen und Vorredner – als einen wichtigen Schritt in Bezug auf eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf; ebenso als einen weiteren wichtigen Schritt in Be­zug auf den Ausbau der Kinderbetreuung. Deshalb gratuliere ich dir, Herr Minister Dr. Mitterlehner, zu den erfolgreich abgeschlossenen Verhandlungen, weil wir ja wis­sen, dass die inhaltliche Gestaltung sehr wohl, Frau Kollegin Michalke, Ländersache ist, aber wir wissen auch, dass die Familien wichtige Säulen der Gesellschaft sind und Kinder unsere Zukunft darstellen. (Beifall bei der ÖVP.)

Die Daten und Fakten wurden hier ja schon genannt, aber ich möchte noch auf einen Punkt eingehen, den Kollege Dönmez angesprochen hat, nämlich die Bedeutung der sprachlichen Frühförderung sowie der Frühförderung im Allgemeinen. Sprache ist wichtig, um Bedürfnisse und Gefühle auszudrücken. Wenn Kinder darin Probleme ha­ben, kann sie das in ihrer gesamten Entwicklung beeinträchtigen. Viele Studien zeigen ja die Bedeutung des frühen Lernens auf, natürlich eines kindgerechten Lernens.

Bei aller Veränderbarkeit des Gehirns – auch später noch – liegen doch wichtige Pha­sen vor allem im Baby-, Kleinkind-, Vor- und Grundschulalter. Ich möchte hier noch ein­mal sagen, weil mir das ganz besonders wichtig ist: Kindergartenpädagoginnen und -pä­da­gogen, Pädagoginnen und Pädagogen allgemein leisten hervorragende Arbeit, bie­ten hohe Standards und tragen so zur Bildung unserer Kinder Wertvolles und Wesentli­ches bei.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nach dem Elternhaus ist der Kindergarten die erste wichtige Bildungseinrichtung; das wurde hier ja schon erwähnt. Der Rektor der Privaten Hochschule in Linz, Rektor Dr. Hans Schachl, hat das so formuliert – ich darf zitieren –:

Was Hänschen nicht lernt, muss abgewandelt werden in: „Hänschen lernt lernen, damit Hans ein Leben lang lernen kann.“

Und weiters: „Hänschen lernt Wichtiges, gut und mit Freude, damit Hans ein Leben lang lernen kann.“

Kurz eingehen möchte ich jetzt noch auf das Bildungsvolksbegehren, weil das hier auch angesprochen wurde. Ich werde das Bildungsvolksbegehren nicht unterschrei­ben (Bundesrat Mag. Klug: Macht ja nichts!), weil ich aufgrund meines Mandates die Möglichkeit habe, mich für Veränderungen einzusetzen und initiativ zu werden. Und ich glaube auch, dass schon Vieles auf Schiene gebracht wurde.

In diesem Zusammenhang darf ich erwähnen: Ausbau der Kinderbetreuung, Ausbau und Weiterentwicklung ganztägiger Schulformen, flächendeckende Umwandlung der Hauptschule in Mittelschulen – und das ist kein Schilderaustauschen, wie das hier be­hauptet wurde, sondern da geht es um wertvolle inhaltliche Veränderungen.

Weiters darf ich erwähnen: Modularisierung der Oberstufen, Regelungen beim Hoch­schulzugang und PädagogInnenbildung-neu. Es ist Vieles auf Schiene, und ich denke, wir alle, die wir einen politischen Auftrag haben, können, ja müssen uns dafür einset­zen, dass Verbesserungen rasch umgesetzt werden. (Beifall bei der ÖVP.)

Abschließend: Danke und Gratulation, Herr Bundesminister Mitterlehner, für deine Of­fensive in Bezug auf Kinderbetreuung. Ich bedanke mich aber auch bei Herrn Staats­sekretär Kurz und Bundesministerin Fekter dafür, dass 5 Millionen € zusätzlich für die sprachliche Frühförderung im Budget vorgesehen wurden. Herzlichen Dank! (Beifall bei der ÖVP.)

16.36


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Frau Bundesrätin Köberl. Ich er­teile es ihr.

 



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 124

16.36.39

Bundesrätin Johanna Köberl (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Minister! Meine Damen und Herren! Herrn Kollegem Dönmez kann ich nicht ganz zu­stimmen, und ich kann Ihm nur sagen – als Vizebürgermeisterin komme ich sehr oft in unsere drei Kindergärten –: Mir ist dort noch nie aufgefallen, dass eine Kindergärtnerin oder eine Kindergartenhelferin im Krankenstand Kinder betreut hätte und dass es dort angeblich drunter und drüber geht. Aber offensichtlich leben wir im Ausseerland im Pa­radies, wo es keine ... (Bundesrat Dönmez: Welchen Betreuungsschlüssel haben Sie?) – Offensichtlich einen guten.

Wie meine VorrednerInnen bereits ausgeführt haben, geht es bei dieser Artikel-15a-Vereinbarung um Kinderbetreuung, um Bildung und Frühförderung, die wir mit diesem Tagesordnungspunkt beschließen. In dieser Vereinbarung geht es aber auch darum, dass die Förderung – etappenweise geschieht das – gekoppelt ist mit der Zahl der Schließtage.

Meiner Meinung nach dreht sich alles um eine Kinderbetreuung, die mit der Vollbe­schäftigung beider Elternteile vereinbar ist. Als Schwerpunkt dieser Vereinbarung gilt – das haben wir ja schon gehört – der Ausbau besonders der Betreuung der Unter-Drei­jährigen.

Zwischen 2008 und 2010 konnten durch die Kostenbeteiligung österreichweit über 24 500 zusätzliche Betreuungsplätze und immerhin über 9 000 neue Arbeitsplätze ge­schaffen werden. In der Steiermark hat es im Jahre 2010 sozusagen einen Bau-Boom in Bezug auf Kinderbetreuungseinrichtungen gegeben. Durch diese Offensive konnte ein Versorgungsgrad von fast 100 Prozent hinsichtlich der Betreuungsplätze von Drei- bis Sechsjährigen erreicht werden. Bei den Unter-Dreijährigen liegen wir jedoch noch immer bei einem Betreuungsgrad von 11 Prozent, da ist also noch großer Ausbaube­darf gegeben.

Dank dieser Vereinbarung, die wir heute beschließen, kann dieser Ausbau weiter vo­ranschreiten, damit wir uns dem Barcelona-Ziel – Betreuungsplätze für 33 Prozent der Unter-Dreijährigen – annähern.

Die insgesamt 55 Millionen €, die dafür vom Bund bis zum Jahre 2014 zur Verfügung gestellt werden, werden auf die Länder aufgeteilt; sie berechnen sich aus dem Ver­hältnis der Unter-Dreijährigen pro Bundesland an der Gesamtbevölkerung. Für das Jahr 2011 stehen diesbezüglich – wie wir schon von meinen VorrednerInnen gehört haben – 10 Millionen € und für die Jahre 2012, 2013 und 2014 je 15 Millionen € bereit.

Diese Mittel dienen aber nicht nur dem quantitativen Ausbau an Einrichtungen, son­dern es sollen auch Schritte in Richtung Qualität der Betreuungsplätze gesetzt wer­den. – Da bin ich auch der Meinung, dass bundesweite Standards zur Sicherung der Betreuungsqualität erarbeitet werden müssen. Ein Kind in Vorarlberg kann nicht einen anderen Betreuungsschlüssel und eine andere Betreuungsqualität erfahren als beispiels­weise ein Kind im Burgenland.

In einem Stufenplan sollen die Öffnungszeiten von derzeit mindestens 30 Wochen bis zum Jahre 2014 auf mindestens 47 Wochen erhöht werden. Ich denke, das ist ja schon ein wichtiges Qualitätsmerkmal – und damit wird die Vereinbarkeit von Beruf und Fami­lie für die Eltern gefördert sowie weitere Arbeitsplätze geschaffen.

Da es sich hauptsächlich um Kindergartenpädagoginnen und Kindergartenhelferinnen, also zum Großteil um Frauenarbeitsplätze handelt, wirkt sich dies wiederum positiv auf die Frauenerwerbstätigkeit aus, und die bedarfsgerechte Kinderbetreuung kommt gera­de alleinerziehenden Elternteilen zugute. Sie ist unabdingbar für die Sicherung ihrer Existenz und kann so die Position am Arbeitsplatz verbessern.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 125

Was mich besonders freut, ist, dass ein weiterer Schwerpunkt auf der quantitativen und, ganz wichtig, qualitativen Förderung von Tagesmütter- und Tagesväterangeboten liegt, was gerade für den ländlichen Raum von großer Bedeutung ist. Ich komme aus dem Ausseerland und kann sagen: Bei uns sind Tagesmütter bereits seit über 20 Jah­ren ein fixer Bestandteil in der Kinderbetreuung und nicht mehr wegzudenken, da die Tageseltern meist noch flexibler auf die Arbeitszeiten der Eltern reagieren können. Das ist gerade in einer Tourismusregion wie dem Ausseerland von besonderer Bedeutung.

Die Qualität der Ausbildung der Tageseltern ist in der Steiermark sehr gut, denn laut dem Steiermärkischen Kinderbetreuungsgesetz des Jahres 2000 haben unsere Tages­mütter und Tagesväter bereits jetzt um 100 Stunden mehr an theoretischer Ausbildung und doppelt so viele Praktikastunden, wie für die Erlangung des Gütesiegels laut der vorliegenden Vereinbarung nötig sind. Gefördert werden in dieser Vereinbarung auch gemeindeübergreifende Projekte, was wieder für den ländlichen Raum sehr wichtig ist, damit man eine ganzjährige Betreuung organisieren und sichern kann.

Ich denke, dass wir mit dieser Vereinbarung auf dem richtigen Weg sind, denn es geht um die Zukunft unserer Kinder. – Danke. (Beifall bei SPÖ und ÖVP sowie des Bundes­rates Zangerl.)

16.41


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gelangt nun Herr Bundesminister Dr. Mitter­lehner. – Bitte.

 


16.41.57

Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend Dr. Reinhold Mitterlehner: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem inhaltlich hier schon ausführlich dargelegt worden ist, was mit dieser Artikel-15a-Vereinbarung angestrebt und erreicht werden soll, kann ich mich auf relativ kurze Bemerkungen beschränken.

Im Wesentlichen ist klar, dass wir das Barcelona-Ziel in beiden Gruppen erreichen wol­len. Im Bereich der Drei- bis Sechsjährigen haben wir es schon erreicht, im Bereich der Null- bis Dreijährigen haben wir noch ein Defizit. Da werden wir bis zum Jahr 2014 28 Prozent erreichen, 33 Prozent sollten wir erreichen. Das heißt, wir haben dort noch ein Defizit.

Ich sehe allerdings in diesem Fall wie die meisten von Ihnen das Glas nicht halb leer, sondern halb voll. Wir sind auf einem guten Weg, weil teilweise auch nach dem Motto vorgegangen wird, Angebot schafft Nachfrage. Wir haben Bundesländer, die dann – das ist von der Frau Bürgermeister aus dem Burgenland schon erwähnt worden – die entsprechenden Personalkosten haben, wenn in die Sachmaterie investiert wird, sich das aber teilweise nicht leisten können. Manche haben aber teilweise auch Bedarfsab­fragen. Und es ist so, dass das Angebot teilweise dann die Nachfrage entwickelt. Da­her glaube ich, dass auch die Öffnung in Schritten, was den Offenhaltungszeitraum, die 47 Wochen anbelangt, ein durchaus richtiger Vorgang insgesamt ist.

Meine Damen und Herren! Es wurde hier sehr richtig angesprochen, wie wichtig der Kindergarten in der Prägungsphase für die jungen Bürger und Bürgerinnen unseres Landes ist. Es ist eine entscheidende Phase, die sowohl von der pädagogischen Vor­bereitung derer, die dort tätig sind, ganz wichtig ist als auch für die Kinder. Daher wird hier noch einiges zu investieren sein. Wahrscheinlich wird der Kindergarten wichtiger werden als mancher schulische Bereich. Das sehe ich genauso, wie es hier gesagt worden ist, allerdings ist es eine Frage der Leistungsfähigkeit.

In diesem Bereich geht der Bund meines Erachtens schon als Vorbild durchaus voran oder mit, denn es ist Landeskompetenz. Der Bund hat schon in einer ersten Vereinba­rung insgesamt 60 Millionen in die Hand genommen, 45 Millionen für den Ausbau, 15 Millionen für die sprachliche Frühförderung. Wir haben jetzt, weil auch immer kri-


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 126

tisch erwähnt worden ist, dass da gewartet worden sei, eine rückwirkende Vereinba­rung, und das heißt, der Bund nimmt jetzt noch einmal dreimal 15 Millionen plus 10 Mil­lionen für die Anschlussfinanzierung in die Hand. Da vier Bundesländer erst im Juni ab­gerechnet haben und teilweise Mittel vor allem aus dem Grund, weil man die Personal­kosten so intensiv ausgeweitet hat, nicht verbauen konnten, ist die Vorgangsweise, dass wir hier rückwirkend agieren und dann Anrechnungen machen können, finde ich, sehr pragmatisch und auch wirtschaftlich effizient. Somit entsteht keine Lücke.

Es ist bereits angesprochen worden und hat seinen Hintergrund genau in den Kompe­tenzen der Länder, und zwar: Wir reden auch in der LLL-Strategie des Bundes, in der Strategie zu Lebenslangem Lernen, davon, dass Qualitätsstandards wichtig sind, dass sie einheitlich umgesetzt werden. Aber wir haben keine Durchsetzungsmöglichkeit sei­tens des Bundes, außer den Weg der freiwilligen Vorgangsweise. Genau diese Freiwil­ligkeit erreichen wir auch. Wir erarbeiten diese Standards oder haben sie bereits ge­meinsam erarbeitet, und die Länder werden sie umsetzen. Ich bin deswegen optimis­tisch, dass sie das tun werden, weil ein bestimmter sozialer Druck schon allein dadurch entsteht, dass einer anfängt und die anderen dadurch natürlich nachziehen müssen. Insgesamt ist das jetzt nicht ein Entgegenkommen von uns, weil wir gutwillig oder be­sonders brav sind, sondern wir wissen, dass das eine Investition in die Zukunft ist, die dem ganzen Land insgesamt nützt.

Wir haben auch, was die sprachliche Frühförderung anbelangt, den Weg gewählt, weil wir den Ausbau nicht verwässern wollten, dass Teile für die sprachliche Frühförderung jetzt sozusagen zweckgewidmet werden, was auch viel kritisiert worden ist. Das war ein richtiger Weg, weil es dadurch gelungen ist, zusätzlich 5 Millionen für das laufende Jahr zu erreichen, und es ist auch bereits gesagt worden, dass Mittel auch für die wei­teren Jahre gewidmet werden sollen. Daher haben wir insgesamt qualitativ und quanti­tativ mehr zur Verfügung, als wir das bei der letzten Artikel-15a-Vereinbarung gehabt haben.

In diesem Sinne, da dies eigentlich von allen positiv bewertet worden ist, danke für das Mitmachen, für die Vorbereitung. Die Bürgermeister sind diejenigen, die dann in der Umsetzung wirklich die Betroffenen sind, weil sie das auch am besten beurteilen kön­nen. Danke für Ihre Zustimmung. (Allgemeiner Beifall.)

16.46


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Es ist dies nicht der Fall.

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Ich stelle die Einstimmigkeit fest. Der Antrag ist somit angenommen.

16.47.1016. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchstmengen von Treibhausgasemissionen und zur Erar­beitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz – KSG) (1255 d.B. und 1456 d.B. sowie 8596/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Nunmehr gelangen wir zum 16. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Konrad. Bitte um den Bericht.

 


16.47.21


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 127

Berichterstatter Klaus Konrad: Geschätzter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Mi­nister! Ich bringe den Bericht des Umweltausschusses über den Beschluss des Natio­nalrates vom 19. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz zur Einhaltung von Höchst­mengen von Treibhausgasemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz (Klimaschutzgesetz – KSG).

Sehr geehrte Damen und Herren, auch dieser Antrag liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme deshalb gleich zur Antragstellung:

Der Umweltausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stimmenmehrheit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Mitterer. – Bitte.

 


16.48.25

Bundesrat Peter Mitterer (FPÖ, Kärnten): Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Schade, dass Herr Bundesminister Mitterlehner gerade den Raum verlassen hat. Ich möchte nämlich in ein paar Sätzen Bezug auf seine Aussage nehmen, dass es generell bei Gesetzen so sein sollte, dass auch die Opposition bei wichtigen Dingen mitstimmt.

Ich glaube, das Spiel Opposition und Koalition ist ein altes Spiel und fördert im Prinzip auch die Demokratie. Gerade Themen wie das zuletzt behandelte stehen außer Streit: Kinderbetreuungsangebot mit Zustimmung aller. Andere Gesetze wiederum finden nicht die ungeteilte Zustimmung der Opposition. Deshalb wird auch dort dagegen ge­stimmt. Das war schon immer so. Es war auch in der Zeit, in der wir Freiheitliche eine Koalition mit der ÖVP hatten, so, dass die SPÖ generell bei vielen Gesetzen dagegen gestimmt hat, wobei sie damals mit den Grünen hier im Bundesrat sogar teilweise die Mehrheit hatte.

Wenn die Opposition Gesetzen zustimmt, mit denen sie nicht ganz einverstanden ist, und das auch begründet, dann kann es umgekehrt sogar passieren, dass danach, wenn Befürchtungen, die die Opposition hatte, eintreten, die Koalition sagt: Was wollt ihr denn, ihr habt doch selbst mitgestimmt? Also auch da muss es das Recht der Opposition sein, kritisch aufzuzeigen, was man besser machen könnte.

In der Zwischenzeit ist auch Herr Bundesminister Berlakovich eingetroffen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die jetzige Koalition hier im Bundesrat sollte nicht wehleidig sein, wenn es 13 Gegenstimmen gibt. Bei einer Mehrheit von 49 von 62 ist das, wie ich meine, erträglich. (Beifall bei FPÖ und Grünen.)

Deshalb werden wir beim Klimaschutzgesetz, das eigentlich Maßnahmen setzen sollte, um das Klima in Österreich zu schützen, auch aufzeigen, dass wir mit der Umweltpoli­tik Österreichs nicht ganz zufrieden sind, vor allem was den Bereich des Klimaschutzes anlangt.

Anders ist es in Kärnten. In Kärnten sind wir relativ zufrieden. (Heiterkeit und Zwischen­rufe.) Aber Kärnten ist zumindest Bundesmeister, was erneuerbare Energie anlangt. Kein anderes Bundesland hat mehr als 42 Prozent erneuerbare Energieträger. Deshalb dürfen wir auch stolz sein. Ich gebe zu, dass sich Kärnten in dieser Frage et­was leicht tut – nicht wegen der Politik, sondern wegen seiner geographischen Gegebenheiten. Was­serreichtum und Gefälle, Gebirge bieten natürlich die Möglichkeit, die Wasserkraft intensiv zu nützen.

Aber auch in anderen Bereichen sind wir in Kärnten führend. So ist die KIOTO-Gruppe mit GREENoneTEC Weltmarktführer im Solaranlagenbau und in St. Veit angesiedelt.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 128

Ebenfalls Weltmarktführer bei Photovoltaik ist Energetica in Klagenfurt, also ebenfalls in Kärnten. Trotzdem ist Kärnten natürlich nicht energieautark. Wir haben auch ein wei­nendes Auge dabei, wenn wir fast dafür sein müssen, dass es auch zu einem Bau ei­nes Gaskraftwerkes in Kärnten kommt, weil wir noch Energie brauchen, und das ist nicht so lustig. Aber wir bekennen uns eigentlich auch dazu. Und wir bedauern es auch, dass wir Strom zukaufen müssen, der, Strom hat kein Mascherl, teilweise leider Gottes auch Atomstrom ist. Trotzdem könnte man die Kärntner Energiepolitik auch auf Bundesebene übertragen. (Bundesrätin Kerschbaum: Nein, bitte nicht!)

Es sind bereits einige positive Dinge geschehen, nur etwas noch nicht. Den Antrag der Freiheitlichen Partei auf Senkung der Mehrwertsteuer bei erneuerbaren Energieträ­gern, wie dies bereits beim Hackgut der Fall ist, sollte man auch österreichweit forcie­ren. Leider ist da die Koalition unseren Vorschlägen noch nicht nähergetreten. (Bun­desrat Hensler: Ökostromgesetz! Wo wart ihr da?)

Herr Kollege, dies wäre eine nachhaltigere Maßnahme als jene, wie sie im vorliegen­den Gesetzentwurf vorgesehen ist, nämlich durch Schaffung von Verwaltungs- und Or­ganisationsgremien diese Sache noch einmal aufzublähen. Wie gesagt, mit der bisheri­gen Klimaschutzpolitik in Österreich sind wir nicht ganz zufrieden. Ein Beweis liegt in den Erläuterungen.

Herr Bundesminister, ich habe in der Ausschusssitzung gestern nachgefragt. In den Er­läuterungen steht nämlich unter „Alternativen“: „Beibehaltung der derzeitigen Rechtsla­ge, ohne klaren Mechanismus zur Erarbeitung einer koordinierten österreichischen Kli­mapolitik.“ Jetzt wissen wir es also. Seit der damalige Bundesminister Bartenstein das Kyoto-Protokoll unterzeichnet hat, gibt es in Österreich keinen klaren Mechanismus zur Erarbeitung einer Klimaschutzpolitik. Das steht wortwörtlich drinnen.

Was haben denn die Minister bisher getan? – Im Ausschuss wurde von einer sehr kompetenten Expertin des Ministeriums bestätigt, dass es zwar Strategien, aber keine gesetzlichen Grundlagen gab. Einer solchen Umweltpolitik müssen wir daher eine Ab­sage erteilen. (Beifall bei der FPÖ.)

16.54


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Steinkogler. Ich erteile es ihm.

 


16.54.17

Bundesrat Josef Steinkogler (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren! Mit dem heutigen Beschluss wird das Klimaschutzgesetz Realität in Österreich. Bisher gab es nur freiwillige Maß­nahmen, jetzt werden sie verbindlich. Damit kehrt auch eine neue Ära im Klimaschutz ein.

Mit dem vorliegenden Gesetzesantrag zur Einhaltung von Höchstmengen von Treib­hausemissionen und zur Erarbeitung von wirksamen Maßnahmen zum Klimaschutz werden nun erstmals in einem Bundesgesetz diese völkerrechtlichen und unionsrechtli­chen Verpflichtungen Österreichs auf sektoraler Ebene verankert. Durch die Einrich­tung zweier neuer Gremien, einem Nationalen Klimaschutzkomitee und einem Nationa­len Klimaschutzbeirat, soll die nationale Klimaschutzpolitik in Zukunft besser koordiniert werden. Grundsätzlich ist aber positiv, dass Bund und Länder in einem Boot sitzen. Ziel des Gesetzes ist, dass alle an einem Strang ziehen, denn mit dem Klimaschutzge­setz gehört Österreich in Europa zu den Vorbildern. Dieses Klimaschutzgesetz schafft erstmals einen verbindlichen Rahmen für alle Akteure. Das ist gut und wichtig für eine klimaschutzfreie Zukunft. – Danke. (Beifall bei der ÖVP.)

16.55



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 129

Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Kersch­baum. Ich erteile es ihr.

 


16.55.55

Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grüne, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kolle­ge Steinkogler! Ich hoffe, Ihre Schlussbemerkung betreffend „klimaschutzfreie Zukunft“ war ein Freud’scher Versprecher, wobei der Freud’sche Versprecher bei diesem Ge­setz nicht unangebracht ist, leider.

Wir werden dem Klimaschutzgesetz aus zwei Gründen nicht zustimmen, auf der einen Seite weil zu wenig drinnen steht und auf der anderen Seite weil das Falsche drinnen steht. Die Länge eines Gesetzes sagt zwar nicht immer etwas über seine Bedeutung aus. Aber in diesem Fall sind es zweieinhalb Seiten mit einer Tabelle, und in diesen zweieinhalb Seiten mit Tabelle steht eigentlich nicht viel mehr drinnen als die Fest­schreibung von zwei Arbeitskreisen. Ich weiß also nicht, wo da jetzt die Verbindlichkei­ten sind, von denen Sie geschwärmt haben. Ich habe keine Verbindlichkeiten drinnen gefunden.

Das, was wir an diesem Gesetz falsch finden, ist etwa, dass die Zusammensetzung dieser Arbeitskreise zum Beispiel relativ abenteuerlich ist. Auf der einen Seite gibt es das Nationale Klimaschutzkomitee. Bund, Länder und Ministerien müssen sich irgend­wo zusammensetzen – wunderbar. Sie sollen sich dann irgendwann eine Geschäfts­ordnung geben – ist auch wunderbar. Aber ich fürchte fast, dass es dann in Sachen Klimaschutz so produktiv weitergeht wie bisher. Immerhin hat es, glaube ich, drei oder vier Jahre gedauert, bis man sich auf diese zweieinhalb Seiten mit Tabelle ohne Inhalt einigen konnte. Ich fürchte, es wird aus diesem Klimaschutzkomitee künftig nicht viel anderes rauskommen.

Dann gibt es einen zweiten Arbeitskreis, in den man Hoffnung setzen könnte. Das wäre der Nationale Klimaschutzbeirat. Da sitzen die politischen Parteien drinnen. Okay, wird sein müssen, ist klar. Dann sitzt das Umweltministerium drinnen, ist auch logisch und klar. Und dann sitzen die Klimaschützer der Nation drinnen. Das ist die Industriellen­vereinigung, die Wirtschaftskammer, die Arbeiterkammer, die Landwirtschaftskammer, die Gewerkschaft, Städte-, Gemeindebund. Das Umweltbundesamt würde ich mal aus­nehmen. Wer die drei Wissenschaftler sind, wissen wir nicht oder ich weiß es nicht. Vertreter der Ländern sitzen an und für sich schon im Komitee. Es stellt sich die Frage, warum man die jetzt auch noch in den Beirat reinsetzen muss – okay, drei Länderver­treter. Und dann werden auch noch drei Vertreter von Umweltschutzorganisationen drinnen sitzen – spannend. Wer wird die auswählen, und warum kann man die nicht gleich benennen? Also die Festschreibung dieser zwei Arbeitskreise nennt sich jetzt Klimaschutzgesetz und wird hier als großer Schritt gefeiert – verstehe ich nicht ganz.

Ein weiterer Punkt, der drinnen steht und unserer Meinung nach falsch ist, ist § 7. Da geht es nämlich um Verantwortlichkeiten und um Verantwortung. Da steht drinnen,
ab 2013 soll die Verantwortung für die Klimaschutzperiode, das heißt das Geld, aufge­teilt werden in einer gesonderten Vereinbarung. Jetzt haben wir bald 2012. Ich bin ge­spannt, wie diese gesonderte Vereinbarung dann so schnell entstehen wird, dass man ab 2013 wirklich die Verantwortlichen ums Geld bittet. Da sollten wir relativ schnell da­mit anfangen. 2018 oder 2019 ist, glaube ich, die nächste Periode zu Ende.

Die Verantwortung für die Millionen, die an Strafzahlungen, über die wir heute schon geredet haben, zu leisten sind, eine Milliarde wird es ungefähr sein, bleibt beim Bund. Das steht auch im Klimaschutzgesetz, das jetzt mit den Ländern drei Jahre lang ausge­handelt worden ist – eine supertolle Leistung! Prinzipiell ist es leider so, dass dieses Klimaschutzgesetz – eigentlich ist es ein „Gesetzerl“ – die derzeitige Klimaschutzpolitik


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 130

einzementiert und dass sich dadurch, fürchte ich, nicht sehr viel ändern wird. Die der­zeitige Klimaschutzpolitik in Österreich schaut so aus, dass internationale und natio­nale Warnungen bezüglich Treibhausgasemissionen – wir sind Schlusslicht und haben unsere Ziele wahrlich nicht erreicht – absolut ignoriert werden. Der Minister steckt gern den Kopf in den Sand, aber auf der anderen Seite inserieren wir dann in möglichst vie­len Tageszeitungen, wie wichtig uns der Klimaschutz ist. Die Klimaschutzpolitik so ein­zuzementieren, ist, finde ich, nicht der richtige Weg. Ich hätte gern, dass wir da doch etwas ändern und künftig vielleicht ein bisschen aktiver unterwegs sind. (Ruf bei der ÖVP: ... Anschober erwähnt!)

Anschober ist kein Niederösterreicher, und meines Wissens ist die Klimaschutzverfeh­lung nicht sein Problem. (Bundesrat Kainz: Da haben wir in Niederösterreich ...! – Wei­tere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Das Problem, das wir haben, ist, dass auch mit die­sem Klimaschutzgesetz nicht erreicht wird, was mit einem Klimaschutzgesetz erreicht werden sollte: dass derjenige, der Entscheidungen trifft, auch die Verantwortung für diese Entscheidungen übernimmt und das Geld zahlt, wenn wir dann Strafzahlungen haben.

Der Herr Umweltminister – ich bedauere ihn immer wieder, er glaubt es mir, glaube ich, nicht ... (Ruf bei der ÖVP: Sie brauchen ihn nicht zu bedauern!) – Ich bedauere ihn doch immer wieder, weil er prinzipiell die Zuständigkeit hat. Er ist zuständig dafür, dass wir unsere Kyoto-Ziele sicher nicht mehr erreichen können und wahrscheinlich die nächsten Ziele auch nicht erreichen. Aber was ist in Wirklichkeit im Verkehrsbereich? – Das ist nicht der Herr Umweltminister, aber es trifft eben den Herrn Umweltminister, wenn man geschlagen wird.

Was ist mit den Ländern, mit der Wohnbauförderung? Was ist mit der Sanierungs­rate? – Da ändert sich nichts. Was ist mit der Verkehrspolitik der Länder? – Da ändert sich auch nichts. Zuständigkeit und Zahlungen liegen beim Bund, und das ist nicht er­sichtlich. Dafür bräuchten wir eigentlich ein Klimaschutzgesetz, dass endlich diejeni­gen, die Entscheidungen treffen, dann, wenn sie die falschen treffen, dafür zahlen. (Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Wir hätten gern ein Klimaschutzgesetz, in dem echte Reduktionsverpflichtungen fest­geschrieben werden – nämlich für die einzelnen Sektoren und für die einzelnen Län­der – und in dem es eine genaue Treibhausgas-Buchhaltung gibt. Momentan gibt es diese nicht. Wovon wir da eigentlich reden, wer wo was überschreitet, wird noch span­nend werden.

Wir hätten gern, dass darin echte Sanktionen festgeschrieben werden. Sie können mich dann ja vom Gegenteil überzeugen; das glaube ich allerdings nicht, Sie können es versuchen. Wir hätten gern echte Sanktionen für diejenigen, die wirklich verantwort­lich sind, und wir hätten gern – das würde nämlich dadurch ausgelöst werden – vor al­lem Investitionen in inländische Maßnahmen. Wie gesagt, mit diesem Gesetz werden wir das nicht erreichen. Darum können wir da nicht zustimmen.

Ich möchte jetzt noch kurz etwas anderes ansprechen, vielleicht gibt es darüber Auf­klärung in diesem Saal. Gestern hat sich leider der Verkehrsausschuss so lange ver­zögert und hingezogen, dass ich den Umweltausschuss verpasst habe, und es ist dann das Emissionszertifikategesetz einfach abgesetzt worden. Ich habe jetzt kein großes Problem damit, dass das Emissionszertifikategesetz abgesetzt worden ist, weil wir ja dagegen gestimmt hätten, nämlich aufgrund der fehlenden Zweckbindung der Mittel. Ich würde aber trotzdem gern eines wissen, weil ich gerüchteweise etwas gehört habe: Antrag gibt es, glaube ich, nur einen mündlichen, und es geht irgendwie ums Land Ti­rol, um eine Artikel-15a-Vereinbarung und um Geld.

Ich hätte kein Problem damit, wenn wir darüber reden, was die Landes-Umweltreferen­ten gefordert haben: dass das Geld für Umweltschutz und Klimaschutz zweckgebun-


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den wird und teilweise an die Länder geht. Ich hätte aber ein großes Problem damit, wenn jetzt das Land Tirol sagt: Wir hätten gern auch ein bisschen von dem Geld!, der Rest geht ins Budget, und in Tirol geht es auch ins Budget. Damit hätte ich ein großes Problem. Deshalb würde ich mir wünschen, dass es vielleicht hier auch eine offizielle Aussage dazu gibt, wie denn ... (Ruf bei der ÖVP: Das ist nicht auf der Tagesordnung!)

Das ist nicht auf der Tagesordnung, aber ... (Bundesrat Mayer: Dann brauchen wir nicht darüber zu reden, wenn es nicht auf der Tagesordnung steht!) Ich habe gesagt, es hat ja ein bisschen mit Klimaschutz zu tun. Ich habe gesagt: Ich hätte gern eine In­formation darüber, warum das abgesetzt wurde! – Danke schön. (Beifall bei den Grü­nen.)

17.04


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Lampel. Ich erteile es ihm.

 


17.04.16

Bundesrat Michael Lampel (SPÖ, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Bundesminister! Liebe Kolleginnen und Kollegen im Bundesrat! Es stimmt schon: Wie vor Kurzem auch zu lesen war, hat es Österreich laut dem neuesten Bericht der Europäischen Umweltagentur als eines von nur drei EU-Ländern, neben Italien und Luxemburg, auch im vergangenen Jahr 2010 nicht geschafft, sein Kyoto-Ziel zur Senkung der Treibhausgasemission bis 2020 um 13 Prozent unter dem Wert von 1990 einzuhalten.

Derzeit stoße Österreich ja rund 7 Millionen Tonnen an Kohlendioxid beziehungsweise Kohlendioxidäquivalenten pro Jahr zu viel aus. Das entspricht in etwa 8,9 Prozent der Emissionen des Jahres 1990, das als Bezugsjahr für all die Berechnungen unter dem Kyoto-Protokoll für Maßnahmen gegen den Klimawandel gilt. Das Ziel für die gesamte EU lautet ja: 20 Prozent Senkung bis 2020 und 8 Prozent Senkung zwischen 2008
und 2012.

Deshalb steht auch heute das Klimaschutzgesetz auf der Tagesordnung. Mit dem vor­liegenden Gesetz geben wir dem Umweltminister ein wirksames Instrument in die Hand, um gemeinsam mit Sozialpartnern, mit Ministerien, mit den Bundesländern, Gemein­den, NGOs, mit Umweltexperten, mit Umweltwissenschaftlern in den zuständigen Gre­mien die konkreten Ziele zu erarbeiten. Ich bin fest davon überzeugt, wenn alle – und Klimaschutz geht uns schließlich alle an – gemeinsam konstruktiv arbeiten, dass bis spätestens März 2012 sicherlich konkrete Vorschläge vorliegen werden, also wesent­lich schneller, als dieses Gesetz gebraucht hat.

Die inzwischen vorgebrachten Vorschläge wie Erhöhung der Energieeffizienz, stärkere Nutzung der erneuerbaren Energie – ich bin als Burgenländer, und der Umweltminister kommt ja selbst aus dem Burgenland, besonders stolz darauf, dass im Burgenland, in Potzneusiedl, die mit einer Jahresproduktion von 14,2 Millionen Kilowattstunden welt­weit leistungsstärkste Windkraftanlage errichtet wird –, weiters die Berücksichtigung des Klimaschutzes in der Raumplanung, Mobilitätsmanagement, Abfallvermeidung oder ökonomische Anreize für Klimaschutzmaßnahmen zeigen ja bereits die richtige Rich­tung an.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, kurz gesagt sind das die wesentlichen Eckpunkte des Gesetzes: sektorale Aufteilung von Klimaschutzzielen, einvernehmliche Aufteilung der für Österreich geltenden Treibhausgasziele bis 2020 auf Sektoren, Verhandlung zur Er­arbeitung von Maßnahmen zur Einhaltung der Sektorenziele, gemeinsame Kostentra­gung, Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Land, Koordinationsgremien, Einrich­tung eines Nationalen Klimaschutzkomitees und eines Nationalen Klimaschutzbeirates.


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Mit dieser Gesetzesvorlage ist eine zukunftsweisende Weichenstellung für den Klima­schutz gelungen, die entscheidend dazu beitragen wird, die internationalen Verpflich­tungen Österreichs zur Verringerung von Treibhausgasemissionen besser zu erfüllen. Wir haben es selbst in der Hand, die verbindlichen Klimaziele bis 2020 durch Maßnah­men im Inland zu erreichen.

Daher, liebe Frau Kollegin Kerschbaum: Lieber ein großer Schritt nach vorn als über­haupt kein Schritt! (Bundesrätin Kerschbaum: Das ist ja kein großer!) Dazu bedarf es allerdings auch eines verbindlichen Klimaschutzgesetzes. Daher wird meine Partei die­sem Gesetz zustimmen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

17.07


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesrat Temmel. Ich erteile es ihm.

 


17.07.59

Bundesrat Walter Temmel (ÖVP, Burgenland): Sehr geehrter Herr Präsident! Ge­schätzter Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich kein Geheim­nis, dass Umweltschutz alle angeht. Und ich glaube, es ist schon erfreulich – entgegen Ihrem Redebeitrag, Frau Kollegin Kerschbaum –, dass dieses Gesetz in einem breiten Umfeld erarbeitet wurde.

Es hat zwar etwas länger gedauert, aber dass das Nationale Klimaschutzkomitee aus hochrangigen Vertretern der einzelnen Ministerien besteht, die mit dieser Materie be­fasst sind, und sich aus den neun Bundesländern zusammensetzt, um die Klimaziele entsprechend umsetzen zu können, finde ich richtig, und natürlich auch diesen Natio­nalen Klimaschutzbeirat, der die Aufgabe hat, das Klimaschutzkomitee zu beraten. Das setzt sich ebenfalls aus den verschiedenen Parteien, Sozialpartnern, den Vertretern der Städte und Gemeinden sowie den Vertretern der Bundesländer, der Umweltschutz­organisationen und der erneuerbaren Energieträger zusammen. Ich glaube, da ist eine hohe Akzeptanz gewährleistet, und das ist wichtig und richtig.

Für uns als Ländervertreter ist es auch wichtig, dass keine finanziellen Verpflichtungen im Fall der Überschreitung der Treibhausgasemissionen für die Jahre 2008 bis 2012 anfallen und ein weiteres Überschreiten der Höchstmengen ab 2013 gemeinsam aus­verhandelt wird. Bei der Erreichung der Klimaschutzziele sind nicht nur der Bund und die Länder, sondern auch die Gemeinden gefragt. Natürlich müssen wir – es sind hier ja viele Gemeindevertreter anwesend – auch vor Ort die Bevölkerung von sinnvollen Maßnahmen überzeugen.

In diesem Zusammenhang erfreulich ist die Initiative von dir, geschätzter Herr Umwelt­minister, zur Einführung von Klima- und Energie-Modellregionen. Derzeit haben sich bereits 66 Modellregionen in ganz Österreich zusammengeschlossen, um zukunfts­trächtige Modelle der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energie zu entwickeln und umzusetzen, und es werden immer mehr.

Als Obmann einer solchen Region führe ich als Beispiel für diese Modellregionen ger­ne unser ökoEnergieland im Bezirk Güssing an. Kollege Ertl hat bereits Güssing als Hauptstadt der erneuerbaren Energieträger bezeichnet. Derzeit gehören unserem ökoEnergieland 16 Gemeinden rund um Güssing an, und viele Projekte der erneuerba­ren Energie wurden bereits umgesetzt. Dieses Jahr konnten allein in unserem Bezirk zwei Biogasanlagen neu errichtet werden, drei Anlagen sind derzeit im Bau, und zwei weitere sind geplant. Bei der Wärme- und Stromenergie erzeugen wir im Bezirk Güs­sing damit bereits mehr, als in unserem Bezirk verbraucht wird. Bis 2015 besteht das ehrgeizige Ziel, auch den Bedarf an Treibstoffen aus dieser erneuerbaren Energie – Gas aus den Biogasanlagen beziehungsweise Strom von Photovoltaikanlagen – abzu­decken.


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Ein Wermutstropfen ist dabei natürlich – es wurde schon erwähnt – der öffentliche Per­sonennahverkehr. Die Fahrzeuge der öffentlichen Verkehrsanbindung von den Bezirks­vororten Güssing nach Oberwart sollten ebenfalls auf gasbetriebene, also Fahrzeuge mit Antrieb aus erneuerbaren Energieträgern – Gas aus Holz – umgestellt werden. Lei­der wurden uns dann die finanziellen Mittel des Bundes ganz gestrichen und die Lan­desmittel von über 120 000 €, die sie im letzten Jahr ausmachten, auf 20 000 € ge­kürzt. Selbstverständlich sind ohne finanzielle Mittel seitens des Bundes und des Lan­des keine Umweltschutzprojekte und -programme umzusetzen. Gerade im Bereich Verkehr besteht daher dringender Handlungsbedarf.

Dieses neue Klimaschutzgesetz ist wichtig, um zukunftsträchtige Umweltprojekte zum Wohle der nächsten Generation umsetzen zu können. Ich danke allen, die zum Zustan­dekommen dieses Gesetzes beigetragen haben, natürlich allen voran dir, geschätzter Herr Minister, mit all deinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern! Wir werden diesem Ge­setz natürlich gerne zustimmen. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.12


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Diesner-Wais. Ich erteile es ihr.

 


17.12.20

Bundesrätin Martina Diesner-Wais (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren im Bundesrat! Um den Klima­veränderungen, der Erderwärmung und den daraus hervorgehenden Folgewirkungen Einhalt zu gebieten, ist es natürlich sehr wichtig, etwas für das Klima und für den Kli­maschutz zu tun. Darum, liebe Elisabeth, sehe ich es nicht ganz ein, wenn du sagst, das Gesetz ist zu wenig weitgehend, weswegen ihr nicht mit stimmt.

Es ist ein Anfang. Ich glaube, jeder Anfang ist gut, und alles kann sich auch weiterent­wickeln. Der erste Entwurf dieses Gesetzes stand schon 2008 fest, und es hat eben seine Zeit gedauert, bis es uns heute zum Gesetzesbeschluss vorliegt. In diesem Ge­setz sollen die Spielregeln festgelegt werden, damit Maßnahmen erstellt werden kön­nen. Es ist heute auch schon angeführt worden, dass bis jetzt alles freiwillig war, aber jetzt wird es zur Verbindlichkeit.

Österreich hat sich ein ambitioniertes Ziel gesetzt, bei Kyoto den CO2-Ausstoß zu re­duzieren, und zwar von einem ohnehin schon hohen Niveau noch einmal. (Bundesrätin Kerschbaum: Da haben wir die Verbindlichkeiten nicht erfüllt!) Wenn du sagst, das Kyoto-Ziel erreichen wir auf gar keinen Fall, dann stimmt das in gewissen Bereichen. Wir erreichen es noch nicht bei der Raumwärme, dem Verkehr und der Industrie. Wir erreichen es aber bereits in der Landwirtschaft und in der Abfallwirtschaft, und genau dieses Gesetz soll uns auf den Weg führen, dass wir anstreben, es auch in den ande­ren Bereichen zu erreichen.

Dieses Klimaschutzgesetz ist die Basis dafür, dass wir sektoral und flexibel Maßnah­men ergreifen können, ich glaube, das ist besonders wichtig. Unser Herr Bundesminis­ter bringt einen Vorschlag, und der wird dann, wie wir schon gehört haben, im Klima­schutzkomitee diskutiert. Es ist wichtig, dass wirklich alle dabei sind, der Bund und auch die Länder, die Sozialpartner und der Beirat, der sich eben aus den verschie­densten Teilnehmern zusammensetzt.

Es wird ausführlich diskutiert, und dann werden die Maßnahmen erstellt. Diese werden in 15a-Verträgen sozusagen in die Realität umgesetzt, und da sind auch jene Sanktio­nen drinnen, die dann Folgewirkungen haben, wenn die Maßnahmen nicht eingehalten werden. Ich glaube, es ist schon gut, dass man nicht nur fest vorgeschriebene Dinge hat, denn es verändert sich im Lauf der Zeit einiges, und da kann man dann auch noch nachschärfen und es flexibel gestalten. Das ist, meiner Meinung nach, eine gute Sa­che.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 134

Es ist heute auch schon angesprochen worden, dass wir mit diesem Gesetz EU-weit wieder eine Vorreiterrolle einnehmen, denn es gibt nur ein Land, nämlich Großbritan­nien, das bereits ein Klimaschutzgesetz gemacht hat, und wir sind eigentlich die Zwei­ten. Es ist eine große Motivation, auch dahin gehend, dass man erstens einmal Ener­gie einspart. Der Herr Minister hat ja vor zwei Tagen den „klima:aktiv pakt2020“ gestar­tet, der für Großbetriebe ist. Sechs Großbetriebe haben das schon unterschrieben, und sie legen sich damit fest, bis 2020 im eigenen Betrieb die CO2-Emissionen um mindes­tens 16 Prozent zu reduzieren, die Energieeffizienz in ihrem Betrieb um 20 Prozent zu steigern und für ihre Mobilität zu 10 Prozent erneuerbare Energie einzusetzen. Ich glaube, das ist eine gute Sache.

Wie gesagt, Energiesparen ist natürlich das Wichtigste, zweitens ist ausschlaggebend, die Energieeffizienz zu steigern und natürlich die erneuerbaren Energien verstärkt ein­zusetzen. Das Ökostromgesetz ist wirklich ein guter Eckpfeiler dahin gehend, dass wir auch den nächsten Etappenschritt mit 34 Prozent erneuerbarer Energie erreichen, dann natürlich bis hin zur Energieautarkie.

Diese Zielvorgabe ist meiner Ansicht nach auch ein wichtiger Impuls für unsere Wirt­schaft, denn gerade unsere Wirtschaft hat in diesem Bereich sehr viele hochwertige Technologien, die wir auch weltweit exportieren können. Dadurch werden im Land die Green Jobs geschaffen, die Arbeitsplätze gesichert und auch eine Wertschöpfung für unser Land erlangt. Ein Punkt, der vielleicht nicht ganz so erfreulich ist, ist, dass da Länder wie Amerika, Indien und andere in Asien nicht mittun. Da gilt es eben, diese auch ins Boot zu holen.

Besonders freut es mich, dass eine Umfrage, die bei der Jugend gestartet worden ist, ergeben hat, dass niederösterreichweit 95 Prozent und österreichweit 93 Prozent der Jugendlichen angeben, einen Beitrag zum Klima- und Umweltschutz leisten zu wollen. Ich glaube, es ist ein zukunftsträchtiges Signal und auch ein Auftrag an uns politisch Verantwortliche, dass die kommende Generation erkannt hat, dass Klimaschutz, Inno­vation, intelligente Energiesysteme eigentlich für morgen gebraucht werden und not­wendig sind.

Dieses Gesetz gibt uns die Möglichkeit, in einem ersten, gemeinsamen Schritt mitzu­machen und es einzuleiten. Daher ergeht sozusagen meine Aufforderung an euch alle: Stimmt diesem Gesetz zu, ihr tut für das Klima in Österreich sehr viel Gutes! (Beifall bei ÖVP und SPÖ. – Bundesrätin Kerschbaum: Nein!)

17.18


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet hat sich Herr Bundesminister Dipl.-Ing. Berlakovich. Ich erteile es ihm.

 


17.18.32

Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Nikolaus Berlakovich: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Klimaschutz ist nicht Selbstzweck. Der Klimawandel findet statt, und zwar erhöht sich die Temperatur in der Welt stärker, als es sein dürfte. Hauptver­ursacher ist das Verbrennen der fossilen Energieträger Kohle, Gas und Öl. Daher wird weltweit darum gerungen, diese Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Das Ziel, das voriges Jahr in Cancún in Mexiko bei der Welt-Klimakonferenz festgelegt wurde und wonach die Welttemperatur bis zum Ende dieses Jahrhunderts um nicht mehr als 2 Grad Celsius ansteigen darf, wird verfehlt. Die Maßnahmen, zu denen die Staatengemeinschaft der Welt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten bereit ist, reichen nicht aus, um einen höheren Anstieg der Welttemperatur zu verhindern. Die Konsequenz: Dürre in Ostafrika, Dürre in Russland und in der Ukraine, Hochwasser in Australien, in Pakistan. Hochwasser ist kein Beweis für den Klimawandel, aber die wa­chsende Häufigkeit extremer Wetterereignisse zeigt, dass sich in der Welt etwas tut!


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 135

Auch wir in Österreich und in Europa sind nicht davor gefeit, auch bei uns gibt es Än­derungen. Wir sehen das zum Beispiel daran, dass die Fichte in höhere Lagen wan­dert, an dieser Mediterranisierung der Fichte. Es ist zu warm und zu trocken in tieferen Lagen, es verschiebt sich.

Es ist ein weltweites Problem, denn wenn beispielsweise im afrikanischen Raum die Menschen keine Lebensgrundlage mehr haben, flüchten sie klarerweise. Man spricht von rund 200 Millionen bis 300 Millionen Menschen, die Klimaflüchtlinge sind. Also: Es ist ein Gebot der Stunde, zu handeln, Klimaschutz zu machen und die Lebensqualität jetzt und vor allem für kommende Generationen abzusichern!

Zur Kyoto-Periode: Diese läuft 2012 aus. Die Schwäche des Kyoto-Regimes ist, dass da nur die industrialisierte Welt dabei ist und dass die großen Emittenten wie China und die USA null Verpflichtungen haben, Treibhausgase zu reduzieren. So weit, so un­erfreulich.

Österreich ist damals, 1997, ein sehr ehrgeiziges Ziel eingegangen, eindeutig, und ent­sprechend schwer hat sich Österreich bei der Zielerreichung getan. Es ist erwähnt wor­den, Frau Abgeordnete, Sie haben recht: Wir erreichen heute unsere Kyoto-Ziele in der Landwirtschaft, in der Abfallwirtschaft und bei den fluorierten Gasen, aber nicht in der Wirtschaft, bei der Raumwärme und schon gar nicht beim Verkehr.

Zur E 10-Debatte: Für alle, die sagen, E 10, also die Beimischung von Biotreibstoffen zum fossilen Treibstoff sei schlecht, merke ich an: Es ist jeder aufgerufen, bessere Vor­schläge zu machen, wie man im Verkehr die Treibhausgase reduziert. Ein Teil der Strategie ist, dass ein Teil des Treibstoffes durch Biotreibstoffe ersetzt wird – neben anderen Maßnahmen, die notwendig sind, denn im Verkehr wurden für den Klima­schutz die wenigsten Erfolge erzielt.

Letztendlich haben wir gesehen, dass sich beim Klimaschutz zu wenige angestrengt haben, das ist eindeutig. Da sieht man, wie in sehr vielen Sonntagsreden vom Klima­schutz gesprochen wird, auch in den Bundesländern, wenn es aber dann darum geht, konkrete Aktionen zu setzen, geschieht zu wenig. Es soll etwas geschehen in den Bun­desländern und auch bei den Bundesstellen. Der Klimaschutz ist keine One-Man-Show des Umweltministers, sondern ein gesamtes Anliegen!

Mir war es ein Anliegen, dass wir im Klimaschutzgesetz alle Stakeholder, alle Betroffe­nen ins Boot bekommen. Sie sind Ländervertreterinnen und -vertreter. Es hat zweiein­halb Jahre gedauert, die Bundesländer ins Boot zu bekommen, und ich appelliere an Sie: Es ist auch Ihre Aufgabe, auf die Bundesländer einzuwirken, mitzutun. Ich will jetzt nicht aus der Schule plaudern, aber man erlebt da seine Wunder, wenn man hört, was manche Bundesländervertreter sagen, warum sie eigentlich nichts zum Klimaschutz leisten müssen. Das sei nur gesagt.

Klar ist für mich, dass laut unserer Bundesverfassung die Bundesländer Zuständigkei­ten haben, unter anderem im Bereich der Raumwärme und im Bereich des Verkehrs. Es gibt derartige Zuständigkeiten, und mir war es ein großes Anliegen – und es waren sehr zähe und harte Verhandlungen –, die Bundesländer ins Boot zu bekommen, und das ist gelungen! Es ist gelungen, dass wir alle, auch die Bundesländer, uns verpflich­ten, uns nicht nur um die jetzigen Kyoto-Ziele zu kümmern, sondern bereits für die nächste Periode Klimaschutz zu machen.

Österreich und die Europäische Union sind die einzige Region der Welt, die sich schon jetzt bereit erklärt hat, bis 2020 weitere Treibhausgas-Reduktionen zu machen. Daher umfassten die Verhandlungen auch den Punkt, dass die Bundesländer jetzt bei der Abrechnung der Kyoto-Periode keine finanziellen Verpflichtungen haben. Das gilt auch für die Bundesstellen Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium und Umweltministe­rium.


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Daher ist das Emissionszertifikategesetz wichtig: Die Einnahmen, die daraus entste­hen, fließen ja dem Bundeshaushalt, der Finanzministerin zu, die daraus dann allfällige Kyoto-Verpflichtungen und vor allem weitere Klimaschutz-Verpflichtungen eingeht. Wir werden gegen Ende dieses Jahres in Durban in Südafrika eine Weltklimaschutzkonfe­renz haben, bei der es darum gehen wird, wie es im Klimaschutz weitergehen soll, wenn Kyoto 2012 ausläuft.

Die Europäische Union ist nur mehr für 11 Prozent der Treibhausgase weltweit verant­wortlich, und die großen Emittenten wie China und USA haben, wie gesagt, null Ver­pflichtung. Bei den internationalen Verhandlungen, immerhin unter UNO-Regime, er­klären diese Länder, dass sie gar nicht bereit sind, sich von irgendjemanden kontrol­lieren zu lassen, sondern dass sie Klimaschutz freiwillig machen wollen. Nur: Das allein ist zu wenig!

Da geht es nicht um die Europäische Union und um Österreich, sondern um die Welt, und wir als Europäische Union wollen nach wie vor, dass es ein völkerrechtlich ver­bindliches Weltklimaschutzabkommen gibt, bei dem alle Staaten der Welt mittun. Da­her wirkt das Gesetz über die Periode 2012 hinaus. Daher ist hier festgehalten – Frau Kollegin, das war ein Wunsch der Bundesländer, dass man, wenn das Gesetz gültig ist, mit den Bundesländern verhandelt, wie bei der Artikel-15a-Vereinbarung, das war Wunsch der Bundesländer und den habe ich respektiert –, wie die Bundesländer dann in der nächsten Periode Sanktionen mittragen, zu denen sie sich bereit erklärt haben.

Das war ein Ergebnis der politischen Verhandlungen. Und weil ich gesehen habe, dass es mit der Freiwilligkeit im Klimaschutz nicht weit her ist, dass viele davon reden und dann zu wenig geschieht, ist das jetzt die gesetzliche Verpflichtung. Der Klimaschutz wird verpflichtend, verbindlich, für Bundes- und Landesstellen, für Gebietskörper­schaften.

Es werden nicht irgendwelche Arbeitskreise installiert, sondern es wird ein Klimas­chutzkomitee installiert, wo die verantwortlichen Ministerien dabei sind, zum Beispiel das Justizministerium für den Bereich Wohnrecht und Raumwärme, und alle neun Bun­desländer. Das war ausdrücklicher Wunsch der Bundesländer, und ich halte es auch für richtig, dass sie mit dabei sind und sich vom Klimaschutz nicht absentieren, denn das Kyoto-Ziel beziehungsweise die Kyoto-Ziel-Verfehlung ergibt sich auch aus der Summe der Bundesländer.

Es haben also alle ihren Teil daran. Es kann nicht sein, dass man sagt, der Bund er­reicht das Kyoto-Ziel nicht und die Bundesländer schon. Es ist die Summe der Emis­sionen, die überall entstehen, daher muss es ein gemeinsames nationales Anliegen sein. Mir war es auch wichtig, dass es in einem Klimaschutzbeirat nicht irgendeine Be­schäftigungstherapie gibt, sondern sich alle zu ihrer Farbe bekennen müssen: die So­zialpartner, die IV – die Industrie ist ein wichtiger Bereich, der seinen Teil leistet –, auch die NGOs und alle anderen sind mit dabei.

Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie ein Gesetz danach berechnen, wie schwer es ist, wie viel Kilo Papier es wiegt. So haben die Grünen im Parlament auch argumentiert. Ich halte das für schlecht. Es geht um Inhalt, um Substanz und nicht um die Menge!

Ich möchte auch auf das Thema eingehen, wo es heißt, da seien keine Maßnahmen drinnen. Die österreichische Bundesregierung hat im Jahr 2007 die Klimastrategie be­schlossen. Diese ist nach wie vor gültig. Da finden sich für alle Sektoren, für den Ver­kehr, für die Wirtschaft, für die Raumwärme, für das Wohnrecht und für alle anderen Bereiche, eine Reihe von Maßnahmen, nur: Seit dem Jahr 2007 entwickeln sich die Wissenschaft und die Wirtschaft weiter, da gibt es bereits neue Möglichkeiten. Damit wir Flexibilität haben, habe ich da punktuell keine Maßnahmen hineingeschrieben.

Aber der Auftrag ist – und das ist ganz klar im Gesetz festzuhalten –: Es müssen die einzelnen Sektoren in Bund und Land Maßnahmenpakete schnüren, es muss sich die


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Wirtschaft im Bund und in den Bundesländern mit den Stakeholdern zusammensetzen und Maßnahmenpakete entwickeln! Der Verkehr, die Raumwärme und alle Sektoren müssen das tun, damit wir gemeinsam Klimaschutz erreichen!

Auch die Erfolge dabei müssen dem Parlament berichtet werden. Wir haben objektive Zahlen – weil Sie das auch irgendwie bezweifelt haben, zumindest habe ich es so ver­standen. Das Umweltbundesamt präsentiert jedes Mal, jedes Jahr die Statistik, und die weist klar nach, wo Handlungsbedarf ist: Verkehr, Wirtschaft, Raumwärme – da ist Ziel­verfehlung!

Mein Anliegen ist, dass mit dem Gesetz, sobald es wirkt, jetzt noch möglichst viel An­strengung unternommen wird, damit wir viel vom Kyoto-Ziel erreichen! Denn: Je mehr wir erreichen und je mehr Emissionen von Treibhausgasen wir reduzieren – abgese­hen von der Lebensqualität, die wir sichern wollen –, umso weniger Zertifikate müssen wir dann nachkaufen.

Ich teile auch nicht die Meinung, die von den Grünen immer wieder geäußert wurde, dass wir sozusagen im bösen Ausland in Klimaschutzmaßnahmen investieren. Gerade von Ihnen hätte ich mir einen solch dumpfen Nationalismus nicht erwartet, denn es ist Teil dieses JI/CDM-Programms, dass wir auch in Entwicklungsländern investieren. (Zwischenruf der Bundesrätin Kerschbaum.)

Wenn ich dort als Österreich in ein Windkraftwerk investiere und das CO2 gutge­schrieben bekomme, teilweise mit österreichischer Ingenieurleistung und teilweise mit unserer Technologie, dann sind die Entwicklungsländer ja dankbar, dass wir dort Ener­gie sichern. Auch in China tun wir das. Jetzt, als der chinesische Staats- und Regie­rungschef da war, haben wir das Memorandum of Understanding unterzeichnet, weil die Chinesen unsere Technologie auch wollen und sich neue Chancen eröffnen.

Daher halte ich schon etwas davon, dass wir auch im Ausland Projekte unterstützen, weil wir eben angesprochen werden von den Entwicklungsländern. Das ist nicht die ausschließliche Klimaschutzpolitik, wir investieren ja nicht nur im Ausland, aber ein Teil des Geldes fließt dorthin. Ich ersuche Sie wirklich, nicht eine derartige Rechnung auf­zustellen, sondern es bringt auch etwas. Und letztendlich nutzt es uns, wenn wir in ei­nem Entwicklungsland das Klima schützen, weil es ja weltklimamäßig in der Gesamt­rechnung stimmt!

Ein anderer Punkt, den ich ansprechen möchte, ist, dass es notwendig ist, da insofern voranzuschreiten, als wir jetzt nach Beschlussfassung des Gesetzes sofort die Schlag­zahl erhöhen. Es müssen sich die einzelnen Sektoren zusammensetzen. Auch mit den Bundesländern werden die Emissionsmengen für die nächste Periode festgelegt – für die laufende Kyoto-Periode sind sie ja drinnen – und werden jetzt zusätzlich verhandelt mit Sanktionsmechanismen.

Großbritannien hat ein derartiges Gesetz schon, und ich bin stolz darauf, dass Öster­reich der zweite Staat der Europäischen Union ist, der ein derartiges Klimaschutzge­setz hat. Entscheidend wird sein, wie die Bundesländer, aber auch die Bundesstellen es mit Leben erfüllen.

Mir ist es immer darum gegangen, zu sagen, dass der Klimawandel eine Bedrohung, aber der Klimaschutz eine Chance ist. Dadurch werden neue Perspektiven geschaffen: erneuerbare Energien, Green Jobs, neue Perspektiven, die auch etwas bringen und mithelfen, die Wirtschaft konsequent umzubauen und in Richtung einer Low-Carbon-Economy weiterzuentwickeln.

Beim Klimaschutz wird aus einem Kann ein Muss, und ich halte es für absolut notwen­dig, dass da alle mittun. In diesem Sinne appelliere ich an Sie und danke Ihnen für die Unterstützung. Wir müssen das auf eine breite Basis stellen. Es geht vor allem auch um die Motivation der Menschen.


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Auch wenn es bei den internationalen Verhandlungen sehr schwierig ist, die großen Staaten ins Boot zu bekommen, geht es letztlich, ohne zu dramatisieren, um die Über­lebensfrage der Menschheit! Da ist jeder und jede aufgerufen! Nicht nur irgendein Bun­desministerium und irgendein Bundesland, sondern jeder einzelne Mensch kann sei­nen Beitrag dazu leisten und muss es auch tun, indem er sich umweltfreundlich verhält, und, und, und.

All das soll dazu beitragen, dass wir das Umweltmusterland Österreich, das wir sind ... (Zwischenrufe bei den Grünen.) – Schauen Sie, ich finde es auch bedauerlich, dass Sie das immer schlechtreden, Österreich ist ein Umweltmusterland! Das ist das Ergeb­nis von jahrzehntelangem Aufbau, was Kanalisation, Wasserversorgung, Abwasserbe­seitigung und so weiter betrifft.

Deswegen sagt China: Wir wollen einen Vertrag mit Österreich, weil ihr in der Umwelt­technologie weltspitze seid! Dazu muss man sagen: Das ist das Ergebnis von langjäh­riger Arbeit und von Milliardeninvestitionen in den Gemeinden, in den Ländern. Das hat uns zu einem Umweltmusterland gemacht, eindeutig, und an diesem Ruf sollten wir weiterarbeiten! – Danke. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.30


Vizepräsident Reinhard Todt: Weitere Wortmeldungen liegen dazu nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen daher zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.

17.31.1117. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Terrorismus sowie das Straf­gesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrecht­lichen Schutzes der Umwelt geändert werden (674 d.B., 1392 d.B. und 1422 d.B. sowie 8583/BR d.B. und 8598/BR d.B.)

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir kommen nun zum 17. Punkt der Tagesordnung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Bitte um den Bericht.

 


17.31.33

Berichterstatter Christian Füller: Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch zur Verhinderung von Terrorismus sowie das Strafgesetzbuch und die Strafprozessordnung 1975 zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes der Umwelt geändert werden.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor; ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage den Antrag, gegen den vorlie­genden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Vizepräsident Reinhard Todt: Wir gehen in die Debatte ein.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bundesrätin Mühlwerth. – Bitte. (Bundesrätin Mühl­werth – auf dem Weg zum Rednerpult, in Richtung Bundesminister Dipl.-Ing. Berlako­vich –: Bleiben Sie jetzt statt der Frau Justizminister da?)

 



BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 139

17.32.20

Bundesrätin Monika Mühlwerth (FPÖ, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir werden heute ein soge­nanntes Terrorismuspräventionsgesetz beschließen, allerdings ohne die Stimmen von uns Freiheitlichen. Auch wenn man sagen muss, dass es uns gegenüber dem ersten Vorschlag vor einem Jahr, der es ja ermöglicht hätte, missliebige politische Meinungen, die vor allem der linken politischen Korrektheit widersprechen, zu verfolgen und zu be­strafen, immerhin gelungen ist, dem Gesetz die ärgsten Giftzähne zu ziehen.

Ein gutes Gesetz ist es aber trotzdem nicht, denn: Unserer Meinung nach, und da ste­hen wir nicht allein da, ist es sehr wohl ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit. Andreas Unterberger schreibt dazu im „Tagebuch“ auf seiner Internetseite etwas, (Zwischenruf des Bundesrates Füller), das ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, obwohl ich mich nicht dazu versteige, es so zu interpretieren oder auch so zu nennen.

Unterberger schreibt unter dem Titel „Das Parlament beschließt das Ende der Mei­nungsfreiheit“, ich zitiere:

„Auch wenn man mit historischen Vergleichen vorsichtig sein sollte:“ – das hat er schon vorher geschrieben, aber er kannte ja den Gesetzestext schon, der ist ja dann auch so beschlossen worden – „Das, was da in Kürze im Wiener Parlament beschlossen wer­den wird, hat teuflisch viele Ähnlichkeiten mit dem Ermächtigungsgesetz des Jah­res 1933, mit dem damals in Deutschland von einem noch demokratisch gewählten Parlament der Weg in die Diktatur und zur zwölfjährigen Einschränkung der zentralsten Grund- und Menschenrechte geöffnet worden ist.“

Und er schreibt weiter: „Die Nazis haben ihr Ermächtigungsgesetz scheinheilig ‚Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich‘ getauft. Die Koalition nennt es ‚Terroris­muspräventionsgesetz‘. Wie harmlos beides klingt! Wer kann schon etwas gegen die Bekämpfung der Not oder gegen die Bekämpfung von Terrorismus haben? In beiden Fällen wurden beziehungsweise werden aber in Wahrheit in katastrophaler Weise die Menschenrechte eingeschränkt. Und nicht die Not des Volkes oder der Terrorismus.“

Wenn man sich die in § 283 Abs. 1 genannten Gruppen anschaut, die da taxativ aufge­zählt werden, dann liest sich das, muss man schon sagen, fast wie ein Auszug aus einem Grünen Parteiprogramm. Es sind immer die Gleichen, die genannt werden. Da stellt sich nun die Frage: Was ist jetzt eigentlich mit den anderen? Darf gegen die ge­hetzt werden? Darf gegen die zur Gewalt aufgerufen werden? Ich hoffe nicht, dass das so gemeint ist, ich glaube es auch nicht.

Aber eigentlich ist das etwas, das selbstverständlich sein sollte. Dafür brauche ich kein eigenes Gesetz. Das sind Dinge, wo ich sage, das hätte mit einem Satz im Gesetz abgehandelt werden können, weil es für uns alle Normalität sein sollte, dass wir gegen keine Gruppe, wie auch immer sie gestrickt ist, zu Gewalt aufrufen oder gegen sie het­zen.

Ich muss also sagen, da frage ich mich schon, wozu dieses Gesetz gut ist. Da ja die­ses Gesetz diese Gruppen speziell nennt sowie sagt, was man alles wo nicht darf, muss ich schon sagen: Dieses Gesetz wirft eine Frage auf. Die SPÖ hat ja eine sehr pointierte Diskussion in Bezug auf die Vermögensteuer geführt. Da muss man sich dann fragen: Steht ihr jetzt schon mit einem Fuß im Kriminal, weil ihr das sehr pointiert gemacht habt, oder nicht? (Bundesrat Mag. Klug: Nein!)

Aber das ist ja immer der Haken eines solchen Gesetzes. Da darf man sich selbst dann auch nicht allzu sicher fühlen. Man weiß ja nie, wann es einen ereilt; selbst dann, wenn man weder hetzen wollte, noch es tatsächlich getan hat (Bundesrat Mag. Klug: Aufklären!), geschweige denn zu Gewalt aufgerufen hätte. Also da muss man schon sagen, das ist eine sehr heikle Geschichte.


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Wir sind natürlich froh, dass wir das durch unsere freiheitliche Initiative entschärfen konnten, doch ist und bleibt es trotzdem ein Anschlag auf die Meinungsfreiheit. Das wird immer unter dem Deckmantel von irgendetwas präsentiert, jetzt eben unter dem Deckmantel der Terrorismusprävention.

Der Terrorismus ist mittlerweile schon zu einer Keule geworden, die immer wieder an­gewandt wird. Denken wir nur an die Vorratsdatenspeicherung: Auch da hat man uns gesagt, es wäre alles nur zum Schutz vor Terrorismus und wäre wirklich alles immer nur zu unserem Besten. Dabei geben wir – und das merken manche offensichtlich gar nicht – Stück für Stück unsere Freiheit auf.

Ich möchte gerade in diesem Zusammenhang erinnern: Die USA sind ja da immer fe­derführend, der treibende Motor, und zwingen Europa beziehungsweise die EU, ihre Maßnahmen nachzuvollziehen. Da ist es ihnen aber leider passiert, dass ihnen einer durch die Lappen gegangen ist und ungehindert ein Flugzeug besteigen konnte, ob­wohl er auf diversen Listen als möglicher Terrorist geführt worden ist.

Also kann man sagen: All diese Forderungen nach Prävention gegen Terrorismus sind für den Papierkorb, wenn man sich nicht einmal die eigenen Listen anschaut, die man hat, sodass irgendein mutmaßlicher oder möglicher Terrorist dort ungehindert seiner Wege gehen kann, ohne dass wirklich etwas passiert.

Die SPÖ und die ÖVP beschließen das heute. Gerne wahrscheinlich auch noch, wie ich es wahrscheinlich von Ihnen zu hören bekommen werde. Aber wir sind ja nicht allein mit unserer Kritik – sonst würde es ja sofort heißen: Eh klar, die Freiheitlichen, wie immer!

Ich möchte Ihnen nicht vorenthalten, dass es auch andere öffentliche Personen gibt, die das nicht so locker vom Hocker sehen, wie Sie das offensichtlich tun. Gerhard Benn-Ibler, der bisherige Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages, hat gesagt, dass durch diesen § 283 – und vor allem um diesen geht es ja – ein „Klima der allgemeinen Unsicherheit“ geschaffen wird.

Da hat er recht, denn die Menschen glauben ja in diesem Land nicht mehr daran, dass sie wirklich ihre Meinung frei äußern dürfen. (Bundesrat Mag. Klug: O ja!) – Ja, ihr redet offensichtlich nie mit den Leuten. Redet einmal mit den Leuten, dann werdet Ihr das hören! Die sagen: In Österreich wirklich frei meine Meinung zu sagen, das traue ich mich aber wirklich nicht! (Zwischenrufe bei SPÖ und ÖVP.)

Es ist leider überhaupt nicht lustig. Die Menschen empfinden das auch nicht als lustig, wenn sie der Meinung sind, dass die Meinungsfreiheit nicht in uneingeschränkter Form vorhanden ist. (Bundesrätin Zwazl: Du sagst ja, was du dir denkst! Fühlst du dich irgendwie eingeschränkt?!) – Auch Benn-Ibler sagt, dass eine Einschränkung der Mei­nungsfreiheit zumindest so zu verstehen ist. Er hat das mit dem klugen Spruch er­gänzt, dass nicht alles, was moralisch verwerflich ist, auch gleichzeitig strafwürdig ist.

Weiters hat der Präsident des Verfassungsgerichtshofes Gerhard Holzinger gesagt: Die Grundrechte sind ein mühsam erkämpftes, hohes Gut, das wir niemals aufgeben dürfen.

Dann sagt Herr Holzinger weiter: Der Verfassungsgerichtshof hat als wichtigster Ga­rant der Grundrechte eine besonders wichtige Aufgabe sowohl gegenüber der Gesetz­gebung als auch der Vollziehung, und dieser Aufgabe wird er sich konsequent, ener­gisch und verantwortungsbewusst widmen. (Ruf bei der ÖVP: Deswegen bemühen wir uns ja auch immer, die richtigen ... !) – Das merke ich eh, wie sehr ihr euch bemüht. Das merkt man ja heute.

Wir Freiheitlichen werden jedenfalls das, wofür unsere Vorfahren 1848 gekämpft ha­ben, nämlich die Meinungsfreiheit ... (Heiterkeit. – Bundesrat Mag. Klug: 1848, da habt


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ihr noch keine Vorfahren gehabt!) – Doch, das sind unsere Vorfahren. (Bundesrat Mag. Klug: Bitte?!) – Ja selbstverständlich. Da sollte man sich vielleicht in Geschichte ein wenig schlaumachen, Kollege Klug. Du machst heute einmal mehr deinem Namen wirklich keine Ehre! (Beifall bei der FPÖ. – Bundesrat Mag. Klug: 1848!)

Das, wofür unsere Vorfahren 1848 gekämpft haben, werden wir Freiheitliche heute nicht aufgeben! (Bundesrat Kraml: Wofür hat der Metternich gekämpft?) Und daher werden wir diesem Gesetz auch nicht zustimmen. (Beifall bei der FPÖ.)

17.41


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Strohmayer-Dangl. – Bitte.

 


17.41.20

Bundesrat Kurt Strohmayer-Dangl (ÖVP, Niederösterreich): Sehr geehrter Herr Prä­sident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Aus­drücke wie „Terrorcamps“ und „Hassprediger“ beherrschen immer öfter und intensiv die weltweiten Medien. Die Bedrohungslage durch den internationalen Terrorismus ist un­verändert. Immer öfter werden aber europäische Staaten als Ziele terroristischer An­schläge genannt.

Die erwähnten Ausdrücke, wie „Hassprediger“ und „Terrorcamps“, in Verbindung mit dem Internet spielen dabei eine immer größer werdende Rolle. Es muss daher eine vordringliche Aufgabe der österreichischen Gesetzgebung sein, diese bedrohlichen Entwicklungen bereits in der Entstehung zu verbieten und zu verhindern und mit stren­geren Strafen versehen zu können. Mit der uns heute vorliegenden Beschlussfassung des Terrorismuspräventionsgesetzes machen wir dies auch.

Das Gesetz sieht mit den Verbesserungen im Strafrecht vor, Vorbereitungshandlungen und Organisationshandlungen sowie die Ausbildung zu terroristischen Zwecken unter Strafe zu stellen und zu verhindern. Dabei sollen nicht nur aktive Handlungen, sondern auch das Verschaffen von Informationen für terroristische Zwecke erfasst werden. Da­runter fallen zum Beispiel die Teilnahme an einem terroristischen Trainingslager sowie das Herunterladen von bestimmten Informationen aus dem Internet zum Zweck der Be­gehung einer terroristischen Straftat.

Weiters werden Maßnahmen erfasst, um die Radikalisierung durch Aufforderung oder Gutheißung der Begehung von terroristischen Straftaten effektiv bekämpfen zu können.

Ein wichtiger Punkt ist auch, dass Straftaten unter Strafe gestellt werden, die im Aus­land begangen worden sind, und dass sie von der inländischen Gerichtsbarkeit geahn­det werden können.

Besonders wichtig ist auch, dass Organisationen beziehungsweise Organisationshand­lungen, durch die Terrorismusfinanzierung betrieben wird, strafrechtlich verfolgt werden können. Hier macht sich nicht nur der Anführer strafbar, sondern auch die Mitglieder, die an einer solch terroristischen Vereinigung, die auf Terrorismusfinanzierung ausge­legt ist, beteiligt sind.

Gleichzeitig wird mit diesem Gesetz das Ziel verfolgt, einer Radikalisierung durch Auf­ruf zu Gewalt und Hass entgegenzuwirken und dabei auch einen wirksamen Schutz für bestimmte Gruppen oder Mitglieder dieser Gruppen vor rassistischer Verhetzung zu bieten.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diese Bestimmungen im Kampf gegen den Ter­rorismus und zum Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger notwendig sind. Die Ent­wicklungen der letzten Monate und Jahre rechtfertigen diese Maßnahmen absolut. Es geht um ein klares Signal, dass bei der Vorbereitung und bei der Anstiftung zum Terror


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mit der Republik Österreich nicht zu spaßen ist und dass wir gegen alle Versuche, Ter­rorismus mit all seinen Facetten in unser Land zu bringen, mit aller Schärfe vorgehen.

Dass bei der Verschärfung von strafrechtlichen Bestimmungen immer wieder die Dis­kussion aufflammt – sie ist auch jetzt aufgeflammt –, dass damit auch Grundrechte ein­geschränkt werden, liegt in der Natur der Sache. In diesem Fall wurde aber, glaube ich, wirklich versucht, die Bedenken auszuräumen und diesen Rechnung zu tragen. (Bun­desrätin Mühlwerth: Das kann man nicht so billigend in Kauf nehmen!) – Kollegin Mühlwerth, einen Anschlag auf die Meinungsfreiheit damit zu rechtfertigen ist meiner Meinung nach übertrieben. Und der Herr Präsident des Verfassungsgerichtshofes wird sich auch keine Sorgen machen müssen, dass die mühsam erstrittenen Grundsätze wirklich so eingeschränkt werden. (Bundesrätin Mühlwerth: Stück um Stück!)

Ein kleiner Teil – Herr Ertl ist leider Gottes nicht hier – dieses Gesetzes macht mich als Exekutivbeamter total stolz: Es freut mich besonders, dass mit diesem Gesetz der Si­cherheit unserer Beamtinnen und Beamten bei der Polizei und bei der Justizwache Rechnung getragen wird. Wird ein Exekutivbeamter oder eine Exekutivbeamtin im Dienst verletzt und ist beim Täter der Verdacht einer ansteckenden Krankheit gegeben, ist eine Blutabnahme verpflichtend vorgesehen. Ich glaube, das ist ein Meilenstein, der dem Schutz unserer Beamtinnen und Beamten dient, die ja für unsere Sicherheit ihren Dienst verrichten und teilweise auch ihre Gesundheit auf das Spiel setzen.

Im Sinne einer effizienten gesetzlichen Regelung zur Verhinderung von Terrorismus und Hasspredigern, auch bereits bei Vorbereitungshandlungen, geben wir diesem Ter­rorismuspräventionsgesetz gerne unsere Zustimmung, weil es notwendig ist. (Beifall bei ÖVP und SPÖ.)

17.45


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Dönmez. – Bitte.

 


17.45.50

Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Hohes Präsidium! Sehr geehrter Herr Minister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir werden diesem Ge­setz nicht zustimmen, wenn auch aus anderen oder teilweise anderen Argumentations­linien, als sie die FPÖ angeführt hat.

Das ist zweifelsohne ein Gesetz, das mehr Überwachung bringt. Und wenn man die Betriebsamkeit der Überwachungspolitiker beobachtet, dann ist das ja schon fast be­ängstigend. Einmal wird bei irgendwelchen konkreten Überwachungsmaßnahmen ver­schärft und dann wieder beim Strafgesetzbuch. Im Frühling war es die Vorratsdaten­speicherung, jetzt ist es das Terrorismuspräventionsgesetz und vermutlich im Dezem­ber als Weihnachtsgeschenk das Sicherheitspolizeigesetz. Ich sage es Ihnen, es gibt da keine Grenze und es gibt kein Einhalten.

Ich frage mich: Warum? Ist es die gestiegene Terrorgefahr? Man soll das sicher zwei­felsohne nicht bagatellisieren. Gott sei Dank ist Österreich ja nicht ein äußerst gefähr­detes Land und wir bewegen uns diesbezüglich auf einem sehr niedrigen Gefahrenpo­tenzialniveau.

Es gibt aber einen anderen Grund. Man muss nur beobachten, wann die Idee der Ver­schärfung des Terrorismuspräventionsgesetzes wieder aufs Tapet gebracht worden ist. Das war unmittelbar, nachdem eine neue Innenministerin angelobt worden ist. Da stellt man sich schon die Frage, ob die Politik, ob die Regierung der Bevölkerung offen­sichtlich in bewegten Zeiten der Wirtschaftskrise nicht mehr Sicherheit geben kann. Da zieht man dann die Karte der Terrorismusgefahr und täuscht sicherheitspolitischen Ak­tionismus vor.

Was ist aber die konkrete Gefahr in diesem Gesetz? Was macht sozusagen die Ver­schärfung hier im Strafgesetzbuch überhaupt aus? – Es sind meines Erachtens zwei


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wesentliche Paragraphen: Der erste Paragraph heißt „Anleitung zur Begehung einer terroristischen Straftat“. Aber er stellt nicht die Anleitung unter Strafe, sondern er stellt auch unter Strafe, wenn man sich im Internet Informationen beschafft, um terroristische Straftaten zu begehen. Das heißt, jemand surft eine Internetseite an, wo solche Infor­mationen zur Verfügung stehen. Warum diese Seite angesurft wird und warum man zu diesen Informationen gelangen möchte, das wissen wir nicht. Das kann einerseits Neu­gierde sein, das kann Informationsbeschaffung sein, das kann Recherche sein oder Personen arbeiten an einer wissenschaftlichen Arbeit und schauen deswegen auf die­se Seiten, oder es kann wirklich deswegen sein, dass Menschen hier eine terroristi­sche Straftat begehen möchten.

Da beginnt das eigentliche Problem. Die innere Motivationslage ist für uns nicht er­kenntlich und ersichtlich. Und wenn wir diesen Strafparagraphen schaffen, heißt das in weiterer Folge, es wird ermittelt werden müssen, und genau das ist das Ziel.

Es geht ja nicht prinzipiell darum, dass man verhindert, dass jemand solche Internet­seiten anschaut. Man möchte überwachen können, warum sich die Person solche In­ternetseiten anschaut. Der Kollateralschaden wird sein, dass es Menschen gibt, die aus völlig harmlosen Motiven solche Seiten ansurfen und dann eben ins Überwa­chungsvisier der Sicherheitsbehörden geraten.

Der zweite Paragraph, der geändert wird, ist die „Aufforderung zu terroristischen Straf­taten und Gutheißung terroristischer Straftaten“. Da geht es nur mehr um mehr Ermitt­lungsmöglichkeiten und um mehr Überwachung.

Was macht man? – Man schafft einen Paragraphen, der das Gutheißen unter Strafe stellt. Das könnte man sich sparen, denn schon jetzt steht das Gutheißen von strafba­ren Handlungen in einer ähnlichen Form, nicht eins zu eins, unter Strafe.

Aber das genügt nicht. Man erklärt das Gutheißen einer terroristischen Straftat noch zur terroristischen Straftat, und damit ist man schon wieder ein Stückchen weiter. Wenn man es zu einer terroristischen Straftat erklärt hat, wenn sich ein paar Personen verabreden, terroristische Straftaten gutzuheißen oder terroristische Verbindungen an­zunehmen, dann, wenn man sozusagen an diesem Punkt angelangt ist, ist man eigent­lich schon wieder bei einem großen Punkt, den wir schon in der Vergangenheit inten-
siv diskutiert haben, nämlich dem großen Lauschangriff. Das heißt, es geht schlicht darum, dass man möglichst schnell zu möglichst scharfen Ermittlungsmaßnahmen kommt. Und das ist meines Erachtens der einzige Grund.

Im Justizministerium leugnet man das, aber im Innenministerium hat man da weniger Schamgefühl. Als die FPÖ, Ihre KollegInnen im Nationalrat, mit der Innenministerin Mikl-Leitner das Thema angesprochen haben, hat sie das auch ganz klar zugegeben und das auch so bestätigt. Sie hat nämlich gesagt: Ja, es geht uns um mehr Ermitt­lungsmöglichkeiten. Das ist aber nicht die primäre Aufgabe des Strafrechts, denn das Strafrecht dient nicht dazu, potenziell gefährliches Verhalten unter Strafe zu stellen, sondern es dient dazu, konkrete Straftaten zu ahnden.

Es geht noch weiter. Es ist beim Sicherheitspolizeigesetz nichts anderes. Das ist zwar noch in der Begutachtungsphase, aber angeblich ist das Paket fertig geschnürt mit je­der Menge Missbrauchsmöglichkeiten. Es ist auch schwer nachvollziehbar – da bin ich vollkommen bei dir, liebe Kollegin –, warum auch die SPÖ bei diesem Spiel mitmacht. Aber sei es, wie es sei.

Eines noch kurz zum § 283, den auch du angesprochen hast. Es geht beim § 283 ein­fach nicht um die Beschneidung von irgendwelchen Meinungsfreiheiten. Es geht auch nicht um irgendwelche polemischen, satirischen Übertreibungen beim Kritisieren von Gruppen. Und zum Beispiel der Herr Sarrazin und Co, die brauchen sich auch nicht zu fürchten, wenn sie in Österreich nach wie vor ihre Auftritte haben und ihren Senf über


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uns gießen. Er braucht keine Angst zu haben, er kann das auch in Zukunft machen. Aber es geht sozusagen darum, dass zum Beispiel Verhetzung – und das wissen wir aus historischen Belegen – einfach dazu führt, dass sehr unangenehme Taten die Kon­sequenz sein können. Ich glaube, das wollen wir alle nicht. Daher wollen wir das auch im Strafgesetzbuch so nicht haben. Da, glaube ich, sind wir uns sicher alle einig.

Einen Unterschied gibt es noch. Der Unterschied ist, dass bisher die diskriminierten Gruppen auf Religion, auf Staat und auf das Volk bezogen waren. Jetzt sind eben an­dere Diskriminierungsgruppen dabei. Jetzt gibt es das Geschlecht, die Behinderung und das Alter. Also mit einem Wort: Jetzt wird auch das unter Strafe gestellt, wenn je­mand zum Beispiel zu Gewalt gegen Blinde auffordert – wenn Sie so wollen – oder der die Pensionisten eingesperrt haben will. Wie auch immer, da gibt es ja die wahnsin­nigsten Vorstellungen. Auch das kann man sozusagen unter Strafe stellen. Das ist ganz vernünftig und entspricht durchaus auch den Antidiskriminierungsgesetzen, die wir sonst noch haben.

Allerdings wurde der Abs. 1 zwischen der Regierungsvorlage und dem, was wir jetzt vor uns liegen haben, schon wieder abgeschwächt. Und warum wurde er abge­schwächt? – Wegen des Gezeters und Gezerres – leider Gottes, da muss ich jetzt wie­der Kritik anbringen – der rechten Partei im Ausschuss des Nationalrates. Das wäre überhaupt nicht notwendig gewesen. In Abs. 1 im Regierungsvorschlag war ursprüng­lich vorgesehen, dass nicht nur das Auffordern zur Gewalt unter Strafe gestellt wird, sondern auch, dass der Aufruf, feindselige Handlungen zu begehen, unter Strafe ge­stellt wird. Das ist jetzt plötzlich weggefallen. Und da frage ich mich schon warum, denn feindselige Handlungen sind nämlich wirtschaftlicher Boykott beziehungsweise gesellschaftlicher Boykott. Also, wenn jemand zum wirtschaftlichen Boykott aufruft, dann ist das jetzt straffrei.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, als abschließendes Beispiel: Wenn jemand aufruft: Kauft nicht bei Christen ein!, dann können sie das heute ohne Strafe tun. Oder wenn jemand sagt: Liebe Kinder, spielt nicht mit den Behinderten!, dann kann er das heute durchaus sagen, ohne dass das unter Strafe gestellt wäre. Das möchte ich nicht, das möchten wir Grüne nicht. In der ursprünglichen Regierungsvorlage war nämlich enthal­ten, dass auch das unter Strafe gestellt worden wäre, wenn es nicht herausgenommen worden wäre. Da gibt es natürlich die Möglichkeit der Verhetzung.

Auch der gesamte Abs. 2 ist da radikal zurückgefahren worden und er ist eigentlich schlechter als das ursprüngliche Gesetz. Es ist unseres Erachtens eine Abschwächung verglichen mit dem, was bisher war, und deswegen werden wir diesem Terrorismus­präventionsgesetz in dieser Form unsere Zustimmung nicht geben. – Danke. (Beifall bei den Grünen. – Zwischenruf des Bundesrates Jenewein.)

17.55


Vizepräsident Reinhard Todt: Zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Kemperle. – Bitte.

 


17.56.00

Bundesrätin Monika Kemperle (SPÖ, Wien): Herr Präsident! Herr Minister! Ge­schätzte Damen und Herren des Bundesrates! Ich glaube, dass gerade dieses Gesetz wirklich dazu anregt, zu diskutieren. Und ich glaube auch, dass dieses Gesetz nicht so unreflektiert beziehungsweise undiskutiert verabschiedet werden soll. Das zeigt diese Diskussion eindeutig, und es gibt viele Dinge, die nicht gerade positiv angemerkt wer­den können.

Es gibt aber auch positive Dinge in diesem Gesetz, die zu bewerkstelligen und die auch mit zu bedenken sind. Denn vom Grundsatz her gilt es, Terrorismus hintanzuhal­ten, Terrorismus zu verhindern und ihn möglichst früh zu erkennen und einzudämmen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 145

Mit dem vorliegenden Terrorismuspräventionsgesetz 2010 wird gemäß einem EU-Rah­menbeschluss des Rates zur Verhinderung von Terrorismus das Strafgesetzbuch ent­sprechend angepasst. Die Novelle soll – wie bereits erwähnt – dazu dienen, dass be­stimmte Vorbereitungshandlungen und Organisationshandlungen, auch jede Ausbil­dung zu terroristischen Zwecken oder Teilnahme unter Strafe gestellt wird. Das heißt, jede Anstrengung oder jedes Mittel, das dazu dient, Terrorismus hintanzuhalten, sollte man prüfen, sollte man diskutieren und die Möglichkeit haben, hier Vorbeugungen zu treffen.

Dass manche Dinge, egal welche Gesetze oder Vorlagen, welche Voraussetzungen wir hier schaffen, nicht verhindert werden können, das wissen wir auch aus der Ver­gangenheit. Wenn Menschen Straftaten begehen, so gibt es oftmals keine Möglichkeit im Vorfeld, manche Dinge zu verhindern. Allerdings gibt es sehr wohl die Möglichkeit der Prävention im Vorfeld, dies möglich zu machen, um einen gewissen Schutz für sol­che Dinge vorzusehen und auch im Voraus zu beschließen.

Die Rahmenrichtlinie gibt auch vor, dass die Verbreitung von Information für Wissen­schafts-, Forschungs- oder Berichtszwecke dadurch nicht beschränkt oder behindert werden darf. Ebenso darf die Meinungsäußerungsfreiheit nicht eingeschränkt oder von der Novelle erfasst werden. Und dies, glaube ich, ist doch in einem gewissen Maße er­füllt worden. Ich sehe auch die Umstände in Ungarn sehr kritisch, was da passiert im Zusammenhang mit der Pressefreiheit.

Eine breite Debatte wurde bereits über die Begriffsbestimmungen und Auslegungen geführt. Hintergründe für diese breite Debatte und zu den Begriffsbestimmungen bezie­hungsweise Auslegungen waren unter anderem zum Beispiel der sogenannte Tier­schutzprozess oder die Frage, ob die Audimax-Besetzung künftig vom Terrorismusprä­ventionsgesetz erfasst werden könnte, oder auch rückwirkend zu schauen, ob die Be­setzung der Hainburger Au 1986 eine terroristische Straftat nach der gegenständlichen Novelle wäre.

In der Debatte wurden überwiegend die Änderungen kritisch infrage gestellt, jedoch nicht alle bereits geltenden Bestimmungen mit einbezogen, und das kann durchaus als Kritik gesehen werden.

Mit dieser Novelle ist es grundsätzlich geglückt, Bestimmungen soweit dies möglich ist weiter zu präzisieren, um einer anderen als der vom Gesetzgeber intendierten Ausle­gung durch die Gerichte vorzubeugen. Der Begriff der terroristischen Straftat ist nicht einmal innerhalb der EU einheitlich definiert oder definierbar. Der Begriff „terroristische Straftat“ zielt unter anderem auf schwere oder längere Zeit anhaltende Störungen ab, das heißt, das ist schon auf den Bereich von schweren und/oder länger anhaltenden Störungen ausgelegt, sodass eine Ad-hoc-Situation nicht in diesen Bereich fällt. Das heißt, der Begriff zielt auf die Herbeiführung einer schweren Schädigung des öffentli­chen Lebens oder des Wirtschaftslebens mit Begehungsabsicht und Vorsatz ab. (Prä­sidentin Mag. Neuwirth übernimmt den Vorsitz.)

In den Debatten, die sich mit den Änderungen vor allem in theoretischer Natur ausein­andersetzten, kam das Thema Beweisführung ein wenig zu kurz. Allerdings zielt dies wieder darauf ab, dass die Begriffsbestimmung selbst die Grundlage dafür bietet, dass dies nicht zu einem Willkürakt wird. Wir stellten zum Beispiel schon die Frage, was ge­schieht, wenn jemand von einer Webseite Inhalte herunterlädt, die in Betracht kom­men, unter das Terrorismuspräventionsgesetz zu fallen. In diesem Fall müssen Bege­hungsabsicht und Zwecksetzung bewiesen werden; irrtümliches Herunterladen muss ausgeschlossen werden.

Es muss zuerst ein Verdacht vorliegen, um Personen überwachen zu können; dies ge­schieht zudem über einen längeren Zeitraum. In diesem Zusammenhang sei darauf


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 146

hingewiesen, dass bei vier Anzeigen – ähnlich dem Tierschutzprozess – drei Gerichte die Verfahren sofort eingestellt haben. In einem Fall wurde auf eine Art und Weise er­mittelt, die nicht gerade als erträglich zu bezeichnen ist, wobei man die Unschuldsver­mutung bis zum Beweis der Schuld vor Gefahr im Verzug hätte gelten lassen müssen.

Gerade in diesen Bereichen muss Augenmerk auf sorgfältige Ermittlung von unabhän­gig arbeitenden Gerichten gelegt werden. Willkür und Korruption müssen diesbezüglich eingedämmt und die Voraussetzungen dafür gegeben sein. Der Fall des Herunterla­dens von Datenmaterial zeigt aber auch, dass mit Datenspeicherung sensibel und sorgsam umgegangen werden muss, um nicht unnötige Verdachtsfälle über Jahre hin­weg unbegründet aufscheinen zu lassen, sondern sie zu lösen. Dies muss insbeson­dere mit Blick auf das Sicherheitspolizeigesetz geschehen – mit der Stärkung der Ter­rorismusprävention durch die Ausweitung des Begriffs, der sogenannten erweiterten Gefahrenforschung, die auf das Beobachten von Einzelpersonen gerichtet ist.

Vorverurteilungen durch sorglose Datenspeicherung dürfen nicht in Betracht kommen. Mit dieser näheren Begriffsbestimmung gibt es im Bereich der Datenspeicherung auch die Möglichkeit, dass Dinge wie zum Beispiel die Eintragung in ein Register als Hooli­gan der Klasse 4 – Klasse 4 heißt, niemals und zu keiner Zeit gewaltbereit, trotzdem wird der Begriff Hooligan verwendet – nicht mehr geschehen.

Mit dem Entwurf zum strafrechtlichen Schutz der Umwelt erfolgt die Umsetzung der Richtlinien der EU über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Damit werden einheit­liche Mindeststandards im Umweltstrafrecht geschaffen, Kriminalisierung bestimmter vorsätzlicher oder fahrlässiger umweltschädlicher Verhaltensweisen ist das Ziel. Wie­derum erfolgt eine Präzisierung.

Vom Kollegen Strohmayer-Dangl wurde bereits erwähnt, dass es bei der Blutabnahme für bestimmte Berufsgruppen zu Verbesserungen kommt – nicht nur im Bereich der Exekutive, sondern auch bei Gesundheitsberufen und sonstigen Berufen, die viel mit Menschen zu tun haben und in solchen Bereichen tätig sind. Es ist natürlich positiv an­zumerken, dass die Blutabnahme nur mit richterlicher Genehmigung durchgeführt wer­den kann, was äußerst wichtig ist, um letztendlich nicht Willkürakten Vorschub leisten zu können und zu müssen.

Ich will es nicht verhehlen und glaube, man merkt schon, dass auch wir in unserer Fraktion uns mit diesen Dingen sehr genau auseinandergesetzt haben und es uns nicht leicht machen, eine gewisse Art der Abwägung durchzuführen.

Es ist schon ein Wechselbad der Gefühle, wenn wir dieser Vorlage letztendlich zustim­men. Es gibt negative Seiten, aber in diesem Gesamtpaket gibt es auch positive Sei­ten. Aufgrund der Situation und der positiven Aspekte – klare Begriffsbestimmungen und verschiedene andere Dinge, die enthalten sind – und auch im Hinblick auf das Si­cherheitspolizeigesetz, von dem wir hoffen, dass es in der derzeit diskutierten Form nicht kommt – das sage ich auch unverhohlen dazu – wird meine Fraktion diesem Ge­setz die Zustimmung erteilen. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

18.06


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmenmehrheit. Der Antrag ist somit angenommen.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 147

18.07.0918. Punkt

Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Bundesge-
setz, mit dem die Notariatsordnung geändert wird (1660/A und 1423 d.B. sowie 8599/BR d.B.)

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Nun kommen wir zum 18. Punkt der Tagesord­nung.

Berichterstatter ist Herr Bundesrat Füller. Bitte um den Bericht.

 


18.07.26

Berichterstatter Christian Füller: Ich bringe den Bericht des Justizausschusses über den Beschluss des Nationalrates vom 20. Oktober 2011 betreffend ein Bundesgesetz, mit dem die Notariatsordnung geändert wird.

Der Bericht liegt Ihnen in schriftlicher Form vor, ich komme daher gleich zur Antrag­stellung.

Der Justizausschuss stellt nach Beratung der Vorlage am 3. November 2011 mit Stim­meneinhelligkeit den Antrag, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben.

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Danke für den Bericht.

Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Mag. Jachs. – Bitte.

 


18.08.01

Bundesrat Mag. Christian Jachs (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besser könnte der Zeitpunkt nicht sein; nach dem Strafgesetzbuch haben wir jetzt am Ende der Tagesordnung noch die Chance und die Gelegenheit, einen gemeinsamen, einhelligen und harmonischen Schlussakkord zu setzen.

Die Novelle der Notariatsordnung bringt eine Öffnung der Notariate. Künftig können sich Juristen aus dem europäischen Ausland – aus dem EU-Raum, aus den assoziier­ten Mitgliedsländern und aus der benachbarten Schweiz – um Notariate in Österreich bewerben.

Mit dieser Öffnung nehmen wir zusätzliche Kompetenz herein. Gleichzeitig werden die Zulassungsvoraussetzungen nicht gelockert. Insbesondere die Bestimmungen betref­fend den Nachweis über Kenntnisse im österreichischen Recht, Ausbildungszeiten und Absolvierung der Notariatsprüfung werden nicht gelockert. Insgesamt ist das eine posi­tive Perspektive für Österreich und seine Menschen. (Allgemeiner Beifall.)

18.09


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Als Nächster ist Herr Bundesrat Gruber zu Wort gemeldet. – Bitte. (Ruf bei der ÖVP – in Richtung des sich zum Rednerpult bege­benden Bundesrates Gruber –: Manfred, die Latte liegt hoch!)

 


18.09.19

Bundesrat Manfred Gruber (SPÖ, Salzburg): Frau Präsidentin! Herr Minister! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mein Vorredner hat ja schon fast alles gesagt – fast, aber noch nicht alles. (Heiterkeit.) Ich kann das jetzt natürlich auch recht kurz machen.

Entscheidend für diese Änderung ist natürlich auch, dass ihr ein Urteil des Europäi­schen Gerichtshofes darüber vorausgegangen ist, dass die Staatsbürgerschaft nicht mehr unbedingt notwendig sein darf, um ein Notariat eröffnen zu können. Das eröffnet natürlich auch österreichischen Juristinnen und Juristen in den Mitgliedsländern Ar­beitsplätze und Zukunftschancen. Man weiß ja, dass die Liste der Notariatsbewerber in Österreich sehr lange ist.


BundesratStenographisches Protokoll801. Sitzung / Seite 148

Ganz wichtig ist, dass durch diese Änderung die Arbeit der Notare, die öffentliche Tä­tigkeit, nicht neu zu definieren ist, sie bleibt in der Form erhalten. Welche Auswirkun­gen hat diese Änderung? – Kurzfristig keine; längerfristig – das habe ich bereits ge­sagt – wird die Qualität gehoben, die Sprachkompetenz wird erhöht, unsere Notare werden sich mit ausländischen Rechtssystemen befassen müssen, was sich für die Kli­enten positiv auswirkt.

In diesem Sinne werden wir dieser Änderung auch unsere Zustimmung geben. Weil ich heute einmal das letzte Wort gehabt habe, wünsche ich Ihnen noch einen schönen Abend. – Danke. (Allgemeiner Beifall.)

18.11


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Das letzte Wort liegt doch bei der Präsident­schaft. (Bundesrat Gruber: Ich habe mir gedacht, dass eine Frau das letzte Wort hat! – Allgemeine Heiterkeit.)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wünscht noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Die Debatte ist geschlossen.

Wir gelangen zur Abstimmung.

Ich ersuche jene Bundesrätinnen und Bundesräte, die dem Antrag zustimmen, gegen den vorliegenden Beschluss des Nationalrates keinen Einspruch zu erheben, um ein Handzeichen. – Es ist dies die Stimmeneinhelligkeit. Der Antrag ist somit angenom­men.

Die Tagesordnung ist erschöpft.

18.11.35Einlauf

 


Präsidentin Mag. Susanne Neuwirth: Ich gebe noch bekannt, dass seit der letzten beziehungsweise in der heutigen Sitzung insgesamt zehn Anfragen, 2845/J-BR/2011 bis 2854/J-BR/2011, eingebracht wurden.

*****

Die Einberufung der nächsten Sitzung des Bundesrates wird auf schriftlichem Wege erfolgen. Als Sitzungstermin wird Donnerstag, 1. Dezember 2011, 9 Uhr, in Aussicht ge­nommen.

Für die Tagesordnung dieser Sitzung kommen insbesondere jene Beschlüsse in Be­tracht, die der Nationalrat bis dahin verabschiedet haben wird, soweit sie dem Ein­spruchsrecht beziehungsweise dem Zustimmungsrecht des Bundesrates unterliegen.

Die Ausschussvorberatungen sind für Dienstag, 29. November 2011, ab 14 Uhr vorge­sehen.

Ich wünsche einen schönen Nachhauseweg.

Die Sitzung ist geschlossen.

18.12.19Schluss der Sitzung: 18.12 Uhr

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